Was bisher geschah | Hauptpersonen des Romans |
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Nach der Gründung des Quarteriums im Jahre 1302 NGZ war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem intergalaktischen Eklat kam. Dieser ist Anfang 1305 NGZ eingetreten, als Truppen der dorgonisch kaiserlichen Flotte die estartischen Galaxien angriffen. Innerhalb weniger Monate sind Siom Som und Trovenoor in die Hände Dorgons gefallen. In Cartwheel selbst löst das Militärregime mehr und mehr Proteste aus. So schließen sich linguidische Friedensstifter zusammen und fordern den Frieden für Cartwheel. Doch das Quarterium stellt die Linguiden gezielt als Verbrecher hin und nimmt das als Grund, um mit den Reichsgegnern aufzuräumen. Ein weiterer Gegner ist die USO, die von der CIP aufgerieben wird. Doch die meisten Verbände können dank einer Warnung von Osiris entkommen. Das Quarterium gibt sich mit diesem Sieg nicht zufrieden und versucht, Saggittor und Akon auszuschalten. Die dabei von den Arkoniden unter Jenmuhs verübten Gräuel rufen die Galornen auf den Plan, die ihre Isolationspolitik aufgeben und das Quarterium befrieden wollen. Die Galornen greifen zu ihrer gefährlichsten Waffe, dem SHIFTING … |
Arif Chul – Der Galorne sieht im Shifting die Rettung. Werner Niesewitz – Der Chef der CIP wird über eine große Bedrohung für das Quarterium informiert. Torsor – Die Bestie kennt kein Erbarmen. Emperador de la Siniestro – Der Spanier bekommt es mit der Angst zu tun. Roland Meyers, Maya ki Toushi, Corph de Trajn, Traban Saranos, Sirani Persul – Die Crew der VIPER II wird Zeuge eines Völkermordes und erhält einen mysteriösen Auftrag. »Mutter« – Eine geheimnisvolle Entität greift ein und spricht in Rätseln. Jaaron Jargon, Nataly Andrews, Kathy Scolar – Die Schlinge um ihren Hals zieht sich mehr und mehr zusammen. Merdaun, Daroi, Seaum, Nauri – Eine saggittonische Familie erlebt das Grauen. |
Prolog
Dogs Of War
Dogs of war and men of hate
With no cause, we don’t discriminate
Discovery is to be disowned
Our currency is flesh and bone
Hell opened up and put on sale
Gather ’round and haggle
For hard cash, we will lie and deceive
Even our masters don’t know the web we weave
…
The dogs of war don’t negotiate
The dogs of war won’t capitulate
They will take and you will give
And you must die so that they may live
You can knock at any door
But wherever you go, you know they’ve been there before
Well winners can lose and things can get strained
But whatever you change, you know the dogs remain.
…
One world, it’s a battleground
One world, and we will smash it down
One world … One worldPink Floyd
*
In der vollen Pracht ihrer einhundertvierzig Kilogramm thronte Miranda Intyre hinter dem Kommunikationsterminal, das sie mit den offiziellen Nachrichtenkanälen Galornias verband. Ungeduldig trommelte sie mit ihren fleischigen Fingern auf die Schreibtischplatte. Warten, immer nur warten, das war ihr Schicksal, seit sie ihre Position als Botschaftslegatin der LFT bei der Thoregon-Koalition angetreten hatte. Die Galornen ignorierten sie weitgehend und ihre Vorgesetzten bei der LFT hatten sie scheinbar vergessen.
Fluchend stellte Miranda die Klimaanlage höher und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß ab, der von ihrem Doppelkinn in den Ausschnitt zwischen den gewaltigen Brüsten tropfte. Sie trug die Mode der galornischen Frauen, deren ausladende Brüste trotz der enormen Größe der Schwerkraft zu trotzen schienen. Bei den Galornen galten nur dicke Frauen und Männer als schön.
Doch um einen vergleichbaren Effekt wie die Galorninnen zu erzielen, musste Miranda ihre üppige Oberweite mit einem mörderisch unbequemen Korsett in die gewünschte Form zwängen, was ihr in der sengenden Hitze des galornischen Sommers besonders viel Pein bereitete. Ihre Hand griff mechanisch zu dem vor ihr stehenden Deodorant, um den stechenden Schweißgeruch zu überdecken.
Und wieder verwünschte sie sich, die LFT und diese Gluthölle von Planeten samt seinen hinterwäldlerischen Bewohnern. All die Mühe mit ihrem Outfit nutzte nichts, absolut nichts! Kein männliches galornisches Wesen interessierte sich für sie. Es war, als ob sie überhaupt nicht vorhanden wäre.
Doch dann riss sie ein kurzes Signal der Kommunikationskonsole aus ihrem Selbstmitleid. Mit raschem Blick überprüfte sie die Kennung der Nachricht. Endlich, ihre finanziellen Investitionen schienen sich gelohnt zu haben. Die synthetische Droge, mit der sie den Tasch-Ter-Man abhängig gemacht hatte, kostete ein Vermögen. Nun schien er endlich einen entsprechenden Gegenwert zu liefern.
Mirandas Finger vollführten einige rasche Tastenkombinationen, mit denen sie ihr kleines Büro hermetisch von der Umwelt isolierte. Eigentlich war diese Vorsichtsmaßnahme überflüssig, aber man konnte nie wissen. Zufrieden lehnte sie sich zurück. Mit einem wollüstigen Stöhnen öffnete sie das Korsett. Endlich konnte sie frei atmen. Dann rief sie die Information ab. Mit zunehmender Anspannung verfolgte sie die Informationen. Langsam stieg in ihr das Prickeln auf, das sie so lange vermisst hatte. Es war soweit! Endlich würde sie aus der Bedeutungslosigkeit ins kosmische Rampenlicht treten.
Ächzend stand sie auf und machte keuchend einige Schritte zu dem in der Wand eingelassenen Fach. Mit einem triumphierenden Lachen entnahm sie der Kühlbox eine Flasche echten Champagner. Den hatte sie schon vor Jahren genau für einen Anlass wie diesen gekauft.
Miranda öffnete die Flasche und ließ die kühle, perlende Flüssigkeit in ein Glas rinnen. Danach setzte sie sich wieder. Gedankenverloren drehte sie das Glas in ihren Fingern. Was sollte sie tun? Sie wusste, dass sie das Schicksal Cartwheels, vielleicht sogar das Schicksal der gesamten Menschheit in ihren Händen hielt. Von ihrer Entscheidung hing nun alles ab.
Sie nahm einen tiefen Schluck. Der kalte Champagner rann ihr durch die Kehle und verursachte ein wohliges Kribbeln. Genau das war es! Genau dieses Kribbeln, das Gefühl kosmischer Bedeutung wollte sie in Zukunft nicht mehr missen. Es kam ihr vor, als ob sie sich in einer antiken Arena befände. Sie entschied über Leben oder Tod: Daumen nach oben oder Daumen nach unten. Und mit einem diabolischen Grinsen senkte sie ihren imaginären Daumen. Tod für die Sklaven und ein Leben in Macht und Luxus für sie. Dann aktivierte sie die geheime Verbindung nach Mankind …
1. Die Panik des Despoten
Tombstone, 10. Mai 1306 NGZ, am frühen Abend
Wie eine Spinne hockte Werner Niesewitz im Zentrum des Informationsnetzes, das ganz Cartwheel mit Tombstone verknüpfte. Alle Fäden liefen in seinem geheimen Lagezentrum zusammen. Der Aufstand der Linguiden hatte dem CIP-Chef gezeigt, wie wichtig rechtzeitige und umfassende Informationen für den Machterhalt waren – jede Art von Informationen. Unwichtige Welten gab es in Cartwheel nicht. Das war die Lehre, die der 1921 geborene Deutsche, der 3000 Jahre im Stasisfeld überdauert hatte, aus der Lingus-Krise gezogen hatte. Er war zur grauen Eminenz des Quarteriums geworden. Die CIP hatte in den letzten Monaten nochmals Millionen in die Kommunikations-Infrastruktur der Zentrale investiert und unzählige neue Agenten angeworben, um das Spinnennetz auszudehnen.
Niesewitz aktivierte die Interkomverbindung, die ihn mit seinem persönlichen Sekretariat verband. Er brauchte Informationen, um die Tragweite der Nachricht einzuschätzen, die ihn am frühen Abend von Paxus nach Tombstone geführt hatte. Das neu installierte Analysesystem hatte angesprochen und die Meldung als »Rot« klassifiziert. Diese Klassifizierung bedeutete, dass er persönlich informiert werden musste. Anders ausgedrückt: Die Kacke war mal wieder am Dampfen.
Auf dem Bildschirm des Terminals wurde das Gesicht von Helga, seiner persönlichen Sekretärin, sichtbar. Genau die brauchte er jetzt. Wieder beglückwünschte er sich, vor wenigen Wochen ihre Versetzung von Paxus nach Tombstone veranlasst zu haben.
Zuvor hatte er noch ein umfassendes Psychogramm erstellen lassen. Das Ergebnis war eindeutig: Helga war ihm gegenüber absolut loyal, ja geradezu hörig. Er war für sie der Chef, die uneingeschränkte Respektsperson. Sie war mit Freuden bereit gewesen, ihre Wohnung auf Paxus aufzugeben, um ihm rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Er hatte ihr auf Tombstone eine kleine, luxuriöse Wohnung einrichten lassen. Es war eine Ironie ohnegleichen, dass damit sie, die unscheinbare, biedere Sekretärin, die nicht einmal einen Rang innerhalb der CIP besaß, zu seiner wichtigsten Mitarbeiterin, quasi zu seiner Stellvertreterin, geworden war.
»Herr Niesewitz, was kann ich für Sie tun?«
»Helgalein, ich brauche dringend alle Informationen über die Thoregon-Koalition und insbesondere Informationen über die Kampfkraft ihrer Raumflotte. Und verhängen Sie eine Ausgangssperre für den Planungsstab!«
»Ich glaube, das wird nicht nötig sein, Herr Niesewitz. Ich habe mir bereits erlaubt, alle benötigten Unterlagen zusammenzustellen. Gleichzeitig habe ich die bekannten Informationen durch das Simulationsprogramm auswerten lassen, das Ergebnis müsste demnächst vorliegen.«
»Helgalein, woher wussten …«
»Aber Herr Niesewitz«, wurde er unterbrochen, »wenn ein Fall ›Rot‹ eintritt, ist es doch meine Pflicht, Ihnen alle Informationen bereitzustellen, die Sie für Ihre schwere, verantwortungsvolle Arbeit brauchen.«
»Wenn die Auswertung abgeschlossen ist, kommen Sie bitte zu mir. Und bringen Sie die Unterlagen mit.«
Damit trennte er die Verbindung. Innerlich war er total verunsichert. Konnte seine Sekretärin etwa Gedanken lesen? Ärgerlich schüttelte er diesen Gedanken ab. Das war es bestimmt nicht. Nein, Helga war nur einfach als Sekretärin genial.
Wenig später öffnete sich das Türschott.
»Darf ich hereinkommen, Herr Niesewitz?«
»Aber natürlich, Helga. Bitte nehmen Sie Platz.«
Er übersah dabei geflissentlich, dass sie seine Erlaubnis schon vorweggenommen hatte. Umständlich nahm sie ihm gegenüber Platz und reichte ihm einige Seiten dicht bedrucktes Papier. Natürlich hatte sie an seine Abneigung gegenüber elektronischen Medien gedacht. Er dankte ihr kurz und vertiefte sich in die Unterlagen. Dabei wurde sein Gesicht immer sorgenvoller. Schließlich warf er die Unterlagen auf den Tisch.
»Scheiße, so eine gottverdammte Scheiße!«, fluchte er.
»Aber Herr Niesewitz! Sie dürfen doch solche Ausdrücke nicht benutzen.«
»Ach Helga, das verstehen Sie nicht. Wir sind am Ende. Diese genialen Strategen auf Paxus haben …«
Sie unterbrach ihn.
»Herr Niesewitz, bitte beruhigen Sie sich. Ich habe noch ein Alternativ-Szenario auswerten lassen. Diese undankbaren Aliens werden ihr blaues Wunder erleben. Ich verstehe sowieso nicht, warum die hier sind. Die gehören alle weg. Cartwheel wäre so schön und friedlich, wenn es nur uns Menschen gäbe.«
Mit diesen Worten überreichte sie Niesewitz nochmals einige Seiten Papier. Etwas unwillig nahm er die Blätter entgegen und vertiefte sich in sie. Dabei hellte sich sein Gesicht immer mehr auf.
»Helgalein, Helgalein! Wenn ich Sie nicht hätte. Das ist genial, einfach genial. Dass ich daran nicht gedacht habe!«
Die Angesprochene errötete tatsächlich.
»Aber Herr Niesewitz, dafür bin ich doch da. Sie müssen an so viel denken, Sie tragen so viel Verantwortung und finden noch nicht einmal die Ihnen gebührende Anerkennung dafür. Wenn ich nur an diesen Spanier auf dem Thron denke, der die Steuergelder für unnötigen Luxus verschleudert, Sie müssten auf seinem Platz sitzen, Herr Niesewitz! Sie arbeiten Tag und Nacht für das Wohl der Menschen, während er nur Feste feiert. Und erst seine verkommene Tochter, früher hätte man so eine als …«
»Halt! Halt, Helga!«, unterbrach er sie, »Sie dürfen das noch nicht einmal denken. Der Emperador ist unser aller Vater, er trägt schwer an der Bürde, für uns alle verantwortlich zu sein. Helga, ich verbiete Ihnen, darüber nochmals zu sprechen.«
Doch die Angesprochene schüttelte trotzig den Kopf.
»Nein, Herr Niesewitz. Ich lasse mir den Mund nicht verbieten. Was Recht ist, muss Recht bleiben. Es ist einfach ungerecht, dass diese Parasiten, die nur auf Kosten des Volkes leben, das Sagen haben. Auch Sie werden das noch einsehen und mir dann Recht geben.«
Niesewitz musste diese Ansicht unbedingt unterbinden. Nicht, dass Helga unrecht hatte. Nein, das war genau auch seine Ansicht. Aber er musste vorsichtig sein. Nichts durfte von seinen Plänen bekannt werden. Er setzte seinen strengsten Gesichtsausdruck auf.
»Helga, bitte hören Sie mir zu. Sie dürfen über so etwas mit niemandem sprechen. Das ist Hochverrat! Bitte verspreche Sie mir, dass Sie nie wieder darüber reden.«
»Wenn Sie es wünschen, Herr Niesewitz. Aber …«
»Kein aber«, unterbrach er sie. »Versprechen Sie mir, dass Sie mit niemandem darüber reden.«
»Ist schon gut, Herr Niesewitz. Ich verspreche es Ihnen.«
»Dann ist es gut, Helga. Und nun stellen Sie mir bitte eine Verbindung mit dem Emperador her, ich muss ihn über die aktuelle Situation informieren.«
Paxus, eine Stunde später
Der Emperador hatte den Moncloa-Saal des Paxus-Towers betreten. Wie immer hatte er seinen Diener Diabolo an der Seite. Umständlich nahm er in seinem Thronsessel Platz, der an der Stirn des großen speekhölzernen Konferenztisches stand. Er war noch allein. Nicht dass er noch viele Teilnehmer an der auf Drängen von Niesewitz einberufenen Konferenz erwartete.
Die Führung des Quarteriums war quer über den Kosmos verteilt. Leticron befand sich immer noch in den estartischen Galaxien, Despair und Orlando waren bei der Flotte und Jenmuhs, der völlig desinteressiert auf seine Nachricht reagiert hatte, war nach Bostich zurückgekehrt. So erwartete er, neben Niesewitz, eigentlich nur seine Tochter Stephanie und, auf besonderen Wunsch des CIP-Chefs, Torsor. Zwar war ihm nicht klar, warum Niesewitz darauf bestanden hatte, dass ausgerechnet der Anführer der Bestien anwesend sein sollte, aber er hatte der Bitte entsprochen und ihn eingeladen.
Wenig später betrat seine Tochter den Saal. Herzlich umarmten sie sich.
»Was gibt es, Väterchen? Was ist so wichtig, dass wir noch zu so später Stunde eine Sitzung abhalten müssen?«
»Ich weiß es auch nicht genau. Niesewitz hat mir lediglich mitgeteilt, dass wir vor einer großen Gefahr stehen, die unter Umständen zu unserem Untergang führen könnte.«
Stephanie schüttelte ihre braunen Locken.
»Ich glaube, der spinnt so langsam. Irgendwie scheint er sich für unentbehrlich zu halten und spielt sich als der große Retter auf.«
»Nein, Tochter. Ich kann ihn sehr gut beurteilen. Er war ehrlich besorgt. Ich glaube nicht, dass er sich nur wichtig machen will. Komm setz dich neben mich, es ist einfach schön, dich hier zu haben.«
Der Emperador fühlte sich in der Gegenwart seiner Kinder wohl. Mit ihnen war er ein Mensch, ein Mann, der ohne Vorbehalte geliebt wurde. Diese familiäre Geborgenheit erfüllte sein Herz mit Freude in dieser sonst so brutalen und unmenschlichen Zeit.
Bald trafen die anderen Quarteriumsführer ein. Zuerst Torsor, der mit einem Supremoraumer Typ Dolan, der nur den Mitgliedern der Führung zur Verfügung stand, auf dem Privatraumhafen gelandet war. Danach erschien zu seiner Überraschung Jenmuhs, der missmutig fragte, was es so Wichtiges gäbe, dass er seine Staatsgeschäfte auf Bostich unterbrechen müsse. Der Emperador vertröstete sie auf das Eintreffen des CIP-Chefs, was Jenmuhs wiederum zu einer Schimpfkanonade reizte.
Und dann endlich kam Niesewitz. Er war wieder in Begleitung von Oberstkommandeur Pragoran, dem Chef des Planungsstabs der CIP. Dieser führte auf einer kleinen Antigravplattform eine Projektionseinheit mit, die er entsprechend aufbaute.
»Entschuldigen Sie, dass ich etwas später komme. Ich musste mir letzte Gewissheit über die neuesten Erkenntnisse verschaffen, bevor ich Sie informiere. Durch eine neu angeworbene Agentin habe …«
Niesewitz wurde durch den Gos’Shekur grob unterbrochen.
»Fasele nicht um den heißen Brei herum, Niesewitz! Informiere uns einfach darüber, was so wichtig ist, dass ich mitten in der Nacht extra von Bostich hierher kommen muss. Um irgendwelche sinnvollen Schlüsse aus den Informationen zu ziehen und uns die Ergebnisse mitzuteilen, dafür sind Sie wohl zu inkompetent!«
Der Angesprochene erblasste. Da war sie wieder, diese Arroganz und Überheblichkeit, diese Missachtung seiner Person. Doch bevor er zu einer Erwiderung ansetzen konnte, erhielt er von gänzlich unerwarteter Seite Unterstützung. Die Tochter des Emperadors hatte sich erhoben und erwiderte:
»Gos’Shekur, ich muss Sie bitten, diese unsachlichen Bemerkungen zu unterlassen. Marschallkommandeur Niesewitz hat in der Vergangenheit bewiesen, dass seine Vorschläge, im Gegensatz zu anderen Vorschlägen, die hier schon geäußert wurden, äußerst kompetent und sachdienlich sind. Deshalb möchte ich den Marschallkommandeur bitten, mit seinen Ausführungen fortzufahren.«
Niesewitz verschlug es für einige Sekunden die Sprache. Doch rasch hatte er sich wieder gefasst. Linkisch verbeugte er sich vor Stephanie und fuhr fort:
»Wie ich vorher ausführen wollte, sind mir durch eine neue Agentin Informationen über einen bevorstehenden Angriff der Thoregon-Koalition auf Paxus zugespielt worden. Die Echtheit der Informationen ist über jeden Zweifel erhaben, sie stammen direkt aus dem Thoregon-Rat. Der Führer der Koalition plant mit einem Teil seiner Flotte, Paxus anzugreifen und zu shiften, während ein zweiter Teil PAXUS-STATION besetzen soll, um das Sternenportal unter Kontrolle zu bringen. Danach will Arif Chul Verstärkungen aus Plantagoo heranführen, um uns militärisch gewachsen zu sein.«
Nun mischte sich der Emperador in die Diskussion ein.
»Marschallkommandeur, wollen Sie damit sagen, dass wir zu schwach sind, um Paxus und das Sternenportal gegen die Galornen zu halten?«
Bevor Niesewitz auf die Frage des Spaniers eingehen konnte, erklärte Jenmuhs hohnlachend:
»Ich glaube, ich bin hier in der falschen Vorstellung! Niesewitz, wo leben Sie eigentlich? Wir sind die beherrschende Macht in Cartwheel und stehen nebenbei, dank meiner genialen strategischen Fähigkeiten, vor der endgültigen Vernichtung unserer Feinde. Nichts, aber auch gar nichts kann uns aufhalten. Ich glaube, dass Sie hier einen Popanz aufbauen, um sich wichtig zu machen. Aber nicht mit mir! Nach meiner Meinung wollen Sie nu…«
Doch nun war es der Emperador, der den Arkoniden unterbrach.
»Gos’Shekur, ich muss Sie bitten, Ihre polemischen Bemerkungen einzustellen. Lassen wir doch zuerst den Marschallkommandeur berichten, bevor wir unsere Schlüsse ziehen.«
Mit einem kurzen Nicken dankte Niesewitz und fuhr fort.
»Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Emperador, ich befürchte noch ganz etwas anderes. Die von Oberstkommandeur Pragoran und mir erstellte Lageanalyse lässt nur einen Schluss zu. Oberstkommandeur, könnten Sie bitte unsere Lageanalyse erläutern?«
Der Überschwere aktivierte eine Holodarstellung Cartwheels, auf der die gegenwärtig wichtigen strategischen Positionen gekennzeichnet waren. Anhand dieser erklärte er, dass Paxus und die anliegenden Systeme zwar über genügend militärische Stärke verfügten, um den Angriff der Galornen abzuwehren, es jedoch eine ganz andere Gefahr durch die Galornen gab, der sie nichts entgegensetzen vermochten.
»Es handelt sich um die Weißen Schiffe der Galornen«, sagte Niesewitz eindringlich. »Ist Ihnen der Begriff des Shifting bekannt?«
Er war jedem bekannt. Eine Waffe der Galornen, die jedes Wesen, das in Reichweite dieser Strahlung kam, zu einem friedlichen, pazifistischen Wesen machte – um den Preis seiner Lebenskraft.
»Sollte diese Waffe über Paxus und anderen Welten eingesetzt werden oder gegen die Flotten, würde die militärische Stärke des Quarteriums bedeutungslos werden. Statt Kämpfer hätten wir feige Weichlinge.«
Torsors Stimme grollte laut und schmerzte in den Ohren aller Beteiligten. Der Emperador war geschockt. Fragend blickte er Niesewitz an.
»Es gibt zwei Möglichkeiten, mein Emperador!«, erklärte Niesewitz hochtrabend. »Entweder verteidigen wir Paxus in einer großen Raumschlacht, und dazu müssen wir vielleicht Streitkräfte aus Saggittor und Akon abziehen, oder …«
Er zögerte. Mit einem leichten Zittern in der Stimme fragte der Emperador nach der zweiten Alternative.
»Oder ein Präventivschlag, bevor die Galornen ihre Vorbereitungen abgeschlossen haben. Ein tödlicher Angriff, der nur ein Ziel hat: Die Vernichtung aller Weißen Schiffe!«
Die über fünf Meter große Bestie Torsor richtete seinen riesigen Körper auf. Keinem der Anwesenden, auch dem Emperador nicht, war wohl, als sie in die drei lodernden roten Augen im schuppigen Halbmondkopf des Pelewon hochstarrten. Die Augen musterten die Anwesenden mit finsterem Feuer und schienen jeden Einzelnen zu durchdringen.
»Marschallkommandeur Niesewitz hat mit mir einen Plan entwickelt. Die Hälfte der Pelewon-Flotte kann sofort mobilisiert werden: fünfzigtausend Raumer vom Typ DOLAN. Wir greifen Galornia direkt an und werden dafür Sorge tragen, dass kein galornisches Schiff je wieder fliegen wird …«
Dem Emperador gefiel dieses Szenario nicht. Er kannte Torsor und wusste um die Brutalität der Bestien. Sie waren durch und durch Kämpfer. Gerieten sie einmal in einen Blutrausch, waren sie nicht mehr zu stoppen. Fünfzigtausend Schlachtschiffe würden im System der Galornen ein Massaker anrichten. De la Siniestro befürchtete, dass sie die Galornen zurück in die Steinzeit bomben würden – wenn überhaupt etwas von ihrem Planeten und ihrem Volk übrigblieb. Aber hatte er eine andere Wahl?
»Torsor, greifen Sie an, sobald möglich. Aber wenn möglich, schonen Sie die Zivilbevölkerung …«
Torsor lachte brüllend auf.
»Die Druithora-Flotte wird auf meinen Befehl hin in wenigen Minuten in Richtung Galornia aufbrechen. Aber ich stelle Bedingungen! Ich fordere die volle Unterstützung aller Völker des Quarteriums bei der Rückeroberung unserer Heimat in M 87. Die Invasion soll im September dieses Jahres stattfinden. Wir sind bereit! Geben Sie uns grünes Licht, Emperador!«
Don Philippe sträubte sich gegen die Invasionspläne. Rodrom hatte sie gefordert und Torsor natürlich auch. Der September war nicht mehr weit, aber er war sich gewiss, dass die Invasionsvorbereitungen bereits jetzt liefen. Die Bestien waren bestimmt heiß darauf, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Doch der Emperador hatte jetzt überhaupt keine andere Wahl, als Torsor zuzustimmen. Die Alternative hieß Shifting! Er nickte schwach.
»Im September beginnt die Invasion in Druithora …«
Torsor entblößte sein Gebiss. Die dolchartigen Zähne blitzten in hellstem Weiß. Niesewitz übergab ihm alle wichtigen Informationen über die Galornen sowie Aufzeichnungen über den Aufmarsch der Weißen Schiffe. De la Siniestro wunderte sich, dass er offensichtlich der Einzige war, der über die Tragweite des Angriffs nachdachte. Von Torsor und Jenmuhs erwartete er keine moralischen Bedenken. Torsor freute sich auf den Kampfeinsatz und Jenmuhs billigte den Angriff natürlich. Der Emperador beobachtete seine Tochter. Sie wirkte gelassen und nickte viel bei Torsors und Niesewitz’ Ausführungen zu den Angriffsplänen.
Als die beiden ihre Einsatzbesprechung beendet hatten, machten sie sich an die Arbeit. Niesewitz begab sich in den Militärklotz auf Paxus, während Torsor den Angriff persönlich leitete. De la Siniestro blickte Stephanie verzweifelt an.
»So viele Unschuldige werden sterben. Ich befürchte, die Bestien werden in ihrem Wüten Millionen dahinschlachten.«
Stephanie nahm die Hand ihres Vaters und streichelte sie. Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihre Ruhe zum Ausdruck brachte.
»Du sorgst dich um das Wohl unserer Feinde. Das beweist Größe, mein geliebter Vater, aber sie sind nun mal unsere Feinde. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Sie wollen uns angreifen und müssen deshalb sterben. So simpel ist das.«
Diese Kälte entsetzte den Emperador. So simpel war es eben nicht. Es war nie einfach, wenn es um Leben und Tod ging.
Wenig später in der Kommunikationszentrale der CIP auf Paxus
Torsor hatte gerade den Einsatzbefehl an die druithorische Flotte gegeben und war dabei, an Bord seines Dolans zu gehen. Bevor er die CIP-Zentrale endgültig verließ, drehte er sich nochmals zu Niesewitz um und knurrte:
»Niesewitz, kommen Sie mir bei meinen Plänen nur nicht in die Quere oder ich zerquetsche Sie wie eine Wanze, wie ihr Terraner sagt.«
Niesewitz erblasste.
»Was meinen Sie damit, Exzellenz?«
»Unterschätzen Sie nicht meine Intelligenz. Die Pläne, die Sie hier im Terrablock verfolgen, sind eindeutig. Sie sind ein fähiger Mann, aber zu ehrgeizig. Es walten Mächte im Hintergrund, von denen Sie nichts wissen und die Sie nicht verstehen. Sie sollten mit ihrer Position zufrieden sein und kein Risiko eingehen. Hüten Sie sich!«
Damit verließ er endgültig die Zentrale und ließ einen völlig verunsicherten Niesewitz zurück.
2. Die Entfesselung des Drachen
Arif Chul stand verloren vor seinem Heim. Er konnte es nicht mehr betreten. Die Widerspiegelung von Etnas Psyche verwehrte ihm den Eintritt. Es war paradox, aber der Oberste Galorne war aus seinem eigenen Haus ausgeschlossen. Er hatte mehrmals versucht, die psychische Barriere zu überwinden, aber es war zwecklos. Etnas Abneigung ihm gegenüber war zu stark. Doch plötzlich öffnete sich das mit verspielten Ornamenten verzierte Portal und Resto machte einige Schritte auf ihn zu. Hinter ihm wurde Kirina sichtbar.
»Was willst du noch hier? Du bist nicht mehr unser Vater! Verschwinde endlich. Wir haben nichts mehr gemeinsam. Du hast dich gegen uns entschieden, also geh endlich!«
Arif Chul war wie vor den Kopf gestoßen. Eine imaginäre Hand schnürte seine Kehle zu. Er war unfähig zu einer Erwiderung. Tränen liefen über sein Gesicht. Langsam ließ er sich auf den Boden sinken. Sein gesamter Körper zitterte. Mehr im Unterbewusstsein registrierte er, dass Resto wieder ins Haus zurückgegangen war. Um ihn versank die Welt in Finsternis. Plötzlich fühlte er, dass zwei Arme sich um ihn legten. Durch den Tränenschleier erkannte er Kirina, die ihn umarmte.
»Vater, ich hab dich lieb. Egal, was Mutter sagt, du bist und bleibst mein Vater.«
Bevor er reagieren konnte, hörte er die keifende Stimme seiner Frau Etna. Seine Frau – war sie das überhaupt noch?
»Kirina, du kommst sofort zu mir. Dieses abgemagerte Scheusal hat nichts mehr mit uns gemeinsam. Ich möchte, dass du ihm das ein für allemal sagst!«
Seine Tochter ließ ihn los und richtete sich auf. Ihre Antwort erfüllte Arif mit unerwarteter Hoffnung.
»Nein Mutter, ich gehorche dir nicht mehr! Du bist richtig gemein geworden. Vater war immer gut zu uns, er hat immer für uns gesorgt. Du hast Unrecht, bitte besinne dich.«
Sie konnte nicht weitersprechen. Etna stürzte aus dem Haus. Ihr Gesicht war zu einer Fratze des Wahnsinns verzerrt. Mit beiden Händen versuchte sie, Kirina ins Haus zurückzuziehen.
»Du undankbares Gör! Ich werde dich lehren, meinen Wünschen zu widersprechen.«
Kirina wehrte sich. Und dann geschah das Undenkbare: Etna holte aus und gab ihrer Tochter eine schallende Ohrfeige, die sie ins Straucheln brachte. Undenkbar! Die Verletzung aller Tabus ihrer Gesellschaft riss den Obersten Galornen aus seiner Erstarrung. Tief aus dem Innern seiner Psi-Aura stieg ein nie gekanntes Gefühl in ihm auf. Fast automatisch erhob er sich und drängte sich zwischen Etna und seine Tochter. Sein Gesicht war zu einer steinernen Maske erstarrt. Das Gefühl wurde immer stärker. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung fing er den nächsten Schlag ab. Seine Faust umklammerte Etnas Handgelenk wie ein Schraubstock.
»Wage es nicht noch einmal. Geh ins Haus zurück, ehe ich mich vergesse!«
Mit diesen Worten stieß er Etna zurück. Kirina drängte sich Schutz suchend an ihn. Tränen standen in ihren Augen.
»Bitte Vater, nimm mich mit. Ich kann nicht zurück.«
Zärtlich strich er ihr über den Kopf.
»Keine Sorge Kleines, niemand kann uns jetzt noch trennen. Ich nehme dich mit in die Hauptstadt.«
Etna war zum Haus zurückgetaumelt. Sie überschüttete ihn mit einem Schwall obszöner Ausdrücke. Schließlich verschwand sie durch die Eingangstür. Arif Chul wartete noch ein paar Minuten, ob sich Resto besinnen würde, doch dann nahm er Kirina bei der Hand. Zusammen gingen sie zur nächsten öffentlichen Transmitterstation, um in die Hauptstadt zurückzukehren.
Galornia, 12. Mai 1306 NGZ, Ratssaal der Thoregon-Koalition
Seine neue Wohnung hatte Arif Chul am gestrigen Tag nur provisorisch eingerichtet. Die meiste Zeit hatte er mit Kirina verbracht. Seine Tochter war während der gemeinsamen Unternehmungen richtig aufgeblüht und hatte ihre alte Fröhlichkeit wiedergefunden. Nur Resto fehlte ihnen immer noch. Doch sein Sohn hatte sich, wie es schien, für seine Mutter entschieden. Nun musste er aufbrechen. Kirina blieb in ihrem Zimmer und er machte sich auf den Weg zur Ratshalle.
Raumeon und die Kommandantin der galornischen Flotte, Sarin Chismana erwarteten ihn im Ratssaal. Der Adlate wirkte besorgt, während die Galornin ihn grimmig anblickte.
»Die Flotte sammelt sich an den vereinbarten Treffpunkten und wartet auf die Übernahme der Shifting-Konverter.«
»Ist gut, Sarin. Bringen wir es hinter uns, es bleibt uns leider keine andere Wahl.«
Die drei Führer der Thoregon-Koalition betraten einen Transmitter, der sie zu einem Raum tief unter der Ratshalle abstrahlte. Nach wenigen Schritten standen sie vor einem durch mehrdimensionale Psi-Felder geschützten Schott. Dahinter befand sich eines der größten Geheimnisse der galornischen Zivilisation: Die Konverter zur Erzeugung der Shifting-Strahlung.
Die drei bildeten den Kreis der Macht, der allein den Zugang öffnete. Über ihren Köpfen bildete sich ein Ring reiner Psi-Energie, der das Schutzfeld neutralisierte. Arif Chul hatte diese Zeremonie bisher nur einmal durchgeführt, nämlich als er von Charif Parrul die Weihe zum Wissenden erhalten hatte.
Mit einem mentalen Befehl öffnete er das Schott. Seine Begleiter blieben respektvoll zurück. Er fühlte, wie seine Psi-Aura Kontakt mit dem morphologischen Feld aufnahm, in das die Konverter eingebettet waren. Mit einem Psi-Impuls aktivierte er die Initialisierung. Er fühlte, wie die gewaltige Macht des Drachen über das morphologische Feld in die biologischen Speicher der Konverter floss.
Wenig später schwebte ein Würfel mit einer Kantenlänge von genau einem Meter auf ihn zu. Dieser bestand aus zehntausend einzelnen Elementen, die durch Adhäsionskräfte aneinander hafteten. Mit dem Würfel verließ er die Halle der Macht und legte ihn auf der bereitstehenden Antigravplattform ab. Danach gingen sie durch den Transmitter zum Raumhafen.
*
An Bord der SARATOPE, dem Flaggschiff der galornischen Flotte, erwartete der Oberste Galorne den Start. Sarin Chismana hatte ihren Platz hinter den panoramaartig angeordneten Steuer- und Kommunikationskonsolen eingenommen. Mit einem kurzen Kopfnicken gab Arif den Start der SARATOPE frei. Auf den Außenbildschirmen fiel der Boden zurück: Das eiförmige Schiff begann langsam zu steigen. Dabei entstanden keinerlei Energieemissionen, da die Galornen ausschließlich Antigravfelder als interplanetare Antriebstechnik nutzten. Dies entsprach ihrer gewaltlosen Philosophie: die Schonung der natürlichen Umwelt des Planeten.
Der Oberste Galorne verfolgte, wie seine neue Heimat Galornia immer kleiner wurde. Wenig später hatte die SARATOPE den interplanetaren Raum erreicht. Arif Chul wollte gerade die Verbindung mit der im Leerraum zwischen dem vierten und fünften Planeten wartenden Flotte herstellen, als ihn wieder eine Vision seiner Psi-Aura lähmte.
Wieder sah er Schwarze Schiffe. Diese starteten mit irrsinnigen Beschleunigungswerten von einer paradiesischen Welt und verwüsteten die urzeitliche Natur des Planeten. Genau aus diesem Grund hatten die Galornen diese Antriebstechnik aufgegeben, nachdem sie entdeckt hatten, wie sie ihr Aggressionspotential auf den Drachen übertragen konnten.
Alle heutigen Raumschifftypen verwendeten nur noch Antigravantriebe für interplanetare Flüge. Nur die versteckten Überbleibsel aus der aggressiven Vergangenheit, die Schwarzen Schiffe, verfügten noch über die alte Technik der gebündelten Partikel-Impulstriebwerke. Mit äußerster Willensanstrengung riss er sich aus den plastischen Bildern, die Gewalt und Zerstörung symbolisierten.
Vor ihm baute sich eine Holodarstellung der wartenden Flotte auf. Jeder gelbe Lichtpunkt symbolisierte ein Weißes Schiff, das zum Empfang der Shifting-Konverter bereit war. Lichtpunkt auf Lichtpunkt leuchtete auf. Dann endlich wechselten alle Punkte auf Grün. Der Shifting-Verbund war hergestellt.
Zwei Besatzungsmitglieder schoben den in allen Regenbogenfarben schimmernden Würfel mit den Konvertern in den Aufnahmeschacht des Verbund-Transmitters. Alle Galornen an Bord der SARATOPE spürten, wie das morphologische Feld des Drachen aufgebaut wurde. Die Lichtpunkte wechselten auf Rot und signalisierten, dass die Übertragung der Konverter beginnen konnte.
Die Stunde der Galornen war gekommen. Die Zeit der Aggression und des Krieges in Cartwheel würde bald vorbei sein. Langsam senkte sich der Psi-Taster über seinen kahlen Kopf. Nur die spezielle Aura des Obersten Galornen konnte die Übertragung auslösen. Er spürte, wie seine Psi-Aura mit dem morphologischen Feld des Drachen verschmolz. Ein Gefühl von Frieden und universeller Güte durchflutete ihn. Das morphologische Feld des Drachens hatte ihn anerkannt.
Doch dann Chaos, Schmerz und Leid, unendliches Leid. Er fühlte, wie tausende seiner Schwestern und Brüder starben, wie ihre Auren im Hyperraum verwehten, ohne Chance, in die Felder der Schriften einzugehen, aus denen das morphologische Feld des Drachen gespeist wurde. Dies war der letzte Eindruck, den er bewusst wahrnahm. Dann brach er zusammen.
*
Sarin Chismana verfolgte die Vorbereitungen des Obersten Galornen zur Übertragung der Konverter auf die wartende Flotte. Ein Gefühl des universellen Friedens durchflutete sie. Auch sie wurde Teil des morphologischen Feldes des Drachens. Die Macht des Friedens war entstanden, um Aggression, Hass, Krieg und Zerstörung, genau wie in Plantagoo, auch in ihrer neuen Heimat Cartwheel aus der Psyche der Lebewesen zu eliminieren.
Bald würden diese destruktiven Eigenschaften für immer der Vergangenheit angehören. Die Macht der Galornen würde in Zukunft dafür sorgen, dass der Fluch der Gewalt und des Krieges nie wieder die Völker der Insel heimsuchen konnte. Cartwheel würde, unter der schützenden Fürsorge ihres Volkes, zu einer Insel des Friedens werden. Doch das Gellen des Raumalarms riss sie aus ihren Träumen.
Mit einem Handgriff schaltete sie das große Panoramaholo auf Darstellung des Systems. Die Darstellung zeigte, dass das Heimatsystem durch unzählige Hyperraumaustritte erschüttert wurde. Mit einem kurzen Gedankenbefehl zoomte sie auf eines der Objekte. Eine kleine, schwarze Kugel mit einem Durchmesser von etwa hundert Metern wurde sichtbar. Diese beschleunigte mit hohen Werten in Richtung auf die wartende Shifting-Flotte.
Und dann begann der Untergang. Die kleinen Schiffe eröffneten das Feuer und die ersten galornischen Schiffe vergingen in dem entfesselten Energieinferno. Mit dem Blick der geschulten Raum-Taktikerin erkannte sie, dass ihre Mission verloren war, verloren, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
Der Hund des Krieges
Mit dem Flaggschiff der Druithora-Flotte war Torsor am Rande des Heimatsystems der Galornen aus dem Hyperraum getreten. Die YANYOK, ein Schlachtschiff der SUPREMO-A-Klasse, stand senkrecht zur Ekliptik der vierzehn Planeten des Systems. Torsor hatte so einen guten Überblick über den Verlauf der Kampfhandlungen.
Schon nach wenigen Minuten war klar, dass die Druithora-Flotte den Sieg davontragen würde. Die Galornen wurden vom Angriff der vereinigten Pelewon und Moogh völlig überrascht und hatten der Kampfkraft und Manövrierfähigkeit der Dolans nichts entgegenzusetzen. Allein ihre überragende Defensivtechnik bewahrte sie davor, bereits in den ersten Minuten der Raumschlacht völlig ausgelöscht zu werden.
Torsor hatte insgesamt etwa fünfzigtausend Dolans eingesetzt, die in zwei Gruppen aufgeteilt waren. Die größere Gruppe, die etwa dreißigtausend Schiffe umfasste, sollte die galornische Flotte vernichten, während der Rest gegen Galornia und die wichtigsten Welten der Thoregon-Allianz eingesetzt wurde. Er wandte sich an den neben ihm stehenden Admiral Irkuleb, den Oberbefehlshaber der Flotte.
»Admiral, übernehmen Sie das Kommando. Ich werde mit meinem Dolan persönlich den Oberbefehl der Operation gegen die Heimatwelt der Galornen übernehmen. Sie haften mir mit Ihrem Leben dafür, dass keines der Schiffe entkommt. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass die Sprichwörter der Terraner zur Wirklichkeit werden.«
Mit einem dröhnenden Lachen stürmte er aus der Zentrale.
Wenig später hatte er den Hangar seines persönlichen Dolans erreicht. Das synthetische Retortenwesen erwartete ihn bereits. Die Dolans, die von den Bestien benutzt wurden, waren nur noch bedingt mit den Geschöpfen vergleichbar, die den Zweitkonditionierten als Raumschiffe dienten.
Mit Hilfe von Shorne-Industries war es Torsors Genetikern gelungen, die Exekutoren überflüssig zu machen, indem sie die Eigen-Intelligenz des Dolans steigerten. Das synthetische Wesen war nicht mehr auf die Versklavung von Fremdbewusstseinen angewiesen, um die Schiffsfunktionen zu steuern. Doch Torsors Dolan nahm hier eine Sonderstellung ein. Torsor hatte sich, zu seinem Vergnügen, die Möglichkeit erhalten, das Bewusstsein von fremden Intelligenzen zu integrieren, um es zu versklaven und zu peinigen.
Im Augenblick war zwar keiner der vorgesehenen Sklavenplätze besetzt, aber Torsor hatte seine speziellen Vorstellungen. Ganz oben auf seiner Liste standen Perry Rhodan und der Oberste Konstrukteur des Zentrums Taruntur. Aber das konnte warten, denn wie ein altes terranisches Sprichwort sagte: Rache will kalt genossen werden.
Das Rudimentärgehirn des Dolans hatte inzwischen den Wunsch seines Herrn erkannt, den Dolan selbstständig gestartet und aus dem Hangar manövriert. Nun beschleunigte er und nahm Kurs auf Galornia.
*
Der Dolan erreichte inzwischen die Umlaufbahn Galornias. Um den Planeten hatten die biologischen Raumschiffe eine Kugelschale gebildet und begannen, den Planeten zu bombardieren. Dieses Manöver war ohne Verluste möglich gewesen, da die Galornen über keinerlei planetare Abwehr verfügten.
Was für ein Volk von Narren, sagte er zu sich. Zuerst sollten die Städte der Galornen aus dem Raum dem Erdboden gleichgemacht werden und danach gedachte die Bestie, mit den Dolans auf dem Planeten zu landen. Die synthetischen Wesen würden Hunger haben und der Planet eine reich gedeckte Tafel sein. Außerdem wollte er seinen Kämpfern etwas Abwechslung vom monotonen Flottendienst gönnen.
Auf dem Panorama-Schirm fiel ihm ein großer Komplex auf, der die Hauptstadt des Planeten beherrschte. Genau das richtige Ziel, sagte er zu sich selbst. Mit einem dröhnenden Lachen schickte er eine Tranformbombensalve genau in diesen Gebäudekomplex. Er verging in einem atomaren Inferno. Torsor hatte die Ratshalle des Thoregon-Rates vernichtet.
3. Das Ende einer Ära …
Die Schockwelle aus Psi-Energie raste über den Planeten, um danach in den Raum zu greifen. Ungezügelte, reine Aggression wurde freigesetzt und übernahm die Kontrolle über alle intelligenten Lebewesen. Die Auswirkungen waren, je nach Individuum, unterschiedlich …
Wenn Kali erwacht …
Die Galornin spürte den Psi-Impuls, der ihr Denken, ihre Gefühle, ihren gesamten Charakter von Grund auf umkehrte. Plötzlich fühlte sie nichts als Aggression, Hass und Wut, grenzenlose, alles verzehrende Wut. Die Galornin wurde wieder zu dem, was die Galornen vor Äonen einmal gewesen waren: zu einer gnadenlosen Kampfmaschine.
Zeitgleich vollzog sich die Wandlung in jedem einzelnen ihres Volkes. Die alten, gnadenlosen Herrscher Plantagoos waren aus dem Schlaf der Jahrtausende erwacht und sie kannten nur ein Gefühl: Hass und Rache.
Mit einem letzten Rest klaren Denkens erfasste sie, dass Arif Chul noch immer bewusstlos am Boden lag. Sie beschloss, den Obersten Galornen zu retten. Mit eisiger Stimme befahl sie, dass er an Bord eines Rettungsbootes gebracht und ausgesetzt werden sollte. Wenig später wurde das kleine Schiff sichtbar, das antriebslos von der SARATOPE wegtrieb.
»Wie ist die Lage?«, fragte sie den Ersten Offizier, der die Kommunikationszentrale übernommen hatte.
»Wir werden regelrecht abgeschlachtet«, antwortete dieser, »etwa zwanzig dieser Schiffe haben sich um jeweils eines der unseren gruppiert und vernichten gnadenlos Schiff um Schiff.«
»Das werden wir nun ändern«, antwortete die Kommandeurin der galornischen Flotte. »Wenn wir schon untergehen, dann nehmen wir sie mit uns.«
Der Offizier hob erstaunt den Kopf. »Mit was sollen wir denn angreifen? Beim Bau der Weißen Schiffe haben wir auf Offensivbewaffnung weitgehend verzichtet und uns allein auf das Shifting verlassen. Und über Schwarze Schiffe verfügen wir nicht!«
Ein wölfisches Grinsen veränderte das Gesicht der Kommandantin. Die Terraner hatten die Physiognomie der Galornen einmal mit der eines gutmütigen Buddhas verglichen, doch jetzt glich die Galornin einem anderen, gefürchteten Mitglied des indischen Pantheons: der Todesgöttin Kali.
»Nein, über Offensivwaffen verfügen wir nicht. Aber wir haben Überlichttriebwerke, die als Waffen eingesetzt werden können. Wenn wir die Spulen der Gravitrav-Speicher überladen und die gespeicherte Hyperenergie schlagartig über die Metagrav-Triebwerke freisetzen, erzeugen wir einen Aufrisstrichter, der alle Materie in seinem unmittelbaren Umkreis in den Hyperraum reißt. Das bedeutet zwar unser Ende, aber auch diese Mörderschiffe können uns nicht entkommen. Wir reißen sie mit in den Tod.«
Mit diesen Worten öffnete sie einen Kommunikationskanal zu den noch einsatzfähigen Schiffen und übermittelte ihre Anweisungen.
Torsors Albtraum …
Torsor erlebte die Entfesselung des Drachen als persönlichen Albtraum. Sein Ordinärhirn drohte, den Psi-Impulsen von Hass und Aggressivität zu erliegen, doch das Planhirn blieb unbeeinflusst und konnte eine Barriere gegen die Psi-Attacken errichten. Nach einigen Minuten, in denen die Zuchtbestie handlungsunfähig war, erlangte das Planhirn die Kontrolle über den Körper zurück. Anschließend gelang es ihm, den durchdrehenden Dolan zu beruhigen und die Flugbahn zu stabilisieren.
Nach und nach realisierte Torsor die Hiobsbotschaften. Der Psi-Impuls hatte dazu geführt, dass seine Kämpfer die Kontrolle über die Dolans verloren. Diese vollführten irrsinnige Manöver, ein Teil stürzte auf den Planeten ab. Und dann begann das Inferno. Die Galornen schienen zu Berserkern geworden zu sein. Sie setzten die Überlichttriebwerke als Waffe ein und opferten sich selbst, um die angreifenden Dolans mit ins Verderben zu ziehen.
Im interplanetaren Raum entstanden unzählige Aufrisstrichter, die Freund und Feind zugleich in den Hyperraum rissen. Das Galor-System drohte, zum Grab der Dolanflotte zu werden. Mit einem Fluch aktivierte er die Sonderschaltung, die es ihm ermöglichte, die zentrale Kontrolle über die Retortenraumschiffe zu übernehmen. Ihn beherrschte im Moment nur ein Gedanke: Flucht aus diesem System, nur weg.
Der Befehlsimpuls bewirkte, dass die noch einsatzfähigen Dolans mit Höchstwerten aus dem Galor-System flohen und sich im interstellaren Raum jenseits der Umlaufbahn des äußersten Planeten sammelten. Auch Torsors Dolan beschleunigte bereits mit Höchstwerten, weg von der tödlichen Gefahr.
Nach Ablauf einer Zeitspanne, die etwa einer terranischen Stunde entsprach, hatten sich die Dolans am Sammelpunkt eingefunden. Seine Kämpfer hatten, außerhalb der entfesselten Naturgewalten des Systems, den Wahnsinn überwunden und die Kontrolle wiedererlangt. Mit einem bisher völlig unbekannten Gefühl der Bestürzung registrierte der Quarteriums-Fürst, dass der kurze Augenblick, in dem er handlungsunfähig war, zum Verlust von fast dreitausend Raumschiffen geführt hatte. Hätte er mit seiner Notschaltung gezögert, wäre das Galor-System zum Untergang seiner Hoffnungen und Pläne geworden. Druithora war um Haaresbreite, wie die Terraner sagten, einer vernichtenden Niederlage entgangen.
Inzwischen war er wieder an Bord der YANYOK, die weit außerhalb des Systems von der Psi-Schockwelle weitgehend verschont geblieben war. Nach und nach gingen die Meldungen von den anderen Thoregon-Welten ein. Die Dolans hatten dort, im Sinne des Quarteriums, »ganze Arbeit« geleistet und waren auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. So gesehen war die Aktion, trotz der Lage im Galor-System, ein voller Erfolg: Die Thoregon-Allianz in Cartwheel war vernichtet!
Um die Gefahr durch die Galornen ein für alle Mal zu beseitigen, war Torsor dazu entschlossen, Galornia durch eine Arkonbombe zu vernichten. Zu diesem Zweck wurde ein Dolan umgerüstet und das Rudimentärgehirn entsprechend programmiert. Wenig später brach das organische Retortenraumschiff zur Heimatwelt der Galornen auf. Doch nach wenigen Minuten riss die Verbindung ab und eine Energieentladung zeigte an, dass der Dolan aus unbekannten Gründen vernichtet wurde.
Torsor überlegte kurz, ob er noch einen zweiten Versuch wagen sollte, entschied sich jedoch dagegen, da ihm das Risiko zu hoch erschien. Außerdem zeigte die Fernortung auf Galornia starke Energieentladungen, die davon zeugten, dass auf dem Planeten immer noch gekämpft wurde. Es schien, dass einige Pelewon und Moogh den Absturz ihrer Dolans überlebt und in Kämpfe mit den Galornen verwickelt waren. Da der Bestie moralische Skrupel fremd waren, gab er den Befehl, nach Druithora zurückzukehren. Die überlebenden Bestien auf Galornia hatte er abgeschrieben.
*
Torsor hatte die Reste seiner Flotte wieder zurück in den Sektor zur Vorbereitung für die Druithora-Invasion in Marsch gesetzt und war mit seinem Dolan nach Paxus unterwegs. Er gedachte, dem Emperador seine Rechnung zu präsentieren. Ihm war klar, dass der Einsatz seiner Bestien das Quarterium gerettet hatte. Und dafür würde der Emperador bezahlen müssen, bezahlen durch die bedingungslose Unterstützung seiner Pläne in M 87.
4. Zeugen des Grauens …
Das weiße Schiff mit der für Lemurerabkömmlinge so ungewöhnlichen Keilform zog antriebslos seine Bahn im äußeren Ring Cartwheels. Die VIPER II hatte die Energieerzeugung auf ein Minimum gedrosselt und war so im Chaos der Energie- und Gravitationsfelder nicht zu orten.
Doch das Schiff war alles andere als blind: Das Arsenal der CIP bot alles, um die Besatzung über die Lage in Cartwheel bestens zu informieren. Ausgeschleuste Robotsonden sorgten dafür, dass sämtliche Informationen aus dem Spionage- und Überwachungsnetz über eine Hyperfunkrichtstrecke in die Datenbanken der Bordsyntronik übertragen wurden. So kam es zwangsläufig dazu, dass die Ereignisse im Galor-System auch die Aufmerksamkeit der stillen Beobachter an Bord des Schiffes erweckten …
Vergessene Beobachter
Die Zentrale des Schiffes, deren Form an die ENTDECKER-Klasse der LFT erinnerte, wurde nur durch die aktivierten Bildschirme in ein diffuses, geisterhaftes Licht getaucht. Ein zufälliger Beobachter hätte leicht die einsame Frau übersehen, die es sich auf einem Kontursessel aus Formenergie bequem gemacht hatte. Maya ki Toushi träumte. Sie träumte von einer Kindheit, die sie nie gehabt hatte, träumte von einer Mutter, die sie nicht kannte, träumte von Liebe und Geborgenheit …
Plötzlich riss sie ein Signal aus dem Halbschlaf. Sie richtete sich auf. Mehrere Bildschirme begannen hektisch zu flackern. Mit einem Griff schwenkte sie den Kontursessel aus der Waagerechten und aktivierte das Befehlsterminal der Bordsyntronik. Rasch rief Maya ein vorbereitetes Auswertungsprogramm auf, das wenige Augenblicke später bereits die ersten Ergebnisse anzeigte. Mit einem schrillen Pfiff quittierte sie die Ergebnisse und löste den Schiffsalarm aus. Dadurch wurden die Systeme der Zentrale aus dem Stand-by-Modus hochgefahren, die VIPER II war einsatzfähig. Wenig später erschien der Arkonide Corph de Trajn in der Zentrale, was Maya völlig überraschte.
»Wie bist du hereingekommen?«, fragte sie.
»Natürlich durch das Schott, wie denn sonst?«, gab er zurück.
Maya betrachtete ihn nachdenklich. Er war wieder mit einem Keigoki bekleidet und trug als einzige Waffe sein Dagor-Schwert über der Schulter. Sie war sich sicher, dass das Schott nicht geöffnet worden war. Bevor sie jedoch ihren Verdacht weiter verfolgen konnte, betrat Roland Meyers die Zentrale.
»Was gibt es, Maya?«, fragte er.
»Unsere Sonden haben im Bereich der Thoregon-Koalition starke hyperphysikalische Entladungen gemessen, die nahelegen, dass dort eine Raumschlacht stattfindet. Was genau dort los ist, kann ich nicht sagen, da die Sonden nur im Passiv-Modus arbeiten, damit wir nicht entdeckt werden.«
Der Kommandeur trat an das Terminal und studierte die Auswertungen.
»Du hast recht, die Entladungsspektren sind charakteristisch für den Einsatz von Transform-Waffensystemen. Die Frage ist nun, wer kämpft hier gegen wen?«
»Sehen wir nach, was da los ist!«, bemerkte der Arkonide.
»Das sollten wir gut überlegen«, entgegnete Traban Saranos, der inzwischen ebenfalls in der Zentrale erschienen war, »wenn wir unsere gegenwärtige Position verlassen, riskieren wir, dass wir entdeckt werden.«
»Dann wollen wir uns noch mal eine genaue Einschätzung der Möglichkeiten der VIPER II geben lassen.« Mit diesen Worten aktivierte Roland Meyers die interne Schiffskommunikation und wählte eine Kennung. Das Gesicht der Tefroderin Sirani Persul erschien auf dem Bildschirm.
»Sirani, könntest du bitte in die Zentrale kommen, wir brauchen deinen Rat.«
Wenig später betrat die tefrodische Hyperphysikerin die Zentrale. Sie war maßgeblich an der Entwicklung der GLORY- und VIPER-Klasse beteiligt gewesen.
Meyers fasste die bisherigen Ergebnisse noch einmal zusammen und stellte die Frage, ob die VIPER II die Ereignisse im Galor-System aus der Nähe untersuchen könnte, ohne entdeckt zu werden. Siranis Antwort folgte einer kleinen Denkpause:
»Wenn wir keine aktiven Ortungssysteme einsetzen, dürften wir nicht entdeckt werden. Die Deflektorschirme der VIPER II sind völlig neuartig. Trotzdem ist Vorsicht angesagt: Sie sind noch nicht unter Gefechtsbedingungen getestet worden.«
»Na dann los, sehen wir nach, was für eine Sauerei im Thoregon-Sektor abgelaufen ist!«
Mit diesen Worten setzte sich der Arkonide auf den Kontursessel des Kommandanten und gab den Kurs in die Leitpositronik des Navigationssystems ein. Meyers und Maya waren einen Moment lang sprachlos, doch dann überwand der hochgewachsene Terraner seine Überraschung.
»Was soll das, Corph? Seit wann fühlst du dich zum Piloten berufen?«
»Roland, du bist zwar ein genialer Stratege, aber entschuldige, als Pilot nur Mittelmaß. Wir wissen nicht, was uns erwartet, unser Leben kann davon abhängen, dass wir schneller reagieren als eventuelle Gegner.«
Traban Saranos mischte sich ein, indem er einige Worte in einer unbekannten Sprache an den Arkoniden richtete. Dieser antwortete ihm knapp und ebenso unverständlich für die Zuhörenden.
»Kann mir mal jemand erklären, was hier los ist? Zuerst erklärt sich Corph zum Piloten und dann redet ihr in einer mir völlig unbekannten Sprache miteinander!«
Der alte Akone, der auf Quinto zu ihnen gestoßen war, räusperte sich. Meyers blickte ihn grimmig an.
»Es ist in Ordnung«, antwortete der Akone, »wenn mich nicht alles täuscht, dürfte Corph der fähigste Pilot innerhalb Cartwheels sein.«
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr, ich weiß zwar, dass Corph über einige bemerkenswerte Fähigkeiten verfügt, aber als Pilot hat er sich bisher noch nicht hervorgetan.«
»Das war bisher auch noch nicht nötig!«, antwortete der Arkonide kurz.
»Wer oder was bist du wirklich?«, fragte nun Meyers.
»Das ist im Moment unerheblich und spielt keine Rolle. Die Zeit ist noch nicht reif. Vertraue mir, es muss dir genügen, dass ich über Fähigkeiten verfüge, die mich als Piloten einem Emotionauten gleichsetzen.«
Die VIPER II war inzwischen in den Hyperraum eingetreten. Meyers schüttelte resigniert den Kopf und meinte:
»Schon gut, lassen wir das. Aber das Thema ist für mich noch nicht erledigt. Bei Gelegenheit wirst du uns einiges erklären müssen.«
*
Sobald sie den Hyperraum verließ, befand sich VIPER II inmitten einer Hölle aus höherdimensionalen Aufrisstrichtern, Energie- und Gravitationsfeldern. Im Galor-System tobte ein einziges hyperphysikalisches Chaos. Nur die rasche Reaktion des Piloten rettete das Schiff davor, von Aufrisstrichtern aufgesogen zu werden. Gleichzeitig aktivierte der Arkonide den Paratronschutzschirm und steuerte das Keilschiff aus der Ekliptik des Systems. Mit einigen Befehlsfolgen aktivierte er die aktiven Ortungssysteme. In dieser hyperphysikalischen Strahlenhölle war nicht zu befürchten, dass die Ortungssysteme angemessen werden konnten. Doch plötzlich gellte der Raumalarm. Zwei kleine, schwarze Kugeln mit unregelmäßiger Oberfläche befanden sich auf Angriffskurs.
»Das sind Dolans!«, schrie Maya und aktivierte die Feuerleitkontrollen. Gleich darauf schüttelte sich die VIPER II unter dem Einschlag einer Transformbombensalve. Doch die Schutzschirmstaffel hielt, die Kontrollen zeigten nach wie vor beruhigende Grünwerte. Und dann biss die VIPER II zurück. Maya schickte eine kombinierte Salve aus Transformbomben ins Ziel und danach jeweils zwei Raumtorpedos der Destroyer-Klasse, die gleichzeitig ihre Waffenwirkung entfalteten. Dem waren die Defensiv-Systeme der Dolans nicht gewachsen. Die Schutzschirme brachen zusammen und die Retortenschiffe vergingen in der atomaren Glut.
»Was war hier los? Und vor allem, wo kommen die Dolans her?«, fragte Meyers in die entstandene Stille hinein.
»Nun, ich würde sagen, dass das Quarterium die Bestien von der Leine gelassen hat, um die Thoregon-Koalition zu zerschlagen. Das würde aus der Sicht dieser Despoten Sinn ergeben, denn nach der Niederlage der USO und dem bevorstehenden Fall von Saggittor und Akon wäre die Thoregon-Koalition die letzte unabhängige Macht in Cartwheel gewesen«, antwortete der Akone. »Der Emperador kennt keine Skrupel mehr, Völkermord scheint nun zum ständigen Mittel seiner Politik geworden zu sein.«
Die ausgesandten Robotsonden flogen in das System ein, während die VIPER II weiterhin senkrecht zur Ekliptik außerhalb der Umlaufbahn des äußersten Planeten stand. Kurze Zeit später gingen die ersten Daten ein. Maya hatte den Platz an den Feuerleitkontrollen verlassen, um die Messergebnisse mit dem Analyseprogramm der Bordsyntronik auszuwerten. Einige Zeit später war die Auswertung abgeschlossen. Maya fasste die Ergebnisse zusammen:
»So wie es aussieht, fand hier eine Raumschlacht zwischen der galornischen Flotte und den Dolans statt. Darin wurde Galornia angegriffen und weitgehend zerstört. Soweit die Fakten. Über den genauen Verlauf kann ich nur spekulieren. Vor allem ist unbekannt, welche Waffensysteme durch die Galornen eingesetzt wurden. Die Hyperraum-Aufrisstrichter sind für alle bekannten Waffensysteme absolut untypisch. Dazu kommt noch, dass von Galornia ein Art Psi-Strahlung ausgeht, die uns ganz und gar unbekannt ist.«
»Gut Maya, schick bitte noch einige Sonden nach Galornia, um die Zerstörungen zu dokumentieren, wer weiß, wozu wir das später noch brauchen können!«
»Wird gemacht, Roland. Ich leite zwei Sonden um.«
Innerhalb der Zentrale hatte sich die Situation entspannt. Es schien, als ob keine weiteren Dolans mehr im Galor-System waren. Nur der Arkonide saß mit voller Konzentration hinter den Steuerkonsolen.
Dann meldete sich Maya wieder zu Wort.
»Könnt ihr mal herkommen? Ich hab etwas Interessantes gefunden. So wie es aussieht, gibt es ein Notsignal von einer galornischen Rettungskapsel. Ihre Position ist etwas außerhalb der Umlaufbahn des achten Planeten. Sollen wir uns das mal ansehen?«
Meyers und Traban blieben hinter der hochgewachsenen Terranerin stehen, deren Haarfarbe zwischen dunkelrot und schwarz schimmerte, und beugten sich über ihre Schulter, um die Ortungsergebnisse zu studieren.
»Schauen wir uns das an! Vielleicht können wir einen Überlebenden bergen, der uns genau erklären kann, was hier abgelaufen ist«, meinte der Akone. Mit einem Kopfnicken stimmte Meyers zu.
Als sie sich umdrehten, bemerkten sie, dass der Arkonide den Kreuzer bereits beschleunigt und Kurs auf die Position der Rettungskapsel genommen hatte, ohne ihre Entscheidung abzuwarten.
Der Überlebende
Ein kleiner Lichtpunkt erschien auf dem Schirm der Umfeldortung: die angemessene Rettungskapsel. Vorsichtig näherte sich die VIPER II. Meyers hatte volle Gefechtsbereitschaft ausgelöst, was bedeutete, dass auch Mayas Höllenhunde in der Zentrale anwesend waren. Im Falle eines Angriffes hatten sie so bessere Chancen, da die Zentrale im Notfall als autarkes Schiff operieren konnte.
Gleichzeitig suchten Breitbandscanner die Umgebung nach verräterischen Energiesignaturen ab, welche die Anwesenheit fremder Schiffe verrieten. Aber außer den völlig atypischen Echos der hyperphyikalischen Ereignisse konnten sie im Umfeld des Galor-Systems keine Anzeichen für die Anwesenheit von fremden Schiffen entdecken. Die VIPER II und die Rettungskapsel schienen allein zu sein.
Wenig später hatten sie die berechnete Position erreicht. Der Arkonide stoppte das Schiff und erfasste die Kapsel mit einem Traktorfeld. Inzwischen versuchte Maya eine Funkverbindung herzustellen, erhielt jedoch keinerlei Antwort. An Bord der Kapsel schien alles tot zu sein. Kurz darauf zeigten die Kontrollen, dass der Einschleusungsvorgang abgeschlossen war.
Wortlos beschleunigte der Arkonide und flog die VIPER II wieder außerhalb der Ekliptik. Einigen Mitgliedern von Mayas Einsatztruppe gelang es in der Zwischenzeit, die Rettungskapsel zu öffnen und den bewusstlosen Galornen in die Medo-Sektion zu bringen. Wenig später betrat Meyers, dem sich neben Traban Saranos auch der Arkonide und die Terranerin angeschlossen hatten, den medizinischen Bereich.
*
Chaos umgab ihn, das seinem Geist entsprach. Bilder des Grauens, der Zerstörung – Leid, unendliches Leid – hämmerten auf sein Bewusstsein. Ein Schrei unermesslicher Qual hallte durch den ihn umgebenden, irrationalen Raum. Und dann folgte unendlicher Hass. Wieder schrie er seine Gefühle in das Nichts. Und er bekam Antwort.
»Kämpfe, trenne deinen Geist, kämpfe gegen den Wahnsinn!«
Er sah einen Lichtpunkt, der aus der Unendlichkeit zu kommen schien. Positive Energie umgab ihn. Er trank diese Energie, sog sie wie ein Schwamm in sich auf.
»Nimm deinen Drachen in dich auf. Yin und Yang, die Urkräfte des Universums sind eins, sie sind nur ihre entsprechenden Kehrseiten. Vollziehe die Einheit!«
Sein gequälter Geist klärte sich. Stattdessen wurde er eins mit dem Universum. Zugleich fühlte er Macht, unendliche Macht. Dann empfand er die Umarmung. Das ihn umgebende Licht hatte sich in einer uralten Humanoidin manifestiert. Und er versank in ihren Augen: Augen, die die Ewigkeit widerspiegelten.
»Schlaf! Schlafe mein Kind und träume! Träume von der Vergangenheit und der Zukunft. Du hast eine Aufgabe. Du musst eins sein!«
Dann umgab ihn gnädige Dunkelheit …
*
Auf dem Untersuchungstisch der Medo-Einheit lag der gerettete Galorne. Um ihn herum stand die Führungscrew der VIPER II. Zwischen ihnen herrschte betroffenes Schweigen, niemand konnte sich dem Grauen im Gesicht des Galornen entziehen. Nur die tefrodische Wissenschaftlerin war emsig damit beschäftigt, Untersuchungsgeräte an den Geretteten anzuschließen. Plötzlich bäumte sich der Galorne auf. Ein furchtbarer Schrei ließ die Geräte vibrieren.
»Vorsicht, sein Psi-Potential steigt exponentiell an. Es steht zu befürchten …«
Die Tefroderin brach ab und stürzte zu Boden, wie alle anderen. Einzig Maya blieb auf den Beinen. Um sie herum hatte sich ein bläuliches Feld aufgebaut, das sie anscheinend vor den Auswirkungen der Psi-Energien schützte. Doch genauso schnell wie der Psi-Ausbruch gekommen war, war er auch wieder vorbei. Taumelnd kamen alle wieder auf die Füße und wenig später sagte Sirani:
»Es scheint vorbei zu sein. Das Psi-Potential hat sich wieder normalisiert. Jedoch scheint der Galorne in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen zu sein.«
Der alte Akone machte einige Schritte auf die Medo-Einheit zu, sah in das schlaff gewordene Gesicht und stieß einen Laut der Überraschung aus.
»Das … das ist Arif Chul! Ich habe ihn während einer Konferenz auf Paxus kennen gelernt. Wir haben den Obersten Galornen gerettet!«
Doch bevor irgendjemand sich von der Überraschung erholen konnte, erklang eine weibliche Stimme:
Meine Kinder! Ihr habt genau zwei Zeiteinheiten, ihr nennt sie Stunden, zur Verfügung, um das Galor-System zu verlassen. Ich erlaube euch, in dieser Zeit die Gräuel der Handlanger der Finsternis zu dokumentieren. Aber beachtet, dass ihr Galornia nicht betreten dürft. Es wäre euer Untergang. Und denkt daran – zwei Zeiteinheiten! Ihr müsst euch mindestens zweimal um die Distanz des äußersten Planeten zur Sonne entfernen, nur dann seid ihr sicher!
Die Anwesenden erschauerten. Die Worte bildeten sich innerhalb der Gedanken. Gleichzeitig materialisierte eine alte Frau, die von einer Aura unbeschreiblicher Macht umgeben war. Man sah immer noch, dass sie in ihrer Jugend eine Schönheit gewesen war. Ihr langes, weißes Haar fiel in einer wilden Mähne über ihre Schultern und wurde nur durch einen silbern glänzenden Reif aus dem Gesicht gehalten. Gekleidet war sie in ein weites, wallendes Gewand, das unterhalb der Brüste eng geschnürt war. Langsam schritt sie durch den Raum und blickte jedem der Anwesenden tief in die Augen.
»Wer, wer bist du?«, fragte der alte Akone mit unsicherer Stimme.
Ich habe ungezählte Namen. Aber ihr dürft mich Mutter nennen, denn ihr werdet meine Kinder sein! Beschreitet den Pfad des Lichtes, denn nur er wird der Finsternis widerstehen können!
Vor Maya blieb sie nochmals kurz stehen.
Ich bin stolz auf dich, Tochter. Werde du selbst und du wirst mich in dir finden!
Maya wurde im Blick der alten Frau gefangen und schien sich in ihren Augen zu verlieren. Sie spürte Vertrauen, Geborgenheit, Güte und Liebe, unendliche Liebe. Alles was sie in ihrem jungen Leben gesucht und nie gefunden hatte, war in diesen Augen. Und sie wurde eins, eins mit dem Kosmos, eins mit ihrem Sehnen nach Geborgenheit, eins mit ihren Gefühlen. Die Geburt und das Sterben von Universen sah Maya, schaute, wie auf der Quantenebene die Branen kollidierten und der Zyklus von Schöpfung und Tod der Universen immer wieder neu begann. Sie sah, wie das Radion-Kraftfeld aus Dunkler Energie das Multiversum durchdrang und die Kosmonukleotide des Moralischen Codes miteinander verband. Und sie hörte die Stimme in ihrem Geist, um sie gleich der Logik in einem Traum sofort zu vergessen:
Die Mächte der Finsternis versuchen, die Gesetze des Zufalls, die die Menschen Quantenmechanik nennen, außer Kraft zu setzen und das kosmische Würfelspiel zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Kosmokraten spielen ihnen in ihrer Verblendung in die Hände. Die Finsternis droht das Licht zu verschlingen. Das darf nicht geschehen. Die gegenwärtigen Ereignisse sind erst der Anfang, Dunkelheit und Leid wird über das Universum kommen. Ihr müsst stark sein und an die Kraft des Lichts glauben! Habe Vertrauen, Tochter, du bist auf dem Weg zu dir selbst!
Maya wurde aus dem Bann der Augen entlassen. Die folgenden Worte bildeten sich wieder in den Gedanken aller Anwesenden.
Fliegt zum Ursprung der gegenwärtigen Menschheit und findet den Mann mit den Zwei-Ichs. Er stellt den Schlüssel dar!
Nach diesen Worten löste sie sich in einem Energiewirbel auf.
Der Arkonide sah Maya sinnend an und bemerkte:
»Ist euch eigentlich die Ähnlichkeit zwischen Maya und der körperlichen Erscheinung dieser unbekannten Entität aufgefallen?«
Alle starrten die Angesprochene an. Maya warf mit einer trotzigen Gebärde ihre wilde Mähne nach hinten und fuhr den Arkoniden an.
»Corph, so langsam glaube ich, dass du komplett spinnst. Es ist deine Sache, dich in mystischen Andeutungen zu ergehen, bloß lass mich dabei außen vor. Ich habe nichts, absolut nichts mit irgendwelchen Hohen Mächten zu tun, ich bin, genau wie ihr, aus Fleisch und Blut!«
Der Arkonide schüttelte schweigend den Kopf. Meyers beendete die angespannte Situation, indem er bemerkte:
»Wie dem auch sei, wir haben wichtigere Probleme als Mayas Ähnlichkeit mit der Unbekannten.«
Kurze Zeit später verließen sie die Medo-Station. Nur Sirani blieb zurück, um über den Schlaf des Obersten Galornen zu wachen.
Der Lohn des Verrates
Die schwergewichtige Frau kauerte am Rande des Wahnsinns in den Trümmern eines Gebäudes. Angstvoll umklammerte ihre fleischige Hand den Griff eines Thermostrahlers. Doch nicht einmal der gab ihr ein Gefühl der Sicherheit. Zu unmittelbar hatte sie die Bilder des Grauens vor Augen.
Ihre Kleidung war zerrissen, die mächtigen Brüste quollen unförmig aus den Resten des Mieders. Wäre ein Mensch in der Nähe gewesen, wäre ihm der stechende Geruch aufgefallen, der den kauernden Fleischberg umgab. Miranda Intyre, die Botschafterin der LFT, hatte vor Angst ihre Blase entleert, als sich vor ihren Augen der apokalyptische Kampf zwischen drei Galornen und einer Bestie abspielte. Die Galornen waren zu Berserkern geworden. Sie barg ihren Kopf in den Händen.
Nichts war von ihren hochfliegenden Plänen geblieben. Als die ersten Bomben einschlugen und Tod und Verderben brachten, hatte sie noch triumphiert. Sie hatte den Verlauf der Geschichte verändert, sie hatte dem Emperador die Informationen geliefert, die es ihm ermöglichte, seine Feinde zu zermalmen. Danach hatte sie sich den Luxus gegönnt, ihre Sehnsüchte zu erfüllen. Der Lustandroide war unermüdlich. Er brachte sie in nie gefühlte Höhen und bot ihr alles, was ihr die männliche Spezies ihrer Rasse verweigerte.
Doch als sie aus ihrer geheimen Zuflucht wieder an die Oberfläche kam, hatte sich alles verändert. Galornia hatte sich in den Vorhof der Hölle verwandelt. Der Planet tat ihr nicht leid – wohl aber, dass kein Gesandter des Imperiums kam, um sie abzuholen und ihr den verdienten Lohn zu übergeben. Sie wurde vergessen, war zu unbedeutend, sich ihrer zu erinnern … es war wie immer.
Ein dumpfes Kreischen riss sie aus ihrem Selbstmitleid. Sie hob den Kopf und blickte in eine Fratze, die ihre Albträume überstieg. Und dann versank die Welt in einer einzigen Orgie von nie gefühltem Schmerz. Die Verräterin erhielt ihren Lohn …
Finale
Das weiße Schiff zog sich aus dem Galor-System zurück. Die Warnung der unbekannten Entität war allgegenwärtig. Sie hatten die Zeit genutzt: Die Robotsonden hatten genügend Beweismaterial gesichert, um den Völkermord des Quarteriums zu dokumentieren.
Die Zeit bis zur Einschleusung der Sonden verbrachten sie mit einer unfruchtbaren Diskussion, denn es war wie immer: Es schien das Wesen von Höheren Mächten zu sein, dass sie in Rätseln sprachen.
Doch irgendwie hatten sie das Gefühl, dass diese Entität anders war, mächtiger und noch geheimnisvoller.
*
Und dann begann es. Zuerst war es nur ein kleiner Punkt, der auf den Ortungssystemen sichtbar wurde. Dann breitete sich ein blaues Leuchten über das gesamte System aus. Plötzlich schlossen sich die Hyperraum-Aufrisstrichter, als seien sie nie da gewesen. Das Leuchten stabilisierte sich außerhalb der Umlaufbahn des äußersten Planeten. Die Energieortung zeigte, dass ungeheure Energiemengen aus dem Psi-Spektrum freigesetzt wurden.
Und dann gaben die Systeme nichts mehr an. Es schien, als ob das Galor-System plötzlich energetisch tot sei. Nur die normale optische Ortung zeigte noch die Planeten. Plötzlich wurden auch die projizierten Bilder der Feldteleskope unscharf. Übrig blieb nichts als ein dunkler, vollständig schwarzer Raum – ein Loch im Weltall.
Sie warteten noch einige Zeit in der Hoffnung, vielleicht noch irgendwelche Erkenntnisse über das Schicksal des Galor-Systems zu gewinnen. Doch nichts geschah. Keinerlei Energieemissionen, auch die Feldteleskope der optischen Ortung zeigten nur eins: ein schwarzes Loch im Weltall, undurchdringlich für sämtliche Ortungssysteme. Kurz erwogen sie, mit der VIPER II in diese schwarze Leere einzudringen, aber die unmissverständliche Warnung hielt sie davon ab.
Und wieder diskutierten sie die letzten Worte der Unbekannten. Was war mit »Ursprung der gegenwärtigen Menschheit« und dem »Mann mit den Zwei-Ichs« gemeint? Nach langen Diskussionen fanden sie die wahrscheinliche Lösung: Terra, es konnte sich dabei nur um Terra handeln. Die Lemurer, als die ursprüngliche Menschheit, hatten, von der Erde ausgehend, die Milchstraße und die umgebenden Galaxien besiedelt. Sie sollten also einen »Mann mit Zwei-Ichs« auf der Erde suchen.
Und diese Präzisierung brachte Trabon Saranos auf die Lösung des zweiten Teils des Rätsels. Er erinnerte sich an Sato Ambush, der nach der Gründung des Quarteriums unvermutet Cartwheel verlassen und zur Erde zurückgekehrt war. Sie sollten also Sato Ambush auf der Erde suchen!
Nachdem er seine Ansicht begründet und vor allem die anderen über die Person Sato Ambushs informiert hatte, machte er noch auf einen anderen Aspekt aufmerksam.
»Fragt sich eigentlich niemand, was die Formulierung ›gegenwärtige Menschheit‹ zu bedeuten hat? Das Wort gegenwärtig bedingt doch, dass es auch eine vergangene Menschheit gegeben haben muss. Die Lemurer können damit nicht gemeint sein, denn sie sind ja bekanntlich der Ursprung der gegenwärtigen Menschheit.«
Doch die Diskussion zu diesem Thema war reine Spekulation und Meyers beendete sie durch den Hinweis, dass es an der Zeit wäre zu verschwinden, denn in Kürze dürfte wohl das Quarterium auftauchen, um zu sehen, was mit dem Galor-System geschehen wäre.
*
Einige Zeit später tauchte tatsächlich ein SUPREMO-Verband auf, um die Situation zu untersuchen. Das Ergebnis war jedoch absolut unerklärlich, egal ob mit den Unterlicht-Triebwerken oder im Überlichtflug, das Ergebnis blieb immer gleich. Die Schiffe wurden einfach an der Oberfläche der imaginären Kugel, die einmal das Galor-System war, entlang geführt.
Die Kriegsschiffe setzen alle Waffensysteme ein, über die sie verfügten – ohne Ergebnis. Selbst Arkon- und Gravitationsbomben blieben absolut ohne Wirkung. Es war, als ob sich das Galor-System außerhalb des Raum-Zeit-Kontinuums befinden würde: absolut unerreichbar und absolut sicher. Daraufhin wurde der gesamte Sektor zum Sperrgebiet erklärt.
*
Der Emperador las schweigend die Meldungen. 9.319 Bestien hatten während der Schlacht ihr Leben verloren. Im Gegenzug war das ganze Galor-System samt seiner Bevölkerung verschwunden. Wissenschaftler vermuteten, dass der Einsatz der Hypertrichter das Sonnensystem instabil werden ließ, wodurch es kollabierte.
Immerhin hatten sie dadurch eine offizielle Erklärung für das Verschwinden der Galornen. In einer Verlautbarung von Stephanie hieß es, dass die Galornen durch Tests mit alten, längst verbotenen Waffen sich selbst vernichtet hätten.
Seine Tochter Brettany kam ihn besuchen. Ihr Anblick rührte ihn: Sie war so hübsch, aber auch naiv. Brettany war die gute Seele der Familie. Jedoch hatte sie sich in letzter Zeit oftmals gegen ihn und besonders gegen Stephanie gewehrt. Natürlich wussten weder sie noch ihr Bruder Orlando um die Verbrechen der Artenbestandsregulierung und den Pakt mit MODROR.
»Mein Kind«, begrüßte der Emperador seine Tochter. »Was hast du heute Schönes gemacht? Erzähle es mir.«
Brettany setzte sich neben ihren Vater. Ihre blauen Augen glänzten vor Freude, ihr blondes Haar und ihr weißes Kleid machten sie engelsgleich.
»Ich habe heute mit Orly gesprochen. Es geht ihm gut.« Sie kramte einen Datenspeicher aus ihrer Tasche und aktivierte ihn. Vor dem Emperador erschienen Zahlen, Kalkulationen und viele Tabellen. Es waren Kosten für Hilfsgüter, vor allem Lebensmittel – Soforthilfe für die Saggittonen. Er war gerührt.
»Ich habe diesen Krieg nicht gut gefunden und hoffe, dass wir, sobald er beendet ist, den Saggittonen und Akonen helfen. Hunderttausende leiden an Hunger, Kälte und Verletzungen.«
De la Siniestro dachte darüber nach. Brettany dachte nur an das Wohl der Menschen in jeder Situation. Jeden anderen Quarterialen hätte es beschämt, ein schlechtes Gewissen bereitet, die eben noch Bekämpften zu pflegen und sich wohlmöglich noch ihre Beschuldigungen anzuhören. Doch Brettany hatte ein reines Gewissen. Sie wollte allen helfen.
»Bekomme ich deine Erlaubnis, Vater?«
Der Emperador nickte.
»Gut, dann habe ich noch ein zweites Anliegen. Ich möchte Objursha aufsuchen und sehen, wie es den armen Außerirdischen dort ergeht. Können wir ihnen nicht endlich wieder eigene Systeme geben?«
Der Spanier wurde bleich. Was sollte er tun? Seiner Tochter die Wahrheit erzählen? Nein! Weder Brettany noch Orlando durften etwas von der Artenbestandsregulierung wissen. Sie würden ihn hassen. Diesen Gedanken ertrug er nicht.
»Nein, mein Kind. Objursha und die ABR sind ein heikles Thema. Darum kümmere ich mich persönlich. Setze du dich mit Despair zusammen und koordiniere die humanitäre Hilfe für die Saggittonen und Akonen. Aber halte dich von Objursha fern, bitte!«
Brettany sah ihn verdutzt an. Dann lächelte sie und nickte.
»Also gut, dann wirst du das regeln. Ich wende mich an Despair. Wobei ich es immer unheimlich finde, mit ihm zu reden …«
De la Siniestro lächelte nur. Ihm gefiel das Engagement seiner Tochter, jedoch hatte er Angst, dass sie zu viel herausfand. Deshalb unterband er es und lenkte sie ab.
*
Cauthon Despair
Seit mehr als zwei Monaten tobte die Saggittor-Offensive nun schon. Sie würde vermutlich noch ein bis maximal zwei Monate andauern, ehe die Saggittonen und Akonen kapitulieren würden. Sie konnten gegen die Übermacht nicht auf Dauer durchhalten.
Ich hatte großes Vertrauen in Admiral Orlando de la Siniestro und den forschen General Sizemore, einen begnadeten Strategen des Quarteriums. Sorgen bereiteten mir die Arkoniden, vor allem Jenmuhs. Abgesehen davon, dass sie sehr unlogisch vorgingen, waren die Verluste auf beiden Seiten sehr groß. Auch die Kriegsverbrechen seitens der Arkoniden nahmen immer mehr zu. Ich dachte an die Zeit nach dem Krieg. Jenmuhs schuf mit jedem Verbrechen unter den Saggittonen immer mehr Widerstandskämpfer. Ich verfluchte diesen Narren.
Auf den Displays und den 3D-Projektionen verfolgte ich in meinem kargen, grauen Raum jede Militärbewegung. Beide Nationen standen kurz vor dem Ende. Es war nur noch eine Frage von Tagen.
Meine nervige Sekretärin meldete sich via Interkom. Ihr Gesicht wirkte im fahlen Rotlicht deutlich hübscher als im Hellen. Die gelockten Haare hingen wirr in alle Richtungen.
»Was gibt es, Miss Wird?«
»Hallo, lieber Herr Quarteriumsmarschall. Eine Frau wünscht Sie zu sprechen.« Silke Wird kicherte debil. Wie sie es in meinen Stab geschafft hatte, wusste ich nicht mehr genau. Irgendjemand hatte sie mir als Sekretärin zugeteilt und ich war zu nett gewesen, um sie zu feuern. Sie hatte Freunde wie Anya Guuze und Krizan Bulrich, denn einst war sie mit ihnen zur Schule gegangen.
»Welche Frau?«
»De la Siniestro.«
»Welche?«
»Sagte ich doch eben.«
Ich verdrehte die Augen und forderte, dass die de la Siniestro eintreten sollte. Nun wurde meine Frage beantwortet. Brettany kam herein. Mit einem verbalen Befehl stellte ich das Licht heller und verringerte die Dunkeltönung der Fenster. Die Tochter des Emperadors schien sehr verunsichert – und ebenso schön. Von jungfräulicher Reinheit und dazu von erfrischender Naivität und Gutmütigkeit.
»Was kann ich für Sie tun?«
Sie erklärte mir den Grund ihres Kommens. Brettany wollte den notleidenden Saggittonen und Akonen helfen. Eine edle Idee und ihrer würdig.
»Wie lauten Ihre Pläne genau, Prinzessin?«
Sie erklärte mir, dass sie persönlich den Menschen dort helfen und alle mit einer Flotte von mehreren Medo-Raumschiffen versorgen wollte. Außerdem forderte sie, dass der Krieg sobald wie möglich beendet werden sollte. Ich stimmte ihr zu. Brettany fing an, mir zu gefallen. Sie legte ihre offensichtliche Furcht vor mir ein wenig ab, nachdem sie merkte, dass ich für ihre Gedanken offen war. Sie war wunderschön und so ehrlich und gütig. Ich hatte bisher fast nie einen Gedanken an sie verschwendet, denn zumeist stand sie im Schatten ihrer zwar attraktiven, aber völlig verkommenen Schwester.
Nachdem sie mir ihr Vorhaben in allen Einzelheiten erläutert hatte, sah sie mich fragend an. Für einen Moment verlor ich mich in ihren blauen Augen, in ihrem unschuldigen Lächeln. Es war bemerkenswert, dass Brettany wohl noch nie einen Freund gehabt hatte. Zumindest war mir nichts darüber bekannt. Sie lebte wohl ein sehr behütetes Leben. Anders als die meisten Frauen von heute. Wobei die Werte der Ehe und die monogamen Beziehungen seit 1297 NGZ in Cartwheel deutlich gestiegen waren. Das waren die ersten Früchte unserer Arbeit.
»Ich halte Ihre Ideen für ausgezeichnet. Es ist sehr mutig von Ihnen, dass Sie ins Kriegsgebiet wollen, doch ich unterstütze dies. Jedoch werde ich für Ihren Schutz Sorge tragen.«
»Danke, Despair. Oder darf ich Cauthon sagen? Wir kennen uns ja nun auch schon ein paar Jahre …«
»Prinzessin, ich empfinde Ihre persönliche Ansprache als Ehre. Danke … Brettany.«
Sie lächelte wieder. Dann wurde sie plötzlich ernst und blickte auf die dreidimensionale Abbildung der Flotten.
»Wann wird dieser Krieg endlich aufhören? Überall nur Mord und Totschlag. Ich dachte, die Saggittonen sind unsere Freunde. Nun bekämpfen wir sie. Alles ist so schrecklich geworden …«
Brettany hatte recht, aber sie kannte nicht die ganze Wahrheit. Wir führten diesen Krieg für MODROR. Durch MODRORs Regentschaft würde eine bessere Zeit anbrechen. Bis dahin galt es, Opfer zu bringen.
»Irgendwann wird es Frieden geben«, erwiderte ich. »Ein Frieden, der auf hohen moralischen und ethischen Werten beruhen und die Menschheit einen wird. Es gibt ein Licht am Ende des finsteren Tunnels.«
»Glauben Sie wirklich daran?«
»Sonst würde ich nicht dafür kämpfen.«
Ihre Lippen wurden von einem feinen Lächeln umspielt. Offenbar schenkte sie mir Glauben.
»Dennoch sollten wir schon jetzt alles daransetzen, den Unschuldigen zu helfen. Ich …«
Das Signal meines Interkoms unterbrach unser Gespräch. Nicht schon wieder eine Störung dieser nervigen Person, doch es war eine andere Leitung. Das Gesicht von Orlando de la Siniestro erschien auf dem Monitor.
»Quarteriumsmarschall, wir haben soeben ein Kapitulationsangebot der Akonen und Saggittonen erhalten!«
5. Kapitulation
Saggittor, 27. Mai 1306 NGZ
Auszug aus dem persönlichen Tagebuch Jaaron Jargons
Wir saßen in einem der wenigen, unzerstört gebliebenen Bunker, der sich auf dem Gelände des ehemaligen Regierungspalastes des saggittonischen Kanzlers befand. Wir, das waren meine Nichte Nataly, ihre neue Freundin Kathy und der saggittonische Vizekanzler Rauoch. Kurz zuvor waren die Techniker verschwunden, die den Bunker zu einer provisorischen Befehlszentrale ausgebaut hatten.
Der Terrorangriff der Dolans war verheerend gewesen, obwohl schwerpunktmäßig nur zivile Ziele angegriffen wurden, war die gesamte Infrastruktur des Planeten weitgehend zerstört worden. Noch schlimmer war der Verlust an unschuldigen Menschen, die Bestien hatten ihrem Namen alle Ehre gemacht.
Auf provisorisch installierten Kommunikationskanälen liefen die Schadensmeldungen ein. Die Lage war hoffnungslos, an eine koordinierte Verteidigung Saggittors war nicht mehr zu denken. Und mitten in die Hiobsbotschaften kam die Meldung einer zweiten Angriffswelle, die wiederum durch die Dolans ausgeführt wurde. Die Meldungen überschlugen sich, die saggittonische Abwehr war machtlos.
Etwa fünftausend Dolans war es gelungen, den zentralen Raumhafen einzunehmen und einen Brückenkopf zu bilden. An Bord der Retortenschiffe befanden sich, neben den Bestien, noch einige Kompanien Grautruppen und arkonidische Eliteeinheiten, die sofort begannen, den Stützpunkt in Richtung auf das Regierungsviertel auszuweiten. Wir waren am Ende und mussten den Bunker räumen. Rauoch würde versuchen, sich zum provisorischen Flottenkommando durchzuschlagen, während wir im Umland untertauchen wollten.
*
Über versteckte Wege hatte Rauoch inzwischen das provisorische Flottenhauptquartier, das sich auf einer Insel vor dem Hauptkontinent befand, erreicht. Er war froh, dass seine Flucht aus dem Regierungsviertel gelungen war, aber die strategische Lage, über die er informiert wurde, war aussichtslos. Die Bestien und die mit ihnen gelandeten Grautruppen siegten auf der ganzen Linie. Die letzten Meldungen zeigten, dass das gesamte Regierungsviertel unter der Kontrolle der Invasoren stand. Die wenigen Bilder, die über noch aktive Kommunikationskanäle das Flottenkommando erreichten, waren furchtbar.
Die Invasoren machten sich unbeschreiblicher Gräuel schuldig. Während die Bestien und Grautruppen vor allem jeden Widerstand mit äußerster Brutalität brachen, machten arkonidischen Eliteeinheiten Jagd auf die Zivilbevölkerung. Überlebende, denen die Flucht aus dem Regierungsviertel gelungen war, berichteten von Massenexekutionen der männlichen Bevölkerung und planmäßigen Vergewaltigungsorgien durch die durchgedrehte arkonidische Soldateska. Die Niederlage, die Jenmuhs vor einigen Wochen erlitten hatte, schien sie in unberechenbare Mörder verwandelt zu haben. Danach begannen die Arkoniden, Stützpunkte aufzubauen und Frauen und Kinder als lebende Schutzschilde zu benutzen.
Rauoch war macht- und ratlos, der Befehl zu einem Gegenangriff hätte den Tod tausender unschuldiger Kinder und Frauen bedeutet. Immer wieder wurden Pläne entwickelt und dann wieder verworfen. Rauoch war nicht bereit, die Vernichtung der eigenen Zivilbevölkerung in Kauf zu nehmen.
Die Lebenden werden die Toten beneiden …
Merdaun kauerte mit seiner Familie im Kellerraum des Hauses, das einmal sein Heim gewesen war. Seine beiden Kinder, die 15-jährige Seaum und der 11-jährige Nauri, hatten sich in die Arme seiner Frau Daroi geflüchtet, die ihnen beruhigend über die Köpfe strich. Über ihnen war die Hölle ausgebrochen. Das ganze Stadtviertel hatte sich durch den Angriff der schwarzen Raumschiffe in ein Trümmerfeld verwandelt.
In der Hauptstadt hatten die Invasoren »nur« Sprengbomben und keine Kernwaffen eingesetzt. Der Kellerraum war der traurige Rest ihres Heims, auf das sie einmal so stolz gewesen waren, und als einziger noch bewohnbar. Dieser Begriff war für sie relativ geworden. Bewohnbar hieß in ihrem Falle, dass sie auf einigen Decken, die sie aus den Trümmern geborgen hatten, schliefen und aus dem Ablasshahn der Wasserinstallation notdürftig ihren Durst löschen konnten. Aber der Hunger wurde zum Problem. Sie hatten seit über zwei Tagen nichts mehr gegessen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als im Grauen der Trümmerwüste nach Nahrung zu suchen.
Vorsichtig schlich Merdaun durch das Chaos, das einmal eine blühende Stadt, die Metropole eines Sternenreiches, gewesen war. Wie gefährlich es außerhalb des Kellers war, hatte er schnell bemerkt, als es ihm im letzten Augenblick gelungen war, sich hinter einem Trümmerberg zu verstecken. Von dort musste er mit ansehen, zu was eine völlig verrohte Soldateska fähig war. Eine arkonidische Patrouille hatte in den Ruinen eines Hochhauses einige Überlebende aufgespürt.
Was dann folgte, zeigte ihm deutlich, dass die Invasoren völlig enthemmt waren. Sie trieben drei Überlebende aus den Trümmern, zwei Männer und eine Frau, um sie auf bestialische Weise zu töten. Er war froh, dass Daroi und die Kinder zurückgeblieben waren und nicht Zeugen dieser Grausamkeiten werden mussten. Nach endlosen Minuten, die ihm wie Stunden vorkamen, war es vorbei. Vorsichtig schlich er zurück, seine Hand umklammerte die Tüte mit dem mageren Ergebnis seines Streifzuges. Er wusste, dass er bald wieder die Sicherheit des Kellers verlassen musste.
Dort erwarteten ihn seine Lieben, die ihm aus großen Augen ängstlich entgegenblickten. Beruhigend hob er die Hand und zeigte die erbeuteten »Köstlichkeiten«, die wenigstens vorläufig ihren Hunger stillen würden. Bitter betrachtete er die halb verdorbenen Lebensmittel, die normalerweise in die biologische Verwertung gewandert wären. Müll, sie mussten von Abfall und Müll leben, aber wenigstens lebten sie. Und dann stillten sie ihren nagenden Hunger.
*
Der heruntergekommene Arkonide schlich durch das Labyrinth aus Mauerteilen, Stahlplastpfeilern und Einrichtungsgegenständen, das einmal ein blühender Stadtteil der Hauptstadt Saggittors gewesen war. Sein verlebtes Gesicht war zu einem bösartigen Grinsen verzogen, als er einen tiefen Schluck aus der Schnapsflasche nahm, die das arkonidische Flottenkommando an die gelandeten Sondereinsatztruppen ausgeteilt hatte. Admiral da Isaak hatte bei der Einsatzbesprechung das Ziel der Landeoperation folgendermaßen umschrieben:
Saggitton hat es gewagt, der göttlichen Überlegenheit der arkonidischen Rasse den Respekt zu verweigern. Unser glorreicher Führer, der Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs, musste sich schmachvoll zurückziehen, während die terranischen Barbaren triumphierten. Eure Aufgabe wird es sein, diese Schmach für immer zu tilgen. Ihr werdet dafür sorgen, dass in Zukunft jeder dieser Untermenschen beim Anblick eines Arkoniden vor Angst zu zittern beginnt. Zeigt ihnen ihren Platz zu unseren Füßen! Verbreitet Schrecken und Terror, kennt kein Erbarmen!
Lautes Gegröle hatte ihm geantwortet. Der Abschaum der arkonidischen Welten bildete Jenmuhs Sondereinsatztruppen: Mörder, Zuhälter und verurteilte Psychopathen. Ihnen war die Chance geboten worden, ihre Gelüste unter dem Deckmantel militärischer Notwendigkeit auszuüben: ungezügelt und ungestraft. Das sollten sie sogar tun: Bevor die Truppen an Bord der Dolans gingen, wurden Drogen ausgeteilt, die ihre wenigen verbliebenen Hemmungen aufhoben, ihnen jede Regung von Mitgefühl nahm, die vielleicht doch in ihnen aufkommen könnte, und ihre Gier noch anstachelte. Die Hölle hatte ihre skrupellosen Bestien entlassen.
Hier musste es sein – endlich hatte der Mann einen Zugang gefunden. Der Saggittone, den er beobachtet hatte, musste hier verschwunden sein. Leise schob er sich einige Meter in den Gang hinein und hörte Stimmen. Darunter war mindestens eine Stimme die einer Frau. Das war genau, was er gesucht hatte. Fiebrige Gier stieg in ihm auf. In Erwartung des Kommenden begann er, sich zwischen den Beinen zu reiben. Doch ließ ihn das Risiko zögern. Allein war er vielleicht den Saggittonen unterlegen. Vorsichtig, um sich nicht durch ein Geräusch zu verraten, schlich er wieder zurück, um seine Kumpane zu holen.
*
Sie hatten die kärgliche Mahlzeit beendet. Sorgfältig packte Merdaun die Reste der Lebensmittel zusammen. Damit mussten sie noch mindestens einen weiteren Tag auskommen. Sein Blick fiel auf seine Tochter, die angewidert auf eine verschimmelte Frucht starrte und sie dann mit einer Gebärde des Abscheus an die Kellerwand warf.
Als er sie jedoch zurechtweisen wollte, alarmierte ihn ein Geräusch aus dem halbverfallenen Gang, der ihre Verbindung zur Oberfläche darstellte. Im gleichen Moment hechtete eine Gestalt in den Raum und richtete einen Thermostrahler auf sie. Entsetzt blickte Merdaun genau in das Gesicht eines der weißhaarigen Teufel, das sich zu einer bösartigen Fratze verzog.
Den Albtraum komplett machten zwei weitere Weißhaarige, die ihm auf den Fersen folgten. Sie bezogen Position vor dem Eingang. Ihre gezogenen Waffen sprachen eine ebenso unmissverständliche Sprache wie ihre verkommene Art.
»Na, wen haben wir denn da? Genau das Richtige! Wir werden viel Spaß miteinander haben, das verspreche ich euch!«
Bei diesen Worten machte der erste Arkonide einige Schritte auf Daroi zu und starrte begehrlich auf ihre Brüste, die unter der zerrissenen Bluse deutlich sichtbar waren.
»Los, stellt euch nebeneinander an die Wand und dann zieht ihr euch aus. Alle, wir wollen ja nicht, dass ihr irgendwelche Waffen unter euren Lumpen versteckt.«
Mit einem dreckigen Grinsen stieß er Daroi den Lauf seiner Waffe zwischen die Beine.
»Los, beweg dich, bevor ich die Geduld verliere und nachhelfe!«
Merdaun hatte sich etwas gefangen. Mit zitternder Stimme antwortete er:
»Wir … wir sind Zivilisten und müss…«
Weiter kam er nicht. Ein anderer Arkonide trat ihm brutal in den Unterleib und brüllte:
»Zivilisten? Dreck seid ihr, nichts als Dreck! Gerade richtig, um die Rechnung dafür zu bezahlen, wie viele unserer Kameraden von euch verdammten Saggittonen gekillt wurden. Untermenschen seid ihr. Ich zähle jetzt bis zehn, wenn ihr dann nicht nackt dasteht, helfe ich nach.«
Mit diesen Worten zog er ein Messer mit gebogener Klinge, das er Merdaun gegen den Schritt drückte. Und dann begann er zu zählen. Zitternd legten sie ihre zerrissenen Kleider ab. Die Arkoniden beobachteten die Demütigung und machten obszöne Bemerkungen. Einer öffnete seine Hose und begann sich ungeniert zu befriedigen. Nur Seaum hatte ihre Aufsässigkeit nicht verloren, denn sie blickte dem vor ihr stehenden Arkoniden verächtlich in die Augen, während sie sich langsam und aufreizend ihrer Kleidung entledigte.
»Na du kleine Nutte – hast du schon einen Mann gehabt, ich meine, einen richtigen Mann?«
Sie blickte ihn hasserfüllt an und zischte:
»Wenn du Abschaum mit einem richtigen Mann dich meinen solltest, dann würde ich mich mal zuerst waschen. Intimhygiene scheint bei euch arkonidischen Schweinen wohl nicht auf der Tagesordnung zu stehen.«
Der Arkonide starrte sie einige Augenblicke lang völlig verblüfft an, dann fiel er über sie her. Das war das Signal für die anderen. Was folgte, war eine Orgie von Gewalt, sexueller Perversionen und unbeschreiblicher Gräuel. Und plötzlich war es vorbei. Eine schneidende Stimme durchdrang das Chaos aus Schreien und Gekeuche.
»Was ist hier los?«
Ein weiterer hochgewachsener Arkonide hatte den Keller betreten. Seine Waffe zeigte unmissverständlich auf die drei. Dann trat er einem der Arkoniden in die Seite, der noch seine geöffnete Uniformjacke trug.
»Gefreiter, machen Sie Meldung und zwar schnell, bevor ich die Geduld verliere.«
Der Angesprochene erblasste und versuchte mit nacktem Unterkörper Haltung anzunehmen.
»Oberleutnant, seien Sie kein Spielverderber, es ist noch genug für …«
Weiter kam er nicht. Ein gedankenschneller Dagorschlag brach sein Genick. Mit dem Stiefel schleuderte der Offizier die Waffen außer Reichweite.
»Ihr seid Abschaum, nichts als Abschaum, nicht würdig, der arkonidischen Rasse anzugehören. Ihr solltet Angst und Terror verbreiten und euch nicht im Dreck mit den Untermenschen wälzen. Wegen Rassenschande verurteile ich euch hiermit zum Tode.«
Der Strahler entlud sich zweimal und beendete das Leben der arkonidischen Bestien. Danach trieb er die beiden Kinder in eine Ecke. Nachdem er einen kurzen Blick auf Merdaun und Daroi geworfen hatte, murmelte er: »Zu nichts mehr zu gebrauchen.« Und wieder entlud sich die Waffe. Danach herrschte er die Kinder an:
»Los, zieht eure dreckigen Lumpen an, für euch habe ich noch Verwendung. Ihr Untermenschen scheint das Leben eurer Brut höher einzuschätzen als die Ehre eurer Rasse.«
Seaum starrte ihn hasserfüllt an. Mit zitternden Händen streifte sie die kurzen Shorts und den Rest der Bluse über. Nauri rührte sich jedoch nicht. Zitternd kauerte er in einer Ecke, ein lautloses Schluchzen schüttelte seinen Körper.
»Los, bring deinen Bruder auf die Füße. Wenn er nicht aufsteht, ist er für mich wertlos.«
Rasch beugte sich Seaum über Nauri. Ihre Hände streichelten sein Gesicht. Doch er rührte sich nicht. Beruhigend redete sie auf ihn ein und zog ihn in die Höhe. Seine Augen starrten ihr leer entgegen. Sie nahm das dreckige Shirt und streifte es ihm über den Kopf. Anschließend zog sie ihm noch seine Hose an und zog ihn mit sich. Der Arkonide trieb sie durch endlose Trümmerwüsten, bis sie am Rand der Hauptstadt ein neu angelegtes Lager der Invasoren erreichten. Um dieses Lager herum waren schon Hunderte von Frauen und Kindern zusammengepfercht, die als lebende Schutzschilde dienten. Der zweite Teil ihres Martyriums hatte begonnen …
New Sphinx, zur gleichen Zeit
Der Untergang der akonischen Republik vollzog sich völlig unspektakulär. Im Grunde hatte die Flottengruppe Süd unter Orlando Siniestro und General Sizemore schon gesiegt, denn die Blockade schnitt die akonische Hauptwelt von sämtlichen Nachschubmöglichkeiten ab. In dieser Situation genügte es, dass Orlando zweitausend Dolans in einen Orbit um New Sphinx gehen ließ. Die allgegenwärtige Drohung der Retortenschiffe machte den Akonen die Aussichtslosigkeit ihrer Lage klar.
Orlando hatte mit Torsor die Übereinkunft getroffen, dass die Dolans nur im Falle eines Angriffs aktiv würden. Torsor hatte widerstrebend zugestimmt. Orlandos Argumente hatten ihn überzeugt, dass ihnen im Falle einer friedlichen Übernahme des Planeten die Forschungskapazitäten und die zentrale Raumschiffwerft von New Sphinx unversehrt in die Hände fallen würden.
Der Sohn des Emperadors hatte es sogar zugelassen, dass sich die akonische Flotte außerhalb des Belagerungsrings sammelte, denn sie stellte für seine Schiffe keine Bedrohung mehr dar. Massiven Einwänden General Sizemores hielt er entgegen, dass jedes Leben, das jetzt noch dem Moloch des Krieges geopfert würde, moralisch nicht mehr zu vertreten sei. Sie hatten gesiegt.
Konsequenz der Verzweiflung
Die Stimmung innerhalb des saggittonischen Flottenkommandos war verzweifelt. Zwar konnte die Raumflotte mehrere Landungsversuche der Arkoniden abwehren, aber das Problem des Brückenkopfes war nicht lösbar. In dieser Situation meldete sich der akonische Kanzler Mirus Traban über eine bestehende Hyperfunkbrücke.
Nachdem sich die beiden Regenten kurz über die aktuelle Lage ausgetauscht hatten, kam der Akone zur Sache:
»Wir haben keine Chance mehr, Rauoch. Uns bleibt nur noch die Kapitulation. Es geht nur noch darum, möglichst günstige Kapitulationsbedingungen auszuhandeln. Darüber hinaus müssen wir verhindern, dass unsere Schiffe in die Hände des …«
»Wie soll das möglich sein?«, unterbrach der Saggittone den akonischen Kanzler.
Plötzlich wurde der von der Kamera übertragene Bildausschnitt größer und neben dem Akonen wurde das Gesicht von Rosan Orbanashol-Nordment sichtbar, die auf Rauochs Frage antwortete.
»Rauoch, bitte höre mir zu. Ich habe eine Nachricht von Osiris erhalten. Wir sollen uns nach UDJAT zurückziehen, um unsere Kräfte dort zu sammeln. Osiris übernimmt unseren Schutz vor einer eventuellen Verfolgung durch quarteriale Einheiten. Mirus und du müssen zum Schein Verhandlungen mit dem Emperador aufnehmen, um uns die nötige Zeit zu geben, unsere Flucht vorzubereiten. Übrigens, bevor du danach fragst: In Cartwheel selbst kann Osiris uns nicht unterstützen, er sagt, ihm seien hier noch die Hände gebunden. Auch von der LFT können wir keine Hilfe erwarten. So bleibt uns nur die von mir vorgeschlagene Lösung.«
Die beiden Führer der Alliierten verständigten sich darauf, dass der Akone bei den Verhandlungen federführend sein sollte. Als Treffpunkt wurde der zweite Planet einer einsamen Sonne außerhalb der Zentralregion Cartwheels vorgeschlagen, der zu keiner am Krieg beteiligten Gruppe gehörte. Von jeder Seite sollten nur zwei Schiffe entsendet werden, um ein Übergewicht einer Seite zu vermeiden. Und um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, wurde vereinbart, für den Fall, dass der Emperador eine Übereinkunft ablehnen würde, zu drohen, dass Saggittor und Akon mit den Resten ihrer Flotten in den äußeren Ring Cartwheels fliehen und aus dem energetischen und hyperphysikalischem Chaos heraus einen Guerillakrieg gegen das Quarterium beginnen würden.
Wenig später verließ Rauoch seine Heimatwelt, um an Bord des saggittonischen Flaggschiffes zu gehen. Innerlich war er von widerstrebenden Gefühlen zerrissen. Er wusste, dass er seine Welt, die ihm von Aurec anvertraute Saggittonische Republik, der Willkür und dem Terror des Quarteriums auslieferte. Aber er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Weder Saggittor noch der gemeinsamen Sache wäre geholfen, wenn er sich und die Reste der Flotte dem Quarterium auslieferte.
Paxus, 03. Juni 1306 NGZ
Im Moncloa-Saal des Paxus-Towers hatten sich die in Cartwheel weilenden Führer des Quarteriums versammelt, um die bisherigen Erfolge zu besprechen.
Der Emperador war am Vortag zusammen mit Cauthon Despair von dem vereinbarten Treffen mit Mirus Traban und Rauoch zurückgekehrt. Sie hatten auf ein zweites Schiff verzichtet und waren gemeinsam mit der EL CID, dem Flaggschiff Despairs, gekommen. Vereinbarungsgemäß erschienen der Saggittone und der Akone ebenfalls nur mit einem Schiff, wobei das saggittonische Flaggschiff VOHES genauso beeindruckend wie die EL CID wirkte. Neben den beiden Riesen wirkte das akonische Flaggschiff wie ein Zwerg.
Kurz nach der Ankunft der drei Schiffe hatten sich die Delegationen auf dem namenlosen Sauerstoffplaneten getroffen. Die Verhandlungen waren kurz und unfreundlich gewesen, man einigte sich auf einen einwöchigen Waffenstillstand. Danach sollten die saggittonischen und akonischen Welten unter die Verwaltung des Quarteriums gestellt werden. Der Emperador garantierte, dass die Bevölkerung der beiden Republiken, sofern sie sich der Hoheit des Quarteriums unterwarfen, den Bürgern des Quarteriums gleichgestellt werden würden.
Im Gegenzug sollten alle Industrieanlagen, vor allem die Werftanlagen der Flotten, unversehrt übergeben werden. Noch am Vorabend hatte der Emperador ein persönliches Gespräch mit Torsor, um ihn über das Ergebnis zu unterrichten. Er konnte das Einverständnis des Quarteriumsfürsten damit gewinnen, dass man nur auf diese Weise die industriellen Kapazitäten Saggittors und Akons für das Quarterium erhalten konnte. Mit diesem Argument hatte bereits Orlando Torsor überzeugt, da der dem Emperador schon bei seiner Rückkehr von Galornia die Rechnung präsentiert hatte: Bedingungslose Unterstützung bei der geplanten Eroberung von M 87 und der Vernichtung der Konstrukteure des Zentrums!
In der folgenden Sitzung waren es vor allem der arkonidische Machthaber Jenmuhs und, zu seiner Bestürzung, seine Tochter Stephanie, die sich vehement gegen den Waffenstillstand aussprachen. Niesewitz saß wie abwesend am Tisch und schien die Auseinandersetzungen still zu genießen. Schließlich war es Despair, der die unerfreuliche Situation kurzerhand beendete, indem er den Gos’Shekur am Revers seiner Phantasieuniform aus dem Kontursessel zog und ihn anherrschte, dass er seine Tapferkeit und Kampfeslust besser an der Front bewiesen hätte. Das wiederum wurde von Torsors dröhnendem Gelächter begleitet, die Bestie schien sich köstlich zu amüsieren.
»Der Krieg ist vorbei. Wir werden die Kapitulation der Akonen und Saggittonen akzeptieren. Emperador – Ihre wohlerzogene Tochter Brettany ist seit dem Waffenstillstand emsig dabei, die Not der Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu lindern. Wir sollten damit weitermachen, um aus den Saggittonen und Akonen keine Widerstandskämpfer zu bilden.«
Despair wandte sich an Jenmuhs.
»Ich habe die 501. Grautruppendivision zum Schutz von Miss Brettany auf Saggittor stationiert. Sie haben Feuerbefehl auf alle arkonidischen Soldaten, die sie betrunken antreffen und insbesondere auf jene, die Verbrechen an der Zivilbevölkerung begehen.«
Stephanie de la Siniestro und Jenmuhs meckerten los, bis Torsor mit der Faust auf einen Nebentisch schlug und diesen zertrümmerte. Stephanie schrie erschrocken auf und Jenmuhs fiel vor Schreck aus seinem Sitz. Torsors Stimme klang wie nahender Donner. »Ich stimme Despair zu. Konzentrieren wir uns nun auf wichtigere Themen: Die Invasion in Druithora!«
Auszug aus dem persönlichen Tagebuch Jaaron Jargons
Wir waren vorläufig in Sicherheit, sofern man auf Saggittor überhaupt noch von Sicherheit reden konnte. In einem kleinen Dorf, das etwa zwei Stunden von Saggitton entfernt war, fanden wir bei einer Familie Zuflucht. Die Menschen waren einfache Bauern, die eine Nische des saggittonischen Nahrungsmittelbedarfs nutzten, indem sie biologisch angebaute Nahrungsmittel erzeugten.
Die einzige Verbindung mit der Außenwelt war ein TiVi-Gerät, dessen Nachrichten immer schlimmer wurden. Mit Entsetzen verfolgten wir die Schilderungen von Überlebenden, die von Massenexekutionen und Vergewaltigungsorgien der Arkoniden berichteten. Nach dem Bericht war ich wie gelähmt, während Nataly und Kathy von Weinkrämpfen geschüttelt wurden. Unsere Gastgeber verfolgten die Berichte wie versteinert. Kurz darauf verschwanden Vater und Tochter einige Zeit, dem wir jedoch keine Bedeutung zumaßen.
Am nächsten Tag erfolgte auf allen Programmen eine Bekanntmachung der Regierung, in der Rauoch die Kapitulation Saggittors und Akons bekannt gab. Er rief alle Bürger auf, die Ruhe zu bewahren und die Anordnungen der neuen Machthaber ohne Widerstand zu befolgen. In dieser Situation fiel mir auf, dass unser Gastgeber etwas wie »unfähiger Technokrat« murmelte und mit der Faust auf den Tisch schlug. Doch eine Geste seiner Frau brachte ihn wieder zur Besinnung.
6. Wer nicht kämpft, ist schon gestorben
Die beiden Mädchen kauerten hinter dem Müllberg, der am Rande des arkonidischen Lagers errichtet wurde. Die als Wachen eingeteilten Grautruppen beachteten sie nicht, die Mädchen stellten in ihren Augen keine Bedrohung dar. Mit gierigen Händen teilten sie die Nahrungsmittelration, die ihnen ein Soldat der Grautruppen zugeworfen hatte. Es war unglaublich, aber die konditionierten Klonkämpfer, die ihrem Aussehen nach Albträumen entsprungen schienen, hatten sich als anständiger erwiesen, als die hochmütigen Arkoniden. Sie schienen Mitleid für die Kinder zu empfinden und nutzten jede Gelegenheit, ihnen Nahrungsmittel zuzustecken.
Auf ihren Kombinationen stand die Bezeichnung »501.«. Die beiden Mädchen hatten erfahren, dass es sich dabei um Cauthon Despairs Elitedivision handelte.
Dabei musste sie aufpassen, nicht von einem der weißhaarigen Unmenschen beobachtet zu werden, denn die bestraften dies als versuchten Widerstand gegen die Lagerordnung. Diejenigen, die sich nicht in die Nähe der Riesen trauten, mussten vom Abfall leben, der ihnen von den Arkoniden gegen entsprechende »Gegenleistungen« überlassen wurde. Das Lager war zu einem Vorhof der Hölle geworden, in dem nur die Starken überlebten.
*
Sie hatten es überstanden, wieder hatten sie den Preis für ihr Überleben bezahlt – wie jede Nacht, wie jeden Tag. Seaum klammerte sich schutzsuchend an ihre ältere Freundin. Und dann begann das Ritual, das ihnen die Kraft gab, im Grauen zu überleben, die Brutalität zu vergessen im Augenblick der Ekstase. Ihre Hände erforschten zärtlich die geschundenen Körper, spendeten einander Trost, die Münder liebkosten die Freundin, murmelten liebevolle Worte, glätteten die Spuren der Misshandlungen.
Nachdem sie noch einige Minuten in stummer Umarmung liegen geblieben waren, verschwanden sie wieder im Dunkel, das zu ihrem Verbündeten geworden war – lautlos, ungesehen, zwei Schemen in der Nacht.
Ein Tag in der Hölle
Der nächste Tag dämmerte heran. Seaum schüttelte ihren Bruder, es war Zeit aufzustehen. Sie mussten ihre Pflichten erfüllen, denn wer nicht mehr arbeiten konnte, war wertlos und wurde auf der Stelle entsorgt, wie es der Teufel, der die Aufsicht über sie führte, nannte.
Die weißhaarigen Sadisten hatten sich eine Reihe von Arbeiten ausgedacht, um die saggittonischen Geiseln zu entwürdigen. Sie mussten die Latrinen leeren und putzen, die Böden der Baracken auf den Knien fegen, die Wäsche waschen, immer von Schlägen und Tritten begleitet. Und nach Einbruch der Dunkelheit standen andere Dienste an, heimlich und ungesehen, für ein lebenswichtiges Stück Brot oder ein Reststück Fleisch, obwohl offiziell jeder Kontakt mit den Geiseln verboten war.
Nauri starrte sie aus leeren Augen an, wie jeden Morgen, jeden Tag. Mechanisch streifte er die Lumpen über, die man ihnen als Kleidung überlassen hatte. Sein linkes Auge war zugeschwollen und zeugte von den Misshandlungen, die er erleiden musste. Seaum nahm ihn in den Arm und versuchte ihn zu trösten. Doch es war zwecklos: Sein Ich, sein Bewusstsein hatte sich in unzugängliche Fernen zurückgezogen und was blieb, war nur diese leere Hülle. Sie zog ihn nach draußen, die Latrinen warteten.
Sie waren auf dem Appellplatz angetreten, etwa neunzig geschundene, gequälte, erniedrigte Gestalten. Wieder wanderte ihr Blick über ihre Leidensgenossen. Wie jeden Morgen registrierte sie, dass einige Gesichter fehlten. Sie waren zu schwach, hatten selbst ihre Qualen beendet oder waren »entsorgt« worden – lebender Müll, wie sie der arrogante Hauptmann nannte, der sie für die Befriedigung seiner perversen Gelüste jede Nacht missbrauchte.
Ihr Blick suchte die Augen ihrer Freundin. Borsali gab ihr die Kraft, den Mut, alles was sie brauchte, um nicht zu zerbrechen. Ohne die Invasion der Teufel hätten sie sich wohl nie kennengelernt. Zu verschieden waren ihre Lebensumstände gewesen. Borsali war in den Slums der Hauptstadt aufgewachsen, ein Kind der Straße. In einer Nacht hinter dem Müllhaufen hatte sie ihr ihre Lebensgeschichte erzählt: Den Vater hatte sie nie kennengelernt, die Mutter verkaufte ihren Körper für ein paar Schnäpse oder Drogen.
Borsali war weggerannt, als ihre Mutter auch sie verkaufen wollte, die Jahre auf der Straße und die Jugendgangs hatten sie geformt: Eiskalt war sie, hart wie Federstahl und gnadenlos. Mit ihren sechzehn Jahren war sie nur geringfügig älter als Seaum, aber der jahrelange Kampf in den Slums gab ihr die Erfahrungen, die es ihr ermöglichten, in der Hölle des arkonidischen Lagers zu überleben. Und mit ihr Seaum. Sie waren am Tag ihrer Einlieferung in das Lager Freundinnen geworden.
Der sadistische Aufseher hatte sie damals mit dem Kopf in eine Latrine voller Fäkalien getaucht, um sie »einzubrechen«, wie er sich ausdrückte. Danach war sie auf brutalste Weise ausgepeitscht worden. Seaum hatte sich gegen die Erniedrigung und Gewalt aufgelehnt und wollte ihren Peiniger angreifen. Borsali hatte das verhindert, indem sie sich auf sie gestürzt und eine verzogene, überhebliche Schlampe genannt hatte. Dabei hatte sie ihr ins Ohr geflüstert mitzuspielen und vor allem richtig zuzuschlagen. Seaum hatte schnell begriffen und war nichts schuldig geblieben.
Der Arkonide hatte sich köstlich amüsiert und zwischendurch beide brutal getreten. Am Ende waren sie fertig, unfähig sich zu rühren. Danach mussten sie gemeinsam die Latrine reinigen. Dabei konnten sie miteinander sprechen und Borsali nahm sie unter ihre Fittiche. Sie erklärte Seaum, dass sie hier Freiwild wären, den Launen und Gelüsten des Lagerpersonals hilflos ausgeliefert. Und dann machte sie ihr den Vorschlag, sie zu ihrem »Beschützer« mitzunehmen, einem arkonidischen Hauptmann. Seit sie jeden Abend seine Lust befriedigte, hatte sie vor den anderen Ruhe. Seaum war einverstanden. Und Borsali zeigte ihr alles, was notwendig war, um einen perversen Mann Nacht für Nacht zu befriedigen. Jede Nacht, in jeder verfluchten Nacht!
Der Appell war inzwischen zu Ende. Zusammen mit Nauri, Borsali und drei anderen Mädchen mussten sie wieder die Latrine der großen Mannschaftsbaracke reinigen. Das war die Rache des Aufsehers an ihnen, er teilte ihnen unweigerlich die erniedrigensten Arbeiten zu. Mehr ging nicht. Der Hauptmann bewahrte sie vor den Nachstellungen des Lagerpersonals. Er hatte seinen Untergebenen klargemacht, dass diese beiden für ihn reserviert wären und zynisch erklärt, dass es unter seiner Würde sei, sich mit den Resten der anderen zu begnügen. Solange sie seine Gelüste befriedigten, solange sie sich immer perversere Praktiken ausdachten, um ihn nicht zu langweilen, waren sie sicher.
Doch der Aufseher vergaß sie nicht. Besonders Nauri bot ihm die Möglichkeit, Seaum zu peinigen und zu erniedrigen. Ihr Bruder war das bevorzugte Ziel seiner Übergriffe. Seaum warf sich immer zwischen ihn und ihren Bruder, um die meisten Schläge abzufangen. Doch heute schien er besonders übler Laune zu sein. Er griff sofort nach Nauri und tauchte ihn mit dem Kopf in die Kloake. Danach zog er ihn mit einem fiesen Grinsen wieder nach oben.
Die Reaktion des Jungen überraschte alle. Mit einem tierischen Schrei stürzte er sich auf den vierschrötigen Mann. Seine Fäuste trommelten in sein Gesicht. Einen Augenblick war der Aufseher wie gelähmt, doch dann hatte er ein langes Messer in der Hand. Der Stahl suchte sein Ziel, immer und immer wieder. Nauri brach blutüberströmt zusammen, seine Augen brachen. Bevor Seaum zu ihrem Bruder stürzen konnte, umklammerte Borsali sie mit eisernem Griff. Verzweifelt versuchte sie sich befreien, doch der Griff war unerbittlich.
»Rühr dich nicht, Kleine. Darauf wartet der doch jetzt nur.«
»Ich muss zu Nauri, er hat doch nur noch mich.«
»Nauri ist tot, er hat es hinter sich. Doch du musst leben, für mich, für uns alle!«
Seaum gab den Widerstand auf und schmiegte sich an Borsali. Ihr Körper wurde von einem lautlosen Schluchzen geschüttelt. Der Aufseher hatte sich nach ihnen umgedreht und bemerkte mit einem grausamen Lächeln:
»Die Latrine wartet auf euch Pack. Oder soll ich nachhelfen?«
Borsali zog die zitternde Seaum mit sich und zischte ihr ins Ohr: »Heute Abend oder nie!«
Post Mortem
Es war Abend, die Sterne begannen am Himmel Saggittors sichtbar zu werden. Die Nacht breitete ihren gnädigen Schleier über das Land. Doch für viele war die Dunkelheit der Beginn eines unsagbaren Martyriums.
Doch diese Nacht war etwas Besonderes. Es war die Nacht, in der die Gepeinigten zurückschlugen. Es war die Nacht, in der ein namenloses Nichts, ein Stück Fleisch, geschaffen um zu töten und zu sterben, seine Seele fand. Es war die endlose Nacht, auf die der Morgen der Freiheit folgen sollte. Es war die Nacht des Schicksals!
*
Borsali beobachtete das Gesicht des arkonidischen Hauptmanns, während Seaum ihn befriedigte, die mit verschwollenem Gesicht zwischen seinen Beinen kniete. Es galt, den Augenblick abzuwarten, in dem sich die gesamte Kraft, die gesamte Energie des Scheusals konzentrierte – in dem er wehrlos war. Ihre Hand tastete nach der Flasche, fühlte das kalte Glas. Nichts durfte schiefgehen, sie würden nur diese eine Chance bekommen.
Seaum gab sich Mühe. Das Keuchen des Mannes verriet Borsali, dass es bald soweit war. Die Hand ihrer Freundin bewegte sich, erzeugte zusätzliche Stimulation. Sein Keuchen steigerte sich, der Körper begann konvulsiv zu zucken. Dann schloss er die Augen. Es war soweit. Borsali zischte nur ein Wort: »Jetzt!«
Ein beginnender Schrei unsagbaren Schmerzes wurde durch das Stück dreckigen Stoffes, der tagsüber ihre Blößen bedeckte, im Ansatz erstickt. Ihre Hand ergriff die Flasche und beschrieb einen Bogen. Mit lautem Klirren zersprang das Glas auf dem Kopf des Verbrechers. Sein Körper bäumte sich auf und erschlaffte.
Borsali nutzte seine Blöße. Ihr Flaschenstumpf schnitt durch weiches Gewebe, traf Knochen. Das Mädchen stieß zu, wieder und wieder. Und dann war es vorbei. Der zerfetzte Körper unter ihnen glich nur noch entfernt einem Arkoniden. Wenig später glitten zwei Gestalten in den Schutz der Nacht.
*
Fünf junge Frauen und zwei junge Männer kauerten im Schutz des Müllberges. Ihre Gesichter spiegelten die Grausamkeit, die Erniedrigung, die Gewalt wieder, die sie erdulden mussten. Doch ihre Augen waren klar, hart und gnadenlos. Sie hatten der Hölle getrotzt, waren hart geworden, hatten die Kindheit und Jugend längst abgestreift. Und dann überraschte sie die Stimme:
»Ihr wollt fliehen?«
Borsali fuhr herum. Der erbeutete Strahler zeigte auf die riesige Gestalt des Klonsoldaten, die sich gegen den Lichtkranz der Scheinwerfer anhob. Sie erkannte ihn, es war der, der ihnen immer wieder Nahrungspakete gegeben hatte. Er hob die Arme und meinte: »Keine Angst, ich will euch helfen.«
Seaum umklammerte das Vibratormesser.
»Warum willst du uns helfen?«
»Ihr habt mir eine Seele gegeben. Für euch war ich nicht nur Fleisch. Ihr habt mir gedankt, ihr habt mir Gefühle gegeben. Jetzt helfe ich euch.«
Seaum erinnerte sich. Es war nach ihrem ersten Tag gewesen. Sie war Borsali in ihr Versteck gefolgt, am ganzen Körper zitternd vor Abscheu. Borsali hatte versucht, sie zu trösten. Plötzlich war der Grautruppensoldat vor ihnen erschienen und hatte ihnen wortlos eine Verpflegungsration entgegengestreckt. In seinen Augen waren Tränen gestanden. Seine Hand versuchte, sie mit einer ungelenken Geste zu streicheln. Hierin lag so viel Unschuld, so viel kindliche Naivität, dass sie spontan ihre Hand hob und ihm über das Gesicht streichelte. Einen Augenblick war er wie versteinert, doch dann drehte er sich um und stapfte wieder auf seinen Posten. Seit dieser Nacht kam er immer wieder. Er hatte sie nie berührt, ihnen Nahrung gebracht.
Sie machte zwei Schritte auf ihn zu und nahm sein Gesicht in beide Hände.
»Wie ist dein Name?«
»Name? Was ist ein Name? Meine Nummer ist AC3598.«
»Du bist ein Wesen mit einer Seele. Und jedes Wesen mit einer Seele hat einen Namen. Dein Name ist Hope, denn du wirst die Hoffnung deiner Brüder sein. Lehre sie, ihre Seele zu finden.«
Nach diesen Worten ließ sie ihn los. Hope zeigte ihnen den Weg in die Dunkelheit. Sie wurden eins mit der Nacht. Der Klonsoldat blieb zurück.
Das Ende der Schlächter
Die EL CID war in einen Orbit um Saggittor gegangen. Begleitet wurde sie von einer Flotte des Terrablocks, deren Hauptaufgabe die Beseitigung der Schäden war, welche die Dolan-Angriffe in der Hauptstadt hinterlassen hatten. Der Emperador gedachte, auf dem Raumhafen eine Ansprache an das Volk zu halten und legte großen Wert darauf, dass die Trümmer dann weitgehend beseitigt waren. Er wusste, dass seine Tochter auf New Sphinx und Feretor die ersten Hilfslager eröffnet hatte und schon bald nach Saggittor aufbrechen wollte. Brettanys Pläne waren dem Emperador äußerst unangenehm, er befürchtete, in Erklärungsnot zu kommen, wenn seine Tochter über die Zustände auf Saggittor Bescheid wissen würde.
Vor allem deshalb hatte er Cauthon Despair gebeten, die schlimmsten Spuren der Übergriffe zu beseitigen. Der Silberne Ritter vermutete, dass die Furcht, seine Tochter könnte ihn hassen, ein Hauptbeweggrund des mächtigsten Mannes des Quarteriums war.
Ehe der Emperador eintraf, beabsichtigte Despair jedoch, die Hauptstadt zu inspizieren. Mit einem der 100-Meter-Kreuzer der EL CID landete er auf dem zerstörten Raumhafen. Sein erster Weg führte ihn zu einem arkonidischen Lager, das am Rand des Raumhafens errichtet worden war. Major Korral, der Oberbefehlshaber der 501. Division, hatte ihn auf dieses Lager aufmerksam gemacht, nachdem er die Meldung einer dort stationierten Kompanie erhalten hatte.
Was er dann zu Gesicht bekam, verschlug ihm im ersten Augenblick die Sprache. Er war zwar darüber informiert worden, dass die arkonidischen Landetruppen Frauen und Kinder als lebende Schutzschilde benutzt hatten, hatte aber geglaubt, dass diese Maßnahme aufgehoben war, da Saggittor längst kapituliert hatte. Doch der erbärmliche Zustand der Gefangenen empörte ihn zutiefst. Das war nicht die Einheit und das Recht, das er in Cartwheel schaffen wollte.
Voller Wut bestellte er den arkonidischen Lagerkommandanten, einen Oberst, zum Rapport. Der war sich keiner Schuld bewusst und fragte Despair mit der Arroganz seiner Rasse, warum er so viel Aufhebens um die saggittonischen Untermenschen machen würde. Das war selbst dem Quarteriumsmarschall zu viel. Sein Schwert lag wie von selbst in seiner Hand, ein gedankenschneller Schlag trennte den Kopf des Arkoniden von seinem Rumpf. Danach ließ er alle Offiziere standrechtlich erschießen.
Die Lager auf Saggittor wurden aufgelöst und die überlebenden Geiseln in provisorisch eingerichtete Lazarette gebracht. Schon wenige Stunden danach übernahm Brettany de la Siniestro die Organisation der Versorgung und Hilfe. Despair hatte sie darum gebeten. Sie gab weder ihm noch ihrem Vater die Schuld, sondern allein den Arkoniden. Brettany war entsetzt über die Zustände und bat ihren Vater, Jenmuhs zu bestrafen.
Doch das Wichtigste für die Saggittonen: Ihr Martyrium hatte ein Ende. Brettany tat alles, um die Gräuel ungeschehen zu machen. Doch es war zu spät, die Lager hatten wie Hochöfen gewirkt. Schlacke und Stahl – die Schwachen waren untergegangen und die Starken hatten überlebt, den Hass in die Seelen gemeißelt. Eine ganze Generation war in wenigen Tagen erwachsen geworden.
Im Untergrund organisierte sich der Widerstand: Eiskalte, gnadenlose Kämpferinnen und Kämpfer, die die Hölle im Herzen trugen. Dies war die Geburtsstunde der Heimatarmee, die zum Gespenst der Freiheit wurde.
7. Das Fell des Bären
Die Waffenruhe war abgelaufen, die Übernahme Saggittors und Akons stand kurz bevor. Hierzu war eine große Parade in der saggittonischen Hauptstadt Saggitton geplant, die der Emperador persönlich abnehmen wollte. Dabei sollten verdienstvolle Soldaten besonders ausgezeichnet werden. An Bord der EL CID hatte sich die Führung des Quarteriums versammelt, um über die Zukunft der besiegten Republiken zu beraten.
Leticron war nach wie vor in den estartischen Galaxien und stand dort, wie er berichtete, vor großen Erfolgen. Für die bevorstehende Sitzung hatte er ausgerechnet den Gos’Shekur ermächtigt, in seinem Sinne zu sprechen. Somit verfügte der Arkonide über zwei Stimmen im Rat der Vier.
Ein weiteres Problem war, dass zwei Tage nach Abschluss der Waffenstillstandsverhandlungen plötzlich sämtliche gegnerischen Schiffe mit unbekanntem Ziel verschwanden. Etwa vierzigtausend Schiffe, die Reste der saggittonischen und akonischen Raumflotten, hatten sich ihrem Zugriff entzogen.
Der Emperador schüttelte den Kopf.
Was, zum Teufel, hatte sich der Corun und Sohn des Chaos dabei nur gedacht? Es musste ihm doch klar sein, dass damit der Größenwahn des Arkoniden nur noch gestärkt würde. Innerlich beglückwünschte er sich, dass er zumindest mit Torsor eine Einigung erzielt hatte. Der Führer der Bestien hatte kein Interesse, seinen Machtbereich in Cartwheel auszubauen, seine Ziele lagen ausschließlich in M 87. Nun gut, Jenmuhs würde eine Überraschung erleben, wenn er Torsors Vollmacht präsentieren würde.
Dann betrat er die zentrale Messe der EL CID und wappnete sich für die bevorstehende Auseinandersetzung.
*
Vier Stunden später war es geschafft. Das Fell des Bären war verteilt. Die Auseinandersetzungen mit Jenmuhs hatten sein ganzes diplomatisches Geschick, seine ganze Erfahrung im diplomatischen Ränkespiel gefordert.
Auch die Haltung seiner Tochter Stephanie war nicht gerade hilfreich gewesen. Zum wiederholten Male fragte er sich, was in ihrem Kopf eigentlich vorging. Als Außenministerin des Quarteriums war sie an den Beratungen beteiligt gewesen, aber ihre Positionen hatten die Gegensätze noch verschärft. Jenmuhs forderte die Eingliederung von Saggittor und Akon in den arkonidischen Block, während seine Tochter beide Republiken dem terranischen Block zuschlagen wollte.
Der Kompromiss stellte sein Meisterstück dar. Die Akonische Republik wurde unter das Protektorat der arkonidischen Führung auf Bostich gestellt, während die Welten der Thoregon-Koalition dem Terranischen Block zugeschlagen wurden. Er hatte dies gegenüber dem großmäuligen Arkoniden natürlich als äußerstes Entgegenkommen Mankinds dargestellt – und der Gos’Shekur hatte angebissen. Es war vor allem Wirtschaftsminister Shorne gewesen, der ihn auf die Bedeutung der von den Tasch-Ter-Man besiedelten Welten für die biologische und genetische Forschung hinwies. Innerlich musste er grinsen, es war wie immer: Wirf einem Hund einen großen Knochen hin und er vergisst das Fleisch. Nur um die Akonen tat es ihm leid, er hatte ihr Wesen und ihre Höflichkeit immer geschätzt und hätte sehr viel lieber mit ihnen, statt den überheblichen Arkoniden zusammengearbeitet, aber die Entwicklung war anders verlaufen.
Die ehemalige Republik Saggittor wurde gemeinsam verwaltet, wobei bei grundlegenden Beschlüssen Einstimmigkeit nötig war. Es war ihm klar, dass in dieser Bestimmung bereits der Keim zu neuen Konflikten lag, aber es hatte keine Chance einer anderen Regelung gegeben. Wichtig war ihm vor allem gewesen, dass die Polizeigewalt in allen Protektoraten allein bei der CIP lag. Niesewitz hatte auf dieser Bestimmung unbedingt bestanden. Dadurch wurde seine Macht unnötig gestärkt, aber sowohl Stephanie, als auch Cauthon Despair hatten Niesewitz in diesem Punkt unterstützt.
Die EL CID hatte inzwischen die Umlaufbahn um Saggittor verlassen und setzte zur Landung an …
Epilog
Aus den Chroniken Cartwheels
Nach der Orgie des Terrors und Völkermordes, der zum mystischen Verschwinden des gesamten Galor-Systems geführt hatte, war das Quarterium nicht mehr aufzuhalten. Die letzten freien Völker Cartwheels standen vor dem Ende. Die Flottengruppen »Süd« und »Mitte« mit über einhunderttausend Schiffen, die um Saggittor und Akon einen undurchdringlichen Belagerungsring gezogen hatten, wurden durch starke Verbände der Bestien verstärkt. Hierdurch war es den quarterialen Angriffsgruppen möglich, den Druck auf die verbliebenen Welten der saggittonischen und akonischen Republiken zu erhöhen und die verbliebenen Flottenverbände der Verteidiger zum Rückzug in die jeweiligen Zentralsysteme zu zwingen.
Ende Mai des Schicksaljahres 1306 NGZ musste dann Saggittor eine zweite, noch schlimmere Apokalypse erleben: Unter dem Oberbefehl des druithorianischen Admirals Irkuleb durchbrach eine Flotte von etwa fünfzehntausend Dolans die saggittonischen Verteidigungslinien und erschien wie der Bote des Untergangs über den saggittonischen Städten. Sie griffen fast ausschließlich zivile Ziele an und verschwanden nach kurzer Zeit genauso schnell wie sie gekommen waren. Zurück ließen sie zerstörte Städte und ungezählte ermordete Saggittonen. Doch damit nicht genug, kurze Zeit später gelang es den Bestien, auf Saggittor zu landen und einen Brückenkopf zu bilden.
Bestien, Grautruppen und vor allem die aus dem Abschaum des arkonidischen Blocks gebildeten Spezialeinheiten errichteten in der saggittonischen Hauptstadt ein Terrorregime ohnegleichen. Die Gräuel, die vor allem die Arkoniden an der Zivilbevölkerung verübten, waren unbeschreiblich. Für Saggittor bildeten die wenigen Tage der Willkür der arkonidischen Soldateska ein Trauma, das eine ganze Generation verändern sollte.
In dieser Situation war klar, dass jeder weitere Widerstand gegen die Diktatur Siniestros und seiner Henker zwecklos gewesen wäre und nur zur Opferung von Milliarden Leben geführt hätte. Die Kapitulation Saggittors und Akons war die logische Konsequenz.
Jaaron Jargon, 09.06.1306 NGZ
ENDE
Saggittor und Akon haben kapituliert und der Emperador steht vor dem Ziel seiner Wünsche: Die Einheit Cartwheels unter seiner Führung! Doch auch Perry Rhodan ist nicht untätig und sucht Unterstützung gegen MODROR. Er bricht zur Rundreise durch drei Galaxien auf …
Jürgen Freier schildert die weitere Entwicklung in Band 89:
TRIUMPH DES QUARTERIUMS
DORGON-Kommentar
Jürgen Freier schrieb 2006 zu seinem damaligen Doppelroman, welcher nun in der Special-Edition zu einem Roman zusammengefasst wurde, folgendes im Kommentar:
Da der vorliegende Roman aus meiner Feder stammt, verkneife ich mir, ihn selbst zu kommentieren. Stattdessen möchte ich etwas über die Entstehung der Geschichte berichten.
Laut Ursprungsexposé sollte die Handlung der beiden ursprünglichen Romane »Shifting« (138) und »Triumphzug des Quarteriums« (139) in einem einzigen Roman abgehandelt werden. Doch dabei hatte ich, wie üblich, Schwierigkeiten, mich an die Obergrenze von 140.000 Zeichen zu halten (ich dürfte inzwischen als Autor zu einer Art »Albtraum« für Nils geworden sein, denn meine Romane haben fast immer Überlänge). Nils hatte schließlich ein Einsehen und gab mir »grünes Licht«, aus dem Exposé zwei Romane zu machen, da er inzwischen die Zyklusplanung etwas erweitert hatte. Der erweiterte Umfang kam vor allem Band 139 nach alter Zählung zu Gute. Doch ich will hier nicht mehr verraten, der Roman birgt einige Überraschungen.
Zurück zum vorliegenden überarbeiteten Roman, indem wir eine Darstellung der aktuellen Kosmologie des Zyklischen Universums beginnen, das auf die Physiker Paul Steinhardt und Neil Turok zurückgeht. Die Darstellung dieses Modells wird uns, als Perry-Rhodan-Leser, seltsam bekannt vorkommen, man muss nur einige Begriffe durch Entsprechungen des Perry-Rhodan-Überbaus ersetzen, und schon haben wir fast Willi Volz in Reinform, obwohl der bei der Erstveröffentlichung längst den Raum »jenseits der Materiequellen« erreicht hatte.
Wer sich selbst näher über diese Theorie informieren möchte, kann das Astro-Lexikon von Andreas Müller als Einstiegsseite benutzen, das auch die Grundlage unserer Ausführungen bildet.
Als Einstieg wird bereits im 2. Teil des Kommentars zum vorliegenden Band das Grundmodell des Zyklischen Universums dargestellt.
Ein erster, noch sehr mystisch gehaltener Ansatz befindet sich bereits im vorliegenden Roman, in dem auch eine geheimnisvolle Entität in die Handlung eingeführt wird.
Jürgen Freier
Zyklisches Universum
Dieses kosmologische Modell von der Entstehung des Universums stellt eine Alternative zur Inflation dar (die wiederum das klassische Urknall-Modell ergänzt). Die Physiker Paul Steinhardt und Neil Turok wenden dabei den Formalismus der Stringtheorien an, was aber nicht zwingend ist, eine vierdimensionale Feldtheorie würde ebenso die Rechnungen ermöglichen. Sie behaupten, dass unser Universum aus dem Zusammenprall zweier Universen, einer Branen-Kollision, hervorgegangen sei! Diese Kollision soll einen Urknall bewirken, so dass das Phänomen Urknall erstmals in kosmologischen Modellen erklärbar wird. Man nennt das Modell einer einzelnen Kollision ein Ekpyrotisches Szenario. Da diese Kollisionen nicht nur einmal, sondern immer wieder im Verlauf von Äonen auftreten, wird dieses Modell als Zyklisches Universum bezeichnet.
Durch die String-Kosmologie wird dieser Zyklus folgendermaßen erklärt: Die Raumzeit dieser kosmischen Bühne, auf der sich die Kollision ereignet, ist fünfdimensional und wird als Bulk bezeichnet. Nun gibt es zwei begrenzende vierdimensionale »Wände« dieser fünfdimensionalen Raumzeit: die Branen (eine Zeit-, drei Raumdimensionen). Jede dieser Wände repräsentiert ein Universum: Das eine ist unser heutiges Universum, das andere ist ein Paralleluniversum. Es ist denkbar, dass die beiden Universen nur auf der Planck-Skala voneinander entfernt sind, jedoch sind sie über eine höhere Dimension, eine Extradimension, getrennt.
Nur die Gravitation kann zwischen den Universen vermitteln und durch die fünfdimensionale Raumzeit gelangen. Auf diese Weise könnte sich die Dunkle Materie des Nachbaruniversums in unserem bemerkbar machen. Materie und Strahlung bleiben auf ihr jeweiliges Universum beschränkt.
Die Ursache für die Kollision der Welten (ekpyrosis) wird in einem Kraftfeld gesehen, das ohnehin eine entscheidende Rolle im Kosmos zu spielen scheint: der Dunklen Energie.
Diese Form von Energie ist vorherrschend im beobachteten Universum, wie Messungen (Ballon-Experimente: BOOMERANG, MAXIMA) nahelegen und übertrumpft sogar die uns vertraute sichtbare Materie plus heiße und kalte Dunkle Materie um einen Faktor 2. Steinhardt postuliert ein Kraftfeld, das er Radion nennt. Es manifestiert sich als zeitliche variable Dunkle Energie, also eine neue Form von Quintessenz. Das Radion-Feld existiert in allen Bereichen der fünfdimensionalen Raumzeit zwischen den beiden Branen.
Da das Radionfeld fluktuiert, induziert es Abstandsänderungen der brandenden Universen: Die Branen sind dynamisch und es bildet sich durch die spezielle Potentialform des Feldes ein Zyklus aus Annäherung, Kollision und Entfernung aus. Dies identifiziert man mit dem Begriff des Zyklischen Modells.
Mit jedem Urknall, der einen Anfang eines Universums bedeutet, ist damit ein vorangegangener Endknall assoziiert, der ein bislang existierendes Universum auslöscht. Mit der Krümmungssingularität im Urknall ist daher ein verschwindender Abstand der Universen in der fünften Dimension verbunden: Der Raum kollabiert nur in einer Extradimension! Dies ist eine ganz wichtige Folgerung des Zyklischen Modells und ein entscheidender Unterschied zur bisherigen Sichtweise des Urknalls, wo der Raum in allen Dimensionen kollabiert.
Nach der Kollision laufen die Branen in der fünften Dimension wieder auseinander. Steinhardt und Turok fanden eine sogenannte Attraktor-Lösung, die es ermöglicht, dass sich die Zyklen beliebig häufig wiederholen.
GLOSSAR
Tombstone
Tombstone ist der sechste Planet des Solar-Systems und eine unwirkliche Eiswelt. Zu beachten ist, dass der Name auf keinen Sternkarten verzeichnet ist. Offiziell ist der Planet unbewohnt und absolut unbedeutend. Alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf Mankind und Siniestro, die als die Hauptwelten des Solar-Systems gelten.
Nach der Gründung des Quarteriums begann Werner Niesewitz, den sechsten Planeten zu seiner Geheimbasis auszubauen. Selbst innerhalb der CIP gilt Tombstone nur als ein Gerücht, lediglich der sogenannte »Innere Kreis« ist über die Aktivitäten dort informiert. Zu diesem gehören neben Niesewitz vor allem Wirtschafts- und Finanzminister Shorne und der Minister für die Alienangelegenheiten Katschmarek.
Alle Anlagen auf Tombstone sind unterirdisch angelegt und tief in den Fels unter dem kilometerdicken Eismantel getrieben. Als Transportsystem dienen unterirdische Rohrbahnsysteme, durch die die einzelnen Einrichtungen miteinander verbunden sind. Speziell abgeschirmte Transmitter sind die einzige Möglichkeit, die Anlagen zu erreichen.
Neben Ausbildungszentren für die geplanten Einsatzgruppen gibt es Forschungseinrichtungen, die sich vor allem mit Bio-Chemie, Zellforschung und der Manipulation des menschlichen Erbgutes beschäftigen sowie spezielle Haftkomplexe, die zur Vernehmung von Regimegegnern und für biologisch-chemische Experimente mit Menschen genutzt werden. Diese Komplexe sind mit normalen Transportmitteln nicht zugänglich, sondern nur über speziell kodierte Transmitter zu erreichen.
Nach der Überwindung der Lingus-Krise im Jahre 1306 NGZ hat Niesewitz Tombstone zur geheimen Zentrale der CIP ausgebaut. Hier laufen sämtliche Informationen des weitverzweigten Agenten- und Spitzelnetzes, das ganz Cartwheel überzieht, zusammen. Geleitet wird diese Zentrale bei Abwesenheit des Marschallkommandeurs von Helga Meierlein, seiner persönlichen Sekretärin.
Traban Saranos
Geboren: 1221 NGZ
Geburtsort: Akon
Größe: 1,80 Meter
Gewicht: 79 kg
Augenfarbe: braun
Haarfarbe: schwarz
Bemerkungen: sehr intelligent, hervorragende Kombinationsgabe
Trabon Saranos ist auf Sphinx geboren und hat viele Jahre im akonischen Geheimdienst gearbeitet, bevor er aus Gewissensgründen zu Camelot wechselte.
Saranos war der Sicherheitschef auf der GOLDSTAR und stand loyal Homer G. Adams zur Seite. Ihm war es zu verdanken, dass die Galaktiker erste Pluspunkte bei den Dorgonen sammeln, als er die Steuerhinterziehung des Statthalters Ojemus aufdeckte.
Nach der Vernichtung der GOLDSTAR hielt sich Saranos stets in unmittelbarer Nähe von Homer G. Adams auf und wurde in die nUSO übernommen.
Zusammen mit Jan Scorbit wechselt er nach Cartwheel, um dort die nUSO mit aufzubauen. Als Scorbit die Leitung der USO-Aktionen in den estartischen Galaxien übernimmt, bleibt er in Cartwheel zurück, um Rosan Orbanashol-Nordment bei der Leitung der nUSO zu unterstützen. Nach dem Tod von Frank de Boor während der »Blutnacht von Siniestro«, wird er Rosans Planungschef.
Nachdem es der CIP gelungen war, die Position Quintos durch Folter von Akaho da Purok zu erfahren, wechselt er während des »Bluffs von Quinto« auf die VIPER II, um Meyers und dessen Crew durch seine Erfahrung zu unterstützen.
Seaum
Geboren: 1291 NGZ
Geburtsort: Saggitton, Galaxis Saggittor
Größe: 1,61 Meter (noch nicht ausgewachsen)
Gewicht: 56 kg
Augenfarbe: schwarzgrün
Haarfarbe: hellbraun
Bemerkungen: sehr intelligent, aufsässiges Wesen, athletischer Körperbau
Seaums Familie gehört zu den Saggittonen, die mit Aurec ihre neue Heimat in Cartwheel besiedeln. Ihr Vater Merdaun ist Arzt, während ihre Mutter Daroi als Sportlehrerin arbeitet. Zusammen mit ihrem auf Saggittor geborenen Bruder Nauri wächst sie in einem behüteten Elternhaus auf, das ihr und ihrem Bruder alle Liebe und Zuwendung gibt. Dennoch rebelliert sie gelegentlich gegen die Beschränkungen ihrer Eltern.
Durch die Besetzung ihrer neuen Heimat während des Krieges zwischen dem Quarterium und der Saggittonischen Republik endet ihre Kindheit in einer Orgie der Gewalt und des Grauens. Durch die marodierende arkonidische Soldateska werden ihre Eltern nach bestialischen Qualen ermordet und sie, zusammen mit ihrem Bruder, als Geisel und lebendes Schutzschild in ein arkonidisches Truppenlager verschleppt. Dort muss sie durch eine Hölle sexueller Gewalt und unbeschreiblicher Erniedrigungen gehen, in der sie nur bestehen kann, weil sie in der Freundschaft zu Borsali die Kraft findet, den Exzessen des arkonidischen Abschaums zu widerstehen. Ihr Bruder ist diesem Terror nicht gewachsen und wird trotz Seaums Versuch, ihn zu schützen, durch einen Aufseher ermordet.
Kurz vor dem Ende der arkonidischen Terrorherrschaft durch Cauthon Despair und Brettany de la Siniestro gelingt ihr, zusammen mit Borsali, die Flucht. Mit einigen anderen Jugendlichen tauchen sie im Kanalsystem der saggittonischen Hauptstadt unter. Sie geht aus diesem Martyrium als eiskalte, gnadenlose Kämpferin hervor und bildet, gemeinsam mit Borsali die Führung der »Verlorenen Generation«.
Borsali
Geboren: 1290 NGZ
Geburtsort: Saggitton, Galaxis Saggittor
Größe: 1,65 Meter (noch nicht ausgewachsen)
Gewicht: 59 kg
Augenfarbe: grün
Haarfarbe: rotbraun
Bemerkungen: sehr intelligent, gerissen, skrupellos und selbständig, hat ihre Kindheit längst hinter sich, ist mit allen Wassern gewaschen
Borsali hat ihren Vater nie kennengelernt. Sie wächst bei ihrer Mutter, einer Prostituierten, auf. Zusammen mit ihr gehört sie zu den Saggittonen, die mit Aurec die neue Heimat in Cartwheel besiedeln.
Auf Saggittor geht ihre Mutter wieder ihrem alten »Gewerbe« nach. Als sie ihre Tochter an einen Kunden verkaufen will, flieht Borsali in die Slums der saggittonischen Hauptstadt. Dort behauptet sie sich und lernt alles, um in einer Welt voller Gewalt, Mord, Totschlag und sexuellen Perversionen zu überleben. Sie hat bereits im Alter von 16 Jahren mehr erlebt und durchgemacht, als andere Frauen während ihres ganzen Lebens.
Während der Besetzung von Saggitton während des Krieges zwischen dem Quarterium und der Saggittonischen Republik wird sie von einer arkonidischen Patrouille in den Straßen Saggittons aufgegriffen und muss eine Massenvergewaltigung über sich ergehen lassen. Anschließend wird sie, wie hunderte Kinder und Jugendliche, in ein arkonidisches Truppenlager gebracht und dort als Geisel und lebendes Schutzschild benutzt. Als sie die Chance bekommt, die »alleinige Gespielin« eines arkonidischen Offiziers zu werden, greift sie zu und setzt alles ein, um diesen Status zu behalten.
Im Lager rettet sie Seaum, indem sie verhindert, dass diese sich gegenüber einem Aufseher zur Wehr setzt. Es gelingt ihr, Seaum als »zweite Gespielin« des Offiziers zu schützen. Das Verhältnis zwischen den beiden Mädchen entwickelt sich weit über eine gewöhnliche Freundschaft hinaus, ihr gemeinsames Martyrium macht aus ihnen ein Paar. Nach dem Tod von Seaums Bruder töten sie den arkonidischen Offizier und tauchen, mit anderen Jugendlichen, im Kanalsystem der saggittonischen Hauptstadt unter.
Borsali verliert durch das Martyrium des arkonidischen Terrors ihre letzten Hemmungen, sie hat nur noch einen moralischen Wert: sich, Seaum und die ihr anvertrauten Jugendlichen zu schützen und ihr Überleben zu ermöglichen.
Sie wird zur unangefochtenen Führerin der »Verlorenen Generation«, die nur ein Ziel hat: Rache! Rache für den Verlust der Jugend, Rache dafür, dass sie nie die Unschuld der ersten Liebe erleben durfte, Rache für den Hochmut und die Brutalität der quarterialen Besatzer.
Verlorene Generation
Bezeichnung für einen der Kerne der saggittonischen »Heimatarmee«, der aus einer Gruppe von Jugendlichen hervorgegangen ist, die mit Borsali und Seaum aus einem arkonidischen Heereslager geflohen sind, bevor diese durch Quarteriumsmarschall Despair aufgelöst wurden.
Die »Verlorenen Generation« ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zum überwiegenden Teil aus Jugendlichen und jungen Frauen besteht, die während der arkonidischen Besetzung Saggittons sexueller Gewalt der Besatzer ausgeliefert waren. Ergebnis ist eine verschworene Gemeinschaft eiskalter, gnadenloser Kämpferinnen und Kämpfer, die aus dem Dunkel der saggittonischen Unterwelt auftauchen, zuschlagen und wieder im Dunkel verschwinden.
Heimatarmee
Bezeichnung für einen losen Zusammenschluss von Widerstandsgruppen gegen die quarteriale Diktatur auf Saggittor. Eine der bedeutendsten Gruppen ist die »Verlorene Generation«.
Die »Heimatarmee« kennt keine zentrale Befehlsstruktur, sondern ist nach dem Prinzip von lose verbundenen Zellen aufgebaut, die nur bei konkreten Anlässen zusammenarbeiten. Dadurch ist es für die CIP fast unmöglich, gegenüber diesen Gruppen Erfolge zu erzielen.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2016
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— Special-Edition Band 88, veröffentlicht am 12.12.2016 —
Titelillustration: Heiko Popp • Innenillustrationen: –
Lektorat: Alexandra Trinley und Nils Hirseland • Digitale Formate: René Spreer