Cover DORGON-Band 98

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Band 98

Quarterium-Zyklus


Sternenwinde

Verrat und Tod


Nils Hirseland



Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Es herrscht Krieg!

Nach der Gründung des Quarteriums im Jahre 1303 NGZ war ein Eklat vorprogrammiert. Die Situation eskaliert im Jahre 1305 NGZ nach dem Angriff der Dorgonen auf die von ESTARTU geschützten Galaxien.

Im Jahre 1307 NGZ ist die Lage kritisch. Das dorgonische Kaiserreich und das Quarterium führen einen Invasionskrieg gegen die estartischen Galaxien und M 87.

Nur wenige, tapfere Wesen unter der Führung von Aurec stellen sich den Tyrannen entgegen. In dieser Zeit ruft die Superintelligenz ES zu einer Friedenskonferenz auf, um den Krieg unter den Menschen zu beenden. Doch der alte Mann, der als ES erscheint, entpuppt sich als MODROR, der den Versammelten eine Falle gestellt hat. Zehntausende Schiffe greifen an.

Mit MODROR zieht ein kosmisches Unwetter auf. Es sind die STERNENWINDE …
Aurec, Perry Rhodan – Sie müssen gegen eine Übermacht kämpfen.

Cauthon Despair – Der Silberne Ritter führt einen Krieg wider Willen.

Emperador de la Siniestro – Seine Macht wird größer.

Gucky, Gal’Arn, Jonathan Andrews, Joak Cascal, Jan Scorbit, Elyn – Sie verteidigen Esthor.

Kathy Scolar, Nataly Andrews, Saraah, Jaaron Jargon – Sie müssen um ihr Leben bangen.

Arimad – Die Kaiserin Dorgons will Rhodan retten.

Rodrom – Die finstere Inkarnation MODRORs.

Cau Thon, Goshkan – Die Söhne des Chaos wüten erneut.

Will Dean, Remus Scorbit, Mathew Wallace, Reginald Bull – Sie versuchen Rhodan zu befreien.

Prolog

Große Soldaten müssen einsam sein: Sie dürfen weder viel Liebe verschenken, noch den Wunsch haben, von anderen viel Liebe zu erhalten, um jederzeit für jenen letzten opfervollen Augenblick im Leben eines Kämpfers bereit zu stehen.

John Knittel, terranischer Literat aus den Anfangszeiten der Dritten Macht

*

Ich, Perry Rhodan, starb.

Aurec starb.

Wir starben tausend Tode, durchlebten das Leid des Fortgerissenwerdens aus dem Leben von Anfang bis zum Ende. Ich durchlebte die Qualen von Kreaturen, die vor Hunderttausenden von Jahren gestorben waren, und wollte dies nicht erleben. So viel Schmerz, solch schneidend schmerzhafte Verzweiflung.

Dem Tod war ich oft begegnet, war ihm immer wieder von der Schippe gesprungen. Nun durchlebte ich seinen Schrecken wieder und wieder. Ich lernte Tasia vom Volk der Chepper kennen, wie sie langsam im Moor versank, versuchte zu schwimmen, versuchte, sich aus dem saugenden Schlamm herauszuziehen, unweigerlich immer tiefer absinkend. Ich spürte ihre Angst, als das Moor ihren Mund, ihre Lungen füllte und sie grausam erstickte.

Geschehen vor 677.000 Jahren.

Ich begegnete Maikar vom Volk der Wytul in ihrem Todeskampf, angebunden an einem Scheiterhaufen, von der Masse bepöbelt und mit fauligem Obst beworfen. Ihre Schreie, ihre Schmerzen, als das Feuer sie zerfraß, brannten sich in meinen Kopf.

Geschehen vor 8,8 Millionen Jahren.

Asra vom Iffinor-Stamm schrie, als der große Tschurkawolf ihn mit der Pfote festhielt, an seinem Fleisch zerrte, die Eingeweide aus der aufgeschlitzten Bauchdecke holte, sein Blut leckte. Niemand half ihm, niemand erlöste ihn von seinen Qualen.

Geschehen vor 30 Millionen Jahren.

Die kleine Quari vom Volk der Xindook starb elend. Ich fühlte, wie sie vor Hunger die Besinnung verlor, wie sie, unfähig um Hilfe zu schreien, ihre faulenden, abgestorbenen Hände und Füße beobachtete, in einem Erdloch hockend, das nass war und kalt und dunkel. Sie hockte in ihrem Kot, bis der kleine Funken Leben erlosch.

Geschehen vor 45 Millionen Jahren.

Soya und Nessa, Mutter und Tochter vom Volk der Barystiden litten furchtbar, bevor es vorbei war. Nessa hielt die Schmerzen nicht aus. Sie lag in ihrem Blut, ihren Innereien und schrie wie am Spieß. Sie war zu jung, um zu begreifen, was geschehen war. Aber sie verstand, dass die Hälfte ihres Körpers abgetrennt war und dass sie sterben musste. Soya war es, die begriff, was sie getan hatte. In ihrer Hand lag die Axt, mit der sie ihre Tochter so zugerichtet hatte. Sie verstand sich nicht, verfluchte den Moment des Wahnsinns und verwünschte ihr Leben.

Dem Schreien ihrer Tochter konnte sie nicht zuhören, sie war machtlos und schuldig, obwohl sie sie liebte. Verzweifelt weinend rannte Soya auf das Ende des Daches zu. Sie wollte nur noch, dass alles vorbei war. Kurz vorher drehte sie sich um, dachte an Nessa, die sie im Tode nicht allein lassen wollte. Da verlor sie die Balance und stürzte hinab. Schier endlos dauerte der Fall, das flaue Gefühl im Magen. Der Schmerz des Aufpralls schlug über ihr zusammen und sie wünschte sich, tot zu sein.

Geschehen vor 150 Millionen Jahren.

Dann war es vorbei. Der Schmerz ließ nach, doch die bittere Kälte war geblieben. Innerlich schluchzend öffnete ich die Augen und erblickte MODROR. Die finstere Kuttengestalt schritt langsam auf mich zu. Jede Bewegung wurde von einem schauerlichen Knirschen begleitet. Wie von Geisterhand bewegt, erhob sich mein Körper, stand bebend vor ihm.

»MODROR ist voll dieser Erinnerungen. Schon bald werdet auch ihr beide nichts weiter als gepeinigte Erinnerungen in MODROR sein.«

Ich blickte auf Aurec hinab. Er lag immer noch auf dem Boden und wälzte sich, die Augen verdreht. Speichel lief über sein Kinn. Offenbar hatte es ihn noch schlimmer getroffen als mich.

»Wieso? Was haben wir dir getan?«

»Nichts. Euer Tun ist nicht der Grund. Um meine Pläne zu verwirklichen, muss ich bestimmte Gebiete erobern. Früher oder später hätten die Kosmokraten euch erneut rekrutiert. Die Menschen sind ein fähiges Volk. Deshalb unterwerfe ich euch. Um die Bezwinger von Monos und des Dekalogs zu meinen Untertanen zu machen.«

MODROR gehörte wohl zu den wenigen Entitäten, die unsere Fähigkeiten schätzten. Grotesk! Trotz meiner Qualen lachte ich ironisch auf.

»Jedes Wesen, das meinen Plänen im Wege steht, muss sterben. Jedes Wesen, das stirbt, stärkt mich.«

MODROR ließ mich wieder zu Boden fallen.

»Rhodan, du bist mutig. Dein Volk ist mutig. Nur habt ihr den falschen Weg eingeschlagen. Das Quarterium korrigiert unter meiner Anweisung euren Pfad. Zusammen mit meinen Hilfsvölkern werden die Hohen Mächte bezwungen und der Kosmotarch wird die Antwort auf jene Ultimaten Fragen sein.«

MODROR ging ein paar Schritte zurück. Er löste sich in grauen Nebel auf. Die Kälte wich und auch Aurec rappelte sich langsam auf. Was ich hier erlebt hatte, war schwer zu beschreiben. Niemals war mir ein Wesen mit so einer negativen Aura über den Weg gelaufen, wie MODROR sie aufwies. Es war, als hätte ich eine Begegnung mit dem Teufel höchstpersönlich gehabt.

Aurec stand ziemlich wackelig auf den Beinen. Mir erging es nicht anders. Noch immer hatte ich kaum realisiert, was geschehen war. Die ganze Friedenskonferenz auf WANDERER war eine Falle! ES war niemals hier gewesen. MODROR hatte sich als unsere Superintelligenz ausgegeben. Was als Kunstplanet WANDERER erschien, hatte bestimmt auch einen anderen Namen. Und das Quarterium steckte mit dem sich als Kosmotarchen bezeichnenden Wesen unter einer Decke.

MODRORs Absichten kannte Rhodan nun ein bisschen besser, aber zum Verstehen was es zu wenig. Der Kosmotarch schien die Menschen als auserwählte Rasse anzusehen – so wie ES früher. Der Kosmotarch sprach auch von dem Gesetz, gerade er! Rhodan konnte sich keinen Reim darauf bilden. Es gab im Moment auch Wichtigeres, als die kosmischen Rätsel zu lösen – nämlich zu überleben.

1. Krieg und Liebe

Aus den Chroniken Cartwheels

Jaaron Jargon: zwei Stunden vorher

Krieg!

Was in diesem Moment geschah, war unbeschreiblich. Es war schwer zu glauben und zu realisieren.

Es sollte doch Frieden sein!

Stattdessen marschierten fremde Raumschiffe im Sektor auf und umzingelten WANDERER.

Es war Krieg.

Ein Krieg, angezettelt von MODROR!

Kathy Scolar starrte erschrocken auf die Anzeigen. Unfähig zu verstehen, sah sie aus dem großen Fenster. Mit bloßem Auge erkannte sie Tausende fremde Raumschiffe, welche unablässig aus dem Sternenportal strömten.

Deren Formen glichen Stiften und Scheiben. Es gab abstrakte und geometrische Formen, verzierte, grazile Raumgiganten und klobige Stahlkolosse.

Tausende Schiffe aller Art.

»Wir müssen sofort Kontakt mit Aurec aufnehmen.«

Ohne auf Antwort zu warten, rannte Kathy aus dem Saal. Vermutlich machte sie sich auf den Weg zur Kommandozentrale. Nataly sah mich mit schreckgeweiteten Augen an, dann folgte sie ihrer Freundin.

Ich ließ die letzten Minuten Revue passieren: Erst brach der Kontakt zu WANDERER ab. Die Holoübertragung der Konferenz erlosch von einem Moment zum nächsten. Beinahe zeitgleich quollen die fremden Giganten aus dem Sternenportal und nahmen Kurs auf die Welt von ES.

Niemand stellte sich ihnen entgegen. Bis dato war kein Schuss gefallen, aber die Fremden nahmen Positionen rund um die Kunstwelt ein und riegelten sie hermetisch ab. Wir hatten erkennen können, dass zwei Raumfähren WANDERER verlassen hatten. Es war eine quarteriale und eine dorgonische Maschine gewesen.

Schweigend folgte Saraah den beiden Frauen. Ich blickte mich um, sah in die ratlosen Gesichter von Uthe Scorbit, Yasmin Weydner und Remus Scorbit.

In dem Moment erhielten Tania Walerty und Jenny Taylor eine Nachricht.

»Wir müssen zurück zur IVANHOE«, sagte Taylor knapp und rannte auch schon mit Tania in Richtung Hangar.

»Wir folgen Kathy und Nataly«, beschloss ich laut.

Schließlich musste auch der Chronist der Insel über alles informiert sein.

Cauthon Despair

Überall herrschte Chaos. Tausende von Funksprüchen überlagerten sich. Gerade meine Person war jetzt gefragt. Zuerst jedoch mussten wir uns in Sicherheit wissen. Die Fähre landete im Raumhangar 17 der EL CID. Oberst Tantum begrüßte uns besorgt.

»Wie ich sehe, sind Sie, Gott sei Dank, alle wohlauf. Was ist geschehen?«

Jenmuhs kicherte, Leticron und Diabolo schwiegen, der Emperador blickte den Kommandanten der EL CID aus trüben Augen an.

»Ein Hinterhalt auf WANDERER. Ein Streit zwischen uns und Rhodan eskalierte. Plötzlich wurden wir angegriffen. Wir haben nur noch Señora Orbanashol-Nordment retten können. Das Schicksal der anderen ist ungewiss …«

Ich hielt Rosans Oberarm und drückte sehr fest zu. Sie sollte nicht auf die Idee kommen, die Wahrheit zu erzählen. Wie bestellt kamen unsere speziellen Agentinnen Utha und Maryna Zubarov.

»Meine … Damen … geleiten Sie Miss Orbanashol-Nordment in ihre Kabine. Sie ist von den Strapazen erschöpft.«

»Bin ich gar nicht! Wir müssen Aurec und Rhodan helfen. Sie können doch nicht einfach …«

»Ruhe!«, befahl der Emperador. »Tantum, berichten Sie!«

»Sir, zwanzigtausend Schiffe MODRORs haben einen Ring um WANDERER geschlossen. Die Kommunikation wird gestört. Die feindlichen Schiffe haben bereits eine LFT-Einheit angegriffen.«

Der Emperador ging in Richtung Antigrav. Diabolo, Leticron, Tantum und ich folgten ihm, während Jenmuhs sich irgendwohin verdrückte. Es interessierte mich auch nicht.

»Wir werden abwarten und keinen Krieg gegen MODROR riskieren. Entsendet Schutztruppen nach SOLARIS STATION, Despair.«

»Wie Ihr wünscht, mein Emperador.«

*

Aus den Chroniken

Jaaron Jargon

So schnell ich konnte, eilte ich in die Kommandozentrale. Tass Ambol, der Administrator von SOLARIS STATION und dessen Sicherheitsbeauftragter, der Afroterraner Murate Haggar, standen mit ernsten Mienen neben Kathy Scolar, Saraah und Nataly.

»Wir wissen auch nicht mehr, Miss Scolar. Jeglicher Funkspruch bleibt unbeantwortet. Es ist, als würden die fremden Schiffe oder irgendetwas die Kommunikation zu WANDERER blockieren«, erklärte Haggar.

Ich sah Kathy ihre Ungeduld an. Verzweifelt starrte sie auf die Kunstwelt der Superintelligenz ES. Ich ahnte, was in ihr vorging. Sie war besorgt um ihren Liebsten Aurec.

»Zwei Fähren sind doch von WANDERER gekommen. Stellen Sie Verbindung zur EL CID und DOMULUS her. Vielleicht wissen die, was passiert ist«, schlug sie vor.

Haggar nickte und gab die Anweisung weiter. Die DOMULUS antwortete nicht. Doch die lebensgroße Holografie von Cauthon Despair erschien vor uns.

»Was gibt es?«

»Was ist geschehen? Wo sind Aurec und Rhodan?«, wollte Kathy wissen. Despair wartete einen Moment, ehe er antwortete: »Chaos ist dort unten ausgebrochen. Wir wurden angegriffen und von den beiden getrennt. Ich habe den Emperador in Sicherheit gebracht. Auch Kaiser Commanus gelang die Flucht. Ich fürchte, MODROR hat WANDERER überfallen.«

Welch schreckliche Nachrichten! Fassungslos blickten wir uns an. Das durfte nicht wahr sein! Wenn sich nicht einmal ES vor dem heimtückischen Angriff MODRORs schützen konnte, wer dann?

»Was …«, begann Kathy und stockte. Sie zitterte. »Was … was werden Sie jetzt tun?«

»Wir werden die Lage analysieren und uns dann mit den Oberbefehlshabern der Streitkräfte in Verbindung setzen. Bewahren Sie Ruhe, Miss Scolar. Wir schicken eine Division zum Schutz nach SOLARIS STATION und sichern auch die anderen beiden Raumstationen. Ich befürchte, dass wir – solange Rhodans und Aurecs Schicksal ungewiss ist – das Kommando übernehmen müssen.«

Despair wandte sich an Ambol und Haggar.

»Kann ich auf Ihre Unterstützung zählen?«

Ambol blickte sich unsicher um. Er sah fragend zu Haggar, der mit versteinerter Miene zu Boden blickte.

»Ja … sicher …«

»Gut, Ambol. Warten Sie auf weitere Instruktionen. In Kürze wird die 501. Division unter dem Befehl von Major Korral die Station erreichen. Er wird dann vorläufig das Kommando übernehmen.«

Despair beendete die Verbindung. Mir gefiel das nicht. Das Quarterium übernahm einfach so die Kontrolle über die drei Raumstationen? Gab es kein LFT-Personal mit ausreichenden Befugnissen?

»Ich werde mit Reginald Bull Kontakt aufnehmen«, kündigte Remus Scorbit an. »Er wartet mit einer Flotte von fünfundzwanzigtausend Raumschiffen eintausend Lichtjahre von hier entfernt. Will Dean ist auch dort. Wir sollten lieber Befehle von Bull entgegen nehmen als von Despair.«

»Was ist mit den alliierten Schiffen im System?«, wollte Nataly wissen.

»Nehmt mit ihnen Kontakt auf. Jeamour wird sicher wissen, was zu tun ist. Ich muss los, um Bull zu informieren. Ich kehre bald zurück!«

Remus nickte uns entschlossen zu, dann verschwand er aus der Kommandozentrale. Kathy blickte ihm nachdenklich hinterher.

»Ambol«, sagte sie schließlich, »bringen Sie die Zivilbevölkerung in die großen Hallen. Lassen Sie alles für eine Evakuierung vorbereiten. Ich traue Despair auch nicht. Und schon gar nicht den paar tausend Schiffen da draußen.«

Ambol lachte. Sein feistes Gesicht sah noch arroganter aus als je zuvor. Er verschränkte die Arme vor dem Bierbauch und schüttelte den Kopf.

»Miss Scolar, Sie haben keinerlei Befugnisse. Für mich klingt das ganz plausibel, was Mister Despair sagt. Schließlich ist er ein Fachmann.«

»Ein Fachmann für Verbrechen und ebenso dubios wie das übrige Quarterium, Sie Vollidiot«, zischte Nataly wenig diplomatisch.

Ambol lief rot an.

»Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen!«

»Nein, das werden wir nicht«, rief Kathy wütend. »Es geht hier um sehr viele Leben. Wir sollten sie nicht leichtfertig riskieren. Ich bin dafür, dass wir die Station evakuieren und zum Sammelpunkt der LFT-Flotte fliegen.«

Ambol blickte zu Haggar herüber, der keinen Ton sagte. Das Gespräch war ihm sichtlich unangenehm.

»Mein letztes Wort: Nein!«

Kathy machte drei schnelle Schritte und packte Ambol an seiner Krawatte.

»Sie dummer Trottel! Da draußen kann jeden Moment die Hölle losbrechen. Das Leben so vieler Wesen ist in Gefahr.«

»Haggar!«

Der militärische Beauftragte der Station rief drei Sicherheitsmänner herbei, die Kathy packten. Nataly stürmte auf den ihr am nächsten Stehenden los und verpasste ihm einen Schlag auf die Nase. Der Zweite wollte einen Strahler ziehen, doch Haggar griff ein.

»Genug jetzt. Meine Damen, bitte verlassen Sie die Brücke. Sie haben hier nichts zu suchen. Raus jetzt!«

Er deutete auf den Ausgang. Kathy wurde losgelassen. Wütend zogen sie und Nataly davon. Saraah und ich folgten. Draußen sahen uns Uthe Scorbit und Miss Weydner fragend an.

Kathy trat wütend gegen die Wand. Dann lehnte sie sich anscheinend erschöpft an sie an.

Nataly tröstete sie.

»Ich mache mir auch Sorgen um Jonathan. Aber beide können gut auf sich allein aufpassen.«

»Hoffentlich«, flüsterte Kathy. »Aber wer passt auf die ganzen Wesen hier auf?«

Angriff der Dscherr’Urk

Aurec, 6. April 1307 NGZ: 13:49 Uhr

Es war kaum Zeit, um zu begreifen, was geschehen war. Jan Scorbit und Sandal Tolk waren schwer verletzt, die Quarterialen und die Dorgonen geflohen. Sie hatten uns verraten! Und nun marschierten einige hunderttausend Dscherr’Urk in Richtung Stadt.

Dazu das Schlimmste, das, was wirklich unfassbar war: ES hatte sich als MODROR entpuppt. Der Kosmotarch hatte uns die ganze Zeit an der Nase herumgeführt und vorgegeben, ES zu sein. Keinen Moment lang war diese Konferenz zum Anbahnen des Friedens gedacht, sondern einzig und allein eine Falle MODRORs gewesen.

Wieso hatte die wahre Superintelligenz uns nicht gewarnt? Offenbar war ES das Schicksal der Menschheit egal, sie war nicht das auserwählte Volk, wie Perry Rhodan es immer geglaubt hatte.

Perry! Er kauerte schweigend in einer Ecke und hatte sichtlich mit den Eindrücken MODRORs zu kämpfen. Mir erging es nicht anders.

Niemals zuvor hatte ich solche Angst gefühlt. Noch nie war meine Seele so voller Schmerz und Aufruhr gewesen, wie in dem Moment, als sich MODROR uns gezeigt hatte.

Es war gewesen, als habe man das Feuer der Hölle gefühlt. So viel Leid, Schmerz und Hass. Aber wir mussten uns zusammenreißen. Wenn nicht wir, wer dann?

»Perry! Wir haben eine Stadt zu verteidigen.«

Rhodan sah mich aus graublauen Augen an und durch mich hindurch.

»So viel Hass.«

»Was?«

»So viel rücksichtslosen und erbarmungslosen Hass habe ich in MODROR gespürt. Was können wir gegen solch ein Wesen ausrichten? Gegen einen Kosmotarchen

Ich packte Perry und zog ihn hoch.

»Wenn nicht wir, wer dann? Was sollen denn erst die ganzen armen, verängstigten Wesen da draußen sagen? Die bauen jetzt auf uns. Wir sind ihre letzte Hoffnung.«

»Haben wir denn noch Hoffnung?«

Perry hatte recht. Es bestand eigentlich keine Hoffnung. Wir konnten uns niemals gegen diese Horde durchsetzen. Es würde zu einem Massaker kommen. Ich wagte nicht, daran zu denken, was jetzt über uns vorging. MODROR musste eine Invasion gestartet haben, sonst wären uns schon Raumschiffe zu Hilfe gekommen.

»Kampflos werde ich nicht untergehen«, sagte ich entschlossen.

Perry starrte mich abwesend an.

Dann plötzlich schienen seine Augen wieder zu funkeln. Er packte meine Schultern und drückte zu.

»Ja! Kampflos werden wir nicht sterben. Wenn das unser Ende sein soll, dann soll es ein Ende sein, das unser würdig ist.«

*

14:03 Uhr

Gal’Arn stand wie versteinert an der Zinne und blickte auf die schwarze Walze hinab, die sich ihren Weg in Richtung Esthor bahnte. Elyn beobachtete den Ritter der Tiefe schweigend. Sie bemerkte Jonathan Andrews neben sich.

»Wie geht es Jan?«, fragte die Alyske.

»Naja, er wird jetzt ohne die rechte Hand weniger Spaß haben.«

Elyn verstand nicht so ganz. Andrews merkte, dass er deutlicher werden musste.

»Kleiner Scherz. Ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Eine Hand kann man wieder neu wachsen lassen.«

Warum hatte das Quarterium so reagiert? Hatte es doch etwas mit MODROR zu tun? Elyn wagte nicht, daran zu glauben, jedoch ergab alles nur unter diesem Vorzeichen einen Sinn. Es musste so sein: Das Quarterium diente MODROR!

Joak Cascal kam hinzu. Er wirkte angegriffen. Aber das taten wohl alle im Moment.

»Tolk ist wie ein Gummibaum. Die Ärzte sagen, sein Zustand sei kritisch. Wir haben außer ein paar Medopacks aus den Space-Jets kaum medizinische Versorgung.«

»Und Tolk ist leider nicht der einzige Verletzte«, stellte Gal’Arn fest und deutete auf viele verwundete Zivilisten, die auf den Straßen lagen. Sie waren von Spähern der Dscherr’Urk angegriffen worden.

Cascal spuckte auf den Boden.

»Ich verfluche diese Brut aus Cartwheel!«

»Was sollen wir jetzt tun, Meister?«, wollte Jonathan Andrews wissen.

Gal’Arn schaute erneut auf die Stadt hinab. Er schien sich Gedanken um die Zivilisten zu machen.

»Wir müssen uns verteidigen, bis Hilfe kommt.«

»Falls Hilfe kommt«, warf Cascal bitter ein.

»Sie wird, sofern die da oben die Schlacht gewinnen werden«, meinte Gal’Arn.

Offenbar vermutete er, dass MODRORs eintausend Schiffe in den Krieg gezogen waren. Die Alyske stimmte dem Ritter der Tiefe innerlich zu. Auch wenn sie keinen Beweis hatten, sicherlich wurde im Weltall gekämpft.

»Es besteht noch Hoffnung, so ausweglos die Situation auch erscheint. Wir müssen alle kampftauglichen Männer versammeln und die Zivilisten in Sicherheit bringen …«

Cascal nickte. Er wollte die Verteidigungsarmee aufstellen. Jonathan Andrews ging ihm dabei zur Hand. Gal’Arn und Elyn blieben zurück.

»Ich wünschte, mein Volk wäre jetzt hier. Mein Vater wäre ein starker Verbündeter«, sagte Elyn.

»Ich frage mich nur, was mit ES ist.«

»ES war niemals hier.«

Der Ritter und die Alyske drehten sich überrascht um. Sie sahen Perry Rhodan und Aurec.

»MODROR hat sich als ES ausgegeben. MODROR ist oder war hier und hat uns in die Falle gelockt. Alles war von Anfang an geplant. Und nun wünscht er uns einen ruhmreichen Tod …«

Perry Rhodan klang sarkastisch. Elyn wusste nicht, was vorgefallen war, doch beide, auch Aurec, wirkten sehr angegriffen. Es schien, als ob sie durch die Hölle gegangen waren.

»Und was jetzt?«

»Kämpfen, Elyn! Wir werden kämpfen. Wenn ich Bully richtig einschätze, wird er nicht auf mich gehört und irgendwo eine Flotte stationiert haben. Die könnte uns helfen …«

Just in diesem Moment materialisierte Gucky. Er hatte eine dicke Beule am Kopf, die von Despairs Schlag mit dem Schwert stammte.

»Sei mir nicht böse, Perry, aber Bully hat eine Flotte tausend Lichtjahre von hier zusammengezogen. Er meinte, du seist mal wieder auf deiner Peace-Welle geritten, und hat deshalb deine Befehle ignoriert.«

Rhodan sah den Mausbiber seltsam an. Offenbar wusste Rhodan nicht, ob er sauer oder glücklich darüber sein sollte.

»Dann müssen wir durchhalten«, sagte Rhodan. »Halten, bis Entsatz kommt …«

*

14:10 Uhr

Nun war es soweit! Der Krieg würde beginnen. Rodrom thronte auf seinem Drachen. Das Tier bewegte lauernd die ledrigen Schwingen, unter denen mehrere Elefanten Platz gehabt hätten, reckte den mit schuppigen Stacheln bewehrten Hals. Sein Reiter beobachtete den Aufmarsch der Dscherr’Urk. Hunderttausende marschierten vor die Mauern Esthors und nahmen ihre Position ein.

Dieses Esthor war nichts weiter als eine Illusion und dennoch nach dem Vorbild einer alten, ehrwürdigen Stadt erbaut worden: Saragon, die schillernde Hauptstadt der Welt Sargomoph. Es war Millionen von Jahren her, dass diese Welt, diese Stadt existiert hatte. Rodrom selbst kannte sie nicht einmal, jedoch sein Meister.

Hauptmann Agla kommandierte die Truppen, aber auch Goshkan und Cau Thon überwachten den Angriff. Rodrom selbst wollte bald zur SISHEN wechseln, um den Kampf im Weltraum zu beobachten.

»Cau Thon, du hast nun das Kommando.«

»Eine Ehre, Meister! Die Stadt wird bald fallen. Rhodan und Aurec werden sterben.«

Die Dscherr’Urk stimmten in einen Kriegsgesang ein. Die Trommler hämmerten eine düstere Melodie, rhythmisch zu den Fußschritten der Soldaten.

»Beginnt jetzt mit dem Angriff!«

Rodrom hieb dem Drachen die Sporen zwischen die Schuppen. Das Tier fauchte, dann hob es ab und schwang sich in einem weiten Bogen in die Lüfte, um gemeinsam mit seinem Herrn aus der Vogelperspektive den Angriff mitzuerleben.

Cau Thon gab Goshkan und Agla das Zeichen. Auf ihren gehörnten Rössern ritten sie an die vorderste Front. Rodrom gefiel dieser antike Aufmarsch. Mann gegen Mann und nicht irgendwelche hyperphysikalischen Waffen, die jeden Spaß verdarben.

»Soldaten MODRORs! Es ist nun soweit. Kämpft tapfer! Tötet jeden, zeigt kein Erbarmen. Verschont kein atmendes Wesen! Für MODROR!«

Die Dscherr’Urk brüllten los! Sie brüllten den Namen des Meisters.

»MODROR!«

Cau Thon hob zum Jubel der Horden den Caritstab in die Höhe.

»MODROR!«

Er wirbelte den Stab umher.

»MODROR!«

Dann gab er ein Zeichen. Agla schrie etwas in seiner Sprache, und schwere Artillerie fuhr auf. Die Menschen hatten keine Chance gegen die Macht des Kosmotarchen. Sie besaßen allenfalls Handfeuerwaffen. Keine Schutzschirme, keine schweren Geschütze.

Sie waren verloren!

*

Aurec: zur selben Zeit

»Was machen wir jetzt, Aurec?«

Elyn klang ratlos, beinahe ängstlich. Leider wusste ich auf die Schnelle auch keine Antwort. Ich sah Perry an. Der reagierte sofort.

»Zivilisten in die hinteren Viertel der Stadt. Joak, die Space-Jets in die Luft. Schutzschirm an. Los!«

Cascal salutierte. Jetzt verstand auch ich. Gal’Arn gab Jaktar ein Zeichen. Die wenigen Raumschiffe, die wir hier hatten, mussten wir nutzen. Ich blickte auf die schreienden, grölenden Dscherr’Urk. Ich erkannte Cau Thon und Goshkan. Sie führten diese Bestien an.

Die Geschütze wurden justiert und feuerten. Eine brennende, funkende Energiesalve donnerte auf die Stadt, zerstörte Türme und Mauern. Die Wesen fingen in Panik an zu schreien, liefen um ihr Leben. Ein weiterer Schuss vernichtete einen Turm wenige hundert Meter von uns entfernt. Die Trümmer prasselten auf die Straßen.

Hinter uns hörte ich das Aufheulen der Triebwerke unserer Schiffe. Der dritte Schuss landete direkt im Schutzschirm der TERSAL und wurde absorbiert. Cascal flog mit Rhodans Space-Jet einen Angriff auf die Geschütze. In drei gewaltigen Explosionen mussten tausende Dscherr’Urk vergangen sein.

Rodroms Drachen griffen die Space-Jet an. Eines dieser gigantischen Reptilien donnerte auf die Raumfähre zu, doch die TERSAL griff feuernd ein und holte die Kreatur herunter. Sie verging in einer Feuerlohe. Unverzüglich kehrten die Schiffe wieder zurück und bauten einen neuen Schutzschirmwall auf, da die Dscherr’Urk neue Geschütze heranholten.

Sie feuerten aus allen Rohren. Wenige Salven brachen durch, da die drei Space-Jets und die TERSAL nicht in der Lage waren, alles zu schützen. Die Stadt stand bereits nach wenigen Minuten in Flammen. Immer wieder scherte jedoch eines der vier Raumschiffe aus, um das Feuer auf unsere Feinde zu eröffnen. Besonders Cascal zeigte kein Pardon. Ein Massaker fand dort unten statt.

Energiegeschosse brausten auf die Stadt zu, doch sie verharrten wie von Geisterhand in der Luft, kehrten um und prasselten auf ihre Schützen nieder. Erst jetzt sah ich den Mausbiber, der erschöpft an einer Mauer lehnte. Gucky hatte dieses »Wunder« vollbracht. Mir kam eine Idee. Ich rannte zum Ilt.

»Hast du noch Kraft?«

Gucky sah mich seltsam an, doch dann blitzte sein Nagezahn auf.

»Der Retter des Universums ist unermüdlich. In jeder Situation.«

Ich winkte Perry Rhodan herbei, der einhundert Meter von uns entfernt etwa dreihundert Soldaten befehligte, die mit allem, was sie hatten – zumeist nur Thermostrahler und wenige Intervallgewehre – auf die Dscherr’Urk feuerten. Perry eilte zu uns. Er atmete schwer, als er unsere Gruppe erreichte.

»In Chemie war ich immer eine Niete, also erkläre mir in einfachen Worten, was wir ohne großen Aufwand zu Bomben umwandeln können.«

Perry schmunzelte, als er kurz zu Gucky herab sah. Er begriff, was ich bezweckte.

»Fragen wir Scorbit, der war mal Chemiker.«

Gucky nickte rasch und entmaterialisierte, um wenige Sekunden später mit dem verdutzten Jan Scorbit wieder aufzutauchen. Dessen rechte Hand fehlte. Der Stummel war notdürftig verarztet worden. Viele Medikamente besaßen wir nicht.

Ich schilderte Jan meinen Plan.

»Wir haben drei Möglichkeiten. Erstens: Napalm-Ersatz. Napalm besteht aus Aluminiumpalmitat und Benzin. Wir nehmen Styropor und vermischen es mit Benzin, bis man eine gelartige Masse erhält. Dann in Behälter abfüllen und zünden. Brennt alles weg und haftet an allen sich in der Nähe befindenden Objekten!«

Rhodan nickte. Ich hatte Probleme, Scorbits Ausführungen zu folgen, aber Elyn und Gucky machten sich sofort auf die Suche nach den geeigneten Stoffen.

»Eine zweite Alternative wäre Glycerin mit Nitriersäure. Sehr giftig und sehr explosionsfähig, da nur eine geringe Aktivierungsenergie ausreichend ist. Oder wir versuchen es mit Raketengrundstoff. Zucker mit einem entsprechenden Chlorat-Salz, was man in Putzmitteln findet.

Aus etwa einem Kilogramm entsteht eine Gasmenge von viertausend Litern CO2, welches durch einen Tropfen Schwefelsäure entzündet werden kann.«

»Also gut, Scorbit. Suchen Sie die Stadt danach ab und basteln Sie mit Elyn und Gucky ein paar Bömbchen.«

Scorbit wollte mit dem rechten Arm salutieren, starrte irritiert auf seinen Stummel und ließ es. Perry Rhodan blickte ihm hinterher. Die Space-Jets hielten den meisten Beschuss noch von uns fern und fügten den Dscherr’Urk hohe Verluste zu. Es war ein Massaker, aber immer wieder strömten neue Dscherr’Urk nach.

Wie lange würden wir durchhalten?

2. Chaos am Sternenportal

Der Beginn der Raumschlacht

14:10 Uhr

Der Angriff hatte soeben begonnen!

Niemand konnte dieser Gewalt etwas entgegensetzen. Das grelle Licht brannte in Will Deans Augen. Als wäre ein neuer Stern geboren worden, hüllten Licht und Feuer den Raum vor ihm ein. Dort, wo sich noch vor wenigen Sekunden ein Kugelraumer der NOVA-Klasse befunden hatte. An jenem Ort schälte sich aus der nun kleiner werdenden Feuersonne das keilförmige Schiff des Gegners heraus. Der Mörder von mehr als eintausend Terranern.

Ein Mörder von vielen.

Das war der erste feindliche Schuss der MODROR-Krieger seit der Vernichtung einer Space-Jet der IVANHOE II vor rund zweieinhalb Stunden gewesen. Nun, da sich die ersten LFT-Verbände WANDERER näherten, wurde die Schlacht von MODROR offiziell eröffnet.

Das Raumschiff hielt direkten Kurs auf Will Dean und seine Staffel. Er registrierte, während er einige Einstellungen seines Jägers auf der blauen Schalttafel kalibrierte, dass tausende Abfangjäger aus dem Bauch der Stahlbestie herausschossen.

»Es geht los!«

Tausende Jäger jagten ihnen entgegen. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann brach im All die Hölle los. Hunderttausende Energiestrahlen blitzten durch den kalten Weltraum. Überall vergingen unzählige Raumjäger in einer Gluthölle.

Der Interkom war überfüllt mit Todesschreien und verzweifelten Hilferufen.

Will Dean atmete tief ein. Er warf einen Blick auf sein Anzeigenfeld. Mehr als zwanzigtausend Schlachtschiffe unbekannten Typs waren durch das Sternenportal eingedrungen. Angeführt wurden sie von einer gewaltigen Kampfstation mit mehreren hundert Kilometern Größe und einem fliegenden Totenschädel – die SISHEN, wie Dean inzwischen wusste. Es war Rodroms Flaggschiff.

Das war MODRORs Armada. Er dachte kurz über Reginald Bulls Worte vor weniger als zwanzig Minuten nach.

»Der Krieg hat begonnen. MODROR hat WANDERER angegriffen. Eine Flotte befindet sich auf den Weg. Wir müssen WANDERER schützen.«

Das war alles. Jene Nachricht hatte sie ereilt, nachdem Deans Freund Remus Scorbit die »Notflotte« von Bull erreicht hatte.

Die sich ohnehin in Alarmbereitschaft befindenden Schiffe waren sofort in Richtung WANDERER aufgebrochen. Sie hatten sich dem Befehl von Admiral Xavier Jeamour unterstellt und bildeten den ersten Angriff. Vielmehr war es eine Ablenkung, um die hier stationierten Flottenteile bei den Raumstationen zu sammeln. Doch der Angriff hatte noch einen anderen Zweck. Wenn möglich, sollten einzelne Jäger nach WANDERER vorstoßen. Jeamour räumte ihnen mehr Chancen ein als den Schlachtschiffen.

Dean bildete mit der Jägerstaffel der LEIF ERIKSSON eine von fünfzig Raumjägerstaffeln, die sich im Anflug auf WANDERER befanden. Mehr als fünftausend Jäger rasten der Welt der Superintelligenz entgegen.

Es hatte nicht lange bis zum ersten Feindkontakt gedauert. Die unbekannten Schiffe hatten ebenfalls Jäger ausgeschickt. Die halbmondförmigen Raumer waren wendig und zahlreicher als die der Liga Freier Terraner. Ohne lange zu überlegen, stürzten sich die LFT-Staffeln in die Schlacht.

»Auf elf Uhr«, rief Oly Lytz durch den Interkom.

»Wo ist nochmal elf Uhr?«, fragte Deans Flügelmann Phil Haman nach.

Lytz stieß einen gellenden Schrei aus. Hamans Jet tauchte ab. Zwei Energiesalven blitzten knapp an seinem Schiff vorbei. Dean drehte und visierte den Angreifer an. Doch Lytz kam ihm zuvor. Das feindliche Raumschiff explodierte in einem grellen Feuerball.

Oly Lytz schrie schrill auf vor Freude. Dean hatte »Psycho« seit der Schlacht im HELL-Sektor besser kennengelernt. Lytz war wirklich ein Psychopath, aber ein exzellenter Pilot, den Dean in seiner Staffel nicht missen wollte.

»Es ist unmöglich, nach WANDERER vorzustoßen. Die großen Schiffe errichten eine Blockade«, meldete Haman.

Hinter ihm tauchte ein MODROR-Jäger auf. Haman wich den Strahlen aus, drehte einen Looping und befand sich hinter dem Schiff. Ohne zu zögern, zerstörte er es mit einem Schuss.

»Mir ist schlecht«, meinte er übergangslos. »Hätte vorhin nicht so viel Bier saufen sollen.«

»Sie trinken Bier im Dienst, Leutnant?«, fragte Dean überrascht.

»Zielwasser.«

»Na Prost Mahlzeit …«

Dean seufzte. Er teilte jedoch Hamans Ansicht, dass sie unmöglich nach WANDERER durchbrechen konnten.

»Wo bleiben die großen Pötte?«

Lytz hatte recht. Wo befand sich die LFT-Flotte? Gerade einmal zweihundert Schiffe schwirrten im Raum umher. Der Rest sammelte sich bei den Raumstationen, immerhin fast fünftausend Schlachtschiffe der LFT, der Saggittonen, Akonen, Maahks, Tefroder, Posbis und Haluter.

Dean lobte Bullys Weitsicht. Auch wenn es gegen alle Regeln der Diplomatie gewesen war, so hatte Reginald Bull das einzig Richtige getan. Hoffentlich würden die fünfundzwanzigtausend Schlachtschiffe nicht zu spät kommen.

»Rückzug einleiten. Wir bleiben beim Flottenverband«, befahl Dean schließlich.

Die Staffeln kehrten zu den Kugelraumern zurück.

*

Auf der IVANHOE II

»Admiral Jeamour, Sie haben den Oberbefehl über die Streitkräfte. Entsatz ist unterwegs.«

Reginald Bull sah den Belgier ernst an. Jeamour begriff die aussichtslose Lage schnell. Knapp fünftausend alliierte Schlachtraumer gegen über zwanzigtausend Schiffe MODRORs.

»Wie groß wird der Entsatz sein?«

»Fünfundzwanzigtausend Schiffe«, erklärte Bull.

Das war beruhigend.

»Admiral Higgins und ich warten mit der 8. Terranischen Flotte eintausend Lichtjahre von hier im Sektor Montgomery. Nun, genaugenommen warten wir nicht, wir preschen die Sternenautobahn mit Höchstgeschwindigkeit entlang …«

Reginald Bull beendete die Verbindung. Jeamour sah sich in der Zentrale um und erblickte besorgte Gesichter. Mathew Wallace, Lorif, Irwan Dove, Tania Walerty, Jenny Taylor und Zyrak Wygal. Das waren die Männer und Frauen, auf die er sich verließ.

Walerty und Taylor waren erst vor Kurzem wieder auf die IVANHOE II gekommen, denn sie waren am frühen Morgen nach SOLARIS STATION aufgebrochen, um Saraahs und Mathew Wallaces Trauung vorzubereiten. Saraah befand sich auf SOLARIS STATION. Dort war es nach Ansicht von Wallace sicherer als auf einem Kriegsschiff.

»Irwan, setzen Sie sich mit den alliierten Verbänden der Saggittonen, Estarten, Posbis und Haluter in Verbindung. Koordinieren Sie die Verbände. Wir sammeln uns bei den Raumstationen.«

»Wollen wir denn nicht die Blockade durchbrechen, Sir?«, fragte der Oxtorner sichtlich überrascht.

»Womit denn? Mit fünftausend Schiffen kommen wir nicht weit. Wir müssen auf die Verstärkung warten. So leid es mir tut. Alles andere wäre Selbstmord.«

»Sir?«

»Ja, Miss Walerty?«

Tania war kalkweiß, ihr schwarzes Haar hing wirr ins Gesicht. Offenbar litt sie immer noch an den Folgen ihres Besäufnisses vom Vortag.

»Wir haben inzwischen Informationen über die feindlichen Schiffe erhalten. Einige Schiffstypen stammen aus Barym.«

Das hatte Jeamour auch erwartet. MODROR setzte seine Hilfsvölker aus Barym wieder ein. Aber offenbar hatte er auch noch einige Völker in anderen Galaxien, die nun aufmarschiert waren.

»Gut, stellen Sie Anfragen an die Quarterialen und Dorgonen. Wir benötigen den Beistand. Das geht uns jetzt alle an.«

Tania bestätigte.

Auf dem Monitor verfolgte Jeamour die Manöver seiner kleinen Flotte. Einige Dutzend Stiftschiffe der Barymer griffen von der linken Flanke an. Sie fielen wie ein tödlicher Schwarm über die LFT-Kugelraumer her und konzentrierten das Feuer auf einen CERES-Kreuzer. Der Raumer explodierte nach wenigen Sekunden. Ein saggittonisches Scheibenschiff rauschte dazwischen, entlud seine tödlichen Energiesalven auf ein Stiftschiff und ließ es in einer gewaltigen Explosionswolke vergehen.

Drei fremdartige Schiffe! Jeamour taufte sie Ringschiffe, da sie in der Mitte ein Loch besaßen. Sie griffen das saggittonische Schlachtschiff an. Den Saggittonen kam zwei Dutzend NOVA-Schiffe zu Hilfe. Die Ringschiffe vergingen innerhalb weniger Sekunden. Ein Stiftschiff brauste direkt in das Saggittonenschiff. Der Schutzschirm des Scheibenraumers brach zusammen, ein zweites Barymschiff donnerte hinein und zerstörte das Scheibenschiff. Die NOVA-Schiffe feuerten noch zwei weitere Stiftschiffe ab, ehe sich der Kampf verlagerte.

Jeamour seufzte.

Die IVANHOE II drehte ab und flog in Richtung SOLARIS STATION. Die Schiffe MODRORs umkreisten WANDERER und schlossen den Ring. Jeamour hatte wenig Hoffnung, denn er befürchtete, dass diese knapp zwanzigtausend Schiffe MODRORs erst der Anfang waren.

*

Cauthon Despair, EL CID: 15:00 Uhr

Rosan Orbanashol-Nordment sah ich ihren Zorn an. Doch der Emperador schien sich darüber zu amüsieren. Er thronte in seinem breiten Sessel und beobachtete die Schlacht. Neben ihm stand Diabolo. Rechts saß die Halbarkonidin, links Uwahn Jenmuhs, der immer wieder giftige Blicke mit der unfreiwilligen Favoritin des Emperadors de la Siniestro austauschte.

»Wieso sind wir untätig? Ich begreife eure Verbrechen nicht, de la Siniestro«, sagte Rosan. »Die Artenbestandsregulierung und nun diese Passivität. Ich könnte glatt glauben, dass Sie und MODROR …«

Rosan stockte. Ihr schien ein Licht aufzugehen. Entsetzt starrte sie den Emperador an.

»Verbündete sind?«, vollendete der Emperador den Satz. »Zerbrecht Euch darüber nicht Euren hübschen Kopf. Bald werdet Ihr meine Gemahlin sein. Endlich eine würdige Frau an meiner Seite.«

»Eher sterbe ich.«

»Das ließe sich ebenfalls einrichten.«

Der Emperador gab mir ein Zeichen. Demonstrativ zog ich mein Schwert aus der Scheide. Rosan zuckte zusammen.

»Sei vernünftig, Liebste«, bat der Emperador. »Wir werden bald nach Cartwheel zurückkehren und diesen grässlichen Schauplatz vergessen.«

»Das bedeutet, Ihr überlässt Rhodan und Aurec ihrem Schicksal. Das Quarterium ist weitaus schlimmer, als ich befürchtet habe.«

Rosans Worte waren nicht einmal verkehrt, doch sie verstand nicht die ganze Situation, besaß keinen Überblick. Ich blickte auf mein Chronometer.

Es wurde Zeit, nach SOLARIS STATION aufzubrechen.

*

15:20 Uhr

Wenige Meter von seinem Raumgleiter entfernt jagte ein Bündel tödlicher Energiestrahlen vorbei. Dean tauchte in den leeren Raum ab. Zwei Jäger waren plötzlich hinter ihm. Bevor er reagierte, vergingen sie im Feuer seiner beiden Flügelmänner Haman und Lytz. Nun war er ihnen wieder etwas schuldig.

Die Raumjäger sammelten sich bei den größeren Schiffen, um dort Deckung zu suchen. Dean registrierte, dass quarteriale Einheiten, die sie nicht unterstützten, vor den Raumstationen manövrierten. Hätte er es nicht besser gewusst, sah es so aus, als würden sie die drei Stationen besetzen.

MODRORs Schlachtschiffe bewegten sich kaum aus dem Orbit WANDERERs. Nur langsam rückten sie in Richtung der Raumstationen vor. Dean fragte sich, warum sie so verhalten reagierten. Ihre Überlegenheit war gigantisch. Fast dreißigtausend Schlachtschiffe MODRORs befanden sich inzwischen in diesem Sektor, allen voran die SISHEN und eine Art Raumstation, die an eine Burg erinnerte. Mit fünfhundert Kilometern Höhe war dieses Monstrum gewaltig. Offensichtlich war es ein Trägerschiff.

Dean wusste, dass, wenn nicht bald die fünfundzwanzigtausend Schiffe von Bull den Sektor erreichten, diese Schlacht vorbei war, bevor sie richtig begonnen hatte.

An das Schicksal von Rhodan und all den tausenden Lebewesen auf WANDERER mochte er gar nicht denken.

Der Fall der Raumstationen

Cauthon Despair: 15:50 Uhr

Die quarteriale Flotte hatte einen Ring um SOLARIS STATION geschlossen. Weitere Verbände waren auf dem Weg zu SUN und SOL STATION.

»Senden Sie eine Nachricht an die IVANHOE II. Die Raumstationen stehen jetzt unter dem Schutz des Quarteriums. Fordern Sie die LFT auf, ihre Streitkräfte weiträumig abzuziehen.«

Oberst Tantum führte den Befehl aus. Ein quarterialer Offizier in Grautruppen-Uniform trat zu mir.

»Major Korral meldet sich zum Dienst.«

»Gut, Major. Ist die Division einsatzbereit?«

»Die Truppen sind bereit und warten in den Landungsraumschiffen, Sir!«

»Kehren Sie zu Ihren Einheiten zurück. Ich werde in Kürze hinzukommen. Dann kann die Landung beginnen.«

Major Korral salutierte und verließ die Kommandostation.

Ziehe die Streitkräfte von SUN und SOL STATION ab. Opfere nicht deine Bauern.

Rodroms Stimme schoss durch meinen Kopf. Offenbar eine Warnung meines Herrn und Meisters.

»Tantum, ziehen Sie die Einheiten von SUN und SOL STATION wieder ab. Konzentrieren Sie sich auf SOLARIS STATION.«

»Aber, Sir?«

»Tun Sie es einfach. Ich begebe mich jetzt zur Raumstation.«

In diesem Moment betrat Leticron die Zentrale.

»Der Corun hat jetzt bis zu meiner Rückkehr den militärischen Oberbefehl.«

Leticron grinste überheblich.

»Viel Spaß, Despair. Bringen Sie ein paar hübsche Andenken mit.«

*

Dean fluchte so laut durch das Interkom, dass es jeder vernahm. Wieder einmal war er nur knapp dem Tod entronnen. Was ihn jedoch mehr beunruhigte, war die SISHEN! Rodroms Totenkopfschiff schob sich plötzlich langsam in Richtung der Raumstationen.

Nun trat das ein, was er befürchtete. Aber wieder griff es weder die LFT, noch die saggittonischen Einheiten an.

»Was hat er vor?«

»Wer?«, kam die Gegenfrage von Phil Haman.

»Rodrom. Dieses Schiff ist mächtig genug, um uns zurückzuschlagen. Worauf wartet er?«

*

16:00 Uhr

Kaum war Rodrom auf der SISHEN, wurde er durch den Kommandanten begrüßt. Zerres war ein Rytar, ein klobiger, dreibeiniger, einäugiger Rytar. Sie waren seltsam geformt, doch von einer Genialität, die sie zu den fähigsten Kreaturen in Barym machte. Er gab Rodrom einen Abriss der Lage und fragte nach neuen Instruktionen.

»Meister, sollen wir nicht bald angreifen?«

Rodrom genoss diesen Moment. Innerhalb kürzester Zeit schien DORGONs gesamter Plan vollständig gescheitert zu sein. Hunderttausende Dscherr’Urk stürmten in diesem Moment »Esthor« und Tausende Schiffe MODRORs und der alliierten Dorgonen und Quarterialen kämpften überlegen gegen die kleine Streitmacht der Terraner und ihrer Verbündeten.

Rodrom musterte den Kommandanten der Operation.

»Zerres, ich erteile Ihnen hiermit den Befehl, die Raumstation SUN STATION zu pulverisieren.«

Zerres lachte hustend, dabei platschte eine Ladung Schleim auf den Boden. Die Rytar hatten das nicht so unter Kontrolle. Rodrom kümmerte es wenig.

Dann gab Zerres den Befehl. Rodrom überkam ein Gefühl der Freude. Ein innerer, warmer Schauer des Glücks, als die feuerrote Energiesalve ihren apokalyptischen Weg begann und Millisekunden später den Schutzschirm der Station mühelos überlastete und sich durch das Metall bohrte. Rodrom spürte mit größtem Entzücken den Aufschrei von zwei Millionen Wesen in Panik und Todesangst.

Kurz nachdem die Salve detonierte, zerbarst die gesamte Raumstation in tausend glühende Trümmerteile. Rodrom genoss den kurzen, aber intensiven Todeskampf der Wesen und weidete sich an ihren ruhelos gewordenen Seelen, die in ihn aufgingen.

SUN STATION existierte nicht mehr.

*

Will Dean starrte fassungslos auf den glühenden Feuerball, der vor wenigen Sekunden noch eine mit zwei Millionen Lebewesen bewohnte Raumstation war.

»Will Dean an IVANHOE.«

»Ich habe es gesehen, Dean«, kam die prompte Antwort von Xavier Jeamour. »Wir müssen sofort SOL und SOLARIS STATION evakuieren. Ich erteile sofort den Befehl, einen Ring um die beiden Stationen zu schließen.«

»Verstanden, mal sehen, wie die Quarterialen reagieren …«

Dean gab den Befehl an seine Staffel durch. Hunderte von Jägern nahmen Kurs auf die Raumstationen und wurden sofort in Gefechte mit weiteren MODROR-Schiffen verwickelt.

Ein unübersichtlicher Hagel aus Energieblitzen erfüllte den Weltraum. Unweit von Dean explodierte ein CERES-Kreuzer. Die Druckwelle schleuderte seinen Jäger aus der Bahn. Das Gefährt wirbelte herum, doch dem Afroterraner gelang es, sein Schiff zu stabilisieren.

Zwei Explosionen Backbords ließen ihn erschrecken. Dann bemerkte er auf seinem Ortungsfeld, dass Phil Hamans Jäger über ihn hinwegschoss.

»Ich hab dir den Hintern gerettet, während du unnötige Manöver fliegst.«

Dean ignorierte das mit einem Lächeln.

Die Attacken ließen nach, sobald sie SOLARIS STATION erreichten. Statt Schüssen erhielten sie vom Quarterium die Aufforderung, sich umgehend zurückzuziehen.

»Was erwarten die von uns, verdammt nochmal?«

Dean war ratlos und wütend über das Verhalten der Verantwortlichen. Lange würden sie sich auf jeden Fall nicht mehr so halten können. Die IVANHOE II war unweit von SOLARIS STATION entfernt.

Dann ein neuer Energieblitz! Dean erschrak. SOL STATION explodierte in einem grellen Lichtblitz. Die zweite Station wurde vernichtet! Über Funk bekam Dean mit, dass Jeamour das Quarterium zur Evakuierung von SOLARIS STATION drängte. Es hieß aber immer wieder, dass dies nicht nötig sei.

Nun meldete sich Leticron via Hologramm.

»Admiral Jeamour, wir haben SOLARIS STATION gesichert und beschützen die Besatzung. Ich rate Ihnen, Ihre Streitkräfte zu sammeln und zu fliehen, solange es noch geht!«

Leticron beendete die Verbindung. Dean fragte sich, wieso das Quarterium ihnen nicht half. Auch die dorgonischen Schiffe schwebten ruhig am Rand des Sektors. Es waren tausende Schiffe, die entscheidend hätten sein können.

In Dean kroch das Gefühl hoch, verraten zu werden. Weder das Quarterium noch Dorgon scherten sich um die LFT.

»Hier spricht Admiral Jeamour! An alle Einheiten. Wir sammeln uns bei SOLARIS STATION. Direkt zwischen den Quarterialen Einheiten. Dieser Aufruf gilt ebenso für die alliierten Einheiten. Da das Quarterium offenbar nicht angegriffen wird, suchen wir Schutz bei ihren Schiffen.«

Die Idee fand Dean gar nicht mal unklug. Die Raumjäger formierten sich neu und suchten Deckung zwischen den großen SUPREMO-Raumschiffen. Die MODROR-Geschwader drehten ab. Der Plan hatte funktioniert. Dean fragte sich nur, wie lange es so blieb und wann die Verstärkung eintreffen würde.

*

Cauthon Despair: 16:20 Uhr

Ich beobachtete die näherkommende Raumstation. Sie war unbeschadet, im Gegensatz zu den anderen beiden Raumstationen. Rodrom hatte sie zerstört. Blankes Entsetzen und Angst hatte sich kurzzeitig unter der 501. Grautruppendivision breit gemacht. Jeder fragte sich, was wäre, wenn SOLARIS STATION auch vernichtet werden würde? Nun, ich kannte die Antwort darauf. Natürlich wurde SOLARIS STATION nicht vernichtet, da Rodrom eine Raumstation behalten wollte.

Die Kreuzer der 501. landeten auf SOLARIS STATION. Es gab keinen Widerstand, jedoch herrschte überall auf der Raumstation Panik. Ich gab Major Korral ein Zeichen. Wir verließen den Kreuzer und machten uns ein Bild von der Lage. Einige Explosionen erschütterten die Station. Wieso? Rodrom wollte SOLARIS STATION unversehrt. Vielleicht war es ein Unfall, kein absichtlicher Beschuss.

Innerhalb weniger Minuten verteilten sich die Grautruppen innerhalb der Station. Schüsse! Was war hier los? Major Korral eilte auf mich zu.

»Sir, es gibt offenbar ein paar Chaoten, die auf uns feuern. Nicht jeder scheint uns willkommen zu heißen.«

»Versuchen Sie zuerst, die Kommandozentrale unter Kontrolle zu bringen. Die Bewohner der Station sollen sich in großen Räumen sammeln.«

Major Korral salutierte und stürmte davon. Während er lief, informierte er die anderen Offiziere. Ein lautes Brummen ließ mich umdrehen. Ein Kreuzer landete. Das Zeichen der Bestien zierte den grauen Kugelraumer. Das Schott öffnete sich und eine Horde Pelewon stampfte brüllend heraus. Ich wich den Monstern aus, sonst hätten sie mich zweifellos zertrampelt. Einer der Pelewon hielt auf mich zu und grüßte.

»Urzur Mor, Befehlshaber der Yanok-Kohorte steht zu Ihren Diensten.«

Ein wahrlich gewaltiger Anblick. Mehr als doppelt so groß und breit, wie ich selbst es war. Die graugrüne, schuppige Haut reflektierte die Strahlen der Beleuchtung. Mors’ drei rote Augen glühten vor Kampfeslust. Die beiden Armpaare waren angespannt. In den Handlungsarmen hielt er je eine Strahlenwaffe, die Hände des Laufarmpaares waren zu Fäusten geballt.

»Offensichtlich gibt es Widerstand auf der Station. Eleminieren Sie Terroristen, schonen Sie aber die Unschuldigen. Verstanden?«

Die Bestie grollte etwas vor sich hin und gab die Befehle seinen Soldaten weiter. Insgesamt zwölf Pelewon und Moogh. Eine Eingreiftruppe, die eine Sondergruppe in der 501. Division darstellte. Torsors Bestien: ungestüm, aber effektvoll. Niemand stellte sich diesen Ungetümen in den Weg. Sie waren oftmals entscheidend im Kampf.

Ich hoffte nur, sie würden nicht zu viel Schaden anrichten. Major Korral kam wieder in den Hangar. Der genmodifizierte Terraner war verwundet. Etwas stimmte hier nicht. Das waren bestimmt keine aufgebrachten oder verängstigten Bewohner der Raumstation.

»Sir, Shak’Arit-Roboter befinden sich in der Raumstation. Wir wissen auch nicht, woher die gekommen sind. Aber sie greifen uns an!«

Shak’Arit? Anubis-Roboter, nach dem Abbild seiner Rasse, den humanoiden Schakalköpfen. Aber das bedeutete, die Kemeten waren hier! Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Horus und Anubis. Demnach befanden sie sich nicht auf WANDERER. Offenbar hatten sie MODRORs Falle erkannt. Das änderte vieles. Ich wandte mich wieder an den Bestien-Führer: »Urzur Mor, vernichten Sie die Shak’Arits. SOLARIS STATION muss unbedingt eingenommen werden!«

Die Bestie lachte grollend.

»Krieger Druithoras! Lasst uns töten!«

Das Dutzend Bestien grölte los. Sie ließen sich auf ihre Laufarmpaare fallen und brausten donnernd davon. Der Boden zitterte. Dennoch, das Eingreifen der Kemeten brachte eine unangenehme Wendung mit sich. Wie viele waren es? Und vor allem: Waren auch Raumschiffe hier?

*

16:30 Uhr

Rodrom thronte auf dem Kommandosessel der SISHEN und überwachte die Eroberung des Sektors. Es gab kaum Widerstand. Nach der Vernichtung der ersten beiden Raumstationen war SOLARIS STATION in die Hände des Quarteriums gefallen. Die wenigen Raumschiffe der Terraner und ihrer erbärmlichen Verbündeten waren keine Bedrohung für MODRORs Armada.

»Zerres, ich glaube, so langsam kann die Raumstation ihre Schiffe ausspucken. Verdoppeln wir unsere Stärke.«

Zerres verneigte sich und gab den Befehl an einen Untergebenen weiter. Rodrom registrierte, dass unverzüglich tausende Schlachtraumschiffe aus der Station URGUNGAAR ausgeschleust wurden.

Es war vorbei! Perry Rhodan und Aurec kämpften ihre letzte Schlacht, DORGON lag im Sterben und diese minderwertigen Unterwesen konnten ihre vernichtende Niederlage nicht mehr verhindern.

Ein gewaltiger Ruck ging durch die SISHEN. Was war das? Rodrom sah sich um. Konsolen explodierten, eine Feuerfontäne sprudelte für Sekunden aus dem Boden.

»Wir wurden beschossen!«, meldete Zerres.

»Wer? Niemand kann uns angreifen. Wir sind unverwundbar. Keine sabbernde, stinkende, physische Amöbe wäre dazu in der Lage.«

Der Rytar hustete.

»Aber vielleicht die dort?«

Rodrom sah aus dem Panoramafenster. Mitten aus dem Nichts schälte sich eine Form. Ein Dreieck aus Stahl. Eine Pyramide. Rodrom lachte. Das war unmöglich. Alle Kemeten waren bei der Schlacht im HELL-Sektor ausgerottet worden.

»Das Schiff nimmt Kurs auf SOLARIS STATION. Offenbar will es die Raumstation schützen. Wie lauten Eure Befehle, Meister?«

Rodrom antwortete nicht.

Wieso waren die Kemeten hier? Horus und Anubis mussten etwas von der Falle geahnt haben. Rodrom fürchtete jetzt eine Unbekannte: Die Stärke der Kemeten. Besaßen sie nur noch ein Schiff oder hatten sie in den letzten Jahren aufgerüstet?

Eine weitere Salve traf die SISHEN. Eine Feuerwelle raste durch die Kommandozentrale. Zerres entkam der Welle nur knapp, alle Techniker und Crewmitglieder rings um Rodrom, die nicht rechtzeitig Deckung fanden, verbrannten. Rodrom kümmerte dies wenig, ihm machte die Feuerwelle nichts aus. Ein Loch war in die Außenhülle gerissen worden. Die lebenden Fackeln wurden durch den Druckverlust nach außen gedrückt und erloschen. Zerres gab den Befehl, die Notschotten zu schließen. Es kehrte Ruhe ein. Ohne auf Order von Rodrom zu warten, brachte er die SISHEN aus der Schusslinie des Kemeten-Raumschiffes.

Rodrom war von den Kemeten in eine Falle gelockt worden. Er war ratlos. Wusste nicht, was er tun sollte. Vergeblich suchte er mentalen Kontakt zu MODROR. Nach schier endlosen Momenten meldete sich der Meister.

Du Narr hast die Kemeten außer Acht gelassen. Haltet den Ring um WANDERER. Rhodan muss sterben.

MODRORs mentale Stimme wurde schwächer. Sein Herr musste ruhen. Die Anstrengungen waren groß gewesen. Er hatte eine Kunstwelt erschaffen, die perfekte Täuschung errichtet. Die Zeit in diesem Raumkontinuum war erschöpfend gewesen. Nun musste MODROR ruhen, seine Kräfte sammeln.

Rodrom fühlte sich von den Kemeten hintergangen.

Dafür würde er sie alle töten. Alle in diesem System. Ausnahmslos. Sie waren nun alle des Todes!

*

Cauthon Despair: 16:45 Uhr

Die vier Arme packten den Körper des Mannes und rissen ihn in zwei Teile. Blut und Eingeweide platschten im dumpfen Ton auf den Boden. Achtlos und voller Zorn warf die Bestie die Überreste des Menschen gegen die Wand.

Hinter ihr stürmten seine Artgenossen auf die kleine Barrikade zu. Sie überrannten sie und erschlugen jeden Einzelnen. Von rechts stürmten sieben Shak’Arit-Roboter auf sie zu. Sie feuerten auf eine Bestie und schossen ein dickes Loch in ihren Schädel. Es war nichts mehr von den Augen zu erkennen. Der Koloss fiel rückwärts zu Boden. Seine Artgenossen reagierten sofort und schossen zurück.

Die sieben Anubis-Roboter vergingen im Intervallfeuer. Doch plötzlich stürmten weitere nach. Ein undurchdringlicher Feuerhagel prasselte von links nach rechts. Ein Pelewon stemmte den toten Moogh hoch und warf ihn auf die Roboter. Ein anderer feuerte mit einem Granatwerfer auf die Angreifer. Die Explosionen fegten nicht nur die Shak’Arit fort, sondern rissen die gesamte Wand weg. Die Bestien waren im Blutrausch, sie brüllten und grölten. Ein anderer warf auf den bereits zerstörten Platz weitere Granaten. Andere feuerten, obwohl der Kampf schon längst gewonnen war. Eine vierte Bestie bekam sich nicht wieder ein, trommelte mit den Fäusten auf die Brust und rannte durch eine Wand.

Ich war sprachlos über diesen Gewaltakt. Der Außenbereich des Hangars war völlig in Schutt und Asche gelegt.

Major Korral kam zu mir, er war inzwischen verarztet worden.

»Sir, ich verstehe nicht, warum diese Shak’Arit auf uns schießen. Ich habe Meldung erhalten, dass ein Pyramidenschiff die SISHEN fast vernichtet hat. Die müssten doch unsere Freunde sein …«

Dem Major nun zu erklären, dass MODROR unser Verbündeter war, würde zu weit führen.

»Sie können die Roboter ja fragen, wenn Sie sterben wollen. Zuerst einmal nehmen wir SOLARIS STATION ein. Jedes Mittel ist mir dazu recht. Die Raumstation muss unter unserer Kontrolle.«

Korral salutierte.

Ich machte mich auf den Weg zur Kommandozentrale. Zwei Dutzend Grautruppen begleiteten mich. Ebenfalls ein Moogh. Er sah furchteinflößend aus. Blut klebte an seinem blauen Kampfanzug. Blut von Menschen und anderen Galaktikern. Er hatte wahllos alle getötet, die sich ihm in den Weg gestellt hatten.

Der Weg zur Kommandostation war erstaunlich leer. Als mir der Pelewon Mor entgegen kam, war mir klar wieso.

»Wir haben die Zentrale eingenommen. Ich habe sogar noch zwei Leute am Leben gelassen, die von sich meinten, sie seien wichtig.«

Ich nickte und begab mich in den verwüsteten Raum. Überall Leichen und Teile, die einst Gliedmaßen, Köpfe oder Organe von Lebewesen waren. Kleine Feuer brannten überall.

Tass Ambol und Murate Haggar knieten mit hinter dem Kopf verschränkten Armen vor mir. Ich hatte kein Mitleid mit ihnen. Sie hatten mir doch zugesichert, dass wir problemlos SOLARIS STATION besetzen konnten.

»Wieso haben Sie nichts gegen den Angriff unternommen?«

»Wir … wir wurden überrascht. Plötzlich tauchte dieser Horus hier auf und hielt Volksreden. Es war wenige Minuten, bevor ihr eingetroffen seid. Diese Kathy Scolar und die anderen haben ihm zugestimmt und Haggar auch …«

»Hab ich nicht!«

Was für Narren. Sie waren wertlos. Ich zog mein Schwert und enthauptete beide mit einem Streich. Immerhin lieferten sie mir eine wertvolle Information: Horus befand sich an Bord von SOLARIS STATION!

»Mor, Sie und die Grautruppen haben eine neue Aufgabe. Finden Sie Horus, finden Sie Kathy Scolar und die anderen Honoratioren des Widerstandes. Bringen Sie dieses Pack zu mir!«

»Ja!«, fletschte Urzur Mor und stürmte davon.

Ich wusste nicht, wie viele Streitkräfte die Kemeten noch außerhalb von SOLARIS STATION besaßen, aber auf dieser Station würden wir sie vernichten!

*

Aus den Chroniken Cartwheels

Jaaron Jargon

Die Ereignisse hatten sich überschlagen. Kaum hatten wir uns wieder im großen Saal versammelt, war uns Horus erschienen. Er erhob ungeheuerliche Anschuldigungen gegen das Quarterium: dass dieses in Wirklichkeit MODROR diente und die Führung zum Teil aus Söhnen des Chaos bestand. Horus hatte eine Legion von Shak’Arit-Robotern mitgebracht und da landete schon die quarteriale Besatzungsmacht. Sofort war es zum Kampf gekommen.

Wir hatten uns im großen Saal eingefunden, wo eigentlich die Hochzeit hätte stattfinden sollen. Doch schon drang der Lärm des Krieges hier hinein. Ich wurde zusehends beunruhigt wie auch die mehr als dreitausend Lebewesen in dem Raum.

Ich stand dicht bei meiner Nichte Nataly, Kathy Scolar, Uthe Scorbit, Saraah, Yasmin Weydner und der Zechonin Jaquine. Wo sich Myrielle Gatto befand, blieb mir verborgen. Sie war plötzlich verschwunden. Wir warteten und hofften, der Kampf würde an uns vorbeiziehen. Sechs Stunden waren seit dem Abbruch der Konferenz vergangen. Sechs lange Stunden, die viele Fragen unbeantwortet ließen. Was war geschehen? Wie ging es all den Wesen auf WANDERER? Ich wusste um die Weltraumkämpfe. Die Vernichtung der anderen beiden Raumstationen war mir nicht verborgen geblieben, doch die Anwesenheit des Quarteriums war – wenn man den Kemeten glaubte – in gewisser Weise tröstlich. Sollte das Quarterium mit MODROR paktieren, war es sicher, dass SOLARIS STATION nicht zerstört wurde, solange sich quarteriale Einheiten hier befanden.

Der Lärm verstummte.

»Wir sollten hier weg«, schlug Kathy vor, »das nächstbeste Raumschiff nehmen und von hier fliehen.«

Nataly stimmte zu. Die anderen schwiegen. Dann krachte etwas gegen die Tür. Ich zuckte zusammen. Es kehrte Stille ein. Die Sekunden vergingen, jeder starrte ängstlich zum Eingang.

Dann brach eine Bestie brüllend hindurch. Sofort brach Panik aus. Dem Pelewon folgten quarteriale Soldaten. Sie feuerten einfach drauf los. Drei weitere Bestien stürmten in den Saal und schossen wild um sich. Neben mir verbrannte ein Blue. Nataly packte mich.

»Raus hier! Wir müssen zusammenbleiben und den Hinterausgang nehmen«, rief Kathy.

Ein quarterialer Soldat stürmte auf uns zu.

»Keine Bewegung!«, rief er.

Kathy sprang vorwärts und traf ihn an der Brust. Zwar tat ihm der Schlag bei der Rüstung und dem Individualschirm nicht weh, brachte ihn jedoch aus der Balance. Er ließ sein Sturmgewehr fallen. Nataly eilte hin und hob es auf, bevor er es tat.

»Gib das her, du Schlampe.«

Nataly drückte ab. Der Energiestrahl entlud sich gegen den Helm des Soldaten. Schreiend fiel er nach hinten. Sein Schutzschirm loderte und erlosch.

»Das reicht«, meinte Nataly und bedeutete uns, zum Ausgang zu gehen. In diesem Moment rannte eine Bestie auf uns zu. Der Soldat rappelte sich wieder auf und wurde einfach von dem Monster niedergewalzt. Nataly feuerte auf den Pelewon, doch dessen verhärtete Molekularstruktur wehrte die Schüsse mühelos ab. Zwei Meter vor uns blieb er stehen.

»Ihr seid Gefangene des Quarteriums. Ergebt euch oder ich zerquetsche jeden.«

Energiestrahlen prasselten ohne Wirkung gegen das Gesicht des Pelewon. Von rechts stürmten Shak’Arit in den Raum.

»Lauft!«, schrie Kathy.

Nataly packte mich wieder und wir rannten los. Saraah war dicht hinter uns wie auch Yasmin und Uthe.

»Stopp!«, rief Yasmin Weydner. »Jaquine!« Sie deutete auf die Zechonin, die noch benommen am Boden lag. Kathy bemerkte sie. Ein Shak’Arit lief auf Kathy zu.

»Warte, Terranerin. Das wirst du brauchen.«

Er drückte ihr ein silbernes, leicht gebogenes Schwert und einen Strahler in die Hand. Sie nickte ihm zu. Ohne weiter auf Kathy zu achten, lief der Shak’Arit in die Schlacht und wurde von einer Salve zerstört. Der Pelewon war inzwischen wieder zu Sinnen gekommen.

»Ich reiß euch alle Eingeweide raus!«

Wir liefen weiter. Kathy schnappte sich Jaquine. Der Pelewon feuerte auf sie. Ein Feuersturm baute sich um Kathy und Jaquine auf. Das war ihr Ende! Doch als der Rauch verschwand, kamen beide aus ihrer Deckung heraus. Ein zweiter Treffer riss sie zu Boden. Der Pelewon setzte sich auf die Laufarme und rannte los. Kathy sprang auf und lief los. Jaquine starrte der nahenden Bestie entsetzt entgegen.

»Hierher!«, rief Kathy.

Sie wollte offenbar den Pelewon ablenken. Er stoppte und hielt auf Kathy zu. Jaquine rannte los, versuchte, zu uns zu gelangen. Wir standen inzwischen vor dem Ausgang. Sie hatte noch gut fünfzig Meter vor sich. Wenige Sekunden. Die Bestie drehte um und donnerte uns entgegen.

»Jaquine!«, schrie Yasmin.

Die Zechonin hatte keine Chance. Der Pelewon hatte sie innerhalb von fünf Sekunden eingeholt. Er trampelte sie zu Tode. Der Pelewon stoppte nicht, sondern brach einfach durch die Wand. Jaquine war tot. Mir wurde übel von dieser Grausamkeit. Das blanke Entsetzen spiegelte sich in den Gesichtern der Frauen wieder.

»Lauft jetzt!«, schrie Kathy und lief humpelnd auf uns zu. Nataly begriff als Erste. Sie trieb uns an. Wir zwängten uns durch die schmale Tür. Währenddessen kehrte die Bestie zurück. Kathy stoppte abrupt und rannte in die andere Richtung. Die Bestie holte sie ein, setzte zum Sprung an – Kathy war tot. Sie hatte keine Chance mehr!

Doch im letzten Moment warf sie sich zu Boden und das Monster flog ins Leere. Es donnerte auf den Boden und hinterließ eine große Delle im Boden. Kathy war außer Atem, hatte Mühe aufzustehen. Diese Treibjagd hielt sie nicht mehr lange durch.

Die Bestie stand langsam auf und schien sich zu orientieren. Der Pelewon sah Kathy. Aber er lief nicht auf sie zu. Er ließ sich Zeit. Nun hatte er seine Beute sicher. Wir sahen es, aber konnten nicht ins Geschehen eingreifen. Kathy saß auf ihrem Hosenboden, stand schwankend auf, den Blick immer auf den Pelewon gerichtet.

»Nun krepierst du, Terranerin!«

Die Bestie streckte alle Viere von sich und brüllte. Kathy tat nichts. Sie wusste, dass es vorbei war. Wieso konnten wir ihr nicht helfen? Die Bestie fiel mit den vier Armen zu Boden und schlug dabei wieder Löcher in den Boden. Das war das Signal. Er machte sich bereit zum finalen Schlag. Plötzlich sprangen vier Shak’Arit auf ihn und schossen auf die Bestie. Der Pelewon wandte sich den Robotern zu und warf einen Shak’Arit zu Boden. Den Zweiten schnappte er sich und zerquetschte ihn. Die anderen beiden hingen an seinem Maul. Einer feuerte immer wieder hinein, der Zweite warf Granaten hinein. Die Bestie riss beide weg und warf sie gegen die Wand. Die Bestie implodierte. Wie ein Luftballon blies er sich auf und sackte wieder zusammen. Rauch stieg aus dem Mund. Der Pelewon fiel nach hinten. Er war tot.

Kathy sprang auf und rannte zu uns. Sie war nassgeschwitzt und völlig am Ende ihrer Kräfte.

»So was möchte ich nie wieder erleben …«

Sie sah zu Yasmin Weydner, die weinte. Erst jetzt gedachten wir des Todes von Jaquine. Es war grausam gewesen. Kathy nahm Yasmin kurz in den Arm, dann rüttelte sie an ihren Schultern.

»Wenn wir überleben wollen, müssen wir stark sein. Wir suchen uns jetzt ein Schiff und hauen ab!«

*

Cauthon Despair: 17:30 Uhr

Mor war tot! Das überraschte mich etwas, jedoch hatten es Shak’Arit-Roboter geschafft, ihm Granaten ins Maul zu werfen. Eine originelle Idee, um eine Bestie zu erlegen. Weniger hatten mir die Schilderungen eines Leutnants gefallen, der berichtete, dass der Pelewon dabei war, eine Gruppe von prominenten Terranern zu ermorden: Kathy Scolar, den Chronisten Jaaron Jargon, seine Nichte Nataly und drei weitere Frauen.

Der Saal war besetzt. Major Korral machte Meldung. Ich wies ihn an, nicht mehr auf Zivilisten zu schießen und die Suche nach den sechs Terranern zu verstärken. Ich fragte mich, wo Myrielle Gatto war. Sie war demnach nicht bei den anderen. Hoffentlich ging es ihr gut. Jedoch herrschte Krieg auf SOLARIS STATION.

»Sir, wir haben sie!«, rief Korral plötzlich. »Sie sind nicht weit gekommen. Wir …«

Er brach ab und deutete auf etwas hinter mir. Behände wich ich dem fauchenden Parder aus. Doch ihre Kralle streifte mich und riss eine Wunde durch die Rüstung in mein Fleisch.

»Nicht schießen!«, befahl ich. »Myrielle, ergib dich. Bitte!«

Sie stoppte, atmete schwer. Offenbar hatte sie schon länger gegen Quarteriale gekämpft.

»Du bist widerwärtiger, als ich gedacht habe. Du arbeitest mit MODROR zusammen? Ihr ermordet die Menschen hier! Du bist ein Dämon. Ein Satan! Ich werde dich töten.«

Sie setzte erneut an, diesmal hatte ich mein Schwert gezogen und fügte ihr eine leichte Wunde zu. Ihre Sprünge waren berechenbar. Jedoch nicht ihre Teleportationen. Plötzlich stand sie hinter mir und schlug mit ihrer Pranke in meinen Rücken. Ich musste das Schwert vor Schmerzen fallen lassen. Der Schmerz war größer, als ich dachte. Plötzlich wurden meine Knie weich und ich sackte zusammen.

»Mein liebster Cauthon, kannst du nicht mehr? Dass ihr Männer immer so wenig Durchhaltevermögen habt.«

Sie zog die Krallen aus meinem Körper. Es tat höllisch weh. Selten hatte ein Gegner mich so hart getroffen.

»Soll … soll ich immer noch nicht feuern, Sir?«, fragte Major Korral pflichtbewusst. Er hatte wohl den Kampf mit verfolgt. Einerseits verfluchte ich ihn, weil mein Leben in Gefahr war und er tatenlos herumstand, andererseits ging es um Myrielle! Sie sollte nicht sterben.

»Nicht feuern …«, sagte ich, versuchte die Schmerzen niederzukämpfen. »Myrielle, hör mir doch zu. MODROR …«

»MODROR ist ein Schwein. Nichts weiter«, fauchte sie und tänzelte um mich herum.

»Schmeichelhafte Worte für jemanden, den du nicht einmal kennst, Felide.«

Es wurde kalt. Der Tod stand direkt vor mir. Ich spürte diese tödliche Kälte, den emotionalen Schmerz, den Hass und grenzenlosen Zorn, der ihn umgab.

Er war hier!

Myrielle ließ von mir ab und starrte auf das Wesen. Um ihn herum leuchtete es blau, ein grauer Nebel stieg um seine Füße herum auf. Die Kutte bedeckte das Gesicht. Nur das graue, feuchte Tuch um seinen Mund herum war zu erkennen. Ab und an blitzten die gelbleuchtenden Augen aus dem Dunkel auf.

»Myrielle Gatto. Du bist eine hübsche Frau. Zeige dich auch so«, sagte er und deutete mit dem Finger auf sie. Myrielle fing an zu schreien. Sie verwandelte sich zurück in den Menschen. Kraftlos sackte sie zusammen. Dann sprang sie auf und blickte ihn entsetzt an.

»Es wäre unhöflich, sich mit einer Teleportation zu verabschieden. Das gestatte ich nicht.«

Mühsam rappelte ich mich auf. Ich sah meinen Meister an. Meinen Vater des Chaos.

»Cauthon, der heutige Tag war nicht so gut, wie ich erhofft hatte. Rhodan kämpft noch, die Kemeten mischen sich in meinen Feldzug ein und du flirtest mit einer Psychopathin. Ich verspüre den Drang nach Zerstreuung.«

Was sollte ich sagen? Myrielles Leben war in akuter Gefahr.

»MODROR, Herr … ich … verschone sie bitte.«

Inzwischen wurden die sechs Terraner abgeführt. MODROR ließ von Myrielle ab, ohne sie aus seiner Gewalt zu entlassen. Er sah sich Jaaron Jargon, Nataly Andrews, Kathy Scolar, Uthe Scorbit, Yasmin Weydner und Saraah an.

»Terraner!«

Es klang ziemlich verächtlich.

»Ihr seid den Sargomoph nicht unähnlich. Lange ist es her. Und doch, obwohl ihr bereits so viel gelernt habt, seid ihr sehr überheblich, naiv und schrecklich egoistisch. Ja, ihr ähnelt den Sargomoph doch sehr.«

»Ihr nicht?«, fragte Kathy.

Hätte MODROR lachen können, hätte er es wohl getan. Er tat es aber nicht. Sowieso überraschte mich der Auftritt meines Meisters. Selten war er außerhalb von MODRORs Castle mit mir in mentalen Kontakt getreten, noch nie hatte ich ihn in Aktion gesehen.

»Dummes Ding! Egoismus ist eine Krankheit. Ich denke nicht in diesen niederen Bahnen. Mein Denken ist universell.«

Plötzlich fingen die Frauen und Jaaron an zu schreien. Ich spürte die Panik auch in mir aufsteigen, doch ich war den Umgang mit diesen schrecklichen Erlebnissen gewohnt.

»Fühlt, was in mir vorgeht. Spürt ihr das Leid? Die geteilte Pein von Milliarden verlorener Seelen? Sprecht noch einmal von Egoismus in meiner Gegenwart und ihr werdet dazu gehören.«

Selbst die Soldaten brachen zusammen. Auch die Bestien fingen an zu stöhnen, taumelten und fielen zu Boden. Während alle vor Schmerzen und Furcht kreischten, wandte sich MODROR mir zu:

»In der Tat ist einiges unerwartet verlaufen. Das Quarterium muss jetzt handeln und kämpfen. Rhodan und Aurec werden bald tot sein. Dann sind ihre Truppen führerlos und können übernommen werden. Doch damit sie sterben, dürfen sie keine Hilfe erhalten.«

Das Geschrei der anderen vermittelte auch mir ein Gefühl des Unwohlseins. Ich betrachtete Myrielle und litt mit ihr. Mein Herr und ich gingen ein paar Schritte durch den Raum.

»Kümmere dich nicht um diese Kreaturen«, sagte MODROR. Er hatte offenbar meine Gedanken erfasst. »Mein Aufenthalt jenseits meines Seins ist stets von kurzer Dauer. Der Gram der Hohen Wesen in niederen Sphären. Jedoch dürfte sich dieser missliche Umstand bald ändern. Ich kehre nun in meinen Lebensbereich zurück. Enttäusche mich nicht, mein Sohn!«

Ich verneigte mich vor meinem Meister. Die Worte, die ich sprach, meinte ich: »Ich werde diese Schlacht nicht verlieren.«

Damit war MODROR nicht zufrieden.

»Ich spüre deinen Zweifel. Du begehrst dieses Weib dort. Deshalb lasse ich sie am Leben. Ich werde nur eingreifen, wenn ihr versagt. Wenn du mit deinen Mitteln den Sieg erlangst, werde ich zufrieden sein.«

MODROR blieb stehen und sah mich an. Ich glaubte, ein Gesicht erkennen zu können. Ein halbverwestes, menschliches Gesicht. Es jagte mir Angst ein.

»Doch sollte das Quarterium versagen …« Ich spürte, wie sein Geist mich durchdrang. Die Angst wurde größer. »Die Flotten MODRORs sind stark und zahlreich. Wenn MODROR in die Schlacht zieht, wird nur der Tod regieren. Dann werde ich kein Erbarmen zeigen. Mit niemandem!«

Seine Worte waren eindeutig. Er räumte mir Freiheiten ein, die ich nutzen musste im Interesse der Menschheit.

»DORGON liegt im Sterben. Schon bald wird die zweite Phase meines Planes beginnen und MODROR wird das Universum sein.«

MODROR löste sich vor meinen Augen auf. Die Angst, der Schmerz und dieses ständige Gefühl, tausend Tode zu sterben, klangen ab. Auch die anderen schienen den mentalen Druck nicht mehr zu spüren.

»Major Korral. Ich gehe davon aus, dass SOLARIS STATION nun gesichert ist?«

Der Major bestätigte.

»Gut. Bringen Sie die Damen und Mister Jaaron nach Paxus. Dort werden wir über ihr Schicksal entscheiden.«

»Aurec wird euch alle töten.«

Kathy Scolars naiver Glaube belustigte mich.

»Aurec und Perry Rhodan werden bedauerlicherweise bald sterben. Dort unten auf WANDERER kämpfen sie gegen hunderttausende Dscherr’Urk. Keine Hilfe wird sie dort ereilen. Perry Rhodan und Aurec sind Geschichte, wie man so schön sagt.«

Kathy spuckte mich an. Eigentlich hätte ich sie für diese Impertinenz enthaupten sollen, aber ich beherrschte mich. An diesem Tage waren zu viele gestorben. Soldaten entfernten die Frauen und den Halblinguiden aus meinen Augen.

»Korral, bereiten Sie meine Fähre vor. Ich kehre zur EL CID zurück. Nun beginnt der Kampf gegen die Liga Freier Terraner!«

Unter Belagerung

Aurec: 18:00 Uhr

Die Trümmer der Türme prasselten vor uns nieder. Elyn schrie auf und prallte zurück, da die Brocken sie zu erschlagen drohten. Reflexhaft riss ich sie zurück. Wir fielen auf den Boden.

»Alles in Ordnung?«

Elyn nickte und sprang auf. Ich tat es ihr weniger agil nach. Wir rannten zur Aussichtsplattform. Der Anblick war furchtbar. Noch immer standen Hunderttausende Dscherr’Urk vor den Toren Esthors. Die Geschütze feuerten unentwegt. Die Space-Jets hielten einen Teil der Schüsse ab, doch die Schutzschirme reichten nicht für die gesamte Stadt. Nicht gegen diese Waffen, die zwar primitiv aussahen, aber hochmodern waren.

Über uns donnerten die Triebwerke der TERSAL. Sie warf über die Stellungen der Feinde Bomben ab. Tausende Dscherr’Urk starben im Feuer, doch neue Kämpfer rückten nach. Ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben stürmten sie auf die Stadt zu.

Perry Rhodan war nicht weit von mir entfernt. Er stand neben Gucky und Jan Scorbit und erteilte dem Mausbiber Instruktionen. Scorbit hatte etliche kleine Bomben gebastelt. Immer wieder schnappte sich Gucky ein paar und warf sie telekinetisch auf die Angreifer. Wieder verbrannten Dscherr’Urk. Der Ilt wiederholte die Aktionen mit großem Erfolg. Zeitgleich flogen die drei Space-Jets und die TERSAL Angriffe. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als würden sich die Dscherr’Urk zurückziehen.

Die Drachen kehrten zurück. Sie konzentrierten ihre Angriffe auf die Space-Jets. Aus der Ferne sah ich gewaltigere Geschütze anschweben. Sie postierten sich auf der Hügelkette und begannen ihr Artilleriefeuer. Die Schutzschirme blockten das meiste ab, doch hier und da brach eine Salve durch und verwüstete ganze Stadtteile. Rauch und Feuer stiegen in den Himmel empor, Wesen schrien verzweifelt. Nicht alle hatten Platz in den Kellern gefunden. Es war schier unmöglich, sie alle zu schützen. Ich sah in die Gesichter der wenigen, die an unserer Seite kämpften. Mutlosigkeit las ich in ihren Augen.

Gucky teleportierte die explosiven Self-Made-Bomben zur feindlichen Artillerie. Eine Kanone nach der anderen flog in die Luft. Beim dritten Sprung hatten sie einen Schutzschirm aktiviert, die der Mausbiber nicht durchdrang. Die Explosionen verpufften, töteten »nur« Dscherr’Urk.

»Space-Jets zurück!«, befahl Rhodan über Interkom. »Schutzschirm über die Stadt! Das ist jetzt das Wichtigste.«

Cascals Raumschiff und die TERSAL waren sofort an ihren Positionen. Die zweite Space-Jet wurde von den Drachen bedrängt. Ich wusste nicht, wie sie es taten, aber offenbar spuckten sie Energie aus ihren Rachen, die dem Schutzschirm gefährlich wurde. Weiteres Feuer von modrornischen Flugabwehrstellungen trafen die Space-Jet. Der blaue Paratronschirm brach zusammen.

Die Drachen rissen ein Loch in die Hülle. Feuer und Funken sprühten aus dem Inneren des Schiffes. Es trudelte und stürzte auf die Stellungen des Feindes. Zwar verloren die Dscherr’Urk viele tausende Krieger bei der verheerenden Explosion, doch der Verlust der Space-Jet war für uns weitaus schlimmer. Nun schützten nur noch drei Schiffe die Stadt vor Treffern, die unsere Linie sofort zusammenbrechen ließen.

Unsere Gegenangriffe waren bescheiden. Im Grunde genommen unternahmen wir keine, sah man von Guckys Teleportsprüngen ab.

Weitere Raumschiffe brausten über uns hinweg. Ich fragte mich sowieso, wann sie gezielt auf die Space-Jets losgingen. Doch das geschah nicht. Sie warfen Truppen ab: Luftlandetruppen.

»Feuert auf sie!«, rief ich den Leuten zu.

Sofort schossen sie in die Luft. Etliche Dscherr’Urk prallten am Schutzschirm ab, andere landeten in den ungeschützten Bereichen. Gal’Arn lief zu mir.

»Jonathan und ich übernehmen. Koordiniere weiter die Abwehr mit Rhodan.«

Ich nickte. Der Ritter der Tiefe und sein Schüler, mein Freund Jonathan, eilten los. Ich wechselte kurz einen Blick mit Elyn.

»Du hast nicht zufällig noch einen alyskischen Trumpf im Ärmel, der das Blatt wendet?«

Sie schüttelte traurig den Kopf.

»Wäre auch zu einfach gewesen.«

Ich blickte über die Mauern hinab auf das Schlachtfeld. Überall brannte es, Tausende Leichen der Dscherr’Urk lagen zwischen den Trümmern, doch ihre lebenden Artgenossen stürmten unablässig nach. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die Oberhand gewannen und wir fielen.

*

18:20 Uhr

Gal’Arn und Jonathan Andrews hatten die vierte Etage der Stadt erreicht. Dort waren die Dscherr’Urk gelandet. Doch zuerst stürmte ihnen eine Hand voll Skurit entgegen. Die Skelettköpfe feuerten sofort. Gal’Arn sprang in Deckung, Andrews erwiderte das Feuer. Das halbe Dutzend LFT-Personal, das die beiden mitgenommen hatten, unterstützte den Terraner. Die Skurit waren schnell vernichtet, doch auf einer Plattform sammelten sich die Dscherr’Urk.

»Das sind viele«, meinte Andrews und beäugte unbehaglich die haarigen Gehörnten. »Das schaffen wir nicht.«

Gal’Arn sah in den Himmel.

»Vielleicht doch.«

Er aktivierte sein Interkom.

»Cascal, wir brauchen im vierten Level Ihre Hilfe. Dringend! Etwa fünfzig Dscherr’Urk auf einer Plattform.«

Andrews sah in die Luft. Die Space-Jet drehte ab und flog auf sie zu. Sie glitt über die beiden hinweg und feuerte mehrere Salven auf die Dscherr’Urk. Die Chaossoldaten hatten keine Chance und vergingen im Feuer. Doch während Cascals Space-Jet abdrehte, kamen Raketen aus den Häusern. Sie trafen die Space-Jet am Heck. Offenbar hatte Cascal keine Schutzschildenergie an dieser Stelle aufgebaut. Die Space-Jet begann zu brennen und schmierte ab. Entsetzt sahen die beiden dem Absturz von Joak Cascal zu.

»Komm!«

Gal’Arn rannte los. Jonathan gab Anweisung, die Scharfschützen und Grenadiere in den Häusern zu erledigen. Dann folgte er seinem Meister. Das Wrack der Space-Jet lag keine zweihundert Meter von ihnen entfernt. Es war in ein Haus hinein gerauscht. Cascal kletterte aus dem Schiff. Er wirkte angeschlagen, aber unverletzt.

»Damit haben wir nur noch zwei Schiffe in der Luft. Vielleicht können wir den Generator für den Paratronschirm noch verwenden?«

Andrews sah sich das Wrack an und schüttelte den Kopf.

»Sinnlos. Der ist zerstört. Es tut mir leid, Joak.«

Cascal trat gegen ein Stück Blech und stieß Verwünschungen aus. Andrews beobachtete den Kampf gegen die in den Häusern verschanzten Dscherr’Urk.

Es dämmerte inzwischen. Die Kunstsonnen verloren an Lichtstärke, stattdessen wurde der Himmel dunkel und pechschwarze Wolken zogen auf.

»Passende Untergangsatmosphäre«, sagte Cascal. »Ich wünschte nur …«, er seufzte und schwieg.

»Was?«

»Ich hätte sie nochmal gesehen, bevor ich sterbe. Kann man nicht ändern. Lasst uns weiterkämpfen.«

Cascal kramte seine Waffe aus dem Wrack und lief Richtung Mauer. Gal’Arn und Andrews blickten ihm hinterher.

»Hat er recht?«, fragte Andrews besorgt. »Ist das wirklich das Ende?«

Gal’Arn schlenderte zu den Zinnen und blickte auf die Dscherr’Urk hinab. Sie beschossen das Stadttor und die Mauern. Nur zwei Schutzschirme hielten sie vom endgültigen Durchbruch ab. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es den Chaossoldaten gelang, befürchtete Andrews.

»Wenn nicht bald Hilfe kommt, sind wir am Ende«, sagte Gal’Arn. Andrews kannte seinen Meister. Wenn er es sagte, dann stimmte es auch. Langsam begann Jonathan, sich auf den Tod vorzubereiten.

21:17 Uhr

Vesus erkundigte sich mit offenkundiger Besorgnis nach dem Wohlergehen Arimads. Es war ihr nicht recht, dass Commanus sie so einfach mitgeschleppt hatte. Ihre Gedanken galten Aurec und Rhodan sowie all den Lebewesen auf WANDERER. Was wurde nun aus ihnen? Commanus und Falcus wechselten auf die THESASIAN, während es Arimad vorzog, bei Vesus zu bleiben.

Commanus erkundigte sich auch nicht weiter nach Arimad. Offensichtlich war er damit zufrieden, dass sein Besitz nicht mehr in Gefahr war. Sie hasste seine arrogante Art. Sie war in ärztlicher Behandlung. Seit zehn Stunden stand sie unter Beobachtung und musste sich ausruhen. Sie hatte genug davon. Was war in den zehn Stunden passiert? Sie musste es wissen. Arimad bat Vesus in ihre Kabine. Der Admiral wirkte angespannt.

»Vesus, sagt mir bitte, was passiert ist.«

Vesus führte die Kaiserin wortlos in die Kommandozentrale. Dort zeigte er ihr das Ausmaß der Katastrophe. Arimad erschrak, als sie Tausende von fremden Raumschiffen rings um WANDERER sah.

»Wer ist das?«

»MODROR, meine Kaiserin. Nachdem ihr entkommen ward, haben die fremden Schiffe eine Halbkugel um WANDERER geschlossen. Eine dichte Wolkendecke verhindert jegliche Kommunikation. Wir wissen nicht, was dort geschehen ist. Außerdem haben sie die Raumstationen angegriffen …«

Arimad vergewisserte sich an der Ortung, dass zwei Stationen nicht mehr existierten. SOLARIS STATION war von quarterialen Schiffen umringt.

»Das Quarterium hat SOLARIS STATION besetzt. Nur seltsam, dass weder wir noch die Quarterialen von den MODROR-Schiffen angegriffen werden. Nur Einheiten der LFT, Saggittors und Akons.«

»Was haben wir dagegen getan?«

»Nichts.«

»Was?«

Arimad war fassungslos. Wieso spielten die Dorgonen nur die Beobachter, während Tausende Menschen in Not waren? Das durfte nicht sein! Sie verwünschte Commanus.

»Weder das Quarterium noch wir haben die Schiffe von MODROR angegriffen. Wir haben strikte Order von Commanus und dem Emperador, dass wir uns passiv verhalten sollen.«

Arimad verstand so viel Rücksichtslosigkeit nicht. Offenbar war die Feigheit größer als jegliche moralische Verpflichtung dem Leben anderer gegenüber. Sie blickte Vesus und seine rechte Hand Imagi verständnislos an.

»Da draußen sterben Menschen und wir lassen es einfach so geschehen? Wie viele Schiffe habt Ihr unter Eurem Kommando, Admiral?«

»Fünftausend Adlerschiffe, Kaiserin.«

Arimad ging zu ihm. Sie blickte in seine Augen und forschte darin. War ihm zu trauen? Sie hatte keine andere Wahl. Vesus hatte sich in den letzten Monaten mehr und mehr auf ihre Seite geschlagen.

»Admiral, du musst mir helfen. Schicke einen Boten nach Dom.« Sie drückte ihm einen Datenkristall in die Hand. »Er soll diese Nachricht Decrusian übergeben. Wir müssen handeln.«

Vesus gab Imagi persönlich den Datenkristall. Er beauftragte seine rechte Hand, nach Gon in M 100 zu fliegen. Offenbar vertraute Vesus sonst niemandem. Arimad überlegte verzweifelt, wie sie den Wesen auf WANDERER helfen konnte. Es gab keine Möglichkeit, aber sie konnte den Terranern am Sternentor helfen.

»Vesus, beordere sofort die Kolonialflotte aus Siom Som her. Und greife mit den fünftausend Schiffen MODROR an. Wir stehen nun am Scheideweg, Admiral. Entweder kämpfen wir für MODROR, oder gegen ihn!«

Vesus starrte Arimad entsetzt an. Sie ahnte nur, was in seinem Kopf vorging. Er schwankte zwischen ethischer Verpflichtung und Gehorsam gegenüber Commanus. Doch Vesus war die einzige Chance, die der LFT blieb. Arimad kam eine Idee.

»Hat sich Kaiser Commanus an die Flotte gewandt?«

»Nein. Wieso?«

Arimad lächelte. Commanus Passivität wurde ihm vielleicht zum Verhängnis. Arimad ging ein gewagtes Spiel ein, doch sie hatte keine andere Wahl.

»Ich möchte, dass du eine Verbindung zu allen Schiffen herstellst. Ist der Marschbefehl an die Kolonialflotte schon raus?«

Vesus schien immer noch überrascht. Es amüsierte Arimad sogar, dass sie den alten Hasen aus der Reserve lockte.

Vesus nickte und signalisierte einem Centrus, eine holografische Verbindung zu allen Adlerraumschiffen aufzubauen. Eine winzige Kamerasonde tastete Arimads Körper ab und übertrug ihr Bild auf jedes Schiff.

»Soldaten Dorgons! Meine Brüder! Auf WANDERER wird gekämpft. Um WANDERER wird gekämpft. Perry Rhodan und Aurec, die ihr als Feinde bezeichnen musstet, verteidigen Hunderttausende Zivilisten, auch Dorgonen, die von MODRORs Soldaten des Chaos getötet werden sollen. Seht nur, was hier bereits geschehen ist. Zwei Raumstationen und zahlreiche Schiffe wurden zerstört. Millionen Lebewesen haben aufgehört zu existieren.«

Sie machte eine Pause, überlegte, wann sich Commanus wohl meldete. Sie musste schnell agieren.

»Was tun wir? Nichts! Seit Stunden beobachten wir das Abschlachten unserer Brüder. Ich schäme mich dafür. Wir sind nicht zur Tatenlosigkeit verdammt, sondern müssen jenen helfen, die Hilfe dringend benötigen. Ich übergebe das Wort an Admiral Vesus, euren Oberbefehlshaber!«

Sie trat beiseite und deutete Vesus an, dass er vor die Kamera treten sollte. Nach kurzem Zögern stellte er sich schließlich vor die Sonde. Arimad betete zu allen Göttern, dass Vesus ihr half. Sonst war alles verloren. Dorgon stand am Scheideweg. Versagten sie den Terranern und Saggittonen die Hilfe, war ihr Volk verloren. Dann hatte Commanus’ Politik gesiegt.

»An alle Kommandanten! Entsatz aus Siom Som ist unterwegs. Es wird jedoch Stunden dauern, bis die Schiffe hier sind. Solange können wir nicht warten. Wir greifen MODROR an! Wir helfen den Alliierten der LFT und Saggittors!«

Arimad fiel ein Stein vom Herzen. Sie war überglücklich. Jetzt hatten Rhodan und Aurec eine echte Chance.

*

Vesus gab den Angriffsbefehl. Es war ihm geradezu ein Vergnügen. Fünftausend Adlerschiffe flankierten die modrornischen Angreifer und unterstützten die weit unterlegenen Terraner, Saggittonen und Akonen.

Zweieinhalbtausend Einheiten unterstützten die gerade noch zweitausend Schiffe starke Flotte der Alliierten. Sie bestand aus Kugelraumern der LFT, der Akonen, Tefroder sowie Haluter, Walzenschiffen der Maahks und den Scheibenraumern der Saggittonen. Mehr als die Hälfte der Schiffe hatten sie in den letzten inzwischen sechs Stunden verloren.

Die Funksprüche überschlugen sich. Er ignorierte vorerst die Anfragen der THESASIAN. Stattdessen nahm er Kontakt mit Admiral Xavier Jeamour, seinem Gegenstück bei der LFT und USO auf. Der kahlköpfige Terraner wirkte überrascht.

»Auf Befehl der Kaiserin Arimad stellen wir Ihnen unsere Adlerschiffe zur Verfügung. Teilen Sie uns mit, wo wir helfen können.«

»Das sind gute Nachrichten. Ein Durchbruch nach WANDERER ist vorerst nicht möglich. Wir sollten unsere Kräfte bei SOLARIS STATION bündeln und warten, bis Reginald Bulls Flotte eintrifft.«

Vesus schmunzelte innerlich. Natürlich hatten die Terraner immer wieder einen Trumpf in der Hand. Im Hintergrund beobachtete er, dass einige Centrus ihn besorgt anschauten. Vesus sicherte Jeamour zu, dass seine Flotte sich bei der Raumstation sammeln würde und beendete die Verbindung. Centrus Maxus ging auf ihn zu.

»Mein Dux Superior, alle Schiffe haben den Befehl von Kaiser Commanus erhalten, unverzüglich nach Dorgon zurückzukehren.«

Damit hatte Vesus gerechnet.

»Was sagen die Kommandanten?«

»Sie warten auf deine Order, mein Admiral!«

Vesus blickte zu Arimad hinüber. Was würde die Kaiserin tun? Wie würde sie sich entscheiden?

»Stelle eine Verbindung zu Commanus her.«

Maxus tat, wie ihm aufgetragen wurde. Wenige Sekunden später erschien das bleiche Gesicht des Imperators auf dem großen Panoramabildschirm.

»Ist dies eine Revolte?«, fragte er. »Hat der Alkohol den Dux Superior nun völlig des Verstandes beraubt?«

»Es war meine Entscheidung. Vesus hat auf meinen Befehl gehandelt. Es ist Zeit, unseren humanoiden Brüdern im Kampf gegen MODROR beizustehen.«

Commanus schwieg. Vesus ahnte, was in dem Kaiser vorging. Die Art, mit der er seine Frau anstarrte, verriet den Hass in ihm.

»Ich habe den Befehl über die Streitkräfte. Wir halten uns aus diesem Konflikt heraus und kehren nach Dorgon zurück.«

»Das wird Dorgon entscheiden, nicht du.«

»Ich bin Dorgon!«

Arimad lächelte fein.

»Zu dieser Stunde wird Decrusian vor den Senat auf Dom treten und deine Absetzung fordern. Bereits vor zwei Stunden habe ich Boten dorthin geschickt. Inzwischen dürfte es dort ziemlich hoch hergehen.«

Commanus wurde noch blasser. Er sah sich um, wollte offenbar Rat einholen oder Bestätigung. Natürlich bluffte Arimad. Imagi war erst vor einer halben Stunde aufgebrochen. Es würde dauern, bis Decrusian vor dem Senat stand.

»Das … das ist Revolution. Ich fordere die Besatzung der DOMULUS auf, Arimad und Vesus festzunehmen. Ich werde euch persönlich hinrichten!«

Niemand rührte sich. Arimad sah sich im Raum um. Vesus war angespannt, aber er wusste, dass er sich auf seine Leute verlassen konnte.

»Wie es aussieht, bist du doch nicht Dorgon. Denn das dorgonische Volk hat genug von deinem Morden.«

»Wir werden dies auf Dom besprechen. Ein … ein Gipfel? Zwischen Rebellen und kaiserlicher Regierung.«

Arimad sah in misstrauisch an.

»Eine Falle, um mich umzubringen.«

»Du hast mein Wort … vor allen Soldaten dieser Flotte. Wenn es … wenn es gewisse Dinge gibt, die das dorgonische Volk nicht schätzt, reden wir darüber. Wir wollen doch keinen Bürgerkrieg …«

Offenbar fühlte sich Commanus unterlegen. Schon oft hatte das Militär einen Kaiser abgesetzt, und er stand kurz davor. Vesus schätzte, dass mehr als ein Drittel der Flotte ihm und Arimad folgen würde. Arimad war beliebt beim Volk, Commanus verhasst. Der endlose Krieg in den estartischen Galaxien hatte viele Verluste gebracht. Ehemänner und Söhne waren nicht in die Heimat zurückgekehrt. Das Volk war frustriert. Es genügte schon, die Lunte am Pulverfass anzuzünden, dann war es um Commanus geschehen. Er wusste das offensichtlich und wollte an der Macht bleiben.

»Wir halten diese Konferenz in wenigen Stunden im Sommerhaus meines Vaters ab«, schlug Arimad vor. »Keine Soldaten dort. Das Gelände wird weiträumig abgeriegelt. Und solltest du auf dumme Gedanken kommen, wird es dein Untergang sein. Es gibt Stärkere als mich. Wenn ich sterbe, werden sich neue Demokraten erheben und dir den Kampf ansagen.«

Arimads Drohung schien zu wirken. Commanus war völlig überrascht, offenbar hätte er niemals damit gerechnet.

»Die fünftausend Adlerschiffe stehen der LFT weiterhin zur Verfügung, bis wir eine Einigung erzielt haben.«

»Nein!«, rief Commanus aufgebracht. »Sie werden nach Dorgon zurückkehren. Carilla wird das Kommando …«

»Abgelehnt. Greif uns doch an, wenn es dir nicht passt. Wir helfen den Terranern, so wie sie uns vor Jahren und oftmals danach geholfen haben. Denn wir Dorgonen sollten keine Mörder und Barbaren, sondern Männer und Frauen mit hoher Moral und Ehre sein. Das hast du unserem Volk genommen. Decrusian oder ich werden es den Dorgonen wiedergeben.«

Arimad beendete die Verbindung. Sie lächelte.

»Habe ich übertrieben?«

»Nein«, sagte Vesus gütig. »Es war genau richtig. Doch ich bin besorgt, was die Verhandlungen angeht. Commanus wird dir nach dem Leben trachten.«

»Torrinos wird für meine Sicherheit garantieren. Imagi wird ihn, wenn alles gut gelaufen ist, informiert haben. Torrinos, Decrusian und die beiden Goner Shenia Drenia und Waldron Tragonar befinden sich auf Dom. Wir besitzen auch Soldaten, um ein Gebiet zu sichern. Außerdem wird Commanus nicht so unvorsichtig sein. Er will ja an der Macht bleiben …«

»Gebt auf euch Acht, meine Kaiserin«, riet Vesus. Er befahl Centrus Maxus persönlich, auf sie aufzupassen. »Fünfundzwanzig Adlerschiffe werden eure Eskorte bilden.«

Arimad umarmte Vesus.

»Ich danke dir. Zumindest wird Commanus verhandeln. Wir haben eine Chance, den Krieg in den estartischen Galaxien zu beenden.« Sie blickte traurig auf die Kämpfe um WANDERER. »Und du musst Perry Rhodan und Aurec da herausholen.«

Vesus nickte und versuchte zwanghaft zu lächeln. Er glaubte nicht daran, dass sie eine Chance gegen die Schiffe MODRORs hatten. Arimad verabschiedete sich und verließ die Kommandozentrale. Admiral Vesus blickte in die Gesichter seiner Offiziere. Sie waren offenbar fest entschlossen, ihm weiter zu dienen.

»Danke, Männer. Danke für eure Treue mir und Dorgon gegenüber. Und nun, lasst uns den Terranern helfen. Alle Schiffe bei SOLARIS STATION sammeln!«

Verrat

Cauthon Despair: 22:00 Uhr

Die Schlacht zwischen den Streitkräften MODRORs und den Alliierten tobte unvermindert weiter. Das Quarterium hielt SOLARIS STATION besetzt. Ich gab Generalkommandeur Reynar Trybwater letzte Instruktionen für die Inhaftierung der Gefangenen Jaaron Jargon, Kathy Scolar und Nataly Andrews sowie Uthe Scorbit, Yasmin Weydner und Saraah. Nur Myrielle hatte einen Sonderstatus erhalten, ich wollte nicht noch einmal das Risiko eingehen, sie durch eine Eigenmächtigkeit eines CIP-Henkers zu verlieren. Voller Trauer dachte ich an die Unterredung am späten Nachmittag zurück, nachdem MODROR wieder gegangen war. Noch immer brannte sich der Hass in ihren Augen in mein Herz.

Deshalb übergab ich auch sie vorerst in Trybwaters Hände. Alle wurden auf die FLASH OF GLORY abgeführt und dort inhaftiert.

Sie standen unter Schock, ebenso wie die meisten Soldaten der 501. auf SOLARIS STATION. Es war kein Wunder, nach der Begegnung mit MODROR. Wir gerieten langsam in Erklärungsnot. Der Emperador musste eine Rede an die Flotte oder die Nation halten. Wir mussten uns nun zu MODROR bekennen.

Auf dem Weg zur Kommandozentrale begegnete ich Brettany und Orlando de la Siniestro.

»Cauthon, ich verstehe das alles nicht. Was ist geschehen? Vater sagt nichts!«

Bretts Fragerei hatte mir noch gefehlt.

»Die Verhältnisse sind chaotisch. Dscherr’Urk haben WANDERER besetzt und kämpfen ausschließlich gegen LFT-Streitkräfte und deren Alliierte. Wir hingegen wurden von Kemeten angegriffen.«

»Aber … wieso helfen wir Perry Rhodan nicht?«

Ich schwieg. Brett war damit nicht zufrieden. Orlando hielt sich zurück. Offenbar war er auch nicht mit der aktuellen Situation zufrieden.

»Perry ist doch unser Freund! Oder nicht?«

Sie sah mich aus ihren blauen Augen so naiv an. Nein, er war es nicht! Aber sollte ich ihr das sagen?

»Dinge ändern sich, Brett.«

Sie blickte mich entgeistert an und wich etwas zurück.

»Sir, auf der Raumstation befand sich auch Uthe Scorbit. Was ist mit ihr geschehen?«, wollte Orlando wissen.

Er war offenbar in Uthe Scorbit verknallt. Dieser Narr!

»Sie wird zusammen mit Kathy Scolar, Nataly Andrews, dem Chronisten, der Dorgonin Saraah und Yasmin Weydner verhört. Sie befinden sich auf der FLASH OF GLORY. Trybwater ist für sie verantwortlich.«

Ohne auf weitere Diskussion einzugehen, ging ich weiter. Ich wollte mich nicht mehr vor ihnen rechtfertigen.

Fünftausend SUPREMO-Raumer des Quarteriums warteten auf ihren ersten Einsatz gegen die Streitkräfte der LFT. Ich hatte den Befehl noch nicht erteilt. Vorerst genügte mir, SOLARIS STATION unter der Kontrolle des Quarteriums zu wissen. Leticron hatte das Kommando übernommen. Er war ohnehin skrupelloser als ich.

*

Ich betrat die Kommandozentrale. Oberst Tantum tat seinen Dienst. Eine Weile verfolgte ich die Schlacht. Wir bewegten uns langsam zum Sternenportal. Der Emperador wollte nicht länger dem Krieg beiwohnen. Er hatte offenbar Angst.

»Oberst Tantum, übernehmen Sie!«, befahl ich meinem loyalen Kommandanten der EL CID nach einer Weile. Ich zog mich in mein Quartier zurück, um mit Werner Niesewitz Kontakt aufzunehmen. Er befand sich inzwischen ebenfalls an Bord der FLASH OF GLORY.

»Ich bin froh, dass Sie überlebt haben, Despair. Was ist nur vorgefallen?«

»Niesewitz, ›Unternehmen Friedrich‹ wird bald anlaufen.«

Niesewitz wurde weiß im Gesicht. Fahler als sonst. Er wusste natürlich, was »Unternehmen Friedrich« bedeutete. Er selbst hatte diesen Namen ausgesucht. Durch dieses Unternehmen wurde die Internierung aller Staatsbürger der Liga Freien Terraner eingeleitet. Jeder, der sich zum Quarterium bekannte, blieb verschont. Beamte, Diplomaten und Streitkräfte der LFT wurden jedoch verhaftet. Spione durften sofort erschossen werden.

»Quarteriumsmarschall, ich denke, ich bin nicht über alles informiert. Wieso kämpfen wir nicht gegen MODROR?«

»Hat Ihre CIP das nicht schon herausgefunden, Niesewitz? Nun, wir haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sie sind ein Teil davon. Die Menschheit kann nur überleben, wenn das Quarterium die LFT besiegt. Tun wir es nicht, wird es MODROR tun. Und dann ist die Milchstraße verloren. Sehen Sie Ihre Arbeit deshalb als besonderen Dienst an unserer Rasse an.«

Das schien ihn zu berühren. Offenbar ratterte es nun in seinem Kopf. Er begriff wohl sofort, mit wem wir den Pakt geschlossen hatten.

»Noch etwas, Niesewitz. Setzen Sie Ihren besten Mann auf Danton an. Er soll verhaftet werden. Der Emperador darf von dieser Aktion nichts wissen, aber Danton ist zu gefährlich, um ihn laufen zu lassen. Das wissen wir beide!«

Niesewitz nickte.

»Schon erledigt. Die Planungen für ›Unternehmen Friedrich‹ werden sofort anlaufen. Wir warten dann auf das vereinbarte Signal.«

Ich beendete die Verbindung. Am heutigen Tage war das geschehen, wovor ich mich so lange gefürchtet hatte: Der Krieg gegen die LFT. Zwar war noch kein Schuss aus einem quarterialen Geschütz auf die Terraner abgefeuert worden, doch es war nur eine Frage der Zeit. Vielleicht schaffte es MODROR, alle dort zu vernichten. Dann brauchten wir uns nicht die Hände schmutzig machen und konnten direkt in die Milchstraße vorstoßen.

Oberst Tantum meldete sich.

»Was gibt es, Oberst?«

»Wir durchfliegen das Sternenportal. Aber noch wichtiger, Sir: Dorgonische Adlerschiffe unterstützen auf Befehl von Arimad und Vesus die LFT.«

Die Dorgonen brachen das Bündnis? Unmöglich! Despair verstand nicht, wie Commanus so dumm sein konnte. Das veränderte die ganze Situation. Wenn Dorgon dem Quarterium in den Rücken fiel, dann hatten sie gewaltige Probleme in Siom Som.

»Der Corun berichtet, dass Falcus verlauten ließ, es gebe Differenzen mit Arimad und den Rebellen. Teile der Flotte hätten revoltiert. Commanus würde jedoch treu zum Quarterium stehen«, berichtete Tantum.

»Dieser verdammte Idiot! Danke, Oberst.«

Despair machte sich sofort auf den Weg zum Emperador. Eine schnelle Entscheidung musste getroffen werden.

3. Der Zorn des Kosmotarchen

Enthüllungen

6. April 1307 NGZ: 22:20 Uhr

Emperador de la Siniestro betrachte mit geifernder Lust die wunderschöne Rosan Orbanashol-Nordment. Alles an ihr entzückte ihn. Ihr liebreizendes Gesicht, so zart, so zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe. Ihre weiblichen Rundungen waren geradezu elektrisierend. Es fiel ihm so schwer, nicht mit seinen Händen über ihre Brüste zu streicheln. Sie würde seine Emperatriz werden. Seine Frau, seine Geliebte. Jene, die immer für ihn da sein und ihn mit ihrer Liebe beglücken würde.

Diabolo riss den Emperador aus seinem feuchten Tagtraum.

»Wir erreichen Paxus in wenigen Minuten, Sir.«

»Danke, Diabolo. Ich hoffe, die Räumlichkeiten für Rosan sind eingerichtet. Ich möchte doch nicht, dass es Ihnen an etwas fehlt.«

Er lächelte, doch sie starrte ihn nur kühl an. Das würde sich bald ändern. Rosan Orbanashol-Nordment würde erkennen, dass es keine bessere Partie für sie gab als ihn. Er war der Vater der Nation, nicht nur der älteste, sondern auch der mächtigste Terraner im Universum.

»Seien Sie nicht traurig, Rosan. Ich erwarte ein Lächeln, wenn wir Paxus erreichen.«

»Lassen Sie mich frei und vielleicht werde ich darüber lächeln. Oder schicken Sie Ihre Truppen nach WANDERER, um Perry Rhodan zu helfen. Sie können ihn und Aurec doch nicht sterben lassen?«

Emperador de la Siniestro hatte genug von den ständigen Anschuldigungen. Immer wieder jammerte Rosan ihm die Ohren voll, er müsse Rhodan helfen. Nichts musste er! Er war schließlich der Emperador des Quarteriums! Niemand erteilte ihm Befehle! Auch nicht die bezaubernde Rosan. Sie sollte etwas ganz anderes für ihn tun. Vor seinem geistigen Auge spielte sich eine heiße Nacht mit ihr ab. Sie saß auf ihm, wippte auf und ab, ihre prallen, großen Brüste hüpften hin und her. Sie stöhnte ihre Lust hinaus.

»Mein Emperador, etwas Speichel fließt Euch aus dem Mund.«

»Was?«

Erst jetzt bemerkte er, dass er etwas weggetreten war. Hastig wischte er sich den Sabber vom Kinn ab und grinste unbeholfen. Rosan sah ihn immer noch abfällig an. Der Spanier zwang sich, nicht an ihren nackten, bebenden Körper zu denken.

Despair trat ein. Er stieß die Tür laut auf und donnerte mit polternden Schritten auf den Emperador zu.

»Eine Revolte bei den Dorgonen. Arimad und Vesus haben sich gegen Commanus verschworen. Die Dorgonen helfen der LFT mit rund fünftausend Adlerschiffen. Commanus wird in Kürze mit Arimad und Decrusian auf Dom verhandeln. Das Bündnis wackelt, mein Emperador!«

Don Philippe war entsetzt und wütend zugleich. Er verwünschte den schwachen Commanus. Dabei war der doch auch von Cau Thon rekrutiert worden. Wieso widersetzte er sich den Befehlen MODRORs? Er hätte Arimad verhaften lassen sollen! Nun war guter Rat teuer. Was sollten sie tun? Der LFT beistehen? Das Volk würde nicht verstehen, wieso das Quarterium sich als Einziger in Passivität übte. Dorgon durfte nicht wegfallen. Der Bündnispartner war immens wichtig, allein die Streitkräfte der Dorgonen sorgten in den estartischen Galaxien für große Stabilität.

Orlando de la Siniestro, sein geliebter ältester Sohn, betrat den Audienzsaal. Er salutierte vor seinem Vater, wirkte aber sehr ernst. Don Philippe ahnte, dass etwas nicht stimmte.

»Was ist geschehen, mein Sohn?«

»Die Männer sind verwirrt, Vater. Von Kaiserin Arimad kam der Aufruf, jenen auf WANDERER im Kampf gegen MODROR zu helfen. Teile der dorgonischen Flotte suchen nun den Kampf gegen die Dscherr’Urk, während unsere Streitkräfte tatenlos bleiben. Wieso?«

Der Emperador lehnte sich zurück. Ihm war diese Frage unangenehm. Irgendwann musste er Orlando reinen Wein einschenken.

»Ja, wieso?«, fragte Rosan schnippisch. »Vielleicht weil das Quarterium will, dass Rhodan und Aurec sterben?«

Orly blickte verunsichert zu Rosan, dann wieder zu seinem Vater. Der Emperador las Verunsicherung aus den Augen seines Sohnes.

»Es sind schwere Zeiten angebrochen. Ich befürchte, dass die LFT nun unser Feind ist. Deshalb halten wir uns zurück. Wir haben MODRORs Wort, dass er uns in Ruhe lässt«, sagte er ruhig. »Eigentlich galt das auch für Dorgon …«

Ihm gefiel nicht, dass Arimad plötzlich die dorgonische Flotte herumkommandierte. Vesus unterstützte sie dabei! Aber warum reagierte Commanus nur zögerlich und verhandelte? Das durfte nicht wahr sein!

»Wir haben einen Frieden mit MODROR ausgehandelt? Wieso weiß ich davon nichts?«

Der Emperador stand auf, ging zu seinem Sohn und legte seine Hand auf dessen Schulter.

»Niemand oder nur wenige wussten davon. Orly, es geht um das Überleben der Menschheit. Du musst mir vertrauen! Perry Rhodan führt die Menschen in den Abgrund. Ich werde die Menschheit zu neuem Ruhm führen – und vor allem: Sie wird überleben!«

Er spürte, dass er seinen Sohn nicht überzeugt hatte. Dabei sprach er sogar die Wahrheit. MODROR würde so oder so diesen Krieg gewinnen. Die Besiegten würde er grausam bestrafen, seine Verbündeten jedoch reich belohnen.

»Wir müssen die Menschheit vor sich selbst und Rhodan schützen. Deshalb tun wir das alles. Es gefällt mir auch nicht, aber es geht schließlich um den Fortbestand unserer Rasse.«

»MODROR ist ein Monster. Wir können unmöglich mit ihm koalieren. Das ist …«

Orlando fehlten die Worte.

»Wir haben keine andere Wahl. Entweder wir arrangieren uns mit ihm oder er wird in seinem Zorn die ganze Menschheit ausradieren. Ich bin für das kleinere Übel.«

»Ich verstehe nun, de la Siniestro«, sagte Rosan Orbanashol-Nordment und kam auf die beiden zu. »Ihr seid ein Vasall von MODROR! Deshalb also auch die Drachen und Rodrom über Objursha. Ihr habt Euch an ihn verkauft und wollt, mit ihm zusammen, die Milchstraße erobern.«

Der Emperador schlug Rosan ungehalten ins Gesicht. Sie gab einen kurzen Klagelaut von sich und wandte den Kopf ab. Dabei hatte sie recht. Sie hatte genau erkannt, was wirklich ablief. Orlando sah seinen Vater entgeistert an.

»Ja, es ist so, mein Sohn. Wir kooperieren mit MODROR. Er lässt mir in vielen Dingen freie Hand, hat jedoch auch gewisse Forderungen. Wir müssen die Milchstraße erobern, Perry Rhodan entmachten und die Menschheit in unsere Dienste stellen. Dann wird sie überleben. Die Alternative wäre ein hoffnungsloser Krieg gegen MODROR.«

Orlando wich zurück. In seinem Gesicht arbeitete es. Er schien das alles nur schwer verarbeiten zu können. Der Emperador bedauerte dieses Gespräch, doch welche Wahl hatte er? Keine!

»Ich brauche dich, mein Sohn! Wir müssen gemeinsam die Menschheit vor ihrem Untergang bewahren. Rhodan will doch nicht auf mich hören. Und nun siehst du, was geschehen ist …«

Der Emperador drückte die Schultern seines Sohnes. Er beachtete Rosan kaum noch, bekam jedoch aus den Augenwinkeln mit, dass sie ihn aus ihren rot leuchtenden Augen finster ansah.

Orlando nickte.

»Mir gefällt es nicht, aber vielleicht ist es wirklich die einzige Möglichkeit. Ich vertraue dir, Vater, und hoffe, du weißt, was du tust.«

Diese Worte erfüllten sein Vaterherz mit Freude. Er umarmte seinen Sohn innig.

»Nun geh bitte. Ich muss mich mit Kaiser Commanus in Verbindung setzen. Die Dorgonen dürfen uns jetzt nicht im Stich lassen …«

Natürlich verschwieg er seinem Sohn einige Details, etwa, dass Commanus ebenfalls ein Diener MODRORs war und natürlich, dass er selbst ein Sohn des Chaos war. Details, die Orlando nicht kümmern sollten, ebenso wenig die Artenbestandsregulierung.

Paxus, 7. April 1307 NGZ: 03:20 Uhr

Der Emperador wanderte nervös durch den Palastsaal auf Paxus. Er, Cauthon Despair, Werner Niesewitz, Diabolo und Uwahn Jenmuhs waren anwesend.

Er blickte ungeduldig auf sein Chronometer. Sechs Stunden! Sechs Stunden waren seit dem Angriff der dorgonischen Adlerschiffe vergangen. Seit fünf Stunden wartete er nun auf eine Rückmeldung von Commanus. Nichts geschah!

»Wieso meldet sich dieser Narr nicht?«

Alle schwiegen. Sie saßen auf glühenden Kohlen. Das »Unternehmen Friedrich« konnte nicht beginnen, bevor sich der Emperador nicht der Dorgonen sicher war. Ein Krieg in der Milchstraße, M 87 und den estartischen Galaxien war ohne Dorgon nicht durchführbar. Es sei denn, MODROR entsandte mehr Truppen. Das aber wollte der Emperador nicht. Das Volk sollte so wenig wie möglich von MODROR wissen.

Kälte! Plötzlich fröstelte den Emperador. Er bekam würgende Angst, die ihm das Atmen erschwerte. Er glaubte zu sterben. Tausendmal. Er hatte dieses Gefühl nur einmal gehabt: Als er seinen Zellaktivator von MODROR erhalten hatte.

Dieser Verrat muss bestraft werden.

Der Emperador drehte sich um. Hinter ihm stand er! MODROR! Schreiend wich der Spanier zurück und fiel auf den Boden. Die glühenden Augen MODRORs fixierten ihn. Die ganze Erscheinung des Kosmotarchen war ein einziger Horror. Er wirkte, als sei er gerade aus dem Grabe entstiegen. Alle Ängste, die ein Mensch vor dem Tod und dessen höllischen Mythen haben konnte, durchlebte Don Philippe de la Siniestro nun.

»M… Meister …«, stotterte er. »Was … was kann ich …? Wir …?«

Don Philippe schwebte plötzlich in die Höhe. Entsetzt schrie er auf. Dann aber wurde er sanft auf seine beiden Füße abgesetzt.

»Bewahre Ruhe, mein Sohn des Chaos. Commanus hat sich meiner als unwürdig erwiesen. Dorgons Flotte muss weiterhin dem Quarterium dienen. Und so wird es auch geschehen. Ich habe Cau Thon und Goshkan nach Dom befohlen.«

MODROR zauberte aus seiner Hand einen Datenkristall und schickte ihn telekinetisch zu Despair.

»Begib dich zu deinen Brüdern und führe die Befehle auf dem Kristall aus. Danach kehre nach Paxus zurück.«

Despair verneigte sich. Er nahm den Datenkristall und verließ den Saal. Der Emperador starrte MODROR immer noch ängstlich an.

»Und welche Instruktionen habt Ihr für mich?«

Ein verzweifelter Versuch

Sternentor, 7. April 1307 NGZ: 05:45 Uhr

Der Kampf dauerte eindeutig zu lange.

Es wurde eng im doch so weiten Weltraum für Will Dean und seine Jägerstaffel. MODRORs Einheiten griffen direkt an und schafften es trotzdem, die quarterialen Einheiten nicht zu attackieren. Dean verstand es nicht. Wieso griffen sie nur die LFT an? Wieso nur die Terraner und ihre Freunde? Gehörte das Quarterium nicht dazu? Der Afroterraner machte sich seine Gedanken. Wieso war SOLARIS STATION nicht zerstört worden, nachdem sich quarteriale Einheiten dort eingenistet hatten. Was hatten die Kemeten hier zu suchen?

Ein gigantischer Pyramidenraumer mit einer Kantenlänge von vier Kilometern hatte unter dem Jubel seiner Männer die SISHEN schwer beschädigt. Rodroms Flaggschiff hatte sich zu dieser großen Kampfstation am Sternenportal zurückgezogen.

Seit einigen Stunden kämpften die Dorgonen plötzlich an ihrer Seite. Admiral Jeamour hatte seine Soldaten darüber informiert, dass Arimad und Vesus diese Entscheidung getroffen hatten. Inzwischen gab es einen offenen Schlagabtausch, ohne dass die Alliierten jedoch irgendwie vorankamen. MODROR hatte inzwischen bestimmt rund fünftausend Einheiten verloren, doch noch immer schützten zwanzigtausend Schlachtschiffe WANDERER.

Sie bildeten einen undurchdringlichen Wall. Technologisch waren sie der LFT und ihren Verbündeten überlegen. Diese gigantische Raumstation hatte eine gewaltige Feuerkraft und schickte immer wieder neue Schlachtschiffe in das Gefecht.

»Dean, hier sind …«

Die Funkverbindung zu Captain Aris brach ab. Auf der Anzeige sah Dean, dass der Jäger des Staffelführers explodierte. Unweit von ihm entfernt, zerbarst ein Schiff der NOVA-Klasse in einem gigantischen Glutball. Überall um ihn herum starben tapfere Wesen.

»Will, vier Jäger hinter dir.«

»Verdammt!«, stieß der Afroterraner aus und beschleunigte seine Maschine, doch die Angreifer klebten unerbittlich an ihm. Haman und Lytz feuerten einen ab, doch trotz aller gewagten Manöver, blieben die feindlichen Jäger an ihm kleben. Plötzlich tauchte direkt vor Dean wie aus dem Nichts ein gigantischer Raumschiffkörper auf.

»Scheiße!«, brüllte er und zog mit einem Gewaltmanöver nach unten. Nur knapp entkam er einer Kollision, doch zwei feindliche Jäger verpufften im Paratronschirm des Kugelkolosses.

»Das ist die LEIF ERIKSSON!«, jubelte Haman. »Und die anderen Schiffe. Meine Anzeige ist voll davon. Die Kavallerie ist da!«

Dean zog nach oben und kam hinter den barymischen Einmannjäger. Ohne zu zögern, zerschoss er das feindliche Schiff.

»Wir formieren uns neu. Ich wiederhole: Bei der 8. Terranischen Flotte sammeln und auf neue Befehle warten.«

Die Karten wurden neu gemischt.

*

Reginald Bull verschaffte sich innerhalb weniger Momente einen Überblick über die Schlacht. Hologramme von Xavier Jeamour, Vesus, Admiral Nepomuk Higgins und General Scott C. McHenry standen lebensgroß grünlich schimmernd vor ihm.

»Wir haben noch 1572 Schlachtschiffe, Sir. Die Raumer der Saggittonen, Posbis und Akonen eingeschlossen. Es wurde höchste Zeit«, sagte Jeamour, an dessen Kopf eine offene Wunde klaffte.

»Die Dorgonen haben noch 4000 funktionierende Adlerschiffe«, meldete Vesus.

Reginald Bull blickte auf das Chronometer. Wären sie doch nur schneller da gewesen. Hätte Perry doch auf ihn gehört. Er verfluchte Rhodans pazifistische Einstellung und blickte besorgt auf den Belagerungsring über WANDERER. Da mussten sie hinein.

»Meine Herren, wir haben jetzt mehrere Ziele vor uns. Rund zwanzigtausend Schlachtschiffe feindlicher Natur stehen uns gegenüber. Außerdem knapp fünftausend Schiffe des Quarteriums, denen ich nicht über den Weg traue. SOLARIS STATION ist in der Hand des Quarteriums. Gefällt mir auch nicht. Also …« Bully machte eine bedeutungsvolle Pause. »Also zuerst müssen wir Perry und die anderen raushauen. Und wir werden mit den Quarterialen reden, wieso sie uns nicht helfen. Wir machen jetzt hier sauber, und jeder, der nicht in diesen Sektor gehört, wird sich verpissen!«

Tretet ein, Despair

Cauthon Despair, Dom, 7. April 1307 NGZ: 08:30 Uhr

In Ruhe las ich den Befehl, während ich mich Dom näherte. Immer wieder und wieder nahm ich jedes einzelne Wort in mich auf. Mit dem Inhalt war ich nicht einverstanden, doch er war notwendig. Meine Brüder Cau Thon und Goshkan würden sich in wenigen Minuten mit mir treffen. Sie würden mir bei der Erfüllung der Mission helfen.

Ein Funkspruch der Prettosgarde erreichte mich. Sie forderten mich auf, einen chiffrierten Kode zu übermitteln. Natürlich war ich im Besitz dieser Legitimation. Nach wenigen Sekunden gaben sie mir Landeerlaubnis. Feld 522, nahe des kaiserlichen Sommerhauses, welches auf der Veltan-Insel Dom lag, die vor dem Kontinent Agol ruhte. Dort fand die Konferenz statt. Die BREEN tauchte in die Atmosphäre von Dorgon ein. Das Raumschiff tauchte durch die Wolkendecke und stieß in den blauen Himmel. Unter mir lag die gewaltige Hauptstadt des dorgonischen Kaiserreiches: Dom. Seit langer Zeit war ich nicht mehr hier gewesen. Alte Erinnerungen kehrten zurück. Hier war Sanna Breen gestorben, hier hatte ich mich für MODROR entschieden. Viele Jahre waren seitdem vergangen und nun kehrte ich zurück, um Dorgon endgültig für MODROR zu sichern. Ich flog über Dom, doch schenkte ich der Herrlichkeit der Stadt diesmal keine große Beachtung. Ich nahm den kürzesten Weg zum anderen Kontinent und sah bereits das Domizil auf meiner Ortung.

Behutsam leitete ich den Landevorgang ein und setzte die BREEN auf dem vorgeschriebenen Landeplatz ab. Noch einmal warf ich einen Blick auf den Befehl. Der Memowürfel holografierte in blauer Schrift die Order von MODROR. Dessen Befehle waren unumstößlich, so leid es mir für die Beteiligten tat.

Ich aktivierte links von mir die Funkkontrollen und sendete einen Countdown. Oberst Tantum wusste, was zu tun war, wenn die Zeit verstrichen war. Die EL CID wartete im Orbit. Nun war es Zeit aufzustehen. Langsam erhob ich mich, als ob ich das Unvermeidliche verzögern wollte. Ein letztes Mal prüfte ich die Schärfe meines Caritschwertes. Auf den Ortungskontrollen blinkte ein roter Punkt. Mit einem Knopfdrucke erschien auf einem zweiten Display die Form und Bezeichnung des Schiffes.

Die KARAN. Cau Thon und Goshkan waren hier. Nun gab es kein Zurück mehr. Ich verließ das Cockpit und stieg aus der Luke der BREEN. Vor mir salutierten einige Prettoswachen.

»Willkommen, Quarteriumsmarschall. Der Kaiser erwartet Euch. Wir geleiten Euch zu ihm.«

»Danke, ich finde den Weg selbst.«

Ohne mehr Konversation mit diesen Narren zu verschwenden, machte ich mich auf den Weg zum Sommerhaus. Er war unübersehbar und führte mich durch die prachtvollen Gärten des Palastes. Zu meinem Vorteil gereichte die Tatsache, dass Separatisten und Prettosgardisten aus gegenseitigem Misstrauen das Gebiet abgesperrt hatten. Kein Soldat der gegnerischen Partei befand sich hier, damit die Politiker sich nicht gegenseitig umbrachten.

*

»Ich bin immer noch der Meinung, dass wir die estartischen Gebiete nicht aufgeben sollten. Dorgon ist ein Reich der Stärke und nicht des Friedens!«

Commanus beharrte auf seinem Standpunkt. Arimad begriff diesen Narren nicht. Aber die Macht hatte ihn völlig korrumpiert. Sie blickte wütend auf seine Begleiter. Carilla, Falcus, Elgalar und Commanus thronten mit einer beispiellosen Arroganz vor ihrer Delegation. Die beiden Goner Shenia Drenia und Waldron Tragonar schwiegen, Decrusian und Torrinos hingegen polterten auf jede Bemerkung ihrer vier Verhandlungspartner undiplomatisch los.

Hätte nicht Vesus und ein Teil der Flotte auf ihrer Seite gestanden, würde sie keinerlei Erfolgschance in den Verhandlungen haben. So jedoch fürchtete Commanus um seine Macht, und das machte ihn schwach. Arimad musterte Imagi, Vesus’ Adjutanten. Er war befugt, im Namen der »rebellischen« Flotte zu sprechen.

»Commanus, ihr verkennt eure Lage. Wenn Arimad und Decrusian einen Bürgerkrieg erklären würden, würden wir nicht nur viele Männer, viele Raumschiffe verlieren, sondern auch sowieso die estartischen Galaxien. Mit einem friedlichen Abzug könnten wir zumindest das Gesicht wahren. Die Flotte ist geteilter Meinung. Großadmiral Vesus ist ein Mann der Ehre. Und er sieht es als Ehre an, Menschen zu helfen, statt finsteren Dämonen.«

Arimad freute sich über das diplomatische Geschick von Imagi. Er hatte seine Worte weise gewählt.

»Haltet die Klappe. Die stecken doch alle unter einer Decke. Das sagt mir meine weibliche Intuition«, schimpfte Elgalar.

Ein Dienstroboter schwebte in den Raum. Er flog direkt zu Falcus und übergab ihm eine Nachricht. Der Legat wurde kurz bleich. War etwas nicht in Ordnung? Hiobsbotschaften aus den Kolonien? Arimad hoffte, dass Sam in dem ganzen Chaos vielleicht eine Revolte angezettelt hatte. Aber daran zweifelte sie. Wie sollte er auch? Traurig rief sie sich in Erinnerung, dass der Somer auf WANDERER kämpfte.

»Quarteriumsmarschall Cauthon Despair ist auf dem Weg hierher. Er wird in Kürze eintreffen.«

»Die Zeit drängt. Unvorstellbare Dinge geschehen am Sternenportal der Lokalen Gruppe. Wir müssen handeln und den Menschen helfen«, rief Arimad aufgebracht. »Wir sind alle Menschen und haben in MODROR einen gemeinsamen Feind. Es wird Zeit, die Zwistigkeiten um die Macht beiseite zu legen und gemeinsam, als ein Volk zu agieren.«

Commanus vergrub das Gesicht zwischen den Händen.

»Es ist nicht so einfach, mein Schatz …«

Arimad glaubte, sich verhört zu haben.

»Schatz? Und wieso?«

Commanus blickte Falcus und Carilla ratlos an. Auch Carilla wurde blass. Commanus druckste herum, als wäre er ein kleines Kind. Er hatte ein Geheimnis. Arimad kannte dieses Verhalten von ihm. So war er immer, wenn er etwas ausgefressen hatte und sich ehrlich schämte.

»MODROR ist viel mächtiger, als wir alle denken. Schließlich hat er bereits den heiligen Thesasian als Verbündeten gewinnen können … und …«

»Und was?«

Arimad wusste nicht, worauf er hinaus wollte. Thesasian hatte sich ebenfalls von der Macht verführen lassen. MODROR hatte sich seitdem nicht mehr in Dorgon blicken lassen.

»Nun ja. Das dorgonische Kaiserreich ist mannigfaltig in seinen Allianzen. Du musst wissen, dass das dorgonische Reich stets Priorität für mich hat. Daher …«

Arimad verstand nichts mehr, überhaupt nichts. Welche Allianzen? Welche Prioritäten? Was versuchte Commanus ihr zu sagen? Plötzlich begann es ihr zu dämmern. Nein! Das konnte nicht wahr sein. Nein, einfach lächerlich. Commanus musste etwas anderes meinen.

Falcus stand auf und aktivierte einen Außenbildschirm. Dieser zeigte Cauthon Despair, der sich auf dem Weg hierher befand. Aber zwei Kreaturen kreuzten seinen Weg. Arimad erkannte sie. Entsetzt starrte sie Commanus an, der beschämt den Blickkontakt abbrach.

Es stimmte, das Undenkbare stimmte also doch!

7. April 1307 NGZ – Der Tag der Schlächter

Paxus, Senat, Liveberichterstattung INSELNET: 08:45 Uhr

Rede Emperador de la Siniestros zur Lage der Nation:

»Bürger des Quarteriums! Es ist in allen bekannten Galaxien das reine Chaos, ein grausames Morden ausgebrochen. Ein blutiger Krieg, ein Gemetzel ohnegleichen wurde am Sternenportal entfacht. Die Friedenskonferenz, in die wir alle unsere Hoffnung setzten, ist gescheitert! Blutig gescheitert! Unsere Hoffnung auf Frieden wurde zerschmettert. Die gewissenlosen Machthaber der LFT und die verbrecherischen Rebellen waren nicht bereit, sich an die einfachsten Regeln des Zusammenlebens zwischen zivilisierten Nationen zu halten. Perry Rhodan und Aurec haben zur Gewalt gegriffen und sogar Unterstützung in Dorgon gefunden.

Ich bin fassungslos und traurig. Millionen unschuldiger Wesen mussten bereits sterben. Millionen werden, genau in diesem Augenblick, indem ich hier, vor Ihnen als den Vertretern der Völker unserer großen Nation, Rechenschaft ablege, sterben und Millionen werden noch in naher Zukunft sterben müssen.

Ich frage Sie, für was? Wem nützt dieses Völkermorden? Welche Unmenschen, welche Verbrecher wollen ihre Macht auf den Leichenbergen von Millionen und Abermillionen Dahingemorderter erhalten? Ich frage mich, wie können diese skrupellosen Demagogen, die noch immer die Worte Frieden und Freiheit im Munde führen, noch ruhig schlafen? An ihren Händen klebt das Blut von ungezählten Leben, die sie ihrer grenzenlosen Machtgier geopfert haben.«

Siniestro machte eine Kunstpause, wohl um die Worte etwas wirken zu lassen. Dann fuhr er fort:

»Hiermit schwöre ich feierlich, in der Verantwortung für das Leben der Frauen und Männer, die ihr Schicksal, ihre berechtigte Hoffnung auf Frieden und Wohlstand meiner Regierung anvertraut haben, dass ich meine ganze Kraft, mein ganzes politisches Geschick dafür aufwenden werde, die Geißel des Krieges von unserer gemeinsamen Heimat, unserer geliebten Insel Cartwheel, fern zu halten.

Doch gleichzeitig erkläre ich, dass ich fest entschlossen bin, das Quarterium – nein die gesamte Menschheit – aus dieser Krise zu führen. Bürgerinnen und Bürger des Quarteriums: Die gesamte Menschheit steht am Scheideweg. Nur wenn wir einig sind, unter einer einheitlichen Führung, meiner Führung, können wir die kommenden Schrecken gemeinsam überleben.

In dieser Situation halte ich es für meine heilige Pflicht, sie alle, die gesamte Nation unserer geliebten Heimat, persönlich über die aktuellen Ereignisse in der alten Heimat und den mit uns verbündeten Galaxien zu unterrichten.

Wie ich bereits anfangs meines Rechenschaftsberichtes erklärt habe, wird das Kaiserreich Dorgon von Unruhen erschüttert. Teile der Regierung sind auf die Lügen der Feinde des Friedens hereingefallen. Doch wir haben bereits die notwendigen Maßnahmen eingeleitet, um auch dort wieder Frieden und Sicherheit der Bürger wiederherzustellen.

Bürger und Bürgerinnen, ich rufe Sie alle auf: Lassen Sie die TiVi-Geräte eingeschaltet. Ich werde, bei gegebenem Anlass, Sie wieder, vor den gewählten Repräsentanten des Volkes, über die neuen Entwicklungen persönlich informieren. Beten Sie mit mir, dass es uns gelingt, den Frieden zu erhalten. Gott sei mit Ihnen!«

*

Cauthon Despair, Dom: zur gleichen Zeit

Die Gärten waren schön, doch für diese Ansicht hatte ich im Moment keinen Sinn. Hundert Meter vor mir lag das Sommerhaus. Es war weiß, das Dach in einem mittelroten Ton. Säulen zierten den Eingang.

Je näher ich dem Haus kam, das eher einem Tempel glich, desto intensiver spürte ich die Präsenz meiner Brüder. Endlich gaben sie sich zu erkennen. Sie deaktivierten ihre Tarnfelder und marschierten auf mich zu. Ich verneigte mich kurz vor Cau Thon und Goshkan.

»Mein Bruder!«, freute sich Cau Thon. »Schon bald wird Dorgon absolut unter unserer Kontrolle stehen.«

Ich kommentierte es nicht. Stattdessen fragte ich: »Gibt es Neuigkeiten vom Kampf um das Sternenportal?«

»Nein, Rhodan und Aurec halten sich noch in der Stadt. Aber schon bald wird sie fallen. Die Übermacht ist zu groß. Die Raumstation ist ja bereits unter unserer Kontrolle wie mittlerweile der gesamte Sektor. Es ist nur noch eine Frage von Stunden, bis Rhodan und Aurec tot sind.«

Alles wendete sich extrem schnell zu unseren Gunsten. MODROR hatte alles perfekt vorbereitet. Selbst auf den Verrat der Dorgonen hatte er umgehend reagiert. Er hatte die Gefahr durch Arimad erkannt. Es durfte ihr nicht gelingen, die Dorgonen gegen MODROR und das Quarterium zu stellen.

Außerdem befürchtete ich, dass auch unsere Bevölkerung umschwenken könnte. Bis jetzt war die Berichterstattung von uns manipuliert worden, doch wenn die Bürger des Quarteriums die Wahrheit über die Schlacht am Sternenportal erfuhren, bestand verständlicherweise die Möglichkeit, dass sie sich der LFT zuwendeten.

Wir hatten den Palast erreicht. Falcus trat heraus.

»Tretet ein, Despair.«

Ich folgte seiner Bitte.

»Ich … ich wusste nicht, dass ihr noch Besuch mitbringt.«

Er deutete auf Cau Thon und Goshkan.

»Es wird Zeit, dass der Standpunkt MODRORs geklärt wird«, sagte Cau Thon und lachte heiser.

Wir schritten die Stufen hoch, durchschritten den Torbogen und erreichten den luxuriösen Vorraum des Saales. Ein kleiner, enger Flur führte uns in den Saal. Kleine Putzdroiden rollten surrend auf dem Boden an uns vorbei.

Commanus stand zur Begrüßung auf.

»Ah, Despair, schön euch zu sehen. Cau Thon. Goshkan. Wir heißen unsere Verbündeten willkommen.«

Ich registrierte Arimads versteinerten Blick. Torrinos zog eine Waffe und stellte sich schützend vor die Kaiserin. Mit telekinetischer Kraft blockierten wir die Ausgänge. Falcus und Commanus waren nun auch entsetzt. Ich zog mein Schwert.

»Was?«, fragte Commanus.

Ich sprang nach rechts und schlug Shenia Drenias Schädel ein. Cau Thon parierte die Energieschüsse von Torrinos, während Goshkan Imagi packte und sein Genick brach. Die Beteiligten fingen an zu schreien. Ich rammte mein Schwert in Waldron Tragonars Bauch. Der fette Goner brach ächzend zusammen.

*

Paxus, Senat, Liveberichterstattung INSELNET: 08:45 Uhr

Rede Emperador de la Siniestros zur Lage der Nation:

»Erschütternde Nachrichten erreichen mich gerade. Kaiser Commanus ist tot! Er wurde während einer Revolte von dorgonischen Rebellen ermordet. Viele seiner Getreuen sind ebenfalls gestorben, der Kaiserpalast auf dem Pons Domus steht in Flammen! Das dorgonische Reich ist kopflos. Kaiser und Kaiserin sind tot!«

*

Cauthon Despair, Dom: zur gleichen Zeit

Cau Thon hatte seine Mühe mit Torrinos, der ein begnadeter Kämpfer war. Zu dritt schlugen wir auf ihn ein, bis er verwundet zu Boden stürzte. Ich ließ von ihm ab, überließ ihn Goshkan, der wild schreiend auf ihn einschlug. Commanus wollte fliehen, doch ich packte ihn. Cau Thon streckte derweil Decrusian mit einem Hieb nieder. Er schnitt die Bauchdecke des Dorgonen auf. Arimad schlug er nieder. Sie lebte aber noch.

»Despair, ich verstehe das nicht. Wir sind doch Verbündete«, stammelte Commanus. »Verbündete!«

Cau Thon schritt auf ihn zu.

»Das ist der Lohn des Kosmotarchen für verräterische Verbündete!«

Er bohrte den Caritstab in Commanus’ Brust. Der Kaiser schrie laut auf, sah uns entsetzt, fassungslos an. Thon zog den Stab aus ihm heraus. Commanus brach tot zusammen.

Carilla warf sein Schwert hin. Falcus wich zurück. Elgalar fiel vor mir auf die Knie.

»Bitte nicht! Bitte verschont mich. Ich tue alles, was ihr wollt. Alles, alles!«

Ich setzte zum Schlag an, doch Cau Thon hielt mein Schwert fest.

»Wir werden vertraute Gesichter brauchen, die Dorgon in unserem Namen regieren. Wir geben Elgalar, Falcus und Carilla eine zweite Chance. Besser ihr nutzt sie.«

*

Paxus, Senat, Liveberichterstattung INSELNET

Rede Emperador de la Siniestros zur Lage der Nation:

»Aus diesem Grund wird es sowohl im Quarterium als auch im Kaiserreich Dorgon weitreichende Veränderungen geben. Die Dorgonen sind unsere Schwestern und Brüder. Sie sind Menschen wie wir. Wir dürfen sie nicht im Stich, nicht dem Chaos überlassen.

Deshalb wird das Quarterium mit dem Kaiserreich Dorgon vereint. Fortan werden die Menschen aus M 100 ebenfalls unter dem Schutze und Banner des Quarteriums regiert werden. Ich nehme euch, meine Schwestern und Brüder, als euer Vater der Nation, in unsere große und ruhmreiche quarteriale Familie auf.

Damit bildet die Menschheit ein neues, noch mächtigeres Imperium! Zur Wahrung des Friedens und zum Wohle der gesamten Menschheit!«

*

Cauthon Despair, Dom: zur gleichen Zeit

Arimad war noch übrig. Sie zitterte am ganzen Körper, doch ihre Augen strahlten Mut und Stolz aus. Ich wollte sie nicht töten. Sie war eine starke Frau mit Prinzipien. Gerecht und tapfer! Ein Vorbild für jeden Menschen. Jedoch stand sie auf der falschen Seite.

»Wieso?«, flüsterte sie. »Das Quarterium hat sich auch an MODROR verkauft? Ich dachte, ihr wolltet der Menschheit Frieden geben und sie nicht in der Hölle peinigen.«

Sie rang um Fassung. Ihre Worte trafen mich.

»Cauthon. Ich kann es nicht fassen. Ihr solltet Perry Rhodan und Aurec helfen, statt mit diesen Monstern zu kooperieren.«

Ich ertrug ihre Worte nicht mehr. Meine rechte Hand packte ihre Kehle und drückte zu. Sie röchelte, versuchte sich zu befreien. Ihre Augen färbten sich rot.

»Bitte …«

Schweig endlich, Arimad! Schweig bitte! So fest es ging, drückte ich zu. Es sollte vorbei gehen. Sie sollte endlich sterben, damit ich ihre Beschuldigungen nicht mehr hören musste. Ihr Körper erschlaffte, die Gegenwehr ließ nach. Dann sackte sie in sich zusammen. Ich ließ los, Arimads Leiche polterte zu Boden.

Ich blickte mich um. Überall lagen Leichen. Wir hatten fast alle in diesem Raum bestialisch ermordet. Zum Wohle MODRORs. Ich ertrug es nicht mehr! Cau Thon und Goshkan schienen glücklich mit dem, was sie taten. Ich war es nicht! Die Luft wurde hier zu dick. Ich rannte auf einen Balkon hinaus und blickte in die Gärten. Dort flogen Vögel friedlich umher. Ein Paradies. Ein wunderschönes Bild. Doch in meiner Vorstellung blickten mich die leeren Augen der Ermordeten klagend an. Niemand sah, dass ich weinte.

Arimads starre Augen würde ich niemals vergessen.

Die neuen Herrscher Dorgons

Cauthon Despair, Dom: 09:00 Uhr

Die Legionen der Grautruppen marschierten mit laut knallenden Schritten die lange Treppe zum kaiserlichen Palast auf dem Pons Domus hoch. Dort wartete der Senat Dorgons, der einbestellt worden war.

Noch!

Ich führte die 501. Division an. Der Senat hieß uns willkommen, vielmehr der führende Princips Protector Karsobus, ein Jarvare.

»Willkommen, Quarteriumsmarschall. Was ist geschehen? Praefekt Tutum Carilla hat den Notstand ausgerufen.«

Ich verschwendete keine Worte an ihn, sondern schlug ihm einfach den Kopf ab. Die Grautruppen stürmten in den Palast und begannen, das Feuer auf die Senatoren zu eröffnen. Der Palast wurde in Brand gesteckt. So sah es mehr nach Unruhen aus.

Oberst Tantum informierte mich, dass der Emperador bereits eine Rede gehalten hatte, in der er die Übernahme des dorgonischen Imperiums bekannt gegeben hatte. Damit war sein Traum von einem gigantischen Imperium der Menschheit wahr geworden. Die Menschheit regierte über zwei Galaxien und besaß Kolonien in M 87 und den estartischen Galaxien. Schon bald würde auch die Milchstraße in unserer Hand sein. Der Endsieg stand kurz bevor.

Die Grautruppen ließen keinen Volksvertreter am Leben. Sie hörten nicht auf das Gewinsel um Gnade. Dafür hatten wir sie zu gut konditioniert. Sie waren ideal für diesen Auftrag.

Schritt für Schritt ging ich die Stufen hinunter und blickte auf den brennenden Palast. Dort diente ich einst Nersonos zum Schein. Damals hatte ich Arimad beschützt, ihr Leben gerettet. Nun hatte ich es ihr genommen. Ich kam damit nicht zurecht.

Es war nicht die Zeit für Skrupel. Nicht jetzt! Nicht so kurz vor dem Sieg! Schon bald würde all das vorbei sein.

Elgalar, Falcus und Carilla kamen auf mich zu. Cau Thon und Goshkan waren inzwischen wieder verschwunden. Es war klar, dass sie sich nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen wollten.

»Nun bin ich also Kaiser«, stellte Carilla fest.

»Nein!«, erklärte ich knapp. »Ihr werdet Innen- und Verteidigungsminister von Dorgon werden. Falcus wird zum Außenminister und unserem Statthalter in den Kolonien ernannt. Elgalar tritt als der Bruder von Commanus seine Nachfolge als Quarteriumsfürst an. Euer Kaiser ist jedoch von heute an Emperador de la Siniestro.«

Carilla sah mich wütend an. Doch er schwieg. Welche Wahl hatte er denn auch? Beide mussten sich uns unterordnen, sonst würden wir sie auch töten.

»Habt ihr die Leichen entsorgt?«

»Ja, ich habe verschwiegene Wachen damit beauftragt«, erklärte Elgalar. »Wenigstens ist die Schlampe auch tot. Und mein Bruder war sowieso ein Weichling. Ich als Fürstin werde eine neue Ära in Dorgon einleiten.«

Nur ein Narr. Allerdings stand uns noch Vesus mit seiner Flotte im Weg. Vielleicht lenkte er nun ein. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Carilla und Elgalar die Verhandlungen leiten würden.

Oberst Tantum kam zu uns.

»Sir, wir haben Meldungen erhalten, dass Teile der Flotte nach Bekanntgabe des Todes von Arimad und Commanus desertiert sind. Offenbar Anhänger von Vesus.«

Geflohen! Wir hätten Vesus auch töten müssen. Aber vielleicht erledigten das bereits die Dscherr’Urk am Sternenportal!

»Wir werden uns schon seiner annehmen. Bereiten Sie die EL CID vor, Oberst. Unsere Aufgabe ist erledigt. Wir kehren zum Sternenportal in der Lokalen Gruppe zurück.«

Tantum salutierte. Ich warf einen Blick auf das neue Regierungsgespann. Carilla war machtbesessen und würde sich nicht gegen uns wenden. Falcus war ein cleverer Opportunist, er würde auf unserer Seite bleiben, solange wir die Stärkeren waren. Elgalar besaß nicht den Mut. Es war nur fraglich, ob die drei kompetent genug waren.

Kampf um Esthor

Aurec, 7. April 1307 NGZ: 14:00 Uhr

Ra war das erste Mal aufgegangen. Ich erinnerte mich an die Prophezeiung von Horus. Wir sollten am zweiten Sonnenaufgang auf die Kemeten warten. Vierundzwanzig Stunden waren seit dem Angriff der Dscherr’Urk vergangen. Noch hielten die Mauern der Stadt stand, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Dscherr’Urk durchbrachen und uns überrannten.

Seit zwei Stunden schwiegen die Waffen. Die Angreifer sammelten sich neu. Diese Verschnaufpause war auch für unsere Soldaten gut. So viele waren es nicht mehr.

Ich blickte mich um und sah in hoffnungslose Gesichter. Keiner glaubte daran, dass wir lebend hier herauskamen.

Ich dachte an Kathy. Wie war es ihr ergangen? Hoffentlich war sie in Sicherheit. Neben mir standen Jonathan, Gal’Arn und Elyn. Sie waren verwundet wie ich auch. Etwas weiter weg standen Joak Cascal, Gucky und Perry Rhodan. Sandal Tolk und Jan Scorbit waren zu schwer verwundet, um am Kampf teilnehmen zu können.

Auf uns wenigen ruhte die Hoffnung der Männer und Frauen in dieser Stadt. Die meisten waren Zivilisten, die nur als Schaulustige zur Konferenz gepilgert waren.

»Seht!«

Ich wandte mich an Elyn und sah dann hinunter. Die Dscherr’Urk starteten einen erneuten Angriff. Doch dieses Mal war es schlimmer. Sie fuhren Panzer und schwere Geschütze auf. Bevor ich an irgendjemanden Befehle erteilen konnte, brach die Hölle über uns herein. Die Geschütze donnerten los. Sie kannten nur ein Ziel: Das Tor und die Mauer.

*

»Vorwärts, ihr Maden!«, brüllte Goshkan.

Cau Thon beobachtete die neue Angriffswelle. Diese Dilettanten um Hauptmann Agla herum hatten es bisher nicht geschafft, die Burg zu erstürmen. Erst nachdem er und sein Bruder des Chaos aus M 100 zurückgekehrt waren, nahm der Angriff an Fahrt auf. Schließlich hatte MODROR mit Absicht Esthor als recht leicht einnehmbare Festung gewählt. Es war eine Frage von Minuten, bis die beiden lächerlichen Schutzschirme unter der Last des Energiefeuers zusammenbrachen. Unablässig prallten die Thermobündel auf den blauen Schutzschirm. Cau Thon befahl zwanzig weiteren Geschützen, auf die beiden Raumschiffe zu feuern.

Die Space-Jet wirbelte herum, wich dem Beschuss aus, doch so vernachlässigte sie die Defensive der Mauer. Schließlich konzentrierte sie sich wieder auf das Tor und die Mauern und verging im Feuer der Artillerie. Jetzt war nur noch die TERSAL übrig.

»Verstärkt das Feuer!«

Cau Thon nahm Kontakt mit der LURAG auf. Das abschreckende Gesicht des Dscherr’Urk-Kommandanten erschien auf dem kleinen Display des Kommunikationsgerätes.

»Meister?«

»Punktbeschuss auf die Festung. Jedoch nur solange, bis der Schutzschirm zusammengebrochen ist. Wir wollen die Kreaturen dort mit bloßen Händen schlachten.«

Der Kommandant salutierte. Wenige Sekunden später prasselte ein Feuerregen aus dem Himmel auf Esthor nieder. Die TERSAL spannte einen Kuppelschutzschirm um die gesamte Stadt. Doch er wurde löchrig und überlastete schließlich. Der Feuerregen schlug in gewaltigen Salven auf die Stadt ein. Türme zerbarsten, Lebewesen verschwanden im glühenden Feuer. Nun feuerte ein Geschütz auf das Tor. Mit einem Schuss zerbrach es.

Esthor war gefallen!

»Stürmt in die Stadt. Tötet alle!«

Goshkan brüllte und stürmte zu Fuß los. Cau Thon schüttelte über den Tötungsdrang des Katronen den Kopf. Er bestieg einen Gleiter und schwebte in die Stadt. Tausende Dscherr’Urk versuchten durch das Tor zu gelangen. Es würde ein Massaker geben. Genau das, was MODROR wollte! Ein langes, grausames Sterben!

*

Aurec

»Das Tor ist zerstört. Rückzug! In die oberen Ebenen«, befahl Perry Rhodan.

Mit mir stürmten einige andere zum Tor, um den ersten Angriffsschwung der Feinde abzuhalten. Soldaten hatten sich in den Trümmern verschanzt und feuerten auf die Dscherr’Urk! Die erste Welle ging sofort zu Boden. Mühelos durchschlugen die Strahler Schutzschirme und Rüstungen.

Das sah gar nicht so schlecht aus. Ich hatte ebenfalls hinter einem zerstörten Turm Deckung gesucht. Elyn stand neben mir. Wir schossen auf jeden herankommenden Dscherr’Urk. Einer nach dem anderen fiel. Das Tor war viel zu eng und ohne Schutz. Sie hatten keine Chance. Plötzlich bahnten sich Bestien den Weg durch die Dscherr’Urk. Ich erschrak. Das durfte nicht wahr sein. Pelewon und Moogh. Sie stürmten auf uns zu, hielten dem Feuer stand und überrannten die Stellungen.

»Rückzug. Alle Mann zurück!«, befahl ich. »Es ist vorbei. Die Stadt ist gefallen«, fügte ich mehr zu mir selbst hinzu.

Elyn sah mich traurig an. So schnell wir konnten rannten wir in die oberen Ebenen. Die TERSAL brauste über uns hinweg und schickte einen Feuerhagel auf unsere Verfolger. An der zweiten Ebene angekommen, blickte ich auf die Stadt. Überall waren die Dscherr’Urk durchgebrochen. Gucky teleportierte immer wieder zwischen den Leveln, um so viele Wesen wie möglich zu retten. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch in der zweiten Ebene waren.

Wir waren verloren.

4. Für Tod und Glorie

Mit dem Mut der Verzweiflung

Durchbruch um jeden Preis

Langsam verwünschte Will Dean, dass er sich freiwillig gemeldet hatte. Der Großangriff hatte begonnen!

Zwanzigtausend Schlachtschiffe der 8. Terranischen Flotte, der Saggittonen, Posbis, Maahks, Tefroder und Haluter griffen den MODROR-Verband an.

Nicht um sie zu schlagen, sondern um den achtzig Landeraumfähren und zwanzig Space-Jets einen Korridor für die Landung auf WANDERER zu schlagen. Der Plan funktionierte.

Kaum hatten sie unter großen Verlusten die Atmosphäre von WANDERER erreicht, fielen alle Systeme aus. Dean vergewisserte mit einem Blick zu Phil Haman und Oly Lytz, dass ihre Instrumente ebenfalls ausgefallen waren. Dean verlor die Kontrolle über den gebremsten Flug der Landefähre. Nichts funktionierte mehr, keine Bremsraketen, kein Antigrav, keine Stabilisatoren.

Sie fielen in das Ungewisse.

»Anschnallen und festhalten. Es wird etwas turbulent. Stellen Sie das Rauchen ein. Die Kotztüten finden Sie … Mist, nehmt euren Helm …«

Dean konzentrierte sich darauf, diese Mühle irgendwie heil auf den Boden zu bringen. Er warf einen Blick aus dem Cockpit. Sie hatten die dichte Wolkendecke passiert. Einhundert Landefähren und Space-Jets erging es nicht anders. Mehr als fünfzigtausend Soldaten fielen ohne technische Unterstützung auf diese Welt.

Plötzlich leuchteten die Displays wieder auf. Die Triebwerke waren wieder funktionsfähig.

»Antigrav und Gegenschub«, rief Dean.

Fünfhundert Meter vor dem Boden stabilisierte sich die Fähre. Dean bemerkte, dass nicht alle Raumschiffe so viel Glück hatten. Einige schmierten wie Steine ab und krachten ungebremst auf die Oberfläche. Andere legten eine Bruchlandung hin. Dean setzte ohne Schwierigkeiten mit dem Raumer auf. Er atmete tief durch. Das war geschafft. Er warf einen Blick auf Phil Haman, Oly Lytz und Remus Scorbit.

Scorbit nickte.

Er wandte sich an den Kommandeur der 777. Kompanie, die allgemein als Freyt-Kompanie bezeichnet wurde. Captain Wolgg, ein hochgewachsener Terraner mit kurzgeschorenem Haar, gab den Befehl an die tausend Soldaten seiner Truppe auszusteigen.

Die Luke öffnete sich und die jungen Frauen und Männer setzten ihren Fuß auf WANDERER. Dean beobachtete von seinem Cockpit aus, wie sich immer mehr Soldaten sammelten. Panzer, Geschütze und Gleiter schwebten über das Gelände. Rechts von der 710. Kompanie stand General Scott C. McHenry und musterte die Soldaten. Sie blickten zu ihm auf, er schien ihnen allein durch seine Präsenz Mut zu machen. Für viele war es der erste richtige Kriegseinsatz. Dean öffnete den Gurt und stieg durch die Seitentür aus. Ein Antigrav senkte ihn behutsam auf den Boden. Er starrte auf den Erdboden. Hoch wucherndes Gras. An sich war es schön hier. Ein Paradies. Die 777. Kompanie versammelte sich in der Nähe von General McHenry. Dean lief dorthin und traf Scorbit wieder.

McHenry stand mit Major Thed Waldherr, dem Oberbefehlshaber der 700. Division und dessen Stellvertreter Colonel Kuhata Samry zusammen. Dean und Scorbit stellten sich zu ihnen. Der Major sah die beiden verdutzt an.

»Sir, ich denke, wir sollten die Planungen vertraulich behandeln«, insistierte er bei McHenry.

»Major Waldherr, die beiden haben mehr Schlachten als Sie auf dem Buckel. Die sollten mit dabei sein. Also, berichten Sie!«

Dean schmunzelte innerlich.

»Die Aufklärer melden starke Gefechte bei Esthor. Nach ersten Abtastungen über dreihunderttausend Dscherr’Urk und Skurit. Zum Teil schwer bewaffnet. Artilleriestellungen, leichte Jäger und Technologien, die uns unbekannt sind.«

McHenry nuckelte an seiner Zigarre.

»Dann sollten wir hier nicht blöd rumstehen, sondern uns auf den Weg machen.«

»Sir, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir keine Chance gegen so eine Übermacht haben?«, warf Captain Wolgg ein.

»Na und, Hosenscheißer? Wir hauen Rhodan heraus. Und wieso? Weil wir gottverdammte Terraner sind! Wir sind besser als die stinkenden Mistviecher. Rhodan hat uns auch immer wieder den Arsch gerettet. Jetzt sind wir gute Soldaten und tun das Gleiche. Keine Widerrede. Auf geht’s. In fünfzehn Minuten Abmarsch!«

Captain Wolggs Stellvertreter, Captain Ellroy, stand mit weit offenem Mund vor McHenry. Der General beachtete ihn nicht weiter und ging einfach weg. Will wandte sich an Remus.

»In meinem Shift-Panzer wird noch Platz sein.«

»Gute Idee. Dann kenne ich wenigstens einen hier …«

Er blickte sich um. Dean tat es ihm nach. In der Tat kannten sie keinen der Soldaten. Einige Offiziere hatten sie während der Besprechung auf der LEIF ERIKSSON kennengelernt. Der Rest war ihnen unbekannt. Ebenso deren Stärken und Schwächen.

»Lytz und Haman fliegen den Space-Copter. Wir brauchen noch zwei Mann für den Shiftpanzer.«

Sie sahen sich um. Deans Aufmerksamkeit fiel auf eine Stabsunteroffizierin, offenbar für die Kommunikation zuständig. Sie wirkte etwas deplatziert. Er stupste Scorbit an.

»Die da?«, fragte Scorbit etwas überrascht.

»Eine Funkerin benötigen wir noch. Die ist doch keine für den Kampfeinsatz.«

Scorbit seufzte.

»Na gut!«

Dean stieß einen Pfiff aus. Die Blondine, die um die Taille herum opulent gebaut war, reagierte. Sie trottete zu ihnen herüber und salutierte.

»Stuffz Caroline Nyndorff zur Stelle. Was darf ich für Sie tun?«

»Sehr freundlich. Wir brauchen eine Funkerin für unseren Shiftpanzer. Haben Sie sonst was zu tun?«

Die Blondine stutzte und wirkte überrascht.

»Ähm, nein. Ich meine ja. Ich bin dem Kommunikationsgleiter von Captain Ellroy zugewiesen.«

»Na dann. Der hat nichts dagegen. Kommen Sie mit.«

Dean forderte die immer noch verdutzte Caroline Nyndorff auf, mit zum Gleiter zu kommen. Er wusste, dass Ellroy sich darüber tierisch aufregte, aber das war ihm gleich. Schließlich war Dean ein Mann mit besonderen Befugnissen.

Ein orientalisch wirkender Terraner lief ihnen über den Weg.

»Hey, du bist unser Ortungsoffizier für den Shift.«

»Wer? Ich?«

»Ja, du! Name? Rang?«, fragte Scorbit den Braunhäutigen.

»Ich bin Rezza Sesa, Unteroffizier, Sir. Und wer bist du, äh Sie?«

Dean und Scorbit stellten sich vor. Sesa schien sie zu kennen. Der Kleine, der sich als Perser bezeichnete, meldete sich per Funk bei seiner Einheit ab. Der Führer des dritten Zuges, Sergeant Lewy Nyks fluchte zwar wie ein Rohrspatz, das war Dean aber egal.

Sie bemannten den Shiftpanzer. Der Space-Copter von Lytz und Haman landete vor ihrer Nase. Dean stieg wieder aus.

»Bringt mir das Ding ja heil zurück. Und euch auch!«

»Du kennst uns doch«, rief Oly Lytz. »Ich bombe den Pissern das Herz aus ihrer Hose.«

Er kramte eine Feldflasche aus seiner Tasche und nahm einen kräftigen Schluck.

»Das ist?«

»Ja, Whiskey!«

Dean schüttelte den Kopf. Was sollte er mit diesem Psychopathen anstellen, der im Dienst trank? Doch gerade mit Alkohol im Blut lief Lytz zur Hochform auf.

»Bist du sicher, dass ich nicht fliegen soll?«, fragte Phil Haman.

Lytz starrte ihn schweigend an. Etwas von dem Whiskey tropfte aus dem Mundwinkel auf seine Uniform.

»War nur eine Frage …«

Lytz drückte einen Knopf. Lautstarke Musik erfüllte den Innenraum des Flugpanzers.

»Yeah!«, gellte Lytz, während dumpfe Hörner erschallen. Es klang für Dean irgendwie wie eine Mischung aus peruanischer und skandinavischer Folklore.

Wir saufen den Met bis keiner mehr steht

Unser Häuptling heißt Rote Locke

Wir verbrauchen viel Fraun und

tun Leute beklaun und haun uns auf die Glocke …

Dean seufzte, während Haman grinsend einstieg. Der Space-Copter startete, die wummernde Musik übertönte sogar die Aggregate.

»Das kann ja was werden …«

*

Aurec

»Wir müssen hier weg, Aurec!«

Eine Salve schlug zweihundert Meter neben uns ein und ließ einen hundert Meter hohen Turm in sich zusammenbrechen. Elyn zerrte an meiner Jacke. Dscherr’Urk stürmten auf uns zu. Es war sinnlos. Die zweite Ebene war verloren.

»Rückzug«, brüllte ich.

Die wenigen Soldaten rannten weg. Es war die Hölle. Überall Dscherr’Urk und Bestien. Das Quarterium hatte sich nun endgültig gegen uns gewandt, denn sie trugen das Emblem des Reiches. Wir hatten ihnen nichts entgegenzusetzen.

Die Soldaten und Zivilisten rannten um ihr Leben. Es war das totale Chaos. Die Dscherr’Urk prügelten auf sie ein, töteten auf brutalste Weise. Die ganze Stadt stand in Flammen. Es war die Apokalypse. Nichts konnte uns mehr vor dem Untergang bewahren. Ein Strahl streifte Elyns Schulter. Schreiend fiel sie in meine Arme. Mit aller verbliebenen Kraft zog ich sie auf die nächste Ebene und erreichte unsere Verteidigungslinie. Doch die hielt nicht lange stand.

»Elyn …«

Ich sackte zu Boden, hatte keine Kraft mehr in den Beinen. Sie starrte mich schweigend an. Ich streichelte über ihr verschwitztes Haar. Vor uns marschierten Dscherr’Urk auf. Hinter uns befanden sich Skurit. Wir waren umzingelt. In mir machte sich Hoffnungslosigkeit breit. Es war vorbei. Hier nun würde ich sterben. Elyn lag in meinen Armen und schien ebenfalls auf den Tod zu warten.

»Das ist also das Ende«, sagte ich.

»Nein«, flüsterte sie. »Der Tod ist nicht das Ende des Seins. Habe Mut, Aurec …«

Der Glaube an ein Jenseits fiel mir schwer. Der Glaube an einen Gott, der dies zuließ.

Eine Kreatur bahnte sich den Weg zwischen den Dscherr’Urk durch. Es war der Sohn des Chaos Goshkan. Dieses Ding schaute verächtlich auf uns herab. Der Katrone war im wahrsten Sinne des Wortes ein Höllengeschöpf. Der Oberkörper ähnelte einem Elefanten. Der graue Kopf besaß einen Rüssel und zwei scharfe Stoßzähne. Hörner und viele Augen glühten aus seinem Kopf. Die Hüfte abwärts erinnerte an einen Teufel aus terranischen Erzählungen. Ein Schwanz, Hufe statt Füße.

»Endlich haben wir dich«, grollte Goshkan. »Ich war nie ein Freund großer Reden. Darum werde ich dich jetzt einfach töten!«

Er nahm einen Speer und rammte ihn mir in das rechte Bein. Ich schrie vor Schmerzen laut auf.

»Aber ganz langsam!«

*

Perry Rhodan

Die Schlacht war verloren. Chaos ausgebrochen. Jeder kämpfte ums Überleben.

»Wie konnte das alles derart im Chaos enden, Perry?«

Sam sah mich traurig an.

Ich wusste keine Antwort darauf. Wir waren naiv in eine gut ausgeklügelte Falle MODRORs gelaufen. Wo war der echte ES nur? Wieso half er uns nicht, oder waren seine Mittel begrenzt? Was sollte eine Superintelligenz gegen einen Kosmotarchen schon ausrichten?

Wieder blickte ich auf die Stadt hinab. Alle Ebenen standen in Flammen. Unablässig stürmten die Dscherr’Urk auf alle Etagen und ermordeten alles, was ihnen in den Weg kam.

Ich dachte über das Wort Kosmotarch nach. Was war MODROR wirklich? Früher gingen wir von einer Superintelligenz aus, doch er war weitaus mächtiger. Offensichtlich stand er auf einem Level mit Kosmokraten und Chaotarchen, schien vielleicht deren negative Eigenschaften in sich zu verbinden. Zumindest, wenn man Rückschlüsse aus der Bezeichnung Kosmotarch schloss. Ich würde das Geheimnis nicht mehr lüften können. Ich blickte zu Sam hinab. Gucky materialisierte vor uns und brachte einen verwundeten Joak Cascal zu uns.

»Sir, es ist …«

»Schon gut, Joak. Wir können nichts mehr tun.«

Gucky seufzte.

»Sie sind überall. Alle Linien sind zusammengebrochen. Ich muss wieder weg. Johnny und Gal’Arn.«

Schon verschwand der Mausbiber wieder. Um mich herum befanden sich Sam, Cascal und Jan Scorbit. Wo Aurec und Elyn waren, wusste ich nicht. Vielleicht waren sie nicht mehr am Leben.

Ein Feuerstrahl donnerte aus dem Erdboden. Aus der Glut schälte sich die Gestalt Rodroms heraus. Nun war wirklich das Ende gekommen. Gucky teleportierte mit Andrews und Gal’Arn zurück. Sofort griff der Ilt Rodrom an, doch Energieblitze erfassten ihn. Rodrom schleuderte ihn zu Boden. Cascal feuerte, doch die Strahlen prallten an Rodrom ab. Mit einer Handbewegung hob er Cascal telekinetisch hoch und warf ihn gegen eine Wand.

»Nun, Perry Rhodan, bist du am Ende. Nichts kann dich mehr vor deinem Tode bewahren. Doch sei gewiss: Danach wirst du weiter existieren – als gepeinigte Seele in MODROR.«

Rodrom hob ein brennendes Schwert in die Luft.

»Deshalb wirst du nun qualvoll krepieren!«

Andrews und Gal’Arn stellten sich schützend vor mich. Eine edle Geste, doch nutzlos.

»Kehre zurück in den Höllenpfuhl.«

»Der Höllenpfuhl ist meine Macht, Ritter der Tiefe.«

Rodrom schleuderte Feuerbälle aus seinem Schwert. Der eine traf Gal’Arn, Andrews wich dem Zweiten aus. Dann geschah das Unbegreifliche, der Angriff stockte: Eine Steinmauer traf Rodrom und warf ihn zu Boden. Gucky! Der Ilt verharrte einen Moment und schnappte sich Andrews.

»Aurec stirbt«, rief er kurz und war schon mit Andrews verschwunden. Rodrom rappelte sich langsam auf.

Ich suchte mit Sam und Scorbit mein Heil in der Flucht, doch der Rote versperrte uns den Weg. Telekinetisch schob er Sam und Scorbit weg.

»Dein Tod beginnt jetzt, Perry Rhodan.«

Danach folgte unsäglicher Schmerz.

*

Aurec

Der Schmerz hielt schon viel zu lange an. Ich hielt ihm nicht mehr lange stand. Goshkan bohrte mit dem Speer in meiner Wunde herum. Elyn hielt meine Hand. Ihre heilende Kraft des Jhi minderte die Pein. Goshkan bebte vor Erregung. Es schien ihm offenbar zu gefallen. Dann ließ er ab, stapfte auf mich zu und packte Elyn an den Haaren. Er zog sie zu sich.

»Diese Alyske wird dir keine Kraft mehr geben.« Er drückte sie mit ihrer verletzten Schulter gegen einen seiner Stoßzähne. Dann presste er sie hinein. Sie schrie auf. Ich versuchte aufzustehen, Goshkan davon abzuhalten, aber andere Dscherr’Urk traten auf mich ein.

»Du kannst sie nicht retten. Auch sie wird grausam leiden. Ich bin noch lange nicht mit euch fertig.« Er zog sie von sich und warf sie auf den Boden. Mit seinem rechten Fuß trat er ihr in den Unterleib. Elyn zuckte, zitterte vor Schmerzen.

»Ich werde dich von deinem Geschlechtsteil bis zum Hals aufschlitzen und deine Gedärme fressen. Das wird mir ein besonderes Vergnügen bereiten.«

»Aber nicht, wenn wir was zu sagen haben!«

Jonathan Andrews und Gucky tauchten plötzlich neben Goshkan auf. Andrews stieß sein Schwert in die Hüfte des Monsters. Die Kreatur schrie auf und schlug Andrews von sich weg. Gucky drückte die Dscherr’Urk zur Seite. Mit letzter Kraft stand ich auf. Gucky warf mir einen Strahler zu. Ich schoss auf Goshkan. Immer und immer wieder. Mit Genugtuung und ungekanntem Hass feuerte ich dutzende Salven auf ihn, bis das Monster zu Boden fiel. Plötzlich verschwand Gucky mit Andrews und Elyn. Ich war für einen kurzen Moment allein, dann spürte ich, wie ich mich auflöste und auf der obersten Etage wiederfand. Ich hielt mich an der Brüstung fest. Das war Rettung in letzter Sekunde. Elyn! Was war mit ihr? Ich lief zu ihr. Sie blutete und atmete hastig.

»Du wirst es schaffen«, versprach ich ihr.

In diesem Moment explodierte die silberne Halle vor uns. Rhodan, Sam und Scorbit stürmten heraus. Rodrom ging langsam aus der brennenden Halle heraus.

Hinter uns tauchte die KARAN auf. Zwei Wesen wurden per Transmitter direkt zu uns abgestrahlt. Cau Thon und … Goshkan! Der Katrone blutete und sah übel aus. Sein Fell und seine Haut waren verschmort. Sie hatten uns in die Enge gedrängt. Gucky startete einen erneuten Angriff, doch Rodrom feuerte Energieblitze auf ihn. Kreischend brach der kleine Mausbiber zusammen und blieb liegen.

»Alle beieinander«, meinte Rodrom. »Sogar der Ritter lebt noch. Es wird mir eine Freude sein, dies zu ändern.«

Gal’Arn, ebenfalls verwundet, kroch aus den Trümmern. Er versuchte sein Schwert gerade zu halten. Wir waren ein kümmerlicher Haufen ohne Chance.

Dscherr’Urk marschierten die Treppe zur Ebene hoch.

»Beende es endlich, Rodrom!«, rief Sam. »Erlöse uns von deiner Anwesenheit.«

»Mutig, Somer. Doch du wirst dich an mich gewöhnen. Ich werde euch nicht nur töten. Ich werde eure Seelen nehmen!«

Rodrom zückte sein Feuerschwert und setzte zum ersten Hieb an. Wen würde es treffen? Es war egal.

Wir starben alle.

Ein Blitz, ein Zischen und ein grelles Licht plötzlich über uns. Es donnerte laut. Rodrom ließ von uns ab. Offenbar blickte er in die Ferne. Auch Cau Thon und Goshkan blickten zu den Hügeln, einige Kilometer von der Stadt entfernt. Ich hörte aus dem Schlachtgetümmel etwas. Trommeln, Flöten. Es war nicht die Kampfmusik der Dscherr’Urk.

»When Johnny comes marching home«, sagte Rhodan mit zitternder Stimme. »Bitte Johnny, marschiere jetzt ganz schnell heim!«

Ich verstand nicht so ganz, was Perry Rhodan meinte. Mit letzter Kraft drehte ich mich um. Dann sah ich es. Auf dem Hügel sammelten sich tausende Soldaten und Panzer.

Es war die Kavallerie!

*

Nun erst begann der Krieg richtig.

Will Dean blickte über das Terrain. Remus Scorbit saß neben ihm. Ihr Shift schwebte mit dumpfem Surren über die Wiese und verscheuchte grasende Rinder. Hinter ihnen befanden sich mehr als dreihundert Shifts und tausende von Soldaten. Als sie über den Hügel waren, erkannte er Esthor. Die Stadt brannte an diesem Morgengrauen lichterloh. Hunderttausende Dscherr’Urk standen brüllend vor den Mauern, das Tor und viele Teile des Schutzwalls waren zerstört. Die Feinde strömten unablässig hinein.

»Hoffentlich kommen wir nicht zu spät«, flüsterte Remus Scorbit besorgt. Dean wusste, dass viele seiner Freunde und sein Bruder Jan in Esthor ausharrten.

Der Shiftpanzer von General McHenry brauste an ihnen vorbei. Dean beobachtete den Oberbefehlshaber dieser Operation. Er wirkte wie ein Relikt aus vergangenen Kriegstagen, die man allerhöchstens aus Geschichtsbüchern, Filmen oder Computerspielen kannte.

Ein Haudegen, wie er im Buche stand, so präsentierte sich McHenry seinen Soldaten. Mit stolz geschwellter Brust, einem grimmigen Blick und seinen Projektilrevolvern in den Halftern blickte er auf das Schlachtfeld hinab. Er gab Zeichen an die Artillerie, die einige hundert Meter hinter ihnen in Stellung ging. Offensichtlich hatte der Feind die Armee nicht bemerkt.

»Mit etwas mehr Luftunterstützung wäre mit wohler zumute«, erklärte Dean und verwünschte die Tatsache, dass sie nur zehn Space-Copter besaßen. Mehr hatten sie nicht in den kleinen Landungsfähren transportieren können. Nun, eigentlich doch, aber siebzehn Space-Copter waren durch den selbstmörderischen Landeversuch zerstört worden.

Der Space-Copter SC-1 schwebte direkt über ihnen. Das war der Space-Copter von Haman und Lytz. Dean atmete tief durch. Nur noch wenige Sekunden bis zum ersten Schuss.

General McHenry drehte sich herum und ließ seinen Blick über die Soldaten schweifen. Ein feines Lächeln umspielte sein sonst so strenges Gesicht.

Für ihn musste es wohl ein einmaliges Gefühl sein, in eine Schlacht wie in alten Zeiten zu ziehen, weil die Technik im Orbit versagte. Sie hätten überhaupt nicht mit Kugelraumern anrücken können, ohne Gefahr zu laufen, dass sie abstürzten.

Andere Generäle wären in einer solchen Situation überfordert gewesen: ohne Unterstützung aus dem Weltall, ohne hochmodernste Lenkwaffen, Paratronschutzschirme und robotgesteuerte Angreifer. Sie waren nun auf sich allein gestellt, doch McHenry schien genau der richtige Mann dafür zu sein. Waren Dean und die anderen es auch? Er wusste es nicht. Obwohl er heute schon den ganzen Tag lang gekämpft hatte, ließ ihn das Gefühl nicht los, dass er hier und heute starb.

McHenry setzte sich seinen weißen Helm mit dem amerikanischen Seeadler auf und aktivierte den Interkom.

»Männer! Soldaten der Erde! Soldaten der Liga Freier Terraner! Da unten lauern blutrünstige Bestien, die Unschuldige unseres Volkes ermorden. Wir sind hier, um dieses Massaker zu stoppen.« Er machte eine Pause, schien nach den passenden Worten zu suchen. »Wir sind Soldaten und wir sind gute Soldaten. Ich weiß, ihr habt Angst und es wird grausam werden. Zeigt kein Mitleid gegen diese Hunde, die haben auch keines mit euch.«

Dean empfand diese Ansprache als wenig ermutigend.

»Aber eines weiß ich. Wir werden diese Schlacht gewinnen. Und wieso? Weil wir Terraner sind! Wir sind besser als diese gottverdammten, stinkenden Viecher da unten. Gott ist mit uns. Und dort unten kämpft der größte Terraner aller Zeiten um sein Überleben! Perry Rhodan! Es wird Zeit, dass wir ihn da rausholen, weil er einer von uns ist!«

Langsam bemerkte Dean Zustimmung in den Gesichtern und Reaktionen der Soldaten. McHenry zog seinen Colt.

»Die Sonne ist blutrot und der heutige Morgen wird verdammt blutig werden. Für Tod und Glorie! Für Terra! Für Rhodan! Ad Astra, Terraner!«

Er feuerte dreimal. Das war das Zeichen. Die Artillerie begann nun auch zu feuern. Immer lauter werdendes Donnern grollte hinter uns.

Der erste Schuss explodierte in der Luft. Direkt über der silbernen Halle. Das sollte ein freundliches Hallo an alle sein. Nun begannen die Geschütze unablässig auf die feindlichen Artilleriestellungen und Truppen zu feuern.

»Angriff, Angriff, Angriff«, grölte McHenry.

Sofort setzten sich alle Shiftpanzer in Bewegung. Ziel war es, eine Bresche in die Linie der Dscherr’Urk zu schlagen, um direkt nach Esthor vorzudringen.

Scorbit brauste mit dem Panzer los. Caroline Nyndorff war blass im Gesicht. Wen verwunderte das, fragte sich Dean. Rezza Sesa hingegen wirkte locker, schien sich auf den Kampf zu freuen. Doch seine frische Gesichtsfarbe wich, als die ersten Schüsse auf uns eindonnerten.

Dreihundert Shiftpanzer bildeten die Spitze. Sie überfuhren alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Die gegnerische Infanterie hatte keine Chance. Wie eine gewaltige Planierraube bahnten sich die LFT-Schwebepanzer den Weg nach Esthor. Die Space-Copter schwebten über ihnen hinweg und griffen die Feinde direkt in der Stadt an. Ein Copter wurde getroffen und explodierte noch in der Luft.

Ein Panzer neben ihnen verging in Rauch. Remus Scorbit kümmerte es wenig. Er hielt weiter auf Esthor zu wie die anderen auch. Dean wurde etwas nervös. Der Afroterraner verdrängte die Gedanken daran, wie viele Lebewesen sie gerade töteten.

»Ausschwärmen und Brückenkopf bilden. Befehl vom General«, meldete Nyndorff.

Sofort sicherten die Panzer ein Terrain vor dem Tor der Stadt ab. Gleiter und Transporter setzten die Bodentruppen ab, die nach Esthor stürmten. Alles klappte nach Plan. Die Dscherr’Urk ergriffen die Flucht. Tausende LFT-Truppen rannten in die Stadt hinein. Dort konnten wir mit unseren Shifts nichts ausrichten. Die Straßen waren zu eng, um zu manövrieren. McHenry erteilte den Befehl, dass nur wenige Dutzend Shiftpanzer die Bodentruppen in Esthor unterstützen sollten. Der Rest sicherte die Stellung vor der Stadt.

Dean sah sich die Stadt an. Sie stand in Flammen. Was nicht brannte, war bereits zerstört. Von der gewaltigen Burg war nur noch ein Haufen Trümmer übrig. Die Welt von ES war zum Friedhof geworden.

*

Rodrom schien unentschlossen zu sein. Jedenfalls starrte er immer noch auf die Schlacht. Hunderte Shiftpanzer überrollten gerade seine Angriffslinien. Die Dscherr’Urk hatten ihnen nichts entgegen zu setzen.

»Beenden wir es, Meister«, rief Cau Thon.

Goshkan brüllte.

»Meister?«

Rodrom reagierte nicht. Dann wandte er sich den Söhnen des Chaos: »Ja, töten wir sie!«

Gucky sprang auf und verschwand. Rodrom lachte über die Feigheit des Ilts. Dann sah er zu mir herüber.

»Du Aurec, du bist der Erste!«

*

»Moin. Was ist das denn für ein Krach hier?«

Die beiden Terraner erschraken, als sie Gucky sahen. Naja, eigentlich hatte der Mausbiber sich eine andere Begrüßung erhofft. Telekinetisch stellte er die grölende Musik leiser.

»Sofort alle Space-Copter zur silbernen Halle. Wir müssen Perry Rhodan schützen.«

»Wir sollen Rhodan den Hintern retten?«, fragte der Terraner mit dem Namen Oly Lytz. Gucky esperte in seinen Gedanken und erschrak. Der Typ hatte schon eine halbe Flasche Whiskey intus und steuerte das Schiff. Der andere hieß Phil Haman und wusste nicht, ob er sich freuen sollte, Perry Rhodan zu sehen, oder Angst hatte, gleich den schlimmsten Kampf seines Lebens zu führen.

»Befehl ist durch. Auf zur silbernen Halle. Los, Psycho!«

»Psycho?«, fragte Gucky irritiert.

»Ist eine lange Geschichte.«

Der Space-Copter tauchte über der Halle auf. Rodrom feuerte Energieblitze auf Aurec ab, Gal’Arn und Andrews kämpften mit Cau Thon und Goshkan.

»Dieses Energiewesen kriegen wir nicht so einfach platt«, meinte Gucky.

Lytz feuerte ein paar Energiesalven hinein.

»Ich hätte da etwas. Aber das hat einen gewaltigen Wums«, sagte Haman. »Also besser, wenn du die da herausholst.«

Gucky verstand sofort und teleportierte. Er brachte zuerst Sam, Elyn und Scorbit weg. Dann Rhodan, Cascal und Aurec. Zuletzt schnappte er sich Gal’Arn und Johnny. Alles geschah innerhalb weniger Sekunden. Erschöpft materialisierte er wieder im Space-Copter.

»Los geht’s.«

Lytz schrie »Yippieh!« und Haman drückte einen Knopf. Der Space-Copter entlud seine Bomben auf Rodrom. Das Schiff drehte ab, während die Oberfläche von Feuer eingehüllt wurde. Als das Chaos abklang, war nichts mehr von Rodrom und seinen Söhnen des Chaos zu sehen.

»Die sind hinüber«, jubelte Lytz.

»Glaube ich nicht«, sagte Haman, »oder?«

Er sah Gucky fragend an. Der Mausbiber schüttelte den Kopf. Doch zumindest hatte er Perry und die anderen vorerst in Sicherheit gebracht.

Schlacht um Esthor

Aurec: 17:00 Uhr

Endlich, nach mehr vierundzwanzig Stunden des Kampfes, kehrte eine kurze Periode der Ruhe ein. Mein Schädel brummte. Mein Bein tat weh. Wir wurden in ein notdürftiges Lazarett der LFT gebracht. Vor den Toren Esthors hatten sie eine Stellung errichtet. Das Lazarett befand sich in der untersten Ebene der Stadt. Überall lagen Leichen und Verwundete. Ich wusste nicht, wie viele Wesen heute ihr Leben gelassen hatten.

Es gab ein Zelt für die Prominenz. Elyn, Jan Scorbit, Gal’Arn und Sandal Tolk lagen hier. Perry Rhodan, Gucky, Jonathan Andrews und Joak Cascal waren noch ziemlich in Ordnung. Zumindest standen sie noch auf ihren Beinen.

»Wie geht es Elyn?«

»Sie wird durchkommen. Sie hat eine außergewöhnlich gute Regeneration«, meinte ein Medoroboter.

Mir fiel ein Stein vom Herzen.

Einige hochrangige Offiziere betraten das Lazarett. Remus Scorbit und Will Dean waren unter ihnen. Remus umarmte seinen Bruder Jan herzlich. Entsetzt sah er auf den Stummel.

»Keine Sorge, ich kriege eine neue Hand. Wird auch Zeit, dass ihr endlich kommt. Wo habt ihr nur gesteckt?«

»Es sieht schlimm aus über WANDERER. Zehntausende von feindlichen Schiffen. Das Quarterium unterstützt uns nicht. Zwei Raumstationen wurden vernichtet.«

Was? Kathy! Remus fiel auf, dass auch Johnny besorgt war.

»SOLARIS STATION existiert noch. Sie wurde vom Quarterium besetzt. Alles ist verwirrend. Die Kemeten sagen, das Quarterium sei unser Feind.«

Deshalb waren Horus und Anubis nicht hier!

Perry bedankte sich bei McHenry. Er erklärte ihm und den anderen, dass dies nicht WANDERER war, sondern eine Fälschung von MODROR. McHenry war sprachlos.

»Wie ist unsere Lage?«, fragte Rhodan schließlich.

Der General berichtete, dass die Dscherr’Urk in die Flucht geschlagen wurden. Versprengte feindliche Truppen befanden sich aber noch in Esthor und lieferten sich erbitterte Gefechte mit den LFT-Einheiten.

»Wir wissen nicht, ob wir diesen Planeten verlassen können. Die Wolkendecke lässt unsere Technik ausfallen«, fügte er hinzu.

»Wir müssen aber die Zivilisten und Soldaten mit einem Kugelraumer hier herausholen«, meinte ich. »Die Dscherr’Urk werden wiederkommen und erneut angreifen.«

»Ein Schiff muss versuchen durch die Barriere zu dringen, um Hilfe zu holen.«

Rhodan sah in die Runde.

»Wer hat Lust?«

Niemand meldete sich. Just in diesem Moment betraten zwei Terraner das Zelt. Es waren die beiden aus dem Space-Copter. Sie hatten unser Leben gerettet.

»Ah, Sie? Sind Sie dabei?«

»Jo«, sagte Lytz. »Wobei denn?«

Haman schüttelte den Kopf.

Gal’Arn mischte sich ein. Er bot die TERSAL als Raumschiff an, da das Schiff eines Ritters der Tiefe vielleicht widerstandsfähigere Technik besaß als ein terranisches Schiff.

»Jaktar wird es versuchen. Wenn diese beiden mutigen Terraner mitwollen?«

Rhodan schilderte ihnen die Situation. Beide waren einverstanden. Gal’Arn führte sie zur TERSAL.

Der Medoroboter hatte inzwischen mein Bein verarztet. Es schmerzte nicht mehr so schlimm. Mit Mühe erhob ich mich. Die ersten Schritte taten höllisch weh, aber ich gewöhnte mich rasch daran.

Lautes Donnern ließ nichts Gutes erahnen. Wir rannten aus dem Zelt. Granateinschläge überall.

»Das ist deren Artillerie«, keuchte McHenry. »Sir, wir müssen die vernichten, sonst schießen sie uns zusammen.«

Rhodan nickte.

»Stellen Sie ein Team zusammen. Nehmen Sie eine Bombe mit großer Sprengkraft. Gucky wird Ihre Leute begleiten.«

Will Dean und Remus Scorbit meldeten sich freiwillig für den Einsatz. Ihnen zur Seite wurden Unteroffizier Rezza Sesa, Stabsunteroffizierin Caroline Nyndorff, die Hauptgefreiten Mykael Piznar und Tommy Staschek sowie die Soldaten Bennjy Krogger und Spike Orson eingeteilt.

Die Schutzschirmgeneratoren der Transporter und Raumfähren hielten dem Beschuss noch stand. Perry Rhodan wollte jedoch nicht noch einmal eine Belagerung durchmachen. Ich auch nicht. Wir wünschten dem Team viel Glück.

Mit einem Shiftpanzer machten wir uns auf den Weg. Wir waren erst einmal zur Tatenlosigkeit verdammt. Trotz der Schlacht, den Verletzungen und der Müdigkeit, wollte ich mich nicht einfach ausruhen. Also half ich, die Verwundeten zu versorgen.

Sam, Cascal, Jonathan und Perry waren beeindruckt und taten es mir nach. Ich fragte mich nur, wie viele hier gestorben waren. Ich bedauerte den Tod jedes Einzelnen. Doch es ging auch um die Lebenden. Ich sah in traurige, ängstliche Gesichter von Menschen und Extraterrestriern, Männer, Frauen und Kindern. Sie lebten, und so sollte es auch bleiben!

*

18:00 Uhr

Bis jetzt war noch alles relativ glimpflich verlaufen, fand Will Dean. Er kämpfte seit mehr als vierundzwanzig Stunden und lebte noch. Selbst den Überraschungsangriff auf die Dscherr’Urk hatte er überstanden. Wieso meldete er sich dann verdammt nochmal zu einem Kommandoeinsatz? Forderte er das Schicksal zu oft heraus? Auf der anderen Seite stand er in der Verantwortung. Er gehörte zu den Vorbildern und zu den – das behauptete er ohne Arroganz – Agenten der LFT.

Remus Scorbit landete den Shift drei Kilometer vor den feindlichen Geschützstellungen. Der Feind sollte nicht unbedingt gleich auf sie aufmerksam werden. Rezza Sesa aktivierte ein Ortungsschutzfeld für die kleine Truppe. Optisch waren sie natürlich noch zu sehen, jedoch nicht durch technische Geräte zu erfassen.

»Ich bin ja eigentlich nur zur Armee gegangen, weil mein Bruder auch hier ist. Jeder kann ja bei der LFT-Flotte auch studieren. Mein Bruder will Agrarwissenschaftler werden und hydroponische Gärten auf Olsos V pflegen. Ich hingegen will etwas Bedeutungsvolles studieren …«

Dean versuchte geistig abzuschalten, doch das Geschnatter von Caroline Nyndorff nervte ihn etwas.

»Und was siehst du als bedeutungsvoll an?«, fragte Spike Orson, der Scharfschütze der Mission.

»Ach, ich möchte auch Wissenschaftlerin werden. Aber vielleicht eher Kosmopsychologin, bedeutende Physikerin. Kosmologin im Allgemeinen oder Linguistin, Historikerin. Ich bin ein Allroundtalent.« Sie lächelte charmant. »Darum habe ich auch die Chance bei der LFT-Flotte erhalten.«

Dean musterte Spike Orson in seinem abenteuerlichen Kampfanzug. Grünbraune Tarnfarbe, ein paar Blätter und der ovale Helm war ebenfalls voller Dickicht. Wenn er das Visier des Helms herunterließ, war er vollständig in grünbraun gefärbt. Diese Art Uniform gehörte zur neuen Generation, die erst in der neugegründeten 8. Terranischen Flotte zum Einsatz kam.

Die Uniform war leicht und besaß dennoch ein Aggregat auf dem Rücken und Sauerstofftanks zur Versorgung im All, ebenfalls einen Individualschirm auf HÜ-Technologiebasis, Ortungsschutz in Form eines Tarnfeldes, von Störsignalen und einer veränderbaren Tarnfarbe des Anzuges selbst. Das Visier im Helm besaß außerdem Funk und Zielerfassungshilfe.

Das Gewehr eines terranischen Scharfschützen der LFT war normalerweise das Sniperrifle SR 14, doch Orson setzte auf ein älteres Modell aus den Zeiten des Solaren Imperiums. Diese antiquierte, wenngleich wirkungsvolle Waffe mit der Bezeichnung M-960 Magnum hatte er so modifiziert, dass die Energiestrahlen auch gegen moderne Technologie wirkungsvoll waren.

Orson und Caroline Nyndorff waren eindeutig die Gesprächigsten in ihrer Gruppe. Von Pizner hörte er gar nichts. Staschek und Krogger gaben nur seltsames Zeug von sich. Krogger war der Pyromane, also der Sprengstoffexperte des Trupps. Staschek war für schwere Waffen zuständig, Pizner der Sanitäter.

»Ich träume davon, mich als anerkannte Wissenschaftlerin irgendwo im schönen Florida niederzulassen«, erzählte Nyndorff.

»Ruhe jetzt!«, befahl Gucky. »Wir sind da!«

Orson schlich auf einen Baum und sondierte die Lage. Staschek, Krogger und Piznar gingen auf die rechte Flanke, Dean und Scorbit nach links. Nyndorff und Sesa blieben mit Gucky in der Mitte.

Vor ihnen lagen die Geschützstellungen der feindlichen Artillerie. Im Dauerfeuer donnerten die schweren Kanonen ihre Thermoenergie auf die Stadt hinab. Keifende und brüllende Dscherr’Urk bedienten die todbringenden Waffen.

»Es sind insgesamt sechsundzwanzig Geschütze«, meldete Spike Orson. »Verteilt auf drei Kilometern, aber schnurgerade aufgestellt.«

Dean warf Scorbit einen fragenden Blick zu. Er wollte wissen, was Remus davon hielt.

»Drei Kilometer sind recht lang. Wenn wir aber je ein Bömbchen in Abständen von fünfhundert Meter verteilen, könnte es klappen.«

Dean winkte Krogger herbei und fragte ihn, wie groß die Reichweite einer der Bomben sei.

»Macht viel kaputt«, sagte der Soldat knapp. »Keine Ahnung, aber reicht bestimmt. Und alles brennt so schön danach.«

So ein Idiot galt als Sprengstoffexperte?

»Aktivieren Sie die Bomben mit einem Zeitzünder von zwei Minuten. Gucky bringt sie in die richtigen Positionen«, sagte Remus und zeigte auf den Mausbiber. Krogger sah den Ilt verdutzt an und nickte. Dann machte er den Sprengstoff scharf. Gucky nahm die erste Bombe und platzierte sie unbemerkt neben einer Munitionskiste. So fuhr er fort. Alles lief wie am Schnürchen.

»Gut gemacht, Krogger«, lobte er den Soldaten, obwohl er es nicht wirklich so meinte.

Krogger lachte, dann spritzte plötzlich Blut aus seinem Schädel. Sein Gesicht verzerrte sich, er schloss die Augen und knickte ein. Von hinten stürmten Dscherr’Urk auf sie zu. Dean verschanzte sich hinter einem Baum. Immer mehr Dscherr’Urk strömten aus dem Wald.

»Rückzug. Zurück zum Shift.«

Stachek baute sein MG auf und feuerte auf die Feinde. Brüllend zitterte er im Schusstakt des Schnellfeuergewehres mit.

»Ich mach euch fertig, ihr Penner!«

Dean sah, wie die Granate auf Staschek zuflog und vor seinen Füßen landete. Doch Staschek reagierte nicht, bemerkte sie offenbar nicht. Dann war es zu spät. Das Ding explodierte und schleuderte Staschek weg. Sein grünlicher HÜ-Schirm flackerte hell, dann erlosch er, ein Zeichen für Überlastung.

Hinter ihm tauchten zwei Gehörnte aus dem Gebüsch auf, packten ihn und rissen ihm die Montur vom Leib. Dann rammten sie ihm ihre Stichwaffen in den Bauch. Pizner schoss die beiden nieder und untersuchte Staschek. In dem Moment prasselten zwei Granaten auf ihn. Die Erste zerstörte seinen Schutzschirm, die Zweite explodierte unmittelbar danach und zerfetzte den Soldaten.

Remus packte Dean und zog ihn weg.

»Denen kannst du nicht mehr helfen. Wir müssen hier weg.«

Flüchtig sah Remus auf das Chronometer. Er sah Dean bedeutungsvoll an, dann brach die Hölle auch schon los. Hinter dem Wald, dort wo die Geschützstellungen waren, flammte es auf. Eine Wand aus Feuer stieg in den Himmel empor.

Sie hatten es geschafft.

»Nun, schnell zurück zum Shift.«

Dean und Scorbit holten Orson von seinem Hochsitz ab. Sesa und Nyndorff kamen ihnen entgegen.

»Wo ist Gucky?«, fragte Caroline Nyndorff.

»Der ist bestimmt in Sicherheit«, vermutete Scorbit. »Wir müssen schnell zum Shift, bevor mehr von den Viechern kommen.«

Caroline Nyndorff ließ ihre Waffe fallen und sah Scorbit erschrocken an. Sie hob die Hand und deutete mit dem Finger auf ihn.

»Da da da!«

»Wie?«

»Da da da«, schrie sie und hüpfte auf der Stelle.

Sesa, der neben ihr stand, zog die Waffe, visierte an und schoss knapp an Scorbit vorbei. Remus drehte sich um.

»Enemy down«, sagte er trocken.

Scorbit sah Caroline vorwurfsvoll an. »Das nächste Mal, nicht die Waffe wegwerfen und da da da stammeln …«

»Öh«, machte sie nur.

Dann traf sie ein Schuss. Schreiend fiel Caroline hin. Dean schoss den Dscherr’Urk nieder.

»Nehmt sie und weg hier«, befahl er Orson und Sesa. Sie packten die jammernde Frau.

»Mein Hintern! Die Schweine haben mir in den Hintern geschossen!«

»Na was soll’s. Ist doch gut gepolstert«, meinte Sesa und lachte gellend. Vor ihnen tauchte plötzlich der Shiftpanzer auf und feuerte auf die angreifenden Dscherr’Urk im Wald. Gucky winkte ihnen aus dem Cockpit zu. Schnell stiegen sie ein und verließen den Kampfschauplatz. Die Mission war ein voller Erfolg, die feindliche Artillerie war zerstört. Doch sie hatten drei Menschen verloren.

Schlacht um WANDERER

Cauthon Despair, EL CID: 19:00 Uhr

Der Kampf um WANDERER und das Sternenportal hatte eine unangenehme Wendung genommen. Die Schiffe der Dscherr’Urk und Skurit wurden dezimiert. Zwar hielten sie sich immer noch stabil im Orbit um den vermeintlichen WANDERER, doch ich kannte Reginald Bull und ich wusste auch um die Fähigkeiten von Admiral Jeamour. Ihnen würde es gelingen, irgendwie durch die Blockade durchzubrechen.

»Quarteriumsmarschall, sollen wir immer noch abwarten?«

Oberst Tantum wurde ungeduldig. Ich konnte es ihm nicht verdenken. So fühlten sich bestimmt alle Soldaten an Bord der fünftausend SUPREMO-Raumschiffe.

Seit neunundzwanzig Stunden tobte die Schlacht. In diesen neunundzwanzig Stunden hatte sich viel ereignet. Sie hatte das Ende der Rebellion in Dorgon gesehen, das Ende des Kaiserpaares und die Vereinigung zwischen Dorgon und dem Quarterium.

Nun galt es, die ersten Vorteile daraus zu ziehen. Ich stellte eine Verbindung zur DOMULUS her. Das faltige, alte Gesicht von Admiral Vesus erschien.

»Admiral, Sie stehen ab sofort unter dem Befehl der quarterialen Flotte. Es hat einen Putsch auf Dom gegeben. Die Rebellen und kaisertreue Prettosgardisten haben sich während der Verhandlung bekämpft. Der Senat steht in Flammen. Bis auf Carilla, Falcus und dieses Ding Elgalar hat niemand von den Verhandlungsteilnehmern überlebt. Es tut mir leid!«

Etwas Anteilnahme vorzuheucheln schadete nie.

»Ich habe davon bereits gehört. Ist die Kaiserin wirklich …?«

»Tot? Ja! Um weiteren Revolten und gar einem Bürgerkrieg vorzubeugen, hat sich der neue Kaiser Elgalar damit einverstanden erklärt, sein Amt an den Emperador de la Siniestro abzugeben. Dorgon wird in das Quarterium eingegliedert, behält jedoch seine Autarkie. Elgalar wird Quarteriumsfürst, Carilla der zweite Mann im Staat. Euer Kaiser ist fortan jedoch Emperador de la Siniestro.«

Vesus starrte mich entgeistert an. Er rang nach Worten. Wie er sich wohl fühlte? Wie würde ich mich fühlen, wenn die Dorgonen plötzlich die Macht in Cartwheel übernehmen würden?

»Vesus, ich hoffe auf Ihre Vernunft. Der Emperador bittet Sie, mit den Adlerschiffen nach Siom Som zurückzukehren. Unter Führung von Corun Leticron werden Sie dort mit Elgalar und Carilla eine Aussprache führen. Wir wünschen keine Konflikte im großen Reich.«

»Und wenn ich weiter der LFT helfe?«

»Das wäre bedauerlich für Sie und Ihre Männer. Möchten Sie und Ihre Soldaten als Verräter in die Geschichtsbücher eingehen? Sicher werden die Angehörigen eher gejagt als unterstützt. Ihr Dorgonen seid doch sehr konservativ in solchen Dingen.«

Das schien zu sitzen. Vesus wurde fahl im Gesicht. Seine trüben Augen wirkten eingefallener denn je. Offenbar resignierte er. Was sollte er auch tun? Er hatte die Wahl, mit seinen Leuten zu desertieren oder sich in das neue Reich einzufügen.

Der alte Admiral schien gebrochen zu sein. Der Tod Arimads nahm ihn offenbar sehr mit. Alle Verantwortlichen der dorgonischen Freiheitsbewegung waren tot. Arimad, Torrinos, Decrusian, Shenia Drenia und Waldron Tragonar. Die Separatisten waren kopflos, gebrochen und zerschlagen. Von dieser Niederlage würden sie sich in Jahrzehnten nicht mehr erholen. Vesus war die letzte Gallionsfigur aus Ulemans Zeiten.

»Also gut. Ich ziehe mich mit den Streitkräften zurück nach Som-Ussad. Dort wünsche ich dann ein Gespräch mit Ihnen.«

»Gewährt.«

Vesus beendete die Verbindung. Wenige Sekunden später verließen die Adlerschiffe das Schlachtfeld. Damit waren die Alliierten erneut geschwächt.

*

Admiral Xavier Jeamour starrte ungläubig auf die Kontrollen. Die Adlerschiffe verließen einfach die Schlacht. Sie setzten sich ab und steuerten auf das Sternenportal zu.

»Miss Walerty. Stellen Sie eine Funkverbindung her …«

Tania tat, wie ihr befohlen wurde. Auf dem großen Panoramabildschirm erschien das müde wirkende Gesicht von Admiral Vesus.

»Vesus, was soll das?«, fragte Jeamour wenig diplomatisch, doch ihm stand die Wut bis zum Hals.

»Kaiserin Arimad ist tot. Ebenso Commanus und Decrusian. Der neue Kaiser Don Philippe de la Siniestro hat mir befohlen, den Rückzug anzutreten. Ich bin immer noch Soldat Dorgons und muss dem Befehl Folge leisten. Es tut mir leid, Jeamour. Es tut mir wirklich leid!«

Vesus beendete die Verbindung. Jeamour starrte fassungslos auf den dunklen Bildschirm, der in der nächsten Sekunde auf die Schlacht um WANDERER umschwenkte.

»Admiral? Reginald Bull wünscht Sie zu sprechen.«

Jeamour nickte Tania Walerty zu. Das kantige Gesicht des Residenz-Ministers erschien und wirkte auf dem langgezogenen Bildschirm breiter denn je.

»Das sind verräterische Hunde, Jeamour. Ich habe Ihr Gespräch mitverfolgt. Verdammt, aber wir schaffen es auch ohne die. Wir bräuchten nur ein Signal von Perry!«

»Es wird kommen, Sir. Da bin ich mir sicher.«

Bull beendete die Verbindung. Jeamour wanderte nachdenklich auf der Brücke umher.

»Ich orte da etwas Ungewöhnliches«, meldete Tania Walerty.

»Was denn?«

»Es ist die TERSAL«, rief Lorif. Es klang so, als wäre er darüber erfreut. »Sie ist durch die Wolkendecke gestoßen und ruft um Hilfe.«

Jeamour befahl Wallace, die IVANHOE II direkt dorthin zu fliegen, um die TERSAL aufzunehmen. Er beorderte einen Verband Kampfschiffe an die Position, um die Blockade kurzfristig zu lockern. Die TERSAL war schnell, ein Raumschiff mit Kosmokratentechnologie und vermutlich das einzige Kleinraumschiff, welches die Blockade um WANDERER durchbrechen konnte. Nach einem kurzen Angriff auf die Schiffe MODRORs, erteilte Jeamour den Rückzugsbefehl, als die TERSAL durchgebrochen war.

»Miss Walerty, Sie haben das Kommando. Mathew, Dove und Lorif. Folgen Sie mir!«

Die drei standen auf und liefen Jeamour hinterher. So schnell er konnte, eilte er zum Antigrav und schwebte zum Hangardeck. Die TERSAL hatte inzwischen zur Landung angesetzt. Die Luke öffnete sich und drei Gestalten traten heraus. Ein Ghannakke und zwei Terraner.

»Jaktar«, rief Mathew Wallace fröhlich und lief zu ihm. Die beiden umarmten sich. »Wo ist Johnny? Was ist mit den anderen?«

»Soweit wohlauf, aber in Kämpfe mit den Dscherr’Urk verstrickt. Die letzten Stunden waren die Hölle. Es hat viele Tote gegeben. Johnny, der Meister, Rhodan, Aurec, Sam, Cascal und Elyn sind jedoch in Ordnung. Scorbit und Tolk sind verletzt, aber sie überleben es hoffentlich.«

Wallace nickte. Jeamour fiel auch ein Stein vom Herzen. Es war das erste Lebenszeichen von Perry Rhodan seit dem Abbruch der Konferenz!

Der Admiral wandte sich an die beiden Soldaten. Zwei Leutnants den Abzeichen nach. Er fing an zu schmunzeln. Sie gehörten zu Will Deans Jägerstaffel.

»Leutnant Haman, berichten Sie bitte.«

»McHenrys Truppen haben Esthor gesichert. Dennoch lauern überall Dscherr’Urk. Meiner Meinung nach können wir uns nicht mehr lange halten. Wir benötigen ein Schlachtschiff zwecks Evakuierung.«

Jeamour verstand.

»Das Schiff kriegen Sie. Leutnant Lytz, gute Ar…«

Jeamour stockte. Der Leutnant lag auf dem Boden, zusammengerollt und schnarchte vor sich hin. Lag einfach auf dem kalten Boden des Hangars, eingeschlafen vor einem Admiral. Jeamour blickte Phil Haman fragend an. Der grinste nur.

»Das passiert immer, wenn er zu viel Whiskey getrunken hat. Dann schläft er überall ein.«

»Whiskey?«

Jeamour wollte lieber nicht genauer nachfragen. Es gab wichtigere Dinge. Zuerst musste Bull informiert werden, dann schleunigst ein Raumschiff nach WANDERER fliegen. Jaktar berichtete von den Störfeldern in der Dunkelwolke. Es gab jedoch eine Möglichkeit, sie kontrolliert zu umgehen. Die Geräte fielen exakt bei zehntausend Metern bis dreitausend Metern aus. In dieser Zeit musste man einen kontrollierten Fall riskieren oder – wenn man den Planeten verließ – genügend Schub entwickeln, um mit ausreichender Geschwindigkeit elftausend Meter Höhe zu erreichen.

Derweil erhielt Jeamour grünes Licht von Bull. Die IVANHOE II sollte nach WANDERER vorstoßen.

»Wallace, jetzt müssen Sie wieder verdammt gut sein. Auf zur Brücke.«

Die vier machten sich auf den Weg, begleitet von Jaktar. Haman kümmerte sich um den weggetretenen Lytz. Jenny Taylor und Tania Walerty kamen ihnen vor dem Antigrav entgegen.

»Ich hatte Ihnen doch befohlen, auf der Brücke zu bleiben«, rügte Jeamour.

Tania sah ihn ernst an. Auch Jenny Taylor blickte sehr betrübt drein. Sie hielt eine Meldung in der Hand.

»Das ist eine offizielle Verlautbarung der neuen dorgonischen Regierung. Darin werden die Verluste der Kaisertreuen als auch der Separatisten während der Kämpfe erwähnt«, sagte Jenny mit belegter Stimme. »Es hat tatsächlich alle Führenden des Widerstandes erwischt. Arimad, Torrinos, Shenia und Waldron, Decrusian …«

Jeamour fühlte mit den Ermordeten. Es waren schlimme Verluste. Einige kannte er seit Jahren. Sie waren Freunde und treue Verbündete gewesen. Dorgon war damit verloren. Es gab wohl in dieser Galaxis keine Führungspersönlichkeiten mehr. Vesus ergab sich der Diktatur. Er wäre vielleicht die letzte Hoffnung gewesen. Vielleicht noch Saraah. Schließlich war sie von Anfang an im Widerstand mit dabei.

Jenny starrte Mathew Wallace traurig an.

»Es gibt noch eine weitere schreckliche Meldung. Offenbar ist Saraah mit den anderen verschleppt worden und in den Händen der CIP!«

5. Methoden der CIP

Aus den Chroniken Cartwheels

Jaaron Jargon: 19:00 Uhr

Werner Niesewitz und Reynar Trybwater schienen unsere Angst, unsere Hilflosigkeit auszukosten. Seit Stunden saßen wir im kargen, grauen Verhörraum und wurden ausgefragt.

Der Sinn ihrer Fragen erschloss sich mir nicht. Wir waren keine Militärs, ebenso keine Spione. Ich sah zu Nataly und Kathy herüber. Sie wirkten durch das Verhör schon beinahe gelangweilt. Uthe, Saraah und Yasmin Weydner befanden sich in einem Nebenraum.

Niesewitz wanderte umher. Er betätigte eine Taste an einer Fernbedienung. Musik ertönte. Es war ein uraltes Lied in sehr schlechter Tonqualität.

»Musik aus meiner Jugendzeit«, sagte er. »Wollen wir das doch mal etwas fröhlicher gestalten. Also, die Damen bitte ich jetzt, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen und sich in den Raum mit den anderen zu begeben.«

»Sie spinnen wohl!«, schimpfte Nataly.

Trybwater hatte offenbar genug. Er schlug sie ins Gesicht. Kathy griff sofort ein, doch schon waren die Zubarovschwestern da und prügelten auf die beiden Frauen ein. Ich wollte dazwischengehen, doch Niesewitz schlug mir seine Faust ins Gesicht.

»Tut endlich, was man zu euch sagt, ihr minderwertigen Nutten!«, brüllte Niesewitz. »Wenn euch das nicht passt, können wir auch gern nachhelfen, nur dass wir dann nicht bei der Unterwäsche aufhören!«

Utha und Maryna Zubarov schleppten Kathy und Nataly in den Nebenraum, während Trybwater fast gelangweilt wieder hinter dem Tisch Platz nahm und die Füße hochlegte. Niesewitz deutete auf die Wand. Eine Blende fuhr hoch und ich sah alle fünf Frauen in dem anderen Raum. Sie waren inzwischen allesamt nur noch mit dem Nötigsten bekleidet.

»Netter Anblick, oder?«, scherzte der CIP-Chef. »Reynar, senke mal für den Anfang die Temperatur auf minus fünf Grad.«

Ich starrte Niesewitz erschrocken an.

»Sie bringen sie ja um!«

»Och, aber nicht doch. Nur, wenn Sie nicht reden.«

»Aber was soll ich denn sagen? Ich weiß doch nichts, was von Wert für Sie ist!«

Niesewitz packte mich an meiner Jacke.

»Das mag alles zutreffen. Aber ihr Einfluss auf diesen Pöbel ist groß. Sie schreiben unverzüglich einen Bericht über die Friedenskonferenz. Unter dem Titel Die DORGON-Falle. Sie stellen darin klar, dass MODROR in Wirklichkeit aus edlen Motiven handelt und die Menschheit schützen will. Sie schildern eindringlich, wie senil und starrköpfig Rhodan geworden ist, und erläutern die Bestimmung der Menschheit als Elite im Quarterium!«

Jetzt endlich begriff ich! Ich sollte alles verraten, was mir lieb und teuer war. Das Medium der Presse zur Lüge benutzen und die Geschichte verfälschen. Als Chronist der Insel würden viele an meine Integrität glauben. Ich sollte Milliarden belügen, damit aber sechs Menschen das Leben retten. Mit blieb keine andere Wahl.

»Also gut.«

Trybwater sah mich geradezu enttäuscht an. Offenbar hatte er sich darauf gefreut, die Folter der Frauen fortzusetzen. Ich war entsetzt über seine Brutalität.

»Dann fangen Sie sofort an, Linguide!«, forderte der Generalkommandeur.

»Lassen Sie die Damen zuerst frei.«

»Die werden weiterhin unter unserer Obhut bleiben. Sie sind gefährlich. Insbesondere die Dorgonin ist nach dem Tod von Arimad und ihrer verräterischen Brut nun die Anführerin der Rebellen. Sie alle sind Verräterinnen. Allenfalls die Frauen Scorbit und Weydner sind in ihrer unbedeutenden Rolle als ungefährlich einzustufen!«

Niesewitz klang kalt und überheblich. Ein Wachoffizier betrat den Verhörraum. Er meldete, sie hätten die GRAND MASUT aufgespürt.

»Reynar, machen Sie die FLASH OF GLORY kampfbereit. Wir werden Danton zu seinem Vater schicken!«

*

Mit offensichtlicher Genugtuung verfolgten Trybwater und Niesewitz den Flug der FLASH OF GLORY in Richtung GRAND MASUT. Das Raumschiff von Perry Rhodans Sohn war nur knapp zwei Lichtjahre von der FLASH OF GLORY entfernt.

Wie ich von den Instrumenten ablas, befanden wir uns etwa dreizehn Lichtjahre vom Sternenportal der Lokalen Gruppe entfernt.

»Wie gehen wir vor, Marschall?«

»Ich möchte Danton lebend und habe was ganz Spezielles mit ihm vor. Er soll der Auslöser für den Krieg mit der LFT werden.«

Ich hatte die zweifelhafte Ehre bekommen, der Kaperung der GRAND MASUT beizuwohnen. Ein Funkspruch erreichte die FLASH OF GLORY.

»Sir, die PAXUS befindet sich auf dem Weg. Großadmiral de la Siniestro und seine Schwester Brettany wünschen Sie zu sprechen.«

»Was wollen die? Die sollen … Moment …«

Niesewitz schien über etwas nachzudenken.

»Despair muss ihnen mitgeteilt haben, dass die Gefangenen hier sind. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Orlando de la Siniestro scharf auf diese kleine Scorbit ist. Verdammt!«

Ebenfalls rief nun die GRAND MASUT die FLASH OF GLORY. Die Dinge überschlugen sich.

»Danton wünscht mit uns zu sprechen. Er möchte zu uns an Bord«, sagte Trybwater sichtlich überrascht.

»Eine interessante Wendung«, fand Niesewitz. »Ladet auch Brettany und Orlando ein. Sie, Jaaron, werden der Besprechung beiwohnen. Und ja genau das erzählen, was ich Ihnen sage. Sonst ist Ihre Nichte tot und für die anderen lassen wir uns was ganz Besonderes einfallen!«

*

Werner Niesewitz hatte am Kopf des Tisches Platz genommen. Zu seiner Rechten saß Trybwater. Ich musste zu seiner Linken sitzen. Danton saß uns gegenüber. Neben ihm hatten Orlando und Brettany de la Siniestro sowie der Japaner Sato Ambush Platz genommen. Ambush war überraschend als Dantons Begleiter aufgetaucht. Ich hatte gar nicht gewusst, dass der geheimnisvolle Nexialist noch am Leben war. Wir hatten seit Jahren nichts mehr von ihm gehört.

»Nun, meine Dame und meine Herren. Was wünschen Sie alle so plötzlich von mir?«

»Sire, ich möchte mich nach dem aktuellen Stand der Kampfhandlungen erkundigen. Hier ist es ja recht sicher. Ich möchte nicht zu nahe an das Sternenportal, Sie verstehen? Ich mag den Kampf nicht so sehr«, erklärte Danton.

»Gewiss doch. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um Ihren Vater zu befreien. Doch fürchte ich, er kämpft gegen uns. Wir haben schreckliche Informationen erhalten, wonach die LFT eine Invasion plante und DORGON Rhodan eine gigantische Streitmacht zur Verfügung stellen wollte. Ausgerechnet MODROR hat uns davor gewarnt. Der Emperador versucht nun, zwischen beiden Parteien zu schlichten. Obwohl von Rhodan enttäuscht, will er nicht dessen Tod.«

»Wie überaus edel«, spottete Danton.

»Ich kann nicht glauben, dass Perry Rhodan so etwas Gemeines tun würde. Er ist ein guter Mensch«, sagte Brettany nachdenklich.

»Ihr guter Rhodan hat doch nur ein Ziel gekannt: Das Werk Ihres Vaters zu vernichten. Rhodan duldet kein anderes Reich der Terraner neben seinem. Er glaubt, nur er sei zur Führung der Menschheit auserkoren. Jedes Mittel ist ihm recht, diesen Anspruch zu behaupten!«, erklärte Niesewitz.

»Nein!«, rief Brett und stand auf. »Ich habe es langsam satt, dass alle nur das Schlechte in der LFT sehen. Wir sollten zusammen agieren, statt uns zu bekriegen. Außerdem sind mein Bruder und ich hier, um die Gefangenen mitzunehmen. Ich denke, sie sind in unserer Obhut sicherer!«

Niesewitz starrte die junge de la Siniestro, deren Courage ich in diesem Moment bewunderte, seltsam an. Unsicher blickte er zu Orlando de la Siniestro.

»In der Tat wollen wir die Gefangenen abholen. Wir werden sie auf Siniestro einquartieren und unter Beobachtung stellen, bis sich das Verhältnis zur LFT entspannt hat.«

Nun war es Niesewitz, der aufstand.

»Abgelehnt, Sir! Allenfalls kann ich Ihnen Uthe Scorbit und Yasmin Weydner übergeben. Der Rest bleibt unter Bewachung der CIP. Sie als Großadmiral der Flotte können sich nicht in unsere Belange einmischen, Sir!«

Ich beobachtete Danton. Er saß gelassen in seinem Sessel und verfolgte die Diskussion.

»Ich verstehe«, sagte Orlando kleinlaut. »Mit den beiden Damen Scorbit und Weydner wären wir zufrieden. Der Rest kann bei Ihnen bleiben.«

»Was?«

Brettany de la Siniestro schien die Meinung ihres Bruders nicht zu teilen.

»Niesewitz hat recht. Gatto ist eine gefährliche Mutantin, Saraah Mitglied der Rebellen und die Rollen des Chronisten, seiner Nichte und Kathy Scolars sind sehr dubios.«

Ich bedankte mich gedanklich für die wenig schmeichelhaften Worte Orlando de la Siniestros. Offenbar war er kein Fan meiner Bücher.

»Nein, ich finde …«

Orlando verbot ihr das Wort.

»Es reicht jetzt, Brett! Wir sind hier unter Führungsmitgliedern des Quarteriums. Du solltest als Frau etwas mehr Respekt zeigen!«

Sie sah ihn entsetzt an. Das hatte sie sicherlich nicht erwartet. Ich war ebenso über Orlandos antiquierte Aussagen geschockt. Er zeigte deutlich die minderwertige Rolle auf, die Brett in seinen Augen spielte.

»Sag du doch was, Roi!«, bat sie Rhodans Sohn.

Danton hüstelte.

»Nun, ich wäre auch dafür, alle Geiseln aus den Klauen der CIP zu befreien.«

»Was Sie wollen, interessiert keinen«, stellte Trybwater klar. »Großadmiral, nehmen Sie bitte die beiden Frauen mit und verlassen Sie die FLASH OF GLORY umgehend. Bitte, Sir!«

Orlando musterte den Generalkommandeur skeptisch. Dann packte er Brett am Arm und verließ mit ihr den Besprechungsraum. Es vergingen nur wenige Minuten, bis Trybwater die Nachricht erhielt, dass Orlando und seine Schwester mit den beiden Frauen die FLASH OF GLORY verließen.

»Gut«, sagte Niesewitz und setzte sich entspannt hin. »Nun zu euch zwei Karnevalskameraden. Ihr seid verhaftet. Da ihr Bürger der LFT seid, werdet ihr sofort interniert.«

Ich glaubte, nicht richtig zu hören. Auch Danton wirkte überrascht. Sato Ambush war die Ruhe selbst. Hatten sie einen Plan?

»Damit habe ich gerechnet. Ich darf sie darauf aufmerksam machen, dass eine Arkonbombe in meiner Fähre tickt. Sollten sie mich gefangen nehmen, jage ich uns alle in die Luft.«

Niesewitz’ arrogantes Lächeln gefror.

»Sie bluffen.«

Danton legte ein Kommunikationsgerät auf den Tisch und aktivierte es. Die Holografie eines hochgewachsenen Terraners erschien.

»Meyers!«, stieß Trybwater aus. »Roland Meyers! Sie … du dreckiges Verräterschwein! Ich werde dich …«

»Nichts werden Sie. In der Tat befindet sich an Bord der FLASH OF GLORY eine Bombe. Genauer gesagt, in Hangar V. Sie können sie gern untersuchen.«

Trybwater folgte sofort der Aufforderung. Nach zehn Minuten meldete ein Offizier, dass es stimmte. Eine aktivierte Arkonbombe befand sich im Hangar V.

»Wir haben natürlich die Fernbedienung«, erklärte Danton. »Diese modifizierte Bombe frisst sich langsam durch das Schiff. Genügend Zeit also, mit euch beiden Pfeifen fertig zu werden und zu fliehen. Das Schiff ist jedoch futsch, und wenn ihr nicht schnell genug seid, dann ihr ebenfalls.«

Danton diktierte seine Forderungen. Er und die Geiseln, also Nataly, Kathy, Gatto, Saraah und ich, sollten mit Ambush freies Geleit erhalten. Niesewitz gestand es ihm zu.

Danton verneigte sich ironisch.

»Wollen wir darauf nicht anstoßen? Tryby, bringen Sie doch eine Flasche Rum oder so etwas. Wie ich euch kenne, habt ihr bestimmt etwas Entsprechendes an Bord.«

Trybwater musterte Danton abfällig.

»Rapidement, Imbécile.«

Niesewitz nickte ihm zu. Nach einer Weile kehrte Trybwater mit einer Flasche Rum zurück. Danton bat Niesewitz, auch Kathy, Nataly und Saraah zu holen. Der Sohn Rhodans genoss den guten Tropfen sichtlich. Die drei Damen wurden von Utha und Maryna Zubarov in den Raum geleitet.

Nataly erkundigte sich sofort nach meinem Wohlergehen. Ich erklärte ihr, dass Mister Danton und Mister Ambush hier seien, um uns zu befreien.

Kathy musterte Trybwater und Niesewitz ungläubig. Niesewitz bemerkte das.

»Wie es aussieht, ist das Täubchen bald wieder zu haben.«

Kathy rang sichtlich um Fassung. Dann entgegnete sie: »Aurec lebt. Ich spüre es. Es wird einem tattrigen Wicht wie dir nicht gelingen, ihn umzubringen.«

Niesewitz lachte und hob drohend seinen Arm.

»Ganz ruhig, sonst sorge ich für deinen nächsten Zahnarzttermin. Nicht ich werde Aurec vernichten. Wie es aussieht, ist es wohl MODROR. Bedauerlich, denn wenn dein geliebter Saggittone die Hand des Quarteriums ergriffen hätte, wäre es nie so weit gekommen.«

»Lieber sterben, als mit Massenmördern paktieren«, sagte sie schroff.

Niesewitz gab Utha ein Zeichen. Sie trat Kathy in die Seite. Ächzend brach die Frau zusammen. Danton sprang auf, doch Kathy holte schon zum Gegenschlag aus und verpasste der Zubarov einen Kinnhaken, was der jedoch überhaupt nicht weh tat.

»Wenn du so zärtlich zu mir bist, würde ich dich am liebsten sofort vernaschen«, gurrte die behaarte Laune der Natur und schickte sie wieder zu Boden.

Kathy rappelte sich auf. Bevor sie etwas erwiderte, stürmte ein Offizier in den Konferenzraum.

»Wir wollten nicht gestört werden«, brummte Niesewitz.

»Sir, aber fremde Raumschiffe sind gerade aus dem Hyperraum gefallen und kreisen uns ein.«

*

»Das ist eine Falle von Danton«, rief Niesewitz.

Umgehend hatte er einen Strahler in der Hand. Auch Utha und Maryna Zubarov zogen ihre Waffen und hielten sie Kathy und Nataly an den Kopf. Danton hob beschwichtigend die Hände.

»Non, ich habe damit nichts zu tun.«

»Ich habe die Faxen dicke, du antiquiertes Schnüffeltuch. Entschärf die Bombe, sonst erschieße ich eines der Weiber. Ich zähle bis drei. Eins, zwei …«

Danton aktivierte sein Interkomgerät und gab Meyers den Befehl, die Bombe zu entschärfen. Genau wie ich wusste er, dass Niesewitz keinen Spaß machte. Innerhalb von Sekunden wurde die Bombe deaktiviert. Trybwater reagierte umgehend und ließ das zerstörerische Gerät ins Weltall schaffen.

»Und nun?«, fragte Danton.

»Wer sind Ihre Freunde dort draußen?«

»Ich wiederhole mich nur ungern, aber ich weiß es nicht. Ich habe ja nicht einmal eine Ahnung, wie die aussehen.«

Niesewitz schien darüber nachzudenken. Schließlich gingen wir in den Nebenraum – die zweite Kommandozentrale. Niesewitz und Trybwater konnten durch die installierten Kontrollen von hier aus offenbar das ganze Schiff überwachen. Von der übrigen Besatzung hatten wir bis jetzt noch niemanden zu Gesicht bekommen. Es schien, als ob unsere Anwesenheit vor ihr verborgen werden sollte.

Nachdem Trybwater einige Schaltungen vorgenommen hatte, bekamen wir endlich die fremden Schiffe zu sehen. Auf einem blauen Hologrammfeld wurden Details über die unbekannten Flugobjekte eingeblendet.

Es waren schwarze, eiförmige Raumer. Zehn große Schiffe mit einer Länge von 1650 Metern, die an ihrer breitesten Stelle 1270 Meter maßen. Dazu flankierten zwanzig Raumschiffe mit einer Länge von 1220 Metern und einer größten Breite von 810 Metern die Stahlkolosse.

»Wer sind die?«, fragte Kathy.

»Das sind die Entropen«, enthüllte Sato Ambush, der vorher so schweigsam war.

Niesewitz richtete seinen Strahler auf ihn.

»Was wissen Sie? Rede endlich, Japs!«

Ambush schien die Beleidigung des aus einer anderen Zeit stammenden Terraners zu überhören. Er erhob sich langsam aus seinem Energiesessel und deutete auf die Raumschiffe.

»Vor zwei Wochen, als ES mit Euch in Kontakt trat, hatte ich eine Vision der Entität MUTTER. Sie riet mir, mich zum Sternenportal zu begeben. Auf SOLARIS STATION wartete ich, bis Roland Meyers mit mir in Kontakt trat. Auch er hatte eine Vision erhalten und war mit Hilfe der GRAND MASUT durch das Portal gelangt.«

Niesewitz blickte Trybwater strafend an, als ob er ihm die Schuld dafür gab. Viel war mir als Chronist über Roland Meyers nicht bekannt. Er war mit einigen illustren Gestalten während der Pace Joharr-Messe auf Lingus und später auf der vermeintlichen Friedenskonferenz in Erscheinung getreten. Welche Rolle Roi Danton dabei spielte, schien mir dubios. Niesewitz offenbar auch.

»Und, was haben Sie damit zu tun, Danton?«

»Nun, ich habe dem patriotischen Terraner die Passage ermöglicht. Er war mir übrigens mit seinen Leutchen richtig sympathisch. Und wenn jemand von einer Entität den Befehl bekommt, sich mit Sato Ambush zu treffen, sollte man dies nicht ignorieren.«

Ambush fuhr fort: »MUTTER hat uns dann genau zu diesen Koordinaten befohlen. Ich ahne, wer hinter MUTTER steht. Über ihre Ziele bin ich im Zweifel, doch …«, Sato Ambush lächelte seltsam, »ich denke nicht, dass MUTTER dem Quarterium freundlich gegenübersteht. Insbesondere nicht, nach diesem Verrat am Sternentor.«

Kathy wanderte unruhig umher. Utha Zubarov ließ sie keinen Moment aus den Augen. Nataly saß abwesend auf ihrem Formenergiesessel. Ich ahnte, woran die beiden dachten. An Aurec und Jonathan, die offenbar eine Schlacht auf WANDERER schlugen. Sie sorgten sich um sie, und doch waren wir selbst auch wieder in Schwierigkeiten.

»Dann sind Sie alle also Gegner des Quarteriums«, folgerte Niesewitz und lachte. »Endlich! Wachen!«

Unmittelbar nach den Worten des CIP-Chefs stürmten Grautruppen in den Raum und umstellten Danton und Niesewitz.

»Raten Sie Meyers, sich zu ergeben, sonst vernichten wir seine Space-Jet.«

Danton starrte Niesewitz schweigend an. Ein lauter Sirenenton ließ uns auf die Ortung starren. Die Schiffe kamen näher. Sie bildeten eine neue Formation.

An die Quarterialen! Ergebt euch! Oder ihr werdet unverzüglich ausgelöscht.

»Trybwater! Weg hier. Sofort!«

Trybwater machte eine Schaltung, doch die FLASH OF GLORY rührte sich nicht. Niesewitz fluchte wild. Offenbar blockierten die Fremden durch eine unbekannte Technologie den Antrieb der FLASH OF GLORY.

»Ambush, tun Sie doch etwas! Sie wissen doch mehr!«

Niesewitz schien verzweifelt.

Der Japaner hingegen wirkte gelassen.

»Ich weiß nur, dass die Entropen im Dienste von MUTTER stehen. Uns werden sie deshalb nichts tun.«

An die Quarterialen! Die Frist ist abgelaufen!

Augenblicke später erschütterte ein schwerer Treffer die GRAND MASUT, Teile der Hülle wurden ins All gesprengt. Danton fuhr zusammen und sprang auf die Füße. Ich umklammerte die Armlehnen meines Kontursessels und beobachtete Niesewitz. Der schien völlig überrascht zu sein. Aber auch ich hatte fest damit gerechnet, dass diese Entropen Freunde der freiheitsliebenden Wesen waren. Schöne Freunde hatten wir da gefunden!

Ich wiederhole! Kapituliert sofort! Wir werden keine weitere Warnung erteilen.

»Trybwater, kapitulieren Sie!«

Niesewitz ließ sich in den Sessel fallen.

»Ihre MUTTER scheint eine tolle Entität zu sein, Ambush. Auf wessen Seite steht sie denn?«

Ambush schien ebenfalls ratlos. Danton starrte immer noch fassungslos auf die schwer getroffene GRAND MASUT. Waren das Rettungsboote, die begannen auszuschwärmen? Mit fliegenden Fingern nahm Danton Kontakt zu seinem Raumer auf und erhielt seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Sein Flaggschiff war irreparabel beschädigt.

Erneut hallte die fremde Stimme durch den Äther.

Die Hexe begibt sich zu euch an Bord.

»Die Hexe?«, fragte Nataly. »Damit bin aber nicht ich gemeint.«

Kathy schmunzelte kurz. Die beiden brachten für einen kurzen Moment Heiterkeit in die angespannte Situation. Dennoch fragte sich jeder, wer die Hexe war.

Die Alarmsirenen heulten auf. Auf den Monitoren sahen wir, wie seltsame Kreaturen auf dem Schiff materialisierten. Waren es Mutanten oder verfügten sie über Fiktivtransmitter?

Ich erkannte drei verschiedene Rassen. Hochgewachsene Geschöpfe mit vier Armen und Augen. Sie ähnelten bei einer Größe von rund vier Metern und durch ihre drei Augen einem Haluter, doch ihre von Kerben übersäte Haut war blau, ihr Kopf oval und ruhte auf einem Hals, wie ihn Haluter nicht hatten. Neben diesen standen zwei weitere blaue Wesen. Sie waren etwa zwei Meter groß, fettleibig und besaßen zwei Beine und vier Arme. Ihr Kopf war ebenfalls oval, auch drei Augen. Sie trugen einen Vollbart und statt Haaren zierte ein stachliger Kamm ihren sonst kahlen Kopf.

Die Hexe glich exakt einem Menschen. Eine schöne, selbstbewusst wirkende Frau in einer roten, uniformähnlichen Kombination. Sie hatte lange, braune Haare, wirkte sanft und freundlich. Nach einer Weile erreichten sie die Zentrale. Niesewitz ließ sie gewähren, dennoch waren alle internen Waffen aktiviert und sämtliche Soldaten auf ihrem Posten.

Die Frau baute sich vor uns auf, stemmte die Arme in die Hüften und musterte uns mit einem siegessicheren Lächeln.

»Im Namen des Reiches Entropia erkläre ich dieses Raumschiff für besetzt. Jegliche Gegenwehr ist sinnlos. Quarteriale werden inhaftiert.«

Sie wandte sich mit einem charmanten Lächeln an Sato Ambush.

»Mein Name ist Niada. Du musst der Auserwählte von MUTTER sein. Ich bringe euch die Botschaft, dass die Zeit des Quarteriums abgelaufen ist!«

Ambush nickte.

»Doch wieso habt ihr ein Raumschiff vernichtet und Unschuldige getötet? Die LFT-Terraner sind friedliche Menschen.«

Niadas Lächeln gefror.

»Das hat nichts zu bedeuten. Kollateralschaden. Wie dem auch sei: Dieses Schiff erhält eine neue Besatzung und dann brechen wir auf.«

»Wohin?«, wollte Kathy Scolar wissen.

Niada musterte Kathy abfällig.

»Zum Riff. Wir müssen es bekämpfen. Roi Danton, Roland Meyers und die Gruppe Zero sowie Sato Ambush sind dafür auserwählt. Der Rest ist unbrauchbar. Threchos?«

Der haluterähnliche Gigant trat einen Schritt vor.

»Sortiere diejenigen aus, die im Sinne der Entropie brauchbar sind. Das ganze Quarteriumsgesocks und was sich sonst noch als unbrauchbar erweist, wird durch die Schleuse geworfen.«

ENDE

Viel hat sich am 6. und 7. April 1307 NGZ ereignet. MODRORs Streitkräfte versuchen Rhodan und Aurec zu ermorden. Dorgons Regierung wurde ausradiert und das Kaiserreich in das Quarterium einverleibt.

Mysteriös bleibt das Auftauchen der Entropen. Mehr dazu schildert Nils Hirseland im finalen Roman des Quarterium-Zyklus:

KATAKLYSMUS

DORGON-Kommentar

Die Ereignisse streben ihrem Höhepunkt entgegen. Perry Rhodan und Aurec kämpfen auf MODRORs Scheinwelt WANDERER um ihr Überleben, Gucky scheint tatsächlich zum »Überallzugleichtöter« geworden zu sein, und im Raum um das Sternenportal der Lokalen Gruppe versucht Reginald Bull, MODRORs Armada in Schach zu halten.

Doch abseits des Geschehens künden sich weitreichende Entwicklungen an: Das Quarterium hat das Kaiserreich Dorgon übernommen und eine Marionettenregierung eingesetzt. Siniestro herrscht nun über zwei Galaxien und hat seine Macht weiter gefestigt. Der demokratische Widerstand in Dorgon ist ausradiert. Es steht zu befürchten, dass dadurch die Lage in den estartischen Galaxien für die Föderation Estartische Separatisten (FES) unhaltbar wird.

Doch, noch weitgehend unbemerkt, erscheint eine neue Macht auf der Bühne. Die Entropen! Noch weiß niemand, wer sie sind und welche Ziele sie verfolgen, doch scheint ihr Eingreifen von langer Hand vorbereitet zu sein. Allerdings erhebt sich hier die Frage, ob nicht Pest mit Cholera bekämpft wird. Zumindest das Verhalten der »Hexe« zeugt nicht gerade davon, dass diese neuen Akteure zart besaitet sind, im Gegenteil. Es scheint, dass sie ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste verfolgen. Doch vielleicht ist es wie so oft, dass der Schein trügt. Warten wir es ab.

Jürgen Freier

Quantentheorie III: Quantenkosmologie

Diese Ausprägung der Quantentheorie verwendet Gesetzmäßigkeiten und Formalismen der Quantentheorie, um das Universum als Ganzes zu beschreiben. Vor allem ist sie der Versuch einer wissenschaftlichen Theorie zu einer Kosmologie, die die Entstehung des Universums zu erklären sucht. Die Urknall-Theorie ist hingegen streng genommen nur eine Theorie, die die Folgen des Urknalls erklärt und nicht dessen Ursache.

Im Ekpyrotischen Modell von Steinhardt & Turok (2001) z. B. werden Konzepte der Stringtheorien benutzt (Branen-Welt), um die Ursache des Big Bang abzuleiten.

Einen möglichen Zugang zur Quantenkosmologie eröffnet der Hamilton-Formalismus (Herleitung von Bewegungsgleichungen in der klassischen Mechanik), den man auf die Einsteinsche Relativitätstheorie anwendet. Man verwendet den Arnowitt-Deser-Misner-Formalismus (ADM-Formalismus), um die Raumzeit aufzubrechen (Trennung der drei klassischen Raumdimensionen von der Zeitdimension) und leitet die kanonischen Variablen aus der Lagrange-Dichte ab (Verteilung der Quanten im Raum). Integration liefert die Hamilton-Dichte (Energiedichte). Nun kann der kanonische Quantisierungsapparat, wie er auch exzessiv in den Quantenfeldtheorien angewendet wird, eingesetzt werden. Diesen Vorgang nennt man bisweilen auch Dritte Quantisierung.

Man kann nun viele Analogien der mikroskopischen Quantentheorie auf den Kosmos als Ganzes übertragen: So gelangt man zu einem Formalismus mit Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren, in dem nun nicht mehr Teilchen, sondern ganze Universen erzeugt bzw. vernichtet werden!

Die erzeugten Mehrteilchenzustände (Fock-Zustände in der Quantentheorie) können Voids (Vakuum-Universen), wenn man eine Quantenfeldtheorie mit freiem Wheeler-DeWitt-Operator aufzieht, oder Baby-Universen sein, wenn man zum nichtlinearen Wheeler-DeWitt-Operator übergeht.

Ein attraktiver Aspekt einer Quantenkosmologie ist, dass Kopplungskonstanten wie die Kosmologische Konstante als dynamischer Parameter aufgefasst werden können. Diese Eigenschaft wird von Beobachtung und Theorie motiviert und mündete in Quintessenz-Modelle. Aber auch andere Parameter, die wir in unserem Universum als fundamentale Naturkonstanten (G, h, c etc.) ansehen, könnten in anderen Universen andere Werte annehmen.

Die Implikationen einer Quantenkosmologie sind mehr als erstaunlich. Eine Übertragung des Teilchenbegriffs auf Universen entführt uns in eine phantastische Welt, wie sie vielleicht nicht mal im Science Fiction-Genre gedacht wurde.

Neben einer Vielfalt an Universen, was man oft als Multiversum bezeichnet, sollten Vernichtung und Erzeugung von Universen ebenso realisiert sein wie virtuelle Universen analog zu virtuellen Teilchen (die in der Atomspektroskopie bei der Lamb-Shift experimentell verifiziert wurden).

GLOSSAR

Nepomuk Higgins

Admiral der LFT

Geboren: 2.01.1203 NGZ

Geburtsort: Sussix, England, Terra

Größe: 1,66 Meter

Gewicht: 82 Kilogramm

Augenfarbe: braun

Haarfarbe: weißbraun

Merkmale: adrett gekleidet, Nostalgiker, ein Gentleman

Geboren: 27.10.1242 NGZ

Geburtsort: Xiangfan, Provinz Zentralchina, Terra

Größe: 1,76 Meter

Gewicht: 78 Kilogramm

Augenfarbe: schwarzbraun

Haarfarbe: wahrscheinlich schwarz (glatt rasierter Kopf)

Bemerkungen: Tsi ist stets beherrscht. Er vertritt eine eiserne Disziplin, stellt hohe Anforderungen an sich und seine Untergebenen. Darüber hinaus gilt er als taktisches Genie.


Admiral Nepomuk Higgins ist der militärische Oberbefehlshaber der 8. Terranischen Flotte, welche ab 1307 NGZ zur Verteidigung der Lokalen Gruppe gegen das Quarterium und MODROR eingesetzt wird. Higgins ist ein Vorzeigeraumschiffkommandant: Ausbildung auf den besten Akademien, vorbildlicher Lebenslauf und ein reicher Fundus an Wissen, das er immer wieder gern preisgibt. Higgins ist absolut konservativ und nervt seine Untergebenen oftmals mit Erzählungen aus der Vergangenheit.


INVINCIBLE II-Klasse

Die INVINCIBLE II-Klasse wurde als Angriffskreuzer mit überschwerer Bewaffnung konzipiert.

Abmessungen: 260 m Durchmesser, ohne RoRo-Hanger und Ringwulst

Besatzung: Stamm 180 Personen, maximal 1400 Personen

Bewaffnung: 1 Vierlings-Transformkanone (jeweils 6.000 Gt. Abstrahlleistung), 8 Transformkanonen (jeweils 3000 Gt. Abstrahlleistung), 24 Transformkanonen (jeweils 1000 Gt. Abstrahlleistung), 12 Konstantriss-Nadelpunkt-Kanonen, 84 MVH-Geschütze (Desintegrator/Impuls), 16 schwere Paralysegeschütze, 120 überlichtschnelle Raumtorpedos, 1200 Lenkwaffen für planetare Ziele

Defensive: vierfach gestaffelter HÜ- und fünffacher Paratronschirm, Prallschirm, Virtuellbildner, Deflektor

Antrieb: Metagrav (max. Beschleunigung: 1450 km/s², erreichbarer ÜL-Faktor: 105 Mio.), Antigrav

Energieversorgung: 1 Hypertrop-Zapfer, 2 Gravitraf-Speicherringe, 1 Gravitraf-Nebenspeicher, 2 Nug-Schwarzschild-Reaktoren

Beiboote: 2 x 30 m Minor-Globes, 4 x 25 m Space-Jets, 50 Nimrod II-Raumjäger, 20 Landungsboote in der »Planet-War«-Ausführung, 300 Nimrod II-Raumjäger in der »Deep-Space«-Ausführung

Besonderheiten: Der Durchmesser des Schiffkörpers wurde gegenüber dem Vormodell geringfügig vergrößert, um Platz für eine komplett ausgerüstete Raumlandeeinheit zu gewinnen, zu deren Unterstützung bis zu 500 MODULA-Roboter eingelagert werden können. Bei der »Deep-Space«-Variante wird dieser Raum für die 300 Nimrod II-Raumjäger genutzt. Ein wesentliches Merkmal dieser Klasse sind die genormten Komplett-Metagrav-Triebwerke, die als vollständige Module binnen dreißig Minuten ausgetauscht werden können. Ebenso können weitere Schiffssektionen bei Bedarf komplett ausgetauscht werden.

Das rein offensiv ausgelegte Schiffsdesign kommt in der für einen Kreuzer wohl einmaligen Bewaffnung und den überragenden Leistungswerten hinsichtlich Beschleunigung und ÜL-Faktor zum Ausdruck. Eine weitere Besonderheit stellt die taktische Angriffsfähigkeit gegenüber planetaren Zielen und Raumstationen dar.

Allgemeine Beschreibung

Die INVINCIBLE II-Klasse stellt in technologischer Hinsicht den Höhepunkt der terranischen Raumschiffstechnik vor Beginn der Hyperimpedanz dar. Die Konzeption dieses Schiffstyps war die Antwort der LFT auf eine zunehmend aggressive Außenpolitik des arkonidischen Kristallimperiums. Durch fortschrittliche Mikrotechnologie wurde es möglich, diese Schiffsklasse in einem Maße zu armieren und auszurüsten, dass sie gegenüber viel größeren Schlachtkreuzern und selbst Schlachtschiffen bestehen konnte. Dazu kam, dass faktisch zum ersten Mal, innerhalb der terranischen Flottenpolitik, ein rein offensives Schiffsdesign verfolgt wurde. Aus diesem Grunde wurde auch von einer ausgeprägt modularen Bauweise (z. B. RoRo-Hanger) abgesehen und nur auf eine strikt redundante Konstruktion der wichtigsten Komponenten Wert gelegt.

Ergebnis war der wohl hinsichtlich des Verhältnisses von Tonnage zu Kampfkraft schlagkräftigste Schiffstyp, der je eine terranische Schiffswerft verlassen hat. Man kann diese Klasse wohl als eine nie wieder erreichbare Kombination aus der Schnelligkeit und Wendigkeit eines Kreuzers mit der Kampfkraft eines Schlachtschiffes bezeichnen. Die ersten Schiffe wurden nach 1306 NGZ in Dienst gestellt.

In der 8. Terranischen Flotte werden Kreuzer der INVINCIBLE II-Klasse in zwei Bauformen eingesetzt:

Deep-Space

Planet-War

Dscherr’Urk

Aggressives Kämpfervolk in MODRORs Diensten. Die Dscherr’Urk sind eine Kreuzung aus zwei Rassen: den Dscherro und Turuk aus der Galaxie Shagor. Die Dscherr’Urk sind nur zum Kampf erschaffen worden. Sie sind wild und roh, aber entsprechend auf Taktik und Strategie des Krieges geschult. Sie dienen MODROR treu.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2017

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 98, veröffentlicht am 27.08.2017 —

Titelillustration: Lothar Bauer • Innenillustrationen:

Lektorat: Alexandra Trinley • Digitale Formate: René Spreer