Was bisher geschah | Hauptpersonen des Romans |
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Es herrscht Krieg! Nach der Gründung des Quarteriums 1303 NGZ war es nur eine Frage der Zeit, bis der militärische Konflikt losbrach. Als Anfang 1305 NGZ die Dorgonen eine Invasion in die estartischen Galaxien begannen, kam es zu einem intergalaktischen Krieg. Die Saggittonen, die USO und die republikanischen Akonen kamen den Estarten zu Hilfe. Daraufhin erklärte das Quarterium diesen Nationen den Krieg und besiegte sie vernichtend, unterwarf die Akonen und Estarten und zerschlug die USO ganz. Nun weht das Banner des Quarteriums über ganz Cartwheel. Bedrückende Untaten geschehen in seinem Schatten. Damit nicht genug: Das Quarterium greift nach M 87 – Druithora. Die Invasion in die Heimat der Pelewon und Moogh begann am 1. September 1306 NGZ. Im neuen Jahr 1307 NGZ sieht es an allen Fronten für die freiheitsliebenden Wesen alles andere als gut aus. Auch bei den Estarten gibt es wenig Grund zum Optimismus. Dennoch gilt für die Kämpfer weiterhin DAS PRINZIP HOFFNUNG … |
Jan Scorbit – Der Leiter der von Cartwheel präsentiert einige Überraschungen. Sam, Sam Tyler – Die Führer des Widerstandes auf Som streiten sich. Stevan da Reych – Der Generalkommandeur leistet »effiziente« Arbeit. Jeanne Blanc, Saraah – Die Mutantin und die Jerrer gehen in einen gefährlichen Einsatz. Gal’Arn, Elyn – Der Ritter der Tiefe und die Alyske kehren als Geschlagene aus M 87 zurück. Jonathan Andrews – Der Kommandant der P-99 DEVILFISH setzt alles auf eine Karte. Domino Ross, David Golgar, Hermes Eisar, Rosa Borgahn – Die Crew des neuen Paladins. |
Aus Verzweiflung wächst der Mut
Der Krieg
Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmerung steht er, groß und unerkannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.
In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.
…
Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.
Über runder Mauern blauem Flammenschwall
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.
…
Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
In die Bäume, dass das Feuer brause recht.
Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühenden Trümmern steht
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,
Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.
Georg Heym
Anfang Januar 1307 NGZ, Etustar
Der Kanzler Saggittors blickte auf den zentralen Raumhafen Etustars. Der bot ein Bild des Jammers. Die Schiffe, die die LFT und die nach M 87 zur Unterstützung der Konstrukteure des Zentrums abgestellt hatten, waren zurück. Zumindest der traurige Rest der Flotte, denn nur jedes fünfte Schiff hatte die ehemalige Zentralwelt ESTARTUs im Zentrum des Dunklen Himmels erreicht. Etwa siebenhundertfünfzig Schiffe standen da, und viele waren beschädigt. Umfangreiche Reparaturen waren nötig, um sie wieder einsatzfähig zu machen. Mit gemischten Gefühlen erwartete Aurec die Ankunft von Gal’Arn und Elyn, die erst vor kurzem gelandet waren. Der Ritter der Tiefe wollte persönlich über das Desaster in M 87 berichten. Eigentlich, seufzte Aurec, brauchte er diesen Bericht nicht, denn die Bilder auf dem Holoschirm waren unmissverständlich: Sie hatten eine Schlacht verloren und wahrscheinlich schon den gesamten Krieg.
Fast im Unterbewusstsein registrierte er, dass die Boten der Niederlage die Lagezentrale tief unter der Oberfläche des Planeten betreten hatten. Ihren Gruß erwiderte er geistesabwesend. Gal’Arn begann sofort mit seiner Lagebeschreibung. Doch der Kanzler hörte kaum zu, ihn beschäftigten andere Gedanken.
War es überhaupt noch zu vertreten, diesen Krieg weiterzuführen? Jeden Tag kämpften die Alliierten auf verlorenem Posten. Das Quarterium beherrschte die wichtigsten Galaxien der ehemaligen Mächtigkeitsballung ESTARTUs, nur der Dunkle Himmel war seinen Gegnern noch geblieben. Und Aurec fragte sich zum wiederholten Male, wie lange noch?
Jeder Tag kostete ungezählte Leben, auf den Planeten, in den Raumschiffen. Die Schlinge Leticrons schloss sich immer enger. Seiner Kriegsführung der verbrannten Planeten hatten sie nichts, überhaupt nichts entgegenzusetzen. Was blieb, waren die Nadelstiche durch die PIRANHAs. Und jeden Tag die gleichen Meldungen: Schiff vernichtet, Besatzung gefallen. Und er trug die Verantwortung dafür, dass täglich hoffnungsvolles Leben dem Moloch des Krieges geopfert wurde.
Dazu kamen noch seine persönlichen Sorgen um Saggittor. Welches Schicksal erwartete seine Heimat unter der Herrschaft des Quarteriums? Was suchte er eigentlich hier, unter dem Himmel fremder Galaxien? Warum war er nicht an der Seite seiner Schwestern und Brüder auf Saggittor – und an der Seite von Kathy, ergänzte er nach einer Pause? Kathy! Er durfte sich gar nicht vorstellen, welches Schicksal ihr bevorstehen würde, wenn sie der CIP in die Hände fallen sollte. Er hatte hier in Siom Som genügend Beispiele der unmenschlichen Brutalität und der sadistischen Methoden des Quarteriums gesehen. Menschlichkeit und Achtung vor der Würde des Lebens waren für die Henker des Emperadors Fremdworte.
»Aurec, woran denkst du?«
Er blickte auf und erkannte, dass Gal’Arn wortlos gegangen war. Nur Elyn war zurückgeblieben und beobachtete ihn mit sorgenvollem Gesicht. Wieder empfand er ihre Anwesenheit als tröstend, ihre Weiblichkeit umgab ihn wie ein schützender Mantel. Verlegen blickte er sie an und erzählte ihr von seinen Zweifeln, von seiner Sorge um die Heimat und vor allem von seiner Sorge um Kathy. Die Alyske legte tröstend ihren Arm um ihn.
»Du bist deprimiert, Aurec, weil das Quarterium unüberwindlich erscheint. Der Weg, den du gehen musst, ist voller Mühsal, voller Rückschläge, aber es ist trotzdem der richtige Weg. Das Quarterium verkörpert den Terror, die Missachtung des Lebens. Was es nicht verkörpert, ist die Hoffnung von Milliarden intelligenter Lebewesen auf eine Zukunft ohne Krieg, ohne Unterdrückung, auf ein Leben ohne Angst.
Diese Hoffnung verkörperst du und die Wenigen, die mit dir kämpfen. Noch ist eure Zahl gering, noch werdet ihr von Planet zu Planet, von Galaxis zu Galaxis gejagt. Doch ihr werdet mehr werden. Die Völker werden gegen die Gewalt, gegen die Unterdrückung aufstehen. Wenn ihr weitermacht! Ihre Hoffnung braucht einen Funken, um sie am Leben zu halten. Und dieser Funken wird zum Feuersturm, der das Quarterium hinwegfegt. Deshalb musst du weiterkämpfen, musst du deinen Weg zu Ende gehen, unbeirrt und ohne persönlichen Sorgen und Problemen nachzugeben.«
Ihr Gesicht, voller Leben, und der Ernst in ihren violetten Augen machten ihm Mut.
1. Licht und Dunkelheit
Som-Ussad, Siom Som: Es geht voran …
Stevan da Reych klopfte Erich Village jovial auf die Schulter.
»Gute Arbeit, Village, wirklich gute Arbeit! Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen.«
Das blasse Gesicht des hochgewachsenen Terraners rötete sich. Mit zitternder Stimme antwortete er: »Generalkommandeur, ich bemühe mich immer, mein Bestes für unsere Sache zu geben, auch wenn andere das nicht entsprechend würdigen.«
Da Reych zog seine linke Augenbraue leicht nach oben und erwiderte: »Dazu kommen wir später. Gehen wir zuerst einmal Ihre Analyse durch.«
Innerlich kochte er. Dieses ständige Kompetenzgerangel zwischen seinem persönlichen Assistenten und dem Lagerkommandanten Floryn Alunatuk drohte die Effizienz seines Kommandos zu gefährden. Am liebsten hätte er beide nach allen Regeln der Kunst zusammengestaucht, aber er wusste, dass Floryn Alunatuk durch den allmächtigen CIP-Chef persönlich protegiert wurde, und mit Niesewitz wollte er sich nicht anlegen.
Noch nicht, ergänzte er für sich selbst. Und nicht wegen Village.
»Fassen wir einmal Ihre Ausführungen zusammen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Kapazität des Entsorgungslagers auf Beschryr voll ausgelastet ist und nicht weiter gesteigert werden kann?«
Village nickte erleichtert. Hier war er auf vertrautem Gebiet. Zahlen und Statistiken, das war seine Welt.
»Es ist so, Generalkommandeur, dass wir die Leistung der Zubringerdienste von den nichtmenschlichen Welten Siom Soms nicht weiter steigern können. Die Überbringung der Probanden bindet bereits jetzt einen erheblichen Teil unserer in Siom Som stehenden Flottenverbände.«
Da Reych schmunzelte, Village brachte es immer wieder fertig, ihre Politik gegen die nichtmenschlichen Rassen so zu umschreiben, dass der Massenmord zu einem rein organisatorischen Problem wurde.
»Sie wollen also sagen, dass die Ausrottung dieses Gesocks die Einsatzfähigkeit unserer Flotte gefährdet?«
Village verzog schmerzhaft sein Gesicht. Warum musste sein Vorgesetzter die Dinge so direkt und brutal beim Namen nennen? Dabei war das nur ein Problem von Zahlen und Effizienz. Seine Aufgabe war, sicherzustellen, dass die organisatorische Abwicklung dieser unerfreulichen Angelegenheit schnell und reibungslos verlief. Je eher die Säuberung der Welten Siom Soms abgeschlossen war, umso eher konnte er an die Verwirklichung seiner Vision gehen, seiner Vision von der Besiedelung zahlloser Welten durch den Menschen. Er würde der Menschheit eine leere, saubere Galaxis schenken. Das war seine Mission, seine eigentliche Aufgabe.
»Gena ist es, Generalkommandeur! Darüber hinaus ist es aus ökonomischen Gründen nicht zu vertreten, dass wir für jeden Probanden im Durchschnitt 87,23 Quarter Transport- und Reinigungskosten aufwenden müssen. Dies führt in eine ökonomische Katastrophe, da die Bilanzen der gesäuberten Welten frühestens nach Jahrzehnten schwarze Zahlen schreiben. Durch das Entsorgungsprogramm steigt das Defizit des Staatshaushaltes in astronomische Höhen und wird über kurz oder lang zum Zusammenbruch der Staatsfinanzen führen.«
Der Arkonide erkannte die Brisanz der Aussage. Er überlegte mit gesenktem Kopf, bevor er entgegnete: »Village, Sie erarbeiten sofort einen Vorschlag, wie die Kosten gesenkt und die Effizienz erhöht werden kann. Sie haben hierzu alle Vollmachten und Zugang zu sämtlichen Lagerkomplexen und Unterlagen. Sollte Alunatuk Ihnen Schwierigkeiten machen, berufen Sie sich auf mich!«
»Danke, Generalkommandeur! Ich werde mich Ihres Vertrauens würdig erweisen!«
»Daran zweifele ich keinen Augenblick, Village, keinen Augenblick!«
*
Da Reych war auf Leticrons Flaggschiff PARICZA angekommen, das dem Corun zugleich als Befehlszentrale der gesamten Operationen in den estartischen Galaxien diente. Hier liefen alle Fäden zusammen, von hier aus lenkte der Quarteriumsfürst die Eroberung der ehemaligen Mächtigkeitsballung ESTARTUs. Mit stolzgeschwellter Brust schritt er das Ehrenspalier ab, das der Überschwere für seinen Empfang bereitgestellt hatte. Ihm war der Hintergrund der Geste Leticrons klar: Der Corun wollte ihm dadurch zeigen, dass er ihn als Verbündeten betrachtete. Trotzdem erfüllte ihn der Empfang mit Genugtuung. Im Normalfall war die CIP bei der Flotte nicht gerade gern gesehen, im Gegenteil, man fürchtete sie geradezu. Zur Kompensation brachte man die Verachtung gegen die »schwarzen Totengräber« bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck.
Leticron hatte ihn in seine privaten Räume zu einer Besprechung der aktuellen Lage eingeladen – auch diese Geste brachte sein Interesse an einer guten Zusammenarbeit mit ihm zum Ausdruck. Nachdem er sich identifiziert hatte, bat ihn der Corun in seine Suite. Interessiert schaute sich der Arkonide um. Der Raum war in ein düsteres Zwielicht getaucht. Eigentlich hätte man von einer Halle sprechen müssen. An den wie grobes Mauerwerk wirkenden Wänden hingen diverse Waffen und Werkzeuge, die durch scharf fokussierte Lichtspots aus dem Halbdunkel gehoben wurden. Leticron erwartete ihn an einer großen Tafel, die eine indirekte Lichtsäule beleuchtete. Der Überschwere saß auf einem gewaltigen Kontursitz, der an einen alten Thron erinnerte. Auf der Tafel waren verschiedene Spezialitäten aufgetischt, die alle dem arkonidischen Geschmack entsprachen.
Der Corun hatte sich bei seinem Eintritt erhoben und deutete einladend auf eine luxuriöse Konturcouch, die als Sitz und als Liege dienen konnte. Die vierschrötige Gestalt des fast zwei Meter großen umweltangepassten Springers war beeindruckend. Gekleidet war er in eine schwarze Hose, die ein breiter Gürtel hielt. Den nackten Oberkörper umhüllte ein dunkelroter Mantel, der locker über die gewaltigen Schultern fiel und die haarige Brust freigab.
»Nehmen Sie Platz, Generalkommandeur. Ich freue mich, dass Sie meiner Einladung so rasch gefolgt sind. Ich habe Sie zu dieser Unterredung gebeten, weil ich der Meinung bin, dass wir die Zusammenarbeit zwischen unseren Völkern intensivieren und neu definieren sollten. Übrigens darf ich Ihnen meine Leibwächterin Sordanion vorstellen? Sie kümmert sich um meine Sicherheit und meine persönlichen Bedürfnisse.«
Bei diesen Worten trat eine zweite Gestalt aus dem Halbdunkel der Halle, die ebenfalls dem Volk der Überschweren angehörte.
War die körperliche Präsenz Leticrons schon überwältigend, so erweckte die »Leibwächterin« des Corun Urängste in ihm. Sie überragte den Quarteriumsfürsten fast um einen halben Kopf und war ähnlich wie ihr Herr gekleidet. Um die gewaltigen Hüften trug sie einen Waffengurt, an dem ein Breitschwert und ein schwerer Strahler hingen. Schräg zwischen Schulter und Hüfte war eine lange Peitsche mehrmals um den Oberkörper geschlungen, der Griff lag genau zwischen den gewaltigen Brüsten, die ein enges Lederkorsett in Form hielt.
Unwillkürlich musste er sich vorstellen, wie es wäre, unter diesem gewaltigen Fleisch- und Muskelberg begraben, zwischen den gewaltigen Schenkeln eingeklemmt zu sein. Seine Gedanken schienen sich in seinem Gesichtsausdruck widerzuspiegeln, denn der weibliche Gigant verzog seinen Mund zu einer Grimasse, die wohl ein lüsternes Lächeln darstellen sollte. Leticron schien sich köstlich zu amüsieren und bemerkte: »Na, na, mein lieber arkonidischer Freund, ich glaube nicht, dass Ihre Konstitution den Anforderungen meiner speziellen Freundin gewachsen ist.«
Die Riesenfrau war inzwischen an die Seite Leticrons getreten und bemerkte, an diesen gewandt: »Leider habe ich eine schlechte Nachricht, Gebieter. Unser Beutestück hat die letzte Befragung nicht überlebt. Ich bin wohl etwas zu rau mit ihr umgesprungen, selbst eine sofort eingeleitete Reanimierung kam zu spät. Diese Terranerin hat uns selbst im Tode noch eine lange Nase gedreht!«
Der Überschwere stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus und wies sie zurecht: »Hättest du nicht etwas vorsichtiger sein können, Sordanion? Jetzt haben wir keine Chance mehr, etwas über diese neuartigen Schiffe der Terraner zu erfahren.«
Dann fuhr er fort, an den sich immer unbehaglicher fühlenden Arkoniden gewandt: »Übrigens, da wir hier unter uns sind, würde ich vorschlagen, dass wir zu einem vertrauteren Umgangston übergehen.«
Da Reych blickte den Corun überrascht an. Damit hatte er nicht gerechnet. Leticron schien tatsächlich viel daran gelegen zu sein, ihn an sich zu binden.
»Exce… äh Leticron, ist es Ih… dir tatsächlich gelungen, eines dieser Schiffe zu erbeuten?«
Der Überschwere schüttelte wütend den Kopf und deutete auf seine Leibwächterin: »Nein, und daran ist diese Terranerin schuld, die eben den Weg zu ihren Göttern gegangen ist. Wir waren gerade dabei, das Wrack zu sichern, um es an Bord der PARICZA zu nehmen, da hat sie die Selbstvernichtung eingeleitet. Ich selbst konnte gerade noch entkommen, und dabei ist mir die Kommandantin in die Hände gefallen.« Dabei fletschte er die Zähne, was seinem Gesicht einen noch grimmigeren Ausdruck verlieh.
»Hat sie bereits gesungen? Ich denke, dass wir von ihr wertvolle Informationen über die -Terroristen und ihre Stützpunkte erhalten könnten.«
Leticrons schüttelte wieder den Kopf. Seine Gesichtszüge zeigten nun blanke Wut.
»Ich war so töricht, meiner Leibwache das Verhör zu überlassen. Ich hätte sie gleich persönlich verhören sollen, mir gegenüber hätte dieses Miststück geredet wie ein Wasserfall.«
Leticron spielte offenbar auf seine Fähigkeit als Hirnoffensor an. Da Reych glaubte jedoch, Missgunst gegenüber seinem neuen Schützling herauszuhören.
»Leticron, du zweifelst an deiner Leibwächterin?«
Doch der Überschwere winkte ab.
»Sordanion ist absolut loyal und eigentlich auch sehr fähig. Sie ist sozusagen Fleisch von meinem Fleisch, mehr brauchst du zu diesem Thema nicht zu wissen.«
*
In der nachfolgenden Besprechung während des opulenten Mahls stellten sie eine weitgehende Übereinstimmung ihrer Ansichten zur aktuellen Entwicklung fest. Leticron war, genau wie er, der Ansicht, dass der Angriff auf M 87 viel zu früh eingeleitet wurde. Die Flottenverbände, die sie zur Unterstützung Torsors abstellen mussten, fehlten ihnen jetzt an allen Ecken und Enden. Dazu kam noch, dass auf den besetzten Welten der Widerstand immer stärker wurde, vor allem die Pterus schienen zu ihrer kriegerischen Vergangenheit zurückgefunden zu haben und gingen kompromisslos, oft unter Opferung des eigenen Lebens, gegen die Besatzungstruppen vor. Es gab sogar Gerüchte, die von einer Wiederauferstehung der »Ewigen Krieger« warnten. Und auch die Entwicklung auf Som war alles andere als beruhigend. Seit sich die dorgonische Kaiserin Arimad eingemischt hatte, wurden die Dorgonen als Verbündete immer unzuverlässiger.
Leticron erklärte, dass die Offensive in den Zwillingsgalaxien Absantha-Shad und Absantha-Gom zum Stillstand gekommen war.
Sicher, sie kontrollierten den größten Teil der beiden Galaxien, doch zu einem großangelegten Angriff auf die letzte Bastion der Rebellen und der in der Überlappungszone der beiden Galaxien fehlten einfach die Kräfte. Falls sich die dorgonische Flotte tatsächlich neutral verhalten sollte, bekämen sie ernsthafte Probleme.
Das Fatale an dieser Situation war, dass dadurch den Terroristen wieder eine sichere Basis zur Verfügung stand, von der sie vor allem ihre Terrorangriffe gegen die Nachschublinien starten konnten. Leticron zeigte Statistiken, aus denen hervorging, dass sie auf diese Weise weit über fünfundzwanzig Prozent der Nachschublieferungen, die sowieso schon reduziert waren, verloren. Durch den Abzug der Flottenverbände für M 87 konnten die Nachschubkonvois einfach nicht ausreichend gesichert werden. Die ganze Lage könnte eskalieren, falls der dorgonische Großadmiral Vesus tatsächlich das gemeinsame Oberkommando aufkündigen würde.
In dieser Situation, erklärte der Quarteriumsfürst weiter, sei die eingeleitete »Entsorgung« der nichtlemurischen Urbevölkerung in den eroberten Galaxien von entscheidender Bedeutung. Durch die Eliminierung dieses »Gesocks«, wie Leticron sich ausdrückte, würde den Terroristen die Basis entzogen. Deshalb sei es von größter Wichtigkeit, die »Entsorgungspolitik« zu forcieren.
»Wir müssen ihnen die Basis, ihr natürliches Umfeld entziehen, in dem sie immer wieder untertauchen können«, bemerkte Leticron. »Erst dann können wir die eroberten Planeten endgültig befrieden und so die Kapazitäten freibekommen, die wir zur Eroberung der Überlappungszone brauchen.« Da Reych stimmte Leticron in allen Punkten zu und berichtete ihm, dass sein persönlicher Assistent Village dabei war, ein Konzept zur Effizienzsteigerung der Entsorgungslager auszuarbeiten.
Danach gingen sie zum »gemütlichen Teil« über, wobei die Stimmung immer ausgelassener wurde. Die Sauferei endete für da Reych damit, dass er durch die beiden Überschweren regelrecht unter den Tisch gesoffen wurde. Das Letzte, was er schattenhaft mitbekam, war, dass die gewaltige Riesin ihn am Gürtel seiner Uniform in eine Kabine trug und ihn dabei an ihre gewaltigen Brüste drückte.
*
Am nächsten Morgen erwachte er in seinem Bett. Ihm tat das Kreuz weh. Da Reych reiste wieder zurück und bestellte Village zum Rapport. Die Ausführungen Leticrons hatten ihm gezeigt, wie wichtig es für den Erfolg ihrer Mission in den estartischen Galaxien war, die Effizienz der »Entsorgungslager« zu steigern. Er hoffte, dass Village inzwischen einen Lösungsvorschlag parat hatte.
Bis zum Eintreffen des Terraners beschäftigte ihn die Erinnerung an die vergangene Nacht, und er wusste nicht, wie er seine Träume einstufen sollte. Mitten im Schlaf war er schweißgebadet aus einem Albtraum erwacht, in dem die Überschwere die Hauptrolle spielte. Es verstand nicht, warum gerade sie seine sexuelle Phantasie in diesem Maße beflügelte, aber die körperliche Präsenz und Dominanz der gigantischen Überschweren erfüllte ihn mit einer namenlosen Angst. Gleichzeitig verfiel er in einen Rausch fremdartiger Gefühle, wenn er nur an sie dachte. Mit seiner ganzen Willenskraft beendete er die erotischen Phantasien. Wenig später meldete seine Ordonanz, dass Village endlich eingetroffen war.
Der hochgewachsene, sichtlich ausgeschlafene Terraner informierte ihn darüber, dass er eine Lösung für ihr Problem gefunden hatte. Gleichzeitig beschwerte er sich über Alunatuk, der ihm seine Arbeit unnötigerweise sehr erschwert hätte. Mit empörtem Gesichtsausdruck erklärte er, dass er ihn einen »impotenten Speichellecker und Arschkriecher« genannt habe. Innerlich musste da Reych grinsen, doch er versprach Village, Alunatuk entsprechend zurechtzustutzen. Er wusste, dass der Terraner, der voller Komplexe steckte, für ihn unersetzbar war. Und er gedachte, ihn bei Laune zu halten.
Som, Ijarkors Station: Eine Frage des Gewissens
Sam Tyler betrachtete geringschätzig die Einladung, die ihm Mathew Wallace persönlich überbracht hatte.
Der Liebe Mut, der Triebe Glut,
ist nach langer Nacht, wieder neu entfacht!
Der langen Trennung Pein,
wird nun zu Ende sein!
Wir laden zur Verlobungsfeier der ewigen Verbindung unserer Herzen am 8. Januar 1307 um 14:00 Uhr.
Mathew Wallace und Saraah
*
»Probleme haben die«, murmelte Tyler vor sich hin. Als ob es nichts Wichtigeres geben würde.
Der ehemalige Söldner strich sich mit der Hand über den kahlgeschorenen Schädel, überlegte kurz, ob er der Einladung folgen sollte. Schließlich entschied er sich zuzusagen. Es war eigentlich egal, wo er sich langweilen würde, in seiner Kabine oder in der Gesellschaft dieser sentimentalen Narren. Er brauchte jedoch noch ein Geschenk und das stellte ihn vor ernste Probleme. Nach langem Nachdenken fiel ihm die Flasche Champagner ein, die er vor Jahren einmal geschenkt bekommen hatte. Das war’s, er stand mehr auf die harten Sachen.
Widerwillig betrat er den reich geschmückten Festsaal. Die ganze Führung der Rebellen hatte sich versammelt und schien der Illusion von Frieden und Harmonie verfallen sein. Tyler schüttelte ungläubig den Kopf.
»Irrsinn«, murmelte er vor sich hin, »nichts als blanker Irrsinn.«
Auch äußerlich wirkte er wie ein Fremdkörper: Alle hatten sich bemüht, durch entsprechende Kleidung dem festlichen Anlass Genüge zu tun. Der männliche Teil der Schöpfung trug alle Varianten von Anzügen, während die Weiblichkeit die Gelegenheit nutzte, ihre Reize zu präsentieren, die sonst meist durch die unförmigen Kampfmonturen verdeckt wurden.
Die Schritte seiner schweren Kampfstiefel hallten wie das Schlagen einer Kriegstrommel durch den Saal, als er Kurs auf das Paar nahm. Sämtliche Gespräche verstummten und selbst die kleine Kapelle, die eine beschwingte Weise spielte, endete in einer schrillen Dissonanz.
Sam Tyler grinste bitter. Er gehörte nicht hierher. Seine Welt waren die Schlachtfelder, Auge in Auge mit dem Tod. In seinem Leben gab es keinen Raum für das übliche sentimentale Gesülze von Liebe und ewiger Treue. Er brauchte gelegentlich ein wenig Sex, ohne jede Verpflichtung, ansonsten konnte ihm jede Beziehung gestohlen bleiben. Und dieses dekadente Rumgestehe sowieso.
Mit diesen Gedanken hatte er Saraah und Mathew Wallace erreicht. Ohne ein Wort knallte er die Champagnerflasche vor ihnen auf den Tisch, nickte ihnen mit sarkastischem Grinsen zu und ging in Richtung Bar weiter. Er hatte dort eine Flasche Cognac erspäht, die auf ihn wartete. Da stieß er mit jemandem zusammen. Das hatte ihm gerade noch zu seinem Glück gefehlt. Sruel Allok Mok – Sam genannt, so wie er! Der kleine Somer stieß einige zwitschernde Laute aus, bevor er in das Interkosmo verfiel.
»Das geht wirklich zu weit. Zuerst verderben Sie mit Ihrem ungehobelten Auftritt die ganze Verlobungsfeier und dann rempeln Sie einfach andere Lebewesen an. Ich erwarte, dass Sie sich für Ihr ungehöriges Benehmen bei dem Paar entschuldigen!«
Tyler fixierte den kleinen Somer, bevor er antwortete: »Entschuldigen für was? Dafür, dass ihr hier alle einen Mummenschanz ohne Gleichen aufführt? Ich will mich nur ehrlich besaufen …«
Doch Sruel Allok Mok ließ sich nicht einschüchtern.
»So geht das nicht weiter, Mister Tyler. Sie sind ein ungehobelter und übe…«, Sam brach mitten im Satz ab und bemühte sich, seine Erregung unter Kontrolle zu bringen. »Entschuldigen Sie, ich habe für einen Moment meine Höflichkeit vergessen. Bitte kommen Sie mit mir, damit wir die Verlobungsfeier nicht länger durch unseren Streit stören.«
Tyler maß den Somer mit einem bösen Blick, griff sich die Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Absichtlich rülpste er laut. »Das meine ich auch. Es wird höchste Zeit, dass wir mal Klartext miteinander reden.«
*
Wenig später führten sie ihre Diskussion in einem Nebenraum weiter. Tyler hatte sich in einen Kontursessel geworfen und leerte die Cognacflasche zusehends, während der Somer, wie ein Adler im Käfig umher stolzierte. Plötzlich zerplatzte die Flasche mit einem lauten Knall an der Wand.
»Mister Tyler!«, rief Sam empört. »So geht das aber n…«
»Da hast du ganz recht, so geht es tatsächlich nicht weiter.« Sam versuchte den Terraner zu unterbrechen, doch Tyler ließ sich jetzt nicht mehr stören.
»Jetzt hörst du mir mal zu und stolziere nicht wie ein verdammter Gockel herum, denn davon wird die ganze Scheiße auch nicht besser. Ihr wollt hier einen Spielzeugkrieg führen! Wenn’s geht, soll dabei niemand verletzt werden, ihr wollt kein Blut vergießen, immer human und ritterlich bleiben! Doch so funktioniert es nicht, nicht bei diesen Mördern. Ihr müsst hart werden, genauso hart wie sie. Inzwischen spielen sich diese Henkersknechte auf, als ob sie zu Hause in der Etappe wären. Sie besaufen sich in aller Öffentlichkeit und haben sogar ihre eigenen Bordelle eingerichtet, natürlich nur für die, die entsprechend zahlen können. Es wird Zeit, dass wir diesen Herren mal richtig Feuer unter dem Arsch machen. Ich de…«
Weiter kam er nicht. Sam unterbrach ihn in höchster Erregung. Seine Federn hatten sich aufgestellt, was seine Empörung widerspiegelte.
»Was Sie da vorschlagen, würde uns auf die gleiche Stufe mit diesen Verbrechern stellen. Wir können doch nicht einfach irgendwelche Wesen umbringen, die vielleicht unschuldig sind oder nur gezwungenermaßen als …«
Weiter kam er nicht. Tyler donnerte mit der Faust auf den Tisch und schrie: »Wann kapierst du es endlich, in diesem verdammten Gemetzel, das sich Krieg nennt, gibt es keine Unschuldigen, nicht auf der Seite Leticrons und seiner Mörderbande.«
Er atmete tief durch.
»Und übrigens meinte ich nicht irgendwelche arme Schweine, die werden sowieso ins Gras beißen, dafür sorgen die schon selbst. Nein, ich meinte die Lamettaträger, die Offiziere. Die müssen wir bekommen. Und dabei sollten wir ganz oben anfangen. Wenn wir die Gelegenheit haben, sollten wir dieses Offiziersgesocks einfach wegputzen, gnadenlos, ohne Gewissensbisse. Denn die haben auch keine!«
Der erfahrene Kämpfer starrte finster vor sich hin. Sam war wie vor den Kopf geschlagen. Dazu durfte er nie sein Einverständnis geben. Doch dann fielen ihm die Berichte der letzten Monate ein, besorgniserregende Berichte. Immer wieder wurde ihm berichtet, dass ganze Dorfbevölkerungen spurlos verschwanden, Frauen, Männer, Kinder – weg, einfach verschwunden. Soweit es ihre Möglichkeiten zuließen, hatten sie Nachforschungen angestellt. Sie hatten nichts erfahren, überhaupt nichts. Es schien, als ob sich Millionen Somer, Pterus, Ophaler und Elfahder einfach in Luft aufgelöst hätten.
Doch es war Tatsache, dass immer mehr Lebewesen ESTARTUs verschwanden, als ob es sie nie gegeben hätte. Und dann gab es noch Gerüchte, die von kugelförmigen Geisterschiffen berichteten, die immer wieder in der Nähe der verlassenen Siedlungen gesehen worden sein sollten. Außerdem war das Quarterium dazu übergegangen, die Bevölkerung in den Städten einfach zu deportieren. Wohin man sie brachte und was mit seinen Landsleuten geschah, wusste niemand. Sie blieben ebenso endgültig verschwunden, es gab keinerlei Nachricht von ihnen. Das gab den Ausschlag. Sruel Allok Mok brauchte Gewissheit. Und Tyler bot ihm die Möglichkeit, Gewissheit zu erlangen.
2. Der Schatten des Oxtorners
Etustar, zur gleichen Zeit
Der Kanzler Saggittors wurde durch das Signal des Interkoms aus seinem unruhigen Halbschlaf gerissen. Unwillig aktivierte er das Gerät durch einen kurzen akustischen Befehl. Auf dem Plasmabildschirm wurde ein USO-Spezialist sichtbar, der als Wachhabender Dienst in der Zentrale hatte.
»Aurec, entschuldige, dass ich dich so spät stören muss, aber Jan Scorbit ist gerade im Landeanflug und hat wichtige Neuigkeiten. Er hat mich gebeten, unverzüglich eine Sitzung des engeren Führungskreises einzuberufen.«
»Was, Scorbit ist plötzlich wieder da? Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Zuerst verschwindet er für mehrere Wochen, ohne sich zu verabschieden, ohne eine Begründung zu geben, und nun taucht er einfach wieder auf und will mitten in der Nacht eine Sitzung?«
Die Antwort Aurecs war dem USO-Spezialisten sichtlich unangenehm. Mit einem verlegenen Gesichtsausdruck antwortete er: »Die Sitzung scheint aber sehr dringend zu sein. Scorbit hat sogar darauf bestanden, dass Gal’Arn und Elyn teilnehmen.«
Aurec hatte sich etwas beruhigt und entgegnete: »Schon gut, du kannst ja nichts dafür. Aber Scorbit muss einen wirklich guten Grund haben, sonst kann er was erleben.«
Der Spezialist war sichtlich erleichtert und trennte die Verbindung. Voll böser Vorahnungen ging Aurec in die Nasszelle seines Quartiers, um sich kurz zu duschen und eine frische Allzweckkombi anzulegen.
In Zeiten wie diesen konnten irgendwelche Neuigkeiten nur negativ sein. Die Hoffnung auf eine Wende zum Besseren war ihm längst abhanden gekommen.
*
Aurec betrat etwa zehn Minuten später die Kommandozentrale der Alliierten, die sich tief im Fels unter der Oberfläche eines alten, im Laufe von Millionen Jahren durch Erosion abgetragenen Gebirgszuges des Zentralkontinents Etustars befand. Die Animateure hatten ihnen die alte Befehlszentrale der Ewigen Krieger zur Verfügung gestellt, nachdem sie die Bedrohung durch Dorgon und das Quarterium erkannt hatten. Der Saggittone blickte ungläubig auf das Schauspiel, das der große Holo-Bildschirm der Zentrale bot. Es zeigte ein gewaltiges, kugelförmiges Raumschiff, das gerade mit flammenden Impulstriebwerken zur Landung ansetzte.
»Kann mir jemand sagen, um was für ein Raumschiff es sich hier handelt?«
Elyn wandte sich ihm zu und antwortete: »Wir wissen es auch nicht, aber Jan Scorbit ist offensichtlich mit diesem Schiff angekommen. Also muss es sich wohl um eine Einheit von uns handeln.«
Der kurze Dialog wirkte wie ein Auslöser: Plötzlich redeten alle durcheinander. Schließlich bemerkte ein alter Veteran der LFT, der bisher still in sich versunken, mit einem nahezu verklärten Gesichtsausdruck die Landung des Giganten beobachtet hatte: »Ich glaube, es handelt sich um ein reaktiviertes Superschlachtschiff der IMPERIUM-Klasse aus der Zeit des alten Solaren Imperiums. Es sind zwar einige Modifikationen zu erkennen, aber das ganze Design weist auf diesen Schiffstyp hin.«
Wenig später betrat ein breit grinsender Jan Scorbit die Zentrale. Mit einer weit ausholenden Gebärde deutete er auf das gelandete Schiff.
»Darf ich vorstellen: Die PRIDE OF PAST, die neueste Errungenschaft der USO. Monkey hat gemeint, die Lage hier sei so beschissen, dass wir jede Unterstützung brauchen würden. Um es gleich vorwegzunehmen, die PRIDE ist eigentlich im Moment nur bedingt brauchbar, aber, wenn wir einige Wochen Zeit haben, ist sie voll da. Dann werden Leticron und seine Mörderbande einige unangenehme Überraschungen erleben, das könnt ihr mir glauben.«
Nun war es Xavier Jeamour, der ungläubig einwarf: »Jan, ich glaube, dass Sie so langsam die Beziehung zur Realität verlieren. Wieso soll ein einziges Schiff etwas an den Kräfteverhältnissen ändern können? Selbst die IVANHOE, die wohl mindestens über die doppelte Kampfkraft verfügt, kann der Übermacht der quarterialen Flotte nichts entgegensetzen.«
Der Chef der USO in Cartwheel schüttelte nur den Kopf und meinte: »Du hättest Recht, wenn die PRIDE ein normales Schiff wäre. Aber eigentlich müsste sie noch einen Zusatz vor ihrem Namen führen, nämlich TS für TSUNAMI. Es handelt sich dabei um eine alte Technik der LFT, die aus unerfindlichen Gründen in Vergessenheit geraten ist. Monkeys Quintechs haben alte Archive durchforscht und die Technik der Mini-ATG-Felder ausgegraben und weiterentwickelt. Stellt euch einfach vor, ihr könnt ein Schiff einige Sekunden oder gar Minuten in die Zukunft versetzen und von dort aus operieren.
Monkeys Wissenschaftlern ist es gelungen, Strukturlücken innerhalb des Zeitfeldes zu schaffen, durch die beispielsweise Waffensysteme ihre Wirkung entfalten können. Jetzt braucht man nur noch eine sehr leistungsfähige Syntronik, um zu berechnen, an welchen Koordinaten sich der Gegner in einigen Sekunden befindet. Dann schicken wir eine Transformbombensalve an die berechnete Position.
Und genau in dieser Synchronisation liegt das Problem. Die Feinabstimmung stimmt noch nicht hundertprozentig und das Feld ist nicht völlig stabil, da keinerlei Erfahrungswerte mit der Masse eines Superschlachtschiffes vorliegen. Aber die Wissenschaftler an Bord der PRIDE meinen, dass sie das Problem in den Griff bekommen. Darüber hinaus hat das Schiff noch einige andere Neuentwicklungen, die für einen Gegner äußerst unangenehm sein werden.«
Er wurde durch mächtige Schläge gegen das Sicherheitsschott unterbrochen. Das dumpfe Dröhnen des strukturgehärteten Metalls ließ die Anwesenden erstarren und nach den Waffen greifen. Allein Jan Scorbit schien völlig unbeeindruckt und bemerkte: »Könnte jemand die Güte haben, die Tür zu öffnen, ich glau…«
Doch es war zu spät. Mit einem donnernden Schlag krachte das Schott in den Raum. In der entstandenen Öffnung wurde eine gewaltige Gestalt sichtbar, die den Albträumen der Anwesenden entsprungen schien. Mit einem markerschütternden Brüllen riss sie die Reste des Schotts aus dem Rahmen.
Aurec überwand seine Überraschung als erster und fixierte die riesenhafte Gestalt über den Lauf seines Thermostrahlers.
An Jan Scorbit gewandt, schrie er: »Jan, woher kommt diese Bestie?«
Scorbit grinste weiterhin überlegen und entgegnete: »Das ist keine Bestie, sondern der Paladin!«
Bevor Scorbit weiterreden konnte, unterbrach ihn der Saggittone.
»Welchen Nutzen könnte wohl ein halutischer Mutant oder ein Roboter für uns haben?«
In diesem Moment öffnete sich unterhalb des Sprunggelenks des linken Säulenbeines der Bestie eine Schleuse und eine Gangway wurde ausgefahren. Auf ihr bewegten sich vier winzige Menschen in Richtung auf einen in der Nähe stehenden Konferenztisch. Bevor der USO-Chef auf Aurecs Frage antworten konnte, fuhr dieser fort und deutete dabei auf die Miniaturmenschen: »So langsam glaube ich, dass ihr alle verrückt geworden seid. Was verspricht sich die USO von winzigen Androiden in einem Ro…«
Weiter kam er nicht. Ein schriller Schrei der Empörung unterbrach ihn. Aus der winzigen Hand des vordersten Zwergmenschen blitzte es auf und der saggittonische Kanzler griff sich mit einem Schmerzenslaut an die Nase, die urplötzlich eine Brandblase zierte. Dann donnerte eine gewaltige Stimme durch den Raum: »Wir sind keine Androiden, sondern Menschen von Gladors Stern und der Paladin ist auch kein Roboter, sondern eine autonome positronisch-biologische Kampfeinheit. Diese Unterstellungen sind ungeheuerlich und verletzen die Ehre des siganesischen Volkes. Wir erwarten sofort eine Entschuldigung.«
Aurec war fassungslos und schüttelte nur immer wieder den Kopf. Jan Scorbit hielt es für angemessen, mit einigen klärenden Worten die Situation zu entspannen. Immer noch genüsslich grinsend begann er: »Bitte Freunde, beruhigt euch. Es besteht kein Grund zur Besorgnis. Der Paladin ist ein uraltes terranisches Konzept aus der Zeit des Kampfes gegen die Zweitkonditionierten und wurde gemeinsam von unseren siganesischen Freunden, den Posbis und Blo Rakane, dem weißen Haluter, neu konzipiert und sollte im Halo von M 87 gemeinsam mit der PRIDE fertig gestellt werden. Wir mussten uns jedoch aus M 87 zurückziehen, da die Gefahr der Entdeckung zu groß wurde.
Der Paladin trägt die Typenbezeichnung X und kann als vollwertiger Posbi angesehen werden. An Bord befinden sich die Siganesen Domino Ross, David Golgar, Hermes Eisar und Rosa Borgahn, die das Einsatzteam bilden. Der Paladin kann somit entweder selbständig operieren oder durch das Einsatzteam gesteuert werden. Ursprünglich war vorgesehen, ihn direkt in M 87 durch die PRIDE auf einer Welt der Pelewon zum Einsatz zu bringen, aber Torsors Invasion kam einfach zu früh. So blieb uns nur der Rückzug nach Etustar, um von hier aus einen neuen Einsatz zu planen. Ich denke dabei vor allem daran, einen PIRANHA einzusetzen, um nach M 87 zurückzukehren.«
*
Aurec schüttelte nur den Kopf. So langsam hatte er das Gefühl, dass es Monkey und Scorbit mit ihrer Geheimniskrämerei übertrieben. Doch er wurde durch Elyn abgelenkt, die vor dem Konferenztisch in die Hocke ging und die kleinen Menschen direkt ansprach.
»Entschuldigt, dass ich euch so direkt frage, aber auf meinen Reisen durch das Universum bin ich noch nie auf Menschen wie euch gestoßen. Wie kommt es, dass ihr so klein seid?«
Daraufhin erzählte Domino Ross die Geschichte seines Volkes. Auch Gal’Arn verfolgte gespannt die Erzählung des winzigen Menschen. Der Siganese schilderte die Besiedlung Sigas und den kollektiven Schock der Kolonisten, als sie feststellen mussten, dass das Strahlenspektrum Gladors eine ständige Verkleinerung der Siedler bewirkte. Er erzählte, wie die Siedler sich schließlich mit ihrem Schicksal arrangierten und zu einem wertvollen Pfeiler des Solaren Imperiums wurden.
Er schilderte die Folgen der Manipulation von Gladors Stern und der Klon-Experimente durch die Cantaro während der Monos-Diktatur, die fast zum Aussterben seines Volkes geführt hatten. Und er erzählte vom siganesischen Helden Lemy Danger, der zusammen mit seinem Partner Melbar Kasom mehrmals die Menschheit vor dem Untergang gerettet hatte. Danach erzählte er von Donan Cruish und seinem heldenhaften Kampf gegen die Gladoristen und die Geschichte des Paladins, berichtete von Harl Dephin und dem Thunderbolt-Team im Kampf gegen die Zweitkoordinierten und von ihren folgenden Einsätzen im Dienste der Menschheit.
»Der originale Paladin war ein Spezialroboter in Gestalt eines Haluters zur Abwehr von Zweitkonditionierten im direkten Zweikampf während der Kämpfe gegen die Erste Schwingungsmacht in den Jahren 2435 bis 2437 alter terranischer Zeitrechnung, also vor gut 2.300 Jahren. Im Laufe der Zeit wurden sechs verschiedene, jeweils modernisierte Versionen konstruiert. Den maßgeblichen Anteil an der Konstruktion des Paladins hatten mein Volk und die Posbis. Es war quasi eine Gemeinschaftsproduktion.
Um so originalgetreu wie möglich auszusehen, waren die Paladin mit einer Kunststoffhaut überzogen und trugen dunkelgrüne Kampfanzüge nach halutischer Bauart. Der über drei Tonnen schwere Roboterkörper konnte bis zu einhundertzweiundsechzig Stundenkilometer schnell laufen. Seine komplette Innenausstattung stammte aus siganesischer Fertigung. Gesteuert wurden die ersten fünf Versionen vom legendären siganesischen Thunderbolt-Team«, führte der Siganese stolz aus. »Die innere Unterteilung bestand damals und besteht auch im neuen Modell aus sieben Decks.«
Elyn sah sich die dreidimensionale Abbildung des Paladins genauer an. Im ersten Deck befand sich die Waffenleitzentrale mit Raketenwerfern. Das zweite Deck und dritte Deck im Kopf des Haluters waren das Herzstück des Kunstwesens. Dort lagen die Hauptsteuerungszentrale für den Kommandanten, der positronisch-syntronische Verbund, die Kommunikationszentrale, Wohn- und Aufenthaltsorte für die Besatzung und die Verteiler für die Schaltungen. In der vierten Etage befanden sich die Hauptenergiestation und der Reaktor. Die Triebwerkszentrale mit Antigrav und Andruckneutralisatoren waren im fünften Deck installiert. Das sechste Deck bot Labore und einen Hangar für eine siganesische Space-Jet. Im letzten Deck waren Magazine und Zusatztriebwerke untergebracht. Die Siganesen erklärten, man habe sich an die Konstruktionspläne des ersten Paladins gehalten.
Domino Ross kam nun auf das legendäre Thunderbolt-Team zu sprechen. »Das waren Harl Dephin, Dart Hulos, Cool Aracan, Amos Rigeler und Mirus Tyn sowie der Wissenschaftler Drof Retekin. Sie sind Helden unseres Volkes. Ihr erster Einsatz fand im Jahre 2436 statt. Der Paladin verteidigte das Solare Imperium gegen die Uleb, gegen die Takerer, Dabrifa und den Schwarm. Da waren inzwischen schon vier Versionen konstruiert worden. Nach der PAD-Seuche zog sich das Originalteam nach Siga zurück, das war 3459 alter Zeitrechnung. Um das Schicksal der Thunderbolts ranken sich viele Gerüchte. Es hieß, einige seien im Einsatz gestorben. Jetzt sind sie jedenfalls schon seit langer Zeit tot. Wir Siganesen werden zwar alt, sind aber nicht unsterblich.«
Domino Ross machte eine Pause und ließ seine Zuhörer die Informationen erst einmal verarbeiten. Dann fuhr er fort. »Die späteren Modelle wurden zunächst ohne Besatzung konstruiert und kämpften gegen die Estarten. Während der Monos-Ära hatten die Siganesen einen Cantaro zu einem Paladin umgerüstet. Der wurde 1149 NGZ vernichtet. Damit fand die lange Geschichte der Paladin ein Ende.«
Dann richtete sich der Siganese zu voller Größe auf. »Wir hoffen, an die Leistungen des alten Paladin-Teams anzuknüpfen und beizutragen, die neue Bedrohung durch die Nachkommen der Bestien zu beseitigen.«
Elyn hatte der Erzählung des handspannengroßen Mannes gebannt zugehört und auch Aurec konnte sich der Faszination seiner Schilderung nicht entziehen. Der saggittonische Kanzler wandte sich an die vier: »Ich möchte mich bei euch in aller Form für meine unüberlegten Worte entschuldigen. Die Dinge hier wachsen mir so langsam über den Kopf und ich mache mir große Sorgen um das Schicksal meiner Verlobten. Bitte nehmt dies als Entschuldigung an. Doch euer Bericht gibt mir wieder Hoffnung. Solange Menschen wie ihr auf unserer Seite stehen, solange euer Mut und eure Tapferkeit ungebrochen sind, solange ist unsere Sache nicht verloren.«
Aurec war bei diesen Worten in die Knie gegangen, um mit seinem Gesicht auf gleicher Höhe mit den vier Siganesen zu sein. Das Gesicht Dominos spiegelte einen Moment den Stolz wieder, den er bei Aurecs Worten empfand, bevor er entgegnete: »Wir danken dem Kanzler Saggittors für seine erklärenden Worte, die wir mit Respekt und Verständnis hören. Die Entschuldigung nehmen wir an. Die Geschichte der Menschheit beweist, dass die Freiheit und die Achtung des Lebens immer den Sieg über die Mächte der Unmenschlichkeit davongetragen haben. Es ist unser fester Glaube, dass das verbrecherische Quarterium letztlich genau an den von ihm verspotteten Idealen von Humanität und Menschlichkeit scheitern wird.«
»Doch vorher müssen wir durch das Tal der Tränen!«
Alle blickten auf Jan Scorbit, der diese Bemerkung bitter in die Runde warf. Die ganze gespielte Fröhlichkeit war plötzlich von ihm abgefallen.
»Es tut mir leid, Aurec, aber ich habe sehr schlechte Nachrichten für dich.«
Der Kanzler Saggittors blickte bestürzt auf den hochgewachsenen Terraner, der seinen Blick mit einem betretenen Gesichtsausdruck erwiderte.
»Jan, ist etwas mit Kathy? Hat die CIP sie …«
Scorbit schüttelte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck wurde noch besorgter.
»Nein, Kathy ist mit Nataly und dem Chronisten nach unseren Informationen vorläufig in der Botschaft der LFT auf Mankind in Sicherheit.«
»Um was handelt es sich dann? Jan, bitte rede, ich muss es wissen!«
»Es … es geht … um das Schicksal der Bevölkerung Saggittors. Wie wir erfahren haben, gingen der Kapitulation unsagbare Massaker voraus. Siniestro setzte DOLANs ein, um die Kapitulation deiner Heimatwelt zu erzwingen. Torsors Bestien und die Grautruppen Despairs brachen jeden Widerstand durch brutalen Terror. Doch viel schlimmer müssen die Arkoniden gewesen sein. Jenmuhs setzte Sondereinsatztruppen ein, die aus dem Abschaum der arkonidischen Welten gebildet und durch Drogen angestachelt wurden. Diese machten aus Saggitton eine Hölle. Frauen und Kinder wurden zum Freiwild, zum Opfer der abartigsten Perversionen, während die Männer in Massenhinrichtungen ermordet wurden. Und …«
»Was ist mit den Frauen und Kindern?«, wurde er von Aurec unterbrochen.
»Nun, nach allem was wir wissen, ist ihr Martyrium beendet. Die Grausamkeiten der Arkoniden gingen anscheinend selbst Despair zu weit. Nachdem er den Oberbefehl übernommen hatte, löste er die arkonidischen Lager auf und ließ die meisten Arkoniden standrechtlich erschießen. Außerdem werden die Überlebenden inzwischen durch eine humanitäre Organisation unter Brettany, der jüngsten Tochter Siniestros, medizinisch und psychologisch betreut. Das Problem dabei ist, dass es scheinbar gar keine Opfer mehr gibt.«
»Was soll das heißen?«, unterbrach Aurec erneut.
»Nach unseren Informationen sind die Überlebenden der Lager inzwischen fast alle spurlos verschwunden. Was mit ihnen geschehen ist, wissen wir nicht. Es gibt nur einige vage Gerüchte, die jedoch äußerst unwahrscheinlich klingen.«
»Gerüchte?«
»Nun, man spricht davon, dass es einigen Jugendlichen, vor allem jungen Mädchen, gelungen sein soll zu fliehen, noch bevor Despair den Terror beendete. Diese haben anscheinend eine Widerstandsorganisation gegründet, die sich die Verlorene Generation nennt. Die Überlebenden der Lager sollen sich inzwischen fast alle dieser Organisation angeschlossen haben und nur ein Ziel kennen: Rache an den Besatzern.
Es gibt tatsächlich einige Hinweise, die auf die Existenz einer solchen Organisation hinweisen. So verschwanden in letzter Zeit immer wieder Soldaten oder Beamte des Quarteriums oder wurden tot aufgefunden. Auch einige Saggittonen, die mit den quarterialen Behörden zusammengearbeitet haben, wurden ermordet. Ob dies aber tatsächlich das Werk dieser Organisation sein kann, wage ich zu bezweifeln. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Jugendliche, halbe Kinder zu so etwas fähig sind.«
Der Kanzler Saggittors war während des Berichtes zu Stein erstarrt. Tränen liefen über sein Gesicht. Er bemerkte es nicht. Mit hölzernen Schritten bewegte er sich auf das zerstörte Schott der Zentrale zu. Er musste allein sein mit seiner Trauer, seinem Kummer, seinen Schuldgefühlen. Die folgenden Worte registrierte er schon nicht mehr.
»Ich glaube, dass du dich da irrst!«
Jan Scorbit blickte überrascht auf die Alyske, deren aggressiver Tonfall ihn verblüffte.
»Ich glaube nicht, dass ein Mann sich vorstellen kann, was in der Psyche einer Frau vorgeht, die vergewaltigt wurde. Zumal, wie du sagst, der überwiegende Teil der Opfer noch Jugendliche waren.«
Elyn unterbrach sich einen Moment. Sie musste an die versuchte Vergewaltigung durch die quarterialen Soldaten auf Monol denken. Obwohl es ihr mit Gal’Arns Hilfe gelungen war, sich zu wehren, empfand sie die Situation noch heute als persönliches Trauma. Allein der Gedanke daran, dass ihr Intimstes als Frau, das sie freiwillig einem Menschen schenken wollte, den sie liebte, gewaltsam genommen werden sollte, machte sie jetzt noch rasend. Sie blickte auf und sah in Scorbits völlig verblüfftes Gesicht. Sein ungläubiger Gesichtsausdruck machte sie noch wütender.
»Ich halte es absolut für möglich, dass diese Gerüchte der Wahrheit entsprechen. Einige Frauen dürften zwar unter dem Martyrium zerbrechen, aber glaube mir, bei anderen von uns bewirkt die Misshandlung das genaue Gegenteil. Ich würde euch empfehlen, davon auszugehen, dass sich auf Saggittor eine ernst zu nehmende Widerstandsorganisation bildet. Eine, die nur ein Ziel kennt: Das Quarterium zu vernichten und Rache für die ihnen zugefügten Demütigungen und Qualen zu nehmen. Und ich glaube, dass Aurec mit ihnen Probleme bekommen wird.«
Elyn brach ab, ihr Blick suchte den Kanzler. Doch der Saggittone war unbemerkt verschwunden. Auf ihre Frage, wo er abgeblieben wäre, antwortete ihr einer der Anwesenden, dass er den Raum völlig verstört in Richtung seines Quartiers verlassen habe.
Jan Scorbit wollte ihm sofort folgen, doch Elyn hielt ihn zurück.
»Jan, glaubst du nicht, dass du mit deiner Holzhammerpsychologie genug angerichtet hast?«
»Holzhammerpsychologie …?«
Nun mischte sich auch Gal’Arn in den Disput ein.
»Versuch mal deinen heutigen Auftritt aus der Sicht Aurecs zu sehen. Zuerst machst du uns allen Hoffnung, und …«
»Und zwar auf eine Art und Weise, die für mich völlig daneben war!«, wurde er von Elyn unterbrochen.
»Und dann folgt der absolute Tiefschlag. Was glaubst du wohl, wie Aurec sich fühlen muss, nachdem du, quasi nebenbei, von den Gräueln auf Saggittor berichtet hast?«
»Aber ich wollte doch nur der allgemeinen Mutlosigkeit und Frustration entgegentreten.«
»Na, zumindest bei Aurec ist dir das wohl auch bestens gelungen!«
Mit diesen Worten wandte sich Elyn ab. Sie wollte selbst nach Aurec sehen. Da spürte sie, wie etwas ihre linke Schulter berührte. Mit Erstaunen registrierte sie, dass es sich Domino Ross dort bequem machte und sich an ihren langen Haaren festhielt.
»Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir Aurec wieder Hoffnung geben«, flüsterte es an ihrem Ohr. Irgendwie löste der Siganese ein eigenartiges Gefühl in ihr aus. Es war, als ob sie sich schon seit Ewigkeiten kennen würden.
»Ich bin stolz, dass Sie mich begleiten!«, erwiderte sie.
Point Odysseus
Jan Scorbit war wie gelähmt. Das hatte er nicht beabsichtigt! Er hatte gehofft, durch seine Inszenierung die allgemeine Niedergeschlagenheit vertreiben und seinen Kampfgefährten etwas Hoffnung geben zu können. Doch es schien, als hätte er das genaue Gegenteil erreicht. Deprimiert schaute er der Alyske nach, die gerade die Kommandozentrale verließ. Verwundert bemerkte er, dass Gal’Arn seinen Arm ergriffen hatte und ihn zu einer kleinen Sitzgruppe zog, die etwas abseits angeordnet war. Dieses Verhalten war für den Ritter der Tiefe, der direkten Körperkontakt nach Möglichkeit vermied, absolut ungewöhnlich.
»Jan, wir müssen reden. Ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen.«
Doch der Terraner schüttelte nur den Kopf. Widerwillig entgegnete er: »Was soll es da noch zu reden geben, ich habe es verbockt!«
»Darum geht es nicht. Ich habe wichtige Informationen für dich, die ich in der allgemeinen Aufregung vergessen habe.«
»Informationen? Welche Hiobsbotschaften stehen uns noch bevor?«
Der Elare schüttele nur den Kopf und zog einen Datenkristall aus seiner Kombination, den er vor Jan auf den Tisch legte.
»Wie du weißt, bin ich vor kurzem zusammen mit Elyn und den Resten unserer Flotte aus M 87 zurückgekehrt, nachdem das Quarterium auf der ganzen Linie gesiegt zu haben scheint. Unsere Lage war hoffnungslos: Wir konnten gegen die Übermacht des Quarteriums nichts ausrichten, zumal die Konstrukteure des Zentrums der Taktik Despairs in keiner Weise gewachsen waren. Doch unser Rückzug war nicht vollständig, es existiert nach wie vor ein Stützpunkt in der Zentrumsregion von M 87.«
»Ein Stützpunkt? Wie ist das möglich?«
»Nun, als es Rhodan gelang, mit den PIRANHAs durch das Sternenportal der Milchstraße nach M 87 zu wechseln und Kontakt zu den Konstrukteuren des Zentrums aufzunehmen, waren diese einverstanden, dass wir auf einer Welt im Zentrumsbereich einen Stützpunkt aufbauen. Als die Invasion begann, zogen wir die PIRANHAs ab, um die Position nicht zu verraten. Zurück blieb eine kleine Besatzung aus USO-Spezialisten und Quintechs. Bevor wir uns dann mit den Resten der Flotte aus M 87 zurückzogen, gelang es mir, mit der TERSAL nochmals dort zu landen. Kommandant Konstantinus Demelaris gab mir eine Botschaft für die USO mit. Ich habe versucht, sie abzurufen, aber der Datenkristall ist durch einen Zugangscode gesichert, den ich nicht kenne.«
Scorbit musste gegen seinen Willen grinsen. Vor ihm entstand das Bild des schwarzhaarigen, bärtigen Hünen, der aus dem Gebiet des früheren Griechenlands stammte. Demelaris galt innerhalb der USO als einer der fähigsten Einsatzspezialisten. Er hatte ihn während der Einsatzplanung für den Paladin vor über zwei Jahren kennen gelernt. Monkey hatte sie damals über seine Vorbereitungen gegen die zu erwartende Expansion des Quarteriums informiert. Der Oxtorner hatte lange vor Perry Rhodan die Gefahr erkannt, die das Quarterium für den Frieden und die Freiheit der Galaxien bedeutete. Und der Oxtorner hatte gehandelt. Wenn Demelaris eine Botschaft für ihn hatte, so standen garantiert einige Überraschungen bevor.
Obwohl er vor Neugierde fast platzte, antwortete er: »Vielleicht sollten wir auf Elyn und Aurec warten? Ich glaube, dass die Informationen sehr wichtig sein könnten. Könntest du nicht …«
Gal’Arn unterbrach ihn schmunzelnd: »Schon gut, Jan. Ich werde die beiden holen.«
Damit verließ er die Zentrale, um einige Zeit später mit Elyn und Aurec zurückzukommen.
*
Jan Scorbit hatte sich in der Zwischenzeit ein Datenlesegerät mit Holoprojektor besorgt und den erhaltenen Kristall in das Leselaufwerk eingelegt. Sobald Gal’Arn, Elyn und Aurec zurück waren, startete er das Gerät. Wenig später kündigte ein feines Summen an, dass auch die Siganesen sich für den Inhalt des Datenkristalls interessierten. Er hatte nichts dagegen, die Informationen würden wohl sowieso für Domino und seine Freunde besonders wertvoll sein.
Gespannt registrierte er, dass das Holofeld sich aufbaute und gleich darauf das Symbol der Neuen USO zeigte. Eine ausdrucklose elektronische Stimme erklärte, dass diese Nachricht als Sicherheitscode »Alpha-Zero« eingestuft sei. Fast überkam ihn ein Gefühl der Panik: »Alpha-Zero« bedeutete, dass nur dreimal versucht werden konnte, die Nachricht zu entschlüsseln. Nach drei Fehlversuchen würde der Kristall unwiderruflich gelöscht werden. Gal’Arns Versuch, den Speicher zu lesen, hatte bereits einen Versuch verbraucht.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sich die anderen um das Lesegerät gruppiert hatten. Irritiert stellte er fest, dass Elyn unmittelbar neben ihm stand. Die erotische Ausstrahlung der Alyske irritierte ihn, das Bedürfnis, sie an sich zu ziehen, ihren Körper zu spüren, wurde fast übermächtig. Mit äußerster Willensanstrengung zerbrach er den Bann.
Plötzlich ging ein erstauntes Raunen durch die Runde. Die Holodarstellung hatte gewechselt und baute eine neue Darstellung auf. Die Projektion zeigte eine schwarze Kugel, in der ungezählte goldene Lichtpunkte durcheinanderwirbelten und sich in Form zweier Galaxien stabilisierten. An ihrer Form erkannte er die Milchstraße und Andromeda. Dann erschien ein fluoreszierendes Band, das die beiden Galaxien miteinander verband. Gleichzeitig flammte die Zahl 30 auf, um wenig später durch die 29 ersetzt zu werden. Zwischen den Zahlen wurde »Autorisierungscode?« eingeblendet.
Jan Scorbit fiel in eine Art hypnotische Starre. Die Holodarstellung hatte als Schlüsselreiz gewirkt, der einen tief in seinem Unterbewusstsein sitzenden Hypnoblock auflöste. Und plötzlich drängte sich der Code in sein Wachbewusstsein und seine Finger huschten über die Tastatur. Auf dem Holo wurde jedes eingegebene Zeichen in flammenden Buchstaben sichtbar. Sekunden später leuchtete über der Darstellung der verbundenen Galaxien ein Name, der in unheilvollem Rot glühte: »Mirona Thetin«.
Die Darstellung der Galaxien verschwand und die ausdrucklose Stimme erklärte: Autorisierung positiv!
»Darauf konnte auch nur der Oxtorner kommen!«, murmelte er vor sich hin.
Das Holo zeigte nun ein Gesicht, das den archaischen Perioden Terras entsprungen schien. Lange, schwarze Haare umrahmten in wirren Locken ein markantes, bärtiges Gesicht.
»Willkommen! Wenn du diese Darstellung zu sehen bekommt, hast du Monkeys kleines Rätsel gelöst. Die folgenden Informationen sind streng geheim und nur für Jan Scorbit oder Roi Danton bestimmt. Durch die verwendete Autorisierungsmethode ist sichergestellt, dass die Nachricht nur von einem der beiden geöffnet werden kann.«
Der Sprecher machte eine Pause und fuhr dann fort.
»Mein Name ist Konstantinus Demelaris und ich bin der Kommandant von Point Odysseus. Wir haben uns entschlossen, nach dem Sieg des Quarteriums nicht den verbliebenen USO-Verbänden in den Dunklen Himmel zu folgen, sondern zu versuchen, in M 87 einen Stützpunkt aufzubauen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir sind alles Freiwillige, niemand ist auf Grund eines Befehls zurückgeblieben. Monkey hat uns freigestellt, dieses Risiko einzugehen.
Ursprünglich plante Monkey, diesen Planeten zu einer Einsatzzentrale für unsere Flottenverbände auszubauen. Dieses Konzept wurde durch die Invasion durchkreuzt, die für uns einfach zu früh kam. Wir haben uns deshalb unter die Oberfläche des Planeten zurückgezogen, der einen Glücksfall darstellt. Ausgedehnte Rohstofflagerstätten ermöglichen es uns, die ursprünglichen Planungen weiter zu verfolgen.
Die mitgebrachten Flottentender der CAMELOPARDUS-Klasse haben eine komplette Produktionsanlage für Raumjäger der SAPHYR II-Klasse an Bord, so dass wir hier eine schlagkräftige Flotte aufbauen können. Zur Information: Bei der SAPHYR II-Klasse handelt es sich um das Konzept eines Langstreckenjägers, der eine Reichweite von 1,5 Millionen Lichtjahren hat, und zwar ohne, dass er auf Trägerschiffe angewiesen ist. Er verfügt über neuartige Waffensysteme, die ihn nach unseren Simulationen gegenüber einem DOLAN des Quarteriums weit überlegen machen. Die ganze Konzeption des Jägers ist darauf ausgelegt, einen intergalaktischen Guerilla-Krieg zu führen. Überlegenen Schiffen kann er durch seine überragenden Leistungswerte leicht ausweichen und im interstellaren Raum untertauchen.
Da es vermutlich nicht möglich sein wird, entsprechende Besatzungen nach M 87 zu bringen, hat Monkey, in Zusammenarbeit mit dem Zentralplasma, ein Konzept entwickeln lassen, um über einen biologisch-syntronischen Verbund den Jäger zu steuern. Dieser Verbund erhält durch eine biologische Komponente des Zentralplasmas ein eigenes Bewusstsein, kann also als eigenständige bio-syntronische Intelligenz handeln. Anders ausgedrückt, der Verbund stellt einen echten Posbi dar.«
Wieder machte der USO-Spezialist eine Pause, um dann fortzufahren.
»Die genauen Spezifikationen der SAPHYR II-Klasse können am Ende dieses Berichtes übertragen werden. Wenn wir von einem Zeitraum von sechs Monaten ausgehen, dürften ungefähr fünfzehntausend Einheiten zur Verfügung stehen, die dann in den Einsatz gehen könnten.
Ich hoffe, dass ich Ihnen durch diese Nachricht neue Zuversicht vermitteln kann. Wenn wir etwas Zeit haben, kann das Quarterium in M 87 noch gestoppt werden.«
Mit diesen Worten endete der Bericht. Die Anwesenden waren total überrascht. Damit hatte keiner gerechnet.
Aurec hatte die Nachricht mit steinernem Gesicht verfolgt. Bevor die anderen über die neuen Möglichkeiten diskutieren konnten, warf er bitter ein: »Warum stand uns dieses Waffensystem in Cartwheel nicht zur Verfügung?«
Dann verließ er wortlos die Runde. Und diesmal folgte ihm niemand.
3. Im Reich des Terrors
Mitte Januar 1307 NGZ, Beschryr/Som
Floryn Alunatuk
Ich starrte finster aus dem Fenster der Baracke, die offiziell als mein Hauptquartier diente. Die neue Ladung Fremdrassiger stand zur Entsorgung an. Meine Laune war am Tiefpunkt: Da Reychs Schoßhund war gerade angekommen und schnüffelte überall herum. Ausgerechnet dieser Penetrant, dieses wandelnde Vorschriftenbuch, steckte seine Nase in Dinge, die ihn nichts angingen. Aber der Herr würde nichts finden, dafür hatte ich gesorgt. Die Eingeweihten hielten dicht, sie hatten mindestens genauso viel zu verlieren, wie ich selbst. Und innerhalb der Gefangenen sorgten meine Kontakte dafür, dass Friedhofsruhe herrschte.
Nun, es war an der Zeit, meine »Effizienz« zu demonstrieren. Village sollte dem verdammten Arkoniden berichten können, dass ich, Floryn Alunatuk, die »Pflichterfüllung« in Person war. Meine Pterus hatten gut gearbeitet. Es ging eben nichts über Beziehungen.
Gedankenverloren strich ich mir über meine ausrasierte Halbglatze. Die Haarstoppel juckten, es war an der Zeit, sich mal wieder zu waschen. Dann verließ ich die Baracke, um das Schauspiel anzusehen. Einige Dscherro-Kreaturen liefen aufgeregt über den Platz, als sie meiner ansichtig wurden. Mit weit ausholenden Schritten steuerte ich auf die Konverterhalle zu, vor der sich bereits Village aufgebaut hatte. Einem Dscherro, der mir dabei über den Weg lief, bedachte ich mit einem Tritt meiner schweren Springerstiefel, die ich extra nach alten Vorlagen hatte anfertigen lassen.
»Was rennst du blödes Vieh noch über den Platz? Los, sorg dafür, dass das etwas schneller geht. Ich habe keine Lust, den ganzen Morgen hier zu stehen!«, brüllte ich den völlig verdutzten Dscherro an.
Village blickte mich verunsichert an.
»Bei mir herrscht Zucht und Ordnung«, herrschte ich den Terraner an. »Wer nicht spurt, dem trete ich in den Arsch!«
Unwillkürlich machte Village einige Schritte rückwärts. Er schien Angst davor zu haben, dass er mein nächstes Ziel sein könnte.
Inzwischen hatte die Kolonne des Elends den Exerzierplatz erreicht. Eine endlose Reihe von Lebewesen aller Rassen taumelte durch den Staub, dem Ende ihres Weges entgegen. Einen Augenblick empfand ich so etwas wie Bedauern, doch ich fühlte mich nicht für das Schicksal der Lebewesen verantwortlich. Im Gegenteil, ich ermöglichte es einigen, aus dieser Hölle zu entkommen. Inzwischen war der Platz von wütendem Brüllen der Dscherro und den Klagen und Angstschreien der Todgeweihten erfüllt. Knüppel, Peitschen und Elektroschocker trieben sie voran, ihrem Ende entgegen. Die Dscherro waren in ihrem Element, wahllos schlugen sie zu. Es war ihnen anzusehen, dass sie ihre Aufgabe genossen.
Villages Gesicht hatte sich grünlich verfärbt, die Brutalität der Dscherro schien ihm auf den Magen zu schlagen.
»Mensch, Village, reißen Sie sich zusammen! Sie repräsentieren hier das Quarterium. Denken Sie daran, welchen Eindruck Sie als kommandierender Offizier hinterlassen!«
Das saß. Man konnte förmlich sehen, wie er mit aller Willenskraft versuchte, seinen rebellierenden Magen unter Kontrolle zu bringen.
*
Am Rande der Todeskolonne waren inzwischen zwei Dscherro in Streit geraten und brüllten sich gegenseitig an. Eine Kartanin hatte die Lücke genutzt und stürzte auf uns zu. Die Dscherro wurden auf die Flüchtende aufmerksam und verfolgten sie. Die Felidin war nicht in der Lage, den Vorsprung vor meinen Schlägern zu halten. Kurz vor uns hatten sie die Flüchtende erreicht. Ein rascher Tritt und mein Lockvogel fiel wie in einer Theatervorstellung. Dabei griff einer der Dscherro wie zufällig nach den Lumpen, die den ausgemergelten Körper umhüllten. Vor da Reychs Schoßhund lag nun ein nackter, weiblicher Körper, der durch die katzenartigen Gesichtszüge einen eigenartigen erotischen Reiz ausübte. Meine Dscherro begannen, auf diesen Körper einzuprügeln. Und Village reagierte genau so, wie ich es beabsichtigt hatte.
»Sofort aufhören, lassen Sie die arme Kreatur in Ruhe!«
Ich gab meinen Dscherro ein unauffälliges Zeichen, sich etwas zurückzuziehen. Wie geprügelte Hunde, versteht sich. Die beiden spurten einwandfrei, der Methylalkohol wirkte tatsächlich Wunder. Village hatte sich inzwischen über die Kartanin gebeugt und befummelte, wohl unter dem Vorwand, ihre Verletzungen zu untersuchen, ihre entsprechenden Körperteile.
»Vorsicht Village, die sind unberechenbar!«, schrie ich. Damit wurde der Hypnoblock ausgelöst, den meine Ara-Ärztin im Bewusstsein der Felidin verankert hatte. Mit einem schrillen Fauchen schnellte mein Kätzchen nach oben und zog ihre Krallen durch Villages Gesicht. Wir hatten diese entschärft: Ich wollte ihn ja nicht töten, sondern nur etwas verschönern.
Mit einem schrillen Schrei des Entsetzens fuhr er wieder in die Höhe. Mein Kätzchen hatte ganze Arbeit geleistet, ihre Krallen hatten tiefe Schnitte hinterlassen, aus denen Blut lief. Und dann begann der unangenehme Teil meines Planes. Niemand wird mir glauben, aber die Felidin tat mir tatsächlich leid. Sie hatte gute Arbeit geleistet, aber ich musste sie töten, um der ganzen Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Also brüllte ich: »Weg, Village, bringen Sie sich in Sicherheit!«
Ich verpasste ihm noch einen gut platzierten Tritt, der ihn aus der Gefahrenzone beförderte. Dann begann das blutige Schauspiel. Nicht, dass mein Kätzchen wehrlos war. Auch ich bekam noch einiges ab. Sie lieferte mir in Anbetracht ihres Zustandes einen guten Kampf, hatte aber gegen meinen Schlagstock keine Chance. Außerdem war sie, wie gesagt, körperlich am Ende. Als ich fertig war und sie als ein unförmiges, blutiges Bündel vor mir lag, schwor ich mir, dass ich ihr ein ehrenvolles Begräbnis bereiten würde. Nur sie und ich. Das war ich ihr schuldig, von Krieger zu Kriegerin. Ein Rest meines alten Bewusstseins erklärte mich für verrückt, aber die Philosophie des geheimnisvollen Pterus bestimmte immer mehr mein Denken.
»Sanitäter!«, schrie ich. »Wo bleibt der Sanitäter, Kommandeur Village verblutet!«
*
Ich betrat am nächsten Morgen das Krankenzimmer, in dem Village in einem altertümlichen Bett thronte. Um den Kopf trug er noch einen Verband, der von den Spuren meines Kätzchens zeugte.
»Wie geht es Ihnen heute Morgen?«, fragte ich ihn scheinheilig.
»Es ging mir schon mal besser«, antwortete er unsicher. Und dann folgte genau das, was ich beabsichtigt hatte.
»Ich … ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Wenn Sie nicht …«
»Schon gut, Sie haben nicht die Erfahrung mit denen. Wenn dieses Gesocks die geringste Schwäche wittert, dann …«
»Nein, nein! Sie haben Ihr Leben für mich riskiert. Dieses Untier, diese außerirdische Schlampe, dieses Dreckstück, diese … diese Nutte …«, er begann plötzlich zu schreien. »Die müssen noch ganz anders behandelt werden, wir sind viel zu human.«
Der Ausbruch verebbte. Und dann kam es, ich konnte es kaum fassen.
»Bezi… Bezirkskommandeur, es ist doch unter Kameraden üblich, dass, wenn man gemeinsam in Todesgefahr, gemeinsam …«, er brach ab und begann von Neuem. »Könntest du, Entschuldigung, Sie sich vorstellen, dass wir eine vertraulichere Form der …«
Innerlich schüttete ich mich vor Lachen. Village war wirklich zu blöde. Ich beschloss, dem Spiel ein Ende zu machen.
»Aber natürlich, Erich. Ich heiße Floryn. Du hast Recht, ab heute sind wir quasi so etwas wie Blutsbrüder!«
Bei diesen Worten wurde er tatsächlich rot, soweit ich dies unter den Verbänden beurteilen konnte. Und dann erzählte er mir von seinen Plänen, von seiner Verantwortung, von da Reychs Besorgnis, wegen der mangelhaften Effizienz bei der »Entsorgung« der verfluchten Aliens, wie er sie nannte. Und diese Pläne alarmierten mich, denn sie gefährdeten meine Einnahmequellen und auch meine neuen Freunde. Ich musste ihm seine Ideen ausreden, sonst war ich am Arsch, denn wenn er sie verwirklichen würde, würde niemand mehr lebendig auf Beschryr ankommen. Tiefgefrorene Leichen eigneten sich nun mal nicht für irgendwelche Geschäfte. Davon abgesehen wusste ich nicht, wie der geheimnisvolle Pteru reagieren würde. Der war mir, obwohl er in letzter Zeit so etwas wie mein Lehrmeister geworden war, manchmal regelrecht unheimlich.
Und dann begann ich meinem »neuen Kameraden« langsam einen Alternativplan einzureden. Schön langsam, quasi scheibchenweise. Und er fraß es und glaubte am Ende, dass alles auf seinem Mist gewachsen wäre. Habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich genial bin? Alle lassen sich von meinem Äußeren täuschen. Gut, ich sehe aus wie der brutale Schlächter, Gehirn traut mir keiner zu, und das soll ja auch keiner. Na ja, es weiß auch niemand, dass unter meinen Vorfahren mehrere Kalfaktoren der ZGU waren. Und das braucht auch niemand zu wissen.
*
Drei Tage später kam, wie angekündigt, da Reych, um das Lager zu inspizieren. Ich hatte in der Zwischenzeit alles auf Vordermann gebracht, selbst die Dscherros spurten wie noch nie. Das hatte mich zwar Unmengen Methylalkohol gekostet, aber die blöden Hunde waren für ihre Verhältnisse regelrecht zugänglich.
Ich grinste still vor mich hin. Meine Ara-Ärztin war einfach unbezahlbar. Ihre Entdeckung, dass reichlich Methylalkohol diese Dumpfbacken in ihr sogenanntes Daschka versetzte, und zwar ohne Einbeziehung eines Taka und der schleimigen Footen, war einfach unbezahlbar. Und als willkommenen Nebeneffekt gab es auch keine Brut, denn die hätte mir gerade noch gefehlt.
Mein Plan ging voll auf. Village überzeugte das arkonidische Ekelpaket davon, dass auf Stromgarde ein zweites Entsorgungslager errichtet werden musste, um die Kosten zu senken. Dadurch verlor ich zwar einige Einnahmequellen, aber man kann bekanntlich nicht alles haben. Und vor allem schützte ich meine neuen Freunde …
Waffenbrüder?
Stevan da Reych
Ich prüfte die Uniform und kontrollierte mein Aussehen im Feldspiegel meiner Privatkabine an Bord des CIP-Kreuzers VHRATATU, einem sechshundert Meter durchmessenden Spezialschiff, das nach meinen Wünschen auf den Werften von Bostich gebaut worden war. Endlich verfügte ich über ein eigenes Schiff, das nur mit Angehörigen meiner Rasse bemannt war. Zur Besatzung gehörten nur Arkoniden von edelstem Geblüt, die von mir persönlich ausgewählt worden waren.
Natürlich hatte ich es abgelehnt, weibliche Vertreterinnen meines Volkes an Bord zu nehmen. Das hätte mir noch gefehlt. Frauen hatten in der Raumflotte oder der CIP einfach nichts zu suchen. Dass sie sich inzwischen in alle Bereiche des öffentlichen Lebens drängten, war widernatürlich. Sobald ich hier aufgeräumt hatte, würde ich dafür sorgen, dass dieser Skandal beendet wird. Eine Frau, vor allem eine Arkonidin, gehörte einfach in die Familie, hatte die Kinder zu erziehen und den Bedürfnissen des Mannes uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen, wenn dieser von seiner verantwortungsvollen Tätigkeit für das Wohl Arkons und des Quarteriums zurück nach Hause kam.
Es wurde Zeit, dass mit der modernen Unsitte arbeitender Frauen endlich aufgeräumt wurde. Es war nur bedauerlich, dass ich bisher noch keine Ehepartnerin gefunden hatte, die meine Ideale teilte und hübsch genug war. Aber sobald wir unsere Macht abgesichert haben, würden andere Zeiten beginnen. Dafür würde ich sorgen. Es war einfach inakzeptabel, meiner unwürdig, dass die hochnäsigen weiblichen Vertreterinnen meines Volkes das Recht haben sollten, mich zurückzuweisen.
Die Frau hatte zu gehorchen, basta! Wen ich als die zukünftige Mutter meiner Kinder auswählen würde, musste es als eine Ehre ohnegleichen ansehen, mein wertvolles Erbgut weitergeben zu dürfen. Und außerdem würde, schon aus militärischer Notwendigkeit, jede Art von Geburtenkontrolle bei strengster Strafe verboten werden. Die Erhaltung der Rasse musste wieder die heiligste Pflicht jeder Arkonidin sein. Für das Übrige würden entsprechende Einrichtungen sorgen, in der minderwertige Essoyas endlich eine sinnvolle Aufgabe in der Rassenhygiene finden würden.
Wenig später betrat ich die Zentrale. Der diensthabende Offizier salutierte, indem er mit der geballten Faust gegen das CIP-Symbol seiner Uniformkombi schlug und meldete: »Die VHRATATU ist startklar, Generalkommandeur da Reych!«
Mit einem zackigen Gruß dankte ich ihm.
»Setzen Sie Kurs auf die PARICZA. Quarteriumsfürst Leticron erwartet mich bereits.«
Mit flammenden Triebwerken hob mein Schiff ab und nahm Kurs auf das Hauptquartier des Corun.
*
Während des Fluges ließ ich nochmals die Ereignisse Revue passieren, die diese Unterredung notwendig gemacht hatten. Sofort nach meiner Rückkehr von Beschryr hatte ich begonnen, die Vorschläge Villages in die Tat umzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch davon ausgegangen, dass das Kaiserreich Dorgon die Notwendigkeit unserer Politik der Artenbestandsregulierung vertreten würde. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass uns ausgerechnet die Dorgonen in den Rücken fallen würden.
Vor allem die Gemahlin des Kaisers sollte Kralas holen. Was hatte sich dieses eingebildete Weibsstück überhaupt in die Politik, die allein uns Männern zustand, einzumischen? Ihr Platz war auf Dom im Bett ihres Mannes und nicht hier in Siom Som.
Voller Wut dachte ich an die Unterredung zwischen Elgalar, Carilla und ihrer verdammten Hoheit zurück:
Sofort nach meiner Rückkehr von Beschryr bat ich Elgalar und Carilla um eine Unterredung, um unsere neuen Pläne hinsichtlich einer Ausweitung und Effizienzsteigerung der Artenbestandsreglierung mit den Dorgonen abzustimmen. Ort dieses Treffens war Elgalars Residenz auf Som.
Schon bei meiner Ankunft beschlich mich ein ungutes Gefühl: Der ganze Komplex wimmelte von Raumsoldaten, die dem Kommando von Vesus unterstanden. Carillas Prettosgarden waren eindeutig in der Unterzahl. Und dieses Gefühl trog mich nicht, im Gegenteil. Als ich Elgalars Konferenzzimmer betreten wollte, sah ich mich plötzlich einer Gruppe Raumsoldaten gegenüber, die mich, ohne auf meine Proteste einzugehen, einfach entwaffneten.
Dazu gehörte auch eine Leibesvisitation, die ich als zutiefst entwürdigend fand. Ich, ein reinrassiger Arkonide, musste es zulassen, dass einfache, primitive Untergebene meinen Körper abtasteten. In diesem Moment schwor ich mir, dass für diese Schmach jemand bezahlen musste.
Als ich das Konferenzzimmer betrat, erkannte ich, dass meine schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren. Am großen Arbeitstisch saßen neben Elgalar und Carilla noch Arimad und dieser komische Imagi, der mir von jeher suspekt erschienen war. Eher beiläugig registrierte ich, dass auch Elgalar und Carilla waffenlos waren.
Was mich aber besonders verblüffte, war Ihre Kaiserliche Hoheit, die jetzt überhaupt nichts Kaiserliches mehr an sich hatte. Arimad trug einen einfachen Kampfanzug und war, genau wie Imagi, bewaffnet. Als einziges Zeichen ihrer kaiserlichen Würde trug sie den dorgonischen Kronreif in ihrem hochgesteckten Haar. Unwillkürlich blieb mein Blick an ihrer Figur haften. Der enganliegende Kampfanzug modellierte jedes Detail ihres Körpers nach, und der konnte sich sehen lassen.
»Da Reych«, ihre schneidende Stimme riss mich brutal aus meinen Betrachtungen, »wie ich erfahren habe, wollen Sie Ihre Politik des Völkermordes noch ausweiten. Das Kaiserreich Dorgon wird diese Missachtung sämtlicher moralischen Regeln zwischen zivilisierten Völkern nicht mehr tolerieren.«
Sie machte eine kurze Pause und in mir begann es zu kochen. Nicht nur, dass sie mit ihrer Ankündigung unsere ganze Politik in Frage stellte, besonders ihre Ignoranz gegenüber meinem Rang machte mich rasend. Doch schon fuhr sie fort: »Die dorgonische Krone erklärt hiermit offiziell, dass der Kriegszustand mit den Völkern ESTARTUs beendet ist. Das Ziel unserer Politik wird die Bildung einer gleichberechtigten Föderation zwischen dem Kaiserreich Dorgon und den estartischen Nationen sein. Als Zeichen der Wiedergutmachung habe ich die dorgonische Flotte angewiesen, die Völker ESTARTUs beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Welten zu unterstützen. Das gemeinsame Oberkommando mit der quarterialen Flotte ist somit aufgelöst. In diesen Minuten wird eine von mir aufgezeichnete Erklärung zu allen Welten der estartischen Galaxien übertragen, in der ich diese kaiserliche Entscheidung bekannt gebe.«
Nach diesen Worten erhob sie sich und verließ, ohne ein weiteres Wort, zusammen mit Imagi den Raum, nicht ohne mir noch einen Blick tiefster Verachtung zuzuwerfen. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Das würde unsere Lage wesentlich verschlimmern, wenn nicht sogar unsere gesamte Politik unmöglich machen. Inzwischen hatte einer der Raumsoldaten den Raum betreten und warf mir meine Ausrüstung vor die Füße.
Im ersten Moment war ich wie versteinert. Welch eine Beleidigung meiner Ehre als arkonidischer Adeliger, welch eine Missachtung meines Ranges! Doch bevor ich reagieren konnte, war dieser Kretin wieder verschwunden. Carilla begann gotteslästerlich zu fluchen, während Elgalar nur blöde grinsend auf seinem Kontursessel sitzen blieb. Danach erklärten mir beide, dass Commanus seiner Frau völlig freie Hand bezüglich der Politik gegenüber den Alienrassen gegeben habe.
*
An Bord der PARICZA empfing man mich wieder mit allen militärischen Ehren. Nichts wies darauf hin, dass man mir die Schuld an dem sich abzeichnenden Desaster gab. Und damit fiel eine Zentnerlast von meinen Schultern. Wenig später saß ich wieder dem Quarteriumsfürsten in seinen privaten Gemächern gegenüber.
Es war fast alles so, wie ich es von meinem ersten Besuch in Erinnerung hatte. Hinter ihm hatte sich wieder seine »Leibwächterin« aufgebaut. Leticron empfing mich mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. Mit der Bemerkung »Ich weiß bereits Bescheid« eröffnete er das Gespräch. Und dann, ich konnte es kaum fassen, bekam ich grünes Licht für den Ausbau von Stromgarde als zweitem Entsorgungslager. Leticron erklärte mir, dass ab jetzt keinerlei Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Dorgonen genommen würde.
»Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!«, brüllte er. Dabei schlug er mit der Faust auf den schweren Tisch und stieß die große Weinkaraffe um. Sofort breitete sich der Geruch des süßlichen, schweren Getränks aus. Aus dem Hintergrund trat die riesige Überschwere an den Tisch. Ihre Hand wischte über den verschütteten Wein und an Leticron gewandt bemerkte sie: »Welch eine Verschwendung!«
Der Corun hatte sich erhoben und machte einige Schritte auf mich zu. Plötzlich ergriff er mich am Brustteil meiner Uniform und zog mich in die Höhe.
»Da Reych, du arkonidischer Versager, wieso lebt dieses kaiserliche Dreckstück noch? Wieso ist die ganze verdammte CIP nicht in der Lage, mir dieses Ärgernis vom Hals zu schaffen? Hör gut zu, die Artenbestandsregulierung geht weiter. Ich lass mir doch nicht von einer eingebildeten dorgonischen Schlampe, die zufällig Kaiserin geworden ist, weil sie das Bett dieses Schwachkopfes auf dem dorgonischen Thron teilt, unsere Politik durchkreuzen. Und ich werde keinerlei Ausflüchte akzeptieren, verstanden?«
Ich war wie gelähmt. Diesen Ausbruch des Überschweren hatte ich nicht erwartet! Vorsichtig entgegnete ich: »Exzellenz, heißt das, dass ich den Auftrag bekomme, die dorgonische Kaiserin z…«
Weiter kam ich nicht. Leticron fing an zu brüllen und schüttelte mich wie einen nassen Sack.
»Du fragst auch noch, was das heißt? So verblödet kann nur ein degenerierter Arkonide sein. Natürlich heißt es das. Ich will, dass Arimad stirbt, verstanden? Und die Artenbestandsregulierung geht weiter, notfalls transportieren wir das Gesocks nach Cartwheel, um es auf Objursha zu entsorgen. Ich werde keinerlei Entschuldigungen oder Ausflüchte akzeptieren. Wenn du versagst, kannst du dir gleich einen Strahler an den Kopf setzen, verstanden? Denn sonst bekommst du Gelegenheit, meine Schwester näher kennenzulernen.«
Ich war völlig perplex. Leticron hatte dieses weibliche Ungeheuer als seine Schwester bezeichnet! Das Ganze wurde mir völlig unbegreiflich. Leticron ließ mich nun einfach fallen, während die riesige Überschwere sich über mich beugte. Mit einer Geste, die unmissverständlich war, bemerkte sie: »Enttäusche meinen Bruder nicht, Arkonide. Enttäusche ihn nur nicht!«
Das brüllende Gelächter der beiden Überschweren verfolgte mich, als ich aus Leticrons Privatsuite taumelte.
Som, kurze Zeit später
Nach meiner Rückkehr nach Som entwickelten sich die Dinge immer komplizierter. Um es gleich zu sagen: Ich hatte bis jetzt noch keine Gelegenheit, die Anweisung Leticrons auszuführen. Arimad blieb für mich unerreichbar. Entweder befand sie sich bei der dorgonischen Flotte, an Bord von Vesus Flaggschiff, oder sie war, wenn sie auf Som landete, durch eine starke persönliche Leibwache geschützt. Auf Som war eine Art Patt entstanden, da wir nicht mehr offen gegen die Föderation Estartische Separatisten vorgehen konnten. Als einziger Lichtblick in dieser verworrenen Situation erwies sich Carilla, der uns mit seiner Prettosgarde offen unterstützte.
Auch der Ausbau von Stromgarde als zweitem Entsorgungslager erwies sich als äußerst schwierig. Vesus hatte, als unsere Absichten erkennbar wurden, starke Flottenverbände in diesen Sektor verlegt, die Flottenmanöver durchführten und uns erheblich behinderten. So forcierten wir notgedrungen die Maßnahmen der Artenbestandsregulierung auf anderen Welten der estartischen Galaxien und verstärkten die Transporte nach Cartwheel, um Beschryr zu entlasten.
Und dann, ich konnte es kaum fassen, erhielt ich die Einladung, nach Paxus zu reisen, um der quarterialen Führung über den Fortschritt der Artenbestandsregulierung in den estartischen Galaxien zu berichten. Der Gos’Shekur wollte persönlich die weiteren Maßnahmen mit mir absprechen.
Ende Januar 1307 NGZ, Paxus
Vor mir lag das Pax-System, das Zentrum unserer Macht in Cartwheel und bald das Zentrum der gesamten lemurischen Rasse. Das Schicksal hatte der lemurischen Menschheit eine neue Heimat gegeben, die ihrer kosmischen Aufgabe würdig war. Von hier aus würden wir zu neuen Ufern aufbrechen, Galaxis um Galaxis würde unter den Schlägen unserer Flotten fallen, die Menschheit hatte sich besonnen, und war, zumindest hier in Cartwheel, bereit, ihre kosmische Aufgabe anzunehmen.
Ich strich mir über den für mein Volk untypischen Stoppelhaarschnitt und wandte mich meinem Begleiter zu.
Village hatte in tadelloser Haltung an dem kleinen Konferenztisch Platz genommen, den ich in der Zentrale meines Schiffes hatte aufbauen lassen. Mit Wohlwollen betrachtete ich den Terraner, der einen angenehmen Gegensatz zu den üblichen Barbaren seiner Rasse bildete. Manchmal fragte ich mich, ob es nicht möglich wäre, dass im Erbgut meines Assistenten arkonidische Gene enthalten waren.
Normalerweise dachte ich nur mit Schaudern an die größte Schande meines Volkes zurück, an die Zeit, als der verfluchte Verräter aus dem Hause Gonozal das Tai Ark’Tussan an die terranischen Barbaren verkauft hatte. Damals wurde Rassenschande hoffähig, gerade unter den weiblichen Mitgliedern meines Volkes galt es als ein Zeichen der verfluchten Emanzipation, sich von einem terranischen Barbaren schwängern zu lassen. Unzählige Bastarde waren das Ergebnis dieses Verrats an der arkonidischen Rassenehre. Es war gut möglich, dass bei Village arkonidische Gene, die aus einer solchen verwerflichen Verbindung stammten, dominant geworden waren und ihm zum Vorteil gereichten. Ich nahm mir vor, bei Gelegenheit dieser Möglichkeit auf den Grund zu gehen.
*
Die VHRATATU war auf dem Militärraumhafen von Paxus gelandet. Dabei hatte sich wieder die Überlegenheit meiner Rasse gezeigt. Der Erste Pilot hatte das Schiff punktgenau auf das zugewiesene Landefeld gesetzt. Voller Stolz blickte ich auf die Brückenbesatzung, die in vorbildlicher Haltung angetreten war, um uns zu verabschieden. Dann verließen wir das Schiff, um im Klotz, dem neuen Zentrum der quarterialen Macht, über die aktuelle Lage in den estartischen Galaxien zu berichten.
Der Emperador würde uns begrüßen, doch viel wichtiger für mich war, dass der Gos’Shekur die Mühe auf sich genommen hatte, extra von Bostich nach Paxus zu kommen, um meinen Bericht entgegenzunehmen. Voller Stolz malte ich mir aus, dass ich in Kürze dem Erhabenen persönlich gegenüberstehen würde.
Inzwischen war mein Gleiter vor dem Klotz auf einem mit verschiedenen Waffensystemen gesicherten Feld gelandet. Dieses wurde zusätzlich durch eine Kompanie terranischer Raumlandetruppen gesichert, die in einer losen, undisziplinierten Gruppe auf dem Feld verteilt waren. Innerlich schüttelte ich mich vor Abscheu.
Im Moment wurde Paxus vor allem durch den terranischen Block beherrscht, aber das würde sich ändern, da war ich mir sicher. Der Gos’Shekur würde sich auf Dauer nicht mit der Rolle des Stellvertreters zufriedengeben. Nein, es war sein göttliches Recht, der alleinige Herrscher des neuen Reiches zu werden. Die arkonidische Rasse war von der Vorsehung dazu bestimmt, die Menschheit in eine neue Zukunft zu führen.
Gemessenen Schrittes folgte ich den vier Terranern, die anscheinend unser Begleitkommando bildeten. Mit einem Seitenblick registrierte ich, dass Village, wie es seinem Rang gebührte, immer zwei Schritte hinter mir blieb. Und dann hatten wir endlich den Konferenzraum erreicht. Ich hätte mich auch nicht viel länger beherrschen können. Die Disziplinlosigkeit dieser Barbaren war eine einzige Provokation für mich.
Hocherhobenen Hauptes trat ich vor den Emperador, den ich knapp auf terranische Art grüßte. Noch war der das Staatsoberhaupt, leider! Den Gos’Shekur dagegen grüßte ich mit dem traditionellen Gruß der Tu-Gol-Cel, was er sichtlich erfreut zur Kenntnis nahm. Der Emperador dankte mir kurz und unfreundlich für die in den estartischen Galaxien geleistete Arbeit und verließ uns dann.
Innerlich war ich total empört, denn ich hatte mit einer gebührenden Würdigung meiner verantwortungsvollen Arbeit gerechnet. Und nun dies! Der Gos’Shekur schien meine Empörung zu bemerken. Mit einer anerkennenden Geste ergriff der Erhabene mich am Arm und geleitete mich in ein Nebenzimmer. Wenig später folgten der Minister für Alienfragen Katschmarek, Marschallkommandeur Niesewitz und Oberstkommandeur Trybwater. Und plötzlich bemerkte ich, dass auch Village anwesend war. Er war mir wie ein Schatten gefolgt und wirkte so unscheinbar, dass niemand seine Anwesenheit registrierte. Wir waren unter Gleichgesinnten, jedoch nicht unter Gleichrangigen!
*
Einige Stunden später flog ich mit der VHRATATU zurück nach Som. Der Abend war höchst angenehm und erfolgreich verlaufen, vor allem da es mir gelungen war, allein mit dem Gos’Shekur zu reden. Ich erläuterte ihm meine Zukunftsvorstellungen und fand, zu meiner vollsten Zufriedenheit, bei ihm mehr als nur Interesse.
Besonders meine Ansicht, dass es das gottgewollte Recht der arkonidischen Rasse ist, über die lemurische Menschheit zu herrschen, fand seine uneingeschränkte Zustimmung. Auch meine Einstellung über die Rolle der Frau als Erhalterin unserer Art, die von fremdem Genmaterial nur besudelt wird und ihren natürlichen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft findet, schien ihm zuzusagen. Dann hatte er mir erklärt, dass, in Absprache mit Fürst Torsor, die Artenbestandsregulierung auch auf M 87 ausgedehnt werden sollte und mir dabei eine führende Rolle in Aussicht gestellt. Das würde eine Aufgabe sein, die meinen Fähigkeiten entsprach.
*
Doch da Reych wäre seine gute Laune schlagartig vergangen, wenn er Zeuge der Unterhaltung zwischen Trybwater und Niesewitz gewesen wäre, die während seines Privatgesprächs mit Jenmuhs stattfand.
»Na ja, unser Generalkommandeur wird so langsam größenwahnsinnig!«, meinte Niesewitz.
»Soll ich mich um ihn kümmern?«
»Nein Reynar, wir warten einfach ab. Wenn ich eins gelernt habe, dann dass man nur warten können muss, und manche Probleme lösen sich ganz von selbst. Der reitet sich schon selbst in die Scheiße. Wir werden noch nicht aktiv, noch lange nicht!«
Botschaft der LFT
Kommuniqué des LFT-Militärattachés Henry Portland an den Terranischen Residenten Perry Rhodan
28. Januar 1307 NGZ
In diesen Januartagen des Jahres 1307 NGZ scheint das Quarterium auf der Höhe der Macht zu sein. Der Sieg in Druithora M 87 gilt offenbar als errungen und die Macht in den estartischen Galaxien als gefestigt. Das Quarterium beherrscht ganz Cartwheel. Unschöne Gerüchte über Massenmorde machen weiterhin die Runde. Bisher ist es mir oder irgendeinem anderen noch nicht gelungen, Beweise für die Entsorgung – so nennt man die Vorgänge hinter vorgehaltener Hand – zu finden, doch das Quarterium behandelt die Angelegenheit offensichtlich »top secret«.
Dennoch glauben Beobachter, dass auf den Planeten Objursha und Davau keineswegs autonome Gebiete für Extraterrestrier geschaffen wurden, sondern Vernichtungslager errichtet wurden. Ab und zu berichtet INSELNET von den wundervollen Verhältnissen auf diesen Planeten und zeigt – meiner Meinung nach fingierte – Interviews von glücklichen Jülziisch. Doch nie kehrt einer von diesen Welten zurück. Nachforschungen werden immer schwieriger.
Der LFT ist es seit Monaten untersagt, Planeten mit Nichtmenschlichen aufzusuchen. Und seit dem Ende der USO fehlt es uns an Agenten. Dem TLD ist es nicht gelungen, in Cartwheel Fuß zu fassen. Dem Quarterium gelingt es sehr effizient, uns draußen zu halten. Das ist allen voran dem Chef der CIP, Werner Niesewitz, zu verdanken. Anfangs belächelte man ihn noch als Witzfigur, doch seitdem er freie Hand für seine Visionen hat, gehört er zu den gefährlichsten Leuten in dieser Verbrecherclique.
Die Hoffnung auf saggittonischen und akonischen Widerstand teile ich nicht. Zwar sind die Verbrechen keineswegs vergessen, doch umfangreiche Aufbaumaßnahmen und eine vermutlich sogar aufrichtige Sozialarbeit von Brettany de la Siniestro verbessern das Leben der Saggittonen und Akonen. Das Quarterium macht nicht den Fehler, sich neue Feinde zu züchten.
Sicherlich wird über kurz oder lang der Saggittone als auch der Akone ein fester Bestandteil des Quarteriums sein. Jedoch sehe ich bei den Saggittonen noch Potenzial, sich dagegen zu wehren. Die Opfer sind in den Untergrund gegangen und bauen dort eine Front gegen das Quarterium auf. Zugleich wird das feste Gefüge der Völkergemeinschaft auseinander gerissen. Zwar soll der menschliche Saggittone durchaus Mitglied des Lemurervolkes im Quarterium werden, doch für die Holpigons, Varnider und anderen Völker aus der einstigen Galaxie Saggittor ist kein Platz. Bisher werden sie relativ in Ruhe gelassen, wenngleich ihre Rechte auch deutlich reduziert wurden. Um den Schein zu wahren, denke ich, und sie in Sicherheit zu wiegen, bis das Quarterium genug Kapazität frei hat, sich mit ihnen zu beschäftigen.
In Siom Som hat Kaiserin Arimad ihrem Mann und dem Quarterium die Stirn geboten. Sie ist eine tapfere Dorgonin. Sollte sich die politische Gesinnung der Dorgonen ändern, könnte das die Kapazitäten des Quarteriums schwächen. Wenn sie klug sind, ziehen sie aus den estartischen Galaxien wieder ab. Wenn nicht, könnte man hier eine militärische Chance sehen. Allerdings seien zwei Punkte hierbei zu bedenken, Sir:
Punkt eins: Die Dorgonen sind für politische Unregelmäßigkeiten bekannt. Das Leben eines Kaisers kann schnell enden. Es würde mich nicht wundern, wenn Kaiserin Arimad einem Attentat zum Opfer fiele. Ebenfalls ist es nicht klar, wie die Dorgonen zu einem Abzug stehen. Sind sie durch die Verluste kriegsmüde geworden oder überwiegt ihr Stolz?
Punkt zwei: Die alliierten Streitkräfte sind stark geschwächt. Das Quarterium kann auch ohne die Dorgonen die dezimierten Saggittonen, USO-Truppen und Estarten in Schach halten. Mehr nicht! Nur ein Eintreten der LFT kann diesen Krieg entscheiden. Mir ist durchaus bewusst, was diese Zeilen nahelegen. Sie sind eine simple Darstellung der Fakten und keine Ermutigung zu einem Kriegseintritt.
Seit einem halben Jahr leben der Chronist Jaaron Jargon, seine Nichte Nataly Andrews und Aurecs Braut Kathy Scolar in der Botschaft der LFT. Botschafter Lester Slone und ich mussten sehr oft aufdringliche CIP-Schergen abweisen. Sie sind hier relativ sicher, doch eine Ausreise wird ihnen nicht bewilligt. Natürlich weiß das Quarterium, dass die Frauen von Aurec und Jonathan Andrews einiges an Wert haben, und ich befürchte, dass sie sich ihrer bedienen werden.
Die Stimmung auf Mankind und Paxus – jene Welten, die ich am häufigsten besuche – ist gut. Die Bürger des Quarteriums müssen kaum auf etwas verzichten und leben einen geregelten, normalen Alltag. Natürlich sind der Freiheiten Grenzen gesetzt, doch dies scheinen die Lemurerabkömmlinge hinzunehmen. Jedenfalls gibt es keinerlei Anzeichen von Revolte. Niemand scheint die Jülziisch, Kartanin, Gurrads, Peepsies, Topsider, Unither oder Cheborparner zu vermissen. Ein trauriger Umstand, doch er entspricht den Tatsachen und spiegelt die Gesinnung der Quarterialen wider.
Ich werde Ihnen Neues berichten, sobald es wieder etwas zu berichten gibt, Sir!
Hochachtungsvoll
Ihr Henry Portland
4. Das Netz des Schicksals
Antwort
Zu den Steinen hat einer gesagt:
Seid menschlich!
Die Steine haben gesagt:
Wir sind noch nicht hart genug!
Erich Fried
Som
Ich wartete ungeduldig auf die Rückkehr da Reychs. Notgedrungen hatte ich meinen sicheren Posten auf Beschryr verlassen müssen, um den Oberbefehl über die CIP zu übernehmen. Dieser Überschwere war mir gewaltig auf die Nerven gegangen, der konnte einfach nicht mehr alle an der Waffel haben. Anstatt diese verdammte Artenbestandsregulierung schön vorsichtig unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen, nahm der keine Rücksicht mehr.
Das bestärkte mich im meinem längst fälligen Entschluss: Es wurde Zeit, hier die Zelte abzubrechen. Es war abzusehen, dass dieser ganze Hexenkessel demnächst explodieren würde. Ich musste mit dem geheimnisvollen Pteru Kontakt aufzunehmen und die Fliege machen. Der konnte mich sicher gut gebrauchen, denn wozu sonst sollten diese komischen Upanishad-Übungen gut sein? Na ja, korrigierte ich mich stillschweigend, so komisch waren diese Upanishad-Lehren eigentlich gar nicht.
*
Etwa zur gleichen Zeit saßen Sruel Allok Mok und Sam Tyler zusammen, um die weitere Vorgehensweise abzustimmen. Der Somer war aufs Höchste empört, da von den Welten Siom Soms immer mehr Wesen verschwanden. Er hatte sich mit dem ehemaligen Söldner zusammengetan, als er erkannte, wie recht der Mensch hatte.
Das Quarterium hielt sich auf Som zwar vorläufig an die von der dorgonischen Kaiserin Arimad verkündete Waffenruhe, doch war unverkennbar, dass dafür die Aktivitäten auf den anderen Welten intensiviert wurden. Jeder Widerstand wurde von Leticron mit äußerster Brutalität zerschlagen, brennende Städte und verwüstete Planeten kündeten davon, dass die Apokalypse der Völker ESTARTUs weiterging.
Sam war nun bereit, eine aktive Rolle bei den von Tyler geforderten Maßnahmen gegen die quarteriale Führung auf Som zu übernehmen. Zusammen analysierten sie die vorliegenden Agentenmeldungen. Durch den Rückzug der Dorgonen hatte sich ihre Lage auf Som mit einem Schlag wesentlich gebessert. Schließlich kristallisierten sich zwei mögliche Ziele heraus: Einmal ein von den quarterialen Mannschaften häufig frequentiertes Bordell und dann ein Nachtclub, der vor allem von den Offizieren genutzt wurde. Und Tyler begann sein Netz auszulegen …
Vorbereitungen
Gebannt starrten wir auf die Holowand. Die virtuelle Szene zeigte eine Dokumentation über die verruchtesten Nachtclubs von Lepso. Neben mir hatte es sich Saraah bequem gemacht. Tyler hatte die Jerrer gebeten, mit mir zusammen das Einsatzteam zu bilden. Ich musste innerlich grinsen. Einsatzteam war gut! Unsere Aufgabe würde darin bestehen, einen hohen Offizier der CIP abzuschleppen, um ihn dann ungestört auszufragen. Und so saßen wir hier in einem abgetrennten Raum, um uns auf unsere Aufgabe »vorzubereiten«.
Tyler hatte, Gott weiß woher, eine Dokumentation ausgegraben über das einträgliche Geschäft diverser Nachtclubs auf Lepso, die eigentlich nichts anderes als Kontaktbörsen für gewisse Damen der höheren Preisklasse waren.
»Schau mal, Jeanne, das Outfit dieser Blondine ist echt der Hammer!«
Ich beendete meine nutzlosen Betrachtungen und wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Holodarstellung zu. Saraah hatte auf Einzelbild umgeschaltet und zoomte eine langbeinige Schöne der Nacht heran. Unwillkürlich stieß ich einen schrillen Pfiff aus. Sie hatte Recht, das Outfit war wirklich der Hammer. Langsam drehte sich vor uns eine Frau, deren Rassezugehörigkeit unbestimmbar war. War auch egal, selbst ich war fasziniert.
Das 3D-Rendering-Programm des Holoplayers ermöglichte es, alle Einzelheiten genau zu studieren. Das Gesicht der Unbekannten war in einer besonderen Weise geschminkt, Augen und Mund bildeten einen faszinierenden Kontrast zu den langen, zu einer wilden Mähne gestylten, hellblonden Haaren. Besonders raffiniert war das bauchfreie Top, das die ausladenden Brüste, für die sie wohl einen Waffenschein benötigte, in Form hielt. Das Material war je nach Lichteinfall durchsichtig und fluoreszierte in verschiedenen Grautönen. Der kurze Rock war seitlich mehrfach geschlitzt und gestattete, je nach Bewegung der Trägerin, einen kurzen Blick auf den schwarzen String-Tanga.
Saraah ließ die Dokumentation wieder normal weiterlaufen. Der Schauplatz wechselte allem Anschein nach zu einem Striptease-Lokal. Zuerst zeigte die Holographie eine Gesamtdarstellung der Lokalität. Um einen erhöhten Laufsteg mit seitlichen Nischen waren viele Sitzplätze positioniert, die alle mit Humanoiden sämtlicher Rassen besetzt waren. Die Feldkamera zoomte nun auf eine Tänzerin, die gerade dabei war, sich mit lasziven Bewegungen zu entblättern. Fasziniert schauten wir zu. Es war unglaublich, wie lange sie brauchte, um sich der spärlichen Kleidungsstücke zu entledigen. Besonders erstaunte mich, dass die männlichen Gaffer ihr immer wieder Galaxnoten zusteckten und dabei die Gelegenheit nutzten, sie am ganzen Körper zu begrabschen.
Schließlich hatte sich die Tänzerin vollständig entblättert und verschwand mit einem ganzen Bündel Galaxscheinen. Saraah bemerkte total entgeistert: »Für was haben die überhaupt ihr Geld ausgegeben? Ich verstehe nicht, welche komischen Sitten bei euch Terranern üblich sind.«
Ich entgegnete ihr, dass ich das auch nicht verstehen würde, es aber faszinierend fände, wie leicht manche Frauen ihr Geld verdienen. Sie sah mich skeptisch an.
In diesem Moment riss uns ein lautes Räuspern aus unseren Betrachtungen. Ich wandte den Kopf in Richtung Tür und sah, dass Tyler den Raum betreten hatte, ein seltsam bitteres Grinsen im Gesicht. Er schien meine letzte Bemerkung mitbekommen zu haben. Wortlos nahm er die kleine Steuereinheit des Holoplayers von dem Tisch, wo sie Saraah abgelegt hatte.
Die Holodarstellung verschwamm, die Bilder wechselten so schnell, dass das Auge keine Einzelheiten mehr wahrnehmen konnte. Schließlich ging die Darstellung wieder in die normale Geschwindigkeit über. Tyler wiederholte den Vorgang mehrmals, dann schien er gefunden zu haben, was er suchte.
Der virtuelle Raum zeigte nun eine triste Szene. Nichts mehr vom Glanz und Glamour der vorherigen Sequenzen. Halbverfallene Gebäuderuinen, Straßenschluchten, in denen sich der Müll türmte. Die Feldkamera zoomte auf ein noch einigermaßen erhaltenes Gebäude. Vor diesem wurden mehrere Uniformierte sichtbar, die mehrere Personen aus dem Haus trugen. Die Kamera zoomte noch näher. Nun war erkennbar, dass es sich ausschließlich um weibliche Humanoide handelte, die Spuren grausamer Folterungen trugen. Dazu erklärte ein Sprecher: »Wir zeigen Ihnen hier eine Kommandoaktion des Staatlichen Wohlfahrtsdienstes gegen eine brutale Organisation von Frauenschändern, die von verschiedenen Welten Mädchen und Frauen entführt hat, um sie auf Lepso …«
Tyler unterbrach die Dokumentation und bemerkte: »Hört mir genau zu, ihr beide. Ich habe euch diese Reportage vorgespielt, damit ihr einen Einblick in das Milieu bekommt, in dem ihr euch bewegen werdet. Viele stellen es sich einfach vor, nur ein wenig mit dem Hintern wackeln oder mit den Augen klimpern, alles andere geht von allein. Doch das täuscht, es gibt nichts Brutaleres, als das Umfeld der sogenannten käuflichen Liebe. Ich de…«
»Na, Tyler, sprichst du aus Erfahrung?«, unterbrach ich ihn mit einem anzüglichen Grinsen.
Der ehemalige Söldner blickte mir sehr ernst in die Augen und entgegnete: »Jeanne, das ist bitterer Ernst. Nun gut – ja, ich war damals an der Geschichte beteiligt. Aber ganz anders, als du denkst. Eines der entführten Mädchen war die Tochter eines einflussreichen Industriellen von Plophos. Der engagierte meine damalige Partnerin und mich, um seine Tochter zu finden. Nun, Eileen versuchte, als Prostituierte getarnt, diesen Ring zu unterwandern …«
Tyler versagte die Stimme und schien sich in alten Erinnerungen zu verlieren. Sein Gesichtsausdruck, seine ganze Haltung sagte mir, dass er dieser Eileen wohl sehr nahe gestanden hatte. Schließlich schien er seine Betroffenheit überwunden zu haben und fuhr fort: »Das Ende ist schnell erzählt: Eileen hatte sich die Sache wohl zu leicht vorgestellt, sie wurde enttarnt und umgelegt. Deshalb bitte ich euch, nehmt die ganze Sache nicht auf die leichte Schulter. Ihr müsst völlig authentisch wirken. Beim geringsten Anzeichen, dass euer Ziel Verdacht geschöpft hat, geht keinerlei Risiko ein. Verschwindet auf der Stelle, oder, falls das nicht mehr möglich ist, schlagt zu, gnadenlos und ohne Erbarmen. Das muss euch klar sein: Die werden auch kein Erbarmen kennen. Ich könnte nicht mit der Verantwortung leben, euren Tod oder Schlimmeres verschuldet zu haben.«
Bevor ich auf seine eindringlichen Worte etwas entgegnen konnte, sprach Tylers Kommunikator an. Der Somer meldete, dass Tylers Besuch eingetroffen war. Der bat, dass dieser sofort in den Vorführraum kommen sollte. Ich war etwas irritiert und hatte keine Ahnung, wen Tyler da erwartete.
*
Das Türschott öffnete sich und eine sehr offenherzig gekleidete Frau betrat den Raum. Sie sah sich kurz um, wobei ich den Eindruck hatte, dass sie Saraah und mich eingehend musterte. Dann bemerkte sie, an Tyler gewandt: »Hallo Süßer, da bin ich.«
Mit diesen Worten stiefelte sie auf den Terraner zu und umarmte ihn kurz.
»So, Sam, bevor wir anfangen, lass uns das Geschäftliche hinter uns bringen! Alte Zeiten hin, alte Zeiten her, du weißt ja, Zeit ist für mich Geld!«
Tyler verzog etwas verlegen das Gesicht und reichte der Fremden wortlos einen Umschlag. Diese öffnete ihn und ließ ein dickes Bündel Galaxnoten durch ihre Finger gleiten.
»Na, ich denke, dass ich mir das Nachzählen sparen kann. Sind das die beiden?«
Tyler räusperte sich: »Ja, das sind sie. Übrigens, darf ich vorstellen? Das ist Shimara, eine – drücken wir es mal so aus – Bekannte aus früheren Zeiten. Durch Zufall haben wir uns hier wiedergetroffen, und da sie über gewisse Erfahrungen verfügt, habe ich sie gebeten, euch ein wenig auf den Job vorzubereiten.«
Die Angesprochene schien Saraah und mich zu taxieren. Dann meinte sie, an Tyler gewandt: »Ich glaube, dass mir da noch einiges an Arbeit bevorsteht. Und Sam, bitte nimm es mir nicht übel, könntest du jetzt gehen? Ich denke, dass wir jetzt allein sein müssen, nur wir Frauen unter Frauen.«
Tyler schien zuerst etwas entgegnen zu wollen, doch dann ging er ohne ein weiteres Wort aus dem Raum. In den folgenden Stunden machten Saraah und ich völlig neuartige Erfahrungen. Shimara machte uns mit den Tricks ihres Gewerbes vertraut und wir bekamen einen Einblick in eine Welt, von der wir bisher keinerlei Vorstellungen gehabt hatten, in eine widerliche Welt jenseits unserer Vorstellungskraft.
Shimara kündigte an, dass wir noch einkaufen gehen müssten. Unsere Garderobe sei wohl kaum geeignet, irgendwelche Männer aufzureißen. Sie informierte Tyler darüber, der ihr mit einem resignierenden Grinsen nochmals ein Bündel Galaxscheine aushändigte.
*
Wir waren zurück. Die meisten Klamotten, die Shimara uns ausgewählt hatte, hätten Saraah und ich niemals auch nur angerührt, die Teile wären uns einfach zu gewagt erschienen. Auch im Gesicht und in der Haltung hatten wir uns verändert. Wenn ich in den Spiegel schaute, erkannte ich mich kaum wieder. Und nun begann das Warten …
»Erfolge« wollen gefeiert werden …
Village und da Reych waren endlich gelandet. Jetzt galt es, mich unauffällig aus der Schusslinie zu bringen. Die beiden strahlten wie Weihnachtsmänner, als ich sie auf dem Landefeld begrüßte. Ich machte also Männchen, war der Mustersoldat und hatte sogar eine neue Uniform angezogen. Das schien da Reych sichtlich zu imponieren, denn mit einem jovialen Grinsen klopfte er mir auf die Schulter.
Mit vor Eifer hochrotem Kopf, der einen richtig komischen Kontrast zu den weißen Stoppelhaaren bildete, weihte mich der Arkonide in die neuesten Pläne der quarterialen Führung ein. Ich konnte es kaum fassen. Bei denen musste inzwischen eine Art kollektive Verblödung oder der Wahnsinn ausgebrochen sein, anders war das, was ich da zu hören bekam, nicht zu erklären. Und Village, dieser Kriecher, nickte bei jedem Satz seines Herrn wichtigtuerisch mit.
Oh, wie gerne hätte ich den beiden mal gezeigt, zu was eine richtige rudynische Faust gut ist, aber niemand gönnte mir hier das kleinste Vergnügen. Sobald ich wieder auf Beschryr war, musste ich meinen Frust mit einer guten Flasche ersäufen, sonst würde ich irgendwann durchdrehen.
Es war höchste Zeit zu verschwinden, sonst würde ich, und da war ich mir sicher, einer der Ersten sein, die für unseren glorreichen Emperador und seinen durchgedrehten Chef der privaten Schlächtertruppe ins Gras beißen musste. Niesewitz, du verblödeter Säufer, das bisschen Verstand, das du mal gehabt hast, scheint dir inzwischen komplett abhanden gekommen sein. Und ich hatte geglaubt, hier meine Schäfchen ins Trockene bringen zu können. Wie verblödet war ich eigentlich gewesen? Aber das war auch kein Wunder, wenn man den Alkoholkonsum dieses Liliputaners betrachtete.
Ihr meint nun bestimmt, dass das bei mir genauso wäre? – Ätsch, falsche Antwort! Ich hab euch doch schon gesagt, dass meine Vorfahren die Kalfaktoren der ZGU waren: Ich bin, und das glaubt mir jetzt bestimmt keiner, quasi ihr Erbe. Und zu diesem Erbe gehört auch jenes Geheimnis, das die gesamten Nebenwirkungen eines richtigen Rausches beseitigt, unter anderem. Dazu gehört au…, nein, das habt ihr euch so gedacht! Fast hätte ich mich verraten – ätsch, Staatsgeheimnis!
Zusammen gingen wir in die Zentrale, in der ich mich in den letzten Tagen verschanzt hatte. Über meine Befürchtungen verlor ich kein Wort, im Gegenteil. Ich lobte die eingeleitete Politik in den höchsten Tönen.
– Wer nicht das Rudel führt, muss mit dem Rudel heulen! –
Auch das schien den beiden Narren zu gefallen, denn als ich mich verabschieden wollte, wurde da Reych richtig zutraulich. Mit einer Miene, die wohl meinen Ritterschlag ausdrücken sollte, lud er mich ein, auf seine Kosten mal richtig zu feiern. Ich konnte es kaum fassen. Vor einigen Wochen hätte ich mich noch geehrt gefühlt, doch jetzt ging mir das lediglich auf den Geist. Ich wollte nur noch eines: Weg – und das so schnell wie möglich!
Einige Zeit später erschien ein schleimiger Typ, der mit viel Arschgekrieche dem Arkoniden ein ziemlich umfangreiches Paket überreichte. Mit einem glücklichen Grinsen prüfte der kurz den Inhalt und reichte dem Schleimer einen Beutel, in dem es verheißungsvoll klirrte. Das, so prahlte er, das sei unsere Fahrkarte ins Paradies. Endlich könne er uns einmal zeigen, wie richtige Arkoniden feierten. Mir war klar, dass das Rauschgiftkristalle waren: Unser übermütiger Generalkommandeur gedachte wohl heute Abend so richtig die Sau raus zulassen. Sollte er, aber nicht mit mir.
*
So, das hatte funktioniert. Es war mir gelungen, Kontakt mit meinem Stellvertreter auf Beschryr aufzunehmen und ihm eine Aufgabe zu übertragen, der dieser Blödmann niemals im Leben gewachsen war. Ich hatte seinem Dumpfschädel eingebläut, dass ich unbedingt informiert werden musste, sofern es irgendwelche Probleme geben würde.
Das würde mein Vorwand sein, diese arkonidische Horrorveranstaltung zu verlassen und endlich meinen Abgang vorzubereiten. Es wurde Zeit, das hatte ich im Urin, höchste Zeit. Doch zuvor musste ich mit dem ganzen Verein von Verrückten um halb sieben in das Bordell einfallen, na dann prost Mahlzeit!
»La Maison des Mille Joies«, 18:30 Uhr
So, da waren wir. So langsam wurde es Zeit, dass mein Anruf kam. Wenn der ganze Verein mitten in Aktion war, fiel mein ganzer Plan ins Wasser. Der »Gérant«, wie er sich hochtrabend nannte – Zuhälter wäre treffender gewesen –, hatte uns mit hündischer Freundlichkeit empfangen und ein opulentes Buffet vorbereiten lassen. Nun, das verschaffte mir auf jeden Fall einige Zeit: Bis die ganze Bande sich die Bäuche vollgeschlagen hatte, musste auch mein Anruf erfolgt sein. Hoffentlich!
Die Stimmung wurde immer ausgelassener, woran der reichlich genossene Alkohol nicht unbeteiligt war. Besonders da Reych schien so langsam auszuflippen, was mir diesen eingebildeten Arkoniden auch nicht sympathischer machte.
Mit Gönnermiene winkte er mich zu sich, um mir zu erklären, dass er beabsichtige, zusammen mit Village und einigen anderen Offizieren die Lokalität zu wechseln. Die anwesenden Nutten seien für seinen Geschmack zu primitiv. Solche Weiber zu vögeln sei unter seiner Würde.
Und jetzt, genau zum richtigen Zeitpunkt, meldete sich mein Kommunikator. Ich hatte das akustische Signal auf höchste Lautstärke gestellt, damit auch jeder den Anruf mitbekam. Der Rest klappte wie am Schnürchen. Da Reych fragte mich sofort nach dem Grund des Anrufes. So bekam er live mit, wie mein Stellvertreter von ernsten Schwierigkeiten berichtete, von einem Aufstand der Pterus. Das war mein Stichwort: Ich war der pflichtbewusste Kommandeur, der sofort nach Beschryr musste, um den Saustall dort aufzuräumen. Natürlich mit größtem Bedauern.
Da Reych klopfte mir anerkennend auf die Schulter und nannte mich ein einmaliges Beispiel an Pflichtbewusstsein, ein leuchtendes Vorbild für die gesamte CIP. Wenig später war ich weg, hoffentlich für immer. Da Reych, Village und noch zwei weitere Offiziere hatten sich gemeinsam mit mir erhoben und wollten anscheinend den angekündigten Ortswechsel vollziehen. Unter lautem Gegröle verabschiedeten sie sich vom »einfachen Volk«.
Noch während meines Abgangs registrierte ich aus den Augenwinkeln, dass an einem kleinen Tisch neben dem Tresen eine Kartanin saß. Komisch, irgendetwas stimmte mit ihrem Gesicht nicht. Aber da war ich schon draußen. Mein geheimnisvoller Pteru wartete …
Gedächtnisprotokoll Erich Village (Sicherheitscode A1 intern)
Am Abend des 30. Januar 1307 NGZ besuchte ich, zusammen mit Bezirkskommandeur Alunatuk und anderen Mitgliedern des Kommandos Siom Som, das einschlägig bekannte Bordell »La Maison des Mille Joies« auf Som. Generalkommandeur da Reych hatte uns eingeladen, mit ihm die bevorstehende Ausweitung seines Kommandos auf die unter unserer Herrschaft stehenden Gebiete in M 87 zu feiern. Der Generalkommandeur bestand, trotz meiner Einwände, dass dieses Etablissement wohl nicht dem Niveau der CIP entsprechen würde, auf dieser Örtlichkeit.
Im Laufe des Abends bekam Bezirkskommandeur Alunatuk eine dringende Nachricht seines Kommandos auf Beschryr, die seine sofortige Abreise notwendig machte. Generalkommandeur da Reych nutzte die Gelegenheit, um die Örtlichkeit zu wechseln, da ihm, und jetzt zitiere ich ihn wörtlich: »die Nutten hier zu primitiv wären«. Auf seine Veranlassung hin verließen wir gegen zehn Uhr das bisherige Etablissement.
Som, Hauptquartier der Föderation Estartische Separatisten
Sam Tyler verfolgte die Berichte seiner Agenten, die er über alle einschlägigen Lokalitäten der Hauptstadt verteilt hatte. Schwerpunkte waren natürlich »La Maison des Mille Joies« und das »Silverado«, aber er wollte keine Eventualitäten ausschließen. So war es nur zwangsläufig, dass er über die Feier der CIP in dem bei den Quarterialen äußerst beliebten Bordell informiert wurde. Mit einem Fluch hob er die Einsatzbereitschaft des Teams auf. Eine direkte Aktion gegen das Bordell verbot sich von selbst, das Risiko war einfach zu groß. So blieb nur noch eines: Warten und nochmals warten, ob sich im Laufe des Abends eine bessere Gelegenheit ergeben würde.
Im Laufe des Abends erreichte ihn die Nachricht, dass Florin Alunatuk das Bordell in Richtung Raumhafen verlassen hatte. Tyler war enttäuscht, denn Alunatuk wäre ein lohnendes Ziel gewesen. Doch wenig später kam die gute Nachricht, dass da Reych, Village und zwei weitere Offiziere ebenfalls das Bordell verlassen hatten. Nach Aussage der Informantin war ihr Ziel das »Silverado«.
Damit war alles klar, der geplante Einsatz konnte beginnen. Brad Callos brachte zuerst Tyler und Hank Lane in ein vorbereitetes Einsatzquartier und setzte danach Jeanne und Saraah im »Silverado« ab. Die Falle war scharf gemacht …
5. Paladin
Jan Scorbit blickte auf die große Panorama-Projektion des Holo-Feldes, das einen einsamen, atmosphärenlosen Planetoiden zeigte. Sein Blick wanderte über den kleinen Kreis von Gefährten, die sich um das große Terminal der Zentralpositronik gruppiert hatten. Der entscheidende Test stand bevor. Würde der neue Paladin ihre Erwartungen erfüllen?
In der Projektion wurde ein zweites Bild sichtbar und zeigte Domino Ross, den siganesischen Kommandanten. Er erklärte, dass alles bereit sei. Mit einem Kopfnicken bestätigte Scorbit die Meldung und gab den letzten Test frei.
Der Test
Ich blickte zu Domino hinüber und wartete auf sein Zeichen. Alle Mitglieder unseres kleinen Einsatzteams hatten sich auf ihre Posten begeben.
Die Zentrale war in eine siganesische Raumlinse integriert, die im Fall der Fälle abgetrennt werden konnte und über Überlichttriebwerke verfügte.
Für die Verbindung mit den Exekutivfunktionen des Paladins sorgten bio-positronische Schnittstellen, die eine Spezialentwicklung der Posbis waren. Die Raumlinse war in den Körper eingepasst und bildete quasi den Bauch der künstlichen Bestie. Es war sogar möglich, die Linse auszuschleusen und den Robotkörper über Fernsteuerung zu dirigieren. Darüber hinaus konnte im Notfall der gesamte Körper als Posbi eigenständig operieren. Dann bekam ich Dominos o.k. und aktivierte die SERT-Steuerung.
Um mich herum baute sich der imaginäre Raum auf, der dem natürlichen Umfeld des Paladins entsprach. Meine Sinne verschmolzen mit seinen Funktionen, die bio-positronischen Schnittstellen bildeten mein imaginäres Nervensystem. Ich steuerte nicht nur den Paladin, ich war der Paladin. Das Gefühl war unbeschreiblich: Ich, der nur einhundertneun Millimeter große Siganese David Golgar, verfügte über den Körper eines Giganten.
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und stieß ein markerschütterndes Brüllen aus, während ich mit den Handlungsarmen auf einen nahen Felsen schlug, der unter meinen Schlägen zersplitterte. Und dann lief ich los. Die Syntrons, wie ich die Schnittstellen nannte, funktionierten einwandfrei. Ich spürte unter meinen Füßen das Geröll des Asteroiden, während ich den Körper auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigte. Schließlich raste ich mit knapp zweihundert Stundenkilometern über den Planetoiden. Der Paladin hatte sich in ein metallenes Geschoss verwandelt, der alles beiseite fegte, was sich auf seinem Weg befand.
Und nun würde ich fliegen. Durch einen kurzen Gedankenimpuls aktivierte ich den Gravotronantrieb, der es dem Paladin erlaubte, sich im Unterlichtbereich zu bewegen. Unter mir wurde der Planetoid kleiner und kleiner und dann hatte ich den freien Weltraum erreicht. Wir hatten uns dafür entschieden, auf einen Überlichtantrieb zu verzichten, da sich Metagrav und Gravotron gegenseitig störten. Die überragende Manövrierfähigkeit des Gravotrons war ausschlaggebend gewesen. Sie ermöglichte Flugmanöver, die den physikalischen Gesetzen zu widersprechen schienen.
Mit einem weiteren Gedankenbefehl riss ich meinen Pseudokörper aus der Flugbahn und steuerte wieder den Planetoiden an. Der Waffensystemtest konnte beginnen. Mit einem kurzen Funkimpuls aktivierte ich die auf der Oberfläche verteilten Robotstationen, die sofort das Feuer eröffneten. Inzwischen hatte sich der Paratronschirm aufgebaut, der ohne Probleme mit der Waffenwirkung der Robotstationen fertig wurde.
Und dann griff ich an. Die im Kopf der künstlichen Bestie eingebaute Zwillings-Transform-Mikroeinheit schickte Doppelsalven ins Ziel und vernichtete die Stationen. Danach setzte ich noch die in den Handlungsarmen eingebauten, getarnten Impulsstrahler ein. Auch die funktionierten tadellos. Schließlich landeten wir wieder. Mit Bedauern deaktivierte ich die SERT-Steuerung. Mein Blick suchte Domino, der mir lächelnd zunickte. Wir hatten keinerlei Probleme gehabt.
*
Wir hatten den Test über die große Panorama-Holoprojektion verfolgt, auf der im virtuellen Raum die SERT-Steuerung des Paladins wiedergegeben wurde. Auch das war eine Neuheit gegenüber den ursprünglichen Modellen: Eine entsprechende Datenverbindung vorausgesetzt, konnte der Cyberspace der SERT-Steuerung über das bordeigene Holo-System wiedergegeben werden. Mit Spannung warteten wir auf die Auswertung der Messergebnisse, die nach wenigen Minuten abgeschlossen war. Das Ergebnis war überragend. Der Paladin hatte alle Tests bestanden, die Analyse hatte keine Schwachstellen ergeben. Unser »Trojanisches Pferd« war einsatzbereit.
Jetzt fehlte nur noch Jonathan Andrews, der mit einem PIRANHA den Paladin ins Einsatzgebiet in M 87 bringen sollte. Doch der war im Moment nicht zu erreichen.
6. Rudeljagd
Der einsame Mann stieg dem Gipfel des Berges entgegen. Im tiefschwarzen Firmament brannten die Sonnen des Zentrums von Siom Som wie Feuerfälle. Bei jedem Schritt durch die schroffe Landschaft stäubte der Schnee aus Stickstoff und Methan auf. Am Horizont war der Ausbruch eines Eisvulkans zu beobachten, die Gravitationsfelder bewirkten eine vulkanische Tätigkeit des ansonsten leblosen Irrläufers, der in einer unregelmäßigen Bahn versuchte, dem Hunger der nahen Sonnen zu entkommen.
Diese lebensfeindliche Welt war die ideale Basis für ihr geplantes Unternehmen. Der Mann erreichte den Gipfel, der sich mehrere hundert Meter über die zerklüftete Oberfläche erhob. Ihn umgab das Nichts und gleichzeitig ein einmaliges Schauspiel. Langsam ließ er sich auf einen Felsbrocken sinken, der entfernt an einen Kontursessel erinnerte. Der Serun umgab ihn mit einer lebenserhaltenden Hülle, schützte vor der Kälte des Raumes. Die Technik des 14. Jahrhunderts der Neuen Galaktischen Zeitrechnung schützte ihn perfekt.
Der Mensch hatte den Raum erobert, die Schönheiten, die Geheimnisse des Universums standen ihm offen. Er war dabei das All zu beherrschen, aber beherrschte er auch sich selbst?
Der einsame Mann seufzte. Tief in seinem Inneren spürte er die Sehnsucht aufsteigen, die Sehnsucht nach menschlicher Wärme in der Kälte des Alls – die Sehnsucht nach Nataly, nach ihrer Spontanität, ihrem Witz, ihren Küssen, ihrer Umarmung …
Doch Nataly war weit, unendlich weit entfernt, unerreichbar für sein Sehnen. Es war fast zwei Jahre her, dass er sie zuletzt gestreichelt, in den Armen gehalten hatte. Er war allein, so verdammt allein. Und er wusste nicht einmal, ob sie am Leben, in Freiheit war. Genauso gut konnte es sein, dass sie sich, genau in diesem Augenblick, in irgendeinem Folterkeller dieser gnadenlosen Henker des verfluchten Spaniers vor Qualen krümmte, ihre Not hinausschrie … während diese Drecksäue ihre …
Nein, er musste seine Gedanken unter Kontrolle bringen, seine Phantasie in andere Bahnen lenken, sonst würde er verrückt. Leise begann er das Mantra zu murmeln, das ihm sein Meister gelehrt hatte. Im Gedanken sah er Gal’Arn noch immer als seinen Lehrer, obwohl ihr Verhältnis längst zur Freundschaft geworden war. Und langsam klärte sich sein Geist. Die Sorgen, die Qual um das Schicksal seiner Liebe wurden zurückgedrängt, eingekapselt und verschlossen. Sein Geist war frei, frei für seine Aufgabe. Und je erfolgreicher er sein würde, umso größer waren die Chancen, Nataly bald und vor allem unversehrt in seine Arme schließen zu können. Und er begann den Abstieg, jetzt hatte er keinen Blick mehr für die Schönheit des Alls, sein Blick saugte sich an den kleinen Kugeln fest, die über den gewaltigen Meteoritenkrater verteilt standen: Die PIRANHAs würden jagen, der Raubfischschwarm war bereit …
Das Netz wird ausgelegt
Jonathan Andrews blickte über die Versammlung seiner Kommandeure. Drei zusammengeschaltete Überlebensiglus für Extremwelten boten gerade so viel Platz, dass vierhundertachtundzwanzig Männer und Frauen dicht an dicht stehen konnten. Er hatte sich gegen eine Interkomkonferenzschaltung entschieden, um auch die Gefahr eines zufälligen Abhörens durch Leticrons Patrouillen auszuschließen. Nichts durfte jetzt noch schiefgehen, sie hatten die einmalige Chance, Leticron ins Mark zu treffen. Auf der anderen Seite, auch darüber war er sich klar, würde ein Misserfolg das Ende seines Kommandos bedeuten. Er riskierte, gegen jede Anweisung der Führung im Dunklen Himmel, fast die Hälfte der ihnen verbliebenen PIRANHAs. Doch wenn sie Erfolg haben würden, wären sie zum ersten Mal in ESTARTU in der Offensive. Sie mussten zuschlagen, jetzt! Der unerwartete Rückzug von Versus Flotte eröffnete ihnen eine einmalige Chance und die würde nicht wiederkommen. Wenn es Leticron gelänge, seine prekäre Nachschublage zu stabilisieren und Verstärkungen heranzuführen, dann war diese Chance für immer vertan.
Seine Kommunikations- und Wissenschaftsoffizierin hatte inzwischen die überdimensionale Projektionswand aufgebaut, die die Karte zwischen den Galaxien Siom Som und Trovenoor zeigte: 800.000 Lichtjahre, eine gewaltige Entfernung, auch im Zeitalter der Metagrav-Antriebe. Und das war ihre Chance. Die Schwachstelle war das Sternentor, auch Leticron musste da durch, er musste durch die dicht stehenden Sonnen des Zentrums von Siom Som.
Leticron hatte seit ihren letzten Erfolgen die Taktik geändert: Er bildete keine kleinen Geleitzüge mehr mit wenigen Schiffen, sondern große Konvois. Er hoffte auf diese Weise, durch die geballte Macht seiner Begleitschiffe, die PIRANHAs abzuschrecken und hatte mit dieser Taktik das letzte Mal Erfolg gehabt. Ein Angriff wäre Selbstmord gewesen, kleine Rudel waren chancenlos. Doch sie hatten die Taktik erkannt und den Kurs analysiert. Die Syntroniken von drei Schiffen, die einen Rechnerverbund bildeten, hatten zwei Austrittspunkte aus dem Hyperraum errechnet und eine Wahrscheinlichkeit von fünfundneunzig Prozent angegeben. Und diese Punkte waren nur knapp achthundert Lichtjahre voneinander entfernt, ein Katzensprung für einen PIRANHA.
Am Sternenportal waren bereits vier Einheiten im Schutz ihrer ST-Felder in Stellung gegangen, um aus dem Kursvektor des Konvois das Austrittsziel zu ermitteln. Am liebsten hätte er direkt am Sternenportal angegriffen, aber das wäre Selbstmord gewesen, die dort stationierte Flotte mit drei SUPREMO-A-Schiffen war einfach zu stark. So sammelten sich im Schutz der am Sternentor stationierten Flotte die Versorgungsschiffe, um gemeinsam den tödlichen Raubfischen zu entgehen. Doch die PIRANHAs würden, genau zwischen den beiden errechneten Punkten, auf die Nachricht der Kundschafter warten und dann, am entsprechenden Austrittspunkt, in das Semi-Transit-Feld gehen. Unsichtbar und tödlich.
Und dann erläuterte er seinen Kommandeuren den Plan …
Epilog
Der gewaltige Stern, mit mehr als der sechzigfachen Masse Sols, stand kurz vor der Explosion und schickte gewaltige Energiemengen ins All. Es war nur eine Frage der Zeit, in kosmischen Maßstäben gemessen ein Wimpernschlag, bis er zur Supernova werden würde. Die unersättliche Mutter hatte ihre Kinder längst gefressen oder zu Schlacke verbrannt.
Das Ende dieses Sterns war für das Universum bedeutungslos, doch zuvor sollte hier, unter den sengenden Strahlen der dem Tod geweihten Sonne, der Tod reiche Ernte unter den Kindern der Sterne halten. Es war der uralte Kampf der Finsternis gegen das Licht! Auch dieser Kampf war, in kosmischen Maßstäben gemessen, bedeutungslos, doch für Milliarden geschundener, unterdrückter und versklavter Wesen sollte er entscheidend sein. Finsternis oder Licht: Die Würfel würden fallen!
ENDE
Die Lage in den estartischen Galaxien hat sich grundsätzlich geändert. Durch den Rückzug der dorgonischen Flotte unter Vesus, den die dorgonische Kaiserin Arimad veranlasst hat, ist die Situation Leticrons plötzlich unsicher geworden. Man kann von einem Stellungskrieg sprechen. In dieser Situation ist der Corun auf ausreichenden Nachschub aus Cartwheel angewiesen, um die eroberten Gebiete zu stabilisieren.
Gleichzeitig erwachen die estartischen Völker aus ihrer Starre. Die Freien Estartischen Separatisten werden aktiv und binden immer mehr Kräfte. Aus den Lehren des Upanishad scheint eine neue Generation von Kriegern zu entstehen. Auch in M 87 war der Sieg nicht vollständig, in einem geheimen Stützpunkt entsteht ein neuer Machtfaktor. Jürgen Freier schildert in Band 95 die weitere Entwicklung in Siom Som und M 87. Die Alliierten werden an mehreren Fronten aktiv und es erfolgt
DER GEGENSCHLAG
DORGON-Kommentar
Der vorliegende Roman stammt wieder von mir, so dass ich mir einen Kommentar verkneife. Wie gewohnt jedoch einige Überlegungen zur Konzeption meines »Machwerkes«, das mit dem nächsten Band eine Einheit bildet.
Im Mittelpunkt stehen diesmal altbekannte und liebgewordene oder auch verhasste Charaktere, die einerseits vor dem Ende aller Hoffnung und andererseits vor ihrem größten Triumph stehen. Die zentrale Frage, die mich dabei beschäftigte, war: Wie werden sie mit dieser Situation umgehen? Resignieren sie oder gilt der Grundsatz Jetzt erst recht? Verlieren sie jede Hemmung, jeden moralischen Skrupel?
Der Roman (und der Folgeband) wird die Antwort geben …
Jürgen Freier
GLOSSAR
Floryn Alunatuk
Geboren: unbekannt
Geburtsort: Rudyn, Ephelegon-System Opral-Union, ehemalige Zentralgalaktische Union (ZGU)
Größe: 1,79 Meter
Gewicht: 86 Kilogramm
Augenfarbe: blaugrün
Haarfarbe: violett gefärbt, zu einem Mittelstreifen ausrasiert
Bemerkungen: sehr muskulös, brutal und jähzornig, gefürchtet wegen seiner unberechenbaren Wutanfälle.
Floryn Alunatuk hat innerhalb der CIP den Rang eines Bezirkskommandeurs und ist zur aktuellen Handlungszeit Kommandant des Entsorgungslagers Beschryr.
Über die Vergangenheit des ehemaligen Bürgers der Opral-Union ist nichts bekannt, innerhalb der CIP gehört er zu den Vertrauten von Werner Niesewitz und wird von diesem protegiert.
Raumjäger SAPHYR II-Klasse
Länge: 50 Meter
Breite: 40 Meter in Rochenform
Besatzung: Stamm 3 Personen, maximal 8 Personen, kann auch ohne menschliche Besatzung als Posbi-Einheit operieren
Bewaffnung: 1 Transformkanone mit 3000 Gt Abstrahlleistung, 2 Schnellfeuer-Transformkanonen mit 10 Gt Abstrahlleistung (jeweils 100 Schuss/Min.), zwei schwere MVH-Geschütze, 16 überlichtschnelle Raumtorpedos in 8er-Gruppen unter den Tragflächen
Defensive: 4-fach gestaffelte HÜ/Paratron-Schirme mit Paratron-Schüssel-Fangfeld
Antrieb: Metagravantrieb (erreichbarer ÜL-Faktor: 195 Mio, Lebensdauer der Triebwerke: 400 Mio Lichtjahre) in siganesischer/swoonscher Microbauweise, Gravopuls-Antrieb, Manöver-Impulsantrieb, Antigrav
Beschleunigung: 2000 Kilometer pro Sekunde
Reichweite: 50 Millionen Lichtjahre
Besonderheiten: Schnellfeuer-Transformkanone, Paratron-Schüssel-Fangfeld, Tiefschlafeinrichtung, Ortungsschutz, sehr große Reichweite, biologisch-positronischer Verbund mit eigener Intelligenz und Bewusstsein, Bordsyntronik
Bemerkungen: Bei der SAPHYR II-Klasse handelt es sich um einen Langstreckenjäger mit einer Reichweite von 50 Millionen Lichtjahren. Die Besatzung kann für solche Transitphasen in Tiefschlaf versetzt werden, um Energie und Lebensmittel zu sparen. Für die Wachphasen ist eine kleine Kabine vorhanden. Die vordere Kabinensektion ist darüber hinaus abtrennbar und als unterlichtschnelles Beiboot und Rettungseinheit konzipiert.
Die Bewaffnung folgt einem neuen Konzept. Die beiden 10 Gt Transformkanonen haben eine sehr hohe Schussfolge, durch die ein Schutzschirm destabilisiert werden soll, so dass die 3000 Gt Transformkanone dann den Schild durchschlagen kann. Auch im defensiven Bereich stellt das verwendete Schüssel-Fangfeld (konkav gewölbtes Paratronfeld, das an die syntronisch vorausberechnete Einschlagstelle eines gegnerischen Waffenstrahls projiziert wird), eine Innovation der bisherigen Schutzschild-Technologien dar. Schüssel-Fangfelder wurden versuchsweise in der LFT auf Schiffen der CORDOBA-Klasse eingeführt, konnten sich jedoch in der LFT nicht durchsetzen.
Die SAPHYR-Klasse wurde ursprünglich im 12. Jahrhundert NGZ innerhalb der LFT entwickelt, kam jedoch über eine Null-Serie nicht hinaus, da die LFT-Führung das Konzept als »untauglich« für die taktische Konzeption der Flotte einstufte. Nach der Gründung der Neuen USO stießen die Quintechs im Erbe Camelots auf die Pläne, die sie in Zusammenarbeit mit den Posbis modernisierten und daraus die SAPHYR II-Klasse entwickelten.
PIRANHA-Schnellraumschiffe
Besatzung: 19
Beschleunigung: 1230 Kilometer pro Sekunde
ÜL-Faktor: 100 Mio.
Triebwerke: zwei Haupt-Metagravtriebwerke, zwei Neben-Metagravtriebwerke, vier Gravojettriebwerke, Impuls- und Antigravtriebwerke
Schutzschirme: fünffach gestaffelter HÜ/Paratronschirm, Prallschirme; Virtuellbildner
Bewaffnung: 10 Transformkanonen (je bis zu 3000 Gt), 10 Impulsgeschütze, 2 MVH-Kombinationsgeschütze (wahlweise mit Thermo-, Desintegrator-, Paralysatorwirkung); 4 Raumtorpedowerfer (Kapazität 20 Raumtorpedos)
Sonstiges: extra Solarenergiespeicher, Semi-Transit-Feld
Bemerkungen: Die PIRANHA-Schnellraumschiffe sind modulierte Raumer vom Typ CERES. Die PIRANHA-Klasse wurde jedoch mit einem mobilen Semi-Transit-Feld ausgerüstet. Das bedeutet, dass ein PIRANHA-Schiff trotz aktiviertem Semi-Transit-Feld feuerfähig ist. Der Vorteil eines PIRANHA ist also, dass er ein Ziel verfolgen, sich tarnen und feuern kann. PIRANHAs sind deshalb besonders gut geeignet, um bekannte Nachschubrouten zu attackieren.
Allerdings können aus dem STF nur modifizierte Raumtorpedos eingesetzt werden, welche über einen eingebauten Feldmodulator den eigenständigen Austritt aus dem STF ermöglichen.
Befindet sich ein Schiff innerhalb des Semi-Transit-Feldes, so ist es für alle bekannten Waffensysteme unangreifbar, da das Feld, ähnlich wie ein Hypertakt-Triebwerk, eine Grigoroff-Blase erzeugt. Dabei wird es nicht entmaterialisiert, ist aber in diesem Zustand mit keiner bekannten Waffentechnologie erreichbar, da seine Koordinaten von keinem Bezugssystem abhängig sind. Man könnte diese Technik mit den Paratronblasen der Zweitkonditionierten oder den Hyperraumsenken von Vincent Garron vergleichen.
Für den Aufbau des Semi-Transit-Feldes ist keine Mindestgeschwindigkeit wie bei einem Ü-Licht-Antrieb notwendig, jedoch ist der extreme Energiebedarf nur über Sonnenzapfung zu decken. Den größten Teil des Schiffes nehmen deshalb für die CERES-Klasse überdimensionierte NUGAS-Reaktoren und ein interner Sonnenzapfer ein. Darüber hinaus stehen Speicherbänke für die durch Sonnenzapfung gewonnene Energie zur Verfügung. Die Kapazität dieser Speicher reicht jedoch nur für einen einmaligen Aufbau des STF, danach müssen sie erneut aufgeladen werden. Während des Aufenthaltes im STF erfolgt die Energieversorgung über konventionelle Fusionsreaktoren, da sämtliche auf Hyperraumtechnik basierenden Energiesysteme nicht eingesetzt werden können, weil durch das STF unbekannte Störfelder entstehen, die zur Selbstvernichtung des Schiffes führen würden.
Bei aktiviertem Semi-Transit-Feld ist das Schiff nicht manövrierfähig, es muss also erst wieder in den Normalraum eintauchen, um beschleunigen zu können, da keine Antriebstechnik bekannt ist, die das Feld räumlich bewegen könnte. Die Raumtorpedos werden durch kinetische Energie beschleunigt und verlassen das STF. Erst im Normalraum zünden dann die normalen Antriebssysteme. Der Einsatz anderer Waffensysteme ist nicht möglich, da die Energie innerhalb des Feldes freigesetzt würde. Eine aktive Ortung im Überlichtbereich ist nur über spezielle Sonden möglich, bei denen eine ähnliche Technik wie bei den Raumtorpedos eingesetzt wird. Die Sonden bleiben dabei innerhalb des STF.
Einzige Schwachstelle des Systems ist, dass durch das STF eine Anomalie innerhalb der vierdimensionalen Raumzeit entsteht, die angemessen werden kann. Jedoch müssen Erfahrungswerte vorliegen, um diese Anomalie mit einem durch ein Semi-Transit-Feld getarnten Schiff in Verbindung zu bringen, d. h. der Ein- bzw. Austritt eines PIRANHAs in/aus dem STF muss messtechnisch erfasst werden.
PARICZA
Das Flaggschiff des Coruns von Paricza, Leticron, ist ein SUPREMO-Raumer Typ A, die Kugel hat also einen Durchmesser von 2500 Metern. Die PARICZA steht unter dem Kommando des Überschweren Admiral Poleycra. Sie ist gleichzeitig das Flaggschiff der I. Pariczanischen Flotte unter quarterialem Banner.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2017
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 94, veröffentlicht am 13.02.2017 —
Titelillustration: Heiko Popp • Innenillustrationen: –
Lektorat: Alexandra Trinley • Digitale Formate: René Spreer