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Band 115

Rideryon-Zyklus

Fürstin der Finsternis

Aurec will Kathy Scolar vor den Ylors retten

Nils Hirseland

Cover

Prolog: Aus den Chroniken Cartwheels

Für einen alten Mann kehrte an diesen Tagen keine Ruhe ein. So kurz nach dem schrecklichen Mordkomplott, das Rodrom auf Herton IV eingefädelt hatte, und das so verhängnisvoll endete, folgte die lang ersehnte Expedition ins Rideryon.

Meine Assistentin Pyla und ich hatten schon vor einem Monat unsere Teilnahme zugesagt. Dazu standen wir, obwohl wir soeben nur knapp dem Tode entronnen waren.

Ausgerechnet dem Einsatz von Cauthon Despair, dem so gefürchteten Silbernen Ritter, verdankten Danton, Anya Guuze, Pyla und ich unser Leben. Despair hatte sich gegen Rodrom gestellt und ihn getötet. Leider nahm die Geschichte eine tragische Wendung. Ich bekam mit, wie Despair – ausgerechnet dieses Sinnbild an Tod und Vernichtung – Pyla seine Zuneigung zeigte. Sie wollte seither nicht darüber reden, doch ich merkte ihre Ablehnung, vor allem, da Despair ein Sohn des Chaos war. Sicherlich war es für eine Frau eine Belastung, solch einen Verehrer zu haben.

Pyla wollte nicht darüber reden und ich war alt genug, um zu wissen, dass ich nur das Gegenteil erreichen würde, wenn ich sie bedrängte. Auch wenn es mir wie Ewigkeiten vorkam. Anscheinend brauchten Frauen offenbar eine ganze Weile zum Nachdenken und um sich über gewisse Dinge klar zu werden.

Die Kosmogeniale Bewegung, die wir gerade kennengelernt hatten, war am Ende. Letztlich war die Sekte eine Falle von Rodrom gewesen, der sich der verwirrten Leute bedient hatte. Wir waren einem Schwindel anheimgefallen. Tröstlich, dass auch Perry Rhodans Sohn Michael zu uns gehörte.

Nun befanden wir uns auf der IVANHOE II. Wir schrieben den 20. April 1308 NGZ, den Tag, an dem es losgehen sollte. Ich war gespannt wie ein kleines Kind.

Schon bald würde ich mich inmitten eines kosmischen Wunders befinden. Ein alter Mann empfand Dankbarkeit dafür. Nur eines fürchtete ich: Natalia erneut zu begegnen …

Jaaron Jargon

Die Einsamkeit des Saggittonen

Aurec

Ich starrte nun schon seit Stunden auf Kathys Bild in meinen Händen

Mein Leben war trostlos und sinnlos ohne sie. Sie hatte mir in dieser finsteren Zeit die Kraft gegeben weiterzumachen. Die Hoffnung, sie wiederzusehen, war stärker als jeder andere Ansporn. Sogar größer als die Hoffnung, mein eigenes Volk aus der Tyrannei des Quarteriums zu führen.

Ich war mir sicher, dass mir das eines Tages gelang. Doch was danach? Kathy war der Garant für ein glückliches Leben nach diesem Terror – sollten wir tatsächlich gewinnen, wofür es auch keine Garantie gab.

Ich vermisste sie so sehr! Zu lange waren wir nun schon voneinander getrennt. Ich wollte sie wiederhaben! Und es war mir gleich, ob sie nun eine Ylors war oder nicht. Solange sie lebte und die Hoffnung bestand, wieder so zu werden, wie sie einst war, so lange würde ich alles versuchen, um sie zu retten.

Und wenn ich gegen Medvecâ und all seine Ylors kämpfen musste – es war mir gleich!

Ich liebte Kathy! Ich würde alles für sie geben, sogar mein Leben! Sie musste einfach nur wieder so werden, wie ich sie kannte. So wie sie selbst war, ohne dass einer an ihr herumgedreht hatte.

Es war gut möglich, dass es wirklich bald darum gehen würde, mein Leben zu geben. Aber dieses Risiko war ich bereit einzugehen. Viele hatten mir von dieser Expedition abgeraten. Ich schätzte ihre Besorgnis, doch Kathy war eine Frau, für die man durch die Hölle ging.

Und das stand mir vermutlich auch bevor: die Hölle.

*

Am Morgen des 20. April 1308 NGZ betrat ich die Kommandozentrale der IVANHOE II. Admiral Xavier Jeamour, Irwan Dove und Mathew Wallace begrüßten mich freundlich.

Ich betrachtete die gigantische Nebelwand. Sie war beeindruckend und unheimlich zugleich. Das Rideryon hatte Siom Som erreicht und die bloße Anwesenheit sorgte bereits für Angst. Furcht vor umwerfenden Veränderungen der Gesellschaft, von allem Vertrauten, aller Sicherheit. Als ob die Estarten nicht schon genug hatten erleiden müssen in den letzten beiden Jahren. Mit der Selbstverständlichkeit einer kosmischen Größe hatte der Anführer des Rideryons, ein uraltes Wesen namens Nistant, einen Kulturaustausch angekündigt. Was nach einer fröhlichen Kaffeefahrt mit Plauderei klang, war ein tiefer Eingriff in die Kultur der ganzen Galaxie.

Nistant plante, dass 100 Planeten Siom Soms von Millionen oder gar Milliarden Rideryonen besiedelt werden sollten. Im Gegenzug sollte die dort bisher lebende Bevölkerung auf das Rideryon ziehen.

Allein die Ankündigung hatte für Entsetzen gesorgt, sowohl bei der einheimischen Bevölkerung als auch bei den Besatzungsmächten.

Ich musste … Wir mussten mit Nistant reden und ihn von diesem Vorhaben abbringen.


Vor der Nebelwand patrouillierten Dutzende Raumschiffe der LFT, Dorgons und des Quarteriums. Seit dem Waffenstillstand war die Atmosphäre zwar immer noch angespannt, aber deutlich besser geworden. Immerhin schossen wir nicht mehr aufeinander.

»Ist die DUNKELSTERN bereit?«, fragte ich und setzte voraus, dass die IVANHOE II bereits startklar war.

»Roi Danton meldet sich, sobald das Raumschiff einsatzbereit ist«, erklärte Jeamour.

»Wo ist er?«

Der Belgier deutete auf den quarterialen Wachverband am Resif-Sidera.

»Danton macht etwas Politik!«

Ich seufzte. Aber Roi hatte wohl recht. Wir konnten nicht am Quarterium vorbei, mussten mit ihnen kooperieren. Auf der Anzeige bemerkte ich die PAXUS, das Flaggschiff von Orlando de la Siniestro.

»Machen Sie eine Fähre startklar«, bat ich Jeamour.

»Bereits geschehen«, erwiderte Mathew Wallace und grinste schelmisch. »Danton hatte das bereits erwartet …«

Wächter am Resif-Sidera

Reynar Trybwater blickte verächtlich auf den Flottenverband der Terranischen 8. Flotte. Noch war das Quarterium der Herr über Siom Som! Aber offenbar vergaß Rhodan in seiner Arroganz diese wichtige Tatsache.

Die 15.000 Raumschiffe starke Flotte des Quarteriums zog zusammen mit 7500 Adlerschiffen des Kaiserreiches Dorgon neben dem Resif-Sidera in Richtung des Zentrums von Siom Som. Als das Resif-Sidera vor einigen Monaten die Randbezirke der Galaxie erreicht hatte, beschleunigte es, und inzwischen war ein deutliches Ziel zu erkennen – offenbar das Zentrum.

War das Ziel vielleicht Som?

Oder Som-Ussad?

Trybwater wusste es nicht – es kümmerte ihn auch wenig. Darüber sollten sich andere den Kopf zerbrechen. Wesentlich interessanter war, dass der Emperador vor dem Terranischen Residenten zu Kreuze gekrochen war.

Er schüttelte den Kopf. Waffenstillstand! – Pah!

Nachdem das Sternentor der Lokalen Gruppe plötzlich vernichtet wurde, hatte sich die strategische Lage zugunsten des Quarteriums gedreht. Die LFT und ihre Verbündeten waren von jedem direkten Nachschub aus der Milchstraße abgeschnitten, während die Flottenbasen des Quarteriums und der Dorgonen dank des ununterbrochenen Nachschubstroms immer weiter ausgebaut werden konnten.

Doch Siniestro und seine Speichellecker auf Paxus scheuten anscheinend jedes Risiko. Anders war das Stillhalten in Siom Som nicht zu erklären. Trybwater knirschte vor Wut mit den Zähnen, als er an die zurückliegende Besprechung mit Orlando de Siniestro dachte. Der Sohn des Emperadors hatte ihn vor dem gesamten Offizierskorps zur Sau gemacht, als er vorgeschlagen hatte, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Feinde des Quarteriums durch einen Präventivschlag zu vernichten. Dazu kamen die Nachrichten, die er über die geheimen Kanäle der CIP aus Cartwheel erhalten hatte: Siniestro und Despair machten Ernst mit der Weichspülnummer und begannen, die Lager der Artenbestandsregulierung vorsichtig aufzulösen.

So, wie es schien, hatte er auf das falsche Pferd gesetzt. Aber noch war nicht aller Tage Abend, denn Leticron hatte sich anscheinend gegenüber dem Emperador für eine Weiterführung der bisherigen Politik positioniert. Es wurde langsam Zeit, dass innerhalb des neuen Reiches der Menschheit wirklich fähige Köpfe an die Spitze des Staates gesetzt wurden. Nein, der Krieg war noch lange nicht vorbei. Zwar war die Expansionspolitik des Quarteriums auf Eis gelegt, doch es war immer noch stark genug, um die estartischen Galaxien und Cartwheel zu verteidigen.

Deshalb musste ja auch Rhodan verhandeln! Dem würden sie es noch zeigen!

»Generalkommandeur, zwei Raumschiffe nähern sich unserer Position.«

»Identifizieren!«

Der Oberstleutnant aktivierte die Holografie. Es waren zwei SUPREMO-Raumschiffe, doch nur eines gehörte dem Quarterium an. Das erste Schiff war die PAXUS, die unter dem Kommando Admiral Orlando de la Siniestros stand. Das zweite Schiff aber war die IVANHOE II unter dem verräterischen Rhodanisten Xavier Jeamour.

Ein drittes Raumschiff trat aus dem Hyperraum aus. Trybwater erkannte sofort die eigentümliche Form. Es war die DUNKELSTERN – Roi Danton war da!

Trybwater fluchte innerlich, denn er hatte Dantons Charade vor einem Jahr nicht vergessen, als dieser ihn an der Nase herumgeführt hatte.

Alle drei Kommandanten baten Trybwater um eine Besprechung. Er war als Wachhabender der Patrouille Ranghöchster der 15.000 Schlachtschiffe. Widerwillig stimmte Trybwater zu. Nur eine Viertelstunde später erreichten die Raumfähren Trybwaters Flaggschiff BUSH.

Er erwartete die Gäste in seinem Konferenzraum. Zuerst betrat de la Siniestro den Raum. Trybwater grüßte ihn mit eisiger Beherrschung und kondolierte zum Tod seiner Verlobten Uthe Scorbit. De la Siniestro dankte betrübt.

Nun folgten Jeamour und der Saggittone Aurec. Der CIP-General nickte den beiden lediglich abfällig zu. Zum Schluss betrat der affektierte Danton den Raum, gekleidet wie ein Freibeuter aus der Renaissance.

Danton kam nicht allein. Eine hochgewachsene Blondine ging neben ihm, ihren Arm in den seinen eingehakt. Was sollte das?, regte sich Trybwater innerlich auf.

»Bonjour messieurs. Ich hoffe, hier steht irgendwo ein ordentlicher Vurguzz bereit, ich bin echauffiert. Hach, wo hab ich es nur?«

Er kramte in seinen Jackentaschen und holte ein Tüchlein hervor. Herzhaft schnäuzte er hinein. Dann gab er das Taschentuch seiner Begleitung, die sich artig für die Gabe bedankte.

»Dies ist Pyla, neuerdings die Assistentin des geschätzten Chronisten Jaaron Jargon. Ihre Qualitäten sind mannigfaltig. Sie ist hier, um dieses historische Gespräch niederzuschreiben.«

Roi Danton rümpfte erneut die Nase und wedelte mit der rechten Hand umher. Pyla überreichte ihm ein neues, sauberes Tuch, in das er ausgiebig schnäuzte. Als er endlich fertig war, verstaute sie das vollgerotzte Tüchlein in ihrer Tasche. Danton schüttelte sich kurz, als er das sah, und wandte sich anschließend wieder Trybwater zu.

Trybwater hatte von den Showeinlagen der beiden genug gesehen. Vermutlich hatten sie die Szene einstudiert. Zu welchem Zweck, wusste Trybwater nicht, aber er würde aufpassen. Am liebsten hätte er Danton nach alter Piratensitte persönlich über die Reling bzw. aus der Luftschleuse geworfen, und die Blondine als Kriegsbeute geknallt.

»So, jetzt können wir beginnen«, sagte Roi Danton gedehnt.

»Warum sind Sie hier?«, fragte Trybwater.

»Wir möchten eine Kooperation zwischen dem Quarterium und der Liga Freier Terraner und ihren Verbündeten. In Anbetracht der potenziellen Gefahr durch das Riff müssen wir zusammenarbeiten.«

»Was?«

»Ah, das passt dem geschniegelten Menschenzerstrahler nicht. Nun denn, Sie können nichts dagegen unternehmen. Ihr Emperador hat es zusammen mit meinem Papi beschlossen. Also, um nun die wirre Angelegenheit auf den Punkt zu bringen, wir wollen das Riff untersuchen. Die IVANHOE wird dafür meinem Kommando unterstellt.«

»Wie?«, begehrte Jeamour auf.

Aurec schüttelte schmunzelnd den Kopf. Danton sprach weiter.

»Ah, ein Belgier. Ihr teilt euch doch eine Grenze mit Holland. Schrecklich. Aber es ist nur vorübergehend.«

»Immerhin bin ich Belgier und nicht Möchtegernfranzose.«

Danton streckte Jeamour die Zunge raus. Dann wandte er sich wieder an Trybwater.

»Was wir von Ihnen möchten ist – nichts. Sie sollen nichts tun. Uns nicht erschießen, nicht einmischen. Gar nichts. Klappe halten und nichts tun, nespa?«

Trybwater konnte nicht glauben, was Danton ihm da gerade berichtete. 15.000 SUPREMO-Schlachtschiffe sollten tatenlos dem Treiben der LFT zusehen? Und der Emperador hatte dies bestimmt? Unmöglich. Doch Orlando de la Siniestro bestätigte die Anweisungen.

»Eine quarteriale Gruppe wird ebenfalls an Bord der IVANHOE gehen. Wir planen eine Expedition ins Riff. Die Informationen von Roi Danton sind spärlich, aber wichtig. Er hat nur die Welt der Ylors, ein primitives Dorf und zwei Tholmonde zu Gesicht bekommen, aber es gibt viel mehr zu erforschen. Vor allem wollen wir den Grund herausfinden, wieso das Riff hier ist und welche Bedrohung es für uns alle darstellt. Ich hoffe auf Ihre Kooperation, Generalkommandeur!«

Trybwater nickte und verwünschte den Tag, an dem er Roi Danton begegnet war. Doch er würde nicht so einfach aufgeben. Mit seiner affektierten und provokanten Art mochte Danton zwar soeben einen billigen Erfolg verbucht haben, doch Trybwater würde zuletzt lachen. Das Netz der CIP war eng gestrickt. Natürlich wusste er von dem Gerät, welches die Raumschiffe unversehrt durch das Riff brachte. Die CIP hatte die Konstruktionspläne gestohlen und die Apparatur in zehn SUPREMO-Raumschiffen installiert.

Sollte Danton ruhig glauben, er hätte gewonnen. Doch Trybwater würde ihm ins Riff folgen und die IVANHOE II vernichten. Dort gab es keine Zeugen, und er würde dem Quarterium einen Gefallen erweisen, der unermesslich wertvoll war. Danton, Aurec, Cascal und Gal’Arn auf einmal erledigen! Damit würde er in die Geschichte eingehen.

»Nun, unter erheblichen Protest beuge ich mich dem Befehl. Wir hören uns noch, Danton!«

»Hoffentlich nicht so bald«, antwortete der Sohn Rhodans.

Seine Begleiterin lachte darüber. Sollten sie ihre Heiterkeit auskosten. Bald würden sie im kalten Weltraum treiben!

Traurige Männer

Jonathan Andrews klatschte in die Hände und tanzte singend durch den Raum. Es fiel ihm schwer, sein Gleichgewicht zu halten. Mathew Wallace schüttelte den Kopf und wandte sich Aurec zu, der ebenfalls schon fleißig getrunken hatte.

»Ist dieses Verhalten sinnvoll, so kurz vor dem Aufbruch? Trinken, feiern, weinen und so weiter?«

»Er hat immerhin seine Frau verloren. Auch wenn sie ihn schon vorher betrogen hat und ihm doppelt das Herz gebrochen hat. Sie ist eine Ylors geworden, und offenbar mit Freude.«

Wallace seufzte. Aurec hatte recht. Jonathan stand immer noch unter Schock, ein Wiedersehen würde eventuell sehr schwierig werden, und er brauchte den Alkohol, um sich wieder zu fangen.

Gal’Arn fehlte bei diesem kleinen Gelage. Er wollte sich lieber um Jonathan kümmern, wenn dieser nüchtern war. Mathew wusste, dass der Ritter der Tiefe viel mit seinem Orbiter meditierte.

Links neben Mathew räusperte sich Joak Cascal, der nächste Problemkandidat. Hoffnungslos in die bezaubernde Anya Guuze verliebt, kämpfte er schon seit mehr als einem Jahr mit tiefen Depressionen. Aurec konnte ihn verstehen, hoffte er doch, im Riff endlich seine Kathy wiederzufinden. Offenbar war sie aber auch eine Ylors. Sie hatte zu Medvecâs Gefolgsleuten gehört, als dieser vor wenigen Tagen auf Herton IV zur Unterstützung Rodroms aufgetaucht war. Es bestand bei Kathy jedoch Grund zur Hoffnung. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, die Gefangenen auf Herton IV zu töten. Elyn sprach von einem Gegenmittel, an diese Hoffnung klammerte er sich.

Und das war der Sinn der kommenden Mission. Dank Sato Ambush und Lorif hatten sie eine Art Nebelbrecher entwickelt. Dieses Gerät sorgte dafür, dass die Syntronik der Raumschiffe nicht beschädigt wurde, wenn man durch den Nebel zum Riff flog. Mit Elyns Gegenmittel hoffte man, die Ylorsmutation bei beiden Frauen zu stoppen.

Doch selbst wenn es gelang, was dann? Kathy mochte zu Aurec zurückkehren, doch Nataly hatte schon vorher Schluss mit Jonathan gemacht. Roi Danton hatte von der Affäre mit dem verstorbenen Roland Meyers berichtet. Jonathan gab sich einer Illusion hin, doch tief in seinem Herzen wusste er das auch – sonst würde er sich nicht immer wieder betrinken.

Im Moment schäkerte er mit der Buuralerin Pyla, die sich trotz des Verlustes ihrer Familie und ihres ganzen Dorfes gut in das terranische Partyleben eingefunden hatte. Pyla war ein hübsches, nettes Mädchen und arbeitete seit einer Weile für Jaaron Jargon. Mathew war froh, dass zumindest nicht auch noch sie in Depressionen verfallen war. Guten Grund hatte sie gehabt. Nach ihrer Ankunft in Siom Som hatte er sich ihrer angenommen und sich von ihren Qualitäten überzeugen können.

Vielleicht tat Pyla Jonathan ganz gut und brachte ihn auf andere Gedanken. Andererseits würden sie morgen ins Rideryon fliegen. Aurec stieg auf Wasser um. Er wollte einen klaren Kopf bewahren. Cascal stierte vor sich hin.

Mathew stupste Cascal an.

»Na? Alles klar?«

»Es ist alles so sinnlos. Ich bin mit der Gesamtsituation nicht zufrieden. Ehrlich!«

Cascal leerte sein Glas Vurguzz in einem Zug.

»Anya bandelt wieder mit ihrem Ex-Mann an. Mit dieser Nulpe Krizan Bulrich, der sie beinahe in den Tod geschickt hätte. Aber nein, er hat sich entschuldigt und sie glaubt an das Gute in ihm! Und beide sind auch noch hier an Bord. Wieso eigentlich? Bestimmt steckt Danton dahinter. Der will doch auch nur Anya haben, dieser affektierte Wicht! Und Bulrich gehört zu den Truppen des Quarteriums, die man uns zur Seite gestellt hat. Tolle Hilfe.«

Mathew war ratlos. Was sollte er Cascal vorschlagen?

»Wie wäre es, wenn du dich einfach austobst und auf anderen Gedanken kommst?«

»Das habe ich schon gemacht, als deine Ururgroßeltern noch nicht mal erdacht waren. Hat auch nichts gebracht …«

»Was willst du tun?«

»Ich nehme eine Knarre und erschieß mich.«

Cascal leerte den nächsten Vurguzz.

»Nein, ich erschieße ihn. Wir sind im Krieg. Das fällt gar nicht auf …«

»Hör auf mit dem Blödsinn. Niemand wird erschossen. Sie wird dir bestimmt ihr Herz schenken, wenn du ihren Lover abknallst. Sicher …«

Mathew war froh, dass er nicht zu den trüben Tassen gehörte, obwohl Saraah und er seit fast einem Jahr kein Paar mehr waren und er sicher auch allen Grund zum Grämen gehabt hätte.

In diesem Moment betrat die wunderschöne Alyske Elyn das Zimmer. Sie hatte sich gut von dem Abenteuer in Entropia erholt, ebenso wie Remus und Joak. In allen aber steckte die Trauer über den unerwarteten und tragischen Tod von Uthe Scorbit. Auch in Mathew. Er hatte Uthe sehr gemocht und war traurig, dass sie nun tot war.

Cascal und Jonathan sahen Elyn an, als sei sie Freiwild. Elyn spürte offenbar die Blicke, und nun starrten auch Remus und Jan Scorbit sie an.

»Komme ich ungelegen?«

»Liegt am Geschlecht«, meinte Mathew und grinste. »Nein, du bist hier wohl mehr als herzlich willkommen. Die Jungs brauchen wohl eine Menge Trost.«

»Ich kann gut trösten«, entgegnete Elyn, was Mathew noch mehr zum Schmunzeln brachte, denn sie hatte nicht gemerkt, worauf er hinauswollte.

Cascal stellte sein Glas beiseite und nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle.

Jonathan setzte sich wankend hin. Pyla hockte sich auf seinen Schoß und säuselte etwas Unverständliches. Wenn sie betrunken war, verstand niemand mehr, was sie sagte. Der junge Mann lallte:

»Sie hat mir mein Herz herausgerissen und filetiert. Und ich kann ihr nicht einmal die Meinung sagen. Es ist alles so seltsam. Sie hat eine Affäre, dann wird sie eine Ylors und alles ist noch schlimmer …«

Mathew legte seinen Arm freundschaftlich um Jonathans Schulter.

»Vielleicht hat Elyn ja Erfolg und sie wird wieder eine Terranerin. Doch das garantiert nicht, dass sie wieder zu dir zurückkehrt.«

Jonathan seufzte und stellte das Glas beiseite.

»Ist wohl besser, wenn ich ausnüchtere und meditiere. Vermutlich ist Gal’Arn der Einzige, der mir wirklich hilft, mit dem Schmerz umzugehen. Zumindest mehr als der Alkohol …«

Jonathan stad wankend auf, verabschiedete sich von allen und verließ traurig die Kabine.

Mathew glaubte daran, dass er sich wieder fing. Es brauchte halt nur seine Zeit.

Joak blickte Pyla seltsam an. Mathew glaubte, da war Interesse in seinen Augen.

»Hast du eine Zigarette, Joak?«, fragte sie.

Cascal gab ohne zu zögern eine von seinen Kippen heraus. Seine Miene erhellte sich, als sich die beiden unterhielten. Mathew hatte das untrügliche Gefühl, dass Joak in sein nächstes Fiasko steuerte.

Die Reise ins Resif-Sidera

»Aye, Matrosen und Raumfahrer! Bereit, dem Universum ein Geheimnis zu entlocken?«

Danton stolzierte eitel wie ein Pfau in die Kommandozentrale. Das beabsichtigte er mit seinem Auftritt natürlich auch. Er schritt an Xavier Jeamour und Mathew Wallace vorbei. Während Jeamour dumm aus der Wäsche guckte, grinste Wallace. Roi gefiel das. Der Junge teilte seine Art von Humor.

Roi stellte sich auf die Empore über dem Sitz des Kommandanten und breitete die Arme aus. Nach einer Weile hatte er die Aufmerksamkeit der Brückenbesatzung und der »Gäste«.

Er sah in ihre Gesichter, durchdachte die Qualifikationen der Anwesenden.

Aurec, Remus und Jan Scorbit, Gal’Arn, Elyn und Jonathan Andrews waren die speziellen Kräfte an Bord. Lorif, Irwan Dove, Jenny Taylor und Tania Walerty gehörten zur Besatzung der IVANHOE II. Jaaron Jargon war als Chronist unterwegs. Pyla stand ihm dank Rois Vermittlung zur Seite. Er verzog den Mundwinkel zu einem kaum sichtbaren, schrägen Grinsen. So war er den nervigen Blondschopf für eine Weile los.

Die quarterialen Henner Herker, Ash Berger und Krizan Bulrich gehörten zum Spezialkommando des Quarteriums, welches Danton unterstützen sollte. Sie waren Truppen der Holsteiner-Division, der Leibstandarte der kaiserlichen Familie.

Auf ihre Anwesenheit legte er persönlich wenig Wert, aber nun ja!

Anya Guuze war ein ganz besonderer Gast. Roi hatte dafür gesorgt, dass sie an Bord der IVANHOE II eine Stelle als Ordonnanz von Xavier Jeamour bekommen hatte. Sie war sicherlich nicht für diese Funktion wichtig, aber für die Mission. Schließlich glaubte jemand im Resif-Sidera, dass diese Frau die Liebe seines Lebens war. Es würde sicherlich nützlich sein, sie dabei zu haben.

Roi schmunzelte, als er Joak Cascal sah. Noch einer, der viel von Anya hielt, der sich hoffnungslos in die kleine Blondine verliebt hatte. Und um die Sache noch interessanter zu machen, war da noch Krizan Bulrich. Eine eher hohle Gestalt, ein Aufschneider und Blender. Gut, überlegte Roi sarkastisch, das war er selbst auch, doch Bulrich fehlte es an Charme, Intelligenz, Humor und überhaupt an jeder Menge von allem Möglichen.

Wie dem auch sei, alle waren versammelt und starrten Roi an. Das gefiel ihm. Er hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit auf seinem Raumschiff. Die IVANHOE II war ja auch ein wirklich schnuckeliges Schiff. Am liebsten würde er es auf ewig behalten. Im Grunde genommen gehörte die IVANHOE II zur USO, und da er ja auch eine Führungsperson der USO war, war sein Besitzanspruch sogar irgendwie gerechtfertigt. Doch das würde nur wieder Ärger geben. Stattdessen musste er sich vorerst mit der DUNKELSTERN begnügen.

»Warum wir hier sind, wisst ihr vermutlich. Für all jene, die es noch nicht mitbekommen haben: Wir fliegen ins Resif-Sidera und von dort zum Rideryon!«

Danton klatschte in die Hände. Sato Ambush betrat die Kommandozentrale. Der Pararealist verneigte sich demütig vor den Anwesenden.

»Unser orakelnder und geschwollen sprechender Freund Sato hat zusammen mit dem endlos redenden Posbi Lorif offenbar ein Gerät entwickelt, welches vor dem Kollabieren sämtlicher technischer Geräte, was beim Durchqueren des Riffnebels als ungewünschter Nebeneffekt auftritt, schützt.

Die VIPER verlor bei meiner ersten Mission fast jegliche moderne Technik, so wie wir auch massive Probleme mit der DUNKELSTERN hatten. Sato?«

Der Japaner verneigte sich erneut.

»Diese positronische Syntronik wird mit THEANO verbunden und das gesamte Raumschiff in eine Art Starre versetzen, während wir durch den Nebel fliegen. Die IVANHOE ist dann quasi auf Stand-by-Betrieb. Die PoSyntronik wird die Lebenserhaltungssysteme und Schutzmechanismen kontrollieren, vermutlich aber den Nebelflug nicht überstehen, aufgrund der Gegebenheiten des Nebels. THEANO wird durch einen Impuls aktiviert, nachdem wir den Nebel passiert haben. Somit dürfte den Gerätschaften nichts passieren.«

»Vereinfacht gesagt, wir machen das Raumschiff aus und schweben mehr oder weniger durch die Nebelwand. Wenn nichts an ist, dürfte auch nichts kaputt gehen«, erklärte Danton.

»Ja, so kann man es laienhaft ausdrücken«, stimmte Lorif zu. »Obwohl natürlich die Definition nicht korrekt ist. Wir machen das Raumschiff nicht komplett aus, sondern minimieren die Prozesse auf ein Mindestmaß und lassen diese von einem externen Rechner steuern, damit THEANO keinen Schaden erleidet.«

»Danke sehr, Blechbirne«, erwiderte Danton pikiert.

»Und was, wenn das nicht klappt?«, fragte Anya Guuze. »Hat das denn schon jemand ausprobiert?«

»No, mon cœur des étoiles! Aber das werden wir sicher bald.«

»Coeur des was?«, hakte Anya nach.

»Was fällt dir ein, meine Frau oder Ex-Frau als Toilette zu bezeichnen! Ich lege quarterialen Protest ein!«, mischte sich Krizan Bulrich ein.

Danton hob beschwichtigend die Hände.

»Mesdames et messieurs! Cœur des étoiles bedeutet Herz der Sterne. Anya, du wirst dich gewiss an deine erste Begegnung mit Nistant erinnern, nespa? Liebes, er hat auch das letzte Mal von dir gesprochen und hält dich eindeutig für die leibhaftige Reinkarnation der Liebe seines Lebens Ajinah!«

Anya starrte Danton entsetzt an.

»Ja, ich erinnere mich an die seltsame Begegnung auf Ednil. Aber ich bin nicht Ajinah. Auch wenn jeder das behauptet. Selbst diese Entropentussi!«

»Fakt ist, dass Nistant das glaubt. Dieser Umstand ist ein Trumpf in meinem Ärmel. Vertraue mir, chérie!«

»Ah, das heißt Kirsche, richtig?«, fragte Bulrich.

Danton verzog angewidert die Mundwinkel.

»Ich habe das Kommando über diese Mission, weil ich ja fast ein halbes Jahr im Riff gewesen bin. Zugegeben, die meiste Zeit habe ich mit Trinken und durch das System kurven verbracht, aber immerhin weiß ich mehr als ihr alle zusammen!«

»Und doch hast du nicht allein das Kommando, Danton«, meldete sich Aurec zu Wort. Der Saggittone ging zur Empore.

Danton machte ihm etwas Platz.

»Die Ziele dieser Mission sind klar definiert. Wir müssen mit den Verantwortlichen des Riffs Kontakt aufnehmen. Dies dürften Nistant oder seine Hohepriesterschaft sein. Aber es gibt noch weitere Herren des Rideryons: die Ylors.«

Danton bemerkte, wie Jonathan Andrews und Pyla traurig zu Boden schauten.

»Die Ylors waren einst Alysker, doch sie haben mit der Anmut und Weisheit dieses Volkes nichts mehr gemeinsam. Sie haben Nataly und offenbar auch Kathy zu den ihren gemacht. Teil zwei dieser Mission wird es sein, auch den Ylors einen Besuch abzustatten, um Kathy und Nataly zu befreien. Dafür will ich nur Freiwillige haben. Zur Not mache ich es allein!«

Jonathan Andrews trat einen Schritt hervor.

»Bin dabei, Aurec!«

Mathew Wallace hob die Hand, und auch die Scorbit-Zwillinge meldeten sich freiwillig. Elyn und Gal’Arn folgten.

Aurec lächelte gerührt.

»Danke! Zuerst müssen wir auf das Resif-Sidera. Dort müssen wir mit Nistant Kontakt aufnehmen und den Grund der Ankunft des Riffs in Siom Som herausfinden. Den wollen nicht nur wir, sondern auch die rechtmäßigen Beherrscher der estartischen Galaxien wissen – sowie die illegalen Besatzer!«

Aurec übergab das Wort wieder an Roi Danton, doch er kam nicht sehr weit mit seiner Rede. Er wurde unterrichtet, dass ein entropisches Raumschiff ebenfalls im Sektor erschienen war.

»Die Hexe Constance grüßt die Expeditionsteilnehmer und wünscht, ebenfalls an dem Unternehmen partizipieren zu dürfen«, meldete Tania Walerty, die einen Funkspruch erhalten hatte.

Aurec sah Danton an.

»Für eine schöne Frau ist immer Platz an Bord«, meinte Roi und erteilte somit die Erlaubnis an Bord zu kommen.

Wenige Minuten später schleuste ein Beiboot aus dem Eiraumschiff der Entropen aus und landete im Hangar 23 der IVANHOE II. Ein kleines Empfangskomitee geleitete Constance zur Kommandozentrale, die immer voller wurde.

Constance stolperte beim Eintritt über eine Stufe, konnte jedoch die Balance halten. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und begrüßte die Runde freundlich.

»Die Entropen fühlten sich etwas übergangen bei der Aktion. Deshalb bin ich hier. Störe ich?«

»No, Mademoiselle Constance. Habt Ihr bemerkt, dass dies ein französischer Name ist?«

»Nein.«

»Auch gut. Nicht ohne Grund wollten wir eigentlich auf Beteiligung von aggressiven Parteien verzichten. Uns ist bekannt, dass ihr jeden Rideryonen tot sehen wollt. Wenn ich Euch also gestatte, an dieser Expedition teilzunehmen, dann nur, wenn Ihr mir versprecht, artig zu sein.«

Constance blickte Danton verwirrt an. Dann fing sie an zu lachen und nickte eifrig.

»Alles klar!«

»Bestens! Dann können wir ja langsam loslegen, sofern nicht noch mehr Besucher dazustoßen.«

»Wo ist eigentlich Cauthon?«, fragte Constance.

Danton verzog das Gesicht.

»Ach der! Nein, wir haben auch auf jegliche aggressiven Kräfte seitens des Quarteriums verzichtet, bis auf zehn Mann. Drei Wissenschaftler und sieben Soldaten einer Elitegruppe mit dem Namen ›Holsteiner‹. Sehen Sie das als eine Art Kompromiss. So kann sich das Quarterium brüsten, mit dabei zu sein. Doch weder der gute Aurec noch Cascal und ich sowie vermutlich jeder andere an Bord des Schiffes möchten Despair und Konsorten hier haben, klar soweit?«

Wieder nickte Constance brav. Elyn, Cascal und Remus Scorbit umringten die Hexe, mit der sie in letzter Zeit einiges durchgemacht hatten. Sie erkundigten sich, was geschehen war. Constance berichtete, dass Adelheid sie bestraft hatte. Aufgrund ihrer Erfahrungen und Bekanntheit mit und bei den Verbündeten sollte sie aber an dieser Expedition teilnehmen. Es hieß aber, dass die Entropen demnächst eine eigene starten würden.

Danton klatschte in die Hände.

»Gut! Dann übergebe ich das Kommando an den Belgier und den Saggittonen. Oder sind noch Fragen?«

Schweigen! Dann konnte die Reise endlich losgehen. Xavier Jeamour gab Wallace den Befehl, die IVANHOE II auf Kurs zu bringen, während Lorif und Sato Ambush damit beschäftigt waren, die zweite PoSyntronik zu installieren.

Die DUNKELSTERN wurde an die IVANHOE II angekoppelt.

Im Tumult der Betriebsamkeit warf Danton einen Blick auf Constance, die immer noch neben ihm stand. Er zwinkerte ihr grinsend zu und fuhr mit der Zunge über seine Lippen.

»Haben Sie trockene Lippen?«

»Vache stupide«, murmelte Danton in seinen Bart und lehnte sich an das Geländer der Empore.

Der Nebel kam näher. Die IVANHOE II hatte volle Fahrt aufgenommen, sauste an der quarterialen Wachflotte vorbei und hielt direkt auf das leuchtende Mysterium zu.

Nun war es also wieder soweit. Im November vergangenen Jahres war er aus dem Resif-Sidera entkommen. Nicht einmal vier Monate später flog er freiwillig wieder hinein. Wie wohl das Fischstäbchen Fyntross auf ihren Besuch reagierte? Ob er immer noch verzweifelt über den gelöschten Speichern der VIPER saß und ihn verfluchte?

Danton grinste. Manchmal war er ein schlimmer Finger. Aber das hatte er seinem Vater voraus. Vater betrog nicht, log nicht, handelte immer edel und berechenbar. Manchmal jedoch – so edel und wichtig Papas Einstellung auch war – bedurfte es schrägerer Methoden, um den gewünschten Erfolg zu erzielen.

»Wir schalten jetzt auf Stand-by-Betrieb«, meldete Lorif.

Das Licht wurde gedämpft, die meisten Rechner gingen aus. Der Antrieb wurde deaktiviert, doch die IVANHOE II hatte genügend Schwung, um problemlos durch den Nebel zu fliegen.

Kaum erreichten sie die Barriere, wurde das über zweieinhalbtausend Meter durchmessende Raumschiff durchgerüttelt. Etliches ging zu Boden und zu Bruch. Constance wankte, doch Roi hielt sie fest. Entsetzt stieß Constance ihn weg. Danton lachte. Die kleine Hexe flog auf ihn, das war nun ganz sicher.

Nach zehn Minuten waren sie durch die Nebelwand. Die Raumschiffe näherten sich dem Rideryon bis auf fünfhundert Millionen Kilometer. Majestätisch lag es vor ihnen. Ein staunendes, ehrfürchtiges Schweigen breitete sich aus. Bis auf Danton, Pyla und Sato Ambush hatte niemand an Bord zuvor das Rideryon gesehen. Doch selbst für Roi war dieser Anblick immer noch gewaltig.

Umgeben von 7999 Tholmonden mit einem Durchmesser von je fünfhundert Kilometern lag die Landmasse in der Mitte des Systems. Sie war vier Milliarden Kilometer lang, halb so breit und ein Viertel so tief. Auf der »unteren« Seite, die nicht von den zwei großen Kunstsonnen bestrahlt wurde, lag im tiefen Nebel das finstere Reich der Ylors.

»THEANO wieder aktivieren!«, befahl Jeamour.

Lorif und Sato Ambush machten sich sofort an die Arbeit. Sie informierten den Maschinenchef Zyrak Wygal, den Antrieb und die Energieversorgung wieder hochzufahren.

Aurec begab sich zur Empore und stellte sich zwischen Constance und Danton.

»Die dunkle, nebelige Region am Fuße des Riffs ist das Gebiet der Ylors?«, fragte der Saggittone ernst.

»Oui, mon amie! Dorthin hat man Kathy verschleppt.«

»Und dorthin werden wir als Erstes fliegen«, beschloss Aurec und sah Danton entschlossen an.

Der Unsterbliche wusste, dass Widerrede zwecklos war. Sie hatten ohnehin keinen Plan, wohin sie zuerst fliegen sollten, also war die Befreiung von Kathy Scolar und Nataly Andrews eine sinnvolle und längst überfällige Aufgabe.

Obgleich Roi bezweifelte, dass man Nataly noch einmal läutern konnte. Dieses Miststück hatte alle Bewohner des buuralischen Dorfes gemeuchelt. Nur Pyla lebte noch. Nataly hatte den Tod verdient, egal wie sie sich noch änderte.

»Sobald die Einsatzbereitschaft der IVANHOE gecheckt wurde, statten wir Graf Dracula einen Besuch ab«, stimmte Danton zu. Er hoffte, dass Kathy noch irgendetwas Menschliches in sich trug und nicht zu einem Monster wie Nataly geworden war.

Hetzjagd

Zehn SUPREMO-Schlachtschiffe, darunter auch die BUSH, waren der IVANHOE II durch den Nebel gefolgt. Sie hatten den Flug gut überstanden.

Trybwater jubelte innerlich, denn er hatte es geschafft, Danton zu überlisten. Seine Agenten an Bord der IVANHOE II hatten die Baupläne der terranischen Wunderwaffe gegen die Nebelbarriere kopieren und übermitteln können.

Weil das Prinzip vergleichsweise simpel war, konnten zehn Schlachtschiffe der Wachflotte kurzfristig ausgerüstet werden und relativ unbeschadet durch den Nebel fliegen, die Systeme wieder hochfahren und auf Feuerbereitschaft gehen! Das Wichtigste war, dass die Transformgeschütze funktionierten, denn damit würde er die IVANHOE II in die Hölle pusten!

Aurec, Danton, Jeamour, Gal’Arn, die Scorbits und viele weitere namhafte Persönlichkeiten des Feindes würden ihr Leben verlieren. Trybwater würde das gelingen, woran andere jahrelang gescheitert waren. Mit der Vernichtung der IVANHOE II würden die Alliierten kopflos sein!

Es ist nichts Persönliches, Danton. Obwohl – doch es ist persönlich!

»Kesselt die IVANHOE ein und dann Feuer!«

Die BUSH hielt mit aktivierten Waffensystemen auf die IVANHOE II zu. Trybwater wollte den ersten Schuss abfeuern.

*

»Alarm!«, schrie Tania Walerty aufgeregt.

»Huch? Wieso? Warum?«, fragte Danton.

»Schutzschirme hochfahren! Alarmstufe Rot! Mister Dove, an die Waffen!«, kommandierte Jeamour.

»Genau«, warf Danton ein.

Jetzt begriff er, was geschehen war. Auf dem Display wurden zehn Raumschiffe des Quarteriums in unmittelbarer Nähe angezeigt. Ihre Schutzschirme waren ebenso wie die Waffensysteme aktiviert. Sie hielten in Keilformation direkt auf die IVANHOE II zu.

Die zehn SUPREMO-Schlachtschiffe waren ihnen gefolgt. Dieser verdammte Trybwater musste ihre Technologie gestohlen haben. Die Schiffe waren kampfbereit. Danton war klar, was Trybwater vorhatte. Er wollte die IVANHOE II vernichten. Danton verwünschte sich! Er war diesem CIP-Fatzken auf den Leim gegangen!

Trybwater war diesmal cleverer und schneller gewesen!

»Sie haben uns in zwei Minuten erreicht«, meldete Lorif. »Die Chancen stehen bei eins zu zehn, dass wir das überleben.«

»Die Chancen standen schon schlechter«, meinte Cascal und grinste schief.

Danton war gar nicht zum Grinsen zumute. Er bemerkte, wie Anya Guuze verzweifelt zu Cascal blickte. War da doch ein Gefühl von Liebe in ihren Augen? Egal, sie würden eh bald alle tot sein.

»Lichtgeschwindigkeit! Weg hier!«, rief Danton.

Doch der Feldantrieb versagte. Offenbar waren sie nicht unbeschadet durch die Nebelbarriere gekommen. Oder die physikalischen Gesetze wirkten hier anders.

Die zehn SUPREMOS hielten weiterhin in Angriffsformation auf die IVANHOE II zu. Die BUSH war an der Spitze des Keils. Trybwater wollte sich wohl den Ruhm nicht nehmen lassen.

»Was machen wir jetzt?«, rief Anya voller Angst.

Sie konnten nicht viel tun. Sie saßen in der Falle.

Doch plötzlich öffnete sich eine Art blaues Schwarzes Loch oder Portal. Was immer es war, ein gewaltiges Raumschiff mit spitzen Türmen schoss hinaus.

Die STERNENMEER!

*

»Fremdes Raumschiff!«, meldete der Oberstleutnant.

Trybwater starrte auf das zwei Kilometer lange Raumschiff mit der eigentümlichen Bauweise. Alt, bedrohlich, wie ein Geisterschiff schwebte es auf den Verband zu.

Es wirkte majestätisch.

Und überlegen.

*

Nistant ließ den Blick nicht von den zehn feindlichen Raumschiffen. Allein der Versuch, das Resif-Sidera auf diese dümmliche Art zu infiltrieren, war lachhaft! Doch noch schlimmer – sie jagten eindeutig das elfte SUPREMO-Raumschiff, auf dem Nistant nicht nur die Impulse von Roi Danton lokalisierte, sondern auch von Ajinah … Anya!

Sie wollten Anya töten! Das würde er niemals zulassen.

»Kapitän Tashree! Abfangkurs! Feuer nach eigenem Ermessen!«

*

Die STERNENMEER flog eine scharfe Kurve und hielt direkt auf den SUPREMO-Verband zu. Trybwater starrte entgeistert das fremde Raumschiff an. Es wollte doch nicht? Doch, es wollte!

Die STERNENMEER feuerte zwei Mal. Die Salven trafen den SUPREMO zur Linken der BUSH. Er verging im Feuer. Zwei weitere Salven – wieder wurde ein SUPREMO vernichtet.

»Befehle, Sir?«

Trybwater hörte nur noch das Rauschen des Bluts in seinen Ohren. Er nahm die Worte wahr, doch hielt es nicht für nötig, zu antworten. Der Generalkommandeur der CIP wusste, dass er verloren hatte.

Er bekam mit, wie zwei weitere Schlachtschiffe ausgelöscht wurden. Was hatte er falsch gemacht? Wieso nur tauchte dieses Raumschiff auf? Es hielt direkt auf die BUSH zu, während die anderen fünf SUPREMO-Raumschiffe das Weite suchten. Wieder wurden zwei vernichtet – und so weiter, solange, bis nur die BUSH übrig war. Die IVANHOE II drehte und hielt von rechts auf die BUSH zu, während die STERNENMEER von links kam.

Es waren nur noch Minuten bis zu seinem Ende.

»Befehle, Sir?«, brüllte der Oberstleutnant.

Nun feuerte die STERNENMEER auf die BUSH und die IVANHOE II schloss sich dem Feuer an. Der Boden zitterte, überall um ihn herum starben Menschen und Trybwater dachte darüber nach, was er falsch gemacht hatte.

Dann sah er die Feuerwand auf sich zukommen und schloss mit dem Leben ab.

Nistant

Roi Danton war mehr als beeindruckt von der STERNENMEER. Nistants Raumschiff hatte zehn SUPREMO-Schlachtschiffe im Alleingang vernichtet. Erbarmungslos hatte sie ihren Gegnern keine Chance gelassen. Wieder hatte Nistant sie gerettet.

Der Beschuss der IVANHOE II auf die BUSH war nur Formsache gewesen. Ohne die STERNENMEER hätten sie keine Chance gehabt.

Die Delegation des Quarteriums stürmte in die Kommandozentrale, allen voran Beobachter Herker. Ihm folgten Ash Berger und Krizan Bulrich. Anya sprang auf und umarmte ihn. Roi sah, wie Cascal die Augen verdrehte.

»Was ist geschehen? Wieso wurden die quarterialen Raumschiffe angegriffen?«, wollte General Herker wissen.

»Weil Ihre Freunde uns vernichten wollten. Sie wären dabei auch gestorben. War sicher nicht persönlich, aber Sie waren es auch nicht wert, den Plan zu ändern. Offenbar mochte Trybwater uns alle nicht.«

Henner Herker glotzte Danton verblüfft an. Danton schenkte ihm ein abfälliges Grinsen. Damit hatte der Quarteriale bestimmt nicht gerechnet.

»Ich hatte solche Angst, Krizan«, seufzte Anya.

»Hey, ich …«

Doch Krizan starrte erschrocken auf die Empore. Auch Danton bekam einen Schreck. Dort stand Nistant. Schwarze Stiefel, eine braunschwarze Kombination aus Leder mit Gürteln, an denen Waffen hingen. Die filzigen Haare hingen lang und wirr in sein totenkopfähnliches Gesicht.

Nistant starrte zu Anya hinüber. Danton wusste, dass er Anya für die Reinkarnation seines Herz der Sterne, Ajinah, hielt. Selbst diesem Horrorgesicht war anzusehen, was er in diesem Moment für die Terranerin empfand.

Langsam schritt er von der Empore zu ihr herab.

Krizan Bulrich wich zurück, bis Nistant schließlich vor ihr stand.

»Du bist wohlauf. Es bestand nie Gefahr für dich oder deine Begleiter. Ich wache über dich.«

»Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet«, ergriff Aurec das Wort. »Wir kommen als Besucher und möchten mit Ihnen reden, Nistant!«

Doch der Rideryone hatte nur Augen und Ohren für Anya Guuze. Zögerlich hob er den Arm und fuhr mit den Fingern durch ihr blondes Haar. Anya starrte ihn überrascht an.

»Ich habe eure Worte vernommen, Saggittone Aurec! Wir werden reden. Ich werde euch die Mission des Rideryons erläutern. Doch alles zu seiner Zeit …«

Nistant musterte Anya von oben bis unten und wirkte, als sei er in Trance. Er war völlig fasziniert von ihr. Und damit war er nicht der Einzige. Cascal und Bulrich standen daneben. Ihre Blicke sagten alles.

»Du gleichst ihr bis auf das letzte Detail. Deine Schönheit ist vollendet und perfekt. Das Universum ist grausam, wenn es zulässt, dass dir jemand etwas antun will.«

»Nun mach mal halblang, das ist meine Frau … Ex-Frau …«

Nistant sah kurz zu Bulrich, dann wieder zu Anya.

»Ich rede mit dir, Mann!«

Bulrich war plump. Viel zu plump. So redete man nicht mit diesem Wesen. Roi fürchtete das Schlimmste. Langsam wandte sich Nistant an den Störenfried.

»Was ist dein Gesuch, Bursche?«

»Bitte?«

»Wie lautet dein Anliegen, Bursche?«

Nistant wirkte gereizt.

»Die … Anya ist meine Frau. Wir sind … waren verheiratet und sind fast wieder zusammen. Also …«

Bulrich stammelte etwas Unverständliches vor sich hin.

Nistant starrte ihn an. Dann blickte er zu Anya und erneut zu Bulrich. Seine Mundwinkel zuckten.

»Verheiratet? Ein Paar?«

Er wandte sich von Anya ab. Nistant schien verletzt zu sein, traurig und plötzlich deprimiert.

»Aurec, ich gebe euch die Koordinaten des ersten Tholmondes. Begebt euch dorthin. Ich werde euch erwarten.«

Noch ein letztes Mal warf er einen Blick auf Anya, dann löste sich der Herr des Resif-Sidera buchstäblich in Luft auf.

Danton stieß einen Pfiff aus. Anya musste sich ziemlich attraktiv fühlen, denn drei zugegeben illustre Männer machten ihr den Hof. Doch die Gute stand bleich vor der Empore und bewegte sich kaum. Immerhin war bei ihr nun auch der Groschen gefallen.

»Hält der mich immer noch für diese Ajinah? Wieso hat er mich so angestarrt und war so seltsam, als Krizan sagte, dass wir uns lieben?«

»Vielleicht, weil man so etwas nicht gern hört und kaum glauben kann, wenn eine Frau wie du mit so einem Penner zusammen ist«, mischte sich Cascal ein und baute sich vor Bulrich auf, der drohend die Faust hob.

Darüber schmunzelte Cascal nicht einmal. Sicher war der Veteran aus dem Solaren Imperium dem quarterialen Offizier und ehemaligen Special-Agent der CIP überlegen.

»Joak, hör auf damit. Finde dich bitte damit ab. Die Situation ist schon schwer genug, mach es nicht noch schlimmer. Bitte!« Anya wirkte verzweifelt. Dann rannte sie aus der Kommandozentrale.

Cascal und Bulrich schauten sich an.

»Zigarette?«, fragte Bulrich.

Cascal lachte.

»Das letzte Mal, dass ich eine von Ihnen bekam, war auf Objursha. Ich hätte gut und gerne Lust, Sie ins Universum zu pusten. Verschwinden Sie besser sofort.«

Bulrich zögerte drei Sekunden, dann trat er den Rückzug an. Das war sicherlich vernünftig. Die Stimmung in der Kommandozentrale war ohnehin schon schlecht genug.

»Roi?«, rief Aurec und ging zu ihm. »Wie gehen wir weiter vor? Du weißt, dass ich Kathy befreien will!«

»Ja und es ist auch wichtig, aber ich brauche dich auf dem ersten Tholmond. Du bist zu wichtig, um zu fehlen, schließlich bist du neben Papa der zweite Mann der Guten. Ich bin nur der undurchsichtige Nebencharakter in der Story.«

Aurec schüttelte den Kopf.

»Du hast wirklich einen Knall, aber leider hast du auch recht. Kathy ist stark. Wenn sie es so lange dort ausgehalten hat, wird sie es auch noch zwei Tage schaffen!«

Aurec wandte sich an Xavier Jeamour.

»Fliegen Sie bitte zu den Koordinaten von Thol0001, Admiral. Wir werden erwartet.«

Thol0001

Der fünfhundert Kilometer durchmessende Mond war der Satellit, der am dichtesten über dem Rideryon seine Bahnen zog. Er war so nahe, dass man glaubte, der Mond würde die höchsten Bergspitzen schneiden.

Die Tholmonde waren über das ganze Resif-Sidera verstreut. Es gab vereinzelte Satelliten am Rande des Systems, nahe der Nebelbarriere. Der Großteil der 7999 Trabanten kreiste in einem Radius von etwa 200 Millionen Kilometern um das Rideryon und seine Kunstsonnen.

Die Monde in unmittelbarer Nähe des Rideryons tauchten sogar während bestimmter Zyklen in die Atmosphäre ein. Es wirkte, als schwammen sie in den Wolkendecken, ehe sie den Abstand wieder vergrößerten.

Joak Cascal fühlte sich recht überflüssig an Bord der IVANHOE II. Mit Xavier Jeamour besaß das SUPREMO-Schlachtschiff einen fähigen Kommandeur, außerdem waren ja Danton und Aurec die Expeditionsleiter.

Leider gab dieses Nichtstun Cascal Gelegenheit, über Anya nachzudenken. Danton war vor zwei Stunden mit ihr verschwunden. Was machte er mit ihr? Die beiden würden doch nicht etwas miteinander haben?

Nein! Cascal schob diesen Gedanken beiseite. Anya würde so etwas nicht tun, da sie ja nun offenbar wieder mit Krizan Bulrich zusammen war. Cascal verwünschte diesen Vollidioten. Er war ein Mörder ohne Reue!

Die Tür der Kommandozentrale glitt zur Seite. Danton stolzierte herein, Anya folgte ihm. Es verschlug Cascal den Atem, als er sie sah. Sie trug ein rotschwarzes, langes Kleid. Es war schulterfrei und das Oberteil war wie eine Art Korsett mit vielen Bändchen zugeschnürt.

Sie sah hinreißend aus.

»Ah, ich sehe, das aufreizende Kleid wirkt schon. Dann wird Nistant es sicher auch gut finden«, stellte Danton zufrieden fest.

»Nistant?«, fragte Cascal überrascht. »Anya kommt mit? Das ist doch viel zu gefährlich!«

»No, mon ami! Das Herz der Sterne ist unser Trumpf! Nistant ist ganz offensichtlich völlig in Anya verschossen. Das müssen wir ausnutzen.«

Und was war mit Cascal? Zählte es denn nicht, dass er Anya auch liebte? Natürlich nicht. Diese französische Tunte kümmerte sich ganz offenbar nicht um die Liebe! Sein Vater hätte niemals so einen obskuren Plan geschmiedet. Wie weit sollte Anya gehen? Sollte sie vielleicht noch mit dem Knochengerüst ins Bett hüpfen? Sie lächelte.

»Mir passiert schon nichts. Danke, dass du dir Sorgen machst, Joak. Aber ihr seid doch alle bei mir. Was kann da schon geschehen?«

Sie schenkte ihm ein liebevolles Lächeln und ahnte nicht, wie sehr sie ihm damit auch wehtat.

»Sorry, dass ich den Dreier unterbreche. Wir haben einen Funkspruch von Kapitän Tashree erhalten«, warf Tania Walerty ein. »Er bittet, dass die IVANHOE in den Orbit einschwenkt und wir unsere Delegation zur Burg Kanrohr schicken.«

»Dann lassen wir ihn nicht warten«, entschied Aurec.

Die Delegation sollte aus Danton, Cascal, Gal’Arn, Constance, Anya und ihm bestehen. Mathew Wallace und Jonathan Andrews würden die Space-Jet steuern.

Es wunderte Cascal, dass keiner aus dem Quarterium mit dabei war. Aber wen hätte man auch mitnehmen können? Henner Herker und seine Leute waren Soldaten und keine Politiker. Danton hatte es immerhin geschickt geschafft, das Quarterium von dem Gespräch mit Nistant zu isolieren.

Nach zwanzig Minuten hatten sich alle im Hangar eingefunden. Die Space-Jet stand bereits in Startposition. Cascal ging neben Anya und warf hin und wieder einen Blick auf sie. Eines musste man Danton lassen – er hatte ein wirklich bezauberndes Kleid für sie ausgewählt.

Sie stiegen ein, sprachen aber kein Wort. Es herrschte eine seltsame Stimmung, oder kam es Cascal nur so vor? Jonathan Andrews kauerte betrübt neben Mathew Wallace in der Navigationskanzel und machte die letzten Checks. Danton spielte wieder den Kasper und brachte damit zumindest Constance zum Lachen.

Nachdem die Space-Jet die Starterlaubnis erhielt, startete Wallace wie üblich voll durch. Er achtete nicht auf die Vorschriften zur Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb eines Hangars und bretterte aus der IVANHOE II.

Vor ihnen lag Thol0001. Der Mond war von einer dichten Wolkendecke umgeben. Nachdem die Space-Jet in die Atmosphäre eingetaucht war und die Wolkendecke durchstieß, sah Cascal üppige Kiefernwälder, hohe Berge und lange Seen.

Auf Thol0001 schien es kaum Ansiedlungen zu geben. Eine unberührte Natur lag vor ihnen. Nur eine Stadt schien zu existieren – die Burg Kanrohr. Dorthin flogen sie.

Die Burg schwebte im Himmel über einem großen See. Sie besaß einen großen Turm, an dem eine lange Wendeltreppe bis zu den Zinnen führte. Rechts war ein kleinerer Turm angebaut. Am Fuße der Burg waren üppige Gärten zu sehen.

Die Space-Jet landete auf dem Dach des kleinen Seitenturmes. Aurec nickte allen zu.

»Es geht los!«

Er stand auf und verließ als Erster das Fahrzeug. Dann folgte Danton. Draußen wurden sie von einer ganzen Garnison Manjor und Harekuul empfangen. Die Wolfs- und Zentaurenwesen standen dicht an dicht, die Gesichter den Ankömmlingen zugewandt.

»Igitt, es regnet«, jammerte Constance und fragte nach einem Regenschirm.

Wallace erklärte ihr, dass sie so etwas nicht an Bord hatten. Normalerweise gab es Energieschirme für so etwas, aber offenbar besaß der Gastgeber keine. Zumindest standen Aurec und Danton im Regen, als sie von Tashree begrüßt wurden.

»Nun stellt euch mal nicht so an«, meinte Wallace und schritt voran. Gal’Arn und Jonathan folgten ihm. Auffordernd sah Cascal die beiden Damen an.

Anya verzog das Gesicht.

»Toller Typ, dieser Nistant. Scheint ja ein Naturbursche zu sein, wenn er uns im Regen stehen lässt.«

Damit ging Anya voraus. Cascal folgte ihr, und zuletzt überwand sich auch Constance, die Space-Jet zu verlassen.

Tashree führte sie die lange Brücke entlang zum größeren Turm. Einige Bereiche waren überdacht, aber die Gruppe war sowieso schon nass.

»Eklig«, murmelte Anya.

Der Harekuul schien das bemerkt zu haben.

»Aber Wasser ist doch das Leben. Ihr duscht euch täglich, findet ihr das auch eklig?«

»Ist was anderes! Da bin ich …«

Anya schwieg. Cascal malte sich gerade aus, was sie wohl sagen wollte, und musste dabei schmunzeln. Sein Lächeln gefror, als plötzlich die STERNENMEER aus der Wolkenfront schoss. Er bemerkte, wie Anya zusammenzuckte, sich dann aber beeindruckt den Flug des riesigen Schiffes ansah. Die Außenhülle war nass und schimmerte seltsam. Es wirkte, als würden Pflanzen oder eine Art Moos an der Außenhülle leben.

Die STERNENMEER flog einen Bogen um die Burg und erstaunte damit die Besucher. Zumindest Cascal war beeindruckt, und Anya konnte man es an dem Leuchten in ihren Augen ansehen.

Nistants Schiff hielt auf den See zu. Es tauchte ins Wasser ein und verschwand. Ein amphibisches Raumschiff! Rein theoretisch war dies allerdings mit jedem Raumschiff möglich, wenn es einen entsprechenden Antrieb besaß.

Plötzlich stand Nistant vor ihnen. Wieder zuckte Anya merklich zusammen. Cascal hatte sich auch erschrocken, wollte sich aber keine Blöße geben.

»Willkommen, meine Gäste. Willkommen auf dem ersten Mond des Rideryons. Kanrohr und vierzehn weitere Monde sind die Überreste des Planeten Thol. Dies nur ein Exkurs am Rande.«

Nistant schien jetzt erst Anya zu bemerken. Er erstarrte, atmete schwer und ging dann auf sie zu.

»So viel Schönheit hatte ich nicht erwartet. Sei willkommen, Anya! Eine uralte Prophezeiung ist wahr geworden. Das Herz der Sterne hat das Rideryon gefunden.«

»Ich danke Ihnen für das Kompliment. Und doch bin ich nicht die, für die Ihr mich haltet. Ich bin nur eine einfache Terranerin, die versucht, ihren Weg im Leben zu finden.«

Nistant lachte.

»Und dieser Weg wurde dir in den letzten Monaten aufgezeigt, Anya. Aus dem Nebel formt sich dein Schicksal.«

Anya sah ihn ernst an.

»Und sei dir gewiss, deine Bestimmung ist nicht, die Frau eines einfachen Mannes in den Reihen des Quarteriums zu sein. Dein Schicksal ist von kosmischer Bedeutung.«

Anya schwieg immer noch und starrte Nistant wie ein Gespenst an. Cascal wusste, dass das Gesagte vermutlich schwer zu verdauen war, obwohl er Nistants Ansicht teilte, dass sie garantiert nicht für Krizan Bulrich bestimmt war. Aber sie war auch nicht für Nistant, sondern für ihn!

»Vielleicht hätten wir nur Anya herschicken sollen?«, murmelte Aurec etwas genervt, aber sicherlich absichtlich so laut, dass es jeder mitbekam.

Nistant drehte sich um. Er schien peinlich berührt zu sein, was bei diesem Horrorwesen etwas komisch wirkte. Er stakste auf Aurec zu.

Innenillustration: Nistant, die STERNENMEER und im Hintergrund das Rideryon von Lothar Bauer
Nistant, die STERNENMEER und im Hintergrund das Rideryon © Lothar Bauer

»Ich bitte meinen Gefühlsausbruch zu entschuldigen. Ihr alle seid herzlich willkommen. Aurec, ich spüre, dass auch dein Herz zerrissen ist und du deine Holde ebenfalls suchst!«

Nistant ging mit schweren Schritten voran. Die Gruppe folgte ihm in eine prächtige Halle, in der viele Statuen aus einem weißen Edelmetall in Reih und Glied angeordnet standen.

Nistant führte die Besucher an einen großen, runden Tisch. Er ließ sich auf einen silbernen Thron nieder, für die anderen waren bequeme Sessel bereitgestellt.

Aurec, Roi Danton, Gal’Arn, Jonathan Andrews, Mathew Wallace, Constance, Anya und Cascal setzten sich.

Nistant musterte sie eindringlich. Die Augen leuchteten irisierend aus den tiefen Augenhöhlen.

»Wir danken für die Audienz«, begann Aurec. »Und für die Gastfreundschaft, doch leider müssen wir kritische Fragen stellen. Wir müssen erfahren, was genau das Rideryon in Siom Som vorhat. Was versteht Ihr unter Besiedelung?«

Nistant lachte.

»Ein Kulturaustausch. Wir bieten den Estarten die Möglichkeit, sich auf dem Rideryon anzusiedeln. Im Gegenzug werden sich Rideryonen in den estartischen Galaxien ansiedeln. Dazu wurde das gesamte Resif-Sidera erschaffen. Um die Völker des Universums einander näher zu bringen.«

Für Cascal klang das recht friedlich, doch er wusste, dass so ein Kulturaustausch nicht ohne Probleme war. Wollten die Estarten überhaupt auf das Riff? Und würden sie Emigranten dulden? Würden Dorgon und das Quarterium dies alles überhaupt zulassen?

Er bezweifelte es!

»Wie ich bereits vor einiger Zeit erwähnte, sind die politischen Verhältnisse in den estartischen Galaxien sehr gespannt. Vermutlich wäre eine sorgfältige Vorbereitung auf diesen Austausch sinnvoll«, schlug Danton vor.

Nistant winkte ab.

»Die Vorbereitungen sind längst angelaufen. Es ist zu spät, um den Austausch abzusagen. Er wird stattfinden! Natürlich werden wir die Einheimischen informieren. Dazu seid ihr doch hier, oder?«

Nistant starrte Danton und Aurec fragend an.

»Ja«, bestätigte Aurec. »Doch wir können nicht für Dorgon und das Quarterium sprechen, mit denen wir uns mehr oder weniger im Krieg befinden. Im Interesse der rideryonischen und estartischen Bevölkerung ist es ratsam, sehr behutsam vorzugehen.«

Nistant lehnte sich zurück.

»Was sagst du, Anya? Du hast doch bestimmt eine Meinung?«, fragte er.

»Was ich? Ob ich eine Meinung habe?«, fragte sie verlegen und starrte Nistant verunsichert an. »Nun, Aurec hat recht. Die Lebewesen in diesen Galaxien haben viel durchgemacht in den letzten Jahren. Sie haben bestimmt Angst vor dem Rideryon und könnten es als Bedrohung ansehen.«

Nistant tippte mit den Fingern auf die Armlehnen und schien nachzudenken. Schließlich sagte er: »Ich verstehe diesen Einwand. Wir werden langsam vorgehen und uns den Estarten erst einmal vorstellen, wenn dies genehm ist?«

Aurec lächelte.

»Ja, hervorragend.«

»Kommen wir zu einem weiteren Problem«, meinte Nistant und sah Constance Zaryah Beccash an. »Wieso willst du meinen Tod? Wieso will dein Volk uns alle ermorden?«

Constance lachte verlegen.

»Quatsch, wir wollen doch niemanden töten …«

Das hörte sich für Cascals Geschmack nicht ehrlich an.

»Oh bitte, schönes Kind der Lilith. Ich habe deine mythologische Mutter vor etwa 210 Millionen Jahren aufgespießt, als sie versuchte, das Rideryon zu vernichten. Und ich bin bereit, dies mit jeder Lilim und jedem einzelnen Entropen zu wiederholen, wenn ihr darauf besteht!«

Nistant beugte sich vor, seine Augen leuchteten feuerrot. Cascal lief ein Schauer über den Rücken. Er beobachtete Constance. Sie rang nach Fassung und hatte sichtlich großen Respekt vor ihrem Gegenüber.

Doch noch eine Information ängstigte Cascal zutiefst! 210 Millionen Jahre! Nistant war demnach mindestens 210 Millionen Jahre alt und das Rideryon ebenso.

210 Millionen Jahre …

Nach einem Bericht des Herrn der Elemente hatte das menschliche Leben erst vor knapp 100 Millionen Jahre in der Galaxie Aupert begonnen, doch Nistant war humanoid. Und 100 Millionen Jahre älter. Das menschliche Leben war offenbar noch viel älter, als sie dachten.

Vor 210 Millionen Jahren hatte gerade langsam das Zeitalter der Dinosaurier in der Trias-Zeit auf Terra begonnen. Somit war Nistant sogar noch älter als DORGON und MODROR, die ja bekanntlich vor 190 Millionen Jahren entstanden waren. Es war schwer, diese Zeitspanne zu begreifen

Nistant sah Constance noch immer herausfordernd an. Die junge Entropin war dem Wortduell ganz offenbar nicht gewachsen. Cascal hatte das Gefühl, als traute sie sich nicht, etwas zu sagen.

»Nun?«, bohrte Nistant mit hörbarem Spott nach.

»Das Riff stellt eine Bedrohung für das Universum dar. So sagt es SI KITU und sie wird recht haben. Hat sie doch?«

Nistant lachte laut.

»Herrlich! Die alte Dame ähnelt auch immer mehr den Kosmokraten und Chaotarchen. Macht korrumpiert eben auf Dauer. Sie lässt ihr neues Lieblingsvolk im Unklaren über ihre Absichten. Die Entropen wären nicht das erste Volk, welches im Auftrag der kosmischen Entitäten geopfert wird.«

Constance blickte verlegen auf den Tisch und schwieg.

»Gäbe es denn einen triftigen Grund für SI KITUS Annahme?«, fragte Aurec.

Zu Cascals Verwunderung war die Frage nicht an Constance, sondern an Nistant gestellt.

»Die Hohen Mächte verwalten das Universum. Jegliche Veränderung des Universums ist für sie Blasphemie und soll bestraft werden. Sobald du ihnen nicht mehr dienst, bist du eine Gefahr für das Universum. Und das Rideryon geht seinen eigenen Weg. Es soll das Leben der Bewohner des Universums verbessern! Ja, deshalb sind wir eine Gefahr!«

Nistant stand auf und lief unruhig um den Tisch herum. Constance saß schüchtern wie ein kleines Schulmädchen in ihrem Sessel und wagte es nicht, ihn anzusehen.

»Ich wuchs in einer Welt auf, in der Mammon regierte. Es gab keine Liebe, keinen Anstand, kein Altruismus! Nur Gier und das Streben nach immer mehr Reichtum und Macht! Damals schwor ich mir, dies zu ändern, und Anstand und Moral ins Universum zu bringen!«

Nistant hielt inne. Er blieb hinter Anya stehen und fuhr mit seinen Händen durch ihr Haar.

»Es hatte nur einen Lichtblick auf meiner Geburtswelt gegeben. Mein Herz der Sterne, Ajinah. Sie war die Rose in der trostlosen Wüste Sargomophs.«

Nistant wandte sich wieder von ihr ab, begab sich zu seinem Platz und warf sich förmlich auf seinen Thron.

»Nun gut! Wir werden also behutsam vorgehen. Doch ich kann nicht für alle Rideryonen sprechen.«

»Wieso nicht?«, wollte Aurec wissen.

»Hat dies vielleicht mit einem gewissen Medvecâ zu tun?«, riet Danton und traf damit ins Schwarze.

»Während meiner rund 210 Millionen Jahre dauernden Abwesenheit hat sich viel verändert im Resif-Sidera. Es hat zwar seinen alten Auftrag beibehalten, doch es hat längst ein Eigenleben entwickelt. Die Ylors gehören zu den mächtigsten Parteien auf dem Rideryon.

Ich befürchte, sie werden in Siom Som vielleicht auf die Jagd gehen!«

»Das haben sie schon getan! Ich werde mich um Medvecâ kümmern. Er hat etwas, was zu mir zurück sollte«, sagte Aurec entschlossen.

Nistant klatschte Beifall.

»So viel Mut lobe ich mir! Ich will dir keine großen Hoffnungen machen, mein Freund! Wenn deine Geliebte eine Ylors ist, könnte jegliche Hoffnung verloren sein. Doch du musst es versuchen.«

Aurec nickte stumm.

»Ich will nicht unhöflich sein, doch es erwartet mich viel Arbeit. Ihr steht unter meinem Schutz. Geht und konfrontiert Medvecâ! Und informiert die Estarten, dass ich sie in dreizehn Tagen auf der Welt Som aufsuchen werde.«

Nistant löste sich auf und ließ die verdutzten Besucher allein zurück. Nach einer Weile stand Aurec auf.

»Ihr habt ihn gehört. Roi, du wirst auf Som alles für Nistants Ankunft vorbereiten. Und wer begleitet mich ins Land der Ylors?«

Ylorsjäger

Aurec

Das kleine Mädchen hüpfte vergnügt auf ihren vier Beinchen über die Wiese und sammelte Blümchen. Das weiße, kniehohe Kleid hüllte den mit samten Fell behaarten Körper der rehähnlichen Baagonin ein. Aus der Ferne waren die dünnen Beinchen kaum vom hochgewachsenen Gras zu unterscheiden.

Es sah aus, als würde das Kind über die Wiese schweben.

Scheinbar besorgt rief die Mutter des Kindes ihr zu, sie solle nicht so weit weglaufen. Die Kunstsonne stand am Firmament. Es wurde dunkler, Nebel zog in flachen Schwaden über die Wiese. Sie streckte ihren dünnen, langen Hals empor. Der wildähnliche, zarte Kopf drehte sich zur Seite, die Ohren waren gespitzt.

Der Nebel wurde dichter und der letzte Sonnenstrahl verschwand hinter einem Band aus grauen Regenwolken. Fasziniert starrte das kleine Mädchen in den Himmel. Ihr Schweif wedelte langsam von links nach rechts.

Erschreckt zuckte es zusammen, als es ein grauenvolles Heulen aus dem Wald vernahm. Von dort kam der Nebel. Die Laute wurden zahlreicher. Die Laute von Wölfen hallten über die Wiese.

Die Mutter der jungen Baagonin galoppierte zu ihrem Kind. Hastig beugte sie sich herab und zog es an einem Ohr. Sie beschwerte sich, dass ihre Tochter nicht auf sie höre und nun schnell ins Haus kommen solle.

Doch ein leises wie ebenso gefährliches Knurren ließ beide erstarren. Langsam, als würde eine überhastete Bewegung ihr Leben kosten, drehten sich Mutter und Kind in Richtung des dunklen Waldes. Mit leuchtenden Augen traten zwei mannsgroße Wolfswesen auf allen Vieren aus der Finsternis des Waldes in das fahle Licht der Laternen am Wegesrand.

Aus ihren Lefzen tropfte der Speichel. Zögerlich setzten die beiden Baagonen Schritt für Schritt zurück. Das Kind fing an zu wimmern, während die beiden Wölfe ihre Beute flankierten.

Die Mutter stellte sich schützend vor ihr Kind, sie war sich gewiss, dass sie in wenigen Momenten sterben würde. Sie deutete auf das Wirtshaus am Fuße des Hügels. Ihr Kind solle dorthin rennen. Die Wölfe würden sie nicht im Beisein von anderen Baagonen angreifen.

Das Kind sah zum mit Reet bedeckten Holzhaus. Es war weit weg! Zu weit, denn der eine Wolf brachte sich bereits in Position, um dem Kind hinterher zu jagen. Die Mutter wusste sicherlich, dass dieser Rettungsversuch nichts brachte. Das Schicksal beider war besiegelt!

Der Wolf lief nun auf die Mutter zu. Sie schupste ihr Kind beiseite und rief ihm zu wegzulaufen. Mit den Vorderbeinen voran sprang der Wolf auf die Baagonin zu. Da wurde er durch einen wuchtigen Energiestrahl aus seiner Bahn geworfen. Er prallte links zur Seite auf den Boden. Der zweite Wolf rannte dem Mädchen hinterher, doch ein zweiter Energieschuss detonierte direkt vor seinen Pfoten. Jaulend stoppte der Jäger und machte eine Rolle vorwärts. Unsicher sah sich der Wolf um, während die Tochter das Wirtshaus erreichte.

Der verwundete Wolf stand auf und transformierte sich. Die vorderen Beine wurden kürzer, wuchsen zu Armen mit furchtbaren Klauen. Wimmernd sank die Baagonin zu Boden, als der Wolfsmann anfing, laut zu heulen!

Auch der zweite Wolf verwandelte sich in ein menschenartiges Geschöpf. Er blickte sich noch immer unsicher um.

Dann packte er die Baagonin an der Kehle.

»Rede, Weib! Wer hat geschossen? Ihr seid doch zu primitiv, um Strahlenwaffen zu kennen. Wer hilft euch?«

»Bei Nistant, ich weiß es nicht. Es gibt Gerüchte über Jäger, die uns beschützen. Sie sind seit wenigen Tagen hier.«

Der Wolfsmann stieß die Baagonin von sich und sah seinen Artgenossen an.

»Jäger? Wer würde es wagen, uns zu jagen?«

»Wir!«

Verwirrt sahen sich die beiden Wölfe um. Das war mein Stichwort. Ich zupfte den dunkelgrauen Hut zurecht, legte das Tuch vor Mund und Hals, um unerkannt zu bleiben. Meine beiden Begleiter legten ihre Kutten über ihre Köpfe. Bedächtig, aber zielsicher gingen wir aus der Wallhecke und hielten auf die beiden Ylors zu.

»Wir sind Ylorsjäger«, sagte ich. »Das Dorf der Baagonen hat genug von euren Morden. Geht und kehrt nie wieder zurück oder ihr werdet endgültig sterben!«

Ich hoffte, dass ich nicht zu dick auftrug, doch ich war mir gewiss, dass die Ylors meine Worte sowieso nicht ernst nahmen. Und so kam es auch. Der eine fing an, laut zu lachen.

»Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anlegst, du primitive Rideryonmade!«

Meine Begleiter zogen ihre golden schimmernden Schwerter und ich zückte meinen Desintegrator. Ohne zu zögern löschte ich den spottenden Ylors aus. Heulend löste er sich in seine Atome auf. Der andere sah uns entsetzt an.

Ich nahm ein langes Messer und warf es dem Wolfswesen entgegen, der immer noch vom Tode seines Mitstreiters benommen war. Das Messer traf ihn in die Schulter. Er brüllte auf. Nun hatte ich wieder seine Aufmerksamkeit.

»Kehre zu deinem Meister Medvecâ zurück und erkläre ihm, dass wir nicht eher Ruhe geben, bis jeder von euch vom Riff vertilgt wurde. Ganz besonders euer Fürst.«

Der Ylors riss sich knurrend das Messer aus seinem Fleisch und warf es zurück. Ich wich der spitzen Waffe aus und richtete den Desintegrator auf ihn.

Dieser fletschte die Zähne, dann verwandelte er sich wieder in einen Wolf und rannte so schnell er wohl konnte zurück in den Wald. Ich nahm Hut und Tuch ab und atmete tief durch.

»Und du glaubst, dass wir damit erfolgreich sind, Aurec?«, fragte Jonathan Andrews, der die Kutte abnahm.

Auch sein Meister Gal’Arn enthüllte sein Gesicht.

Aus dem Dickicht kamen Elyn und Jaktar auf uns zugelaufen. Ich sah Jonathan an und nickte.

»Wir werden Medvecâ etwas provozieren. In seiner finsteren Welt haben wir wenig Chancen, aber hier können wir die Regeln aufstellen.«

Ich half der sichtlich verstörten Baagonin auf und streichelte freundlich über ihr glattes Fell.

»Hab keine Angst. Kehre nun zu deinem Kind zurück. Es wird sicherlich sehnsüchtig auf dich warten.«

Das Wesen bedankte sich tausendmal bei uns und galoppierte dann hinunter zur Dorfschenke.

Als ich der Baagonin hinterher sah, musste ich wieder an den Grund unserer Mission denken: Kathy und Nataly! Wir, das bedeutete natürlich ganz besonders Jonathan und ich, wollten unsere Frauen befreien und retten. Elyn hatte uns Hoffnung gemacht. Es gäbe ein Serum, welches sie bei sich trug, mit dem der Ylorsvirus gestoppt werden könnte.

Doch uns lief die Zeit davon, denn wir wussten nicht, wann es zu spät sein würde für das Gegengift.

Die Mission des Rideryons

Aus den Chroniken Cartwheels

Am 30. April 1308 NGZ kehrte die DUNKELSTERN nach Som zurück. Das Raumschiff war für meine Begriffe ziemlich unbequem, aber immerhin hatte die gute Pyla versucht, mein Quartier so komfortabel wie möglich einzurichten.

Sie hatte es sogar geschafft, den Bericht über das Treffen mit Reynar Trybwater zu schreiben. Ihre sehr adäquate Ausdrucksweise überraschte mich. Ich hatte gar nicht gewusst, dass so etwas in ihr schlummerte. Nun, so verfasste ich im Anschluss einen Nachruf auf einen Massenmörder des Quarteriums – den Generalkommandeur Reynar Trybwater der CIP. Möge er zusammen mit Stevan da Reych in der Hölle schmoren!

Wir informierten die Öffentlichkeit über die bevorstehende Ankunft von Nistant. Unsere Worte waren natürlich besonders an Sam, Kaiser Volcus und Emperador de la Siniestro gerichtet. Am 2. Mai reiste die quarteriale Delegation denn auch an. Volcus residierte schon die ganze Zeit in Som, während sein Legat Falcus nach Dorgon zurückgekehrt war, um sich dort um die Regierungsgeschäfte zu kümmern.

Dann war es soweit. Auf dem Vorhof des großen Parlamentes fanden sich die Honoratioren ein. Ich befand mich mit Pyla auf meinem Weg zur Loge, als uns ausgerechnet der Silberne Ritter Cauthon Despair begegnete.

Bedächtigen Schrittes ging er auf uns zu.

»Ich grüße den Chronisten und seine Assistentin.«

Freundlich erwiderte ich Despairs Grüße und bedankte mich noch einmal für seine Taten auf Herton IV. Pyla hingegen war deutlich reservierter und murmelte einen »Guten Tag«. Sie schaute Despair kaum an, sondern sah an ihm vorbei. Das musste ihn sicherlich schmerzen.

»Ich möchte mich für den Angriff von Trybwater entschuldigen. Es geschah ohne mein Wissen.«

»Als Quarteriumsmarschall hast du deine Flotte offenbar nicht im Griff«, konnte sich Pyla nicht verkneifen.

Nach einem kurzen Schweigen erwiderte Despair: »Dieser Verband unterstand der CIP. Ich suche bereits nach den Verantwortlichen. Es lag bestimmt nicht in meiner Absicht, dich oder deine Freunde zu töten.«

»Ich mag nicht mehr darüber reden, Cauthon! Generell nicht mehr mit dir. Bitte geh jetzt weiter!«

»Pyla, ich würde aber gern mit dir sprechen. Bitte lass mich dir die Dinge doch erklären.«

Sie verschränkte die Arme und blickte mit verkniffenem Gesicht zu Boden. Despair verstand die Geste.

»Achten Sie bitte gut auf Pyla«, sagte er an mich gewandt und ging mit gesenktem Kopf weiter.

Ich wusste nicht so recht, was ich Pyla sagen sollte. Es fiel mir schwer, sie zu ermutigen, mit einem gefürchteten Sohn des Chaos zu reden. Doch irgendwie tat mir Despair leid. Pyla blickte ihm nachdenklich hinterher. Ich sah in ihren Augen, dass sie es offenbar ähnlich sah. Sie hasste ihn anscheinend nicht, doch das, was er war, schien eine unüberwindbare Barriere zu sein.

Wir begaben uns nun zu unseren Plätzen und warteten gespannt auf die Ankunft der STERNENMEER.

Jaaron Jargon

Nistants Ankunft auf Som

Despair

Das Gespräch mit Pyla hatte mich sehr getroffen. Schließlich hatte ich vor wenigen Tagen ihr Leben gerettet. Zählten denn meine guten Taten nie etwas?

Auf Herton IV war sie so liebevoll zu mir gewesen, so vertrauensvoll und herzlich. Nun war sie eiskalt. Ich verstand es nicht.

Nach einer Weile erreichte ich die vorausgegangene Delegation des Quarteriums. Die Teilnehmer der Verhandlungen hatten sich in einem großen Plenarsaal versammelt. Das gläserne Dach war geöffnet. Erwartungsvoll blickten die Mitglieder der Konferenz gen Himmel, als würden sie jede Sekunde die Ankunft von Nistant vermuten.

Ich blickte in die Runde. Mein Emperador wirkte recht gelöst. Wieso sollte er es auch nicht sein? Durch die Zerstörung des Sternenportals in der Lokalen Gruppe war Perry Rhodan von uns abgeschnitten. Es würde noch etliche Monate dauern, bis die restlichen Raumschiffe der Kosmokratenflotte und der LFT Siom Som erreichten. Außerdem war eine Bedrohung für die Lokale Gruppe vom Tisch. Rhodan würde nicht mehr so vehement eingreifen, wie er es im letzten Jahr getan hatte.

Eorthor, Sam, Roi Danton und Osiris wirkten angespannt. Kaiser Volcus und seine rechte Hand Kruppus saßen hingegen amüsiert am Ende des großen Konferenztisches, rauchten und tranken. Sie sahen sich auf einem Multicom irgendwelche Videos an und grunzten dabei vergnügt vor sich hin. Offenbar wollte sich keiner der Anwesenden zu den unangenehm kindisch wirkenden Dorgonen setzen.

Volcus war zwar bemüht, das Image eines sauberen und ehrenhaften Kaisers zu pflegen, doch wenn man etwas hinter die Fassade schaute, wusste man, dass er und Kruppus gierig und lüstern waren. Leicht berechenbare Menschen, wie ich fand. Versprach man ihnen Macht, würden sie alles dafür tun. Sie waren keine Idealisten, sondern Egoisten. Wir konnten von ihnen daher auch keine Martyrien erwarten. Sie würden pragmatisch handeln und nur das tun, was ihnen zum Vorteil gereichte.

Wenn wir Volcus das versprachen, fraß er uns aus der Hand. Ruhm und Glorie wollte er als Kaiser Dorgons erlangen. Nun, das würden wir ihm geben.

Meine persönlichen Gefühle für diesen Typen waren finster. Er hatte offenbar die Hexe Constance verführt. Seit ihrem abendlichen Essen mit dem dorgonischen Kaiser hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihr. Und wenn er es nicht war, liebte sie ihren Lydkor!

Constance hatte ich abgeschrieben. Offenbar war ich nur ein Werkzeug gewesen, um das Quarterium zu schwächen. Bei Pyla hingegen hatte ich ein ganz anderes Gefühl gehabt. Es war so unbelastet gewesen, mit ihr zu reden. Doch auch hier hatte mich meine finstere Vergangenheit eingeholt.

Dann war es endlich soweit. Ein blaues rotierendes Loch entstand am nächtlichen Sternenhimmel, durch das die STERNENMEER austrat. Es war ein gewaltiger Anblick, den das organisch und uralt wirkende Raumschiff uns bot. Es wirkte wie ein Geisterschiff. Nebel umgab es.

Die STERNENMEER kam immer näher, bis sie über der Hauptstadt verharrte. Offenbar verfügte die Besatzung über einen Fiktivtransmitter, denn plötzlich erschienen Nistant, der Manjor Zigaldor und der Harekuul Tashree vor uns im Konferenzsaal.

Nistant bemerkte mich als Ersten und ging auf mich zu.

»Cauthon Despair, ich bin erfreut, dich wiederzusehen. Du bist mit Abstand der charismatischste Mensch in diesen Reihen. Wichtiger für die Geschichte des Kosmos als ein Osiris und ein Eorthor.«

Nistant lachte spöttisch und blickte die beiden kosmischen Giganten an, die bereits deutlich mehr geleistet hatten als ich. Osiris war über 300.000 Jahre alt und Eorthor hatte unvorstellbare 190 Millionen Jahre auf dem Buckel.

Doch Nistants Worte schmeichelten mir.

Ohne große Umschweife fing der Rideryone an zu reden: »Ich bedanke mich für das zahlreiche Erscheinen. Ich werde euch nun über meine Absichten informieren. Das Rideryon ist auf dem Weg nach Som-Ussad. Unser Ziel ist das Sternenportal. Wir werden von dort aus in eine andere Galaxie fliegen.«

»Welche?«, wollte Eorthor wissen.

»Alles zu seiner Zeit, junger Alysker!«

Eorthor bedachte Nistant mit einem tödlichen Blick.

»Wir werden einen Kulturaustausch vornehmen. So geschieht es immer, wenn das Rideryon durch eine Galaxie fliegt. Wir werden Somer, Ophaler, Pterus, Elfahder und all die anderen Wesen aufnehmen und ihnen eine neue Heimat bieten. Im Gegenzug werden wir diverse Kulturen diese Galaxie neu besiedeln lassen!«

Das Schweigen wurde gebrochen. Ein heilloses Gemurmel brach aus. Sam brachte die Fragen der Anwesenden auf den Punkt.

»Wie genau verläuft dieser Kulturaustausch?«

Nistant starrte den Somer aus seinen leuchtenden Augen an. Dann kramte er eine Kugel aus seiner Tasche und warf sie in die Luft. Sie stabilisierte sich, schwebte drei Meter über den Boden und warf eine holografische Sternenkarte Siom Soms in den Raum. Dort wurden insgesamt hundert rote Punkte angezeigt.

»Wir werden die Bevölkerung dieser einhundert Welten in das Rideryon aufnehmen. Tholmonde werden sie abholen und auf das Rideryon bringen. Im Ausgleich wird die neue Bevölkerung dort abgesetzt werden.«

Ich sah mir die Punkte genauer an und stellte beunruhigt fest, dass es sich um die einhundert wichtigsten Planeten der Galaxie handelte. Som, Ophal, Gwaron, Elfahdon, Pteronon und viele andere wichtige Welten. Das Rideryon würde die Elite der estartischen Völker in sich aufnehmen und das Gesicht von Siom Som völlig neu formen.

Wieder redeten alle durcheinander, bis sich Sam erneut durchsetzte und um Ruhe bat.

»Ein Kulturaustausch kann und darf nur auf freiwilliger Basis geschehen. Sie dürfen gern für das Rideryon werben, jedoch keine Welten bestimmen. Sie reden von Hunderten an Milliarden Lebewesen aus Siom Som. Ich bezweifle, dass jeder seine Heimat verlassen will. Sie müssen dies akzeptieren.«

Nistant wirkte, als hätte ein Geisteskranker zu ihm gesprochen. Verständnislos schaute er den Somer an. Nun mischte sich Volcus ein. Der hochgewachsene Dorgone mit dem krausen, blonden Haar erhob sich.

»Die Meinung von Sruel Allok Mok ist nicht maßgeblich, denn ich bin der Herrscher über Siom Som. Die Galaxie ist eine Kolonie des dorgonischen Reiches. Allenfalls das Quarterium kann mitreden, da Teile der Galaxie unter quarterialer Flagge stehen.

Doch im Grunde genommen hat der Eingeborene recht. Sie bestimmen mir zu viel, Nistant! Sie können einen Antrag zum Kulturaustausch stellen, jedoch dürfen Sie diesen nicht ohne meine Zustimmung durchführen. Das geht gar nicht.«

Volcus sprach freundlich und im ruhigen Tonfall. Er lächelte den Emperador an.

De la Siniestro meldete sich nun auch zu Wort: »Ich stimme dem Kaiser Dorgons zu. Sicherlich sind die Völker des Rideryons eine Bereicherung für diese Galaxie, doch Sie würden mit dem Transfer das ganze Gefüge der Sterneninsel auseinanderbrechen. Das sind die einhundert bedeutendsten Welten von Siom Som. Vieles würde nicht mehr funktionieren.«

»Wichtig wäre auch die Frage, ob sich die neuen Lebewesen dem Gesetz des dorgonischen Kaiserreiches unterstellen würden und pünktlich ihre Steuern bezahlen«, warf Kruppus ein.

»Ich schließe daraus, dass Sie einem generellen Austausch nicht abgeneigt sind, meine Herren Imperatoren?«, erkundigte sich Nistant höflich.

»Alles eine Frage des Preises«, gab Volcus lachend zurück.

»Wir sind entschieden dagegen«, mischte sich Sam ein. »Dorgon und das Quarterium sind illegale Besatzer dieser Galaxie. Sie haben nicht das Recht, über das Schicksal meiner Artgenossen zu entscheiden!«

Nistant wandte sich wieder an Sam.

»Seit über zweihundert Millionen Jahren streift das Rideryon durch das Universum. Bisher hat es nie ein Volk bereut, in die Gemeinschaft der Weltrauminsel aufgenommen zu werden. Seien Sie unbesorgt, Sam! Die späteren Generationen werden es Ihnen danken.«

Das Husten einer alten Frau ließ alle in die hintere Reihe blicken. Dort saß Adelheid mit einer Krähe auf ihrer Schulter und grinste. Die alte Hexe erhob sich.

»Erlaubt ihr Nistant, sich in Siom Som anzusiedeln, wird diese Galaxie assimiliert werden. Weder Dorgon, das Quarterium noch die Einheimischen werden dagegen etwas tun können. Die Estarten werden im Riff zu willenlosen Sklaven. Erlaubt ihr den Flug durch das Sternenportal, wird eine weitere Galaxie dasselbe Schicksal erleiden.«

»Schweig, altes Waschweib. Lilim sind als intrigante Schlangen bekannt. Ich biete euch an, Teil von einem kosmischen Wunder zu werden, und ihr lehnt ernsthaft ab?«

Nistant schien aufrichtig enttäuscht zu sein.

»Wir begrüßen diese Idee. Vielleicht könnt ihr alle Extraterrestrier aufnehmen und nur Menschen absetzen? Das würde unserer Politik entsprechen«, warf Leticron ein.

Diese Aussage sorgte natürlich für eine laute Diskussion. Die Estarten, Eorthor, Entropen und Terraner waren gegen den aufgezwungenen Kulturaustausch. Sam sprach von Deportationen. Das Quarterium und Dorgon würden mit sich verhandeln lassen.

Nistant betrachtete die Streithähne genervt.

»Ich gebe euch Zeit bis zum 30. Juni 1308 NGZ, die Bevölkerungen der Planeten vorzubereiten. Dann wird der Austausch vollzogen werden. Ihr habt keine andere Wahl. Ich habe einen kosmischen Auftrag, den ich zu erfüllen gedenke. Die neuen Kulturen in Siom Som werden in der Tat das Gesicht der Galaxie neu prägen. Sie werden Werte in diese Galaxie tragen, die Frieden und Harmonie bringen und Gier, Tyrannei und Ungerechtigkeit vertilgen.«

Nistant warf dabei einen Blick auf Volcus und den Emperador. Mir gefiel das nicht. Nistant drohte den Besatzungsmächten damit indirekt, dass ihre Politik keine Zukunft hätte.

Nistant wollte gehen, machte halt und drehte sich um. Er wandte sich noch einmal an Sam.

»Wenn es Euch gelingt, Freiwillige auszuwählen, ist mir das nur recht. Wenn nur zehn Millionen zum Rideryon übersiedeln, wird die estartische Gesellschaft trotzdem die Aufgabe bewältigen, Milliarden Rideryonen ein neues Heim zu bieten. Seht mich nicht als Feind. Ich werde dieser Galaxie Frieden bringen.«

Mit diesen Worten lösten sich Nistant und seine Begleiter in Nichts auf. Wir blieben zurück und schwiegen uns an.

Die Bräute des Fürsten

Medvecâ beobachtete sie verständnislos. Was sie tat, war doch einfach nur ekelhaft und pervers.

Katharina saß am Frühstückstisch und trank Konservenblut. Künstlich hergestelltes Blut! Widerlich! Sie hatte seit ihrer Verwandlung in eine Ylors nicht ein einziges Wesen gebissen. Offenbar hatte die ehemalige Geliebte des Saggittonen Aurec große Probleme, sich an ihr neues Leben zu gewöhnen. Doch in seiner grenzenlosen Großzügigkeit würde Medvecâ ihr mehr Zeit gewähren.

Natalia war ganz anders. Sie hatte eine herrlich finstere Seite und kostete sie voll aus. Er feierte mit seiner neuen Lieblingsmätresse viele ausschweifende Orgien. Sie labten sich an ihren Opfern, nachdem sie heiße sexuelle Fantasien mit ihnen ausgelebt hatten.

Natalia hatte ihr altes Leben komplett hinter sich gelassen. Was Medvecâ besonders erstaunte, war, dass sie es fast freiwillig getan hatte. Sie musste von ihrem alten Leben frustriert gewesen sein. Das war auch kein Wunder. Ihr Mann war ein Langweiler, der einem falschen Ritter der Tiefe diente. Natalia hatte sich beschwert, dass er sie nicht als Frau behandelte und ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte.

Was für ein Narr! Frauen fühlten sich begehrenswert, wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkte und ihnen das Gefühl gab, sie würden im Mittelpunkt stehen. Doch nicht zu oft, denn sonst wurde es langweilig. Mit Zuckerbrot und Peitsche musste man eine Frau halten! Sie musste sich wohlfühlen, aber nicht sicher sein. Sie sollte Angst haben, ihr Mann könnte sie auch wieder verlassen.

Natalia spielte mit ihren neuen Haustieren, zwei giftigen, zweiköpfigen Schlangen. Auf ihrem Teller lag ein blutiges Herz, welches sie einem Gannel heute Morgen herausgerissen hatte.

Katharina hingegen nuckelte am Strohhalm ihres Konservenblutes und hatte einen Salat vor sich liegen.

»Hab ich dir erzählt, wie ich den Gannel getötet habe? Das war lustig, sach ich dir. Sach ich zu ihm, dass er zwei Möglichkeiten hat, sach ich. Entweder sach ich, soll er …«

»Das interessiert mich nicht«, sagte Katharina scharf.

Natalia fauchte und fletschte ihre scharfen Zähne.

»Das eine sage ich dir, Katharina! Wenn du so weiter machst, reiße ich dir mal das Herz heraus!«

Katharina sprang auf, packte Natalias Kopf und drückte ihr Gesicht in das Herz vor ihr. Sie presste den Kopf immer fester hinunter, bis der Teller zersprang und sich die Splitter in Natalias Gesicht bohrten. Dann ließ sie ihre ehemalige Freundin los.

Natalia hob den Kopf und schrie wütend. Sie zog sich die Keramiksplitter aus dem Gesicht und starrte Katharina hasserfüllt an. Medvecâ applaudierte amüsiert.

»So viel Temperament von euch beiden. Ihr seid würdige Bräute. So verschieden wie Tag und Nacht und doch seid ihr beide mein.«

Medvecâ ging zu Natalia und leckte das Blut von ihrem Gesicht. Ihre Wunden verheilten schnell. Er bemerkte, wie angewidert Katharina die beiden ansah. Es schlummerte noch zu viel von der Terranerin in ihr. Doch das war nur eine Frage der Zeit.

»Herr?«

Veritor stand plötzlich im Raum. Medvecâ wollte aber nicht gestört werden. Viel zu schön war der Geschmack des Blutes vom Gannel und Natalia.

»Herr!«

»Was ist denn?«

Medvecâ schubste Natalia weg und lief wütend auf Veritor zu, der jedoch keinen Zentimeter wich.

»Ein Ylors wurde im Randbereich umgebracht. Ein anderer wurde verschont. Er berichtet, dass drei Ylorsjäger ihnen aufgelauert hätten im Land Baagon.«

Die Baagonen waren unbedeutende Primitivlinge. Dass sie die Courage entwickelten, Jäger auszubilden, hätte er ihnen nicht zugetraut. Das war noch nie vorgekommen in dieser Region. Freilich hatte es im Laufe der Jahrmillionen immer wieder selbst ernannte Ylorsjäger gegeben, doch ihr Erfolg war nur gering gewesen. Diesmal hatten sie Glück gehabt.

»Finde die drei Baagonen und friss sie auf«, riet er Veritor, der jedoch noch immer sehr ernst war.

»Es sind keine Baagonen, es sind Humanoide. Und sie wollen uns alle ausrotten, insbesondere dich, Fürst Medvecâ.«

»Sie kennen mich?«

Das erstaunte Medvecâ sehr. Die Randbezirke zwischen der ewigen Finsternis und der normalen Außenwelt waren nur mit primitiveren Kulturen bevölkert. Sie bildeten eine Pufferzone zwischen den Ylors und den höherstehenden Kulturen der Manjor, Harekuul, Gannel oder Dychoo. Tausende Völker lebten in dem Millionen Kilometer langen Landstrich. Die meisten kannten die Ylors nicht beim Namen, sondern sahen sie als Vampire oder Dämonen an.

Die höher entwickelten Völker jedoch kannten Medvecâ. Es war schwer vermeidbar gewesen, sich im Laufe der Zeit nicht einen Namen zu machen. Demnach waren die Jäger also keine primitiven Wesen aus dem Grenzgebiet.

Da kam Medvecâ eine Idee.

»Meine Grazien! Das wäre doch eine Aufgabe für euch! Findet heraus, wer die drei Jäger sind, die mir persönlich nach dem Leben trachten, und bringt sie zu mir. Für jeden von uns steht dann ein Jäger als Spielzeug zur Verfügung.«

Katharina stand auf.

»Wie du wünschst, Fürst! Wir werden uns ins Land Baagon begeben und den Spuren der Jäger folgen.«

»Die machen wir fertig, das sach ich dir!«, drohte Natalia und blickte Medvecâ mit ihren blauen Augen fanatisch an.

Ihm gefiel dieser Blick. Er liebte ihren Fanatismus.

»Gut, gut, meine Lieben! Gehet nun hinaus und zeigt diesen Möchtegernjägern ihre Grenzen auf.«

Natalia und Katharina verließen den Saal. Medvecâ war sich gewiss, dass sie mit den Köpfen der Frevler zurückkehren würden.

Das Land Baagon

Aurec

Die Nacht war hereingebrochen. Fluchtartig hatten die gazellenartigen Baagonen die Straßen, Wege und Felder verlassen. Sie flüchteten sich in ihre Wohnungen und Gemeinschaftshäuser. Die Furcht vor den Ylors war groß, obwohl wir einen von ihnen getötet hatten.

Wir blieben auf der TERSAL, die komfortabel genug für fünf Personen war. Sie stand am Rande eines Ackers, nahe den Siedlungen der Baagonen im Randgebiet.

Das Land Baagon, welches ausschließlich von den Rehgeschöpfen bewohnt wurde, grenzte direkt an die finstere Zone, dem Reich der Ylors. Diese Grenze erstreckte sich über 8750 Kilometer. Davor war die Region der schweinsähnlichen Husaaven, welche über 15.000 Kilometer an das Ylorsreich grenzte, und dahinter eine schroffe Wüste mit Gebirgen und einem 500.000 Kilometer langen Ozean.

Die Region der Husaaven und Baagonen überwachte die TERSAL mithilfe ihres Ortungssystems. Ein verschwindend geringer Bereich der Grenzwelt, denn diese war mehr als einhundert Millionen Kilometer lang, da sie sich um das ganze Riff erstreckte. Eine unvorstellbar große Weite. Ich wusste nicht, wie viele Welten man benötigte, um die Größe des Riffs zu erreichen. Meine neue Heimat Saggitton hatte einen Umfang von 63.000 Kilometern. Sie überprüften somit ein Drittel von Saggitton.

Doch selbst Saggitton war winzig im Vergleich zur Grenzlinie. Tausende, wenn nicht sogar mehr Kulturen wohnten dort. Viele hunderttausend Kilometer lange Gebiete wurden mit unüberwindbaren Gebirgen, Schluchten oder Ozeanen vom Rest des Riffs getrennt.

Der Ozean hinter dem Land der Baagonen war an Fläche zehnmal größer als die gesamte Oberfläche Terras. Die Größe des Riffs zu verstehen, war sehr schwer, seine Gigantomanie stieß bei jedem sterblichen Gehirn an seine Grenzen. Das Riff war in der Tat ein kosmisches Wunder. Je öfter ich darüber nachdachte, desto beeindruckender wurde diese gigantische Insel im Weltraum. Mir lief bei seiner Betrachtung ein Schauer über den Rücken.

Es würde unzählige Menschenleben benötigen, um das gesamte Riff zu erforschen und all seine Kulturen kennenzulernen.

Jonathan gesellte sich zu mir.

»Woran denkst du gerade?«

»An das Riff. Wie groß es doch ist.«

Andrews stieß einen Pfiff aus.

»Oh ja. Es erinnert mich etwas an die Arche Noah. Eine Art Schiff des Universums, welches Spezies von jeder Kultur in sich birgt. Als ob sie von Gott auserwählt seien.«

Aurec schmunzelte über den Vergleich.

»Ob nun Gott, SAGGITTORA oder wer auch immer sie auserwählt hat – wenn es so wäre, würden die Ylors bestimmt nicht mit an Bord sein.«

»Ich bin ja nicht tief religiös, aber gibt es nicht überall Gut und Böse? Selbst im Paradies in den verschiedensten Kulturen.«

Da lag Wahrheit drin, doch die Herkunft und Bestimmung des Riffs war vorerst sekundär für mich. Ich wollte Kathy retten. Deshalb war ich hier und uns lief die Zeit davon.

Aus den Chroniken Cartwheels

6. Mai 1308 NGZ

Der Besuch von Nistant hatte für viel Aufregung gesorgt. Es gab kein anderes Thema mehr in der Galaxie als die Konferenz und das Ultimatum von Nistant.

Natürlich wurde die Berichterstattung größtenteils sehr einseitig geführt. Die dorgonischen und quarterialen Medien zeigten nur ihre Seite und ließen Kommentare der Estarten und der Alliierten gar nicht zu. Mein alter Freund Speaky Mohlburry produzierte mit der FOCUS für alle frei empfangbare Sendungen. Natürlich gelangten diese nicht nach Cartwheel oder M 100, doch zumindest die Bevölkerung Siom Soms konnte damit auf eine ausgewogene Berichterstattung zugreifen. Speaky inszenierte Talkshows, Expertenrunden und Analysen rund um die Uhr.

War das Rideryon ein Fluch oder ein Segen?

Es war schwer zu sagen. Ich versuchte in den Abendstunden, mit meiner Assistentin Pyla darüber zu philosophieren. Es dauerte eine Weile, bis ich sie soweit hatte, denn offenbar machte sie sich mehr Sorgen darüber, in welche Diskothek sie mit wem gehen konnte. So waren nun einmal die jungen Menschen. Dennoch hielt sie plötzlich inne und drückte ihre Meinung zum Rideryon aus, welches immerhin ihre Heimat war. Sie hatte wunderschöne Erinnerungen an ihr Dorf. Doch es gab die Finsteren – die Ylors! Sie würden nach Pylas Ansicht für Tod und Trauer in Siom Som sorgen.

Auf der anderen Seite hatte sie einen unerschütterlichen Glauben an Nistant. Er war ihr Heilsbringer. Ein lebendiger Messias. Was würde sein, wenn den Menschen Jesus Christus oder Mohammed plötzlich erscheinen würde? Der religiöse Aspekt war nicht zu unterschätzen. Pyla hatte nur eine kleine, beschauliche Welt des gigantischen Riffs gesehen. Doch eines schien sie mit allen Völkern dort zu verbinden: der Glaube an Nistant!

Durch das Auftauchen des Riffs geriet der intergalaktische Krieg in den Hintergrund. Waren die Vernichtungslager auf Beschryr und in Cartwheel schon vergessen? All die unzähligen Verbrechen und Milliarden Toten? Wir befanden uns an einem Scheideweg und ich spürte, dass mit dem Rideryon die Entscheidung immer näher rückte.

Womöglich würde das Riff das Gefüge des Quarteriums und Dorgons zerbrechen lassen. Kam dann die Freiheit für die estartischen Völker oder eine neue Tyrannei durch das Rideryon?

Konnte sich eine Galaxie überhaupt von so einem Kulturaustausch erholen? Die Elite Siom Soms würde verschwinden und durch neue Völker ersetzt werden. Würde es dadurch nicht zu Chaos und Krieg kommen? Jeder würde versuchen, territoriale Besitzansprüche zu stellen. Würde das Quarterium erneut die Artenbestandsregulierung ins Leben rufen?

Diese Vorstellung behagte mir gar nicht. Zu viele Fragen waren unbeantwortet.

Wieso war das Rideryon ausgerechnet in Siom Som?

Was war sein nächstes Ziel?

Welche Rolle spielten die Entropen?

In welcher Verbindung stand MODROR zum Riff?

Was ist die wirkliche Mission des Rideryons?

Ich lehnte mich zurück, blickte auf die Nekropolen der somerischen Krieger in der Ferne und sinnierte über diese Fragen. Pyla riss mich mit einem überaus delikaten Nudelsalat mit Putensteak und einem terranischen Wein aus den Gedanken. Dabei war Geflügel auf Som aus verständlichen Gründen sehr verpönt. Aber meine Assistentin machte sich über so etwas keine Gedanken. Sie trat des Öfteren in ein Fettnäpfchen. Dafür konnte sie sehr gut kochen.

Wer weiß, wie lange wir diese paradiesische Ruhe noch genießen konnten. Ich befürchtete, es war die Ruhe vor dem Sturm.

Jaaron Jargon

Medvecâs Bräute

Aurec

Wir waren nun bereits mehr als zwei Wochen auf dem Rideryon und hatten einige Erfolge erzielt.

Jonathan, Gal’Arn und ich hatten inzwischen zehn Ylors getötet. Ich bereute unsere Taten nicht, denn die Ylors waren ebenso herzlos wie gnadenlos.

Wir saßen an einem Bächlein, das friedlich vor sich hinplätscherte. Gal’Arn hatte unser Zelt aufgebaut. Viel hatte er nicht tun müssen. Das meiste war automatisch geschehen.

Jonathan kauerte auf einem Stein und rauchte eine Zigarette. Er starrte in das Wasser. Natürlich waren seine Gedanken bei Nataly. Und meine waren bei Kathy. Ob wir sie wirklich finden würden? Und was geschah dann? Würden wir sie wirklich retten können?

Elyn kam aus einem Knick. Sie hatte Beeren und Früchte gesammelt. Mir war eigentlich nach einem guten Stück Fleisch. Aber die Alyske hatte es nicht so gern, wenn wir Tiere jagten. Sie wies uns auf unseren Nahrungsvorrat hin und bot alternativ eben vegetarische Kost an.

Wir befanden uns nun im Land der Husaaven, das waren schweinsähnliche Humanoide. Sie besaßen moderne Technik, kannten Gleiter und Energiewaffen. Aus Roi Dantons Berichten wussten wir, dass sie den Ylors dienten. Wir befanden uns also mitten im Feindesland. Doch die TERSAL war immer in unserer Nähe. Jaktar flog nur wenige hundert Kilometer über uns. Er würde in wenigen Momenten bei uns sein, sollten wir in Schwierigkeiten geraten.

Vorerst wollte ich jedoch so unauffällig wie möglich agieren. Die Ylors sollten unsere Stärke nicht einschätzen können. Zur Not hätten wir noch die IVANHOE II gehabt, die in einer Parkbahn den Tholmonden Konkurrenz machte.

Ich schüttelte mich vor Kälte. Es war ziemlich frostig in dieser Gegend.

Kälte war überhaupt ein passender Ausdruck für diese Region. Das finstere Land der Ylors war mit bloßem Auge hinter den Hügeln zu erkennen. Dort lauerte der Tod.

Gal’Arn kam zu mir.

»Jaktar hat eine Kreatur geortet, die vielleicht interessant für uns ist.«

Der Elare erzeugte mit seinem tragbaren Rechner ein Hologramm. Ich stieß einen verwunderten Pfiff aus. Einige hundert Kilometer von hier wurde ein Wesen von einer Horde Ylors gejagt. Doch das Wesen schien zu teleportieren.

»Einer dieser Riffmausbiber?«

Inzwischen waren auch Jonathan und Elyn dazugestoßen. Gal’Arn nickte bedächtig.

»Er wird gejagt. Helfen wir ihm«, meinte Jonathan.

»Wir wissen durch unsere Beobachtungen, dass die Husaaven Parafallen benutzen, um diese Riffmausbiber zu jagen. Wieso kann dieser dann unbehelligt teleportieren?«, fragte Gal’Arn die anderen.

Er hatte recht. Es gab nur eine Antwort.

»Eine Falle!«

»Was tun wir? Wir können doch das Wesen nicht sterben lassen?«, warf Elyn ein.

Natürlich konnten wir das nicht. Zu wissen, dass wir in eine Falle gingen, war ein Vorteil. Das Überraschungsmoment würde auf unserer Seite sein, obwohl die Ylors das Gegenteil annahmen.

Jaktar gab die neusten Ortungsergebnisse durch. Demnach hetzte man den vermeintlichen Ilt in Richtung der Husaaven. Offenbar schien es jene Gegend zu sein, in der wir vor Kurzem einen Ylors zur Strecke gebracht hatten.

»Sie suchen uns«, folgerte Gal’Arn. »Aber sie wissen anscheinend nicht, dass wir über so moderne Technologie verfügen.«

Offenbar war der Plan der Ylors, dass sie den Ilt in die Arme der Jäger hetzten, um so an sie heranzukommen. Die Position, in der der Mausbiber lief, war der einzige Anhaltspunkt der Ylors. Sie benutzen den Kleinen als Köder.

»Ich werde ihn holen«, beschloss Elyn.

Die anderen sahen sie verdutzt an. Ich war mir nicht sicher, ob ich Elyns Leben riskieren sollte.

»Ich kenne mich gut in Wäldern aus, kann mich leise bewegen und benötige euch als Rückendeckung.«

Sie nahm ihren Rechner und zeichnete etwas auf das Pad. Sie erklärte uns, dass wir dort mit der TERSAL warten sollten. Sie würde die Ylors selbst in eine Falle locken.

»Sobald sie diese Gegend erreichen, kann die TERSAL mit einem konzentrierten Schuss alle Ylors paralysieren.«

»Warum nicht töten?«, wandte Jonathan ein.

»Weil wir nicht wie sie sind«, entgegnete Elyn und gab ihm ihren tragbaren Rechner.

Sie ging zu den pferdeähnlichen Wesen, die wir als Transportmittel nutzten, schwang sich auf und trabte zu uns.

»Seid nicht in Sorge. Ich werde den Kleinen retten. Und noch ein Anreiz, damit ihr die Ylors nicht zerstrahlt: Es könnten Nataly und Kathy unter ihnen sein …«

Mit diesen Worten ritt Elyn los. Wir blickten ihr schweigend hinterher. Ich wünschte ihr alles Gute.

*

Elyn war die Kälte gewohnt, denn auf Alysk war es immer kalt gewesen und sie hatte viel Zeit in der Natur verbracht. Ausritte mit ihrem Vater oder ihrem Vetter gehörten zu ihren schönsten Erinnerungen. Doch all das gehörte der Vergangenheit an. Sie würde niemals mehr nach Alysk zurückkehren können, denn es existierte nicht mehr.

Die Alyske konzentrierte sich wieder auf ihre Mission. Ihr Pikosyn wurde mit den aktuellsten Daten des Riffmausbibers von der TERSAL versorgt. Er näherte sich schnell. Die Ylors hielten einen gleichmäßigen Abstand zu ihm. Sie verfügten sicherlich über Ortungsgeräte.

Elyn hatte ihren Ortungsschutz ebenfalls aktiviert. Sie hoffte, dass die Ylors – die immerhin einst Alysker gewesen waren – sie nicht trotzdem erfassen konnten.

Die schwierigste Aufgabe war, den Mausbiber zu fangen und davon zu überzeugen, dass er nicht gleich wegteleportierte. Er war nicht mehr weit. Sie stieg von ihrem Pferd ab und schlich den Rest des Weges.

Schließlich sah sie den Fliehenden. Er ähnelte Gucky, war nur deutlich voller genährt. Keuchend setzte sich das Geschöpf auf einen Baumstumpf und atmete schwer.

Er schaute sich ängstlich um, schien aber Elyn nicht zu entdecken. Sie musste nun sehr behutsam vorgehen.

»Fürchte dich nicht, kleiner Freund. Ich werde dir helfen.«

Der Mausbiber sprang hoch und sah sich um.

»Wer redet da? Wer will mir helfen?«

»Ich stehe hier hinten und komme nun langsam zu dir. Habe keine Angst. Ich bin keine Ylors. Ich bin eine Alyske und heiße Elyn.«

»Ich … bin bewaffnet und schieße, wenn du ein Ylors bist. Schließlich gelte ich als Ylorstöter und habe schon Tausende erledigt«, sagte der Mausbiber hochtrabend.

Doch Angst war in seiner Stimme. Elyn hörte sie deutlich heraus.

»Und wieso teleportierst du dann vor den Ylors davon, anstatt sie zu töten?«

»Öhm … bin etwas außer Form. Wo bist du nun?«

Elyn trat nun hervor. Die braunen Kulleraugen des Mausbibers weiteten sich, als er sie sah.

»Geil«, stieß er hervor.

Elyn wusste nicht, was sie zuerst überraschen sollte. Dass ein Mausbiber sie als sexy empfand, oder dass er das terranische Wort beherrschte. Langsam ging sie näher zu ihm.

»Hallo«, flüsterte sie und lächelte.

»Hi!«

Wieder ein terranisches Wort.

»Du bist mit den terranischen Sitten vertraut?« Sie sprach diese Worte in Interkosmo, und der Ilt verstand.

»Ich habe zwei Bräute kennengelernt. Sie sehen ähnlich aus wie du. Nur keine spitzen Ohren.«

Kathy Scolar und Nataly Andrews. Langsam ergab alles einen Sinn. Dieser Mausbiber war vermutlich von den Ylors inhaftiert und nun freigelassen worden, um als Köder zu dienen.

»Und diese beiden Terranerinnen haben dich die Sprache gelehrt?«

»Teilweise Rideryonisch und Interkosmo. Die Brünette war echt eine Wucht, hatte aber kleinere Titten als du. Und die andere war ein Drache. Furchtbare Wachtel.«

Elyn musste schmunzeln.

»Und wie heißt du, Kleiner?«

»Nichts an mir ist klein. Man nennt mich Kalky. Du stammst wohl auch von denen, oder? Dann kennst du auch diesen Gucky? Ist er hier?«

Elyn verneinte.

»Aber ich kenne die beiden Frauen. Etwas Schreckliches ist mit ihnen geschehen. Sie sind nun Ylors. Wir versuchen sie aber zu heilen. Es gibt noch Hoffnung für sie.«

»Sicher … aber wieso ich frei bin, frage ich mich. Sie hätten mich längst fressen können, aber aus irgendeinem Grund haben sie es nicht getan. Vermutlich, weil ich der klügste Rideryon-Mausbiber bin, der ihnen untergekommen ist.«

»Nun, du bist zumindest selbstbewusst. Sie benutzen dich jedoch als Köder. Und wir sollen ihnen in die Falle gehen. Ich erkläre es dir später. Sie kommen näher. Komm mit!«

Elyn packte den Mausbiber und versuchte, ihn auf das Pferd zu hieven. Das fiel ihr sichtlich schwer. Er wog gefühlt eine Tonne. Als er endlich auf dem Reittier saß, schwang sie sich in den Sattel und ritt los.

»Wieso teleportieren wir nicht?«

»Weil mir gerade eine andere Idee gekommen ist. Da wir so dicht beieinander sind, bist du getarnt. Sie können uns nun vorerst nicht mehr finden.«

Elyn ritt so schnell sie konnte. Sie hoffte, dass sie recht behielt. Doch schon bald wurde sie eines Besseren belehrt. Gleiter huschten plötzlich seitlich an ihr vorbei. Sie änderte den Kurs und ritt nun auf den vereinbarten Treffpunkt hin. Sie jagte das Pferd durch einen kleinen Wald, hielt sich geduckt, um nicht von einem schweren Ast getroffen zu werden. Kleinere Äste streiften ihren Arm. Es tat weh.

Als sie auf eine Lichtung kam, folgten ihr sieben Gleiter. Sie erschrak sich kurz. Sie trieb das Pferd an, gab ihm ihr Jhi, damit es schneller lief, doch die Gleiter holten auf. Jeden Moment konnte es vorbei sein. Die Gleiter selbst schienen nicht bewaffnet, doch es reichte, wenn einer der Beifahrer zielte und abdrückte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie spürte regelrecht, wie jemand mit seiner Waffe auf sie zielte und auf den richtigen Moment wartete. Je näher die Gleiter kamen, desto größer wurde die Gefahr.

Doch dann tauchte die TERSAL am Horizont auf und feuerte eine Salve zwischen sie und die Gleiter. Diese wichen aus. Das verschaffte Elyn genügend Zeit.

»Teleportiere mit mir dort zum Hügel, Kalky.«

Der Mausbiber packte sie und plötzlich waren sie einige hundert Meter von den Gleitern entfernt. Die TERSAL feuerte nun mit Paralysestrahlen auf sie. Nach wenigen Sekunden stoppten die Gleiter und es wurde ruhig. Elyn atmete tief durch.

»Erinnere mich daran, dass es eine Schnapsidee war, zu Pferd vor Gleitern zu fliehen«, sagte sie und atmete tief durch. Sie hatten es geschafft.

*

Ich war froh, Elyn wiederzusehen! Doch der dickbäuchige Mausbiber neben ihr war ein seltsamer Anblick.

»Moin«, sagte er und nickte. »Ich bin Kalky, der Lebensretter dieser Schnecke.«

Elyn musste lachen. Sie stellte uns vor.

»Ach, dann bist du der heilige Aurec, dem Kathy immer wieder ihre Briefe geschrieben hat.«

Ich zuckte zusammen.

»Woher weißt du das?«

»Ich kenne sie. Sie und ihre unfreundliche Kumpanin Nataly waren in unserem Dorf. Wir wollten durch das Land der Husaaven zur nächsten größeren Stadt, um Kontakt mit Terranern aufzunehmen. Doch diese Nataly hat uns in eine Falle gelockt. Da landeten wir bei den Ylors …«

Jonathan wurde bleich, als er Kalkys Schilderungen hörte. Es musste entsetzlich für ihn sein. Seine eigene Frau eine Verräterin! Doch es bestand vielleicht noch Hoffnung. Kathy war auch eine Verräterin gewesen, als sie unter Cau Thons Einfluss gestanden hatte, und konnte kuriert werden. Vielleicht war das auch mit Nataly möglich.

»Die Ylors haben mich grausam gefoltert, doch ich habe den Schmerz mit Würde ertragen.«

Kalky seufzte. Elyn kraulte den Kleinen. Irgendwie glaubte ich ihm nicht, dass er schwer gefoltert wurde. Er stand gut im Futter. Die Ylors hatten ihn offenbar verschont. Wieso, das wusste ich nicht.

»Sie waren verwundert, weil ich sprechen konnte und so viel wusste. Ihr müsst wissen, dass meine Artgenossen nicht so klug sind wie ich. Ich habe viel von Kathy gelernt. Sogar das Rauchen. Hat jemand ’ne Fluppe?«

Verwundert kramte Jonathan eine Schachtel Zigaretten aus seinem Cape und gab Kalky eine.

»Danke, Dicker!«

»Selber«, erwiderte Jonathan.

Kalky zündete sich die Zigarette an und hustete erst einmal herzhaft.

»Cool …«

Seine Augen wurden größer nach jedem Zug. Dann fing er an zu kichern und zu gackern.

Das Verhalten des Mausbibers war äußerst seltsam. Gal’Arn berichtete inzwischen von den Untersuchungen an den Ylorsgleitern.

»Weder Kathy noch Nataly waren drin.«

»Ganz recht, denn wir sind hier!«

Ich erschrak. Der Ritter der Tiefe zog sein Caritschwert, und Elyn zückte ihren Strahler. Nur Jonathan und ich waren wie paralysiert. Ich drehte mich herum.

Da standen die beiden Frauen. Nataly trug eine bordeauxfarbene Kombination, während Kathy eine enge, schwarze Lederkombination angezogen hatte. Ihr Haar war ebenfalls pechschwarz und ihre Haut bleich. Als Nataly grinste, blitzten ihre scharfen Eckzähne. Sofort erkannte ich, dass beide nicht die Frauen waren, die wir einst liebten.

»Nataly …«

Jonathan ging auf sie zu. Schmunzelnd kam ihm die Ylors entgegen.

»Oh liebster Jonathan! Ich habe dich so sehr vermisst. Du bist gekommen, um mich zu retten!«

»Ich habe den Lügen von Danton nie geglaubt. Du würdest mich doch niemals verlassen, meine Maus.«

Kathy musterte beide abfällig und hielt Abstand. Sie wagte es nicht, mir in die Augen zu schauen.

»Wir waren auf der Suche nach bösen Ylorsjägern. Ich bin überrascht, dass ihr es seid.«

Natalys Augen funkelten bösartig. Jonathan schien dies aber nicht zu bemerken.

»Komm bitte mit nach Hause. Ich liebe dich doch.«

»Geh nicht näher!«, rief Gal’Arn warnend.

Aber Jonathan hörte nicht. Er umarmte seine Frau und streichelte über ihr Haar. Sie lachte.

»Dummer, dummer Jonathan! Ich bin zuhause!«

Nun stürmte Gal’Arn los. Nataly packte Jonathan am Hals, öffnete ihr Bestienmaul und wollte zubeißen. Gal’Arn stieß die Ylors zu Boden.

»Siehst du nicht, dass sie nicht mehr die Frau von früher ist? Sie ist ein seelenloses Monster.«

Nataly spuckte den Ritter der Tiefe an.

»Früher war ich seelenlos, doch Medvecâ hat mir gezeigt, wie süß das Leben sein kann. Meine Ehe mit dir war die Hölle! Du warst so schrecklich schwach und dumm. Du kleinkarierter Penner hast mich nie verstanden und unterstützt. Medvecâ tut dies! Ich liebe ihn und empfinde für dich nur noch Abscheu! Sach ich!«

Jonathan stand wie angewurzelt da.

»Aber Nataly …«

»Nataly ist tot. Nenn mich Natalia, die Braut von Fürst Medvecâ! Er ist dir in jeglicher Hinsicht weit überlegen. Sex mit ihm ist ein Genuss. Alles mit ihm ist ein Rausch der Ekstase!«

Gal’Arn packte seinen Ritterschüler behutsam und zog ihn von Natalia weg. Sie stand auf und blickte uns herausfordernd an.

»Ihr glaubt, ihr könnt euch mit Medvecâ messen? Armselige! Ihr habt nicht den Hauch einer Chance, sach ich! Doch ihr werdet gar nicht zu Medvecâ gelangen, denn ich werde euch vorher töten. Das sach ich euch. Ihr seid des Todes! Des Todes, sach ich!«

Natalia breitete die Arme aus und lachte schallend. Sie war völlig enthemmt, ein unheimliches Geschöpf der Finsternis. Ich sah zu Kathy herüber. Sie schwieg. Doch endlich kreuzten sich unsere Blicke.

»Siehst du das auch so, Kathy?«, fragte ich leise.

»Ich …«

Sie fletschte ihre spitzen Zähne.

»Ich … warne euch! Verschwindet von hier, sonst werdet ihr tatsächlich sterben.«

Ich spürte ihren Konflikt. Kathy war nicht wie Nataly. Sie kämpfte mit sich, schien keine Freude am Leben der Ylors zu haben. Das bildete ich mir nicht ein. Es war kein Wunschdenken. Kathy zögerte mit ihrer Drohung. Sie wollte uns nicht töten.

»Jonathan?«, hauchte Nataly. »Es gäbe noch eine Chance für uns. Lass mich dich beißen. Ich mache dich zu einem Ylors und meinem Lustsklaven. Was meinst du?«

Andrews blickte Natalia mit nassen Augen an.

»Dann ist es also wirklich vorbei! Ich habe dich geliebt, doch das war dir nicht genug. Du bist vergiftet. Die alte Nataly würde dieses Leben nicht wollen. Aber ich werde dich erlösen, dich entweder kurieren oder deiner Seele den Frieden schenken.«

Jonathan zog sein Caritschwert, zu allem entschlossen. Ich gab Elyn ein Zeichen. Sie schoss auf Natalia mit Paralysestrahlen, doch ein Schutzschirm wehrte die Salve ab. Elyn zielte nun auf Kathy, die in die Höhe sprang, einen Salto machte und hinter Elyn auftauchte. Sie schlug ihr die Waffe aus der Hand und packte sie am Hals. Mühelos hob Kathy die Alyske hoch.

»Ich konnte dich dämliche Tussi noch nie leiden. Wie einfach wäre es, dir jetzt das Genick zu brechen.«

Elyn versetzte Kathy einen Tritt in den Magen. Hustend ließ sie die Alyske los, die umgehend den Schutzschirmgenerator an Kathys Gürtel herunterriss.

Nun griff Natalia an. Sie stürzte sich auf Jonathan. Kathy trat Elyn gegen den Kopf. Die Alyske blieb benommen liegen. Ich zog meinen Strahler und richtete ihn auf Kathy, um sie zu paralysieren. Sie griff in die Erde und warf mir den Dreck ins Gesicht. Kurz war ich blind. Kathy rannte in den Wald.

Nataly kämpfte mit Gal’Arn und Jonathan. Ich war mir sicher, dass sie mit dem Drachen fertig werden würden. Also folgte ich Kathy in den Wald. So schnell ich konnte, rannte ich ihr hinterher.

*

Zwischen den Bäumen war es finster. Es gab keine Spur von Kathy. Langsam ging ich weiter, so bemüht wie möglich, keinen Lärm zu machen.

»Ich kann dich sehen. Du mich auch?«

Kathy! So sehr ich mich anstrengte, ich konnte sie nirgendwo sehen.

»Wir müssen reden! Dir sind schreckliche Dinge widerfahren. Ich will dir helfen …«

Irgendwie hatte ich mir das Wiedersehen mit ihr anders vorgestellt. Aber was hatte ich erwartet? Dass sie mir als Ylorsbraut um den Hals fallen würde? Dies würde wohl nur geschehen, wenn sie mich beißen wollte.

»Wo warst du, als ich deine Hilfe brauchte, Liebster? Als ich von Medvecâ und Natalia qualvoll zu Tode gefoltert wurde? Du hast mich bitter enttäuscht!«

Ja, das hatte ich in der Tat. Ich hätte auf Kathy aufpassen sollen, doch immer wieder waren wir getrennt worden. Sie hatte Schreckliches durchlitten. Es wäre ihr alles nicht passiert, wenn wir kein Paar gewesen wären.

Natürlich gab ich mir die Schuld an ihrem Leid. Ich liebte sie und es quälte mich furchtbar, was mit ihr geschehen war.

Nein! Ich durfte nicht in Melancholie verfallen. Das wollte sie doch nur. Ich musste mir in Erinnerung rufen, dass sie eine Ylors war. Ihr Körper und Geist waren im Moment vergiftet.

»Ich kann dies nicht mehr ungeschehen machen, so leid es mir tut. Ich kann aber dafür sorgen, dass wir doch noch ein schönes Leben zusammen haben werden. Es gibt ein Mittel von den Alyskern. Es kann dich heilen und wieder zu einer Terranerin machen.

Du willst doch gar nicht diesen Albtraum leben!«

Stille!

Dann hörte ich ein Rascheln hinter mir. Ich drehte mich um, als Kathy aus dem Gebüsch sprang und zwei Meter vor mir stand.

»Mein ganzes früheres Leben war ein Albtraum! Ich hatte es nie zu etwas gebracht, war eine drogensüchtige Tresenschlampe, eine psychopathische Agentin von MODROR und schließlich das ungeliebte fünfte Rad am Wagen. Ich musste ein Horrorabenteuer nach dem anderen überstehen. Und das letzte war wirklich zu viel.«

Ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Ihr einfach das Mittel injizieren? Sie war als Ylors bedeutend stärker als ich. Es würde sehr schwer werden. Vielleicht konnte ich sie aber auch mit Worten überzeugen. Schließlich liebte ich sie – und doch war sie in diesem Moment meine Feindin.

»Nicht ich habe dir das angetan. Es war Medvecâ! Und ihm willst du jetzt dienen? So werden wie er? Unschuldige Wesen töten und ihr Blut trinken? Das willst du doch nicht!«

Sie fauchte mich an.

»Was weißt du schon? Ich bin jetzt eine starke, unabhängige Frau. Ich bin nicht mehr die labile Tussi von einst. Medvecâ hat mich stark gemacht. Dafür bin ich ihm zu Dank verpflichtet.«

Diesen Schwachsinn konnte sie doch wohl unmöglich glauben! Medvecâ hatte sie ermordet!

»Als Ylors bin ich Teil eines ganzen Volkes. Ich fühle es, höre es in meinen Gedanken. Ich bin nicht mehr allein und einsam. So wie ich es oft war, als wir zusammen waren.«

»Und so stellst du dir dein Leben vor? Als Grufti durch die Wälder des Rideryons streifen, töten, Blutorgien feiern und für Angst und Schrecken sorgen? Das ist ja ganz toll!

Meine Kathy hatte Ideale. Deshalb hast du dich doch für die ganzen Abenteuer entschieden. Weil ein gutes Herz in deiner Brust schlägt. Wir wollten irgendwann eine Familie gründen. Du wolltest Kinder haben und sie nicht fressen!«

Kathy wandte sich von mir ab. Sie ging um mich herum, wirkte nervös und angespannt.

»Das ist vergangen. Meine neue Rolle ist die einer Ylors. Gib mich auf, Aurec!«

»Das kann ich nicht!«

»Zwing mich nicht, dich zu töten. Du ahnst nicht, wie stark der Drang ist, von deinem Blut zu kosten. Ich höre Medvecâs Stimme fortwährend in meinem Kopf. Er sagt, ich soll dich töten.«

»Das wirst du nicht tun. Ich spüre, dass du dich dagegen wehrst. Kathy, ich liebe dich und ich will dich von ihm befreien. Es ist noch nicht zu spät.«

Kathy sprang auf mich zu und schlug mir ins Gesicht. Sie war stark, viel stärker als ich. Ich fiel zu Boden.

»Sieh es endlich ein! Ich bin eine Ylors! Eine Auserwählte von Fürst Medvecâ! Noch habe ich kein Wesen für Blut getötet. Doch du könntest der Erste sein. Und damit würde ich mein altes Leben endgültig begraben. Passend, oder?«

Ich rappelte mich langsam auf. Offenbar war es mit Worten doch nicht zu regeln. Ich ging zu ihr und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Es tat mir schrecklich leid. Kathy taumelte, erholte sich aber zu schnell. Sie versetzte mir einen Tritt in die Seite. Ehe wir uns versahen, waren wir in einen Kampf verstrickt.

Innenillustration: Katharina und Aurec auf dem Rideryon von Gaby Hylla
Katharina und Aurec auf dem Rideryon © Gaby Hylla

Kathy wurde immer aggressiver. Sie schien in einen Rausch zu verfallen. Ich packte sie und warf sie zu Boden. Wir rangen miteinander. Sie gewann die Oberhand und saß auf mir. Ihre Augen waren rot unterlaufen und funkelten in grenzenloser Gier. Sie drückte meine Arme auf den Boden und kreiselte ihr Becken über meine Intimzone. Sie stöhnte lustvoll auf.

Ihre Zunge fuhr über meinen Mund.

»Es ist wie ein endloser Rausch. Nur viel schöner! Das Dasein eines Ylors hat auch seine Vorteile. Teile sie mit mir. Genießen wir es zusammen. Dann können wir Medvecâ vom Thron stürzen und selbst herrschen.«

»So ambitioniert kenne ich dich gar nicht. Doch ich kann und will dir nicht auf diesen Weg folgen.«

Sie machte einen Schmollmund und blickte auf mich herab.

»Zu schade! Dann muss ich dich jetzt töten!«

»Du wirst mich nicht töten. Das kannst du nicht. Ich spüre deinen Konflikt!«

Kathy entblößte ihr Gebiss. Die spitzen Zähne waren dolchscharf. Sie beugte sich zu mir herab. Ich spürte ihren kalten Atem. Ihre Zähne kamen meinem Hals immer näher.

Ich riss eine Hand los und versetzte ihr einen Kinnhaken. Kreischend fiel sie zur Seite. Hastig nahm ich die Injektionsspritze, doch sie war schneller und schlug sie mir aus der Hand.

»Hab keine Angst, ich bin sehr sanft zu dir, während ich dir dein Blut aussauge. Es ist nicht die erste Körperflüssigkeit von dir, die ich aufnehme.«

Sie lachte laut. Dann wollte sie zubeißen, doch ich hielt meinen Arm dazwischen. Sie biss hinein. Es tat höllisch weh, als ihre Zähne mein Fleisch durchbohrten. Gierig sog sie an meinem Blut, nuckelte an meinem Arm und zitterte am ganzen Körper.

Ich versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. Kathy war völlig im Rausch, stöhnte in Ekstase, während sie trank. Dann setzte sie ab. Ihr Mund war von meinem Blut verschmiert. Sie atmete schnell. Mit ihrer Zunge leckte sie das Blut von ihren Lippen.

»Ich hoffe, es hat dir geschmeckt. Es wird wohl das letzte blutige Mahl für dich gewesen sein.«

Sie sah mich verständnislos an. Kathy wollte aufstehen, doch sie purzelte nach hinten. Wieder versuchte sie, sich zu erheben, doch ihre Knie gaben nach und sie fiel auf den Boden.

»Was …«

Nun fing sie an zu zittern.

»Du … Gift …«

Kathy hatte von meinem Blut getrunken, in welchem das Serum der Alysker floss. Elyn hatte mir vor wenigen Stunden eine Dosis verabreicht, sollte ich gebissen werden. Es war ein schmerzhafter Weg für mich, Kathy so den Impfstoff zu injizieren, aber das war mir gleich.

Meine Wunde schmerzte, und ich verband sie notdürftig. Kathy lag auf dem Boden und zitterte wie Espenlaub. Sie schwitzte und fror zugleich. Ein Entzug auf die härteste Art und Weise. Ich wusste nicht, was das Serum mit ihr anstellte, doch sie tat mir unendlich leid.

Ich zog sie zu einem Baum, setzte mich hin und lehnte mich dagegen. Behutsam legte ich ihren Kopf auf meine Brust und umarmte sie. Sie konnte kein Wort sagen. Sanft fuhr ich durch ihr nasses Haar. Ich betete zu allen heiligen Wesen, dass das Mittel Erfolg haben würde.

*

Ich musste für eine Weile eingenickt sein. Meine Knochen schmerzten, wie auch meine Wunde am Arm. Ich fühlte mich schwach, was sicher an dem Blutverlust lag.

Kathy schmiegte sich an mich und schlief tief und fest. Sie war ganz durchgeschwitzt und blasser denn je. Es war immer noch dunkel. Wollte ich zu den anderen zurück? So seltsam es war, ich genoss diese Momente, denn endlich war Kathy wieder bei mir. Wir befanden uns zwar in einem finsteren, kalten Wald, aber sie hier bei mir zu spüren war schön und gab mir Kraft.

Ich gewann die Hoffnung zurück, dass sich doch alles zum Guten wenden würde. Sie würde wieder gesund werden! Da war ich mir sicher! Sofern ihr Körper den Entzug überstand.

Im Moment atmete sie gleichmäßig und ruhig. Es schien ihr den Umständen entsprechend gut zu gehen. Niemals würde ich sie mehr allein lassen. Diesmal würde ich besser auf sie aufpassen.

Langsam hellte es sich auf. Vielleicht war es doch besser, sich mit den anderen in Verbindung zu setzen.

»Glaubst du wirklich, du und deine Kumpane könnten mir meine Bräute stehlen?«

Ich zuckte hoch. Wer war das? Behutsam legte ich Kathys Kopf auf den Boden und stand auf. Ich zog meinen Strahler, doch niemand war zu sehen.

»Unzählige Kreaturen haben versucht, mich zu töten. Die Gräber sind voll von ihnen.«

Aus der Luft landete ein fledermausartiges Wesen auf den Boden. Es verwandelte sich in einen stattlichen Mann, der keiner Vorstellung bedurfte. Fürst Medvecâ!

»Katharina und Natalia sind mein Eigentum. Übergib sie mir kampflos, und du wirst einen schnellen Tod haben.«

Ich lachte.

»Nicht gerade ein sehr schmackhaftes Angebot. Außerdem bist du es gewesen, der mir meine Frau gestohlen hat. Ich hole sie mir nur zurück.«

Ich zog ebenfalls mein Schwert. Energiestrahler würden vermutlich nicht viel helfen. Aber vielleicht konnte man das Monstrum ja in kleine Stücke hauen. Wenn ich daran dachte, was Medvecâ Kathy alles angetan hatte, war ich bereit, über meine Ethik und Moral hinwegzuschauen und diesen Ylors zu töten!

»Du bist ein Nichts! Du hast auf nichts Anrecht und darfst froh sein, überhaupt zu leben. Eine Ameise, ein winziges Staubkorn im Universum. Du maßt dir an, mich, Fürst Medvecâ, herauszufordern?«

»Nun, ich gebe dir noch eine Chance. Verschwinde, und ich werde dein Leben schonen.«

Medvecâ lachte schallend.

»Du bist entweder sehr mutig oder ein Narr! Ich bin der Herr des Rideryons! Selbst wenn du entkommen kannst. Ich werde dich finden. Du wirst jeden Tag und jede Nacht in Angst leben, dass ich entweder dich oder Katharina töten werde.«

»Nicht, wenn ich dich vorher vernichte!«

»Und wie willst du das anstellen? Ich bin schon tot.«

»Alles ist vergänglich.«

Ich aktivierte meinen Notrufsender. Sofern Gal’Arn, Jonathan und Elyn mit Nataly fertig geworden waren, würden sie bald zu Hilfe kommen. Ich musste nur etwas Zeit gewinnen.

»Welche Rolle spielen die Ylors eigentlich?«

Medvecâ schmunzelte überlegen.

»Den entgegengesetzten Part zu den Alyskern, nehme ich an. Wir beherrschen das Rideryon. Auch ein Relikt der Vergangenheit wie Nistant wird dies nicht ändern können. Welches Ziel wir oder das Rideryon haben? Nein, nein, nein! Solltest du wider Erwarten fliehen, wäre diese Information zu wertvoll.«

In diesem Moment stabilisierte sich die TERSAL über den Baumkronen. Gal’Arn und Jonathan Andrews materialisierten mit dem Mausbiber Kalky vor Medvecâ. Kalky verschwand, um nur Sekunden später wieder mit Elyn zu erscheinen.

»Noch mehr abscheuliche Menschen«, sagte Medvecâ abfällig. »Natalia ist euch also entkommen. Wie bedauerlich für euch. Besonders für dich, Jonathan Andrews. Sie hat mir so viel Langweiliges über dich berichtet.«

Gal’Arn hielt Andrews zurück. Medvecâ wollte ihn doch nur provozieren.

»Fürst der Ylors, die Geschütze der TERSAL sind auf dich gerichtet. Ein einziger Schuss mit dem Desintegrator reicht aus, um deine Regentschaft zu beenden«, drohte Gal’Arn.

Medvecâ schien unbeeindruckt zu sein.

»Haltet ihr mich für so töricht?«

Plötzlich tauchten drei Raumschiffe am Himmel auf und eröffneten sofort das Feuer auf die TERSAL. Medvecâ reagierte blitzschnell und stürzte sich auf Andrews. Er entwaffnete ihn und warf ihn gegen einen Baum. Gal’Arn duckte sich unter den Hieben des Ylors weg. Ich schoss auf Medvecâ, doch er wich aus, verwandelte sich in ein Fledermauswesen und flog auf mich zu. Ich warf mich zu Boden, um wegzurollen.

Nun stürmten weitere Ylors aus allen Ecken des Waldes heran. Ich erkannte Nataly. Elyn streckte zwei nieder, doch es wurden immer mehr. Die TERSAL stürzte brennend ab. Dichter, schwarzer Rauch stieg von der Absturzstelle empor.

Ich nahm mein Interkomgerät und warf es Kalky zu.

»Nimm Kathy und Elyn! Verschwindet hier.«

Der Mausbiber teleportierte zu Kathy. Elyn wollte zu ihr rennen, doch Natalia stürzte sich auf sie.

»Weg hier«, rief Aurec.

Der Mausbiber tat wie befohlen, nahm die bewusstlose Kathy und verschwand.

Es waren zu viele. Sie hatten uns umstellt. Ich gab Gal’Arn ein Zeichen. Wir ließen die Waffen fallen.

Jonathan rappelte sich langsam wieder auf. Ein Ylors trat ihm in den Magen. Gal’Arn kümmerte sich um seinen Ritterschüler. Beide sahen besorgt in die Richtung, wo die TERSAL abgestürzt war. Sie waren bestimmt in Sorge um Jaktar.

Elyn blutete am Kopf, aber sie hielt sich auf den Beinen. Wir waren nun von den Ylors umringt. Dass es so zu Ende ging, hätte ich nicht angenommen.

»Waren die Parafallen aktiviert?«, wollte Medvecâ von einem Ylors wissen.

»Parafallen? Ich …«

Medvecâ stieß einen Schrei voller Wut aus, nahm ein Schwert und enthauptete den Ylors. Ich jubelte innerlich, denn damit waren Kathy und Kalky gerettet.

»Töten wir sie jetzt«, rief Natalia. »Ich will Jonathans Herz. Er hat doch immer gesagt, es gehört sowieso mir.«

Sie leckte sich über die Lippen.

»Nein! Ich kenne jemanden, der begeistert sein wird, wenn wir diese Gefangenen lebend zu ihm bringen«, sagte Medvecâ und lachte. »Bringt sie in die Burg. Wir werden Cau Thon informieren.«

Cau Thon!

Wir waren zwar noch am Leben, aber das war wohl nur noch eine Frage der Zeit. Unsere einzige Hoffnung ruhte jetzt auf Kathy und Kalky.

Das Problem Rideryon

Cauthon Despair, 8. Mai 1308 NGZ

Emperador de la Siniestro hatte mich in meiner Eigenschaft als Quarteriumsmarschall zu einer geheimen Konferenz eingeladen. Anwesend waren außer mir noch der dorgonische Kaiser Volcus I., dessen rechte Hand Kruppus und der Quarteriumsfürst Leticron.

»Meine Herren, das Riff stellt uns vor ein Problem. Insbesondere Kaiser Volcus ist nicht gewillt, den Asylanten vom Rideryon Territorien zu schenken«, eröffnete de la Siniestro nach einer knappen Begrüßung die Diskussion.

Das konnte ich mir vorstellen. Volcus wollte bestimmt nicht teilen. Ich verabscheute diesen widerlichen Kerl. Wenn ich nur daran dachte, dass er sich mit Constance vergnügt hatte, wurde mir schlecht.

»Nistant macht auf mich einen vernünftigen Eindruck. Wir sollten uns nicht einmischen. Erinnert euch an die Worte von Cau Thon«, wandte ich ein.

Volcus lächelte von oben herab.

»Das dorgonische Reich hat seine eigenen Interessen und ist MODROR keine Rechenschaft schuldig.«

»Kaiser Commanus dachte kurz vor seinem Tod genauso«, entgegnete ich kalt.

Volcus’ Lächeln gefror sofort.

»Cau Thon sagte uns, dass das Riff sein Ziel erreichen soll. Dies ist nicht Siom Som. Vielleicht könnten wir den Austausch verhindern und das Riff zum Sternenportal eskortieren. Ist es erst einmal hindurch, sind wir das Problem los«, meinte Leticron.

»Ein vernünftiger Vorschlag«, stimmte de la Siniestro zu. »Und wie stellen wir das an?«

Volcus gewann sein souveränes Grinsen wieder zurück.

»Indem wir es besetzen. Nach allem, was wir wissen, ist es uns technologisch unterlegen. Nistants Raumschiff STERNENMEER wird sich nicht gegen Tausende von Schlachtschiffen behaupten können. Wir werden vor Ort einfach Sorge tragen, dass kein Austausch stattfindet.«

Mir gefiel der Plan nicht. Ich mahnte zur Vorsicht und riet zur Passivität. Doch die anderen waren in ihrer Angst um den Verlust von hundert Welten und deren Bevölkerung so blind, dass sie meinen Argumenten kein Gehör schenkten.

Volcus lächelte milde.

»Wir dürfen nicht passiv bleiben. Passivität bedeutet Stillstand. Und Stillstand ist eine Sünde.«

»Außerdem sind Aurec und seine Kumpane bereits auf dem Riff. Sie sind im Vorteil. Was immer auch die Aufgabe des Riffs darstellt, es ist sehr mächtig. Stellt euch mal vor …«, Leticron stockte und blickte vielsagend in die Runde, »wenn wir die Kontrolle darüber hätten …«

Der Emperador lehnte sich zurück. Volcus I. und Kruppus starrten einander fragend an.

»Die Ylors könnten mächtige Verbündete sein«, meinte der Corun weiter. »Sie sind offenbar keine Freunde von Aurec und Nistant. Das macht sie doch automatisch sympathisch, oder?«

Volcus lachte.

»Meine Herren, ich sehe, wir verstehen uns gut. Nur euer silberner Blechkastenmann scheint betrübt zu sein. Keine Sorge, das Hexchen ist nach einem Stelldichein zu ihrem Lydkor zurückgekehrt. Aber ich habe gehört, du hast eine neue Flamme? Diese Pyla? Hm, ich mag ja Blondinen sehr. Sie wird die Nächste auf meiner Liste sein.«

Ich stand auf und zog mein Schwert.

»Despair, es ist genug!«, rief der Emperador. »Volcus ist unser Verbündeter. Vergessen Sie das nicht.«

»Wie Sie wünschen«, brummte ich und nahm wieder Platz, nachdem ich das Schwert geräuschvoll zurück in die Scheide gesteckt hatte. Volcus wusste genau, wie er mich provozieren konnte.

Der dorgonische Kaiser erhob das Glas.

»Wir bilden also ein dorgonisch-quarteriales Riffkorps. Diese Schutztruppe soll den Durchflug des Riffs sichern, aber auch für das Wohl der Kolonien sorgen. Wir warten ab, wie sich die Dinge entwickeln. Wenn das Riff nett ist, nehmen wir es!«

Leticron, Kruppus und der Emperador erhoben ihre Gläser und stießen mit dem Kaiser an.

»Ich habe mir erlaubt, die schönsten dorgonischen Nymphen aus M 100 nach Som fliegen zu lassen. Sie stehen euch gerne zur Verfügung«, schlug Volcus vor.

»Ich nehme euer Angebot dankend an«, erwiderte der Emperador lüstern. Auch Kruppus freute sich. Selbst Leticron hegte keinen Einwand gegen Volcus’ Vorschlag.

Ich musste an Pyla denken. Er würde es nicht wagen, sich an ihr zu vergehen!

»Och, der Despair guckt aber traurig. Mit den Gedanken schon bei deinem Blondchen, nachdem dir das Hexchen den Korb gegeben hat? Keine Sorge, ich werde ihr geben, was du ihr niemals geben kannst, mein silberner Freund!«

Kruppus lachte hysterisch los.

»Da geht es richtig zur Sache, wie bei der Hexe. Rumsbums! Sie hat geschrien vor Freude. Sie ist eigentlich noch ein ziemlich unfertiges Mädchen, unreif und gar nicht wie eine Dame. Naja, für das eine reicht es ja.«

Wieder lachte er. Dieses feiste, in Seide gekleidete Stück Dreck weckte in mir meine alten Hassgefühle. Wie konnten sie es wagen, so über diese beiden bezaubernden Geschöpfe zu reden? Es reichte mir jetzt. Ich packte Kruppus und hob den Fettsack in die Höhe.

»Gleich ob Verbündeter oder nicht, offenbar fehlt es Ihnen mir gegenüber an Respekt. Sie sind ersetzbar. Beide! Reizen Sie mich nicht zu sehr. Ich habe schon eine dorgonische Regierung ausgelöscht und zögere nicht, es noch einmal zu tun!«

»Genug, Despair. Lassen Sie ihn los. Er hat die Lektion gelernt und entschuldigt sich«, sagte der Emperador.

Langsam ließ ich Kruppus wieder auf den Boden herab. Sein Gesicht war hochrot.

»Dieser Despair ist ein Psychopath, du solltest ihn besser einsperren, Don Philippe«, meinte Volcus.

»Ich bitte das Verhalten meines Quarteriummarschalls zu entschuldigen. Ich verstehe nicht, wieso Sie so reagieren, Despair! Constance ist eine Hexe, unsere Feindin und offenbar eine kleine Nymphe. Pyla ist als ein primitives Bauernmädchen ohne Klasse. Vergessen Sie nicht, wer Ihre Freunde sind. Und nun gehen Sie!«

Der Emperador verwies mich tatsächlich des Raumes. So etwas war mir in all den Jahren noch nie passiert. Ich diente Siniestro seit elf Jahren treu, war sein loyalster Paladin, und nun das! Volcus und Kruppus lachten laut, während der Emperador nach Wein und Weibern fragte.

Nur Leticron hatte sich zurückgelehnt und schien mich genau zu sondieren. Meine Hand krampfte sich um den Griff des Carit-Schwertes, doch die brennenden Augen des Überschweren paralysierten mich förmlich, bevor er mich schließlich freigab. Leticron hatte seine Para-Fähigkeiten eingesetzt. Seine anschließende Geste war wohl nur mir verständlich. Nicht jetzt!

Ich drehte mich um und begab mich zum Ausgang. Die Schmach war schwer zu ertragen.

Ich fühlte mich einsamer denn je.

Die Eroberung des Resif-Sidera

Aus den Chroniken Cartwheels

Die Ereignisse überschlugen sich Anfang Mai 1308 NGZ.

Während Aurec, Jonathan Andrews, Gal’Arn und die Alyske Elyn sowie die IVANHOE II mit namenhaften Größen im Riff verweilten, um mehr Informationen zu sammeln und um meine Nichte Nataly und Kathy Scolar zu finden, hatte Kaiser Volcus in einer Rede an die Bevölkerung für einen Paukenschlag gesorgt.

Er hatte angekündigt, dass ein dorgonisch-quarteriales Korps noch in diesem Monat zum Riff aufbrach, um sicher zu gehen, dass kein Austausch stattfand.

Er lehnte Nistants Angebot ab, bot ihm jedoch mit allem Großmut an, unbehelligt zum Sternenportal nach Som-Ussad fliegen zu dürfen. Dort sollte das Rideryon unverrichteter Dinge zur nächsten Galaxie fliegen.

Es bleibt abzuwarten, ob er tatsächlich die Rideryonen davon überzeugen kann. Nur eine Stunde nach Volcus’ Ankündigung hatte Sam erklärt, dass auch die estartische Föderation, die Saggittonen, Entropen und Terraner ein Korps bilden werden, um die Aktionen der Dorgonen und Quarterialen zu überwachen.

Dieses ganze Szenario erinnerte mich an eine alte terranische Geschichte aus dem 20. Jahrhundert, als die damaligen Nationen in das große, weite Land China einfielen und es besetzten. Es endete damals in einem blutigen Aufstand.

Wir besaßen nur spärliche Informationen über das Riff. Niemand wusste wirklich, was uns dort erwartete. Dennoch schien eine gewisse Gefahr von dem Rideryon auszugehen. Die Ylors griffen immer häufiger an. Offenbar steckte der Fürst der Ylors Medvecâ dahinter.

Wir hatten zwar im Moment einen wackeligen Frieden, doch ich fürchte, dass das Rideryon die Flamme des Krieges neu entzünden wird.

Jaaron Jargon

Eine verlorene Seele

Das Licht brannte wie Feuer auf ihrer Haut. In ihrem Inneren loderte eine alles verzehrende Flamme. Sie glühte und fror zugleich. Ihr Körper war zu schwach, um sich dagegen wehren zu können. Ihre Gedanken waren im Nirgendwo, begleiteten bizarre Geschichten.

Und da war der Drang. Der Durst nach Blut. Frischem, süßem Blut. Ihr würde es bestimmt besser gehen, wenn sie erst einmal davon kostete. Sie würde dann nicht mehr von innen heraus verbrennen.

Wo war ihr Fürst? Wo war er nur? Sie öffnete langsam die Augen.

»Medvecâ?«, hauchte sie atemlos.

»Spinnst du, Alte?«

Im nächsten Moment klatschte ihr Gegenüber ihr mit seiner Hand gegen die Wange. Instinktiv riss sie Augen auf, um sie stöhnend gleich wieder zu schließen, als die Sonne sie blendete.

Sie startete einen zweiten Versuch. Diesmal blinzelte sie, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen.

Da stand ihr Peiniger nun vor ihr. Es war nicht Medvecâ. Und es war nicht Aurec.

Oh, Aurec, seufzte sie traurig in Gedanken. Sie hatte von ihm gekostet. Er hatte es mit sich geschehen lassen und dann war etwas Seltsames passiert. Seitdem hatte sie große Schmerzen und schien sich zu verändern. Sie fühlte sich so schwach. Wie in den Tagen bevor sie starb und zur Ylors wurde. Es war so, als würde sie diesen Horror nochmal durchleben.

»Hey, Prinzessin! Lebst du noch? Zigarette?«

Mühsam richtete sie ihren Oberkörper auf und lehnte sich gegen einen großen Stein. Jetzt erkannte sie endlich ihr Gegenüber. Sein filziger Pelz schimmerte fettig in der Sonne.

»Kalky …«

Er grinste.

»Ja, zwar nicht der Retter des Universums, aber zumindest der Retter von Kathy Scolar.«

»Katharina ist mein Name …«

»Nö, da sagt Aurec aber was anderes. Ich kenne dich auch nur als die heiße Kathy, die mir die Sprache ihres Volkes gelehrt hat. Katharina ist eine böse Hexe, die im Begriff ist zu gehen.«

Kathy verstand noch nicht so richtig. Die Schmerzen und das Unwohlsein waren zu groß, um klar denken zu können. Und sie hatte so einen großen Durst. Sie sah sich um, fand auf Anhieb aber keine Tiere, deren Blut sie hätte aussaugen können.

»Du bist auf Entzug. Das geht vorbei. Entweder schaffst du es, oder es tötet dich, hat die Frau mit den spitzen Ohren gesagt.«

Elyn? Die war auch hier? Kathy erinnerte sich kaum an die letzten Stunden. Sie hatten die Ylorsjäger gejagt. Aurec! Ja, Aurec war auch dabei gewesen. Sie hatte ihn wirklich gebissen! Aber wieso? Warum hatte sie so etwas Schreckliches getan?

Aber es musste doch sein, denn er war ein Ylorsjäger. Er und Gal’Arn, Jonathan und Elyn. Sie wollten Natalia und sie selbst fangen, sie wollten sie vergiften, damit sie wieder zu primitiven, dumpfen Menschen wurden.

Aurec hatte sie in einen Wald verfolgt und mit ihr gesprochen – er hatte sich Mühe gegeben – sie wollte ihn nicht töten, sie liebte ihn doch noch irgendwie – aber er durfte auch Medvecâ und den Ylors nicht schaden, sie waren ihre Familie – waren sie doch? – Sie hatten sie getötet.

Was war nur geschehen? Sie hatte Aurec gebissen und dann die Besinnung verloren. Vorher wollte er ihr etwas injizieren, vermutlich das Gift. Es war ihm misslungen und dennoch ging es ihr so schlecht. Und der Mausbiber! Er hatte gesagt, Katharina würde bald gehen. Sie sei auf Entzug!

Oh, jetzt begriff Kathy! Das Serum war in Aurecs Blut gewesen. Als sie davon getrunken hatte, wurde sie automatisch infiziert.

Das bedeutete doch Hoffnung für Kathy, die Terranerin! Sie könnte wieder so werden wie früher! Aber Katharina, die Ylors? Sie würde sterben. Die mächtige, selbstbewusste Frau würde für immer fort sein.

»Sie war eh ein Miststück«, murmelte Kathy laut.

»Was?«

»Oh … mir ist schlecht. Wie war das mit der Zigarette?«

Kalky gab Kathy die Schachtel. Es war die Marke von Jonathan. Hastig steckte sie sich eine Kippe an. Vielleicht half die eine Droge über die andere hinweg? Aber davon wurde ihr noch übler. Lieber rauchen als Blut trinken, dachte sie.

Was war aus Natalia geworden? Was war überhaupt aus allen geworden? Wo waren sie?

»Kalky, was ist passiert?«

»Medvecâ hat sie alle. Er hat auch das silberne Himmelsboot abgeschossen. Aurec hat mir diesen Kasten gegeben und gesagt, ich soll mit dir und der Frau mit den spitzen Ohren losteleportieren. Aber sie wurde überwältigt.«

Kathy hatte wohl einiges während ihres Schlafes verpasst. Das Himmelsboot aus Silber? Die TERSAL!

Kathy sah in der Ferne Rauchschwaden aufsteigen. Sie erschrak. Kalky nahm ihre Hand.

»Teleportieren wir dorthin. Vielleicht …«

Sie rappelte sich mit zitternden Knien auf und schwankte mehr als sie stand. Sie fühlte sich richtig mies.

Kalky nahm sie bei der Hand, und schon standen sie vor dem Wrack der TERSAL. Doch sie waren nicht allein. Der Ghannakke Jaktar kniete mit den Händen über dem Kopf im Gras, umringt von drei Ylors.

»Katharina«, bemerkte einer der Ylors.

Wer? Ach, das war sie ja irgendwie. Mit wackeligen Schritten ging sie auf den Hauptmann zu.

»Hallo …«

Ihr wurde plötzlich so schlecht. Sie erbrach sich direkt vor dem Ylors. Schwankend und mit halb geöffneten Augen wischte sie sich die Reste vom Mund.

»Mir geht’s gut … ihr … ihr habt einen Gefangenen gemacht?«

Der Ylors blickte sie abfällig an.

»Nun antworte schon«, zischte Kathy.

»Ja, die Kreatur hat den Absturz überlebt. Wir wollten ihn zum Fürsten bringen.«

Sie winkte ab und wäre bei der Geste beinahe hingefallen.

»Nee, ich kümmere mich um ihn. Ich habe großen Durst. Werde den Esel und den fetten Biber erst einmal fressen. Der Kampf mit Aurec war anstrengend. Ihr dürft gehen …«

Doch die drei Ylors blieben. Offenbar trauten sie ihr nicht so ganz. Sie verharrten in ihrer Pose. Oh nein, sie kommunizieren telepathisch mit Medvecâ!

Kathy nahm alle Kraft zusammen und trat dem Hauptmann in seine Männlichkeit. Bevor er noch zu Boden fiel, nahm sie seinen Strahler und schoss die beiden überraschten Ylors nieder. Dann packte sie Kalky und stützte sich auf ihm.

»Bring uns hier weg …«

Der Ilt legte seine Hand auf Jaktar, und sie waren wieder an dem Ort, wo sie aufgewacht war.

Kathy sackte erschöpft zu Boden. Das war alles etwas zu viel für sie. Doch sie konnte sich nicht ausruhen, denn Aurec und die anderen waren Gefangene von Medvecâ. Das bedeutete, sie waren in größter Gefahr.

»Jaktar …«, keuchte sie schwach.

Der eselsköpfige Orbiter von Gal’Arn beugte sich über sie.

»Vielen Dank für die Rettung. Die TERSAL ist nur noch Schrott. Es wird sicher eine ganze Weile dauern, sie zu reparieren, wenn es überhaupt geht. Gal’Arn, Johnny, Elyn und Aurec sind wohl gefangen genommen worden? Aber immerhin hat Aurecs Plan wohl funktioniert. Du bist wieder bei uns!«

Kathy hustete benommen. Sie kramte das Interkomgerät aus ihrer Tasche, welches Kalky ihr vor wenigen Minuten gegeben hatte.

»Ich hoffe, jemand hört den Funkspruch?«

»Die IVANHOE ist unweit von uns entfernt. Doch ich befürchte, dass die Feinde mithören.«

Medvecâ würde sicherlich den Funkverkehr abhören, da er im Besitz der Interkomgeräte von Gal’Arn, Elyn und Jonathan war. Sie fürchtete, dass er sie vielleicht auch noch fühlte.

Ganz recht, Katharina! Ich weiß, wo du bist. Du kannst mir nicht entkommen. Du gehörst zu mir! Wirst du nicht freiwillig kommen, werde ich Aurec so lange foltern, bis du wieder an meiner Seite bist.

Nein!

»Es ist egal. Er weiß, wo wir sind. Funke die IVANHOE an, sie sollen uns abholen. Schnell!«

Jaktar stellte eine Verbindung her. Admiral Xavier Jeamour antwortete persönlich. Kathy hörte nur mit einem Ohr zu. Sie spürte, dass die Ylors näher kamen.

»Eine Space-Jet mit Wallace ist bereits auf dem Weg zu Ihnen. Wir haben den Absturz der TERSAL registriert. Die Space-Jet sollte …«

In diesem Moment tauchte das Raumschiff vor ihnen auf. Doch auch die Ylors schnellten aus dem Wald.

»Teleportiere uns da rein!«, rief Kathy und packte Kalky und Jaktar. Kalky gelang der Sprung in die Space-Jet. Kathy taumelte und suchte sich einen Platz.

Die Besatzung der Space-Jet bestand aus Mathew Wallace, Irwan Dove und dem Posbi Lorif.

»Kathy, was ist geschehen? Bist du in Ordnung?«, fragte Mathew und legte ihr freundschaftlich die Hand auf die Schulter. In diesem Moment musste sie sich erneut übergeben. Leider direkt auf Wallaces Hose.

»Tschuldigung …«

»Tolle Nummer«, meinte Wallace und wischte sich die unappetitliche Suppe vom Hosenbein.

Obwohl sie am liebsten sofort in ein Koma fallen würde, damit diese Übelkeit und die Schmerzen endlich aufhörten, wusste sie, dass sie nicht viel Zeit hatten. Sie packte Mathew am Hemd.

»Wir müssen Aurec befreien. Sofort. Sonst haben wir keine Chance mehr und sie sind verloren!«

»Aber wie?«

»Ich … kenne die Pläne der Burg von Medvecâ. Der Gefängnistrakt ist mit Parafallen und Schutzschirmen abgesichert. Die Generatoren befinden sich zwei Kilometer südlich vom Gefängnis.

Die IVANHOE könnte doch …«

Mathew grinste.

»Verstanden!« Er schwang sich auf seinen Sessel und wandte sich an den Posbi Lorif.

»Wie kann man einen Schutzschirmgenerator am besten deaktivieren? Der wird doch auch geschützt sein?«

»Da der Generator zwei Kilometer vom Trakt entfernt liegt, liegt er versteckt im Erdreich. Ich scanne die Region. Ah, sehr gut!«

»Was?«, wollte Wallace wissen.

»Mein Plan sieht vor, dass wir nicht direkt den Generator beschießen. Er dürfte einem Oberflächenbombardement Stand halten. Wir schießen einfach ein Loch unter ihn und bringen das Erdreich zum Einsturz.«

»Dann werden Kalky und ich ins Gefängnis teleportieren und sie herausholen …«

Kathy nahm alle Kraft zusammen. Sie musste Aurec befreien. Er hatte auch alles für sie riskiert. Wenn es jetzt nicht gelang, würde er vermutlich auch zu einem Ylors werden.

»Die Feuerkraft der IVANHOE reicht aus, um genügend Schaden anzurichten«, bestätigte Irwan Dove.

Admiral Jeamour stimmte der Operation zu. Die IVANHOE II steuerte nun auf den Sektor der Ylors zu.

Kathy versuchte, ihre Gedanken abzuschirmen. Sie durfte Medvecâ nicht erlauben, von dem Plan zu erfahren.

»Feuer!«, rief Dove und die Crew auf der IVANHOE II folgte dem Befehl. Gewaltige Energiesalven schossen auf das Riff herab. Aus dem Dunkel der Nacht flammte es mehrmals auf.

»Ich registriere einen Energieverlust beim Gefängnistrakt. Wir sollten aber nicht näher heranfliegen, denn die Defensivwaffen funktionieren tadellos. Ich orte Abfangraumschiffe mit Kurs auf uns und die IVANHOE«, meldete Lorif.

Ihr wagt es nicht! Katharina, du wirst dafür bezahlen!

Kathy wurde unruhiger. Sie nahm Kalky.

»Jetzt!«

Der Mausbiber teleportierte sofort los. Das Umfeld der Space-Jet verschwand und sie fanden sich in einem düsteren Gemäuer wieder. Das war in der Tat der Inhaftierungstrakt.

Wo waren sie nun? Sie betätigte den Interkom.

»Könnt ihr uns helfen?«

»Ja, wir orten ihre Impulse«, meldete Lorif. »Sie befinden sich exakt 523,56 Meter von Ihnen entfernt, Miss Scolar. Westliche Richtung.«

Kalky teleportierte sie in den Westflügel. Es war stockfinster. Sie hörten ab und zu das Gebrüll von Ylors.

Ihr könnt nicht entkommen. Ich bin gleich bei euch, meine Liebste. Weißt du, was ich dann mit dir mache?

»Mich zu Tode quatschen?«, fragte Kathy laut.

Sie versuchte, ihrem Instinkt zu folgen. Ylors hatten einen deutlich ausgeprägteren Instinkt als normale Sterbliche. Und sie konnten telepathischen Kontakt miteinander halten. Natürlich! Sie suchte nach den Zellenwärtern!

Da waren sie! Schwach und undeutlich, aber ganz in der Nähe. Es waren wohl zwei. Sie rannten in den Raum. Kalky schleuderte beide mit Hilfe seiner Telekinese an die Wand.

Kathy eilte zu den Zellen. Alle vier waren dort drin.

»Kathy!«, rief Aurec.

Sie wäre fast in Ohnmacht gefallen, hielt sich aber an den Gitterstäben fest. Kalky riss die Tür telekinetisch auf. Aurec stürmte aus der Zelle und stützte sie. Zuerst teleportierte der Mausbiber Elyn und Jonathan weg. Dann Gal’Arn und zuletzt Aurec und Kathy.

Kathy kam alles wie in Trance vor. Sie spürte die Kälte Medvecâs nach ihrer Seele greifen.

Die Space-Jet wurde durchgeschüttelt.

»Sie feuern auf uns. Dutzende Raumschiffe tauchen plötzlich auf«, meldete Wallace.

Die IVANHOE II war nicht mehr weit. Vielleicht sollte Kalky sie alle von hier auf das Raumschiff teleportieren. Kathy wollte diesen Vorschlag machen, doch sie war zu schwach.

Sie hörte Medvecâs hämisches Gelächter in ihrem Kopf.

Nun werdet ihr eben alle sterben.

Sie schreckte hoch. Wenige Sekunden später tauchte ein Walzenraumschiff vor ihnen auf. Sie fühlte ganz deutlich Medvecâs Präsenz.

»Er wird uns töten …«

Seine Stimme ertönte nun aus den Lautsprechern der Funkanlage.

»Bedauerlich, dass ihr euch für die Flucht entschieden habt. Nun denn, wenn ihr nicht meine Gäste sein wollt, dann sterbt ihr eben. Schließt mit eurem Leben ab.«

»Wir können denen nicht entkommen. Wir sitzen in der Falle«, rief Wallace aufgeregt.

Die ganze Operation hatte nichts gebracht. Es war umsonst gewesen. Wenigstens starb Kathy zusammen mit Aurec und als freie Seele.

»Die STERNENMEER!«, rief Wallace.

Das Raumschiff von Nistant katapultierte sich aus einer blauen Öffnung im Weltall und feuerte sofort auf Medvecâs Raumschiff. Doch das Ylorsschiff schickte eine Salve in ihre Richtung.

Wallace versuchte der Salve auszuweichen, doch die Space-Jet wurde schwer getroffen. Nun kam die IVANHOE II hinzu und eröffnete das Feuer auf Medvecâs Raumschiff.

Die STERNENMEER und IVANHOE II positionierten sich nun schützend vor der Space-Jet und ermöglichten Wallace die Einschleusung in das SUPREMO-Schlachtschiff.

»Nistant hat uns wieder gerettet«, sagte Aurec erleichtert und umarmte Kathy. Mit aller Mühe schenkte sie ihm ein Lächeln.

»Und du hast mich gerettet«, antwortete sie und fiel in tiefe Dunkelheit.

Zuhause

Aurec

Ein Schrei riss mich aus dem Halbschlaf. Ich schnellte hoch, lief in das Schlafzimmer und aktivierte das Licht. Kathy saß aufrecht im Bett und rang nach Atem.

Ich ging zu ihr und setzte mich an den Rand des Bettes. Sie sah mich aus ihren wunderschönen braungrünen Augen traurig an.

»Ein Albtraum?«, fragte ich leise.

Sie schniefte kurz.

»Wenn ich das wüsste. Vielleicht auch Medvecâ in meinem Kopf.«

Sie kuschelte sich wieder in die Decke und nahm meine Hand. Es tat gut, ihre Nähe zu spüren. Ihre Hand war eiskalt. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis sie wieder eine normale Terranerin werden würde. Sie brauchte viel Ruhe.

Ein alyskischer Medoroboter stand auf der anderen Seite des Bettes und überwachte ihren Gesundheitszustand. Elyn hatte erklärt, dass Kathy durchaus noch Entzugserscheinungen bekommen könne und die ein oder andere schlimme Nacht verbringen würde. Ich würde sie gern im Arm halten, doch sie ertrug die körperliche Nähe nicht.

Was jedoch Hoffnung machte, war die Tatsache, dass Elyn fest davon überzeugt war, dass das Serum bereits seine Wirkung entfaltet hatte. Ihr Metabolismus stabilisierte sich langsam.

»Mir ist schlecht, gleichzeitig heiß und kalt. Meine Kehle ist trocken und alles tut mir weh. Ich fühle mich, als wäre ich einen Marathon quer über das Rideryon gelaufen …«

Sie hatte immerhin ihren Humor zurück. Ich blickte sie an. Wie schön sie doch war! Obwohl sie ziemlich mitgenommen aussah, war ihre Schönheit für mich immer noch so vollkommen wie eh und je.

Wir hatten noch gar keine Gelegenheit gehabt, großartig miteinander zu reden. Sie war noch in der Space-Jet eingeschlafen. Ich erzählte ihr, was geschehen war. Die STERNENMEER hatte den Ylorsraumer verjagt und war wieder verschwunden. Nistant hatte dennoch Grüße via Funk gesendet.

Er war ein seltsames Wesen. Niemand wurde schlau aus diesem uralten Geschöpf.

»Die Ylors scheinen aber auch alt zu sein, oder?«, fragte ich Kathy.

Sie zündete sich erst einmal eine Zigarette an. Ich mochte das eigentlich nicht, aber sie hatte wohl im Moment größere Probleme.

»Ich habe die Lebensgeschichte von Medvecâ mitbekommen. Traurig, aber dennoch ist er zum größten Teil an allem schuld. Die Ylors wurden vor 42 Millionen Jahren von Rodrom zum Rideryon geschickt. Dort leben sie seitdem und beherrschen es. Sie agieren aber geheim. Niemand weiß, dass sie das Rideryon kontrollieren«, berichtete sie. »Medvecâ hatte Rodrom von den Alyskern befreit. Die beiden waren Verbündete gewesen. Wir dürfen die Ylors nicht unterschätzen.«

Kathys Worte waren mir eine Warnung, und zugleich bewunderte ich sie auch. Sie hatte so viel durchgemacht und doch nicht den Blick für das Wesentliche und die anderen verloren. Sie war wirklich gewachsen in all den Monaten.

Noch dazu drückte sie meine Hand.

»Ich liebe dich, Aurec! Ich habe dir das so lange nicht mehr sagen können. Du hast mich aus diesem Horror gerettet. Danke!«

Jetzt wollte sie geküsst werden. Gut so!

»Es gibt nichts zu danken. Du weißt, dass ich dich auch liebe und brauche. Ich habe deshalb auch etwas egoistisch gehandelt.«

Sie fragte nicht nach, sondern lachte gequält.

»Ich muss meine Meinung über Elyn ändern. Sie hat ihr Leben für mich riskiert. Ist wohl doch ganz nett. Wenn ich wieder in Ordnung bin, werde ich mich bei ihr entschuldigen.«

In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass alles wieder gut werden würde. Kathy war zurück, meine Freunde am Leben und wir waren auf der IVANHOE II in Sicherheit.

»Bleib bitte hier. Ich möchte nicht allein sein.«

Sie rückte auf die linke Seite des Bettes. Ich legte mich dazu und sie kuschelte sich an mich.

»Bequemer als gestern Nacht im Wald«, meinte ich schmunzelnd.

»Ja, auch für mich.«

Wir erzählten uns gegenseitig unsere Abenteuer und Geschichten aus den letzten Monaten. Ich berichtete von dem Krieg in Andromeda, der Schlacht am Sternenportal, dem trügerischen Frieden. Sie sprach über ihre Zeit auf der DUNKELSTERN, im Dorf und bei den Mausbibern. Sie musste oftmals dabei lachen. Erst als sie mir von ihrer Gefangenschaft bei Medvecâ erzählte, wurden wir beide ernst.

Als Kathy erklärte, dass Nataly es war, die sie ermordet hatte, wurde ich innerlich sehr wütend und wünschte diesem Miststück den Tod, ohne es Kathy zu zeigen. Es tat mir sehr für Jonathan leid, aber diese Frau war ein Monster!

Es war unglaublich, dass Kathy all das durchgestanden hatte. Sie war stärker geworden. Unsere Liebe war trotz oder vielleicht gerade aufgrund der langen Trennungen gewachsen.

Ich hoffte, dass ich nun nicht mehr auf sie verzichten musste. Ich konnte mich dann endlich auf den Krieg gegen MODROR konzentrieren und auf die Befreiung meines Volkes und diverser anderer Völker.

Und ohne Perrys Hilfe würde die ganze Sache noch aussichtsloser werden. Natürlich konnte ich mich auf Joak, Gal’Arn, Jonathan, Sam und die anderen verlassen, aber sie waren eben kein Perry Rhodan. Wobei ein Rhodan ja noch in der Galaxie verweilte: Roi Danton!

Doch ich würde meine Verantwortung nicht auf ihn abladen können. Nein, für die Völker Estartus, für meine Saggittonen und für die tapferen Begleiter aus der Milchstraße musste ich das Vorbild sein, durfte mich nicht der Verantwortung entledigen, sondern musste mich ihr stellen.

Sie würden zu mir aufsehen und mich fragen, was sie tun sollten, wenn es gefährlich wurde. Dann musste ich weise und richtig handeln.

Dabei war ich nur ein Sterblicher. Ich gehörte nicht zu den Zellaktivatorträgern wie Perry Rhodan und seine Gefährten. Ebenfalls verfügte ich nicht über eine so große Erfahrung wie sie. Gut, ich hatte in den letzten zweiundzwanzig Jahren viel dazugelernt und unzählige Abenteuer bestritten. Und doch fühlte ich mich in Gegenwart eines Perry Rhodans irgendwie klein wie ein Schuljunge. Oftmals wusste ich, dass ich irgendwie auf Perry zurückgreifen konnte. Nun waren wir Millionen von Lichtjahren getrennt und es gab keine Möglichkeit, schnell mit ihm in Kontakt zu treten.

Vielleicht war er bereits auf dem Weg hierher oder schickte zumindest Hilfe. Sicher tat er das. Ob er jedoch selbst kommen würde? Es hatte keinen Sinn darauf zu hoffen. Perry hatte schließlich auch sein Volk, um das er sich kümmern musste. Nein, ich musste nun selbst Stärke zeigen. Und ich war verdammt froh, dass meine Energiequelle gerade neben mir eingeschlafen war.

Eine Frau konnte einem Mann unendlich viel Kraft geben, wenn es die Richtige war. Und Kathy war es. Davon war ich überzeugt. Sie lächelte mich an, anscheinend durfte ich bleiben. Ich versuchte, nun auch etwas Schlaf zu finden. Die nächsten Tage würden noch anstrengend werden.

Die IVANHOE II nahm Kurs nach Som. Wir hatten unsere Mission vorerst im Riff beendet, wenngleich wir Nataly nicht retten konnten. Es war nicht schade drum. Auch die verschwundene Maya ki Toushi hatten wir nicht gefunden.

Das Interkom summte in diesem Moment melodisch auf. Oh nein! Musste das jetzt sein? Ich löste mich behutsam von Kathy, da ich sie nicht aufwecken wollte.

Xavier Jeamour war dran.

»Wir haben das Riff verlassen und wurden soeben informiert, dass das Quarterium und Dorgon mobilmachen. Sie haben ein Riffkorps gegründet und wollen den Austausch mit dem Riff verhindern. Die Entropen und Estarten wollen ebenfalls Truppen zum Rideryon entsenden, um die Aktivitäten der Dorgonen und Quarterialen zu überwachen.«

Das waren ja tolle Neuigkeiten. Mir schwante Übles.

»Schicken Sie einen Funkspruch nach Som. Informieren Sie Sam, Adelheid, Joak Cascal, Roi Danton, Jan Scorbit und Eorthor, dass ich sie morgen früh sprechen will.«

»Wird erledigt. Angenehme Nachtruhe trotzdem.«

»Danke, Ihnen auch.«

Kathy war wach. Sie sah mich aus müden Augen an.

»Was wirst du tun?«

Ich seufzte. Eine Entscheidung hatte ich bereits gefällt.

»Wir müssen wohl früher zum Riff zurückkehren, als es uns lieb sein kann.«

Der Weg zum Rideryon

Aurec

Am Abend des 12. Mai hatte Admiral Jeamour Elyn, Joak Cascal und Remus Scorbit zu einer Besprechung gerufen und auch mich gebeten, in meiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber daran teilzunehmen. Zusammen hatten wir uns dann gegen 20 Uhr Bordzeit auf den Weg gemacht. Bei der Besprechung war auch Jeamours 2. Offizier, der Oxtorner Irwan Dove, anwesend, der meine Begleiter finster musterte, sofern ich den Gesichtsausdruck des Extremweltangepassten richtig interpretierte.

Jeamour begrüßte uns in seiner bekannten umständlichen Art, wurde aber bereits nach wenigen Augenblicken durch Dove unterbrochen, der einfach einen bereitgestellten Projektor aktivierte. Mitten im Raum bildete sich das Hologramm einer älteren Frau, die ich als Verdande Ylâvy Shangaard identifizierte. Das Hologramm der Hexenmeisterin begann zu berichten, – kalt, sachlich, ohne jede Gefühlsregung und damit, zumindest für mich, umso niederschmetternder.

Verdande zeigte auf, dass alles zwei Seiten hatte. Der Coup, durch den Elyn, Joak und Remus Licht in die dunklen Geheimnisse Entropias gebracht hatten, war mir bisher als gelungenes Kommandounternehmen erschienen, zwar gegenüber einem Verbündeten etwas ungewöhnlich, aber angesichts der Geheimniskrämerei, mit der sich die Entropen – und vor allem die Hexen – umgaben, mehr als gerechtfertigt. Doch der nüchterne Bericht der Hexenmeisterin konfrontierte mich mit den Folgen des von Eorthor initiierten Kommandounternehmens.

Adelheid hatte anscheinend reinen Tisch gemacht. Die Opposition wurde wegen angeblicher Kollaboration mit den Alyskern entmachtet und an Anjasia ein Exempel statuiert. Die Hexe wurde auf einem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt. Das letzte Bild blieb mehrere Sekunden unbeweglich stehen. Es zeigte die verkohlten Überreste der fröhlichen jungen Frau.

Ich starrte wie gebannt auf diese schreckliche Szene, unfähig mich aus dem Bann der grausigen Bilder zu lösen. Es war Cascal, der mit einem gemurmelten »Was soll dieser ganze Mist eigentlich?« den Bann löste. Dove blickte auf, und mit einem beiläufig wirkenden Faustschlag zertrümmerte er den Projektor, bevor er aus dem Raum stürmte. Ich versuchte, meine Beherrschung wieder zu erlangen, als Elyn zusammenbrach. Weinend stammelte sie immer wieder: »Anjasia, das habe ich nicht gewollt!« Mit einigen Schritten war ich bei der Alyske und nahm ihren zitternden Körper in die Arme. Tröstend strich ich ihr über die Haare und murmelte:

»Schon gut Elyn, niemand von uns hat das gewollt, niemand!«

Es war Xavier Jeamour, der uns den Rest erzählte. Verdande Ylâvy Shangaard war es mit einem entropischen Basisschiff gelungen zu fliehen, sie war in den Tiefen des intergalaktischen Raumes untergetaucht. Das Angebot Jeamours, auf Boldar zu bleiben, hatte sie abgeschlagen, um nicht das Bündnis mit Adelheid gegen das Quarterium und das Riff zu gefährden.

Nach diesem Bericht war ich dem Admiral unendlich dankbar, dass er mit der Übermittlung der Hiobsbotschaft solange gewartet hatte, bis es mir gelungen war, Kathy aus den Fängen Medvecâs zu retten. Ich bezweifelte, dass zumindest Elyn in der Lage gewesen wäre, mich auf dieser gefährlichen Mission zu begleiten. Ohne sie, das war mir klar, wäre ich gescheitert.

*

Die IVANHOE II erreichte in den frühen Morgenstunden des 13. Mai 1308 NGZ die Welt Som und bezog Position neben der FLASH OF GLORY, die unter dem Kommando Shan Moguls stand. Roi Danton war zu seinem Leidwesen nur noch in beratender Funktion als Gast an Bord.

Ich hatte ein sonderbares Gefühl, als die jeweiligen Vertreter ihrer Völker den Konferenzraum der IVANHOE II betraten, der sich direkt neben der Kommandozentrale befand.

Eorthor war als Erster da. Der Alysker begrüßte mich mit einem knappen »Tag«. Ihm folgten Sam, Joak Cascal und Jan Scorbit in seiner Eigenschaft als Leiter der USO in diesem Gebiet.

Roi Danton hatte wie üblich seinen großen Auftritt mit vielen Worten, einem Schnupftüchlein und subtilen Beleidigungen. Die Entropen ließen etwas auf sich warten. Schließlich kam Adelheid in Begleitung der neu ernannten Hexenmeisterin Niada, die wohl zur Nachfolgerin der geflüchteten Hexenmeisterin Verdande ernannt worden war.

Nachdem alle mit Erfrischungsgetränken versorgt wurden – Roi Danton bildete mit einem Irish Coffee wie üblich die Ausnahme – begann ich die Besprechung.

»Das Quarterium und Dorgon entsenden also Truppen zum Riff. Ich bin besorgt über diesen Schritt.«

»Eine logische Konsequenz, wenn sie ihren Machtbereich verteidigen wollen«, wandte Eorthor ein.

»Finde ich nicht«, meinte Danton. »Nach Aussage unserer schrumpeligen Schachtel und ihrer Miezen sind Quarterium, Dorgon, MODROR und Nistant alle die bösen Jungs. Wieso nun diese Handlung von den Vasallen MODRORS? Ist das Riff womöglich gar nicht so schlimm für uns?«

Eine berechtigte Frage. Adelheid starrte uns grimmig an.

Doch Sam war es, der als Nächster sprach.

»So leid es mir tut, aber auch ich bin gegen einen Austausch der Kulturen in diesen Dimensionen. Jeder Estarte sollte selbst das Recht haben, über seine Zukunft zu entscheiden. Weder Dorgon, das Quarterium noch das Rideryon bieten uns diese Chance.«

Sicherlich waren die Estarten die großen Verlierer. Nun, ich würde sie eines Tages befreien. Sam war es jedoch ernst damit, den Austausch zu verhindern. Obwohl die Dorgonen und die Quarterialen die Unterdrücker der Estartischen Föderation waren, handelten sie dieses eine Mal im Interesse der Estarten.

»Das Riff bedeutet Unheil. Dieser Kulturaustausch auf Zwang ist der beste Beweis dafür«, erklärte nun Adelheid. »Damit infiltriert Nistant diese Galaxie und wird sie sich untertan machen, während die Estarten auf dem Riff allmählich assimiliert werden.

Nistant hatte einst ehrgeizige Pläne mit dem Universum gehabt – Pläne, durch die der unter SI KITUS Schutz stehende Quantenzufall gefährdet wurde. Deshalb stufen wir das Riff und MODRORS Vasallen als ähnliche Gefahren ein. Und wie wir ja inzwischen wissen, arbeiteten Medvecâ und Rodrom zusammen.«

Adelheid grinste.

Sie wusste viel. Offenbar waren die Informationen schnell bekannt geworden.

»Was tun wir jetzt?«, wollte Joak wissen.

»Wir werden ebenfalls Truppen zum Riff schicken. Ein Korps aus Terranern, Saggittonen, Alyskern, Entropen und Estarten«, erklärte ich fest entschlossen. »Es ist mir sehr wichtig, dass wir in dieser Angelegenheit zusammenarbeiten und nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht.«

Keine Widerworte zu meiner Überraschung. Nun mussten wir zu den Planungen kommen.

»Es kann nicht jeder mitkommen. Wir brauchen auch noch fähige Männer hier vor Ort, sollte uns etwas zustoßen«, wandte Sam ein.

»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Volcus persönlich zum Riff will. Der Emperador will es ihm aus Prestige nachtun. Aureclein wird da sicher auch nicht fehlen, nespa?«

Ich nickte Roi zu.

»Und du auch nicht. Ich brauche deine Kenntnisse über das Riff.«

»Ich werde auch mitkommen. Und Tyler. Du brauchst auch ein paar Kämpfer und Agenten«, meinte Jan Scorbit.

»Und einen Befehlshaber für die Truppe«, meldete sich auch Joak Cascal.

Damit waren wir ja doch fast vollzählig.

»Ich werde die Interessen der Somer vertreten. Ihr könnt sagen, was ihr wollt, ich komme mit!«

Sam war es ernst. Nun gut, es ging um sein Volk. Da konnte ich schlecht widersprechen.

»Die Entropen werden durch Niada und Constance vertreten sein. Ich werde hier bleiben. Eine muss ja die Verantwortung vor Ort übernehmen«, sagte Adelheid.

Das gefiel mir nicht. Wer würde unsere Interessen vertreten? Ich blickte zu Eorthor. Offenbar erriet er meine Gedanken.

»Elyn und Gindore werden die Alysker zum Rideryon führen. Ich passe auf das Quarterium, die Dorgonen und die Hexen auf. Ich verspreche auch, dass ich sie nicht alle vernichte.«

Über Eorthors Lippen huschte ein kurzes Lächeln. Ich vertraute darauf, dass der Raumherr der Kosmokraten keine Dummheiten machte. Es war also beschlossen, wir brachen erneut zum Riff auf.

Ankunft am Resif-Sidera

Cauthon Despair, EL CID, 25. Mai 1308 NGZ

Der Anblick der Nebelbarriere war bedrohlich und faszinierend zugleich. Selbst Emperador de la Siniestro starrte ehrfürchtig auf dieses kosmische Wunder.

Ich überprüfte noch einmal die Zusammensetzung des neu gegründeten Riffkorps des Quarteriums. Es bestand aus drei Raumschiffen: der EL CID als Flaggschiff, dem SUPREMO C-Schlachtschiff MINTEROL und dem Versorgungs- und Reparaturkreuzer TRAVAK.

Das dorgonische Riffkorps setzte sich ebenfalls aus drei Einheiten zusammen. Das kaiserliche Raumschiff trug den Namen VOLCUS GLANZ. Das passte natürlich zu dem selbstherrlichen Volcus I. Die anderen beiden Adlerschiffe waren der Truppentransporter HESOPHIA XI und der Versorgungsraumer MESOPH XXI.

Sechs Raumschiffe sollten ausreichen, um erst einmal Fuß auf dem Rideryon zu fassen und einen Brückenkopf zu errichten. Notfalls konnten wir immer noch mehr Truppen anfordern.

Mehr als zehntausend quarteriale SUPREMOS und dorgonische Adlerraumschiffe sicherten die Route des Resif-Sideras. Doch sie waren nicht allein. Unweit von uns sammelten sich die Raumer der Terranischen 8. Flotte, der Saggittonen, Entropen und Alysker.

Auch sie bildeten eine Expeditionsflotte zum Rideryon. Die CIP hatte schnell herausgefunden, um welche Raumschiffe es sich handelte: die IVANHOE II, die FLASH OF GLORY, das entropische Schlachtschiff ENTROP, der somerische Kreuzer SOTHO und der alyskische Kreuzer CYRAGON.

Alles, was Rang und Namen hatte, fand sich auf dem Riff ein. Eine einmalige Gelegenheit, unsere Feinde mit einem Schlag loszuwerden. Zu dumm, dass im Moment ein Waffenstillstand herrschte.

Der Emperador blickte bedächtig auf die Nebelwand. Ich spürte, dass er das Ungewisse fürchtete. Dennoch wollte er auf keinen Fall die Gebiete in den estartischen Galaxien preisgeben, noch die Allianz mit dem Kaiserreich Dorgon gefährden. Doch womit hatten wir es auf dem Riff zu tun? Wir wussten es nicht. Waren wirklich alle so primitiv wie die Arawak-Bukaniere?

Nistant und die Ylors bildeten eine Ausnahme. Taten sie doch? Wir würden es bald herausfinden.

»Die Truppen sind bereit, mein Emperador!«

»Dann brechen wir auf. Gebt Volcus Bescheid. Beginnen wir mit der … nun, Kolonisierung des Riffs.«

Eine seltsame Umschreibung für unsere Mission. Sollte Nistant sich nicht durch unsere Präsenz einschüchtern lassen, würde es zu Kämpfen kommen.

Ich gab Oberst Kenedikt Tantum den Befehl, die EL CID durch den Nebel zu fliegen und die Vorkehrungen zur Abschaltung der Systeme zu treffen. Die sechs Raumschiffe machten sich auf den Weg. Wir näherten uns dem Nebel, erreichten ihn und flogen schließlich hindurch.

Meine Ordonnanz Virginia Mattaponi tauchte in der Kommandozentrale auf. Sie reichte mir ein paar Dokumente, die ich unterzeichnen sollte. Ein ungünstiger Zeitpunkt, aber ich merkte, dass Virginia wieder meine Nähe suchte.

Die kleine, freche Brünette stand in einem seltsamen Verhältnis zu mir. Einerseits schien sie mich zu vergöttern, doch sie war sehr besitzergreifend. Außerdem hatte sie sich mit anderen Männern getroffen. Jetzt war sie wieder bei mir. Was sollte ich davon halten?

Virginia blieb in der Kommandozentrale und beobachtete schweigend den Flug.

Durch den Schub entfernten wir uns rasch von der Nebelwand und näherten uns dem Riff. Die Raumer der Terraner, Saggittonen, Estarten, Entropen und Alysker folgten uns schließlich.

Plötzlich öffnete sich ein blauer Strukturriss im Weltall. Die STERNENMEER schoss hinaus. Der Emperador zuckte zusammen. Ich befahl, die Systeme wieder hochzufahren, doch es gab Probleme.

»Sir, etwas stimmt nicht. Die Syntroniken und Positroniken starten nicht neu«, meldete Tantum besorgt.

Die STERNENMEER hielt direkt auf uns zu. Ein zweiter Strukturriss öffnete sich. Das Wesen, welches hinausflog, war mir von Ednil bekannt. Dieser Raumkalmar hatte einst ein entropisches Schiff einfach zerquetscht. Dieses Wesen schien aus Energie zu bestehen. Wir erhielten Funksprüche von den Dorgonen. Die STERNENMEER steuerte nun nach links und nahm Kurs auf die Adlerschiffe.

»Ich gehe nicht davon aus, dass es sich um einen Höflichkeitsbesuch handelt?«, hörte ich plötzlich Nistants Stimme durch unsere Lautsprecher sprechen.

»Mir sind die hiesigen Nachrichten Siom Soms nicht verborgen geblieben. Ihr wollt die Mission des Rideryons also verhindern? Ich bin maßlos enttäuscht von euch allen!

Aber nun denn, dann soll es so sein!«

Das dorgonisches Adlerschiff HESOPHIA XI drehte ab und steuerte wieder den Nebel an. Doch als es ihn erreichte, explodierte das Raumschiff.

Das zweite Adlerschiff, die MESOPH XXI, wurde von dem Raumkalmar angegriffen. Diese Kreatur aus dem Hyperraum umschloss das Adlerraumschiff und zerquetschte es innerhalb weniger Sekunden. Das dorgonische Raumschiff zerbrach in viele Teile und explodierte.

Die STERNENMEER wendete nun und eröffnete das Feuer auf die TRAVAK. Wir hatten keine Möglichkeit, uns zu wehren. Das Versorgungs- und Reparaturschiff wurde vernichtet.

Der Kalmar hatte inzwischen die MINTEROL erreicht und besiegelte ihr Schicksal. Das Energiewesen umklammerte den Kugelraumer, durchbrach seine Hülle und riss ihn in zwei Teile. Nun waren nur noch die VOLCUS GLANZ und die EL CID übrig.

»Tun Sie doch was, Despair!«, forderte der Emperador, doch was konnte ich schon tun? Auch Virginia Mattaponi blickte mich ängstlich an. Das Leben der EL CID lag wohl in meinen Händen.

»Transitionssprung. Das sollte möglich sein, Tantum! Direkt zum Riff! Na los!«

Der Oberst führte meinen Befehl aus. Wir sprangen einige Millionen Kilometer weit und waren nun näher am Riff. Volcus’ Adlerschiff war uns gefolgt. Vielleicht hatten wir eine Chance, wenn wir auf dem Rideryon waren.

Unsere Notortung meldete, dass die STERNENMEER und der Hyperraumkalmar sich nun auf die alliierten Raumschiffe konzentrierten. Das verschaffte uns Zeit!

Absturz

Aurec, IVANHOE II

»Alle Mann auf ihre Posten«, rief ich aufgeregt. »Sendet Funksprüche an Nistant. Er soll mit uns reden!«

Innerhalb von nur zwei Minuten waren vier quarterial-dorgonische Raumschiffe zerstört worden. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass uns das gleiche Schicksal bevorstand, wenn wir nichts unternahmen.

Zuerst eröffnete die STERNENMEER das Feuer auf das entropische Raumschiff. Es erwiderte das Feuer, doch hielt es dem Beschuss des unheimlichen Raumschiffes nicht lange stand. Kurz bevor die ENTROP zerbarst, wurden drei Beiboote ausgeschleust, die Kurs auf die IVANHOE II nahmen.

Ich stellte eine Verbindung zu Roi Danton her.

»Steuere die FLASH OF GLORY direkt zur IVANHOE. Auch die anderen Schiffe sollen so dicht wie möglich zu uns ran. Wir können den estartischen Kreuzer und die CYRAGON sogar bei uns einschleusen.«

»Und dann, Aurec? Alle auf einen Fleck sterben?«, fragte Roi.

»Nein! Ruf Anya Guuze!«

Die CYRAGON und SOTHO nahmen Kurs auf uns.

»Nistant, ich weiß, dass du uns hören kannst! Das Herz der Sterne befindet sich an Bord eines der Raumschiffe. Du weißt nicht welches! Wirst du riskieren, Anya zu töten?«

Ich hoffte, damit Zeit zu gewinnen. Und tatsächlich verharrte die STERNENMEER auf ihrer Position. Nistant versuchte sicherlich, Anya Guuze an Bord eines der Schiffe zu lokalisieren. Der Raumkalmar kreiste um das Schiff mit dem grünen Nebelschleier.

Xavier Jeamour und Mathew Wallace blickten mich besorgt an. Irwan Dove wurde über Funk informiert.

»Wir haben Überlebende der ENTROP aufgesammelt. Die beiden Hexen sind wohlauf. CYRAGON und SOTHO sind eingeschleust.«

Ich atmete auf. Immerhin hatten wir vielleicht das Schlimmste verhindert. Was sollten wir nun tun? Zurück durch den Nebel? Offenbar war dies unmöglich, zumindest war ein Adlerschiff bei dem Versuch vernichtet worden.

»Wo ist sie?«

Ich zuckte zusammen, als Nistant plötzlich vor mir stand. Er sah aus, als sei er gerade aus einem nassen Grab entstiegen. Seine Augen glühten rötlich aus den tiefen Augenhöhlen.

»Sie ist an Bord der FLASH OF GLORY«, erklärte ich.

»Gut, dieses Schiff wird verschont. Doch eures nicht! Wieso sollte ich auch? Ihr wagt es, das Rideryon erobern zu wollen?«

»Nein … ich …, wir wollten verhindern, dass das Quarterium und Dorgon dies tun. Wir sind mehr zu eurem Schutz hier.«

»Tatsächlich, Bursche?«

»Wir sind nicht deine Feinde. Ich schwöre das!«

Und ich meinte es auch ernst. Doch Nistant schien dies wenig zu kümmern. Dann hielt er inne und lief in der Kommandozentrale umher.

»Der Weg durch den Nebel ist versperrt. Jedes Raumschiff wird automatisch zerstört. Nun, ihr wollt das Rideryon kolonisieren, erobern oder vernichten? Oder das verhindern? Dann lernt es kennen!«

Nistant verschwand. Die STERNENMEER entfernte sich und der Raumkalmar versank in seinem Strukturriss.

»Was nun, Sir?«, fragte Jeamour.

»Nehmen wir Kurs auf das Riff. Fliegen Sie zu den Koordinaten der EL CID und der VOLCUS GLANZ.«

Ich atmete tief durch. Die Probleme schienen kein Ende zu nehmen. Kathy betrat die Kommandozentrale. Sie war immer noch ziemlich angeschlagen und bleich im Gesicht.

Kathy ging zu mir und drückte meine Hand. Das gab mir Kraft, all das durchzustehen.

»Wir haben Probleme mit den Systemen. Offenbar sind sie angeschlagen. Wir können nicht alles neu starten. Der Antrieb funktioniert jedoch zu fünfzig Prozent, Sir«, meldete Lorif.

Ich bat Mathew, die beiden Hexen, Sam, Elyn, Gal’Arn und Jonathan in die Zentrale zu holen. Gleichzeitig stellte ich eine Verbindung mit der FOG zu Roi Danton, Joak Cascal, Anya Guuze und Jan Scorbit her. Alle wichtigen Leute sollten bei der Besprechung dabei sein.

Während die beiden Raumschiffe zum Riff flogen, versammelte ich meine Freunde und Verbündeten.

»Der Rückweg ist uns versperrt. Vorschläge?«

»Ein Kreuzer oder eine Space-Jet sollte die Nebelbarriere genauer untersuchen. Mit Messdaten könnten wir eine Lösung erarbeiten«, schlug Lorif vor. »Ich wäre dazu natürlich bestens geeignet in Zusammenarbeit mit Sato Ambush und einem Alysker.«

Ich nickte. Die Idee war nicht verkehrt. Vielleicht konnten die Wissenschaftler herausfinden, wie man die Barriere ungefährdet durchquerte.

»Bis dahin sollten wir Position am Riff beziehen. Ich schlage jedoch die Sonnenseite vor, da wir nicht unbedingt den Ylors begegnen wollen, nespa?«

Es gab keine Widerworte zu Dantons Vorschlag. Selbst die beiden Hexen waren ruhig. Constance und Niada standen unter Schock. Sie hätten wohl nicht erwartet, dass ihr entropisches Raumschiff einfach so vernichtet wurde. Und doch hatte ich eine Aufgabe für Constance.

»Sobald wir die EL CID erreichen, möchte ich dich bitten, mit Despair zu reden. Du hast offenbar guten Einfluss auf ihn. Wir sollten zusammenarbeiten. Wir sitzen wohl nun alle im selben Boot.«

Constance stimmte zu.

»Nun, auch der Kaiser Dorgons steht auf mich, wie ich festgestellt habe. Er wird bestimmt auch kooperieren.«

»Du vergisst, dass die Quarterialen und Dorgonen unsere Feinde sind, Liebes«, mischte sich Niada ein. »Nutzen wir doch die Chance und vernichten die beiden Raumschiffe. Das Universum wird es uns danken.«

»Abgelehnt«, erwiderte ich knapp.

Niada murmelte leise vor sich hin. Es interessierte mich nicht, was sie zu sagen hatte. Wir hatten fast die EL CID und VOLCUS GLANZ erreicht. Ich beschloss, diplomatisch vorzugehen und ließ mir eine Verbindung zur EL CID herstellen.

»Emperador, ich hoffe, Sie und Ihre Männer sind wohlauf?«

Das faltige Gesicht des alten Spaniers erschien als Holografie direkt vor mir.

»Danke, Senôr Aurec! Der Verlust unserer beiden SUPREMOS ist tragisch. Die Situation hat sich komplett geändert. Wir ersuchen um Ihre Unterstützung im Namen der Menschlichkeit.«

Ich musste innerlich lachen ob dieser Dreistigkeit! Wie konnte ausgerechnet das Quarterium von uns Menschlichkeit erwarten? Wo war denn ihr Humanismus im Krieg? All die Gräueltaten auf Saggittor, von denen man mir berichtet hatte, waren nicht vergessen.

Ich bewegte mich jedoch nicht auf demselben, niedrigen Niveau wie die Quarterialen oder Dorgonen. Ich würde ihr Hilfeersuchen nicht ablehnen. Außerdem war die EL CID das mächtigste Raumschiff. Sollten wir angegriffen werden, könnten wir sie gut gebrauchen.

»Wir werden Ihnen beistehen, sollte dies nötig sein. Wir hoffen auch auf Ihre Hilfe. Vorerst sitzen wir wohl alle auf dem Rideryon fest.

Um weitere Formalitäten zu besprechen, wird die Lilim Constance sich zu Ihnen an Bord begeben. Sie genießt mein vollstes Vertrauen.«

Ich beendete die Verbindung, um Widerworte zu vermeiden. Constance nickte mir zu und verließ die Kommandozentrale. Dabei stolperte sie über eine Stufe, hielt aber die Balance.

Kathy warf mir einen amüsierten Blick zu. Wenigstens ein Mensch war bei guter Laune.

»Sir?«, meldete sich Lorif.

»Was ist?«

»Ich orte starke Energieaktivitäten aus dem Norden des Rideryons. Sehr ungewöhnlich. Offenbar ein gebündelter Energiestrahl großen Ausmaßes von einem Bodengeschütz. Er fliegt direkt in unsere Richtung, Sir! Ausweichmanöver wären innerhalb der nächsten sieben Sekunden ratsam.«

»Was? Abdrehen, weg hier!«, rief ich.

Wallace eilte an die Konsolen, doch es war zu spät. Der Schuss traf die IVANHOE II. Ich wurde zu Boden geworfen, während Kathy sich am Geländer der Empore festhielt. Die Menschen und Wesen flogen quer durch die Zentrale.

»Meldung«, rief Jeamour.

»Da wir sowieso keinen Schutzschirm hatten, schwere Schäden an der Außenhülle und den Stabilisatoren. Wir geraten in das Gravitationsfeld des Rideryons.«

Wir stürzten ab!

Weitere Schüsse trafen die EL CID und FLASH OF GLORY. Beide Raumschiffe drifteten von der IVANHOE II weg.

»Wir haben keine Funkverbindung zu den beiden Raumschiffen«, meldete die Funkerin Tania Walerty.

»Sir, ich registriere rapiden Energieverlust bei beiden Raumschiffen. Offenbar ein gezielter Schuss«, erklärte Lorif. »Damit können wir eine Rettung durch Traktorstrahl ausschließen. Es sei denn, das Adlerschiff würde uns helfen!«

Ich forderte Tania Walerty auf, eine Verbindung zu Volcus I. herzustellen, doch das dorgonische Adlerschiff antwortete nicht. Es flog einfach vom Rideryon weg.

»Verdammter Penner«, fluchte Wallace.

»Wie lange bis zum Eintritt in die Atmosphäre?«, wollte ich von Lorif wissen.

»Exakt 3:28 Minuten.«

»Könnten wir nicht die Beiboote und Kreuzer ausschleusen? Sie könnten uns mit ihren Traktorstrahlen halten.«

»Wir würden 7:50 Minuten benötigen, um eine ausreichende Anzahl an Beibooten und Kreuzern im All zu haben, Sir!«, erklärte Lorif.

Ich seufzte. Wir hatten keine Chance. Ich blickte zur EL CID und FLASH OF GLORY. Beide Raumschiffe waren angeschlagen, hielten sich aber im Weltraum, während wir auf das Riff zu drifteten.

»Ich muss wohl nicht erwähnen, dass eine weiche Landung wünschenswert wäre«, meinte ich zu Wallace und Jeamour, die hektisch an den Kontrollen werkelten.

»Wir haben Saft auf den Antigravs. Damit können wir den Sturz deutlich abbremsen«, sagte Mathew.

»Also gut. Alle festhalten!«

Ich ging zu Kathy, nahm sie bei der Hand und half ihr in meinen Sessel.

»Keine Sorge, Liebster! Ich bin noch teilweise eine Ylors. Mir tut das weniger weh als dir.«

Beruhigend.

Die IVANHOE II trat nun in die Atmosphäre und fing an zu glühen. Wallace setzte die Antigravs behutsam ein. Ich trat zu ihm.

»Ganz sachte, ok?«

»Halt die Klappe und setz dich wieder hin!«

Wallace manövrierte die IVANHOE II so gut es ging und versuchte, den steilen Aufprallwinkel zu verlängern. Wir überflogen Täler, Wälder, Ozeane und Städte. Mathew war ganz in der Steuerung des Raumschiffes aufgegangen.

Trotzdem fing alles an zu vibrieren. Dann ging ein Ruck durch das Schiff.

»Sorry, etwas viel Antigrav.«

Die IVANHOE II verlangsamte sich rapide, drehte sich mehrmals um die eigene Achse und sank wie ein Stein zu Boden. Einen Kilometer vor dem Aufprall schaltete Wallace die Antigravs auf volle Leistung. Das hielt ganze zwei Sekunden, reichte aber aus, dass wir nicht mit voller Wucht auf den Erdboden knallten.

Er fuhr die Landestützen aus, doch sie knackten unter der Last der kinetischen Energie weg. Einen Lidschlag danach schlugen wir auf. Ich fand mich erneut auf dem Boden wieder.

Als ich wieder auf die Beine kam, war alles vorbei. Das Zittern bildete ich mir wohl ein.

»Wir haben ein Erdbeben der Stärke 7,5 auf der Richterskala ausgelöst, dazu eine große Staubwolke erzeugt«, erklärte Lorif. »Ich orte allerdings kein zivilisiertes Leben in dieser Region. Die nächste Siedlung ist weit entfernt.«

Immerhin hatten wir eine noch schlimmere Katastrophe unter der Zivilbevölkerung verhindert.

Ich blickte zu Kathy. Es ging ihr gut. Den meisten in der Zentrale ebenfalls, einige Crewmitglieder hatten aber Knochenbrüche erlitten. Doktor Jenny Taylor stürmte nach wenigen Minuten in die Zentrale und begann mit Medorobotern die Versorgung der Verletzten.

»Status?«, wollte Jeamour wissen.

»Offenbar Hunderte Verletzte und leider siebzehn Tote, Sir! Die Energie ist auf zwanzig Prozent gesunken, ausreichend jedoch für den Betrieb der nötigsten Systeme.«

Siebzehn Tote! Verdammt! Wer hatte uns nur beschossen? Nistant oder die Ylors?

»Funktioniert der Funk noch?«

Ich blickte zu Tania Walerty. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf und sah mich mit halb geöffneten Augen an. Dann wandte sie sich an die Kontrollen.

»Ich bekomme Funksprüche von der FOG und EL CID.«

»Geben Sie unseren Status durch. Die beiden Raumschiffe sollen sich erst einmal vom Rideryon fernhalten, uns aber mit Kreuzern Ersatzteile schicken. Wir müssen Schutzschirm und Bewaffnung wiederherstellen«, antwortete ich.

Wir saßen hier erst einmal fest!

Aus den Chroniken Cartwheels

25. Mai 1308 NGZ

Schon jetzt war abzusehen, dass die Riffexpedition zu einem Desaster mutierte. Das Quarterium und das Kaiserreich Dorgon hatten vier Raumschiffe verloren, die ENTROP war ebenfalls vernichtet. Die IVANHOE II war mitsamt der SOTHO und der CYRAGON auf dem Riff abgestürzt und in keinem guten Zustand.

Nur die FLASH OF GLORY war intakt, wenn auch durch einen Treffer beschädigt. Ich blickte aus dem Fenster meiner Kabine auf das Rideryon. Es war gigantisch und wirkte von hier oben friedlich. Wir waren uns alle allerdings nur zu bewusst, dass es viele Gefahren barg. Es war offenbar nicht so technologisch rückständig, wie viele angenommen hatten.

Zuerst musste jedoch Hilfe zur IVANHOE II geschickt werden. Das war zweifellos ein gefährliches Unterfangen. Joak Cascal und Cauthon Despair mussten widerwillig zusammenarbeiten, um einen Plan auszuarbeiten, die Versorgungsraumschiffe sicher zur Absturzstelle zu bringen. Schließlich entschlossen sich beide für den Einsatz von Virtuellbildnern, um eventuellem Abwehrfeuer zu entgehen.

Es behagte mir nicht, dass so viele wichtige Personen der Alliierten auf dem Rideryon festsaßen. Aurec, Sam, der Ritter der Tiefe Gal’Arn und Xavier Jeamour erachtete ich als die Ruhepole unserer Bewegung. Danton war mir zu undurchsichtig und Cascal zu egoistisch. Seine Gedanken schienen mehr um Anya Guuze zu kreisen als um die Mission.

Meine Assistentin Pyla brachte mir einen Kaffee. Im Gegensatz zu ihrem Nudelsalat war der Kaffee nicht gelungen und viel zu schwach. Vielleicht lag es daran, dass die Buuralerin selbst keinen Kaffee trank. Sie gestand mir aber auch, dass sie sich große Sorgen um ihre Freunde auf der IVANHOE II machte und am liebsten sofort zu ihnen fliegen würde.

Pyla berichtete mir außerdem, dass Roi Danton uns beide in der Zentrale wünschte, während die Rettungsmission mit der EL CID koordiniert werden würde.

Jaaron Jargon

Diener MODRORS

Cau Thon erwartete Fürst Medvecâ und Natalia in der Schaltzentrale der Festung Narjas. Der Herr der Ylors ärgerte sich immer noch maßlos über den Verlust der Gefangenen. Er hatte sich überrumpeln lassen! Viel zu sicher hatte er sich gefühlt, doch nun waren ihm schon zweimal diese lästigen Terraner entkommen.

Und Katharina! Sie würde für ihren Verrat einen hohen Preis bezahlen. Er würde sie töten und all jene, die sie so sehr liebte, wie ihren Aurec. Er würde diese Kreaturen nicht zu Ylors machen, sondern sie qualvoll krepieren lassen!

Natalia legte ihren Arm um Medvecâs Schulter. Wütend schlug er ihr ins Gesicht.

»Wage es nicht, du dummes Insekt!«

»Gereizt, Medvecâ?«, fragte Cau Thon spöttisch. »Da haben wir die einmalige Gelegenheit, unsere wichtigsten Feinde, abgesehen von Rhodan, zu erledigen und du verlierst sie sogleich wieder. Das grämt dich immer noch, nicht wahr?«

Cau Thon ließ sich auf Medvecâs Thron nieder. Eine eindeutige Geste, die dem Herrn der Ylors missfiel. Was bildete sich dieser junge Emporkömmling ein? Wie alt war der Xamour? Ein paar Tausend Jahre nur! Medvecâ hatte 80 Millionen Jahre auf dem Buckel. Doch offenbar fühlte sich Cau Thon als Nachfolger von Rodrom.

Der Ylors wollte aufbegehren, als sich eine Gestalt aus dem Schatten hervorschälte. Ein über zwei Meter großes Ungetüm, das aussah wie eine Mischung aus einem Elefanten und einer Ziege.

Medvecâ musterte Goshkan. Er war in der Tat beeindruckend. Er hatte sich natürlich über die Machenschaften der Söhne des Chaos informiert. Cau Thon und Goshkan hatten – dafür, dass sie noch so jung waren – viel erreicht. Eigentlich sogar mehr als Rodrom. Der arrogante Rote Tod hatte oftmals ebenso überheblich wie er eben selbst gehandelt.

»Damit versammeln wir wohl die fähigsten Gehilfen MODRORS in einem Raum«, stellte Medvecâ fest.

»Nicht ganz. Die Söhne des Chaos aus dem Quarterium fehlen«, entgegnete Cau Thon scharf. »Ihre Verdienste sind unschätzbar.«

Medvecâ wanderte gelangweilt durch den Raum.

»Ist das so? Nun, sie waren auch nicht in der Lage, Perry Rhodan oder diesen Aurec zu töten. Sie haben die Eroberung der Lokalen Gruppe vermasselt und sind nicht einmal in der Lage, in Siom Som für Ruhe und Ordnung zu sorgen.«

Cau Thon lachte kalt.

»Die Dinge entwickeln sich noch immer nach Plan. Das Rideryon wird bald zum Schauplatz aller Dinge werden. Bereite deshalb deine Armee vor!«

»Und was ist mit Nistant? Er mischt sich zu sehr in unsere Angelegenheiten ein. Er ist ein Freund unserer Feinde.«

»Ist er das? Die Entropen mögen ihn nicht sonderlich. Mag sein, dass Nistant zurzeit ein Problem für uns darstellt, doch wartet ab. Habt Vertrauen in MODROR.«

Für Medvecâ war Cau Thon zu selbstsicher. Ihm gefiel nicht, dass das Rideryon im Zentrum des Kampfes zwischen DORGON und MODROR stehen würde. Er hatte die Andeutungen des Sohnes des Chaos weitergedacht. Aber hatte Medvecâ etwas anderes erwartet? Er kannte doch die Wahrheit schon so unendlich lange. Es war zu befürchten gewesen, dass es eines Tages zu diesem Konflikt kam.

Dennoch. Das Rideryon gehörte ihm! Weder Nistant noch sonst irgendjemand würde das ändern können. Viel zu lange schon war er der heimliche Herrscher gewesen. Alles auf dem Rideryon gehörte ihm. Die Unterwelt interessierte ihn nicht. Dort gab es Grenzen für die Ylors. Doch alles, was auf der Oberfläche des Rideryons existierte, gehörte ihm!

Diese dummen Anhänger Nistants mit ihrer mittelmäßigen Technologie konnten den Ylors nicht das Wasser reichen.

Viele Völker waren degeneriert oder unterentwickelt. Die Manjor, Harekuul und ihresgleichen besaßen einen höheren Standard, doch bisher hatten die Ylors sie gut unter Kontrolle gehalten. Mit der Rückkehr von Nistant bestand nun die Gefahr, dass er an Macht verlieren würde. Außerdem missfiel es ihm, dass er Befehle von Cau Thon entgegennehmen sollte. War er denn ein Vasall von MODROR?

Medvecâ dachte darüber nach. Ja, er war es! Rodrom hatte einst die Ylors im Namen MODRORS zum Rideryon geführt, um die Kontrolle darüber zu gewinnen. Sie sollten im Geheimen regieren und konnten tun und lassen, was sie wollten. Bis zu jenem Tage, an dem MODROR ihre Dienste benötigte.

Dieser Tag war nun offenbar gekommen. Er hatte MODROR immerhin viel zu verdanken. Er und seine untoten Brüder und Schwestern lebten über Jahrmillionen unter seinem Schutz. Es war nun Zeit, dies zurückzuzahlen. Medvecâ atmete tief durch. Immerhin war ihm genau bewusst, welches Geheimnis im Inneren des Rideryons schlummerte.

Natalia leckte sich ihre blutige Lippe. Es sah bezaubernd aus. Goshkan trat drei Schritte hervor und musterte Medvecâs Braut.

»Bedauerlich, ich hätte sie gern als Jonathan Andrews’ Frau geschlachtet.«

Cau Thon lachte heiser.

»Du wirst Andrews noch genug demütigen können. Der Verlust seiner geliebten Ehefrau wird ihn noch lange beschäftigen. Und wenn Natalia weiterhin so herzhaft grausam ist, wird es noch schlimmer für ihn werden.«

Natalia stand auf.

»Das sage ich euch: Ich werde Jonathan und seine Bagage eigenhändig töten!«

Cau Thon saß entspannt auf Medvecâs Thron und spielte an der Armlehne. Dann sprang er auf und wandte sich an den Fürsten der Ylors.

»Ich sehe, jeder von uns glüht nur so vor Hass. Lasst sie nur kommen! Wir werden ihnen einen würdigen Empfang bereiten.«

Gefangen im Rideryon

Despair

»Sollen wir uns jetzt darüber freuen oder nicht, Despair?«

Der Emperador betrachtete mit gemischten Gefühlen den Absturz der IVANHOE II. Mir erging es genauso. Constance hatte es nicht zu uns geschafft. Sie war noch an Bord der IVANHOE II. Ich hoffte, es ging ihr gut. Pyla verweilte auf der FLASH OF GLORY und war somit in Sicherheit.

»Ich werde mit einem Kreuzer zur Absturzstelle fliegen. Wir werden Techniker, Mediziner und Ersatzteile für die Energieversorgung mitnehmen.«

De la Siniestro sah mich verwundert an.

»Eure Hilfsbereitschaft ist groß.«

»Wir haben Aurec unsere Hilfe zugesichert, schon vergessen?«

»Ich frage mich, ob ihr ihn oder gewisse Damen beeindrucken wollt! Nun gut, geht und passt auf Euch auf!«

Ich verneigte mich vor dem Emperador und machte mich auf den Weg. Virginia eilte mir hinterher.

»Du willst doch nur da runter wegen dieser blöden Riffkuh und der Hexe! Das ist doch viel zu gefährlich!«

Ich blieb stehen.

»Ich bin gerührt, doch für diese Mission sind die LFT-Terraner unsere Verbündeten. Möglich, dass wir gegen eine Macht kämpfen, die uns allen überlegen ist. Es ist besser, wenn wir Aurec helfen!«

»Ja, okay. Ich verstehe. Aber kann ich nicht mitkommen? Ich könnte dir bestimmt helfen!«

»Nein, Virginia! Bleibe an Bord der EL CID. Hier ist es sicher.«

Sie sah mich trotzig aus ihren braunen Augen an.

»Ja, das heißt wieder deine Rüstung putzen und wenn du dich an mich erinnerst, rufst du mich. Schon klar, wie immer! Aber wenn diese Riffkuh oder die Hexe pfeifen, dann springst du!«

»Virginia …«

Ich wollte ihre Hand nehmen, doch sie rannte weg. Einige Soldaten hatten das Geschehen mitbekommen und schmunzelten. Als sie an mir vorbei gingen, waren sie jedoch ernst und machten, dass sie schnell wegkamen.

Ich schüttelte den Kopf über Virginias Benehmen und ging zu den Mannschaftsquartieren. Dort wurde ich von Major Korral in Empfang genommen.

Ich wies Major Korral an, alles Nötige vorzubereiten. Wir mussten schnell abflugbereit sein. Wir informierten die FLASH OF GLORY. Sie würde ebenfalls ein Beiboot entsenden. Wir beschlossen, Virtuellbildner einzusetzen in der Hoffnung, so dem Feuer der Bodengeschütze zu entgehen.

Während ich zum Hangar ging, dachte ich über unsere Situation nach. Der Emperador, sein Sohn Peter und ich befanden sich auf der EL CID. Wer würde nun die Regierungsgeschäfte übernehmen? Vermutlich Leticron! Hoffentlich stellte der keine Dummheiten an. Wobei ich dem Corun von Paricza mehr zutraute als Jenmuhs oder Stephanie. Auch Orlando würde sicherlich positiv und ausgleichend wirken. Sollten wir jedoch längere Zeit auf dem Riff bleiben, Wochen oder gar Monate, fürchtete ich um die Macht des Emperadors. Jenmuhs, Leticron, Niesewitz und selbst Stephanie würden sich um die Macht reißen.

Das war gefährlich für das Quarterium!

Ich erreichte eine Fregatte. Der 250-Meter-Kugelraumer gehörte zur 501. Division und beherbergte 2500 Infanteristen, 100 Raumjäger, zwei 50-Meter-Korvetten und zehn Space-Jets. Insgesamt fast 4000 Mann.

Genügend, um erst einmal das Areal um die IVANHOE II abzusichern. Der SUPREMO E war unser einziges Großkampfraumschiff an Bord der EL CID. Ich hatte aber keine andere Wahl. Die 100-Meter-Kreuzer waren mir zu klein.

Wir starteten nach wenigen Minuten und nahmen Kurs auf die sechzig Meter durchmessende Korvette der FLASH OF GLORY.

Ich nahm Funkkontakt auf.

Eine säuselnde Frauenstimme meldete sich.

»Bonjour, lieber Cauthon, hier ist Pyla! Nett, dass du uns auch helfen willst. Hast ja offenbar doch irgendwo ein Herz. Ich helfe auch dem guten Roi, die da unten zu retten.«

Major Korral fing an zu kichern. Ich konnte ihm schlecht einen finsteren Blick zuwerfen, denn er würde es nicht bemerken.

Wie kam sie dazu, mich vor meiner Mannschaft zu blamieren! Blödes Frauenzimmer! Erst redete sie nicht mir, mied mich wie die Zentrumspest und nun tat sie so freundlich. Aus Pyla wurde ich nicht schlau.

»Danke, Pyla! Ich will mit Danton reden!«

»Gib mal her, mon chérie!«, hörte ich den Sohn Rhodans sagen.

Mon chérie? Wie konnte er es wagen!

»Bonjour, mein Ritter! Ich unterbreche ungern euren Beziehungsstress ohne Beziehung.« Danton kicherte und die Brückencrew sah mich verdutzt an.

»Ich hoffe, deine Absichten sind ehrenhaft?«

»Sind sie! Wir wollen nur helfen.«

»Also schön! Dann beeilen wir uns mal.«

Die schweren Geschütze schwiegen. Wir konnten unbehelligt vordringen. Die beiden Raumschiffe flogen zur Absturzstelle. Sie war mit bloßem Auge auszumachen, denn über ihr hing eine große Staubwolke.

Um uns vor unliebsamen Besuchern zu schützen, brannte der SUPREMO E einen kreisförmigen Graben um die IVANHOE II in den Erdboden. Er hatte eine Breite von zehn Metern, eine Tiefe von zwanzig Metern und war einige Kilometer lang. Das würde zumindest primitivere Angreifer stoppen.

Dann landeten wir direkt neben der IVANHOE II. Ich wies den Major an, das Gebiet zu sichern.

Ich stieg aus und ging zum gestrandeten Schiff. Unweit neben dem SUPREMO E landete auch die Korvette der FLASH OF GLORY. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich mich das erste Mal auf dem geheimnisvollen Riff befand.

Die beiden Sonnen brannten heiß. Wir befanden uns in einer Wüste, es gab hier kaum Vegetation. Nur Sanddünen, soweit das Auge reichte. Einige Terraner hatten bereits ein kleines Lager vor dem Wrack errichtet. Ich erkannte Jonathan Andrews und den Ritter der Tiefe Gal’Arn. Es war mir zu mühevoll, auf Danton und seine Leute zu warten. Außerdem war es eine gewisse Genugtuung, dass ausgerechnet ein Quarterialer zuerst als Retter erschien.

Gal’Arn hob die Hand, als er mich sah.

»Cauthon!«, rief eine weibliche Stimme.

Es war zu meiner Erleichterung Constance! Es ging ihr gut. Sie sah hinreißend aus in ihrem schwarzen, bauchfreien Kleid. Die Hexen trugen eine sehr körperbetonte Mode, doch das war mir bei ihr nur recht.

»Cauthon! Was machst du denn hier? Auch abgestürzt?«

»Nein, ich bin auf Rettungsmission!«

»Ach? Wen rettest du denn?«

»Na euch …«

Endlich kam Roi Danton mit seinen Begleitern Corph de Trajn, Feline Mowac und Shan Mogul. Allesamt Deserteure des Quarteriums. Dann folgten Pyla und der Chronist Jaaron Jargon. Den alten Mann mitzunehmen, empfand ich als töricht.

Pyla grüßte mich höflich, aber immer noch distanziert. Da war ich nun von zwei wundervollen Frauen umgeben, die mich beide faszinierten und auf eine seltsame Art und Weise eine Hassliebe zu mir aufbauten.

»Ist das Ihr Rettungsteam?«, fragte ich spöttisch.

»Oui! Hauptsächlich Nahkämpfer und ein paar Wissenschaftler und Techniker. Für das Grobe sind Sie ja mit Ihren Grauköpfen zuständig.«

Roi winkte mir noch einmal zu und begab sich dann mit seinen Leuten, die mir bis auf Jargon und Pyla grimmige Blicke zuwarfen, an Bord der IVANHOE II. Ich blickte wieder zu Constance.

»Die mögen dich wohl nicht«, sagte sie und kicherte. »Aber das kann man wohl auch nicht erwarten, wenn man zu den Söhnen des Chaos gehört. Also komm, gehen wir zu Aurec. Er wird sich freuen!«

Das glaubte ich nicht.

Ungebetene Gäste

Aurec

So richtig froh war ich über die Anwesenheit von Cauthon Despair nicht. Irgendwie traute ich ihm nicht so recht.

Überall arbeiteten Besatzungsmitglieder und Roboter an der IVANHOE II, doch ich machte mir keine Illusionen. Ein Start war vorerst unmöglich. Die Triebwerke hatten einen Schaden davongetragen und wir hatten zu wenig Energie, um die Schwerkraft des Riffs zu überwinden.

Ich blickte in die Runde. Neben Despair, Constance und Roi Danton waren noch Jeamour, Sam Tyler, Gal’Arn, Elyn und Sam anwesend. In der Rolle als Beobachter nahmen der Chronist Jaaron Jargon und seine neue Assistentin Pyla teil, die erst einmal herzhaft gähnte. Sie sollten weitere Kapitel der Chronik des Krieges schreiben. Die anderen waren mit der Reparatur des Schiffes beschäftigt.

»Die Lage ist ernst«, begann ich, als nun auch Kathy den Raum betrat. »Wir können das Rideryon nicht verlassen, geschweige denn das Resif-Sidera. Sowohl wir auf der IVANHOE als auch die anderen auf der EL CID und der FOG sitzen also fest.«

»Vergessen wir nicht die Dorgonen«, wandte Sam ein.

»Ja, die …«

Ich hatte diesem seltsamen Volcus I. nicht vergessen, dass er uns im Stich gelassen hatte. Es war mir eigentlich egal, was er jetzt machte.

»Fakt ist, dass Nistant oder die Herren des Rideryons eindrucksvoll bewiesen haben, dass sie Herr im Haus sind«, meinte Gal’Arn. »Die Mission ist gescheitert.«

Der Elare blickte Despair ernst an.

»In der Tat! Doch wir sind nun einmal hier und sollten dies ausnutzen. Es ist wohl im Interesse von keinem von uns, wenn die Bevölkerung von einhundert Planeten entführt wird.«

»Besser als sie zu regulieren«, meinte Tyler gewohnt zynisch.

»Es gibt keine Artenbestandsregulierung mehr«, stellte Despair fest. »Ich bin froh darüber.«

Es fiel mir schwer, ihm das zu glauben.

»Was tun wir jetzt?«, wollte Tyler wissen.

»Wir werden uns hier erst einmal einrichten. Die Region um die IVANHOE und die beiden Schiffe muss abgesichert werden. Defensivanlagen, Schutzschirme, Nahrungsdepots. Das übernehmen Despair, Tyler und Dove zusammen mit Gal’Arn und Jonathan. Ich denke, ihr alle versteht euer Handwerk.«

Keiner widersprach mir.

»Anschließend werden wir das Rideryon erforschen. Wir müssen mit Nistant in Kontakt treten. Roi versucht es auf dem ersten Tholmond. Wir werden die Stadt Ajinah suchen, von der du erzählt hast.«

Roi stimmte zu.

»Ich werde mich sogleich auf den Weg machen.«

Perrys Sohn verließ den Besprechungsraum. Auch Despair stand auf, blieb dann aber noch stehen.

»Major Korral wird sich um die Verteidigung kümmern. Ich werde dich auf der Suche nach der Stadt Ajinah begleiten.«

Es war nicht gut möglich, ihm zu widersprechen. Immerhin sicherten gerade zweieinhalbtausend quarteriale Soldaten das Areal.

»Also gut. Wir wissen ungefähr, wo sich die Stadt befindet. Doch der Weg dorthin ist lang. Einige Millionen Kilometer genauer gesagt.«

»Wir nehmen eine Space-Jet«, schlug Despair vor.

Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Nun wählte ich das Team aus. Mathew Wallace, Lorif, Despair, der Mausbiber Kalky und ich. Doch auch Kathy und Constance ließen sich nicht davon abbringen mitzukommen. Auch Jaaron und Pyla wollten mit. Der Chronist wollte das Rideryon kennenlernen und auch Pyla wollte endlich mehr von ihrer Heimat sehen. Ich akzeptierte. Da waren wir eine recht illustre Truppe. Dann waren wir also neun. Es gefiel mir nicht, dass die Frauen mitkamen, aber sie wollten unbedingt. Ich sollte vielleicht auch etwas mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben.

Immerhin war Constance eine Mutantin und Kathy hatte mehr als einmal bewiesen, dass sie sich gut durchsetzen konnte. Pyla würde hoffentlich keine Dummheiten begehen. Ich hatte da schon einige Geschichten von Roi gehört.

»Wir brechen in einer Stunde auf!«

Sandal Tolks Reise

Knapp zwei Monate zuvor machte sich Sandal Tolk in der Lokalen Gruppe auf den Weg, seinen Freunden zu Hilfe zu eilen.

Am 4. April war die Raumflotte zum Aufbruch bereit. Insgesamt traten etwas über 175.000 Raumschiffe der Terranischen 8. Flotte, der Kosmokratenflotte NESJOR und der Posbis den Weg in die fast 40 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Siom Som an.

Perry Rhodan und Bull verabschiedeten am Morgen Julian Tifflor, General McHenry und auch Sandal Tolk. Ihnen wurde viel Glück gewünscht. Tolk merkte den beiden Unsterblichen an, dass sie schweren Herzens zurückblieben.

In den vergangenen zwei Wochen wurde URUNGAAR nicht mehr gesichtet. Die Kampfstation von MODROR war spurlos verschwunden. Doch es gab keine Garantie, dass sie nicht wieder irgendwo in der Lokalen Gruppe auftauchte, um für Tod und Vernichtung zu sorgen. Das war nun Rhodans und Bulls Problem. Für Tolk, McHenry und Tifflor galt es, andere Schwierigkeiten zu meistern.

Zuerst mussten sie so schnell wie möglich nach Siom Som. Doch das war schier unmöglich. Siom Som war nun einmal keinen Katzensprung entfernt.

Tolks Ungeduld wurde von Tifflor, der den Barbar von Exota-Alpha immer wieder zur Ruhe ermahnte, ausgebremst.

Sandal Tolk schätzte den 183 Zentimeter großen, jung wirkenden Terraner mit den braunen Augen und braunem Haar. Julian Tifflor gehörte zu Rhodans ältesten Weggefährten. Er war fast ein Mann der ersten Stunde. Zehn Jahre nach Rhodans Mondflug war Tifflor das erste Mal als junger Kadett in Erscheinung getreten. Seitdem hatte er die Geschicke der Menschheit mitbestimmt.

Perry Rhodan wollte offensichtlich jemanden in Siom Som haben, der sowohl Politiker als auch Soldat war. Tifflor erfüllte beides hervorragend. Tolk glaubte, dass es dem oft schüchtern wirkenden Unsterblichen gut tat, wieder ein weitgehend selbständiges Kommando zu erhalten.

Die Reise in das Zentrum der ehemaligen Mächtigkeitsballung ESTARTUS dauerte mit der ganzen Flotte ziemlich lange. Sie würden Monate unterwegs sein, um endlich die Randbezirke Siom Soms zu erreichen.

Das war Sandal Tolk zu langwierig. Er wollte jetzt seinen Freunden helfen!

Auf der Reise hatte er den emsigen Wissenschaftler Doktor Everett Rupper kennengelernt. Der bierbäuchige Nexialist mit dem schütteren Haar roch zwar manchmal nach Schweiß, war aber eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Tolk war zwar nie ein Wissenschaftler gewesen, verfügte aber über ein profundes Allgemeinwissen.

Sandal schlug vor, mit Hilfe eines Dimetranstriebwerkes nach Siom Som zu gelangen. Rupper war alles andere als begeistert und verwies auf die Gefahren. Das Dimetranstriebwerk brachte ein Raumschiff innerhalb weniger Minuten in das Zentrum einer Galaxie. Man musste kein erfahrener Raumfahrer sein, um zu wissen, dass es im Zentrum einer Galaxie sehr gefährlich war. Schwarze Löcher, Gravitationsbeben und von der Normalität abweichende physikalische Gesetze beherrschten die massereichen Zentren. Sandal Tolk war jedoch bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen. General McHenry befürwortete Tolks Vorschlag. Es war ihm sehr recht, eine Vorhut nach Siom Som zu schicken, um Aurec und Joak Cascal zu informieren.

Das letzte Wort hatte jedoch Julian Tifflor. Doch Tolk setzte alles daran, auch den ehemaligen Solarmarschall von dem Unternehmen zu überzeugen. Trotz aller Bedenken über die Gefahr der Nutzung eines Dimetranstriebwerkes stimmte Tifflor schließlich zu, da die INVINCIBLE-Kreuzer und NESJOR-Raumer nicht vor August in Siom Som sein würden.

Jedoch verfügte kein Raumschiff über ein Dimetranstriebwerk. Doktor Rupper musste erst einmal eines bauen. Er modifizierte dafür ein herkömmliches Metagravtriebwerk. Dabei erklärte Rupper in aller Ausführlichkeit die Funktionalität und Historie des Dimetranstriebwerkes, was Sandal Tolk jedoch wenig interessierte. Es sollte nur Mittel zum Zweck sein, um ihn schnellstens nach Siom Som zu bringen.

Nach einigem Hin und Her stimmte Julian Tifflor schließlich dem Flug zu. Er würde mit der Flotte vermutlich erst in zwei oder gar drei Monaten Siom Som erreichen. Tifflor wollte ungern das Letzte aus den Antrieben holen, da die Einheiten vor Ort einsatzbereit sein sollten.

Der Bau des Triebwerkes nahm einige Zeit in Anspruch. Mitte April war es endlich fertig. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein Teil der Flotte bereits einige Millionen Lichtjahre zurückgelegt, doch bis sie Siom Som erreichen würden, würde es noch lange dauern. Flotten-Tender, Transporter und die langsameren schweren LFT-Raumer blieben zurück.

Das Kommando erhielt General McHenry, während Tifflor mit den 98.000 Kosmokratenraumern und 7000 INVINCIBLE-Kreuzern mit maximaler Geschwindigkeit nach Siom Som weiterflog.

Für Sandal Tolk gab es keine Alternative. Seit sechzig Tagen waren die stationierten Truppen in Siom Som von der Milchstraße abgeschnitten. Es konnte viel in dieser Zeit passiert sein.

Das Dimetranstriebwerk wurde in einen PIRANHA-Kreuzer eingebaut. Das hundert Meter durchmessende Raumschiff sollte als Vorhut ausreichen, fand Julian Tifflor, der am liebsten selbst mitgekommen wäre, doch er hatte den Oberbefehl über die Flotte. Sandal Tolk war am geeignetsten für diese Expedition. Doktor Everett Rupper begleitete den Barbaren von Exota-Alpha. Sollte es wissenschaftliche Probleme an Bord der P-117 geben, sollte der Wissenschaftler sie lösen.

Kommandant des PIRANHA war der Oxtorner Prosper Cancan. Oxtorner waren gute und würdige Kämpfer. Aufgrund der Umweltbedingungen ihres Heimatplaneten Oxtorne waren sie die stärksten Menschen in der gesamten Galaxis. Ein Oxtorner hatte sogar eine Chance gegen einen Haluter oder eine Bestie. Früher sollen sie sogar Zweitkonditionierte und Uleb besiegt haben.

Sandal empfand Bewunderung und Respekt vor diesem terranischen Kolonialvolk. Prosper Cancan war eine imposante Erscheinung von zwei Metern Größe und einer Schulterbreite von mindestens einem Meter. Kein Gramm Fett schien an seinem Körper zu haften. Der Nacken glich dem eines Stieres.

Doktor Everett Rupper brachte noch seine Assistentin mit, eine geschwätzige Südeuropäerin namens Ornella Adarmo. Die achtzigjährige Mutter zweier Kinder war für ihr Alter durchaus hübsch und wusste sich aufreizend zu kleiden, doch Tolks Laune sank bei dem ständigen Geplapper sofort ins Bodenlose.

Am 30. April 1308 NGZ war es endlich soweit. Die Reise begann. Sie war kurz und schmerzlos. Tolk wusste, dass sie sich schon nach wenigen Sekunden im Zentrum einer anderen Galaxie befanden. Dort, wo das Gesamtdrehmoment der Sternenmassen gleich Null war. Rupper bestätigte nach kurzen Abtastungen, dass sie sich wohl in Siom Som befanden. Cancan aktivierte den Metagrav und flog die Gruppe unbeschadet aus dem gefährlichen Zentrum.

Ihr Ziel war Som-Ussad! Dort befand sich das estartische Sternenportal. Tolk war sicher, dass er dort auf jemanden treffen würde, der nicht gleich auf ihn schoss.

Der PIRANHA nutzte sein Semitransitfeld, um sich relativ unbemerkt dem Ziel zu nähern.

»Ich orte terranische Kugelraumer, ein paar Posbi-Boxen, saggittonische und Kosmokratenschiffe in der Nähe von Som-Ussad. Aber auch eine beträchtliche Anzahl von Adlerschiffen und SUPREMOS«, meldete Doktor Rupper.

Prosper Cancan, immerhin ein Oberst in den Reihen der LFT, blickte Tolk an. Sandal konnte den Blick des Oxtorners schwer interpretieren. Cancan hatte sich während der Kämpfe um Andromeda 1307 NGZ ausgezeichnet. Mit einem PIRANHA hatte er knapp dreißig feindliche Transporter und Kreuzer abgeschossen.

»Wir sind dann wohl sicher. STF deaktivieren und Kodes an die Flotte senden«, entschied Cancan.

Es dauerte eine Weile, bis sich endlich jemand meldete. Der Plophoser war offenbar der kommandierende Befehlshaber nahe Som-Ussad. Er bat die P-117 nach Som zu fliegen, um weitere Instruktionen von Admiral Higgins entgegenzunehmen. Prosper Cancan schien damit zufrieden zu sein. Sandal Tolk war es jedoch nicht.

Er ging an das Interkomgerät.

»Befindet sich Joak Cascal auch auf Som?«

Der Plophoser druckste herum und brauchte ungewöhnlich lange für die Antwort.

»Sie können es ja noch nicht wissen. Joak Cascal, Aurec und Roi Danton sowie eine ganze Reihe von Führungsträgern sind bei einer Expedition in das Rideryon verschwunden. Wir vermuten, dass sie alle tot sind. Verlässliche Informationen sind schwer zu erhalten, da auch der Emperador de la Siniestro und Kaiser Volcus wohl zu den Opfern zählen.«

Tolk beendete wie in Trance die Verbindung.

Alle tot? Er konnte es nicht fassen.

*

Auch Admiral Nepomuk Higgins wusste nichts Erfreulicheres zu berichten. Nachdem die Expedition um die IVANHOE II, EL CID und VOLCUS GLANZ die Nebelwand passiert hatte, war es unmöglich geworden, das Rideryon zu erreichen. Die Barriere schirmte den Zugang komplett ab. Jede Raumsonde explodierte, sobald sie den Nebel erreichte.

»Die politische Lage ist instabil. Saggittonen, Terraner, Quarteriale, Dorgonen und Estarten sind ohne Führung. Allein die militärische Präsenz beider Parteien verhindert eine Eskalation«, erklärte Higgins und schlürfte dabei eine Tasse Tee.

»Perry Rhodan würde nicht untätig dasitzen«, meinte Tolk.

Higgins seufzte.

»Perry Rhodan ist leider nicht hier. Sie kommen doch von ihm. Haben Sie denn keine Instruktionen?«

»Rhodan hatte nicht damit gerechnet. 175.000 Raumschiffe unter Julian Tifflors Führung sind auf dem Weg hierher. Es wird aber noch dauern. Ein Teil wird erst in einigen Monaten Siom Som erreichen. Der Rest wird länger brauchen. In der Zwischenzeit sollten wir zum Rideryon vorstoßen.«

Higgins schüttelte den Kopf.

»Sie haben offenbar nicht zugehört, Mister Tolk! Wir kommen nicht durch die Nebelbarriere! Hätten wir die Möglichkeit dazu, würde ich liebend gern eine Expedition entsenden, um Aurec und die anderen zu suchen.«

Die Bereitschaft des Admirals genügte Tolk vollkommen. Nun mussten sie einen Weg finden, wie sie ins Resif-Sidera gelangten. Seit fünf Tagen also waren die Raumschiffe verschwunden. Es wunderte Tolk, dass sich offenbar jeder damit zufriedengab.

Higgins erklärte, dass Eorthor offenbar gar kein Interesse hatte, in das Riff vorzudringen. Nicht einmal wegen seiner Tochter. Der selbsternannte Raumherr der Kosmokraten wollte nur sicher gehen, dass das Rideryon den angekündigten Austausch der Bevölkerung von einhundert Welten nicht durchführte.

Die Entropen unter der Hexe Adelheid wollten dagegen am liebsten das komplette Rideryon zerstören. Higgins vermutete, dass es beiden Parteien sogar in die Karten spielte, wenn »lästige« Protagonisten wie Aurec, Cascal und Danton nicht mehr da waren.

Das Quarterium verhielt sich ähnlich passiv. Leticron hatte vorläufig die Kontrolle über das Imperium übernommen. Bei Leticrons Namen ballte Tolk die Fäuste zusammen. Der Pariczaner war für Tolks schlimmste Zeit verantwortlich. Eines Tages würde er sich an ihm rächen.

»Im Quarterium gibt es nun offenbar zwei Lager. Die Kinder und die Emperatriz Rosan wollen nach Emperador de la Siniestro suchen, aber Leticron, Jenmuhs und andere raten dazu abzuwarten«, berichtete Higgins. »Die Dorgonen sind relativ handlungsunfähig. Der neue Senat diskutiert auf Dom seit Tagen. Einzig die Kemeten scheinen aktiv zu sein. Osiris meldete kürzlich, dass er an einer Lösung des Problems arbeitet.«

Tolk wurde sofort hellhörig. Auf die Kemeten schien Verlass zu sein. Sie hatten ihm ja schon einmal geholfen, als er Joak Cascal von Objursha befreite.

Tolk bat um ein Treffen mit den Kemeten, aber auch mit den Alyskern. Eorthor lehnte jedoch ab. Er hätte keine Zeit für Primitive. Die Kemeten waren wie gewohnt gastfreundlicher. Osiris empfing Sandal Tolk.

Der Anführer der Kemeten war in seiner Präsenz ebenso imposant wie der Oxtorner, weil sich vor allem die jahrtausendelange Erfahrung in Osiris widerspiegelte. Sandal Tolk hatte eine kosmische Größe vor sich, die niemals einem Kampf aus dem Weg gegangen war.

Tolk erzählte Osiris von seinem Wunsch, Joak Cascal und die anderen zu finden. Osiris teilte Tolks Anliegen.

»Thot arbeitet mit den besten kemetischen Wissenschaftlern an einer Möglichkeit, die Barriere zu überwinden. Leider bekommen wir keine Hilfe von den Alyskern. Diesem verfluchten Eorthor ist selbst das Schicksal seines einzigen Kindes gleichgültig!«

»Das ist sein Problem. Mir ist das Schicksal unserer Freunde nicht egal«, stellte Sandal fest.

Osiris sah Tolk prüfend an.

»Dein Mut ist mir bekannt. Du bist auch bereit, für sie zu sterben?«

»Dann sterbe ich eben, wenn es ihnen hilft.«

Osiris nickte. Dann lächelte er.

»Wir wissen nämlich nicht, ob unser Spielzeug funktioniert. Kann gut sein, dass das Raumschiff explodiert, wenn wir versuchen, den Nebel zu durchqueren.«

So etwas hatte Tolk vermutet.

Osiris erklärte, dass er seit einiger Zeit bereits mit seinen Artgenossen den Nebel erforscht, welcher wohl eine Art Schutzschirm in den verschiedensten Facetten darstellt.

»Die Barriere dient primär dazu, Computersysteme zu überlasten, was zu einem Totalausfall führt. Neuerdings gilt dies auch für inaktive Systeme. Das Ergebnis ist in jedem Fall, dass ein Raumschiff nur als Schrott über der Oberfläche ankommt.«

Tolk verstand das noch.

»Und wie schützt man sich dagegen?«

Osiris lächelte milde. Nun betrat Thot das Quartier. Der ebenfalls zwei Meter große Kemete war von humanoider Erscheinung. Nur sein Kopf war der eines Falkenwesens. Thot stammte vom Volk der Hersi’Thor. Er gehörte zu den ältesten Gefährten Osiris und war verantwortlich für das Wissen der alten Ägypter.

Thot wurde 1298 NGZ von dem abtrünnigen Seth auf Seshur ermordet. Seine Seele, das sogenannte Ka, ging in die neue Superintelligenz KEMET auf. Mit Hilfe der Tessma-Technologie war es den Kemeten jedoch möglich, neue Körper zu erschaffen. So kehrten Osiris und die Göttinnen und Götter des alten Kemet als lebende Wesen in das Normaluniversum zurück, um den Terranern zu helfen.

Nach einer kurzen Begrüßung erklärte Thot die Nebelbarriere des Resif-Sidera. Für Tolk war es schwer, den Ausführungen des Hersi’Thor zu folgen. Er war Krieger, kein Physiker.

»Es ist erstaunlich, dass uns einige Komponenten der Nebelbarriere bekannt vorkommen. In der Tat würden sämtliche technische Gerätschaften bei der Durchquerung explodieren. Wenn wir jedoch per Fiktivtransmitter ein ganzes Raumschiff einfach auf die Oberfläche des Rideryons abstrahlen, könnten wir die Barriere damit umgehen.«

Tolk war mit dem Plan einverstanden. Natürlich barg er Risiken, aber Tolk vertraute einfach auf das technische Geschick der Kemeten. Er konnte da sowieso nicht mitreden, ob so etwas überhaupt möglich war oder nicht.

Er wollte nur eines tun: So schnell wie möglich zum Rideryon gelangen!

Ende

Kathy Scolar wurde gerettet, doch die Expedition sitzt auf dem Rideryon fest, ebenso die dorgonisch-quarteriale Vorhut mit de la Siniestro, Despair und Volcus I. Die IVANHOE II musste notlanden und ist schwer beschädigt. In Band 116, ebenfalls geschrieben von Nils Hirseland, suchen die Gestrandeten nach Hilfe. Das Resif-Sidera entwickelt sich zum

KULMINATIONSPUNKT RIDERYON

DORGON-Kommentar

Nun hat Aurec es also geschafft, zumindest er konnte seine »große Liebe« Kathy Scolar wiederfinden und in die Arme schließen. Nach dem Motto »Ende gut, alles gut!« könnte man nun meinen, dass der Saggittone endlich das Ziel seiner Wünsche erreicht hat. Die Frage ist hier nur, ob Kathy Scolar tatsächlich wieder eine »normale« Terranerin und Ehefrau werden wird, wie es sich unser saggittonischer Kanzler erhofft.

Ich, als der geneigte Chronist unserer Helden, dem die Gabe verliehen wurde, gelegentlich einen Blick in die Zukunft werfen zu können, wage die Voraussage, dass dem nicht so sein wird. Nicht nur, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass durch das Serum der Alysker die Ylors-Verwandlung, also die Verwandlung zu einem vampirähnlichen Wesen, vollständig rückgängig gemacht werden kann, so dürften auch die Erfahrungen Kathys mit Medvecâ und ihrer ehemaligen Freundin Nataly nicht spurlos an ihr vorbeigegangen sein. Deshalb bietet sich die Figur der Kathy Scolar geradezu an, um mit ihrem weiteren Schicksal ein wenig zu spekulieren.

Von allen Charakteren innerhalb der DORGON-Serie hat die ehemalige »Thekenschlampe« des Luxusraumers BAMBUS, wie sie einmal geringschätzig charakterisiert wurde, die weitgehendste charakterliche Entwicklung hinter sich und ich wage die Voraussage, dass diese Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen sein wird.

Gehen wir einmal davon aus, dass durch die nicht abgeschlossene Verwandlung zu einer Ylors Kathy nach wie vor einige Eigenschaften des Kosmokratenfluches zurückbehalten hat, sie also eine Art Mischlingswesen geworden ist. In der terranischen Mythologie, in der die Ylors als Vampire bekannt sind, werden solche Mischlinge als Daywalker bezeichnet, die zwar ihren Blutdurst verloren haben, jedoch nach wie vor über die überlegenen körperlichen Kräfte eines Vampirs und die Unsterblichkeit verfügen.

Aurec erwartet wohl nun, dass Kathy zu ihrer angestammten Rolle als liebende Gefährtin und zukünftige Ehefrau an seiner Seite zurückkehrt. Und hier ergibt sich für mich die Frage: Was geschieht, wenn Kathy genau das nicht mehr will?

Nach allem, was sie auf ihrer Flucht durch Cartwheel vor den Häschern der CIP und auf dem Riff erlebt hat, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass ihr die übliche Rolle der »Frau an seiner Seite« bei Weitem nicht mehr genügt.

Deshalb wird, und diese Voraussage wage ich hier zu treffen, der weitere Lebensweg der Kathy Scolar, ob an Aurecs Seite oder nicht, sehr interessant werden.

Anmerkung

Ursprünglich wollte ich mich innerhalb des Glossars weiter mit dem Überbau der DORGON-Serie beschäftigen, also welche Rolle spielen MODROR und DORGON, Kosmokraten, Chaotarchen und vor allem SI KITU als die sogenannte »Mutter der Entropie« im Hintergrund der Serie. Allerdings musste ich dieses Vorhaben zurückstellen, denn es wäre mir nicht möglich gewesen, hier sinnvolle Informationen zu geben, ohne wesentliche Hintergründe der weiteren Handlung zu spoilern.

Deshalb wähle ich die Militärtechnik der LFT zum Gegenstand des Glossars. Zu beachten ist dabei, dass sich die gegenwärtige Handlung unmittelbar vor Eintritt der Hyperimpedanz abspielt, die Jahre Anfang des 14. Jahrhunderts Neuer Zeitrechnung sind deshalb als letzter Höhepunkt der technischen Entwicklung vor der großen Zäsur anzusehen.

Jürgen Freier

GLOSSAR

PRIDE OF PAST

Die PRIDE OF PAST ist ein kugelförmiges Superschlachtschiff mit 1500 Metern Durchmesser und doppelwandiger Ynkelonium-Terkonit-Legierung. Ursprünglich stellte das Schiff einen nicht vollendeten Prototyp der USO aus der Endzeit des Solaren Imperiums dar. Die PRIDE wurde 3460 zusammen mit der Kugelzelle der späteren TRAJAN auf Quinto-Center konserviert.


Technische Daten
Abmessungen: 1500 mDurchmesser
Besatzung: 300 Personen militärischer Bereich,
500 Personen wissenschaftlicher Bereich
Offensivbewaffnung: 8 Drillings-Transformkanonen (jeweils 4000 Gt Abstrahlleistung),
10 Transformkanonen (jeweils 2000 Gt Abstrahlleistung),
20 Transformkanonen (jeweils 1000 Gt Abstrahlleistung),
12 modifizierte Konstantriss-Nadelpunkt-Kanonen,
60 MVH-Geschütze (Desintegrator/Impuls),
16 schwere Paralysegeschütze,
800 überlichtschnelle Raumtorpedos,
6000 Lenkwaffen für planetare Ziele
Defensivbewaffnung: vierfach gestaffelter - und sechsfacher Paratronschirm, Prallschirm, Virtuellbildner, Deflektor, ATG-Feld
Antrieb: 8 Metagravblöcke (max. Beschleunigung: 1300 km/s², erreichbarer ÜL-Faktor: 110 Mio.), Antigrav, Impulstriebwerke
Energieversorgung: 6 Hypertrop-Zapfer,
6 Gravitraf-Speicherringe,
10 Gravitraf-Nebenspeicher,
12 Nug-Schwarzschild-Reaktoren
Beiboote: 10 Space-Jets,
10 Landungsfähren
Besonderheiten: Rein äußerlich gleicht die PRIDE nur bedingt den alten Schiffen mit Ringwulst, da dieser durch 8 Metagravblöcke, die außerhalb der Schiffszelle eingebaut sind, unterbrochen ist. Innerhalb der Ringwulstsegmente, die dadurch entstanden sind, wurden die Impulstriebwerke beibehalten. Die PRIDE dient der USO als Technologieträger, d. h. das Schiff soll in erster Linie der Erprobung neuer Technologien unter Ernstfallbedingungen dienen.
Allgemeine Beschreibung

Die PRIDE OF PAST kann als eine Mischung aus überschwerem Schlachtschiff und Forschungsträger angesehen werden. Genau wie die TRAJAN wurde die PRIDE in Reaktion auf die Ereignisse um die Jahrhundertwende des 14. Jahrhunderts reaktiviert. Während jedoch die TRAJAN besonders in Bezug auf die Offensivbewaffnung weiterentwickelt wurde (siehe die überschwere Intervallkanone »Affengift«), wurde bei der PRIDE der Schwerpunkt auf den Defensivbereich gelegt.

Als Ergebnis der Forschungen wurde versucht, die Mini-ATGs, wie sie in den alten TSUNAMI-Schiffen eingesetzt wurden, weiterzuentwickeln. Das aktive ATG-Feld soll hinsichtlich der Relativzeit zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten oszillieren und der Einsatz von Hyper-Waffensystemen (z. B. Transformkanonen) möglich werden.

Die Energieversorgung im ATG-Modus wird durch 12 Nugas-Großkraftwerke im Unterschiff gesichert. Durch die hierdurch erzeugte Energie ist es möglich, die Gravitraf-Speicher wieder aufzuladen, ohne dass ein Hypertrop-Zapfstrahl aufgebaut werden muss, der durch entsprechende Ortungsgeräte angemessen werden kann.

Zur aktuellen Handlungszeit innerhalb der DORGON-Serie dient das Schlachtschiff Jan Scorbit, dem Befehlshaber der Neuen USO Cartwheel, als Flaggschiff.

Information

Das auf der PRIDE verwendete ATG-Feld stellt eine Weiterentwicklung der Technologie dar, wie sie im 5. Jahrhundert NGZ auf den Schiffen der CORDOBA-Klasse angewendet wurde. Merkmal dieser Technik ist die Möglichkeit, dass innerhalb des ATG-Feldes Strukturschleusen (ähnlich der Temporalschleuse) geöffnet werden können, durch die die Waffenwirkung aus der Relativzeit in die Normalzeit erfolgen kann. Die Hauptproblematik der verwendeten Technik liegt im immensen Energiebedarf der verwendeten Gezeitenwandler. Auch müssen die Strukturschleusen innerhalb des Temporalen Gezeitenfeldes hinsichtlich Relativ- und Normalzeit exakt synchronisiert werden, ansonsten kommt es zu einem Rückstau der Waffenenergie.

Im Moment können aus dem ATG-Feld lediglich Einzelschüsse abgegeben werden. Das Risiko, dass bei Salventakt die Synchronisation verloren geht, wird von den Quintechs als zu hoch eingeschätzt.

Allerdings stellt die PRIDE auch ohne ATG-Feld ein nicht zu unterschätzendes Schiff dar, das hinsichtlich der Kampfkraft zwischen einem SUPREMO A- und B-Schlachtschiff einzuordnen ist. Vor allem die sehr starken -/Paratronschirme und die Beschleunigung von 1300 km/s² machen das Schiff in der Hand eines erfahrenen Kommandanten zu einem nicht zu unterschätzenden Gegner.

Baagonen

Die Baagonen (der Baagone, die Baagonin) sind gazellenartige Wesen, welche am Rand zur Ylorszone leben. Die Baagonen sind keine Raumfahrer, sondern leben meist bescheiden als Bauern und Handwerker und gelten generell als unauffällig in der Völkergemeinschaft des Rideryons.

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