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Band 82

Quarterium-Zyklus

 

Kampf der USO

Das Quarterium will die USO zerschlagen

 

Jürgen Freier

 

 

Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Nach der Gründung des Quarteriums im Jahre 1302 NGZ war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem intergalaktischen Eklat kommen würde.

Dieser trat Anfang 1305 NGZ ein, als Truppen der dorgonisch kaiserlichen Flotte die estartischen Galaxien angriffen. Innerhalb weniger Monate fielen Siom Som und Trovenoor in die Hände Dorgons.

Um den Not leidenden Völkern zu helfen, entsendet Perry Rhodan zusammen mit der Saggittonischen Republik USO-Agenten nach Siom Som. Niemand ahnt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt MODRORs Söhne des Chaos das Quarterium kontrollieren und nur auf einen Fehler Rhodans warten.

Aufgrund des Paktes zwischen Dorgon und dem Quarterium greift das I. Estartukorps des Imperiums in Cartwheel zugunsten der Dorgonen in Siom Som ein, als Saggittor nun offiziell in den Krieg gegen Dorgon eintritt.

Im Herbst 1305 NGZ kommt es zur ersten Schlacht zwischen dorgonisch-quarterialen Truppen und den »Alliierten«. Das Quarterium obsiegt. Damit demonstriert das neue Reich seine militärische Dominanz und eilt fortan von Sieg zu Sieg.

In Cartwheel selbst löst das Militärregime mehr und mehr Proteste aus. So schließen sich linguidische Friedensstifter zusammen und plädieren für den Frieden.

Doch letztlich wird es ein KAMPF DER USO …
Jaaron Jargon – Der Chronist der Insel ist von Pace Joharr begeistert.

Nataly Andrews, Kathy Scolar – Die beiden Frauen machen erste Annäherungsversuche.

Rosan Orbanashol-Nordment – Die Chefin der USO in Cartwheel bekommt große Probleme.

Roland Meyers, Maya ki Toushi, Corph de Trajn, Feline »Dragon« Mowac, Shan Mogul – Mitglieder der Gruppe Zero.

Werner Niesewitz – Der Chef der CIP erarbeitet einen perfiden Plan.

Stephanie de la Siniestro – Die Tochter des Emperador erweist sich als Meisterin der Intrige.

Uwahn Jenmuhs, Emperador de la Siniestro, Cauthon Despair – Die Herrscher des Quarteriums verkünden den Frieden über den Gräbern.

Pace Joharr – Der Linguide fordert den sofortigen Frieden.

Ramira – Die »Assistentin« Eron da Repuls.

1. Zwischenspiele

26. – 29. Dezember 1305 NGZ, Lingus

Der ganze Planet glich einem Tollhaus. Millionen Pilger warteten darauf, den Planeten wieder zu verlassen. Die Linguiden waren mit der Versorgung total überfordert. Pace Joharr war mit der Delegation zur Neujahrsfeier auf Siniestro bereits nach Paxus abgereist: Der Emperador hatte den Linguiden eingeladen, mit ihm persönlich an Bord der imperialen Jacht GRANADA nach Siniestro zu reisen.

In der Geschichte der Linguiden sollten diese Tage zu einem zweiten Trauma werden. Alles hatte den Anschein spontaner, nicht gesteuerter Aktionen: Unbekannte plünderten und zerstörten die Natur. Sie rissen Lebensbäume aus und schlachteten friedliche Tiere, die keine natürlichen Feinde kannten, gnadenlos ab.

Nur Niesewitz wusste, dass Einsatzagenten hinter diesem Chaos steckten. Sie schürten Unruhen, inszenierten Treibjagden, sorgten für Übergriffe auf die Zivilbevölkerung. Ja, selbst das Undenkbare geschah: Ein aufgeputschter, stark alkoholisierter Mob nahm eine ganze Siedlung als Geisel. Es kam zu Misshandlungen und Massenvergewaltigungen. Und innerhalb von nur drei Tagen war Lingus reif: Das Faustrecht regierte.

Zu diesem Zeitpunkt landete die Einsatzflotte der CIP. Offiziell sollte sie die linguidische Verwaltung bei der Bewältigung der Versorgungsprobleme unterstützen und Ruhe und Ordnung wiederherstellen. Das Triumvirat nahm diese Einladung gerne an.

Der Weg in die Nacht

Besorgt beobachte Roland Meyers die Entwicklung. Oh ja, er erkannte die Handschrift und wusste, was bevorstand. Doch er war machtlos. Zusammen mit den wichtigsten Kommandeuren der Gruppe Zero saß er in der Zentrale der FLASH OF GLORY. Eine hitzige Diskussion war im Gange. Was er nie für möglich gehalten hatte, trat ein: Er verlor die Kontrolle über die Gruppe. Shan Mogul berichtete.

»Hör zu Roland, wir haben keine Chance. So geht es nicht. Die Mehrzahl der Besatzung ist nicht bereit, zu desertieren und sich gegen das Quarterium zu stellen. Selbst ein Teil der Kommandeure verhält sich ablehnend. Du kannst nicht einfach befehlen, dass wir jetzt plötzlich zu Gegnern des Quarteriums werden sollen, nur weil du und Maya plötzlich eure humanitären Ideale wiedergefunden …«

Er wurde grob unterbrochen. Der arkonidische Dagor-Ritter, der noch immer seinen Keigoki trug, donnerte mit der Faust auf den Tisch.

»Es geht hier nicht mehr um eure Karrieren. Genau genommen geht es nicht einmal mehr um euer Leben. Wir stehen hier am Scheideweg! Entweder ihr folgt Roland auf dem Weg des Lichts, oder ihr seid zu ewiger Dunkelheit verdammt. Habt ihr denn überhaupt nichts verstanden? Pace Joharr ist der Kristallisationspunkt! Er hat uns die Augen geöffnet! Wie könnt ihr nur in Erwägung ziehen, weiterhin die Henkersknechte dieser Mörderbande zu bleiben?«

Nun war es Feline, die ihm kopfschüttelnd widersprach.

»Corph, es mag zwar sein, dass du auf Lingus deine Erleuchtung, deine Wiedergeburt oder sonst einen Schwachsinn erlebt hast, aber wir sind normale Sterbliche und wurden nicht von irgendeiner höheren Macht erleuchtet. Vor allem für unsere Mannschaft ist unser Kurswechsel nicht nachvollziehbar. Sie alle sind der Ideologie des Quarteriums verpflichtet, es war gerade das Bekenntnis zu militärischer Stärke und Härte, zur kompromisslosen Vertretung der eigenen Interessen, die diese Ideologie für uns so attraktiv gemacht hat.

Das Quarterium vergleicht sich immer mit dem alten Solaren Imperium, und genau das wollen unsere Frauen und Männer. Sie haben noch nicht erkannt, dass diese Ideale von Macht und Gerechtigkeit durch die Führung in den Dreck getreten werden. Und deshalb werden sie weder Roland, noch viel weniger dir, in eine Rebellion folgen. Gut, unter unserer Mannschaft gibt es nur wenige, die den neuen Rassismus für richtig halten, aber das reicht noch nicht aus, um die restlichen Ziele und den Sinn des ganzen Unternehmens in Frage zu stellen.«

Er wollte gerade antworten, als ihn eine Handbewegung des alten Oxtorners zurückhielt.

»Hört auf damit. Wir haben nicht die Zeit, uns gegenseitig zu zerfleischen. Falls ihr es noch nicht bemerkt habt: Niesewitz ist gerade dabei, diesen Planeten zu übernehmen. Ich denke, dass es nicht mehr lange dauert, bis eine Flotte hier auftaucht. Es geht doch hier darum, welche Möglichkeiten wir noch haben. Ein Kampf gegen Niesewitz scheidet aus: Erstens ist die GLORY nicht einsatzbereit und zweitens riskieren wir eine Meuterei. Es bleibt uns also nichts weiter übrig, als hier auf Niesewitz zu warten. Und nun zu dir, Roland.«

Hier machte er eine Pause, um Roland anzusehen.

»Roland, du hast genau zwei Möglichkeiten. Entweder wartest du hier auf Niesewitz’ Schergen oder du nimmst ein Beiboot der GLORY und setzt dich vorläufig ab.«

Meyers widersprach aufs Heftigste. Doch schließlich musste er nachgeben. Shan und Feline zerpflückten jedes seiner Argumente. Dann meldete sich Maya zu Wort, die bisher, entgegen ihrer Art, still in einer Ecke gesessen hatte.

»Shan hat völlig Recht. Der überwiegende Teil der Gruppe ist nicht bereit, gegen das Quarterium zu kämpfen. Außerdem sind, außer meinen Bluthunden, fast alle nicht einsatzfähig, da sie die Gelegenheit zu einem ungenehmigten Urlaub genutzt haben. Und diese Tatsache sollten wir uns zunutze machen. Über unsere wirklichen Ziele ist die Besatzung nicht informiert. Wir sind bei unseren Erkundungen äußerst vorsichtig vorgegangen. Der Einzige, der eventuell etwas ahnt, ist der verrückte Plophoser Hondro. Er hat bereits einige anzügliche Bemerkungen gemacht. Aber das können wir noch geradebiegen und ihn sogar in unserem Sinne benutzen.«

Und dann entwickelte sie ihren Plan. Dieser wurde von Shan noch in einigen Punkten ergänzt und verbessert, wobei er sich fragte, warum er nicht selbst darauf gekommen war. Eigentlich sollte er der Stratege sein. Aber sein Erlebnis mit Joharr schien sein Denkvermögen zu blockieren.

Shan und Feline blieben an Bord der GLORY zurück. Um sie zu schützen, initiierten sie eine Auseinandersetzung mit Hondro, in der sich die beiden gegen sie wandten. Anschließend verließen Maya, Corph, die tefrodische Hyperenergiephysikerin Sirani Persul und Meyers an Bord der VIPER II, einem der beiden Beiboote der GLORY, Lingus. Sirani hatte sich ihnen zu Rolands Überraschung angeschlossen, nachdem sie mitten in ihre Besprechung geplatzt war. Begleitet wurden sie außerdem von Mayas kompletter Kampftruppe, die ihr bedingungslos folgte. Sie beabsichtigten, im interstellaren Raum die weitere Entwicklung abzuwarten und gegebenenfalls entsprechend zu reagieren.

2. Am Ende des Weges – Und Frieden wird kommen …

27. Dezember 1305 NGZ, Lingus

Alle hatten sich in dem Schuppen nahe des Raumhafens versammelt. Die hochgewachsene Linguidin blickte über die Versammlung.

»Es ist soweit. Der Tag der Abrechnung ist gekommen! Wir haben die Unterstützung einer mächtigen Verbündeten. Sie hat uns mit Waffen und den notwendigen Papieren versorgt. Morgen früh reisen wir mit einer offiziellen Delegation nach Siniestro, um an der Neujahrsfeier des Despoten teilzunehmen. Ich habe sogar offizielle Einladungen erhalten, so dass wir keine Schwierigkeiten haben werden, an der Feier auf Schloss Madrid teilzunehmen. Und dabei werden die Unterdrücker eine böse Überraschung erleben.«

Anschließend wurden die Papiere verteilt und die Waffen versteckt. Wir waren auf dem Weg.

27. Dezember 1305 NGZ, Tombstone

Werner Niesewitz

Ich verließ äußerst nervös das Torbogenfeld des Transmitters. In der Zwischenzeit hatte ich die Besatzung Tombstones komplett austauschen lassen, um keinerlei Risiko einzugehen. Die neu formierte Sicherheitsgruppe empfing mich mit einem zackigen »Willkommen Marschall-Kommandeur«. Einer der Einsatzagenten, ein vierschrötiger Ertruser, informierte mich, dass das Transportschiff bereits eingetroffen und die Gefangenen in den Zellentrakt gebracht worden seien. Geistesabwesend dankte ich für seine Meldung.

Werner Niesewitz

Innerlich kochte ich. Meine Pläne standen auf Messers Schneide. Ich musste unbedingt verhindern, dass da Repul mit Jenmuhs sprach. Danach waren Meyers und die übrigen Mitglieder der Gruppe Zero dran. Bisher war meine besondere Rolle bei den Ereignissen um Joharr noch nicht aufgefallen. Jetzt musste ich mir etwas einfallen lassen, wie ich Jenmuhs hinters Licht führen konnte.

Ramira

Das Stasisfeld, das mich zur Bewegungslosigkeit verurteilt hatte, erlosch. Ich war gefangen: Man hatte mich in ein finsteres Loch geworfen, das entsetzlich stank. So langsam gingen mir Cartwheel, da Repul und Jenmuhs gewaltig auf die Nerven. Was zu viel war, war einfach zu viel. Als eine arkonidische Herzogin war ich eine andere Behandlung gewohnt.

*

Die Tür der Zelle öffnete sich. Ein Soldat oder so etwas ähnliches starrte mich mit gierigen Augen an. An seinen weißen Haaren und den roten Augen erkannte ich, dass ich ein Mitglied meiner Rasse vor mir hatte. Sein Blick schien sich zwischen meinen Beinen festzusaugen. Ich spürte geradezu körperlich, wie er mich taxierte.

»Komm her, du dreckige Essoya. Jetzt bist du fällig. Der Marschall-Kommandeur verlangt persönlich nach dir. Und vielleicht lässt er noch einiges für uns übrig. Manchmal kann er sehr großzügig sein, wenn er mit uns zufrieden ist.«

Sein Blick besagte eindeutig, welche Belohnungen er sich vorstellte. Langsam richtete ich mich völlig auf. In den hochhackigen Stiefeln überragte ich ihn fast um einen halben Kopf. Und dann kam meine Chance. Dieser Narr trat tatsächlich einige Schritte auf mich zu. Er gedachte wohl, sich einen Vorgeschmack auf die zu erwartende Belohnung zu verschaffen.

Ein gezielter Dagorgriff und er lag mir zu Füßen. Momente später flog der Strahler, den er noch nicht einmal gezogen hatte, zur Seite. Dieser Verräter war unfähig und zudem kein guter Soldat, denn er hatte seine Pflicht vergessen. Eine Schande für mein Volk! Ich packte seinen Kopf und drehte ihn fast bis an den Punkt, der zum Bruch der Halswirbel führen würde.

»Wo ist da Repul eingekerkert?«

Ich verstärkte meinen Druck noch etwas, um meiner Frage Nachdruck zu verleihen. Stammelnd kam die Antwort.

»Er … er … ist, ist zwei Zellen weiter. In mein… Uniformtasche habe ich den Codeschlüssel …«

Weiter kam er nicht. Ich hatte alle Informationen, die ich brauchte. Mit einem Ruck beendete ich sein Leben. Ich durchsuchte zügig seine Uniform und fand ein schmales Vibratormesser, das für meine Zwecke ideal geeignet war.

Anschließend nahm ich den Thermostrahler und öffnete das Schott der Zelle. Der Codeschlüssel funktionierte einwandfrei. Vorsichtig sondierte ich die Lage. Gut, niemand zu sehen! Ich dankte Kralas für seinen Schutz und betrat den Gang. Mit wenigen Schritten stand ich vor da Repuls Zelle, um den Auftrag des Imperators abzuschließen. Die Anweisungen Bostichs waren eindeutig: Wenn ich die Kontrolle über da Repul verlöre, müsste ich ihn töten.

Nicht, dass ich das bedauern würde. Im Gegenteil. Dieser Auftrag hatte mich in eine absolut unwürdige Rolle gezwungen. Mit dem Codeschlüssel öffnete ich die Zelle. Da Repul starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, in denen Panik stand. Mit einigen Schritten war ich bei ihm. Die dünne, lange Klinge glitt wie von selbst in meine Hand.

»Hier ist dein Weg zu Ende, Zayna. Auf Grund der mir vom göttlichen Imperator erteilten Vollmachten verurteile ich dich zum Tode. Das Urteil wird sofort vollstreckt.«

Da Repul begann unkontrolliert zu zittern.

»Wer, … wer … bist du?«

»Erkennst du mich nicht? Ich bin Ramira, deine Assistentin und Henkerin. Hast du wirklich geglaubt, dass du den großen Imperator erpressen kannst? Auch Jenmuhs kann dich nicht vor der Gerechtigkeit des Göttlichen Imperiums schützen. Und nun stirb, du Wurm!«

Da Repul begann abgehackt loszubrüllen: »Wenn … ich … ich nicht den Siche… Sicherheitscode bis zum E… Ende der Woche erneuere, dann wird ein Daten… kristall an alle Massenmedien der Milchstraße und Cartwheels übertragen. Gleichzeitig erh… erhält der Gos’Shekur ei… eine Kopie der … der Da… Daten. Der so gött… gö… göttliche Imperator wird ein Fiasko ohnegleichen erleben!«

Ich lachte schallend.

»Du kleiner Zayna meinst doch nicht die Datenkristalle, die du in diesem geheimen Energietresor bei der Cartwheel-Bank deponiert hast? Da kann ich dich beruhigen, die sind inzwischen samt der Kopien in Atome zerlegt. Und nun ist es endgültig Zeit, dich zu Kralas zu schicken.«

Und dann tat das Messer seine Arbeit.

Doch ich hatte einen Fehler gemacht. Es war zu viel Zeit vergangen. Das Geräusch des sich öffnenden Schottes riss mich aus der Konzentration. Ich fuhr herum. Ein kleiner Mann in einer schmucklosen schwarzen Uniform, der von zwei weiteren schwarz uniformierten Soldaten begleitet wurde, betrat die Zelle. Meine durch die Situation geschärften Sinne identifizierten ihn sofort als Anführer. Doch zu mehr blieb mir keine Zeit. Seine Begleiter zwangen mich zum Handeln. Ich ging kein Risiko ein. Der erbeutete Thermostrahler entlud sich zweimal, die Soldaten sanken tödlich getroffen zu Boden, bevor sie ihre Waffen ziehen konnten. Mit einigen Schritten schnellte ich auf ihn zu und konnte ihn mit einem Dagorgriff bewegungsunfähig machten.

»Wer sind Sie?«

Der Mann blickte mir furchtlos in die Augen. Und jetzt erkannte ich ihn. Ich hatte sein Bild schon öfters auf Lingus gesehen. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Das war so viel wie ein Freifahrtschein! Doch bevor ich weitere Überlegungen anstellen konnte, antwortete er: »Ich bin Marschall-Kommandeur Niesewitz. Und ich darf Ihnen raten, sich unverzüglich zu ergeben, wenn Sie hier lebend herauskommen wollen.«

Ich musste grinsen. Das war wohl eine klare Verkennung der Tatsachen.

»Ich glaube, Marschall, Sie verkennen die Situation. Es bedarf nur eines kleinen Fingerdrucks von mir und Ihr sogenannter Emperador kann sich einen neuen Geheimdienstchef suchen!«

»Das ist zwar richtig, aber ich schätze Sie nicht unbedingt als Selbstmörderin ein. Sie befinden sich hier auf Hochsicherheitsgebiet und glauben Sie mir, ohne meine Erlaubnis kommen Sie nie hier weg. Aber vielleicht können wir uns einigen. Ich bin nicht unbedingt Ihr Gegner und da Repul«, mit diesen Worten deutete er auf den toten Arkoniden, »wäre sowieso fällig gewesen. So gesehen haben Sie mir sogar einen Gefallen getan. Aber bevor wir weiterreden, möchte ich wissen, mit wem ich es zu tun habe. Wer sind Sie wirklich?«

Nun begann ich zu überlegen. Wahrscheinlich hatte er Recht. Ich verfügte zwar noch über einige Möglichkeiten, die er nicht kennen konnte, aber es wäre wohl weitaus einfacher, wenn ich mich mit ihm einigen konnte.

»Nun gut. Mein Name ist Seryklya ta Helonk. Ich bin eine Einsatzagentin der Kralasenen und nur dem Imperator persönlich verantwortlich. Meine Aufgabe war es, da Repul der Gerechtigkeit des Göttlichen Imperiums zuzuführen.«

Dass ich gleichzeitig Tai-Laktrote des Zarakh-Ordens war, verschwieg ich. Das wusste noch nicht einmal Bostich.

Werner Niesewitz

Ich blickte dieser Arkonidin in die Augen. Es war mir unerklärlich – ich empfand keine Furcht. Im Gegenteil. Fast hatte ich den Eindruck, einer verwandten Seele gegenüberzustehen. Was sie dann auf meine Frage nach ihrer Identität antwortete, verschlug mir erstmal die Sprache. Ungläubig starrte ich sie an. Ich kannte die Bedeutung der arkonidischen Namenssuffixe. Diese Frau zählte zum höchsten Adel Arkons. Vor mir stand eine leibhaftige arkonidische Herzogin und – wie ich feststellen konnte – eine höchst attraktive dazu!

Gleichzeitig hatte sie mir eine höchst interessante Information geliefert. Wenn Bostich es für nötig erachtete, eine Spitzenagentin der Kralasenen auf den persönlichen Günstling Jenmuhs anzusetzen, so mussten gewichtige Gründe vorliegen. Denn Bostich riskierte ohne Not bestimmt keinen diplomatischen Konflikt mit dem Quarterium, indem er einen Mordauftrag im Hoheitsgebiet seines Bündnispartners erteilte. Leider waren diese Informationen wahrscheinlich verloren, denn diese Agentin hätte den Mord wohl nicht durchgeführt, wenn die belastenden Indizien nicht zwischenzeitlich vernichtet wären.

In meinem Kopf begann eine Idee Gestalt anzunehmen. Zum einen fand ich die Frau äußerst attraktiv und zum anderen war es immer gut, mehrere Eisen im Feuer zu haben. Es konnte meiner Position bestimmt nicht schaden, wenn ein führendes Mitglied der Kralasenen mir persönlich verpflichtet war. Außerdem glaubte ich, tief in ihren Augen ein gewisses Interesse an mir zu erkennen. Also schlug ich vor, ihr die unbehelligte Passage durch das Sternentor in die Milchstraße zu ermöglichen.

Sie bat mich noch um angemessene Kleidung und die Möglichkeit, sich zu waschen. Danach machte ich mich auf den Weg nach Paxus, um dem Emperador und den Quarteriumsfürsten über den Stand der Vorbereitungen für unser »Silvesterfest« zu berichten.

30. Dezember 1305 NGZ, Paxus, Paxus-Tower

Die gesamte Führung des Quarteriums hatte sich, soweit sie in Cartwheel war, im Moncloa-Saal des Paxus-Towers versammelt. Der Saal war prunkvoll eingerichtet. Er war in einem schlichten Beige gehalten. In der Mitte befand sich ein blank polierter Tisch aus Speekholz aus den Wäldern von Siniestro. Zwischen den großen Fenstern hingen dreidimensionale Holographien des Emperadors, der EL CID und der Planeten Paxus, Mankind, Bostich und Pelewon.

Neben dem Emperador und seiner Tochter waren der Gos’Shekur, Torsor sowie Despair anwesend. Alle warteten auf den Kommandeur der CIP, um letzte Details des Einsatzes auf Siniestro abzusprechen. Vor allem Jenmuhs wurde schon ungehalten, denn er hasste es, wenn er auf jemanden warten musste. Vor allem, wenn es Untergebene waren.

Niesewitz traf mit fast zweistündiger Verspätung ein. Er entschuldigte sich wortkarg für seine Verspätung, die er durch notwendige Planungen für den Einsatz auf Siniestro begründete.

Nachdem er die Pläne nochmals kurz zusammengefasst hatte, ergriff der Gos’Shekur das Wort.

»Niesewitz«, sprach er den Kommandeur der CIP mit herablassender Arroganz an, »soweit ich informiert bin, haben Sie im Laufe der Aktion auf Lingus einen arkonidischen Angehörigen der CIP verhaftet. Ich verlange, dass dieser Bezirks-Kommandeur sofort an mich übergeben wird.«

Bevor der Angesprochene antworten konnte, ergriff die Tochter des Emperadors das Wort.

»Gos’Shekur, es tut mir leid, aber das wird kaum möglich sein. Bezirks-Kommandeur da Repul wurde auf meinen Befehl durch ein Standgericht zum Tode verurteilt und das Urteil wurde bereits vollstreckt. Da Repul hat mit den Linguiden kollaboriert und vor seinem Tode seine Schuld eingestanden.«

Jenmuhs sprang auf und begann zu brüllen.

»Wie könnt ihr es wagen, einen arkonidischen Adeligen vor ein Standgericht zu stellen? Ich …«

Weiter kam er nicht, der Emperador griff ein.

»Gos’Shekur, mäßigen Sie sich. Ich sehe in der Maßnahme meiner Tochter keine Überschreitung unserer Kompetenz. Da Repul war CIP-Mitglied und so auch der Gerichtsbarkeit der CIP unterstellt. Ich denke nicht, dass Sie unsere Allianz wegen eines Arkoniden, der offensichtlich mit dem Feind zusammengearbeitet hat, aufs Spiel setzen wollen?«

Das reichte. Wutschnaubend und einige arkonidische Flüche vor sich hinmurmelnd setzte sich Jenmuhs wieder. Die Versammlung wandte sich wieder dem eigentlichen Thema zu. Niesewitzs Plan wurde in allen Einzelheiten genehmigt. Die Falle war aufgestellt.

*

Der einsame Mann in der silbernen Rüstung starrte auf die Stadt. Amüsiert dachte er an den Vorfall im Thronsaal zurück. Noch nie hatte er Jenmuhs so aufgebracht gesehen. Doch auch die Reaktion von Stephanie de la Siniestro war sehr aufschlussreich. Fast hatte er den Eindruck, dass sie mit Niesewitz unter einer Decke steckte. Doch dann schüttelte er den Kopf. Das passte einfach nicht zur hochnäsigen Tochter des Emperador. Sicher sah er so langsam überall Gespenster, was wohl auch mit den Problemen, die Joharr machte, zusammenhing. Aber das Problem Joharr würde sich in wenigen Tagen erledigt haben.

31. Dezember 1305 NGZ, Siniestro, Schloss Madrid

Im Schloss des Emperadors liefen die Vorbereitungen für das Silvesterfest auf Hochtouren. Der Herrscher Cartwheels war bereits eingetroffen und hatte sich in seine Privaträume zurückgezogen. Kurz darauf traf seine Tochter Stephanie ein, die sofort zu ihrem Vater eilte.

Emperador de la Siniestro

Es war alles vorbereitet. Niesewitz hatte uns berichtet, dass die Linguiden, wie geplant, eingetroffen waren. Ich war richtig stolz auf Stephanie, was ich von meinen anderen Kindern nicht unbedingt behaupten könnte.

»Ich freue mich, dass du mich besuchst. Wie du diese Krise auf Lingus gelöst hast! Oh Stephanie, du bist eine wunderbare Tochter.«

»Vater, darf ich dich um etwas bitten?«

»Aber natürlich, um alles was du willst.«

»Vater, wenn das alles vorbei ist, möchte ich diesen Joharr haben.«

Ich war regelrecht verblüfft. Was wollte sie denn mit diesem idealistischen Unruhestifter? Genau das fragte ich sie. Und dann erzählte sie mir von ihrem Plan, Joharr umzudrehen. Sie schilderte mir die Wirkung unserer Propaganda, wenn ein Mann mit der Begabung Joharrs unsere Ziele in der Öffentlichkeit vertreten würde.

Irgendetwas kam mir dabei aber überzogen vor. Ich sprach sie direkt darauf an. Da lachte sie ihr glockenhelles Lachen. »Väterchen, Väterchen«, meinte sie, »vor dir kann ich auch nichts verbergen.« Ich lachte zurück. Oh, wie ich sie verstand. Ihr Verlobter Toran Ebur war ein grober Klotz und mir war klar, dass sie gelegentlich etwas Abwechslung brauchte. Sonst wäre sie wohl auch nicht meine Tochter.

Werner Niesewitz

Das Schloss strahlte in hellem Glanz. Überall hatte man silberne Kerzenleuchter aufgestellt, die den Kronsaal in ein weiches Licht tauchten. Ich saß tief unter dem Palast in einem mit allerlei Überwachungsgeräten vollgestopften Raum und wollte nichts dem Zufall überlassen, deshalb überwachte ich wiederum die Geräte, und zwar selbst.

Siniestros hochnäsige Tochter hatte hervorragende Arbeit geleistet, das musste ich zugeben. Diese linguidischen Möchtegernterroristen waren ihr voll auf den Leim gegangen. Meine Geräte zeigten die Positionen der präparierten Waffen und der kleinen Sender an. Die Bewegungsprofile ergaben, dass sie sich genau nach den übergebenen Plänen bewegten. Grinsend lehnte ich mich zurück. Der Spaß konnte beginnen.

Emperador de la Siniestro

So langsam füllte sich der Festsaal. Immer mehr Gäste trafen ein. Ich begrüßte sie persönlich. Hier war ich in meinem Element. Darauf verstand ich mich wie kein Zweiter. Hier ein kleiner Plausch mit einem wichtigen Industriellen, dort eine hingeworfene Bemerkung, da ein Kompliment für die Gattin eines Repräsentanten. Und neben mir befand sich meine Tochter, die heute die Rolle der First Lady übernommen hatte. Dieser geballten Macht von Charme, Überredungskunst und kunstvoll gesponnenen Intrigen war niemand gewachsen.

Und dann traf endlich die Delegation der Opposition ein. Ja, sie waren alle gekommen: Rosan Orbanashol-Nordment vertrat die USO, der saggittonische Vizekanzler Rauoch wurde von Nataly Andrews und Kathy Scolar begleitet, selbst dieser akonische Erzdemokrat Mirus Traban war erschienen. Sie alle schienen blind meinem Wort als Emperador zu vertrauen.

Nur eines passte nicht ganz ins Bild: Sie waren mit einer Space-Jet direkt im Hof des Schlosses gelandet. Das war eigentlich ein diplomatischer Affront, aber mit einer kurzen ironischen Bemerkung ging ich großzügig darüber hinweg.

Und dann platzte die Bombe, die beinahe alles zum Scheitern brachte. Plötzlich erschien dieser Robert Mohlburry, der seinem Spitznamen »Speaky« mal wieder alle Ehre machte. Er hatte nichts Besseres zu tun, als über Dinge zu reden, die hier absolut nicht hingehörten. Er erzählte allen, ob sie es hören wollten oder nicht, dass Leticron und Vesus ihre Flotten vereinigt und mit der Vorbereitung der Invasion von Erendyra begonnen hätten!

Diese Neuigkeit stellte uns vor größere Probleme. Doch es gelang mir, alles als Missverständnis hinzustellen. Wir hätten Leticron leider noch nicht erreicht, da die Verbindungen zur Flotte leider durch die unsichere Lage in Siom Som unterbrochen wären. Zugegeben, eine höchst zweifelhafte Erklärung, aber mir fiel im Moment keine bessere ein.

Dann versicherte ich, bei meiner Ehre als spanischer Edelmann, dass der Corun natürlich den Befehl erhalten würde, unverzüglich nach Hause zurückzukehren, sobald die Verbindung wieder möglich wäre. Und alle glaubten mir. Sie wussten offenbar nicht, dass ein spanischer Edelmann keine Ehre hatte, auf jeden Fall nicht diese Art Ehre.

Und dann traf endlich mein Hauptgast ein. Begleitet wurde er von diesem linguistischen Chronisten Jargon. Damit hatten wir sie alle in der Mausefalle. Mit einem leichten Kopfnicken erlaubte ich Stephanie, sich besonders um ihn zu kümmern. Und das tat sie. Ihr Charme und ihre Redegewandtheit hätten selbst einen Stein erweicht.

Mit stillem Vergnügen beobachtete ich meine Tochter. Sie sah wirklich bezaubernd aus. Heute hatte sie sich für ein seriöses Ballkleid entschieden, das ihrem Stand entsprach. Es war mit Brüsseler Spitze umsäumt, die mich ein Vermögen gekostet hatte, und machte sie zum Star des Abends. Sie war der umschwärmte Mittelpunkt. Und sie hatte, zumindest schien es so, sowohl Joharr als auch Jargon völlig in ihren Bann gezogen.

Soweit lief nun alles zu meiner Zufriedenheit. Und jetzt war es an der Zeit, zum gemütlichen Teil überzugehen. Oh, ich würde mich nicht lumpen lassen. Es war schon immer die Ehre eines spanischen Granden, seine Gegner mit allen Köstlichkeiten, die Küche und Keller bieten, zu bewirten, bevor er ihnen die Kehlen durchschnitt. Zynisch dachte ich, jetzt beginnt für alle, die mir immer im Wege gestanden haben, die Henkersmahlzeit. Sollen sie sich noch mal auf meine Kosten die Bäuche vollstopfen, es wird die letzte Mahlzeit ihres Lebens sein!

Und so vergingen die Stunden bis zum großen Ereignis.

3. Pax Cartwheel – Friede über den Gräbern?

31. Dezember 1305 NGZ, Siniestro, Schloss Madrid, kurz vor Mitternacht

Cauthon Despair hatte sich zurückgezogen, was eigentlich niemanden wunderte. Man war seine Menschenscheu gewohnt. Er beobachtete das lustige Treiben über die Überwachungskameras. Er war nicht menschenscheu, nein, er empfand Verachtung. Eine Verachtung, die er manchmal nicht mehr ertragen konnte, die ihn innerlich zerfraß. Voller Abscheu beobachtete er, wie die Repräsentanten des neuen Reiches der Menschheit, das vor allem er geschmiedet hatte, sich allerlei billigen Vergnügungen hingaben. Warum nur war er gezwungen, mit diesen Kreaturen zusammenzuarbeiten?

Er sah Menschen, die bereits tot waren, die es nur noch nicht wussten. Wie gerne wäre er hinausgegangen und hätte sie gerettet. Doch er durfte es nicht. Und dann fasste er einen Entschluss. Er würde sich nicht an diesem Gemetzel beteiligen. Er würde hier nur stiller Beobachter bleiben. Er wusste, dass ihn viele hassten. Sie machten ihn für den Terror, für den Tod verantwortlich. Und er war verantwortlich.

Darüber hinaus würde das hier erst der Anfang sein. Er würde noch milliardenfachen Tod über ungezählte Welten bringen. Es war sein Schicksal, seine Hybris. Er war der Tod. Und niemand konnte ihm entkommen. Doch heute war er müde, so unendlich müde.

*

Frank de Boor hatte sich etwas von dem allgemeinen Gedränge abgesetzt. Er versuchte, sich einen Überblick über das Geschehen zu verschaffen. Irgendwie fühlte er sich immer unbehaglicher, obwohl er keinerlei Anhaltspunkte für sein ungutes Gefühl feststellen konnte.

Der Emperador und seine Tochter zeigten sich als vollendete Gastgeber und selbst der arkonidische Gos’Shekur überschlug sich heute vor Höflichkeit. Warum musste er immer an Mayas Bemerkung denken, Schlange bleibt Schlange? All seine Instinkte rebellierten und im Laufe seines Lebens hatte er gelernt, seinen Instinkten zu vertrauen.

Er stürzte sich wieder in das Gedränge. Sein Platz war an Rosans Seite, denn eines war klar: Falls irgendwelche Schweinereien geplant waren, würde wohl sie ein bevorzugtes Ziel darstellen. Und irgendwie musste er es schaffen, die anderen aus dem Gedränge herauszuholen. Wenn überhaupt, so hatten sie nur gemeinsam eine Chance.

Er beglückwünschte sich, dass er Rosan überredet hatte, einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. So trug jedes Mitglied der Delegation einen kleinen Körperfeldprojektor unter der Kleidung. Dieser würde zwar dem Beschuss von schweren Waffen nicht gewachsen sein, dürfte jedoch ausreichen, um den Träger vor eventuellen Attentaten zu schützen. Und dann hatte er Rosan erreicht. Mit Erleichterung registrierte er, dass Mirus Traban und der Saggittone Rauoch ebenfalls in der Nähe waren.

Die Attentäter

Martana Kuutor

Wir waren bereit loszuschlagen. Alle Genossinnen und Genossen hatten ihre Positionen bezogen. Sobald dieser Tyrann mit seiner Rede begann, war der Zeitpunkt gekommen: Die Stunde der Abrechnung, die Stunde der Freiheit! Es war so leicht gewesen. Die Pläne, die wir von der Unbekannten erhalten hatten, waren perfekt.

Wir hatten ohne Schwierigkeiten die Sicherheitszone überwunden. Die Detektoren hatten nicht angeschlagen, die kleinen Minisender bewirkten anscheinend Wunder. Und wieder fragte ich mich, wer die unbekannte Verbündete eigentlich war. Sie musste zum engsten Kreis der Despoten gehören, anders waren ihre Kenntnisse und ihre Möglichkeiten nicht zu erklären. Aber weshalb sollte eine Angehörige der Ausbeuterklasse uns unterstützen?

Und plötzlich begann ich nachzudenken. Irgendetwas stimmte hier nicht. Dies war wirklich viel zu einfach gewesen. Und dann entschloss ich mich, meinen Platz zu verlassen. Kurz entschlossen legte ich den schwarzen Tarnanzug ab. Darunter trug ich meine einfache linguidische Kleidung. In dieser würde ich auf der Gesellschaft nicht auffallen, da alle Linguiden einfache, schmucklose Kleidung bevorzugten.

Ich mischte sich unter die Gäste und ließ mich in Richtung des protzigen Throns des Usurpators treiben. Dieser thronte in seiner ganzen Überheblichkeit über dem Volk und stopfte Unmengen Nahrung in sich hinein. Meine Augen blitzten zornig, dessen war ich mir sicher – ich konnte nur mit Mühe eine unüberlegte Reaktion unterdrücken.

Ich wurde abgelenkt. Pace, dieser Narr, begann zu sprechen. Wider meinen Willen wurde ich einen Augenblick lang von seinen Worten fasziniert. Oh ja, das Reden verstand er wie kein Zweiter. Worte, nichts als Worte! Ich dachte zurück an unsere gemeinsame Zeit, die Zeit der Jugend, die Zeit der gemeinsamen Ideale und die Zeit der gemeinsamen Gefühle.

Gemeinsam hatten wir gehofft, die Welt, ja, das Universum zu verändern. Wir hatten geträumt, mit der Macht des Wortes das Universum aus den Angeln zu heben. Doch Pace war stehen geblieben. Irgendwann hatte ich erkannt, dass das Wort nicht genug war. Dem Wort musste die Tat folgen.

Und dann hatte ich angefangen, eigentlich wusste ich nicht wieso, mich für die terranische Frühgeschichte zu interessieren. Ich wollte eine Erklärung für die Hybris meines Volkes finden: Weshalb waren die fähigsten Friedensstifter am Ruf der Unsterblichkeit gescheitert, während ausgerechnet die Terraner, ein durchaus gewalttätiges Volk, die Auserwählten der hohen Mächte waren?

Und ich hatte die Antwort gefunden. Es war ganz einfach, die Terraner hatten immer nach dieser Devise gelebt: Das Wort und die Tat müssen eine Einheit bilden. Wenn das Wort ohne Macht ist, dann muss die Tat dem Wort zur Macht verhelfen. Pace hatte diese Grundwahrheit nie verstanden. Mit Dankbarkeit dachte ich an die alte Bibliothekarin zurück, die mir die Tür zur Weisheit geöffnet hatte.

Und wieder brannte der Name wie ein Fanal in meinem Denken: Ernesto Che Guevara. Der Commandante, wie er genannt wurde, hatte mir den Weg gezeigt, den Weg der Revolution der Völker. In seinen Schriften hatte ich Wahrheit, die ewige untrügliche Wahrheit gefunden. Wider meinen Willen hörte ich Pace weiter zu. Ließ die Worte auf mich wirken.

Che Guevara hatte in allem Recht. Er hatte Recht damit, dass der Krieg, dass die Unterdrückung und Ausbeutung der Massen, Unrecht, Not und Elend für die Völker bedeutete, dass unzählige Kinder und Mütter ihre Väter und Männer verlieren würden, dass Krieg und Gewalt die Bestie im Wesen jedes intelligenten Wesens wecken.

Ja! Pace, dachte ich mir, du hast mit allem Recht, aber warum ziehst du nicht die Konsequenzen? Warum nur, Pace, warum? Sag mir, wann und wo irgendein Diktator, irgendein Leuteschinder, irgendein Ausbeuter des Volkes sich je durch das Wort überzeugen ließ? Wann hat sich irgendein Despot jemals freiwillig dem Willen des Volkes gebeugt? In einem allerdings hast du Recht: Es ist das Wort, durch das große Veränderungen eingeleitet werden, aber es ist nicht dein Wort.

Che, großer Revolutionär, hier und heute beginnt deine Revolution! Hier und heute mache ich den Anfang. Von hier, von diesem Monument des Imperialismus und der Dekadenz, von diesem Ort der Finsternis wird das Signal an die Völker des Universums ausgehen: Erhebt euch, ihr habt nichts zu verlieren, nur eure Ketten!

Und dann fiel mein Blick auf ein aufgedonnertes Flittchen, das sich im diesem Moment zum Despoten hinüberbeugte. Schon wollte ich mich wieder abwenden – Was sollte wohl an einem Lustspielzeug interessant sein? – als die Art und Weise, wie sich diese Person bewegte, meine Aufmerksamkeit erregte. Dieses Weibsstück erinnerte mich an jemanden! Ich fing an zu grübeln. Irgendwo, da war ich mir ganz sicher, war ich ihr schon einmal begegnet. Mit halbem Ohr schnappte ich einige Gesprächsfetzen auf. Und dann brannte sich ein Name in mein Gedächtnis. Stephanie. Hieß so nicht diese verkommene Tochter des Unterdrückers?

In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Diese Person war die unbekannte Verbündete, die uns den Zugang zu diesem Ort des Größenwahns verschafft hatte! Zwar war sie heute ganz anders gekleidet, und auch ihr Typ war völlig verschieden, aber ich war eine Frau und ließ mich nicht durch Äußerlichkeiten täuschen. Die arrogante Art, dieses Bewusstsein, jeder küsst mir die Füße, all das war gleich. Und das bedeutete …

Ich wurde jäh aus meinen Überlegungen gerissen. Ich hatte gar nicht registriert, dass Pace am Ende seiner Rede angelangt war. Der Despot ging nach vorne, um eine vorbereitete Erklärung zu verlesen.

»Meine lieben Untertanen. Wir sind heute zusammengekommen, um den Bruderzwist, der durch unglückliche Umstände und Missverständnisse zwischen uns ausgebrochen ist, endlich zu beenden. Ich erkläre hiermit feierlich für das neue Jahr 1306 die Pax Cartwheel, Friede und …«

Nun brach das Chaos aus. Und es war mein Chaos. An den Türen und Fenstern explodierten die Sprengladungen. Meine Kämpferinnen und Kämpfer stürmten den Thronsaal. Ich hatte von meiner Position einen guten Überblick. Aber alles war falsch. Plötzlich verstand ich, aber viel zu spät. Es waren nicht nur meine Kämpfer. Nein, die hatten sich auf mystische Weise mehr als verdoppelt. Und plötzlich waren auch die Wachen da. Schwere Strahler brüllten auf.

Meine Augen füllten sich mit Tränen. Es war aus, ich war gescheitert. Von dieser verdammten Tochter des Mörders ausgetrickst. Meine Freunde fielen. Sie kamen gar nicht dazu, ihre Waffen einzusetzen. Ich schaffte es irgendwie, in der in Panik geratenen Menge unterzutauchen. Niemand beachtete mich. Für die Mörder schien ich nur ein unbedeutender Gast zu sein.

Und nun verstand ich endgültig. Die kleinen Sender identifizierten uns. Ich hatte den Sender und die Waffe bei meiner Tarnkleidung zurückgelassen, als ich den Thronsaal betrat. Ich war für die Mörder gar nicht vorhanden. Che, großer Revolutionär, sollte ich eine zweite Chance gekommen? Ich vermied alles, womit ich auffallen konnte. Ich schrie genau wie die anderen, in voller Panik und rannte ziellos hin und her.

Dabei wurde mir der perfide Plan der Mörder immer klarer. Nicht wir waren das Ziel gewesen, wir würden nur den Sündenbock abgeben. Etwa fünfzehn schwarz gekleidete Gestalten bewegten sich zielsicher auf die Vertreter der USO und die sonstigen Oppositionsmitglieder zu. Diese schienen etwas geahnt zu haben, denn plötzlich wurden sie durch Körperschirme geschützt. Doch das Flackern der Schutzschirme bewies, dass die Schirme nicht mehr lange halten würden. Alle Gegner des Quarteriums durch linguidische Terroristen ermordet!

Doch dann schien etwas schief zu gehen. Ein alter Terraner hatte die Führung übernommen. Er schien eine weitaus bessere Ausrüstung zur Verfügung zu haben. Er brachte den Angriff zum Stillstand. In den Händen hielt er zwei klobige Energiestrahler, die Wirkung zeigten. Aber das alles interessierte mich nicht mehr. Ich folgte der Menge, die versuchte, sich in Sicherheit zu bringen. Mir fiel ein Zitat ein, das ich in der alten Bibliothek auf Terra gelesen hatte: Revolutionäre müssen wie Fische im Wasser sein. Und ich würde, wenn mir die Flucht gelang, ein Fisch sein, ein gefährlicher, tödlicher Haifisch. Ich hatte meine Lektion gelernt. Vertraue niemandem, nur dir selbst!

Kathy Scolar

Pace Joharr hatte seine Rede unter tosendem Applaus beendet, als der Emperador seine Friedenserklärung begann. Wir waren voller Hoffnung, alles schien sich zum Guten wenden. Voller Glücksgefühle umarmte ich Nataly. Kein Krieg, keine Trennung von Aurec mehr, und Frieden, endlich Frieden in Cartwheel! Welche wunderbaren Aussichten für das neue Jahr.

Doch plötzlich öffnete sich die Hölle. Überall explodierten Sprengladungen. Schwarzgekleidete Gestalten mit vermummten Gesichtern stürmten wild um sich schießend den Thronsaal. Die Wachen schienen völlig überrascht. Doch dann schossen sie zurück. Die ersten Terroristen wurden getötet.

Aber irgendetwas war komisch. Sie schienen es nur auf bestimmte Terroristen abgesehen zu haben. Und so langsam wurde mir klar, was da ablaufen sollte. In Wirklichkeit waren wir das Ziel. Denn die überlebenden Mörder schossen ausschließlich auf uns. Automatisch aktivierten sich unsere Körperschirme. Zum Glück hatte sich dieser alte, erfahrene Veteran durchgesetzt.

Jedoch bemerkte ich bald, dass unser Ende nur eine Frage der Zeit sein würde. Unsere Schirme waren einfach zu schwach. Noch vor wenigen Tagen wäre in mir die pure Panik ausgebrochen, ich hätte kopflos versucht, zu fliehen. Doch meine beginnende Freundschaft mit Nataly und das Training mit Frank gaben mir ein neues, mir bisher total unbekanntes Selbstbewusstsein. Wenn ich hier schon sterben sollte, dann wollte ich kämpfend untergehen. Und vielleicht konnte ich noch einige der Mörder mit mir nehmen.

Plötzlich hörte ich direkt neben meinem Kopf die Entladung eines schweren Thermostrahlers. Einer der Siniestroknechte verging als brennende Fackel. Frank hatte in den Kampf eingegriffen. Mit einem Blick erkannte ich, dass er über einen weitaus stärkeren Schutzschirm verfügen musste. In den Händen hielt er zwei schwere Thermostrahler. Frank brüllte etwas wie »Alle hinter mich« oder so ähnlich. Und dann begannen wir uns auf eine der Lücken hin zu bewegen, die die Sprengladungen in das Schloss gerissen hatten.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich einen der Mörder, dessen Schirm zusammengebrochen war. Schwer verletzt versuchte er, seinen überschweren Strahler auf uns zu richten. Ich reagierte, ohne nachzudenken. Mit drei langen Schritten schnellte ich ihm entgegen. Er richtete sich halb auf, mein linker Fuß stieß nach vorne und traf ihn am Hals. Röchelnd fiel er zurück. Ich nutzte die Chance und trat ihm voll in die Weichteile.

Dann riss ich ihm den schweren Strahler aus den Händen. Er versuchte sich nochmals aufzurichten. Doch ich kannte keine Gnade. Der schwere Schaft der über einen Meter langen Waffe knallte in sein Gesicht. Ich legte meinen ganzen Hass, meine ganze Wut in diesen Schlag. Der Kolben traf mitten in das Gesicht. Ich hatte meinen ersten Menschen getötet und ich verschwendete keinen Gedanken daran. In mir brannte nur noch ein Gedanke: Er oder ich!

Ich fuhr herum. Der Strahler brüllte ohne mein Zutun auf. Ein fingerdicker Energiestrahl verwandelte einen weiteren schwarzen Mörder in eine Fackel. Und dann übernahm ich, die ängstliche, lebensuntüchtige Kathy Scolar, die Führung. Mein erbeuteter Strahler öffnete uns eine Gasse, während Frank uns den Rücken deckte.

Wenig später erreichten wir die in das Mauerwerk gesprengte Lücke. Ich suchte hinter einigen Trümmern provisorisch Deckung. Nicht dass diese mich im Ernstfall geschützt hätten, aber ich hatte einfach ein besseres Gefühl. Neben mir hasteten die Freunde durch das Loch aus der Mausefalle.

Frank deckte noch immer unseren Rückzug und ich gab ihm Feuerschutz, so gut ich konnte. Durch den schillernden Schutzschirm konnte ich seinen anerkennenden Blick sehen. Er lächelte mir aufmunternd zu. Und ich lächelte zurück. Doch dann formierte sich die Armada der Mörder. Sie nahmen keine Rücksicht auf die unbeteiligten Zivilisten.

Und da machte Frank einen Fehler. Einer dieser Bastarde, der Gestalt nach konnte es sich nur um einen dieser brutalen Überschweren handeln, hatte einen Zivilisten als lebenden Schutzschild vor sich gezogen. Und Frank, Frank zögerte einen Moment. Und der war sein Todesurteil. Die überschwere Waffe brüllte auf und brachte Franks Schirm zum Zusammenbruch.

Frank war tot, verbrannt, verschmort, im atomaren Inferno vergangen. Tränen traten in meine Augen. Und die Waffe in meiner Hand schickte Tod und Verderben. Ich bemerkte nichts von dem Inferno, das ich anrichtete. Blind vor Schmerz und Wut feuerte ich weiter. Frank war tot! Und dann brach ich zusammen. Irgendwie bekam ich noch mit, dass jemand mich nach draußen zog.

Nataly Andrews

Wir hasteten durch die Mauerlücke. Ich bemerkte, dass Rosan irgendwelche Anweisungen in ein kleines Kommunikationsgerät brüllte, das sie wohl versteckt in ihrer Kleidung getragen hatte. Es war kaum zu glauben, aber wir waren alle noch am Leben. Die Schutzmaßnahmen, zu denen Frank uns geradezu genötigt hatte, bewährten sich. Ohne die speziellen Körperschirme wären wir längst tot. Ich war eine der Letzten.

Neben mir warf Kathy sich hinter einigen Trümmerstücken in Deckung. Kathy – ich konnte es einfach nicht fassen. Ich erkannte diese unselbständige, unwissende Nervensäge nicht wieder und musste zugeben, dass wir es ohne sie wahrscheinlich nicht geschafft hätten. Sie hatte die Geistesgegenwart besessen, einem dieser Mörder die Waffe abzunehmen. Waffen, das war unser Hauptnachteil.

In unserer Kleidung hatten wir einfach nur kleine Nadelstrahler oder Desintegratoren verstecken können. Und die waren einfach zu leistungsschwach, um die Schutzschirme der Quarteriumshenker ernsthaft zu gefährden. Erst Kathys beherztes Eingreifen hatte uns eine Chance eröffnet.

Dann bemerkte ich hinter mir einen Glutball. Automatisch blieb ich stehen. Frank, sie hatten Frank erwischt! Frank hatte sich für uns geopfert. Und dann brach die Hölle aus, eine Hölle, die Kathy entfesselte. Sie musste den schweren Thermostrahler auf Dauerfeuer gestellt haben. In diesem Inferno vergingen alle Angreifer, die sich im unmittelbaren Umfeld vor uns befanden.

Kathy schien jede Kontrolle über sich verloren haben. Plötzlich warf sie die Waffe weg und brach weinend zusammen. Mit wenigen Schritten war ich bei ihr. Nein, ich würde sie nicht diesem Abschaum überlassen. Es gelang mir, sie nach draußen zu ziehen. Rosan und Rauoch waren plötzlich neben mir.

Und dann griff unsere Space Jet ein. Neben uns lösten Wirkungstreffer der schweren Borddesintegratoren Teile des Gemäuers in Staub auf und legten einen Kreis des Todes um uns. Das brachte den Angriff auf uns zum Stocken.

Der Pilot brachte das kleine Schiff in einem riskanten Flugmanöver genau über unseren Köpfen zum Stehen. An der Unterseite öffnete sich ein Kleinhangar, der normalerweise zur Aufnahme von Shifts gedacht war. Und dann griffen blassgrüne Traktorstrahlenbündel nach uns und rissen uns in den Hangar. Schmerzhaft machten wir Bekanntschaft mit den Hangarwänden. Ich war mir sicher, dass diverse Knochenbrüche die Folge waren. Aber wir alle lebten. Und dann startete die Jet in den Raum. An den auftretenden Vibrationen erkannte ich, dass der Pilot mit Höchstwerten beschleunigte. Wenig später erreichten wir den freien Weltraum.

Cauthon Despair

Ich betrat das Trümmerfeld, das einmal der Thronsaal des Spaniers gewesen war. So wie es aussah, war die Intrige gescheitert. Ich hätte brüllen oder schreien sollen, aber ich hatte nur ein Gefühl: Genugtuung! Genugtuung darüber, dass dieser perfide Plan, den der Emperador mit seiner Tochter und Niesewitz ausgeheckt hatte, gescheitert war.

Über einen Monitor hatte ich den heldenhaften Kampf dieses alten Terraners verfolgt und beschlossen, ihm in meinen Gedanken ein ehrenhaftes Andenken zu bewahren. Warum nur, warum musste ich mit diesem Abschaum, diesen hirnlosen Schlächtern zusammenarbeiten? Oh, wie gerne hätte ich mein Schwert gezogen und diesem Höllenpfuhl um mich herum ein Ende bereitet. Aber ich war Teil des Höllenpfuhls.

Mit Verachtung sah ich auf die Kreaturen, die sich – wie ich – Quarteriumsfürsten nannten. Fürsten? Dass ich nicht lache! Meuchelmörder wäre die richtige Bezeichnung. Manchmal, ach, es war so schwer, manchmal vergaß ich, dass ich auf der anderen Seite stand, stehen musste, damit wir überhaupt eine Zukunft hatten.

Mein Blick fiel auf Jenmuhs. Der gebärdete sich, als wenn er gerade den Verstand verloren hätte. Er brüllte sinnlose Befehle und fuchtelte mit einem kunstvoll gearbeiteten Strahler herum. Warum hatte dieser degenerierte Feigling ihn nicht eingesetzt? Natürlich, es hätte ihn seinen fetten Wanst kosten können. Oh, wie ich dieses ehrlose, feige Pack verabscheute.

Irgendjemand hatte inzwischen ein Kommunikationsterminal gebracht. Jenmuhs aktivierte eine Verbindung. Auf dem Schirm wurde das Gesicht eines Oberstleutnants in der Uniform der Flotte sichtbar. Das konnte doch nicht wahr sein! Jenmuhs war dabei, alles endgültig in ein Fiasko zu verwandeln. Nicht dass ich etwas dagegen gehabt hätte, aber leider musste ich eingreifen. Ich musste diesen Irrsinn verhindern.

Ich trat also aus dem Hintergrund und schob Jenmuhs mit einer Armbewegung beiseite. Dieser sah mich an, als ob ihm ein Gespenst erschienen wäre. Und dann richtete dieser Narr seinen Strahler auf mich. Mein Schwert lag wie von selbst in meiner Hand, die Spitze berührte Jenmuhs leicht an der Kehle. Der ließ vor lauter Schreck den Strahler fallen und fing an zu zittern. Was für ein Waschlappen! Leider musste ich ihm gegenüber die Höflichkeit wahren. Also erklärte ich ihm die aktuelle Situation wie einem kleinen, ungezogenen Kind: »Gos’Shekur, darf ich Sie darauf hinweisen, dass es ein sehr schlimmer Fehler wäre, wenn wir das USO-Schiff abschießen würden?«

Doch der Arkonide schien nicht zu begreifen. Er blickte mich mit einem Gesichtsausdruck an, den man wohl bei äußerstem Wohlwollen als Unverständnis interpretieren könnte, und stammelte irgendwelchen Schwachsinn. Ich bemerkte daran, dass er nichts, aber auch absolut gar nichts verstand. Bevor ich mich dazu herabließ, diesem Narren alles bis in die kleinste Einzelheit zu erklären, musste ich einem möglichen Unheil von vornherein einen Riegel vorschieben. Also bellte ich einen entsprechenden Befehl für den völlig konsternierten Oberstleutnant in das Interkom.

»Oberstleutnant, hier spricht Quarteriums-Marschall Despair« – als wenn mich nicht jeder in der Flotte kennen würde – »ich erteile Ihnen hiermit den ausdrücklichen Befehl, alle Kampfhandlungen gegenüber dem USO-Raumschiff sofort einzustellen. Alle Schiffe der Schutzgruppe Pax bleiben, ich wiederhole: bleiben!, in ihren Warteräumen. Jede Aktion, die in irgendeiner Weise gegen die USO in Cartwheel gerichtet ist, bedarf meiner ausdrücklichen Freigabe. Sollten anderslautende Befehle, egal von wem, erteilt werden, so bin ich umgehend zu informieren. Ohne meine Gegenzeichnung tritt kein solcher Befehl in Kraft. Despair, Ende.«

Damit trennte ich die Interkomverbindung. Siniestro und Niesewitz grinsten mich wissend an, sie hatten meine Maßnahme verstanden. Doch ein Blick in die Mine Jenmuhs ließ mich erkennen, dass dieser immer noch nichts kapierte. Also begann ich mit meinem Nachhilfeunterricht für Begriffsstutzige. Ich konnte mir dabei eine kleine Spitze gegenüber dem überheblichen Arkoniden nicht verkneifen.

»Sehen Sie, Gos’Shekur, die Lage ist folgende: Wie Sie wissen, wurde die Erklärung des Emperador, bis sie durch diese Terroristen so brutal unterbrochen wurde, über alle Medienkanäle ausgestrahlt. Wie mir versichert wurde, betraf dies nicht nur die Insel, sondern auch die wichtigsten Networks der Milchstraße. Können Sie mir soweit folgen?« Und ich fasste es nicht, dieser aufgeblähte Popanz stimmte mir zu: »Aber natürlich, Quarteriums-Marschall.« Zu diesem Zeitpunkt begann ich zum ersten Mal am Erfolg meiner Mission zu zweifeln. Wer brauchte noch Feinde, wenn er solche Verbündete hatte? Ich fuhr also fort: »Für die Öffentlichkeit hat sich bis jetzt der Eindruck ergeben, dass eine Gruppe linguidischer Terroristen versucht hat, während der Friedensbotschaft des Emperadors, einen feigen Mordanschlag auf ihn und seine Gäste zu verüben. Wenn wir es geschickt anfangen, dann können wir noch die Opposition mit dieser Aktion in Verbindung bringen.

Wenn wir aber, wie Sie es beabsichtigten, dieses Schiff der USO zerstören, setzen wir uns dem Verdacht aus, dass wir diesen ganzen Anschlag initiierten, um einen Grund zur Ermordung der Oppositionsführung zu haben. Wenn wir uns hingegen als die Opfer eines durch die USO initiierten Terroranschlages präsentieren, dann erreichen wir wesentlich mehr, als wenn ihre Führer jetzt getötet werden. Unsere Gegner sind in der gesamten Öffentlichkeit beider Galaxien ein für alle Mal diskreditiert, selbst Rhodan wird es sich nicht leisten können, aktiv gegen uns vorzugehen.«

Ein schneller Blick überzeugte mich davon, dass jetzt alle verstanden hatten. Ich fuhr also fort: »Besonders wichtig für uns ist, dass alle Spuren beseitigt werden, die auf uns als die eigentlichen Urheber hindeuten. Wenn wir die Terroristen präsentieren, muss für jeden die alleinige Schuld der Linguiden klar sein.«

Niesewitz bewies, dass zumindest er mir geistig gleichwertig war. Mit großspuriger Geste erklärte er: »Machen Sie sich keine Sorgen, Quarteriums-Marschall, ich werde dafür sorgen, dass für diese Nachrichtenschnüffler eine regelrechte Jagdstrecke zur Besichtigung freigegeben ist. Darüber hinaus wäre es vielleicht vorteilhaft, wenn die heldenhaften Soldaten des Quarteriums entsprechend geehrt werden würden.«

Alles in mir zog sich bei diesen Worten vor Abscheu zusammen. Jagdstrecke, auf diese Bezeichnung konnte auch nur ein Schlächter wie Niesewitz kommen. Aber sein zweiter Gedanke war nicht übel. Ich wandte mich wieder an den Stellvertreter des Emperadors.

»Gos’Shekur, ich schlage vor, dass Sie heute Morgen eine Neujahrsansprache an das Volk halten. Es sollte Ihnen leicht gelingen, zumindest einen Verdacht auf die USO zu lenken. Besonders sollten wir die Toten bedauern, die dem Terroranschlag zum Opfer gefallen sind. Ich würde Ihnen noch vorschlagen zu erklären, dass die Waisen und Witwen unter Ihre besondere Fürsorge gestellt werden.«

Bei meinen letzten Worten hellte sich die Miene des Arkoniden sichtlich auf. Besonders die Witwen schienen es ihm angetan zu haben, wie ich seinem schmierigen Grinsen entnehmen konnte.

Niesewitz brachte noch unser anderes Problem auf den Punkt. Was sollte mit Joharr und Jaaron werden? Jenmuhs schlug vor, sie einfach an die Wand zu stellen. Dabei wurde er von Torsor unterstützt. Doch Niesewitz bewies, dass ich ihn richtig eingeschätzt hatte. Er sprach sich vehement dagegen aus, jetzt schon vollendete Tatsachen zu schaffen. Vor allem gab er zu bedenken, dass die Lage immer noch viel zu unklar wäre. Man könnte nie wissen, wozu die beiden noch zu gebrauchen wären.

Und jetzt mischte sich auch der Emperador ein, der Niesewitz nachdrücklich unterstützte. Die beiden sollten voneinander getrennt an sicheren Orten inhaftiert werden. Damit war vorläufig alles besprochen. Ich war erleichtert, als ich mich endlich zurückziehen konnte.

Die im Dunkel sieht man nicht

Das weiße Schiff zog seine Bahn weit jenseits der äußeren Planeten. Alle Energieerzeuger waren auf das lebensnotwendige Minimum gedrosselt. Alle aktiven Ortungssysteme waren inaktiv, man beschränkte sich auf passive Ortung. Alle an Bord warteten geduldig. Doch dann brach plötzlich hektische Aktivität aus. Die Ortung meldete Energieemissionen auf Siniestro.

Kurze Zeit später startete eine Space-Jet mit Höchstwerten und trat in den Linearraum ein. Ein kurzes Kommando ertönte »Halbraumspürer einsetzen und folgen.« Wenig später war auch das weiße Schiff aus dem Solsystem verschwunden.

1. Januar 1306 NGZ, Paxus-Kathedrale der Imperialen Christlichen-Muslimisch-Jüdischen Vereinigungskirche

Um Punkt zwölf Uhr mittags hatte auf Paxus ein Dank- und Bittgottesdienst für die Opfer des Terroranschlages in der Silvesternacht begonnen. Die Messe wurde durch den Erzbischof Kardinal Lukas VI. persönlich gehalten. Zu dieser Totenfeier waren alle bedeutsamen Nachrichtenagenturen eingeladen. Es war angekündigt, dass der Gos’Shekur, als Stellvertreter des verwundeten Emperadors, eine Erklärung an heiligster Stätte abgeben würde.

Der Bischof brandmarkte in seiner Predigt den Terror gegen die gottgewollte Regierung des Quarteriums. Er erklärte, dass der Emperador ein Herrscher von Gottes Gnaden sei. Wer seine Autorität in Frage stelle, zweifle gleichzeitig an der Herrschaft Gottes. Jeder Widerstand gegen die gottgewollte Ordnung stelle Ketzerei dar. Auf diese Art und Weise ging es endlos weiter. Und dann trat der Gos’Shekur vor den Altar. Nachdem er den Segen des Bischofs für seine schwere Aufgabe erhalten hatte, begann er seine Erklärung.

»Volk des Quarteriums! Nach den Jahren der Zwietracht und des selbstsüchtigen Egoismus einer kleinen Clique machtversessener Politiker machte unser geliebter Emperador den Versuch, dem gequälten Volk unser aller Heimat, unserer geliebten Insel Cartwheel, endlich den ersehnten Frieden zu bringen. Die Zeit des Kampfes Bruder gegen Bruder sollte vorbei sein.

Sein heiligstes Ziel in dieser schweren Zeit, in der wir, nur durch das mit uns verbündete Kaiserreich Dorgon unterstützt, einer Welt von Feinden gegenüberstehen, war, endlich die Einheit der Insel sicherzustellen. Er hatte seine Hand zum Frieden ausgestreckt. Er war sogar bereit, im Interesse der heiligen Ziele unserer Sache, seine göttliche Macht zu beschränken.

Doch anstatt unsere ausgestreckte Hand anzunehmen, haben unsere Gegner diese Geste als Zeichen der Schwäche interpretiert. Sie sahen die Stunde des niederträchtigsten Verrates gekommen. Das heiligste Recht der Völker, das Gastrecht, sollte benutzt werden, um ihre verwerflichen Ziele durchzusetzen!

Volk des Quarteriums – nein, in dieser Stunde will ich nicht nur die Bürger unseres glorreichen Reiches ansprechen, nein! Ich wende mich an alle rechtschaffenen Wesen der Insel, egal, welcher Rasse sie angehören.

Volk von Cartwheel! Ich muss heute berichten, dass die niederträchtigen Terroristen, die einmal als Volksvertreter gewählt wurden, genau in der heiligen Stunde des Friedens zwischen Mitternacht und Morgen, zwischen dem alten Jahr der Zwietracht und dem neuen Jahr der Hoffnung, auf niederträchtigste Weise versucht haben, ihre Ziele durch Massenmord zu erreichen.

Volk von Cartwheel, ich darf in dieser Stunde sagen, dass sie ihre Ziele nicht erreicht haben. Der Emperador hat den feigen Mordanschlag schwer verletzt überlebt. Der heldenhafte Mut der wenigen Kämpfer der CIP, die für Ordnungsaufgaben eingeteilt waren, hat ihre Pläne zum Scheitern gebracht! Sie haben ihr Leben für die Freiheit und die Ehre von uns allen gegeben. Hier an diesem heiligen Ort erkläre ich feierlich, dass wir die heldenhaften Märtyrer unserer gerechten Sache nie vergessen werden!

Genauso gedenke ich in tiefer Trauer der vielen unbeteiligten, friedlichen Zivilisten, die durch den rücksichtslosen Einsatz von Waffen in der Hand der Terroristen aus der Blüte ihres Lebens gerissen wurden! Für alle die namenlosen Opfer nenne ich hier nur stellvertretend den Namen unseres hochgeschätzten Forschungsministers Peter Roehk, der durch den brutalen Terroranschlag mitten aus seiner rastlosen Arbeit für unser aller Wohl gerissen wurde.

Im Angesicht der ermordeten Bürger erkläre ich hiermit feierlich, bei meinem Amt als Gos’Shekur des arkonidischen Blocks und als Vertreter des Emperadors, dass die Hinterbliebenen der dahingemordeten Opfer jederzeit auf meinen Rat und meine Hilfe bauen können. Mein Palast auf Bostich wird ihnen immer offenstehen, gleich ob verlassene Waisenkinder meine Hilfe oder trauernde Witwen meinen Rat und meine helfende Hand benötigen.

Hiermit erkläre ich feierlich, dass es ab dem heutigen Tag keine Arkoniden, Terraner, Tefroder, Springer oder sonstige menschliche Bevölkerungsgruppen mehr für mich gibt. Ab heute sind wir alle Brüder und Schwestern einer einigen, heiligen Nation, der Nation der Menschheit in Cartwheel!

In dieser Stunde der Trauer habe ich aber auch eine Botschaft an das feige Mördergesindel: Egal in welchen Drecklöchern ihr euch versteckt, egal wohin ihr flieht, egal wer euch vor unserer Rache schützen will, wir werden euch aufspüren! Und dann wird es nur das eine Gesetz für uns geben, das seine Heiligkeit, der Erzbischof, vorgegeben hat: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben für Leben!

Das Auge der CIP, der Blitz der Flotte und die Faust des Heeres wird euch finden und auslöschen. Wir werden keine Gnade kennen, bis dieser Abschaum aus dem Universum getilgt ist. Bereits in diesen Minuten räuchern heldenhafte Einsatzgruppen der CIP, unterstützt durch unsere glorreiche Raumflotte, das erste Rattennest aus.

Ich gebe hiermit der menschlichen Nation Cartwheels bekannt, dass das Volk der Linguiden aus der Gemeinschaft der menschlichen Völker ausgestoßen ist. Sie haben auf niederträchtigste Weise versucht, unsere Güte und Friedensbereitschaft auszunutzen, deshalb erkläre ich dieses minderwertige Volk zu Staatsfeinden!

Der bisher selbständige Planet Lingus wird unter die Administration des Rates der Vier gestellt. Jeder Linguide außerhalb der von uns ausgewiesenen Schutzgebiete ist als vogelfrei zu betrachten. Jeder Bürger hat die Pflicht, den Aufenthaltsort eines Linguiden außerhalb dieser Schutzzonen den quarterialen Behörden zu melden. Für Hinweise, die zur Ergreifung dieser Schmarotzer dienen, wird eine Belohnung von fünfhundert Galax ausgesetzt.

Außerdem wird die USO als Spionage- und Terrororganisation einer feindlichen Macht eingestuft. Allen Angehörigen dieser verabscheuungswürdigen Verbrecherorganisation geben wir hiermit eine Frist von genau vierundzwanzig Stunden, die Insel Cartwheel und die zum Herrschaftsgebiet des mit uns in unzerbrechlicher Freundschaft verbundenen Kaiserreiches Dorgon gehörenden Galaxien zu verlassen. Wer nach Ablauf dieser Frist in unserem Staatsgebiet noch angetroffen ist, wird hiermit zum Tode verurteilt. Jeder Bürger hat das Recht und die Pflicht, dieses Urteil sofort zu vollstrecken. Für jeden dieser Mörder, egal ob lebend oder tot, wird eine Belohnung von eintausend Galax ausgesetzt, die sofort ausbezahlt wird.

Und zum Abschluss spreche ich noch eine Warnung an all diejenigen aus, die bisher dieses Mördergesindel unterstützt haben. Jeder Mann und jede Frau, die nach den Ereignissen der letzten Nacht dieses Pack weiterhin unterstützt, verliert seine Bürgerrechte! Dies bedeutet, dass sein Vermögen dem Staat verfällt und er und seine gesamte Familie in Schutzlager zur Umerziehung eingeliefert werden.

Und nun, meine geehrten Mitbürgerinnen und Mitbürger, wollen wir gemeinsam unsere heldenhaften Toten ehren, die mit ihrem Leben für die Freiheit und das Recht bezahlt haben. Wir werden sie nie vergessen!«

Mit diesen Worten beendete der Gos’Shekur seine Ansprache. Feierliche Orgelmusik erklang. Jeweils sechs Raumsoldaten in blütenweißen Uniformen trugen die Särge der auf Siniestro Gefallenen auf ihren Schultern in die Kathedrale. Seitlich des Zentralgangs hatte sich Jenmuhs postiert und verbeugte sich vor jedem Sarg, der an ihm vorübergetragen wurde. Die Särge wurden vor dem Altar abgestellt und, einer nach dem anderen, feierlich in die blutrote Flagge des Quarteriums gehüllt. Der Erzbischof, der ebenso den Titel Imam und Rabbiner trug, segnete höchstpersönlich jeden der Toten.

*

An einem anderen Ort auf Paxus verfolgten Vater und Tochter das Geschehen. Eine geheime Kamera, die von der CIP installiert worden war, zeigte jede Einzelheit. Interessiert lauschte der Emperador der Erklärung des Arkoniden. Seine Stirn legte sich dabei immer mehr in Sorgenfalten. Und dann wandte er sich zu seiner Tochter: »Stephanie, das gefällt mir gar nicht. Dieser Arkonide ist besser, als ich dachte. Ich glaube, unsere Idee war doch nicht so gut. Ich hätte diese Rede halten müssen. Leider können wir das jetzt nicht mehr ändern. Wir brauchen dringend Verbündete! Stephanie, es tut mir leid, dass ich das von dir verlangen muss: Ich bitte dich, deine Verbindung mit diesem zalitischen Klotz Ebur wieder zu intensivieren. Du musst ihn völlig in deinen Bann ziehen.«

Stephanie fragte: »Aber Vater! Ich verstehe deine Sorgen nicht. Jenmuhs ist doch mit uns verbündet. Er ist dein Stellvertreter.«

»Tochter, auch du musst noch lernen, niemandem, absolut niemandem zu vertrauen. Der Verbündete von heute ist der Gegner von morgen. Und den Grund hast du gerade selbst genannt. Jenmuhs ist nur mein Stellvertreter!«

»Oh, ich verstehe, Vater. Ich bewundere deine Voraussicht. Soweit habe selbst ich nicht gedacht. Wegen dieses Zaliters mach dir mal keine Sorgen. Es gibt kein männliches Wesen, das mir nicht aus der Hand frisst, wenn ich es will. Aber du hast mir diesen Joharr versprochen!«

»Aber sicher, Tochter. Und ich stehe immer zu meinen Versprechen!«

Mit diesen Worten aktivierte er einen Interkombildschirm, der bisher hinter einer prunkvollen Wandplastik verborgen war. Auf dem Bildschirm wurde das Gesicht von Werner Niesewitz sichtbar.

»Werner«, wählte er die vertrauliche Anrede, »es wird Zeit, unsere Pläne zu beschleunigen. Setze dich umgehend mit Shorne in Verbindung. Er soll den Ausbau und die Kapazität der Produktionsanlagen beschleunigen. Es kommt vielleicht schon viel früher zur Konfliktsituation, als ich dachte.«

Er machte eine kleine Pause und fuhr dann weiter: »Ach, übrigens – hast du diesen Linguiden, diesen Friedensstifter, so vorbereitet, wie es meine Tochter gewünscht hat?«

Das Bild des CIP-Chefs verzog sich zur Andeutung eines anmaßenden Grinsens, als er antwortete: »Aber natürlich, Emperador. Alles genau so, wie es die Prinzessin gewünscht hat. Auch die kleine Sonderbehandlung ist bereits erfolgt. Bezüglich unserer Pläne werde ich sofort mit dem Finanzminister Verbindung aufnehmen und ihm etwas Feuer unter dem Hintern machen. Sobald ich irgendwelche Ergebnisse habe, werde ich Ihnen Bericht erstatten.«

Mit diesen Worten beendete er die Verbindung.

4. Und führe mich nicht in Versuchung …

Vorbereitungen

Zufrieden registrierte der Chef der CIP die Meldungen, die von allen Planeten der Lemurerabkömmlinge eingingen. Innerhalb weniger Tage hatte sich die Stimmung total gewandelt. Keine Anzeichen von Aufruhr mehr, im Gegenteil: Überall fanden »spontane« Demonstrationen und Kundgebungen für das Quarterium statt. Geschickt platzierte Agitatoren putschten die Massen auf. Immer häufiger war die Parole zu hören, dass mit der Opposition, mit den »menschenverachtenden Terroristen« der USO, mit allen, die nicht mit den Zielen des Quarteriums einverstanden waren, endgültig aufgeräumt werden sollte.

Zufrieden rieb sich der kleine, schmächtige Mann in der schmucklosen Uniform die Hände. Die Saat war bereitet, es galt nun die Ernte einzufahren. Was für eine Wendung durch die Gunst der »Vorsehung«. Wie einfach es war, die Massen zu manipulieren. In all den Jahrtausenden, die vergangen waren, hatte sich nichts geändert.

Nun galt es nur noch, das Netz aufzuspannen, in dem sich ihre Gegner fangen sollten. Zuerst musste er noch den Wünschen dieser spanischen Schlampe nachkommen, noch war seine Stellung nicht stark genug, um die Wünsche ihres Vaters ignorieren zu können. Doch später …

Die beiden Linguiden waren unmittelbar nach den Ereignissen auf Siniestro nach Mankind gebracht und getrennt inhaftiert worden. Joharr brachte man innerhalb des Hochsicherheitsgefängnisses von New Terrania in einem speziellen Sicherheitstrakt unter, während Jargon in ein Internierungslager in New Turin eingeliefert wurde.

Der Vorschlag der Teufelin …

Stephanie de la Siniestro

Ich erreichte Mankind am Morgen des 2. Januar. Niesewitz erwartete mich bereits am Raumhafen. Alles an ihm drückte die Anmaßung des Pöbels aus. Schon die Art, wie er mich musterte, mich mit seinen gierigen Augen regelrecht auszog, empörte mich zutiefst.

Noch brauchte mein Vater primitive Schlächter seines Schlages. Aber ich war sicher, dass die Zeit kommen würde, wo wir auf die primitive Ausübung von Gewalt verzichten konnten. Und dann, dachte ich zynisch, dann, mein lieber Marschall-Kommandeur, dann wirst du deine eigenen Spielzeuge zu spüren bekommen. Jede Missachtung meiner Person, jede Beleidigung, jede Unverschämtheit werde ich dir tausendfach zurückzahlen. Im Dreck sollst du vor mir kriechen und mich um Gnade anflehen. Aber das kann warten, noch brauchen wir Schweine wie dich.

»Niesewitz«, sprach ich ihn bewusst ohne Nennung seines Ranges an, um meine Missachtung auszudrücken, »ich möchte sofort zu Joharr geführt werden. Und ich hoffe für Sie, dass er noch einigermaßen in guter Verfassung ist, denn mit einem menschlichen Wrack kann ich nichts anfangen.«

*

Werner Niesewitz

Innerlich kochte ich. Da war sie wieder, diese aristokratische Überheblichkeit. Sie hielt es noch nicht einmal für nötig, mich bei meinem Rang anzusprechen. Nein, sie behandelte mich, als ob ich einer ihrer Lakaien wäre. Aber noch war nicht aller Tage Abend. Die Zeit war nicht mehr fern, da würdet ihr aristokratischen Schmarotzer ausgespielt haben und dann … Ich riss mich aus meinen Phantasien. Jetzt war nicht der Zeitpunkt dafür. Noch nicht. Mit ironischer Höflichkeit antwortete ich ihr: »Aber gewiss, Prinzessin. Ich habe mich in allem nach Euren Anweisungen gerichtet. Wenn Eure Durchlaucht mir bitte folgenden würden.«

Nach diesen Worten wandte ich mich um und ging auf den wartenden Gleiter zu. Mit übertriebener Geste öffnete ich die seitliche Flügeltüre und ließ Ihre impertinente Hoheit einsteigen. Fast bedauerte ich den linguidischen Idealisten. Wenn es nach mir gegangen wäre, würde der Friedensstifter einfach und sauber erschossen werden, nachdem er seinen Zweck für uns erfüllt hätte. Aber diese aristokratische Schlampe glich einer bösartigen Katze, der es sichtlich Spaß machte, mit ihrem Opfer zuerst noch zu spielen.

*

Pace Joharr

Die Henkersknechte waren längst gegangen und ließen mich mit meinen Ängsten zurück. Ja, ich hatte Angst. Angst davor, was diese Unmenschen mir alles noch antun würden. Wie hatte ich nur geglaubt, dass meine Fähigkeiten als Friedensstifter bei diesen Bestien in Menschgestalt die geringste Wirkung haben könnten. Und ich trauerte, trauerte um die vielen Toten, trauerte um Martana, die ich gleich zweimal verloren hatte.

Doch gleichzeitig spürte ich tief in meinem Innern die Hoffnung, dass doch nicht alles vergeblich gewesen war. Und diese Hoffnung konzentrierte sich auf die Person Roland Meyers. Vielleicht war es die Bestimmung des Allvaters gewesen, dass ich diesen jungen Terraner auf den Weg des Lichts führen sollte, bevor er dem Weg des Teufels verfallen war!

Innerlich schauderte ich, als ich an jenen groß gewachsenen Terraner dachte, der mich einer »Sonderbehandlung« unterzog, wie er es zynisch nannte. Wie konnte es der Allvater nur zulassen, dass solche Bestien in seiner Schöpfung geboren wurden, deren einziges Vergnügen darin bestand, andere Wesen zu quälen und zu erniedrigen. Und dann wurde es plötzlich hell. Irgendjemand hatte die Beleuchtung der Zelle eingeschaltet. Ich fragte mich, was mir nun bevorstand. Dann öffnete sich die Zellentür. Und die leibhaftige Teufelin betrat den Raum.

»Oh mein armer Pace, ich darf Sie doch Pace nennen? Was haben diese Unmenschen mit Ihnen gemacht?«

Vor mir stand die verkommene Tochter des Despoten, die äußerlich einem Engel glich. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Gebärde des Abscheus, als sie meinen Zustand bemerkte. Hinter ihr hatte dieser groß gewachsene Terraner in der grauen Uniform der Massenmörder die Zelle betreten.

»Oberst-Kommandeur, wer ist für diese Gemeinheit verantwortlich? Seit wann ist es bei uns üblich, Gefangene zu misshandeln? Ich werde dafür sorgen, dass sich dieser Sadist vor einem Militärgericht verantworten muss.«

»Aber Prinzessin, bei Joharr handelt es sich um den Anführer der linguidischen Terroristen, die Ihren Vater ermorden wollten. Da er sich weigerte, die Namen seiner Komplizen zu nennen, haben wir zu etwas härteren Mitteln gegriffen.«

»Dazu waren Sie nicht befugt. Pace Joharr war an dem Komplott gegen meinen Vater nicht beteiligt! Es waren verblendete Mitglieder seines Volkes, die dafür verantwortlich waren. Diese wurden von Agenten der USO und Saggittors aufgehetzt, den edlen Wohltäter und Vater des Volkes zu ermorden. Gerade Pace Joharr wollte diesem Morden ein Ende bereiten. Ich werde dafür sorgen, dass Sie für diese Überschreitung Ihrer Kompetenzen zur Verantwortung gezogen werden, Sie Unmensch. Und jetzt lassen Sie mich sofort mit dem edlen Friedensstifter allein. Ich kann Ihren Anblick nicht länger ertragen.«

Mit diesen Worten wies sie den völlig verdattert dastehenden CIP-Mörder aus der Zelle. Ihr ganzes Wesen drückte helle Empörung aus. Einen Augenblick schöpfte ich Hoffnung. Sollte ich mich in der Person der Tochter des Emperador getäuscht haben? Doch dann blickte ich in ihre Augen. Und jetzt konnte ich hinter die Maske dieser Teufelin in Menschengestalt blicken. Ich erkannte die ganze moralische Verkommenheit, die sich hinter ihrem engelsgleichen Gesicht verbarg. Inzwischen war sie an mich herangetreten. Ihre Hände streichelten mein zerschlagenes Gesicht. In ihren Augen standen tatsächlich Tränen.

»Mein armer, armer Freund. Es tut mir so unendlich leid, was diese Barbaren dir angetan haben. Ich versichere dir, dass das Martyrium sofort ein Ende haben wird. Mein Vater und ich bieten dir einen Platz an unserer Seite an. Wir wissen genau, dass du an diesem Anschlag nicht beteiligt warst.

Deshalb bittet dich mein Vater, zu ihm nach Paxus zu kommen. Dort wird eine Pressekonferenz die Öffentlichkeit von Cartwheel und der Milchstraße davon überzeugen, dass du an dem schändlichen Mordanschlag auf den Frieden und die Einheit der Menschheit nicht beteiligt warst. Aber mein Freund, du musst auch die wahren Schuldigen nennen, diese Kriegstreiber aus Saggittor und die terroristischen Agenten der USO, die nichts unversucht lassen, Hass und Zwietracht zwischen den friedliebenden Völkern der Insel zu säen.«

Bei diesen Worten drängte sie ihren verkommenen Körper dicht an mich. Und ich verstand endgültig. Sie bot mir ein Leben in Frieden und Luxus, sie bot mir sogar ihr Bett, wenn ich zum Verräter meiner Ideale, zum Verräter an meinem Volk, zum propagandistischen Instrument in ihren Händen würde. Jede Faser meines geschundenen Körpers brannte vor Empörung. Wie niederträchtig, wie tief gesunken musste ein Wesen sein, mir dieses Angebot für mein Leben zu machen. Trotz des Fesselfeldes, das mich in der unwürdigsten Haltung fast zur Bewegungslosigkeit verurteilte, schaffte ich es, sie zurückzustoßen. Der Effekt verschaffte mir eine kleine Genugtuung. Die Tochter Satans stolperte über ihre hochhackigen Schuhe und fiel unfreiwillig auf ihre verkommene Hinterseite. Damit schien sie in keiner Weise gerechnet zu haben, denn der Blick, den sie mir daraufhin zuwarf, drückte nichts als grenzenlose Überraschung aus. Und dann erhob ich meine Stimme: »Hebe dich hinweg von mir, Tochter der Schlange, denn es steht geschrieben, dass einst der Gerechte kommen wird, das Schlangengewürm zu zertreten. Verberge dein Gesicht vor dem Licht des Allvaters, denn in seinem Licht wird deine Niedertracht sichtbar werden.«

Und es gibt keine Erlösung

Mit einem Schrei animalischer Wut sprang sie auf. In ihrer Hand lag plötzlich ein kleiner Nadelstrahler, der auf meinen Kopf gerichtet war. Endlich war es zu Ende. Ich würde meinen Brüdern und Schwestern folgen, in der Güte des Allvaters würde ich Vergessen finden. Doch der erlösende Schmerz blieb aus. Langsam öffnete ich wieder die Augen, die ich angesichts des nahen Todes geschlossen hatte. Der Strahler war nicht mehr auf mich gerichtet, ihr Gesicht zu einer Fratze des Bösen verzerrt. Die Schlange hatte die Maske fallen gelassen.

»Du undankbarer linguidischer Abschaum, ich garantiere dir, bei der Ehre der Siniestros, dass du in jeder Minute, bis dein Kadaver zur Hölle fährt, deine Worte bereuen wirst. Bis jetzt haben wir mit dir nur gespielt, jetzt sollst du wirklich fühlen, was es heißt, uns beleidigt zu haben!«

Was dann folgte, kann ich nicht wiedergeben. Es war so abscheulich, so abgrundtief böse, dass ich wünschte, nie geboren worden zu sein. Es dauerte Stunden, bis alles zu Ende war. Doch dann war mein Martyrium noch nicht vorbei. Mit einem Stasisfeld verhinderten die Unmenschen, dass ich versuchte, meinem Leben ein Ende zu setzen. Dann war ich wieder allein. Allein mit dem Grauen der Erinnerung. Und irgendwann später wurde ich auf ein Raumschiff transportiert.

Das Netz wird ausgelegt

Der Chef der CIP rieb sich zufrieden die Hände. Endlich, endlich hatte er diese aristokratische Schlampe ohne ihre überhebliche Maske erlebt. Und er hatte alles aufgezeichnet. Vielleicht konnten diese Aufnahmen noch nützlich sein. Kurz darauf betrat der hochgewachsene Terraner die Lagezentrale.

»Oberst-Kommandeur Trybwater, wie ich mich überzeugen konnte, haben Sie gute Arbeit geleistet. Meine Gratulation. Wie sieht es mit unseren weiteren Plänen aus?«

»Genau wie Sie es vorausgesehen haben, Marschall-Kommandeur. Sie hat angebissen. Ich bin heute Abend gegen zwanzig Uhr in die hoheitliche Suite eingeladen.«

Niesewitz musterte den Terraner. Reynar Trybwater entsprach ebenfalls seinen Vorstellungen des »Neuen Menschen«. Doch zuerst musste er noch einige Vorkehrungen treffen.

»Kommen Sie, Oberst-Kommandeur Trybwater, kommen Sie. Ich habe da noch eine kleine Spezialität für Sie vorbereiten lassen. Lassen Sie sich überraschen.«

Niesewitz ging voraus. Kurze Zeit später betraten sie den Labortrakt. Eine jüngere Ara, geradezu ein Musterexemplar ihrer Rasse, empfing sie.

»Also da sind Sie endlich. Ich habe bereits alles vorbereitet. Wir können sofort anfangen.«

»Darf ich Ihnen Doktor Syntr Sailz vorstellen, Oberst? Sie ist Leiterin unseres mikrobiologischen Forschungsteams und eine anerkannte Kapazität auf ihrem Gebiet. Doktor, könnten Sie dem Oberst erklären, wobei es sich bei unserem kleinen Virus handelt?«

Die Ara-Wissenschaftlerin schüttelte unwillig den Kopf.

»Muss ich das? Ich habe anderes zu tun, als irgendwelchen Laien etwas zu erklären. Aber gut, wie Sie wollen. Es ist eigentlich kein Virus, sondern ein biologischer Minisyntron-Transmitter. Aber das verstehen Sie sowieso nicht. Ich erkläre Ihnen einfach, wie er wirkt. Wie Sie vielleicht wissen, überträgt das Neuro-System des Menschen alle Signale der Sinnesorgane an das Gehirn. Es ist mir nun gelungen, diese Signale zu entschlüsseln. Kurz gesagt, wir können die Signale der Sinnesorgane trennen und auslesen.

Unser kleiner Virus bewirkt nun folgendes: Er setzt sich im Gehirn fest und filtert die Signale der Augen und des Gehörs aus dem Neuro-Signalstrom. Ihr Gehirn«, sie wandte sich direkt an Trybwater, »ist eigentlich nichts anderes als ein ungemein leistungsfähiger Computer auf biologischer Basis. Dieser Computer wird übrigens nur zu geringen Teilen genutzt, d. h., wir haben jede Menge Kapazität frei. Die zweite Funktion meines Virus nutzt diese Tatsache, indem er die gefilterten Informationen in ungenutzten Teilen Ihres Gehirns zwischenspeichert. Und Sie können mir glauben, dass die Speicherkapazität gigantisch ist.

Diese gespeicherten Informationen können nun später über ein entsprechendes Interface abgerufen und in normale Holoinformationen umgewandelt werden. Kurz gesagt, wir können aus Ihrem Gehirn alle Informationen, die Sie über die Augen und das Gehör aufgenommen haben, auslesen und in Form von Holodaten speichern und wiedergeben. So primitive Geräte wie Kameras oder Mikrophone brauchen wir nicht mehr, da alles was Sie sehen oder hören in Ihrem Gehirn gespeichert und von dort abgerufen werden kann.«

Trybwater war bleich geworden. Innerlich schüttelte es ihn. Doch Niesewitz hatte diese Reaktion vorhergesehen.

»Keine Angst Oberst, ich garantiere Ihnen, dass überhaupt keine Nebenwirkungen auftreten werden. Wir haben dieses Virus bereits ausgiebig getestet. Alle Versuchspersonen sind wohlauf. Ich habe völliges Vertrauen zur fachlichen Qualifikation von Dr. Sailz, das sogar soweit geht, dass ich mich selbst als Versuchsperson zur Verfügung gestellt habe. Und wie Sie sehen können, bin ich so normal wie immer. Lassen Sie mich dies kurz demonstrieren.«

Mit diesen Worten ergriff er das Netz aus Silberdrähten und befestigte einige Elektroden an seiner Stirn. Dann blickte er Trybwater an. Wenig später entstand ein holografisches Abbild des Terraners. Trybwater war beeindruckt und überzeugt.

Innerlich amüsierte Niesewitz sich über die Naivität des Terraners. Niemals würde er sich freiwillig ein solches Teufelszeug in sein Gehirn setzen lassen. Vor allem deshalb, weil dieses Virus, wie er genau wusste, noch eine dritte Funktion hatte. Es war eine Rückversicherung vor Verrat. Über einen kurzen elektronischen Impuls konnte eine Funktion aktiviert werden, die das Gehirn geradezu ausbrannte. Übrig blieb nur ein sabbelnder Idiot. Aber das wusste nur er und die Ara-Wissenschaftlerin. Des Weiteren arbeitete sie an einer Weiterentwicklung der Technik. Ziel war es, über dieses Virus ein Gehirn regelrecht zu programmieren. Damit stand sie zwar erst am Anfang, aber die Fortschritte waren, wie er sich selbst schon überzeugt hatte, sehr vielversprechend.

»Oberst, kommen Sie, ich habe in der Lagezentrale noch einige Anweisungen vorbereitet, die Sie für Ihre Mission heute Abend unbedingt brauchen werden.«

Wenig später erreichten sie wieder die Zentrale. Niesewitz legte einen Datenkristall in einen Projektor und begann, seinen Plan zu erklären. Nach Ende des Vortrags ließ Trybwater einen bewunderndes »Das ist genial, Marschall!« hören, das von Niesewitz mit einem breiten Grinsen quittiert wurde.

Die Schlange im Spinnennetz

Es war am Morgen des 3. Januars 1306 NGZ. Wir befanden uns in New Terrania auf Mankind, der Hauptstadt des ehemaligen Terrablocks. Die Sonne war gerade über den nahen Bergen der Southern Hills aufgegangen. Sie tauchte die Stadt in ein gnädiges Licht. Es verbarg das Laster, die Gewalt und die Unmenschlichkeit, die im Schutz der düsteren Häuserschluchten unzähligen Lebewesen aller Rassen das Leben zur Hölle machten.

Man war entweder Teil des Quarteriums oder zählte zum Abschaum, dem jede Rechte genommen worden waren. Außerhalb der Stahlbetonkasernen, in denen die einfachen »Volksgenossen« dahinvegetierten, erhob sich eine Ansammlung schlanker Wohntürme, die locker in eine paradiesische Gartenlandschaft gestreut waren. Der Gegensatz hätte nicht krasser sein können: Hier die trostlose Uniformität eintöniger Zweckbauten und dort eine Architektur der Individualität und Lebensqualität. Und in einem dieser Wohntürme hatte Reynar Trybwater ein Erlebnis, das er sich nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen hatte ausmalen können.

*

Es war vorbei. Mit einem Blick des Abscheus blickte ich auf die engelsgleiche Gestalt, die neben mir im prunkvollen Bett schlief. Das war ungeheuerlich. Als ich auf den Plan Niesewitz‘ einging, hätte ich nie erwartet, dass mir das bevorstand. Durch das Fenster der Luxussuite sah ich, dass über der Skyline von New Terrania gerade die Sonne aufging. Ich zog ein Laken über meinen besudelten Körper und öffnete eine Strukturlücke im durchsichtigen Energiefeld. Gierig sog ich die frische Morgenluft in meine Lungen. Hinter mir hörte ich, wie sich dieses Monster in den Kissen bewegte. Und dann hörte ich diese verkommene Stimme: »Du willst schon gehen? Hm, das ist gut, das erspart mir, dich hinauszuwerfen!«

Wie konnte ein Mensch, eine Frau nur so verkommen sein. Ich nahm meine Uniformkombi auf und wollte in die Nasszelle gehen. Doch eine herrische Geste hielt mich zurück.

»Ich habe mich in dir nicht getäuscht, du hast meinen Ansprüchen völlig genügt. Und das soll dein Schaden nicht sein. Du wirst im Laufe des heutigen Tages einen Marschbefehl nach Lingus erhalten. Ich werde dafür sorgen, dass du dort deine Ideen verwirklichen kannst, die ich übrigens absolut fantastisch finde. Bei Gelegenheit werde ich mich wieder bei dir melden, und dann werden wir unser trautes Rendezvous da fortsetzten, wo wir heute aufgehört haben. Übrigens – sollten irgendwelche Gerüchte«, und dabei verzog sich ihr Gesicht zu einer Maske der Drohung, »über meine Vorlieben die Runde machen, werde ich dafür sorgen, dass du noch einige andere Vorlieben am eigenen Körper zu spüren bekommst. Ich habe da so meine Verbindungen! Und nun erlaube ich dir zu gehen. Aber wage es nicht, vorher meine Nasszelle zu benutzen. Ich will, dass dich mein Geruch mit jedem Atemzug an die Gunst erinnert, der Befriedigung einer Prinzessin zu dienen. Geh jetzt!«

Mit diesen Worten ließ sie sich wieder zurücksinken und drehte den Kopf uninteressiert zur Seite. Ich beeilte mich, meine Uniformkombi anzulegen und das Lager dieses Scheusals möglichst schnell zu verlassen. In meinem Quartier angekommen, duschte ich zuerst ausgiebig, um mir den Dreck und den Gestank vom Körper zu waschen. Danach legte ich eine frische Kombi an und ging zu Niesewitz, um ihm Bericht zu erstatten.

*

Werner Niesewitz schaltete den Projektor aus und wandte sich dem neben ihm sitzenden Trybwater zu. »Ich denke, dass das genügt, Oberst-Kommandeur. Geht das die ganze Zeit so weiter?« Wortlos nickte der Angesprochene. Seinem Gesicht konnte ich entnehmen, dass er die Nacht mit Ihrer Hoheit wohl nicht genossen hatte. Im Gegenteil, wenn ich mich nicht täuschte, lag so etwas wie Verachtung und Hass in seinem Blick.

Ich blickte ihm forschend in die Augen. Konnte ich ihm vertrauen? Oder würde er genauso eine Enttäuschung werden wie Meyers? Ich entschied mich, vorsichtig zu sein. Meine Position war einfach noch nicht stark genug, um eine offene Konfrontation mit Siniestro und Jenmuhs zu wagen, ganz zu schweigen von diesem finsteren Silbernen Ritter. Jetzt noch nicht!

Aber Meyers, was war nur mit Meyers los? Ich konnte einfach nicht glauben, dass er vom Weg seiner Bestimmung abgewichen war. Die Meldungen, die ich von Lingus erhielt, wirkten äußerst widersprüchlich. Die GLORY befand sich nach wie vor auf dem Raumhafen, war aber anscheinend nicht einsatzfähig. Die Besatzung hatte das von mir initiierte Chaos genutzt, um quasi einen nicht genehmigten Urlaub zu machen. Die Berichte der Agenten, die ich auf Lingus eingeschleust hatte, waren eindeutig: An jedem Saufgelage, bei jeder größeren Schlägerei, waren Mitglieder der Einsatzgruppe beteiligt. Nur nicht Meyers. Von dem fehlte jede Spur.

Gewaltsam riss ich mich aus den unnützen Grübeleien. Lingus und Meyers konnten – nein, sie mussten einfach warten. Ich hatte im Moment ganz andere Probleme. Spielte ich meine Karten richtig aus, dann konnten die gegenwärtigen Ereignisse der Anfang des Aufstiegs zur absoluten Macht sein. Aber ich bewegte mich auf einem schmalen Grat. Ein Fehler – da machte ich mir keine Illusionen – ein einziger Fehler würde das Ende sein. Die Vorsehung zeigte mir den Weg, doch nur, wenn ich selbst meine Chance nutzte, konnte ich vor der Vorsehung bestehen.

Ansonsten würde ich in der grauen Masse untergehen. Vergessen, für immer untergegangen und verflucht. Die Entscheidung war noch nicht gefallen, noch hatte ich alle Trümpfe in den Händen. Und ich gedachte sie auszuspielen, einen nach dem anderen.

»Oberst-Kommandeur!«, sprach ich den abwartend neben mir sitzenden Trybwater an, »Ihre Erfahrungen mit der Prinzessin mögen nicht sehr angenehm gewesen sein. Trotzdem halte ich es für notwendig, dass Sie Ihrer Hoheit weiterhin zur Verfügung stehen, sollte sie nach Ihnen verlangen.«

Ich teilte ihm noch mit, dass er später zu einer Besprechung mit dem Minister für ABR Katschmarek hinzugezogen würde und entließ ihn.

5. Mut und Ängste einer Frau

3. Januar 1306 NGZ, Quinto, Hauptquartier der USO

Eine kahle, leblose Welt zog einsam in den Außenbezirken des Inneren Rings von Cartwheel seine Bahn. Hierbei handelte es sich um den Astroiden Quinto, dem Hauptquartier der Neuen USO. Vor kurzem war eine Space-Jet mit den Überlebenden der »Blutnacht von Siniestro«, wie der 31. Dezember 1305 NGZ im Nachhinein bezeichnet wurde, eingeschleust worden. Nehmen wir also Teil an der weiteren Planung der Opposition gegen das Quarterium, indem wir aus der Sicht Nataly Andrews und Kathy Scolars darüber berichten.

*

Nataly Andrews

Endlich waren wir auf Quinto in Sicherheit. Wir, das waren Rosan, eine neue, völlig veränderte Kathy, der akonische Präsident Mirus Traban und Aurecs Stellvertreter Rauoch. Wider Erwarten wurden wir nach unserer Flucht in den Raum nicht von der im Sektor Solar stationierten Wachflotte angegriffen. Diese war auf ihren Parkpositionen geblieben.

Eigentlich hätte ich froh und glücklich sein sollen, doch solange mein Onkel und der Friedensstifter sich in der Gewalt dieser Mörder befanden, würde ich keine frohe Minute mehr verbringen können. Und wieder vermisste ich Jonathan. Warum war er nicht hier? Warum musste er sich in fernen Galaxien herumtreiben, wo ich ihn hier so dringend nötig hätte? So langsam ging es mir wie Kathy: Wir hatten zwar unsere Partner gefunden, aber was nützte das, wenn diese nie da waren?

Gewaltsam beendete ich meine unnützen Grübeleien. Ich musste mit Rosan und den anderen unbedingt unsere Vorgehensweise besprechen, denn eines war klar: Mein Onkel und Pace Joharr durften nicht in den Fängen dieser Despoten bleiben! Wenig später waren wir alle im Lagezentrum des Asteroiden versammelt. Rosan wertete die Berichte ihrer Agenten aus. Aus den Berichten ging hervor, dass mein Onkel in New Turin auf Mankind interniert war. Über den Friedensstifter konnten wir nur in Erfahrung bringen, dass man ihn gestern zurück nach Lingus gebracht hatte.

Und dann spielte uns Rosan die Aufzeichnung von Jenmuhs Erklärung vor, in der dieser die Linguiden quasi für vogelfrei und die USO zu Staatsfeinden erklärte. Seine Rede stellte ein schäbiges Glanzstück verlogener Propaganda dar, in dem die Schuld an dem Terroranschlag auf Siniestro den Linguiden und der USO in die Schuhe geschoben wurde. Danach war uns allen klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Quarterium auch nach Saggittor und Akon greifen würde. Rauoch und Miros Traban verließen Quinto, um den Widerstand ihrer Völker zu organisieren.

Bald hatte sich eine hitzige Diskussion zwischen Rosan, Kathy und mir entwickelt. Rosan vertrat die Meinung, dass es die Sache ihrer Spezialisten sei, meinen Onkel und Joharr herauszuholen. Das kam für mich natürlich nicht in Frage. Ich wollte und konnte es nicht fremden Menschen überlassen, meinen Onkel aus den Fängen dieser Unmenschen zu retten. Und zu meiner Überraschung unterstützte mich Kathy tatkräftig. Es glich einem Wunder, wie sie sich seit den Ereignissen auf Lingus und Siniestro verändert hatte.

Schließlich einigten wir uns darauf, dass sich Rosans Spezialisten um die Befreiung des Friedensstifters kümmern würden, während Kathy und ich uns daranmachten, meinen Onkel zu befreien. Rosan gab mir noch einen Pass, der mich zur Diplomatin der LFT erklärte. Als ich sie fragte, wie sie so schnell an dieses Dokument gekommen und vor allem, ob es echt sei, erklärte sie mir mit einem kleinen Lächeln – ihrem ersten an diesem Tag – dass sie gute Beziehungen zu Militärattaché Henry Portland habe. Ob der Pass mir etwas nützen könne, sei zwar fraglich, aber er sei auf jeden Fall besser als nichts.

6. Januar 1306 NGZ, New Turin, Mankind

Kathy Scolar

Bis jetzt war alles gut gegangen, wenn man in unserer Situation überhaupt von gut reden konnte. Wir waren auf Mankind und konnten uns – nach endlosen Formalitäten, Sicherheitsüberprüfungen und Rückfragen diverser großspuriger Beamter bei ihren Vorgesetzten – relativ frei bewegen. Wider Erwarten hatte sich der Pass, den Nataly von Rosan erhalten hatte, als unbezahlbar erwiesen. Es schien, dass man keinen diplomatischen Eklat mit der LFT riskierte. Und mich behandelte man zwar wie eine unerwünschte Person, vermied aber ebenfalls alles, was eine direkte Konfrontation auslösen konnte.

Seit dem späten Abend des Vortages wohnten wir im Bungalow von Natalys Onkel und hatten dort die Nacht verbracht. Den heutigen Tag wollten wir dazu nutzen, um Jaaron Jargon zu suchen. Nataly war erst sehr spät eingeschlafen, was nicht verwunderlich war angesichts der Sorgen, die sie sich um ihren Onkel machte.

Vor dem Start in diesen wichtigen Tag bereitete ich unser Frühstück vor. Während der Kaffee durch die Maschine lief und einige Brötchen aus den Vorräten im Backofen steckten, machte ich mir so meine Gedanken. Unsere Reise hierher hatte einem wahren Irrgarten geglichen. Jeder Bürokrat schien nur ein Interesse zu haben: Uns schnellstmöglich weiterzureichen und die Verantwortung auf eine andere Stelle abzuwälzen. So kamen wir in den zwei Tagen, die wir uns auf Mankind befanden, in den Genuss einer unfreiwilligen Rundreise über den Planeten.

Dabei bekamen wir erschreckende Zustände zu Gesicht. Was war nur aus der terranischen Bevölkerung geworden? Ich konnte mich noch gut an früher erinnern. An die vielen kleinen Läden und Cafés in den Straßen von New Terrania. An die zahlreichen Menschen, die diskutierend an den Straßenecken standen. Oder an die Liebespaare, die die ausgedehnten Grünanlagen in New Turin für ihr erstes näheres Kennenlernen benutzten. Nichts, absolut nichts war davon übrig geblieben. Es herrschte lähmende Angst nach dem Anschlag auf Siniestro.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren deutlich verstärkt worden. Mankind glich einer einzigen großen Kaserne und zwischen den Menschen herrschte der Kasernenhofton vor und Misstrauen. Angst bestimmte das Leben der Bevölkerung. Weniger bei jenen, die sich mit dem Quarterium identifizierten. Nein, diese saßen ausgelassenen in den Cafés, sahen gemeinsam die neuesten Nachrichten von der estartischen Front und freuten sich kollektiv über jeden Sieg.

Die Angst herrschte bei jenen, die etwas zu verbergen hatten. Und zwar vor allem den Gedanken, mit der Ideologie des Quarteriums nicht konform zu gehen. Sie hatten Angst, Aufsehen zu erregen. Schon zu wenig Freude bei einer neuen Siegesmeldung konnte auffällig sein. Dann galt man als Brathähnchen-Sympathisant oder als linksrechter Radikaler.

Das Signal der Kaffeemaschine riss mich aus meinen Gedanken. Ich füllte für jede von uns eine Tasse und deckte den Frühstückstisch. Dann weckte ich Nataly, die mich mit vor Müdigkeit verquollenen Augen ansah. Ein lautloses Schluchzen schüttelte ihren Körper. Ich verstand, umarmte sie und versuchte, sie zu trösten. Widerstrebend folgte sie mir zum Frühstückstisch. Am liebsten wäre sie sofort aus dem Haus gestürmt, um nach ihrem Onkel zu suchen.

Drei Stunden später hatten wir endlich eine Adresse. Man verwies uns an eine Polizeistation im 7. Bezirk New Turins. Bezirk? Früher gab es keine Bezirke, sondern nur ganz einfach Straßen oder Stadtteile. Aber was sollte es, wenn wir nur endlich eine zuständige Stelle finden würden.

So schnell wie möglich brachen wir auf. Doch der Weg zu dieser Station glich einem wahren Labyrinth und würde eine Geschichte für sich darstellen. Niemand, absolut niemand traute sich, uns irgendwelche Auskünfte zu geben. Über der ganzen Stadt lag eine unwirkliche Atmosphäre der Angst und der Unsicherheit. Die Menschen mieden uns, als ob wir Aussätzige wären.

Gegen fünfzehn Uhr erreichten wir endlich die Polizeistation. Man führte uns in einen kahlen, schmucklosen Raum, in dem nur ein Tisch mit zwei unbequemen Holzstühlen stand. Und dann begann wieder das Warten. Niemand fühlte sich zuständig. Auf unsere Fragen hörten wir nur immer wieder die stereotype Antwort: Sie müssen warten, wir haben Wichtigeres zu tun, als uns um zweifelhafte Subjekte zu kümmern.

So langsam wurde mir das System klar. Der Einzelne bedeutete nichts, absolut nichts, nur die Interessen der Staatsführung zählten. Die Macht der Bürokratie und die Überwachung durch die Sicherheitsorgane war allgegenwärtig. Das Quarterium war zu einem reinen Polizeistaat verkommen. Und so vergingen die Stunden. Nataly war mit den Nerven am Ende. Wieso hörte uns hier niemand zu? War es nicht offensichtlich, dass Jaaron hier zu Unrecht gefangen gehalten wurde? Er war Linguide, aber doch kein Attentäter. Warum sah das nur niemand ein?

Nataly fing an zu schluchzen und ich nahm sie in den Arm. Wie gut konnte ich ihre Sorgen nachfühlen, schließlich hatte ich auch erst vor kurzem Schreckliches erlebt, als ich zusammen mit Joak Cascal aus der Nervenheilanstalt geflohen war. Die CIP hatte uns erbarmungslos gejagt.

Schließlich öffnete sich mit einem leisen Surren die Tür. Ein großer, korpulenter Mann betrat schnaufend den Raum. »So – man sagte mir, hier seien zwei zweifelhafte Subjekte, die einen Gefangenen sehen wollen. Ich habe wenig Zeit, sagt mir einfach, worum es geht, damit ich wieder meine Arbeit tun kann.«

»Es geht um Jaaron Jargon, den Chronisten der Insel. Er wurde bei der Silvesterfeier auf Siniestro gefangen genommen und hat nichts mit den Anschlägen …« begann ich, während Nataly sich wieder aufsetzte und die Tränen aus dem Gesicht strich.

»Na klar, natürlich hat er nichts mit dem Anschlag zu tun, völlig klar. Genau wie die anderen Linguiden. Erzählt mir was Neues!«

»Jaaron trägt die linguidische Staatsbürgerschaft und hat auch linguidische Vorfahren. Zum größten Teil ist er jedoch Terraner und Arkonide«, wandte ich ein. Der Mann blickte uns beide gelangweilt an.

»Aber er ist mein Onkel«, brach es aus Nataly heraus, »er hat noch nie einem Menschen etwas zuleide getan. Und er ist doch schon so alt.«

»Soso, dein Onkel …«, der CIP-Kommandeur setzte ein bösartiges Grinsen auf. »Ah, Nataly. Wie schön, dich wiederzusehen. Welch unerwartetes Vergnügen.«

Nataly blickte auf. »Was? Du bist …«

»Ewald Kessel, ganz genau der. Du erinnerst dich vielleicht noch an mich, du Miststück?«

Kessel war früher Natalys Chef gewesen. Doch eines Tages belästigte er sie am Arbeitsplatz und Nataly blieb nichts anderes übrig, als zu kündigen. Das hatte auch für Kessel einen Karriereknick bedeutet. Das hatte er offensichtlich nicht vergessen.

»Aber wieso? Was machst du hier?« fragte Nataly erstaunt. Kessel sah sie verächtlich an.

»Zuerst einmal: Ich kann mich nicht erinnern, dir das Du angeboten zu haben, du Miststück! Und dann: Man hat mich befördert! Ich bin jetzt Gruppen-Kommandeur von New Turin und habe hier das Sagen.« Sein Ausdruck verhärtete sich. »Und ich bin davon überzeugt, dass wir Jaaron Jargon noch eine Weile hierbehalten sollten. Er wird uns sicherlich einige interessante Fragen beantworten können.«

»Aber er weiß doch nichts! Er hat doch nur auf spezielle Einladung des Emperadors die Silvesterfeier besucht, wie Hunderte weitere Gäste.«

Kessel zog ein bedauerndes Gesicht.

»Und das weißt du also ganz genau? Oh! Aber vielleicht ist dein Onkel eben kein solcher Saubermann, wie ihr linguidisches Pack uns immer glauben machen wollt? Schau nur mal in seine Chroniken, wo er ach so unabhängig und neutral über die Machtstrukturen des Quarteriums schreibt. Das ist alles Lüge und Propaganda für die USO!«

Nathalie fuhr auf.

»Mein Onkel schreibt nur die Wahrheit! Er ist vielleicht der anständigste Mensch in ganz Cartwheel!«

»Anständig, sagtest du anständig?« Kessel spuckte auf den Boden. »Wenn eine Brut wie du zur Familie zählt, kann man wohl kaum anständig sein.«

Jetzt hielt ich es an der Zeit einzugreifen.

»Jetzt reicht es mir! Nur weil du eine Wut auf Nataly hast, weil sie dich abblitzen ließ, kannst du das doch nicht ihren Onkel ausbaden lassen! Er ist aus politischen Gründen im Gefängnis. Das hat mit eurem Kleinkrieg nichts zu tun!«

Kessel lachte verächtlich auf: »Zum letzten Mal! Für euch bin ich immer noch Gruppen-Kommandeur Kessel, ich bitte mir aus, mit SIE angesprochen zu werden. Mit Kleinkrieg hat das hier überhaupt nichts zu tun. Manchen verwöhnten Gören muss man einfach einmal deutlich klarmachen, dass es für sie keine Sonderrechte gibt, nur weil ihr Vater der Heilige Judas oder wer auch immer ist.« Er musterte meine Figur. »Wer bist du denn überhaupt?«

»Ich bin Kathy Scolar, die Verlobte von Aurec, dem Kanzler von Saggittor. Wenn er erfährt, mit welcher Willkür hier verfahren wird, dann rollen hier die Köpfe!«

»Saggittor? Ach nein, was du nicht sagst! Da bekomme ich es direkt mit der Angst zu tun.« Kessel spuckte mir ins Gesicht. Empört wollte ich ihm eine Ohrfeige verpassen, doch er hatte damit gerechnet und wehrte meine Hand mühelos ab. »Ach was, kommt jetzt der allmächtige Aurec angerannt, um mir Manieren beizubringen? Da fürchte ich mich aber! Merkt euch mal eines, ihr unterbelichteten Weibsbilder: Weder Aurec noch irgendwelche anderen schäbigen Gegner des Quarteriums können euch hier helfen. Hier haben inzwischen nur wir das Sagen!« Kessel wandte sich ab und ging zur Tür. Bevor er den Raum verließ, sagte er mit schneidender Schärfe: »Ich rate euch, meine Station jetzt zu verlassen, bevor ich euch auch noch einsperren lasse!«

Er verließ den Raum.

Nataly brach erneut in Tränen aus. Ich legte den Arm um sie und tröstete sie. Eigentlich dürfte die Willkür dieser Unterdrücker keine Überraschung mehr sein, aber die offensichtliche Ungerechtigkeit und die Abhängigkeit von einem Scheusal wie Kessel waren einfach zu viel. Nachdem Nataly sich beruhigt hatte, verließen wir die Polizeistation.

Anschließend wollten wir zum Bungalow von Natalys Onkel zurück. Auf dem Weg zu unserem Gleiter trafen wir den Inhaber von INSELNET, Robert Mohlburry. Wir berichteten ihm, was Jaaron Jargon zugestoßen war und baten ihn um Hilfe. Vielleicht konnte er es schaffen, den alten Chronisten aus dem Gefängnis zu befreien. Doch das Gegenteil war der Fall: Mohlburry wurde aus der Polizeistation regelrecht hinausgeworfen.

Normalerweise störte sich der alte Reporter an solchen Zurechtweisungen nicht, doch am 8. Januar teilte er uns mit, dass INSELNET verstaatlicht worden war. Zum neuen Chefintendanten wurde Guy Pallance ernannt, der gute Kontakte zur CIP pflegte. Anschließend empfahl man ihm, Cartwheel innerhalb der nächsten zwei Tage zu verlassen, sonst könne man nicht mehr für seine Sicherheit garantieren. Mohlburry verstand den Wink und teilte uns mit, dass er für sich in Cartwheel keine Zukunft mehr sehe.

Kathy versuchte, ihn zum Bleiben zu überreden, doch er lehnte ab, auch aus Rücksicht auf seine Tochter Janela. Zum Abschluss versprach er noch, die Öffentlichkeit der Milchstraße über die wahren Zustände im Quarterium aufzuklären. Am selben Tag verließ er zusammen mit seiner Tochter auf der FOCUS die Insel.

Nataly ging es immer schlechter. Wieder hatte ein guter Freund sie verlassen. Von ihrem Onkel gab es immer noch kein Lebenszeichen. Vielleicht war er bereits zu Tode gefoltert oder unter den unmenschlichen Haftbedingungen gestorben. Sie drohte unter dem Druck und der Sorge zu zerbrechen und zerfleischte sich selbst mit Vorwürfen, ihren Onkel in seiner kritischen Haltung zum Quarterium auch noch gestärkt zu haben. Hätte er doch nur die Chronik im Sinne der Despoten weitergeschrieben, statt sich um eine wahrheitsgemäße Darstellung zu bemühen!

Der schreckliche Zustand der Ungewissheit endete am 9. Januar, als Ronald Kreupen uns völlig unerwartet besuchte. Er war als Bezirks-Kommandeur für den Bereich New Turin und somit auch für Natalys Onkel verantwortlich.

Mit Zuckerbrot und Peitsche

Nataly Andrews

»Ein schönes Haus habt ihr hier, geschmackvoll eingerichtet«, bemerkte Kreupen höflich, als sie sich alle im Wohnzimmer gesetzt und jeder eine Tasse Tee vor sich stehen hatte. Kreupen hatte bereits früher meinen Onkel besucht, um ihn von den Zielen des Quarteriums zu überzeugen. »Ich bin auch ein großer Verehrer von Joel Haleyson. Seine Werke sind so ausdrucksvoll.«

Er betrachtete eine kleine 3D-Projektion des Künstlers, die auf einer Kommode stand. »Leider verabscheut meine Frau seine Werke, daher haben wir keines im Haus. Ein Jammer.«

»Es freut mich sehr, dass es dir hier gefällt«, sagte ich unsicher. »Doch was führt dich zu uns? Gibt es Neuigkeiten von Jaaron?«

Kreupen lächelte. »Gut, kommen wir zur Sache, Nataly. Ich bin in der Tat wegen Jaaron hier. Eines vorneweg: Es geht ihm gut und er erfreut sich bester Gesundheit.«

Da atmete ich erleichtert auf. »Gott sei Dank! Ich hatte das Schlimmste befürchtet. Wann kommt er denn frei?« Misstrauisch schaute ich Kreupen an und fuhr fort: »Er wird doch freikommen, oder?«

»Gewiss, gewiss wird er das!« Roland Kreupen warf mir einen freundlichen Blick zu. »Doch leider gibt es da noch eine Kleinigkeit, die wir noch aus der Welt schaffen müssen, bevor wir Jaaron zu dir zurückschicken können.«

»Und was ist das für eine Kleinigkeit?«

»Nun, ich möchte nicht um den heißen Brei herumreden … Jaaron war dem Quarterium nicht immer sehr freundlich gesonnen. Oder besser gesagt, er steht unserem System sehr kritisch gegenüber. Außerdem hat er mit Pace Joharr zusammengearbeitet. Undenkbar für einen unparteiischen Chronisten der Geschehnisse! Ich würde sagen, er hat seine Aufgabe sehr voreingenommen wahrgenommen.«

»Worauf willst du hinaus?« fragte Kathy misstrauisch.

»Offensichtlich wurde Jaaron durch Pace Joharr und die USO beeinflusst. Mittlerweile ist uns klar, dass Joharr und die Linguiden ihre Fähigkeiten dazu missbraucht haben, um die Bewohner einer Gehirnwäsche zu unterziehen und sie so zu ihren Marionetten zu machen. Hinter dem Ganzen steht die USO mit dem Ziel, die Lage in Cartwheel zu destabilisieren, um danach offiziell Friede und Ordnung wiederherzustellen. Was die USO und die Linguiden planen, das haben wir auf der Silvesterfeier gesehen, als Joharrs Landsleute auftauchten und ein Massaker anrichteten.«

»Und was verlangen Sie von uns?«, fragte Kathy eindringlich. Ihr gefiel Kreupens Einleitung sichtlich nicht und sie wollte endlich hören, welchen Preis er für Jaaron Jargons Freilassung forderte.

»Nun gut, also Klartext. Ich will, dass sich Jaaron offiziell von Pace Joharr und seinen Landsleuten distanziert und den Bewohnern Cartwheels in einer Rede über INSELNET erklärt, dass er, wie alle Menschen der Insel, durch diesen so genannten Friedensstifter und die USO manipuliert wurde. Des Weiteren …«

»Das ist doch …« unterbrach ihn Kathy, schwieg dann aber, als Kreupen sie mit einer Handbewegung unterbrach.

»Des Weiteren wird Jaaron eine Sonderausgabe seiner Insel-Chronik herausbringen, die sich eingehend mit dem Quarterium befasst. Jaaron wird sich darin ausführlich mit dem System, seinen Strukturen und seinen Methoden auseinandersetzen und dabei selbstverständlich ein sehr positives Gesamturteil fällen. Und bevor diese Ausgabe frei zugänglich wird, werden unsere Lektoren sie natürlich redigieren. Wir wollen ja nicht, dass sich kleine Fehler oder Missverständnisse einschleichen.«

Kathy sprang wütend auf. Ihr Formenergie-Stuhl fuhr automatisch ein Stück zurück. »Das können Sie nicht verlangen! Das ist reine Manipulation, verlogene Propaganda! Jaaron schreibt seine Chronik allein und ohne Zensoren!«

»Das mag ja sein, aber derzeit haben wir ihn in sicherem Gewahrsam. Die Bedingungen für seine Freilassung habe ich genannt. Akzeptiert sie oder nicht – dann wird Jaaron Jargon weiterhin unser Gast bleiben. Und ob wir dann weiterhin für seinen Gesundheitszustand garantieren können, wage ich zu bezweifeln. So einfach ist das.« Kreupen unterstrich die letzten Worte mit einer eindeutigen Geste.

»Mit einer so plumpen Erpressung kommt ihr nicht durch. Die Öffentlichkeit wird davon erfahren und Jaaron wird …«, fuhr Kathy hoch.

»Nein, wir müssen es tun!« unterbrach ich sie flehend. »Bitte, lasst meinen Onkel frei, er wird alles tun, was du gesagt hast! Dafür werde ich schon sorgen.« Ich kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an.

»Nataly, nein! Wir können ihnen doch nicht so in die Hände spielen!«

»Es tut mir leid, Kathy! Aber ich kann nicht mehr und Onkel kann auch nicht mehr, das fühle ich. Er leidet im Lager und hält nicht mehr lange aus. Er muss jetzt wieder nach Hause, sonst wird er sicher bald sterben!«

»Wir sind uns also einig, Nataly?« fragte Kreupen.

Ich nickte schwach.

»Gut, das genügt mir.« Kreupen sprach einige Worte in sein Armband-Minikom. Kurz darauf klopfte es an der Tür. »Nataly, willst du nicht deinen Onkel begrüßen?« forderte der Bezirks-Kommandeur mich auf.

Ich sprang auf und rannte zur Tür, öffnete und sah in das eingefallene Gesicht meines Onkels, der von zwei Soldaten des Quarteriums gestützt wurde. Dunkle Schatten hatten sich unter seinen trüben Augen gebildet, in denen es aber aufblitzte, als er mich sah. »Nataly, mein Schatz …« flüsterte er.

»Onkel, Onkel Jaaron!«, schluchzte ich und umarmte ihn vorsichtig. Dann brachten die Soldaten ihn zu seinem Bett. Jaaron würde viel Ruhe brauchen, bis er wieder zu seiner alten Stärke zurückfand.

Ronald Kreupen trat neben mich und räusperte sich: »Wir werden euch jetzt alleine lassen. Vergiss nicht, wir haben eine Abmachung und ich will Ergebnisse sehen! Schnellstens! Wir bleiben in Kontakt. Bis bald!« Dann verließen er und seine Soldaten den Bungalow.

6. Ein Reich, ein Volk und ein Emperador

Nach den Ereignissen zum Jahreswechsel hatte sich der Emperador aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, da er durch den Anschlag auf Siniestro angeblich schwer verletzt wurde. Anlässlich des alten terranischen Feiertages der Heiligen Drei Könige am 6. Januar war er wieder nach Paxus zurückgekehrt, um die Regierungsgeschäfte nicht allein seinem Stellvertreter Jenmuhs zu überlassen. Er befürchtete, dass der Gos’Shekur seine Abwesenheit dazu nutzen würde, seine Machtposition innerhalb der Führung des Quarteriums auszubauen.

Es wurde Zeit, dass er in einer Konferenz mit den Quarteriumsfürsten, soweit diese in Cartwheel waren, die weitere Vorgehensweise absprach. Vor allem musste er Klarheit über die weitere Politik gegenüber Saggittor und den Akonen schaffen. Auch die weiteren Maßnahmen gegen die Linguiden und die USO mussten endlich abgesprochen werden. Jenmuhs hatte für den Geschmack des Emperadors ein wenig vorschnell gehandelt, aber das konnte er jetzt nicht mehr rückgängig machen.

10. Januar 1306 NGZ, Paxus

Der Emperador betrat, gestützt auf seinen Diener Diabolo, den Moncloa-Saal des Paxus-Towers. Während seines Weges durch den Regierungssitz hatte er die Maske des Schwerverletzten aufrecht gehalten. Mit einem Blick versicherte er sich, dass Despair, Jenmuhs und Niesewitz schon anwesend waren. Nur Torsor fehlte, was ihn aber nicht besonders störte. Leticron war natürlich noch immer in den estartischen Galaxien, um unsere Aktionen dort zu koordinieren. Sie alle hatten sich bereits um den Speekholztisch versammelt und erwarteten seine Ankunft.

Er hatte Diabolo losgelassen, denn hier wusste jeder Bescheid. Der Posbi bewegte sich seitlich hinter ihm, seine Sinnesorgane überwachten den Raum. Theatralisch ließ er sich von ihm in einen Formenergiesessel helfen, den der Posbi neben seinem Thron platzierte. Niesewitz quittierte die Aktion mit einem schiefen Grinsen und führte sein Gespräch mit dem Gos’Shekur weiter.

Nachdem er sich einen Weinkelch aus der vor ihm stehenden Karaffe gefüllt und einen tiefen Schluck genommen hatte, räusperte sich der Emperador und begann: »Meine Herren, die Aktion auf Siniestro war ein voller Erfolg, auch wenn das Ergebnis noch nicht als optimal für uns bezeichnet werden kann. Ich habe Sie heute hierher gebeten, damit wir unsere zukünftige Strategie festlegen. Insbesondere müssen wir unser Vorgehen gegen Saggittor und Akon klären. Auch der Status der Linguiden sollte endgültig geklärt werden, auch wenn der Gos’Shekur«, hier warf er dem Arkoniden einen vorwurfsvollen Blick zu, »etwas vorschnell einige Entscheidungen schon getroffen hat.«

Der Arkonide bekam einen hochroten Kopf und versuchte, sich zu rechtfertigen.

»Emperador, ich habe lediglich die Gunst der …«

Doch der Spanier unterbrach seinen Redefluss.

»Noch nicht! Zuerst möchte ich von unserem allwissenden CIP-Chef einen Überblick über den aktuellen Stand der Aktionen gegen die USO erhalten. Dies dürfte unser dringlichstes Problem sein.«

Werner Niesewitz erhob sich und schob den unbequemen Holzstuhl etwas nach hinten. Damit befand er sich mit den übrigen Anwesenden etwa auf Augenhöhe. Im Stillen verfluchte er diesen altmodischen Spanier, der strikt einforderte, dass nur Mobiliar aus seiner Zeit vorhanden war. Das war natürlich wieder eine spezielle Schikane, die vor allem ihn traf, denn auf Grund seiner Körpergröße konnte er auf seinem Stuhl kaum über die Tischplatte blicken.

»Leider war unsere Aktion auf Siniestro«, dabei warf er dem Spanier einen undefinierbaren Blick zu, »nur teilweise von Erfolg gekrönt. Es gelang uns zwar, Joharr und Jargon zu inhaftieren, aber die Führungsclique der Staatsfeinde …«

Hier wurde er von Jenmuhs unterbrochen, der in scharfem Ton einwarf: »Das ist nur die Schuld Ihrer inkompetenten Einsatzplanung. Wenn ich diesen Einsatz geplant hätte, wäre kein Stein auf dem anderen geblieben. Und Ihr könnt sicher sein, dass keiner dieser Terroristen entkommen wäre.«

Niesewitz entgegnete mit einem kalten Blick der Verachtung: »Gos’Shekur« – er betonte den Titel des Arkoniden in besonderer Weise – »ich möchte darauf hinweisen, dass die äußeren Umstände des Einsatzes nicht meiner Befehlsgewalt unterlagen. Der Emperador hat mir ausdrücklich untersagt, im Umfeld des Schlosses schwere Waffen zu stationieren. Und die Erlaubnis, dass diese Space-Jet auf dem Schlosshof landen konnte, hat allein der Emperador zu verantworten.«

Nun hielt Despair die Zeit gekommen, schlichtend einzugreifen. Er erhob sich und brachte durch seine imposante Gestalt den Streit zum Erliegen. Mit der gepanzerten Faust donnerte er auf den schweren Speekholztisch, um seine Worte zu unterstreichen.

»Seid ihr von allen guten Geistern verlassen? Diese gegenseitigen Schuldzuweisungen bringen nichts. Letztendlich war die Aktion ein voller Erfolg. Vor der Öffentlichkeit sind die Linguiden und die USO als Terroristen diskreditiert, Joharr und Jargon sind in unserem Gewahrsam, wir haben alle Trümpfe in der Hand. Ich bitte also den Marschall-Kommandeur, mit seinen Ausführungen ohne Störung fortzufahren.«

Niesewitz schluckte kurz und fuhr dann fort: »Unser vordinglichstes Problem ist die USO. Solange diese Organisation noch handlungsfähig ist, kann unsere Machtposition nicht als gesichert angesehen werden. Aber wir haben einen attraktiven Köder ausgelegt, der diese Dunkelmänner ans Licht locken wird. Joharr wurde nach Lingus gebracht und dort interniert. Wir haben dafür gesorgt, dass entsprechende Informationen an den richtigen Stellen platziert werden. Inzwischen dürfte unsere arkonidische Freundin«, er warf einen Seitenblick auf Jenmuhs, »darüber genauestens informiert sein.

Wir haben es natürlich vermieden, den genauen Aufenthaltsort zu nennen, so dass unsere verehrte Rosan unbedingt weitere Informationen braucht. Deshalb wird sie einen ihrer Top-Agenten einsetzen, um den genauen Ort zu ermitteln. Wenn wir nun diesen in eine Falle locken könnten, müsste es uns möglich sein, endlich die Position dieses verdammten Asteroiden zu bekommen, der ihre Zentrale darstellt. Und der Rest dürfte ein Kinderspiel sein.«

Niesewitz ließ sich zufrieden wieder auf seinen Stuhl fallen, während der Gos’Shekur aufsprang.

»Ich werde sofort eine entsprechende Flotte zusammenstellen und mir das Pack dieser anmaßenden Essoya persönlich vornehmen!«

Bevor jemand eine Entgegnung machen konnte, räusperte sich der Silberne Ritter und sagte nur ein einziges Wort: »Nein!«

Es war, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte. Alle starrten ihn an. Er fuhr fort: »Die Vernichtung von Quinto ist zu wichtig, als dass sie durch persönliche Eitelkeiten gefährdet werden darf. Wir werden einen gemischten arkonidisch-terranischen Verband zusammenstellen und ich persönlich werde den Oberbefehl übernehmen. Niemand, ich wiederhole, absolut niemand handelt ohne meinen persönlichen Befehl! Und damit ist die Diskussion zu diesem Thema abgeschlossen. Fahren Sie fort, Marschall-Kommandeur!«

»Danke, Quarteriums-Marschall! Unser zweites Problem ist der Status der Linguiden. Nachdem der Gos’Shekur bereits erklärt hat, dass diese aus der lemurischen Völkergemeinschaft ausgeschlossen und interniert werden, sollten wir unsere weiteren Planungen an diesem Tatbestand ausrichten. Hierzu hat Ihre Tochter«, dabei blickte er zum Emperador hinüber, »einige sehr interessante Gedanken geäußert.«

»Davon weiß ich nichts!«, entgegnete der Angesprochene.

»Nun, diese Gedanken waren noch nicht ausgereift, vielleicht wollte sie noch warten, bis sie ausgearbeitet sind. Das ist jedoch in der Zwischenzeit geschehen. Zusammen mit meinem persönlichen Beauftragten für die ABR, Oberst-Kommandeur Trybwater und Minister Katschmarek habe ich eine umfassende Konzeption für den zukünftigen Status dieser gefährlichen Rebellen«, hier verzog sich sein Gesicht zu einem zynischen Grinsen, »erarbeitet. Unsere Konzeption ist in dieser Arbeitsmappe zusammengefasst.«

Mit diesen Worten teilte er an die Anwesenden altertümliche Hefter aus, die mehrere Seiten eng beschriebenes Papier enthielten.

Die Anwesenden vertieften sich in die Unterlagen, nur Despair warf nach kurzer Zeit die Mappe achtlos vor sich auf den Tisch und lehnte sich zurück. Bald darauf meldete sich Jenmuhs, indem er an Niesewitz gewandt meinte: »Manchmal sind Sie trotz Ihrer anmaßenden Art geradezu genial. Genau die richtige Medizin für dieses Pack. Das ist viel besser, als sie einfach umbringen.«

Dann las er weiter. Der Emperador verzog während der Lektüre mehrmals angewidert sein Gesicht und schüttelte seinen Kopf. Schließlich waren alle fertig. Und wieder war der Gos’Shekur der Erste, der sich zu Wort meldete.

»Niesewitz, ich kann nur sagen, hierfür haben Sie meine vollste Unterstützung. Was meinen Sie, Emperador?«

Der Angesprochene ließ sich Zeit, bevor er antwortete. Seinen umständlichen Ausführungen war zu entnehmen, dass er zwar eigentlich moralische Bedenken gegen die Maßnahmen hätte, jedoch letztendlich zustimmen würde. Nur Despair äußerte sich nicht. Und dann war es Jenmuhs, der das Ganze auf einen Nenner brachte.

»Ich darf den Ausführungen entnehmen, dass alle am Tisch einverstanden sind. Torsor wird sich, meiner Meinung nach, nicht dafür interessieren und Leticrons Zustimmung dürfen wir wohl voraussetzen. Also ist es unser Beschluss, dass auf Lingus Freizeitlager«, bei diesem Wort grinste er dreckig, »für unsere kämpfenden Truppen eingerichtet werden. Alle Linguiden, die nicht zum Dienst in diesen Lagern geeignet sind, werden nach Objursha deportiert. Dabei dürfte es sich wohl um den überwiegenden Teil der männlichen Bevölkerung und die Alten handeln.«

Der Emperador beendete die Diskussion, indem er feststellte: »Ich möchte in Zukunft von den unappetitlichen Einzelheiten dieser Angelegenheit verschont bleiben. Marschall-Kommandeur Niesewitz erhält hiermit alle Vollmachten, dieses Projekt in eigener Verantwortung durchzuführen. Ich lege Wert darauf, dass wir in Zukunft in diesem Kreis mit diesem Thema nicht mehr belästigt werden. Es wird Zeit, dass wir uns endlich mit dem eigentlichen Thema dieser Sitzung beschäftigen, Saggittor und Akon. Irgendwelche Vorschläge?«

Und wieder war es Niesewitz, der sich zu Wort meldete.

»Es bestehen leider keine Aussichten, dass wir von innen einen Umschwung in der Politik der beiden Reiche einleiten können. Auf Saggittor wurde die gesamte Opposition nach den Ereignissen um Serakan kaltgestellt, sein Nachfolger Rauoch unterstützt die Politik Aurecs vorbehaltlos und auf Akon konnten wir, dank der Politik des Gos’Shekur, nie einen Fuß auf den Boden bringen.«

Niesewitz spielte dabei auf einen Umsturzversuch an, der von Jenmuhs initiiert war, und das Ziel gehabt hatte, die akonische Republik in den arkonidischen Block einzugliedern. Bevor dies jedoch wieder zu einem allgemeinen Streit ausarten konnte, ergriff Despair das Wort.

»Marschall-Kommandeur, mäßigen Sie sich. Das ist Vergangenheit und gehört nicht hierher. Viel wichtiger sind die Alternativen, die wir im Augenblick haben. Ihren Ausführungen entnehme ich, dass keinerlei Aussichten bestehen, durch entsprechende Maßnahmen eine Änderung der Politik in unserem Sinne zu ermöglichen.«

»Das ist absolut korrekt.«

»Gut, dann bleibt uns nur eine Alternative: Krieg!«

Dieses Wort des Silbernen Ritters hing drohend im Raum. Krieg! Einen Augenblick herrschte eine beklemmende Atmosphäre. Dann unterbrach der Emperador das betretene Schweigen.

»Bleibt uns wirklich keine andere Möglichkeit? Krieg, schon wieder Krieg? Warum können diese Narren nicht vernünftig werden? Ich habe ihnen doch mehrmals meine Hand zum Frieden gereicht. Immer wieder. Es muss doch einmal zu Ende sein. Ich wollte der Insel Frieden und Sicherheit bringen, wollte allen ein gütiger und gerechter Herrscher sein. Gibt es wirklich keine andere Möglichkeit?«

»Nein, Emperador, unser Herr verlangt große Taten von uns. Und dafür muss die Insel geeint, muss ganz Cartwheel ein einheitliches Reich sein. Alle müssen sich einem Willen unterordnen, und diesen Willen verkörpern wir.«

»Nun gut, zum letzten Mal. Es sei: Krieg! Quarteriums-Marschall Despair, arbeiten Sie zusammen mit dem Gos’Shekur einen Angriffsplan auf Saggittor und Akon aus. Aber ich möchte vorher über jede Einzelheit des Angriffsplanes informiert werden. Vermeidet unter allen Umständen unnötige Opfer unter der Zivilbevölkerung. Wir brauchen die Menschen von Saggittor und Akon und nicht die Friedhöfe. Und noch etwas, schafft mir endlich dieses USO-Gesindel vom Hals. Vorher werden wir überhaupt keine Ruhe haben. Und nun geht!«

Jenmuhs und Niesewitz verließen den Raum, Despair blieb jedoch auf einen Wink des Emperador zurück. Siniestro umfasste seine Schultern und fragte: »Despair, warum müssen wir zu Massenmördern werden, warum das alles? Sind wir nicht stark genug? Im landläufigen Sinn war ich nie ein moralischer Mensch. Für die Macht bin ich über Leichen gegangen und werde das auch in Zukunft tun. Aber das, was wir jetzt tun, ist etwas ganz anderes. Wir betreiben systematischen Massenmord, vernichten ganze Bevölkerungen. Wozu? Welcher Sinn steckt dahinter?

Warum muss ich überhaupt den großen Emperador spielen? Sie und ich wissen genau, wer tatsächlich die Macht hat. Ich glaube, Sie genau zu kennen. Sie verachten uns alle, mich eingeschlossen. Sie haben recht, ich habe mich an MODROR verkauft, verkauft für das ewige Leben, verkauft für die Macht, verkauft für die Sicherheit meiner Kinder. Aber warum Sie? Sie sind viel stärker als ich. Ich weiß, dass Sie keine materiellen Interessen haben. Die Macht ist Ihnen gleichgültig. Warum also Sie, warum spielen Sie den Massenmörder? Warum unterstützen Sie MODROR?«

Der Silberne Ritter rührte sich nicht. Er ließ zu, dass der Spanier seine Schultern immer noch umklammert hielt.

»Emperador, es ist meine Bestimmung. Ich bin der dunkle Schlächter. Ich muss die Völker einigen, mit Feuer und Schwert. Nur wenn wir einig sind, haben wir eine Zukunft. Ein einiges Reich der Menschheit, zuerst hier in Cartwheel und dann in der Milchstraße. Nur das Ergebnis zählt. Aber jetzt müssen Sie gehen. Gehen Sie, Don Philippe, gehen Sie und kümmern sich um Ihre Kinder.«

Mit diesen Worten drehte Despair sich um und verließ den Raum.

Familienbande

Der Emperador hatte seine Kinder in seine Privatgemächer innerhalb des Paxus-Towers bestellt. Bis auf Stephanie waren alle eingetroffen. Mit väterlichem Stolz blickte er in die Runde. Und dann kam auch seine Lieblingstochter, wie üblich als Letzte. Ohne sich groß um ihre Geschwister zu kümmern, umarmte sie ihn.

»Bitte setzt euch, ich habe etwas Wichtiges mit euch zu besprechen.«

Der Emperador blickte nochmals in die Runde. Ja, das waren seine Kinder. Zuerst Peter, der große Junge, nur dass er statt mit Bleisoldaten jetzt mit ganzen Armeen spielte. Orlando, ruhig und beherrscht, die Zuverlässigkeit in Person. Brettany, die empfindliche Idealistin, und natürlich Stephanie, sein ganzer Stolz.

»Ich komme gerade von einer Sitzung der Quarteriumsfürsten, wo wir weitreichende Beschlüsse gefasst haben, über die ihr unbedingt informiert werden müsst.«

Er machte eine kurze Pause, um sich die weiteren Worte zurechtzulegen. Dann fuhr er fort: »Wie ihr gewiss bereits erfahren habt, haben linguidische Terroristen mit Unterstützung der USO einen Terroranschlag auf mich verübt, den ich, dem Allmächtigen sei Dank, nur leicht verletzt überstanden habe. Wir werden mit aller Härte gegen dieses Gesindel vorgehen. Die Linguiden werden interniert und die USO wird ausge…«

Er konnte seinen Satz nicht zu Ende sprechen, denn Brettany unterbrach ihn voller Empörung.

»Das kann doch nicht dein Ernst sein, Vater! Die USO schützt die Prinzipien von Demokratie und Freiheit und die armen Linguiden haben noch nie irgendjemandem etwas zuleide getan.«

Nun war es Stephanie, die ihre Schwester hohnlachend unterbrach.

»Demokratie und Freiheit, dass ich nicht lache. Und deine ach so harmlosen und friedlichen Linguiden stürmen Vaters Schloss, werfen mit Bomben um sich und veranstalten ein Massaker. Aber sie haben noch nie jemandem etwas zuleide getan! Wach endlich auf, Schwesterherz. Schau der Wahrheit ins Gesicht. Deine Freunde von der USO sind eine niederträchtige Mörderorganisation und die linguidischen Friedensapostel eine Terroristenbande. Müssen sie Vater erst umbringen, damit du aufwachst?«

Brettany ignorierte sie.

»Das glaube ich einfach nicht. Schuld an dem Anschlag müssen andere sein. Irgendjemand hat ihnen die Schuld in die Schuhe geschoben. Vater, du musst mir glauben!«

Der Emperador setzte seinen strengsten Gesichtsausdruck auf.

»Brettany, so geht das nicht. Wir haben die Schuld der USO und der Linguiden einwandfrei festgestellt. Es gibt keinerlei Zweifel. Die Beweise, die CIP-Chef Niesewitz vorgelegt hat, sind eindeutig. Kind, komm zu …«

Wieder konnte er seinen Satz nicht beenden. Brettany war wütend aufgesprungen. Ihre Augen blitzten.

»Niesewitz! Natürlich, wer sonst. Dieser Widerling lügt, wenn er nur den Mund aufmacht. Wie kannst du irgendwelchen Beweisen glauben, wenn sie von ihm stammen? Peter, Orlando! Sagt ihr doch auch mal etwas. Ihr fallt doch nicht auf diesen Schwachsinn herein!«

Peter war aufgesprungen. Sein Gesicht verzerrte sich, als er schrie: »Du bist eine niederträchtige Verräterin! Du gönnst mir nur nicht, dass ich einen glorreichen Sieg gegen …«, seine Stimme überschlug sich und er lief rot an, »gegen, gegen dieses niederträchtige Pack … ich werde es euch allen zeigen! Ich bin der größte Feldherr der …«

Weiter kam er nicht, denn sein Redeschwall ging Stephanie auf die Nerven. Sie schrie ihn an: »Halt endlich dein blödes Maul. Das ist ja nicht auszuhalten!«

Der Emperador war fassungslos. Was war nur mit seinen Kindern los? Nur Orlando blieb weiter ruhig sitzen.

»Kinder, bitte streitet nicht. Wir sind doch eine Familie. Wir müssen zusammenhalten. Ich habe euch doch noch gar nicht alles erzählt! Wir müssen endlich in Cartwheel für klare Verhältnisse sorgen. Saggittor und Akon arbeiten gegen uns. Das kann nicht länger hingenommen werden. Wir haben …«

Und wieder unterbrach ihn Brettany.

»Sag bitte, dass das nicht wahr ist, Vater. Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du kannst doch nicht um deiner Machtg…«

Weiter kam sie nicht. Stephanie war aufgesprungen. Mit zwei Schritten war sie bei ihrer Schwester und zog diese an ihren langen Haaren in die Höhe.

»Du verblödete Ziege. Du meinst wohl, du wärst was Besseres? Wo wären wir, wenn Vater und ich nicht für euch immer wieder den Karren aus dem Dreck ziehen würden?« Mit diesen Worten gab sie ihrer Schwester zwei schallende Ohrfeigen. »Ich hab dein moralisches Gequatsche so satt. Brettany, die Edle. Brettany, die Heilige. Dass ich nicht lache. Zu was bist du denn überhaupt zu gebrauchen? Du bist selbst zu blöd, um deine Beine breit zu machen. Geh doch zu diesem linguidischen Pack und spiele die heilige Samariterin. Dann bist du wenigstens zu was nutze. Da kommen dann viele stramme Sch…«

Nun war es der Emperador, der Stephanie unterbrach.

»Jetzt reicht es aber. Ich will von euch nichts mehr hören. Stephanie, du bist gerade zu weit gegangen. Ich will, dass du dich sofort bei deiner Schwester entschuldigst.«

»Ich denke nicht daran. Diesem verzogenen Fräulein-Rühr-Mich-Nicht-An wollte ich schon lange die Meinung sagen. Und übrigens, wenn du hier nicht Klartext reden willst, ich kann es. Also hört mir alle genau zu. Wir haben es satt, dass Saggittor und Akon uns auf der Nase herumtanzen. Das muss aufhören. Und deshalb haben wir beschlossen, dass endlich aufgeräumt wird. Es kann in Cartwheel nur eine Regierung geben, und das sind wir. Wer sich nicht unterordnet, der wird aus dem Weg geräumt. Das ist alles, was Vater euch eigentlich sagen wollte.«

Orlando hob den Kopf. Dann wandte er sich an den wie versteinert dastehenden Emperador.

»Ist das wirklich so, Vater? Geht es wirklich nur um Macht? Antworte, Vater!«

»Nein, nein, mein Sohn. Deine Schwester hat sich nur ungeschickt ausgedrückt. Die USO steckt tatsächlich hinter den ganzen Anschlägen. Und Saggittor und Akon arbeiten gegen mich. Solange sie nicht befriedet sind, werden in Cartwheel immer Hass und Zwietracht herrschen. Deshalb müssen wir endlich für klare Verhältnisse sorgen. Bitte, meine Kinder, vertraut mir.«

Orlando hatte sich erhoben und blickte seinen Vater mit ernstem Gesichtsausdruck an.

»Gut Vater, ich glaube dir. Aber ich will die Angriffspläne ausarbeiten. Die Zivilbevölkerung muss, soweit es geht, geschont werden. Und Vater, wenn ich erfahren sollte, dass du mich gerade getäuscht hast, dann werde ich mich gegen dich wenden.«

Doch dann war es Peter, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mit großspuriger Mine erklärte er: »Ich weiß gar nicht, was ihr alle habt. Krieg ist doch so schön. Ich kann endlich meine Soldaten kommandieren, viele Orden verteilen und der ganzen Welt zeigen, dass ich der größte Feldherr aller Zeiten bin. Vater, ich verspreche dir, dass ich viele glorreiche Siege erringen werde. Ich werde alle unsere Feinde zerschmettern. Der Name unserer Familie wird in die Geschichte eingehen. Man wird überall Standbilder errichten, die an meine großartigen Siege erinnern.«

»Das ist zu viel«, schrie Brettany. Sie war aufgesprungen. »Ich halt das hier nicht mehr aus. Ein intriganter und skrupelloser Vater, ein verrückter Bruder, der Zinnsoldaten mit Menschen verwechselt, noch ein Bruder, der die Augen vor der Wirklichkeit verschließt und eine Schwester, die so abgrundtief bösartig ist, dass es mich fröstelt, wenn ich die gleiche Luft wie sie atmen muss. Ich gehe in die Milchstraße, da gibt es wenigsten Menschen, die fühlen, die ein Herz haben. Auch wenn ich da wohl nicht lange vor euresgleichen verschont bleiben werde.

Ihr schreckt vor keiner Gemeinheit, vor keiner Niedertracht zurück! Mitfühlende Menschen mit moralischer Verantwortung, selbst ein Mann wie Rhodan, sind euch nicht gewachsen, weil sie nicht eure Skrupellosigkeit, eure Verachtung des Lebens haben. Aber vielleicht habt ihr euch getäuscht. Vielleicht, und das wünsche ich mir, bekommt ihr die Antwort. Einen Gegner, der es euch mit gleicher Münze heimzahlt, nur dass es dann nicht mehr die Leben ungezählter geknechteter, versklavter Lebewesen sind, sondern eure Leben. Ich kann euch nicht mehr sehen. Ihr widert mich an.«

Mit diesen Worten wollte sie den Raum verlassen. Doch der Emperador donnerte: »Halt! Du stehst sofort unter Hausarrest! Diabolo! Du bist dafür verantwortlich, dass sie ohne meine Erlaubnis ihr Zimmer nicht verlässt. Schaff sie mir aus den Augen, bevor ich mich vergesse.«

Stephanie konnte sich nicht zurückhalten und giftete hinterher: »Ja Diabolo! Schaff sie endlich raus. Schade, dass du kein Mann bist, dann könntest du ihr endlich mal zeigen, zu warum sie dieses Loch zwischen ihren Schenkeln hat.«

Der Posbi hatte inzwischen Brettany ergriffen, um sie in ihr Zimmer zu bringen. Bei diesen Worten drehte er seinen durchsichtigen, einem Menschen nachgebildeten Kopf um hundertachtzig Grad und antwortete: »Madam! Ich glaube, Sie verwechseln mich mit Ihresgleichen. Bitte seien Sie nicht beleidigend.«

*

Peter und Orlando waren gegangen. Nur Stephanie war bei ihrem Vater geblieben, um ihn zu trösten. Der Emperador war außer sich. Während Steph ihm über die Haare strich, meinte er: »Warum musstest du nur so direkt sein? Das war doch nicht nötig. Du weißt doch genau, dass Brettany so empfindlich, so weltfremd ist. Und selbst Orlando war wie vor den Kopf geschlagen.«

»Aber Vater, das musste mal heraus. Schon seit Jahren geht mir mein Fräulein Schwester unsäglich auf die Nerven. Ich habe es einfach satt, mir immer ihr affektiertes Getue ansehen zu müssen. Du hast immer viel zu viel Rücksicht auf sie genommen.«

»Ich glaube, du hast recht. Irgendwann musste es wohl so weit kommen. Viel mehr Sorgen bereitet mir Orlando. Wir müssen etwas tun, damit er nicht anfängt, unsere Politik zu hinterfragen. Hast du nicht irgendeine Idee?«

»Eigentlich fällt mir dazu nichts ein. Peter ist absolut ungefährlich, der hat seine Soldaten, mit denen er spielen kann. Und auch das Andere haben wir zu unserer Zufriedenheit gelöst. Aber Orlando? Womit könnten wir ihn ablenken?«

»Hm, auch mir fällt absolut nichts ein. Aber halt, da kommt mir eine Idee! Steph, hast du eigentlich schon mal etwas über irgendwelche Affären von ihm gehört?«

»Nein Vater, Orlando scheint absolut kein Sexualleben zu haben.«

»Du meinst doch nicht, dass er … hm … du weißt schon, was ich meine!«

»Aber nein Vater, das bestimmt nicht. Ich weiß ja, dass in deiner Zeit so etwas verpönt war. Es ist nur so, dass er, wie ich glaube, einfach Angst vor Frauen hat.«

»Dann haben wir die Lösung! Stephanie, du musst ihm eine Frau suchen. Es muss eine starke Frau sein, die sein Denken beherrscht, die seinen Ehrgeiz lenkt, der er völlig verfällt, eigentlich eine Frau wie du. Aber ich weiß ja, das geht natürlich nicht.«

»Aber natürlich Väterchen, das ist die Lösung. Nur müssen wir mit äußerster Behutsamkeit vorgehen. Und natürlich muss ich auch erst noch die Richtige finden. Hm, vielleicht käme eine Arkonidin in Frage. Es gibt da einige, die würden genau unseren Ansprüchen entsprechen und außerdem müssen wir auch auf das Standesgemäße dieser Verbindung achten. Es kommt nicht in Frage, dass ein primitives Weibsstück aus dem Volk meinen Bruder in ihr Bett zieht. Nein, es muss schon jemand von Adel sein. Und da kommen eben nur Arkonidinnen in Frage. Ich werde mir das auf jeden Fall genau durch den Kopf gehen lassen. Wenn ich eine geeignete Kandidatin gefunden habe, werde ich sie dir vorstellen.«

»Das ist gut, Tochter. Ich verlasse mich dabei voll auf dich. Aber ich habe noch ein anderes Problem. Bei der Besprechung mit den Fürsten hat Niesewitz bezüglich der Linguiden einen Plan vorgestellt, der angeblich von dir stammt. Was hast du dir dabei nur gedacht?«

»Aber Vater, das ist doch leicht zu erklären. Diese Unruhestifter sind, wie du weißt, auch Lemurerabkömmlinge. Jenmuhs wollte sie, wie die Aliens, einfach ausrotten lassen. Dazu sind sie aber viel zu schade. Wir haben in der Flotte ein Problem. Millionen Männer sind monate- oder gar jahrelang ohne Frauen. Und du weißt ja selbst am besten, wie Männer sind, die jahrelang keine Gelegenheit haben … na du weißt schon was. Wir würden größere disziplinäre Probleme bekommen. Bald wäre jede Frau in der Flotte praktisch Freiwild.

Und deshalb ist mir die Idee gekommen, wie wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden können. Dieses linguidische Pack, das bisher ein Schmarotzerdasein auf unsere Kosten geführt hat, ist endlich zu etwas nutze. Und als angenehmen Nebeneffekt können wir die Finanzierung der ABR etwas entschärfen. Denn die Dienste unserer Freizeiteinrichtungen werden natürlich nicht kostenlos sein. So bekommen wir zumindest ein Teil des Soldes, den wir zahlen müssen, wieder in unsere Kassen zurück. Wie du siehst Väterchen, hat meine Idee nur Vorteile für uns.«

»Tochter, Tochter! Du sorgst immer wieder für Überraschungen. Welch eine geniale Idee. Ich bin richtig stolz auf dich, Stephanie!«

7. Katz und Maus

Die Neue USO war innerhalb weniger Jahre, unter der Führung des Oxtorners Monkey, zu einer großen, mächtigen und auch von den Feinden der Menschheit gefürchteten Organisation aufgestiegen, zumindest in der Milchstraße. Die Zweigorganisation in Cartwheel hingegen stand unter keinem guten Stern. Da Jan Scorbit und Rosan Orbanashol-Nordment, die beiden Leiter der Organisation, sich weigerten, mit dem Quarterium zu kooperieren, wurde bereits seit Jahren nach dem Hauptquartier der Organisation gesucht – bisher jedoch ohne Erfolg.

Die USO-Spezialisten waren hervorragend ausgebildet und konnten sich immer wieder dem Zugriff der CIP entziehen. Gelang es, einen der Spezialisten zu fassen, was äußerst selten vorkam, so starb dieser eher, als dass er irgendwelche Informationen preisgab. Doch Rosan war klar, ewig würde die Position von Quinto nicht sicher sein. Für den Ernstfall hatte Jan Scorbit bereits Evakuierungspläne ausarbeiten lassen. Rosan hoffte, dass dieser Fall nie eintreten würde.

Mit Speck fängt man die Mäuse

Das Interkom blinkte. Ihr Besucher war eingetroffen. Rosan bat darum, ihn zur Einsatzzentrale zu bringen und setzte sich in den bequemen Formenergie-Sessel hinter ihrem Arbeitstisch. Sie fühlte sich in der Zentrale wohl. Innerhalb der letzten Monate hatte sie diese nach ihrem Geschmack gestaltet: Über ihrem Arbeitsplatz war eine Syntronik mit eingebautem Positronik-Modus installiert, für den Fall, dass eine Korra-Vir Attacke erfolgte. An den Wänden gab es einige syntronisch gesteuerte Fensterholos. Sie konnte per Knopfdruck oder durch Akustik-Befehl typische Landschaften von Terra, Arkon, Mankind, Bostich oder anderen Planeten in die Fensterprojektionen zaubern. Oder sie wählte einfach ein Himmelsmotiv: Sonnenauf- und -untergänge waren ebenso gespeichert wie gewaltige Gewitter oder Schneestürme.

In einer Ecke neben der Eingangstür hatte Rosan sich eine kleine Bar eingerichtet, in der diverse Erfrischungsgetränke gelagert wurden. Natürlich gab es auch Vurguzz und sonstige alkoholische Spezialitäten, aber die waren eher für Gäste bestimmt, sie selbst trank selten Alkohol.

Die Wand rechts von ihrem Arbeitsplatz schließlich war mit allerlei technischen Raffinessen bestückt: Zum einen war ein großer Trividbildschirm eingebaut, der natürlich auch für interstellare Fernverbindungen verwendet werden konnte. Zudem gab es, für den Besucher nicht zu erkennen, einige Verteidigungs-Systeme wie Paralysatoren, Schutzschildprojektoren oder für den Notfall auch Desintegratoren. Als Rosan die Wand betrachtete, an der gerade das Innere eines Aquariums mit niedlichen Clown- und Goldfischen zu sehen war, musste sie schmunzeln. Die Sicherheitseinrichtungen waren nie ihr Wunsch gewesen, sie wurden ihr von Jan Scorbit regelrecht aufgezwungen.

Das Eingangsschott öffnete sich und Rosans Besucher betrat die Zentrale. »Akaho, wie schön Sie wieder zu sehen!«

»Ich freue mich auch.« Sein Blick fiel auf einen kleinen Haufen von Datenkristallen in einem Behälter auf dem Tisch. »An Arbeit scheint ja kein Mangel zu bestehen«, bemerkte er.

Rosan lachte und strich sich eine Strähne ihres rotblonden Haares aus der Stirn. »In der Tat, es gibt viel zu viel zu tun. Leider ist unsere aktuelle Lage nicht erfreulich. Und da die Zeit drängt, müssen wir gleich zur Sache kommen. Sie sind über die Ereignisse auf Siniestro informiert?«

»Es kam angeblich zu einem Terroranschlag der Linguiden, wobei Pace Joharr als Drahtzieher verhaftet wurde. Auch Jaaron Jargon wurde inhaftiert und wir sollen natürlich wieder an allem schuld sein.«

»In Wirklichkeit war das Ganze eine Falle. Wir waren das eigentliche Ziel. Der Emperador hatte ein Ende der Kämpfe in Cartwheel versprochen, er wollte sogar ein Parlament wählen lassen. Als das Ganze dann schiefging, hat man natürlich uns und den Linguiden die Schuld in die Schuhe geschoben. Als Nächstes hat man Joharr verhaftet und nach Lingus deportiert. Dort soll ihm, nach unseren Informationen, ein Schauprozess gemacht werden, der uns in aller Öffentlichkeit zu Terroristen stempelt. Weitere Informationen besitzen wir nicht.«

»Und welches wird meine Aufgabe sein?«, erkundigte sich der Arkonide, obwohl er bereits eine Ahnung hatte.

»Ich möchte, dass Sie herausfinden, wo genau Joharr gefangen gehalten wird. Wir müssen unbedingt verhindern, dass dieser Schauprozess stattfinden kann. Militärisch sind wir jedoch einfach zu schwach, um Lingus zu besetzten und nach dem Friedensstifter zu suchen. Ihre Aufgabe wird sein, den genauen Aufenthaltsort Joharrs festzustellen und an uns zu übermitteln.

Wir haben im Lingus-System noch eine geheime Hyperfunksonde, die im Moment inaktiv ist, aber jederzeit aktiviert werden kann. Wenn wir die genaue Position haben, werden wir nach alter USO-Taktik ein Einsatzteam landen, Joharr befreien und dann wieder verschwinden. Die Simulationsauswertungen ergaben für dieses Szenario eine Erfolgsquote von über 90 Prozent, in Anbetracht der allgemeinen Lage also fast eine Erfolgsgarantie.«

»Und wie soll ich nach Lingus gelangen? Ich kann wohl kaum einen Einreiseantrag stellen.«

Rosan lächelte. »Wenn ich richtig informiert bin, verfügen Sie doch durchaus über gute Kontakte zum Quarterium. Gibt es da nicht eine gute Bekannte, die innerhalb der höchsten Befehlsebene des arkonidischen Flotten-Kommandos auf Bostich arbeitet?«

Akaho grinste. Er wusste genau, wen Rosan im Sinne hatte.

»Aber natürlich, dass ich nicht gleich daran gedacht habe«, antwortete er etwas theatralisch, »dabei kann es sich nur um Falbela de Lorgon handeln, nicht wahr.« Dabei wurde sein Gesicht plötzlich ernst. Nachdenklich blickte er Rosan an. »Ist dir eigentlich das Risiko bewusst«, – hier wechselte er plötzlich zum vertrauten Du – »das Falbela eingeht, wenn sie mich in die imperiale Flotte einschleust? Ist Joharr das überhaupt wert? Bedenke bitte, dass sie eine der wenigen Quellen ist, die wir auf dieser Ebene des Flotten-Kommandos haben. Wenn sie verbrannt wird, ist der Verlust für uns eigentlich nicht zu ersetzen. Ganz abgesehen davon, dass das persönliche Risiko für sie viel zu groß ist. Sie ist keine ausgebildete Spezialistin, sondern hilft uns, weil sie die rassistische Politik des Quarteriums ablehnt. Hältst du es wirklich für vertretbar, eine Amateurin diesen Gefahren auszusetzen? Und davon abgesehen, ich liebe sie!«

Rosan musste schlucken. Da war sie wieder, die Verantwortung. Nie hatte sie nach dieser Position gestrebt. Auch sie war eigentlich eine Amateurin. Ihre jetzige Position war das Ergebnis der aktuellen Notlage. Eigentlich war es nicht ihre Aufgabe, die Kampfeinsätze zu planen. Das war ursprünglich die Funktion Jan Scorbits oder Sam Tylers. Aber beide waren in den estartischen Galaxien. Und Frank, Frank de Boor war tot. Gestorben auf Siniestro. Gestorben für ihr Leben. Wie vermisste sie seinen Rat. Warum nur musste sie solche Entscheidungen treffen.

Und jetzt verstand sie, warum ihr Unsterbliche wie Monkey oder Atlan immer so unnahbar, so kalt und abweisend vorgekommen waren. Wie oft hatten diese schon solche Entscheidungen treffen müssen. Wie oft hatten sie Männer oder Frauen in den Tod geschickt. In dieser Position, das erkannte sie nun, mussten persönliche Gefühle ausgeschaltet werden. Das war überlebensnotwendig. Nur kalt geplante Entscheidungen ohne persönliche Gefühle garantierten eine Erfolgschance. Und sie verstand, dass sie sich am Scheidepunkt befand. Würde sie die Kraft aufbringen, diese Last, diese Schuld auf sich zu nehmen? Hatte sie die Überzeugungsfähigkeit, Akaho von der Notwendigkeit dieses Risikos zu überzeugen?

»Akaho, glaub mir, es ist notwendig. Joharr darf nicht vom Quarterium zu einem Schauprozess missbraucht werden. Der Öffentlichkeit muss klargemacht werden, dass nicht wir und die Linguiden Schuld an dem Terroranschlag haben, sondern dass die Geschichte genau umgekehrt laufen sollte. Wenn es uns nicht gelingt, das nachzuweisen, sind Rhodan und der LFT die Hände gebunden. Auch die USO in der Milchstraße wird uns schwerlich unterstützen können, wenn wir als Terroristen und Mörder gebrandmarkt werden.

Und deshalb, Akaho, aus diesem Grund muss Joharr freikommen. Nur er besitzt die Überzeugungskraft und die moralische Glaubwürdigkeit, diesen Quarteriums-Mördern die Maske vom Gesicht zu reißen. Die Öffentlichkeit muss über die wahren Ziele des Quarteriums aufgeklärt werden. Wir müssen eine Allianz aller demokratischen und freiheitlichen Kräfte in Cartwheel und der Milchstraße schaffen, die der imperialistischen und rassistischen Politik des Emperadors entgegentritt.

Doch dafür brauchen wir die öffentliche Meinung. Der Druck muss so stark werden, dass es das Kristallimperium unter Bostich nicht wagt, seine Drohung wahrzumachen, und auf Seiten dieser Mörder in den Krieg eingreift. Was wir brauchen, ist eine neue GAVÖK oder ein neues Galaktikum, und nur Pace Joharr kann die Völker in diesem Sinne einen. Und deshalb, Akaho, deshalb ist jedes Risiko gerechtfertigt, um ihn zu retten.«

»Schon gut, Rosan, ich habe verstanden. Wenn das intergalaktische Wohl auf dem Spiel steht, dann … Ach, vergiss es. Du hast ja recht. Irgendjemand muss diese Mörderbande stoppen. Und wenn nicht wir, wer denn sonst? Was mir gegen den Strich geht, ist, dass wir eine Zivilistin, noch dazu eine Idealistin, einer solchen Gefahr aussetzen müssen. Zugegeben, es sind auch persönliche Gefühle im Spiel, aber davon mal abgesehen: Können wir das verantworten?«

»Wir müssen es, wir haben keine andere Wahl! Bitte, Akaho, es geht nicht anders.«

ENDE

Im nächsten Roman schildern Michael Berg und Jens Hirseland die weiteren Ereignisse in Cartwheel. Band 83 trägt den Titel:

DIE SAGGITTOR-OFFENSIVE

DORGON-Kommentar

Diesmal darf ich wieder einen Kommentar schreiben, da Jürgen sich bei seinen eigenen Romanen etwas zurückhält. In diesem Roman hat sich gezeigt, dass das Quarterium natürlich kein Interesse an Frieden und Reformen hat – wie denn auch? Schließlich ist die Führung des Quarteriums MODROR Rechenschaft schuldig und der hat seine eigenen Pläne mit dem Quarterium.

In diesem Heft haben wir wieder mehr über Niesewitz erfahren, der sich langsam von einem alten Säufer zu einem gefährlichen Staatsmann mausert und dazu gelernt hat. Niesewitz will im Quarterium eine höhere Position einnehmen – wer weiß, vielleicht gelingt es ihm, wenn er sich als fähig erweist? Seine Beziehung zu der arkonidischen Herzogin kann von Vorteil sein, wenn das Quarterium wanken oder gar fallen sollte. Aber zum Nachteil, wenn es den Krieg gewinnt. Was Niesewitz nicht wissen kann, ist, dass hinter dem Quarterium die geballte Macht des finsteren MODRORs steht, die weitaus größer ist, als es das Kristallimperium jemals sein wird. Hat er vielleicht aufs falsche Pferd gesetzt? Oder wird er weiterhin geschickt alles so lenken, wie es zu seinem Vorteil gereicht? Vielleicht weiß MODROR auch schon davon? Es ist ja bekannt, dass Cau Thon Augen und Ohren überall hat.

Kathy Scolar entwickelt sich auch immer weiter. Sie gewinnt an Selbstvertrauen und wächst in die Rolle an Aurecs Seite – als Repräsentantin Saggittors – langsam hinein. Sie übernimmt Verantwortung und zeigt, dass sie längst nicht mehr das unscheinbare Partymädel aus den BAMBUS-Zeiten ist. Doch kommen wir hier wieder auf MODROR und Cau Thon zurück. Ist die Beeinflussung, die Konditionierung wirklich vorbei? Was ist, wenn Cau Thon es erneut versucht? Wird Kathy stark genug sein, um ihm zu widerstehen? Doch im Moment hat sie ganz andere Sorgen, denn zusammen mit Nataly muss sie sich um Jaaron Jargon kümmern, der von der CIP inhaftiert wurde.

Wo wir bei Kathy sind: Eigentlich hatten wir geplant, sie nach den Ereignissen auf dem SONNENHAMMER nicht mehr einzubringen. Sie wurde ja auch rausgeschrieben mit ihrem psychischen Zusammenbruch in Heft 65. Ursprünglich sollte Malica Homest ihre Rolle einnehmen, doch schon beim Schreiben der ersten Hefte kam Malica nicht so gut bei uns an. Als ich dann an »Das Tollhaus« saß, kam mir die spontane Idee, Kathy wieder einzuschreiben. Ich finde, das war gar nicht so dumm. Jetzt, wo sich der Charakter weiterentwickelt, schlägt sie sich doch gut, oder?

Nach den Ereignissen wird es sicherlich kein gutes, neues Jahr für Cartwheel sein. 1306 NGZ wird im Schatten der Machterweiterung des Quarteriums stehen. Die USO wird noch mehr gejagt werden. Wie werden Akon und Saggittor darauf reagieren? Es brechen interessante Zeiten an. Aber mehr dazu vielleicht schon im nächsten Kommentar.

Nils Hirseland

GLOSSAR

Martana Kuutor

Linguidin

Alter ca. 24 Jahre

Eigentlich Friedensstifterin, lehnt die ehemalige Gefährtin Pace Joharrs, ebenso wie dieser, die Politik des Quarteriums ab. Sie unternimmt ausführliche Studien auf Terra, kommt von dort völlig verändert nach Lingus zurück. In der Folge trennt sie sich von Joharr und verlässt den Weg der Linguiden, um Terror mit Terror zu beantworten.

Ramira

Arkonidin

Assistentin Eron da Repuls

Ramira ist Sonderagentin der Kralasenen und nur Bostich persönlich verantwortlich. Sie verfügt über umfassende Vollmachten und ist auf da Repul angesetzt, um diesen zu überwachen.

Eigentlicher Name: Seryklya ta Helonk

Gruppe Zero

Die Gruppe Zero ist der erste Verband der von Niesewitz neu konzipierten CIP-Einsatzgruppen. Mit den Einsatzgruppen will Niesewitz ein eigenes militärisches Machtpotential aufbauen, das unabhängig von Flotte und Heer operieren kann. Über die genauen Pläne ist im Augenblick neben Niesewitz nur noch Finanzminister Shorne und in groben Zügen auch Emperador Siniestro informiert.

FLASH OF GLORY

Der Prototyp eines von der CIP neu entwickelten multiplen Angriffs-Trägerkreuzers überzeugt mit überragenden Leistungswerten vor allem im defensiven Bereich.

Die SUPREMO-G-Klasse stellt eine absolute Neuentwicklung des Quarteriums dar. In ihr wurden alle bekannten aktuellen Raumschiffstechniken eingesetzt. Teilweise wurden von Quarteriumswissenschaftlern auch alte terranische Technologiekonzepte, die im Solaren Imperium bzw. der LFT nicht weiterverfolgt wurden oder in Vergessenheit gerieten, auf ihre technologische Machbarkeit geprüft. Das Ergebnis dürfte das modernste und leistungsfähigste Kampfschiff im gesamten Siedlungsgebiet der Lemurerabkömmlinge sein.

SUPREMO-G-Trägerkreuzer sind dazu konzipiert, unter Beschuss in Raumgefechten und bei Landeoperationen ihre Trägerwaffen im Sekundentakt zum Einsatz zu bringen. Aufgrund dieses taktischen Einsatzszenarios musste beim Design der neuen Klasse von der traditionellen Kugelform abgewichen werden, um dieses Konzept optimal erfüllen zu können. Tests haben gezeigt, dass dies bei Trägerschiffen im Kugeldesign nicht störungsfrei möglich ist, da Jäger oder andere Trägerwaffen teilweise durch die Wirkung der eigenen Antriebsaggregate beschädigt oder vernichtet werden.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 82, veröffentlicht am 21.11.2016 —

Titelillustration: Gaby Hylla • Innenillustrationen: Gaby Hylla

Lektorat: Alexandra Trinley und Nils Hirseland • Digitale Formate: René Spreer