Band 74

Quarterium-Zyklus

 

Das Grüne Universum

Alaska Saedelaere strandet an einem seltsamen Ort

 

Björn Habben & Jens Hirseland

 

Was bisher geschah

Im Jahre 1298 NGZ gelingt es den vereinten Kräften der Terraner, Saggittonen und ihrer Alliierten, den gefürchteten SONNENHAMMER zu vernichten und somit MODRORs Invasionsplänen vorerst ein Ende zu setzen.

Die große Gefahr durch die finstere Entität scheint gebannt – doch in Wirklichkeit ruhen die Söhne des Chaos nicht. Innerhalb von sechs Jahren stampfen sie aus Cartwheel ein neues Imperium hervor – das Quarterium unter der Führung des Imperatore de la Siniestro.

Während sie sich öffentlich als friedliches Reich präsentieren, arbeiten die Söhne des Chaos in Wirklichkeit an der Umsetzung von MODRORs Eroberungsgelüsten.

Perry Rhodan ist besorgt über die Entwicklung in Cartwheel und entsendet den Zellaktivatorträger Alaska Saedelaere nach Cartwheel, um nach dem Rechten zu sehen, doch Saedelaere strandet im GRÜNEN UNIVERSUM …

Hauptpersonen

Alaska Saedelaere – Der Unsterbliche befindet sich auf einer Mission nach Cartwheel.

Denise Joorn – Die Archäologin sucht nach Artefakten.

Leopold – Ein seltsamer Somer.

Ydira – Ein Geschenk an Alaska.

Nadine Schneider – DORGONs Konzept verkündet Wichtiges.

Fykkar – Ein General der Insektoiden.

 

 

 

Kapitel 1 – SOLARIS STATION

23. Januar 1305 NGZ, SOLARIS STATION

Urlaub!, schoss es mir durch den Kopf. Endlich Urlaub. Auch wenn es eher ein Arbeitsurlaub ist.

Nachdem ich dem Bordcomputer der Space-Jet die Kontrolle übergeben hatte, lehnte ich mich behaglich in den Sessel zurück.

Fast ein Jahr war es nun her, dass ich an Bord des Schiffes ZEUT aus Alashan heimgekehrt war. Nachdem ich einige Jahre an Bord meines virtuellen Schiffes KYTOMA für die Superintelligenzen im Puls von DaGlausch gearbeitet hatte, entschied ich mich aus freien Stücken, die Arbeit für die Überwesen aufzukündigen und meinen eigenen Weg zu gehen.

Und doch, der schwerste Gang hatte mir noch bevor gestanden. Nachdem ich endlich heimgekehrt war, führte mich mein erster Weg zu Perry Rhodan. Mir war es zugefallen, ihm die traurige Nachricht vom Ableben seines Sohns Delorian zu überbringen.

Er hatte diese Nachricht sehr gefasst aufgenommen. Das einzige, um das er mich gebeten hatte, war die Wahrnehmung einiger diplomatischer Aufgaben in der Milchstraße.

Bis vorgestern.

Da hatte Perry Rhodan mich zu sich bestellt und mir den Befehl gegeben, Urlaub zu machen. Er hatte gemeint, ich könne nach Cartwheel fliegen, um mich dort ein wenig umzuschauen und ein wenig auszuspannen. Nur zu gerne kam ich diesem Befehl nach, denn ein Tapetenwechsel würde mir gut tun.

In Cartwheel hatte sich einiges getan. Vor zwei Jahren war das neue Imperium mit dem Namen Quarterium ausgerufen worden. Der ehemalige Paxus-Kanzler, Don Philippe de la Siniestro, hatte sich zum Kaiser krönen lassen. Die illustren Kreaturen Uwahn Jenmuhs, Torsor, Leticron und Cauthon Despair bekleideten seither die wichtigsten Ämter. De la Siniestro hatte bis zu diesem Zeitpunkt als guter Politiker, der um das Wohlergehen der Bürger stets besorgt war, gegolten. Doch der Krieg gegen die Alien-Allianz und seine Inthronisierung ließen ihn nun in einem anderen Licht erscheinen. Die noch autarken Völker hatten ihre großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme, sah man von den Saggittonen einmal ab. Die USO hatte an Bedeutung verloren und durfte sich nicht mehr als galaktische Polizei bezeichnen. Streng genommen war sie sogar nach quarterialem Gesetz illegal, doch das Quarterium legte in dieser Hinsicht das Gesetz noch relativ großzügig aus. Es war allerdings in meinen Augen nur noch eine Frage der Zeit.

Das Quarterium hatte eine gigantische Flotte auf die Beine gestellt. Es kam mir sehr komisch vor, wie sie innerhalb dieser kurzen Zeit so viele neue Superschlachtschiffe bauen konnten. Einige wurden in Cartwheel hergestellt, andere in der Milchstraße oder Dorgon. Es gab hunderte Firmen, die an der Konstruktion der Supremo-Raumschiffe beteiligt gewesen waren. Doch etwas stimmte nicht. Der TLD-Agent Stewart Landry hatte vor wenigen Wochen herausgefunden, dass viele Firmen in der Milchstraße, die mit dem Bau damals beauftragt wurden, Scheinfirmen waren. Sie existierten nicht. Folglich hatten sie auch niemals die Schlachtschiffe gebaut.

Perry hatte das zutiefst beunruhigt. Warum belog das Quarterium uns? Und woher stammten dann die Schiffe? Das rief mich auf den Plan. Landry konnte nicht mehr unentdeckt in Cartwheel agieren, seit seinem Zwischenfall auf New Paricza vor einigen Jahren, wo er die Klonsoldaten Leticrons entdeckt hatte.

Nun, ich gehörte sicherlich auch nicht zu den unauffälligen Besuchern Cartwheels, doch würde man mich unbedingt als Agenten ansehen? Falls das Quarterium etwas zu verbergen hatte, würden sie sicher nicht annehmen, dass Rhodan jemanden wie mich schicken würde. Ich konnte das auch nicht so ganz verstehen. Wieso schickte er nicht Julian Tifflor nach Cartwheel? Tiff war Diplomat, Agent und ein versierter Kämpfer. Meines Erachtens wäre er besser geeignet gewesen. Doch Perry hatte sich nun einmal für mich entschieden. Vielleicht gerade, weil ich unauffälliger wirkte.

Und so befand ich mich nun an Bord der Space-Jet BETTY TOUFRY auf dem Weg zu SOLARIS STATION, einer von drei Stationen, die sich beim Sternenportal der Lokalen Gruppe befanden.

Ein LFT-Explorerschiff hatte mich bis einige hundert Lichtjahre vor das Sternenportal gebracht. Meine Ankunft dort sollte jedoch unauffällig sein, deshalb hatte ich mich für die Space-Jet entschlossen.

Diese Stationen wurden 1299 NGZ in Bau gegeben. Sie sollten der Nabel für den Handel zwischen der Lokalen Gruppe und allen mit einem Sternenportal verbundenen Galaxien sein. Bis vor zwei Jahren lief das auch ganz gut, doch die Präsenz des Quarteriums auf diesen Stationen wuchs von Tag zu Tag. Auch das beunruhigte die LFT.

Niemand kannte die genauen Ziele des Quarteriums. Zwar gab sich der Imperatore freundlich und war anscheinend stets bemüht, ein gutes Verhältnis zur LFT zu pflegen, allerdings misstraute Rhodan inzwischen dem Spanier.

Der Krieg gegen die Alien-Allianz und die Ungerechtigkeit gegenüber extraterrestrischen Wesen war der Anlass für dieses Misstrauen. Der Imperatore war nicht mehr für alle Bürger da. Es gab Gerüchte über Internierungslager, in denen nicht nur Verbrecher, sondern auch politisch anders Gesinnte untergebracht wurden. Millionen Dumfries und andere Soldaten der Alien-Allianz wurden noch immer dort festgehalten. Fragen über Fragen. Rätsel über Rätsel.

Ich legte den Reader mit dem Dossier über das Quarterium weg. Viele Informationen stammten von der USO. Jan Scorbit und Rosan Orbanashol-Nordment sollten auch meine ersten Kontaktpersonen in Cartwheel sein. Mit ihrer Hilfe wollte ich mir ein Bild von der ganzen Situation machen. Ich schloss die Augen und genoss die Ruhe des Alleinseins.

Doch ich war eigentlich gar nicht alleine. Seit dem Jahr 1288 NGZ trug ich eine Haut von Kummerog. Kummerog war jener Mutant aus dem Volk der Bröhnder gewesen, der aus Neugierde das Arsenal der Macht, welches die Baolin-Nda für Perry Rhodan erbaut hatten, vernichtet hatte.

Die Cantrell durchliefen in ihrem Leben mehrere Häutungsphasen. Kummerog, einer ihrer Mutanten, entwickelte die Fähigkeit, abgeworfene Häute zu benutzen, um sich Lebewesen untertan zu machen. Kummerogs Häute behielten eine Art Eigenbewusstsein, das jedoch als ehemaliger Teil von Kummerogs Körper noch immer mit dem Cantrell in Verbindung stand. Um ein Lebewesen zu versklaven, umschlossen Kummerogs Häute den Wirtskörper und schmiegten sich an wie eine zweite Haut. Gleichzeitig suggerierte die Haut dem Wirt ihren Willen ein, der durch die Verbindung zu dem Mutanten stets Kummerogs Wille war.

Kummerog war so in der Lage gewesen, verschiedene Personen für das Erreichen seiner Ziele zu missbrauchen. Als Perry, Bully und ich von Kummerogs Häuten eingefangen und umschlossen wurden, starben die Häute Rhodans und Bulls nach kurzer Zeit wieder ab. Die zwei Freunde vermuteten, dass die Abstoßreaktion der Zellaktivatorchips die Parasiten abtötet hatte.

Ich wurde damals bei diesem Zwischenfall von Rhodan und Bull getrennt und musste mich zunächst dem Parasiten fügen, kämpfte aber stetig gegen die ungewollte Beeinflussung an.

Es war ein bis jetzt noch ungeklärtes Rätsel, warum die Haut Alaskas nicht ebenfalls durch den Zellaktivatorchip abgetötet worden war. Vielleicht hing es damit zusammen, dass ich in der Vergangenheit das körperfremde Cappinfragment getragen hatte. Das »Tragen« der zweiten Haut war unangenehm und abstoßend.

Als Kummerog gestorben war, überwandte ich den fremden Einfluss und arrangierte mich zunächst mit dem Parasiten. Es war nun leicht gewesen, sich von der Haut zu trennen. Als ich jedoch erkannt hatte, dass die Haut auf die Ernährung durch ihren Wirt zum Überleben angewiesen war, ließ ich den Körperkontakt weiterhin zu, um den Parasiten nicht zu töten.

Auf der Mittagswelt hatte ich schließlich der Haut mein Leben zu verdanken. Sie hatte meinen Körper vollständig eingeschlossen, um den Terraner vor den Ortungsversuchen des Parawesens »Jenseitsjack« abzuschirmen. Dafür musste ich ihr dankbar sein. Es zeigte mir auch, dass sie ein lebendes, auf gewisse Weise fühlendes Wesen war. Ich durfte sie nicht so einfach abstoßen und damit töten. Die Haut verließ nun gelegentlich meinen Körper, konnte sich aber nie länger als zehn Minuten von mir lösen.

Es ist schon paradox, dachte ich. Es trifft immer dieselben. Erst war es das Cappinfragment, das mich zum Außenseiter machte und nun ist es diese Haut.

Ich seufzte erneut. Im tiefsten Inneren meines Herzens war ich einsam. Ich hatte zwar viele Freunde in den anderen Unsterblichen gefunden. Aber jemand, der mich liebte? An den ich mich anlehnen konnte? Jemanden, mit dem ich eine ganz normale Beziehung führen konnte? Unmöglich. Nicht mit diesem … Gallertwesen um mich.

Ein leises Kitzeln in meinem Kopf zeigte mir, das die Haut meine Gedanken verfolgte.

»Immer noch dieselben Gedanken, Alaska?«, fragte die Haut.

»Du kannst meine Gedanken lesen … Haut.« Das letzte Wort sprach ich wie einen Fluch aus. »Warum fragst du also?«

»Weil ich verzweifelt bin.« Die Haut schwieg kurz. »Und traurig.«

»Du bist verzweifelt und traurig?«, fragte ich verblüfft. »Du hast nicht mal ein eigenes Gehirn. Du lebst von meinen Emotionen. Von meinen Gedanken. Von meinem Wissen. Von meinem Körper.« Ich lachte bitter auf. »Von meiner Unsterblichkeit.«

»Ich weiß.« Die Stimme des Parasiten in mir klang wirklich traurig. »Ich habe in den letzten Jahren viel über euch Menschen gelernt. Und ich weiß, dass, auch wenn du unsterblich bist und weit über den normalsterblichen Menschen stehst, du jemanden für dich brauchst. Jemanden, der dich liebt. Jemanden, der für dich da ist. Jemanden, an den du dich anlehnen kannst. Und ich weiß, dass das im Moment nicht möglich ist, da du mich bei dir hast.«

»Moralische Bedenken und ein Gewissen können manchmal echt hinderlich sein«, spottete ich.

Ich spürte nur noch ein schmerzhaftes, innerliches Zusammenzucken, dann war die Haut aus meinem Kopf verschwunden.

Seufzend wandte ich mich wieder den Kontrollen der Space-Jet zu. Seit Jahren immer wieder dieselben Fragen und keine Antwort. Aber ich hatte im Moment auch keine Lust darüber nachzudenken. Meine Gedanken wanderten zu SOLARIS STATION. Ich war gespannt, was mich da erwartete.

*

Wenige Stunden später tauchte SOLARIS STATION auf den Schirmen auf. Vor fünf Jahren gebaut, ähnelten SOLARIS STATION und seine beiden Brüder, SUN STATION und SOL STATION, riesigen Paddlerwerften. Eine Scheibe mit einem Durchmesser von zwei Kilometern, überzogen mit Landeplätzen und Turmbauten. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen.

Wehmut überkam mich. Ich war zwar einer der Unsterblichen und ich hatte in meinem Leben mehr gesehen, als viele andere Menschen zusammen. Doch was nutzte einem das, wenn das wahre Leben woanders passierte?

Ich seufzte. Mit aller Kraft schob ich diese Gedanken beiseite.

Ich bat mittels Hyperfunk um eine Landeerlaubnis auf SOLARIS STATION. Während die Space-Jet langsam Kraft der Fernsteuerung auf die Station zuflog, rief ich mir die Details zu SOLARIS STATION nochmals ins Gedächtnis. Nachdem die Zustände in Cartwheel eskaliert waren, flohen viele extraterrestrische Flüchtlinge wie Blues, Somer, Kartanin oder Topsider von der Insel. Doch viele waren in der Milchstraße nicht willkommen gewesen. Die Bluesvölker der Gataser, Apaser oder Tentras waren im Grunde genommen froh gewesen, dass so viele Wesen nach Cartwheel gepilgert waren. Die Blues litten noch heute unter der extremen Überbevölkerung. Deshalb wurde den Heimkehrern einfach das Asyl verwährt.

Manche andere Nationen handelten ähnlich, wenn aber auch aus diversen anderen Motiven. Die meisten wollten einfach nichts mit der ganzen Sache zu tun haben, fürchteten das neue Imperium und taten alles, damit das Quarterium nicht auf sie aufmerksam wurde.

Viele Wesen mussten so wieder nach Cartwheel zurückkehren, oder sie blieben auf einer der drei Stationen und schlugen sich mit illegalen Machenschaften durch.

Leise wie eine Feder setzte die BETTY TOUFRY in dem speziellen Hangar auf, der nur für hochrangige LFT-Beamte reserviert war. Ich holte noch einmal tief Luft, nahm meine Tasche und verließ die Space-Jet. Nachdem ich die Einreiseformalitäten hinter mich gebracht und meine Tasche in meine Kabine gebracht hatte, in der ich den eintägigen Aufenthalt verbringen sollte, entschloss ich mich, ein wenig über den stationären Markt zu schlendern.

Doch ich kam nur wenige Meter weit, dann traf mich der Schlag. Vor mir tauchte ein wundervolles weibliches Wesen auf, welches mich sofort in ihren Bann schlug. 172 Zentimeter groß, blaue Augen, blaue Haare und eine Ausstrahlung, die mich fast umwarf.

Und dann … dann sah sie mich und machte einen Schritt auf mich zu.

»Hallo«, sagte das zauberhafte Geschöpf. »Endlich mal ein bekanntes Gesicht. Du bist doch Alaska Saedelaere oder nicht?«

»Ich … äh … ich …« Ich merkte, wie ich rot wurde.

Die Frau mit den blauen Haaren fing an zu lachen. »Nein. Dass es so was noch gibt. Es ist mir gelungen, einen unsterblichen Terraner aus der Fassung zu bringen.«

Dieser Satz brach schlussendlich das Eis und ich stimmte in ihr Lachen ein. »Ich habe schon viel über dich gehört, Denise Joorn. Und jedes Wort stimmt. Es freut mich, dich kennen zu lernen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite.«

Sie trat an meine Seite und wir flanierten über die Einkaufsmeile.

»Ich bin auf der Station, weil ich mich mit einem Händler treffen will, der anscheinend einige kemetische Artefakte aus Cartwheel besitzt. Begleitest du mich?«

Ich spürte ihren Blick, wie er auf mir lag.

»Aber ja doch. Gerne begleite ich dich.«

Während wir langsam und gemütlich durch die Verkaufsstände gingen, erzählte Denise mir aus ihrem Leben, doch ich hörte kaum hin.

Was ist nur los mit mir?, fragte ich mich innerlich. Du benimmst dich wie ein kleiner Schuljunge, der gerade auf seine erste große Liebe trifft! Man sollte meinen, dass ein Unsterblicher mehr Erfahrung mit Frauen haben sollte …

Erst Denises einschmeichelnde Stimme holte mich aus meinen Gedanken: »Da sind wir.«

Sie deutete auf ein kleines Geschäft. Widerstandslos ließ ich mich von ihr in den kleinen Laden ziehen. Während das süße Wesen zur Ladentheke ging, starrte ich kurz auf ihr wohlgeformtes Hinterteil, ermahnte mich selbst und schaute ich mich ein wenig um. In den Regalen lag Sinnloses neben Nutzlosem. Doch etwas ließ meinen Blick zurückschweifen. Dort zwischen uralten Statuen und unbekannten Gebilden … da lag ein … Insekt!

Wie gebannt schaute ich auf dieses Gebilde, welches mir bekannt vorkam. In meinem Kopf rauschte es, während ich darauf zuging.

Ich bemerkte nicht, wie Denise Joorn mit dem Verkäufer in ein Hinterzimmer verschwand. Ich hatte nur noch Augen für dieses Insekt. Ganz vorsichtig und behutsam griff ich nach dem etwa fünf Zentimeter langen Objekt und nahm es in meine Hand. Wie gebannt und hypnotisiert schaute ich auf diesen Tessma.

Die Tessma waren einst die Bewohner der Galaxis Shaogen-Himmelreich gewesen und wurden später von den Baolin-Nda für alles Mögliche verwendet. Ich hätte noch stundenlang dastehen können … wenn da nicht ein Schrei ertönt wäre.

Der hypnotische Zwang fiel von mir ab und ich konnte wieder klar denken. Ich drehte mich um und ging zur Ladentheke. Von dort gingen mehrere Türen ab. Ich öffnete sie vorsichtig, jedoch konnte ich nichts entdecken. Hinter der letzten Tür jedoch, da hörte ich Stimmen.

Irgendjemand sprach mit einem irren Ton in der Stimme. Vorsichtig und leise öffnete ich die Tür. Denise Joorn lag am Boden. Über ihr gebeugt stand ein älterer Mann, den ich nicht kannte.

Auch sein Gesicht konnte ich nicht erkennen. Wohl aber den Strahler, den der Mann in den Händen hielt und auf Denise richtete. Ich öffnete die Tür ganz und sprang den Mann von hinten an. Wir wälzten uns auf dem Fußboden und zuerst gelang es dem Fremden, die Waffe auf mich zu richten.

Doch ein paar gezielte Handkantenschläge raubten dem Mann das Bewusstsein. Schwer atmend richtete ich mich auf. Vor mir stand Denise Joorn. Sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt und schaute mich wütend an.

»Das hätte ich auch alleine geschafft. Du musst mir nicht gleich jeden Spaß verderben.«

Ich starrte die Terranerin irritiert an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie beruhigte sich wieder und erzählte mir, was passiert war.

Vor wenigen Jahren war sie bereits einmal auf diesen Mann getroffen. Auch damals ging es um verschiedene Geschäfte. Während der Verkäufer damals behauptet hatte, die Sachen, um die es ging, seien sehr wertvoll, hatte Denise gemeint, dass es einfach nur billiger Tand gewesen wäre. Schlussendlich hatte er ihr die Sachen dann doch zu den Preisen verkauft, die Denise zahlen wollte. Und damit hatte sich der Verkäufer selber übers Ohr hauen lassen. Dafür wollte er sich nun rächen.

Nachdem wir den Laden verlassen hatten, wandte sich Denise an mich. »Trotzdem danke für die Hilfe«, flüsterte sie.

Es schien ihr wohl schwer zu fallen, einmal Danke zu sagen. Offenbar war die resolute Terranerin es nicht gewöhnt, gerettet zu werden, sondern selbst jemanden zu retten. Dennoch hatte sie sich überwunden und sich artig bedankt.

Sie schenkte mir ein wundervolles Lächeln. Dann blickte sie kurz auf den Boden, sah mir darauf hin tief in die Augen und hauchte mir einen Kuss auf die Wange.

Ich merkte, dass mir schon wieder das Blut ins Gesicht schoss. »Das war doch nicht der Rede wert.«

Verlegen schaute ich zu Boden.

Verdammt, Alaska!, rief ich mich innerlich zur Ordnung. Stell dich nicht an wie ein kleiner Schuljunge!

Denise schien genau das zu bemerken. Sie wollte mich wohl mit dem Kuss aus der Reserve locken. Warum tat sie das? Fand sie es drollig, wie verlegen so ein Unsterblicher sein konnte?

Ich schaute sie ernst an. Etwas Würde musste ich nun wieder gewinnen.

»Wollen wir Essen gehen? Ich bin hungrig«, fragte ich unfreundlicher als geplant. Mit einem kurzen Lächeln versuchte ich, den Fehler zu überspielen.

Denise schaute mich schräg an. Sie war wohl etwas verwundert. Dann nickte sie.

*

Sie führte mich durch einige Korridore. Wenige Minuten später kamen wir zu einem kleinen Lokal, das in der Station bekannt war für seine terranische und arkonidische Küche. Jedenfalls behauptete Denise das.

Das Essen war köstlich gewesen. Denise und ich verbrachten den Abend damit, von unseren Abenteuern zu berichten. Ich gab mir Gott sei Dank keine Blöße mehr und konnte die Ehre der Unsterblichen somit einigermaßen retten. Wäre es ein perfekter Abend gewesen, wäre ich sicherlich nicht allein ins Bett gegangen, doch es war so! Ich beschloss schon während des Essens, Denise keine Avancen zu machen. Selbst wenn sie darauf eingegangen wäre, hätte es spätestens im Bett einige Komplikationen gegeben, es sei denn, sie hätte nichts gegen einen »flotten Dreier« mit Kummerogs Haut gehabt. Doch das wollte ich ihr ersparen.

Stattdessen benahm ich mich wie ein Gentleman, geleitete sie in ihre Kabine und verabschiedete mich höflich. Denise Joorn war eine faszinierende Frau. Vielleicht beeindruckender als die meisten Frauen, die mir jemals begegnet waren. Sie hatte Charisma und sonderte sich nicht nur durch ihre Schönheit von anderen weiblichen Wesen ab. Mit solch einer Frau hätte man sein ganzes Leben – oder auch mehrere verbringen können. Nun ja, darüber zu klagen, dass es im Moment nicht sein sollte, wegen dieses Fetzens an mir, brachte auch nichts. Ich entschloss mich, ins Bett zu gehen und schlief schnell ein.

*

Ich wachte erst wieder auf, als es in meiner Kabine irgendetwas klickte. Ich ließ meine Augen geschlossen und atmete flach weiter. Es war leider alles möglich. Entweder war Denise zu mir gekommen oder irgendwelche Einbrecher.

»Alaska?« Eine sanfte melodische Stimme schwebte durch den Raum.

»Denise?«

Langsam öffnete ich die Augen. Aber es war nicht Denise. Die Frau, die vor mir stand, war knapp 1,70 Meter groß und hatte blonde Haare und blaue Augen.

»Nein. Nicht Denise. Mein Name ist Nadine Schneider. Ich bin ein Konzept der Entität DORGON. Und ich bin hier, weil ich und vor allem mein Herr und Meister deine Hilfe braucht. Du hast nicht viel Zeit, denn DORGON liegt im Sterben. Wie ich sehe, hast du den Psiq-Spürer bereits an dich gebracht. Ein anderes Hilfsmittel, das du brauchen wirst, ist das hier.«

Sie strecke mir die Hand aus, auf dem ein etwa zehn Zentimeter großes Ei von schwarzer Farbe lag. Ich nahm es entgegen. »Fliege morgen Abend mit der WITMAE nach Cartwheel. Alles weitere wird sich ergeben. Und bedenke, du hast nicht viel Zeit.«

Kaum hatte sie die letzten Worte gesprochen, war sie auch schon verschwunden und ließ mich verwirrt zurück.

 

Kapitel 2 – Die Vision

24. Januar 1305 NGZ, SOLARIS STATION

Viel Schlaf bekam ich nicht mehr. Ständig gingen mir die Worte von Nadine Schneider durch den Kopf. Die mächtige Entität DORGON – am Sterben!

Aber ohne weitere Informationen war jedes weitere Nachdenken sinnlos. Ich wandte mich stattdessen den beiden Objekten zu, die auf einem Tisch lagen. Das eine war das Tessma-Insekt aus diesem kleinen Laden. Nadine hatte es als Psiq-Spürer bezeichnet. Das andere war das kleine Ei, welches ich von Nadine Schneider bekommen hatte. Nachdenklich nahm ich es in die Hand. Für seine Größe war es ungeheuer schwer. Keinerlei Unebenheiten befanden sich auf dem Gegenstand. Minuten vergingen, doch nichts passierte. Doch gerade als ich das Ei beiseitelegen wollte, erwärmte es sich. Innerhalb von Sekunden wurde es so heiß, das ich es fallen lassen musste.

Noch bevor es den Fußboden erreichte, veränderte es sich. Das Ei schien sich zu strecken und zu winden. Das Objekt wurde länger und schmaler. Nach wenigen Sekunden war die Verwandlung abgeschlossen und aus dem Ei war ein … Passantum geworden. Dieses Armband gehörte eigentlich einem Boten von Thoregon und diente als Zugangsgerät für die Brücke in die Unendlichkeit. Ich bückte mich und hob vorsichtig das knapp sechs Zentimeter breite Armband auf. Eigentlich wollte ich es gar nicht überstreifen, doch ehe ich mich versah, tat ich das.

Das Passantum schmiegte sich an meine Haut und in meinem Kopf dröhnte plötzlich eine Stimme. »Ich grüße dich, Alaska Saedelaere aus dem Volk der Terraner.«

Ich wartete noch einige Sekunden, doch die Stimme meldete sich nicht mehr.

Nachdenklich griff ich nach dem Tessma-Käfer und steckte ihn in meine Tasche.

Denise Joorn!, schoss es mir plötzlich durch den Kopf.

Ich musste sie darüber informieren. Schließlich war die Archäologin nicht nur wunderschön, sondern auch ziemlich clever und reich an Erfahrung in Abenteuern. Ohne ihr Geschick würde das Geheimnis um Osiris wohl immer noch nicht gelüftet worden sein. Ich kramte frische Kleidung aus dem Koffer und zog mich an. Während dessen rief ich mir mehr Informationen über meine attraktive neue »Freundin« ins Bewusstsein.

Ihre körperlichen Attribute waren unübersehbar. Wenn ich nur daran dachte, wurde mir wieder ganz anders. Vielleicht sollte ich noch eine kalte Dusche nehmen, bevor ich die in Boscyksville geborene Olymperin aufsuchen würde?

Denise Joorn war eine Schlüsselfigur bei der Entdeckung der Kemeten gewesen. Ihre Tapferkeit war sogar so weit gegangen, dass sie das Himmelfahrtskommando auf dem SONNENHAMMER mitgemacht hatte. Meine Bewunderung wuchs von Minute zu Minute. Endlich war ich fertig angezogen und lief zu ihrer Kabine. Sie öffnete schnell und wirkte gar nicht müde. Ich berichtete ihr von meiner Vision.

An ihrer Reaktion merkte ich, dass sie meine Erzählungen durchaus ernst nahm.

»Dann müssen wir mit der WITMAE nach Cartwheel!«, entschied sie. »So, wie es Nadine orakelt hat.«

»Wir?«, fragte ich verwundert.

Sie grinste. »Du glaubst doch nicht, dass ich dich alleine so ein Abenteuer erleben lasse. Ich habe Hunger, wir sollten etwas essen gehen.«

Joorn schmiegte sich plötzlich eng an mich. »Ich glaube, wir werden verfolgt«, flüsterte Denise mir leise ins Ohr. »Ein Somer. Etwa 1,15 Meter groß. Mit einem schwarzweißen Fell. Er leistet uns schon seit einiger Zeit Gesellschaft.«

Ich drehte vorsichtig den Kopf und sah diesen dicken Somer ziemlich schnell.

»Na dann wollen wir mal«, tuschelte ich ebenso leise meiner Begleitung ins Ohr.

Ich zog sie schnell in eine dunkle Ecke und fing an, ihr schönes Gesicht mit Küssen zu bedecken. Zuerst spürte ich ihre Belustigung über meine Tat, doch dann schmiegte sie sich eng an mich und erwiderte jeden einzelnen Kuss.

Nach wenigen Sekunden schob sich der Vogelkopf um die Ecke und beäugte uns vorsichtig. Ich schob Denise weg und packte den Somer am Kragen und zog ihn an mich ran.

»So, Vögelchen! Dann fang mal an zu singen. Was willst du? Warum verfolgst du uns?«

»Okay, okay, okay! Bitte, bitte, großer Terraner, tu' mir nichts. Nur deine Freundin gefiel mir so sehr, dass ich fragen wollte, ob du sie mir nicht mal für ein paar Stunden ausleihen könntest.«

Während ich völlig sprachlos dastand, fing Denise an zu lachen. »Er will mich für ein paar Stunden ausleihen. Das ist ja süß. Aber ich fürchte, ich muss diese Einladung ausschlagen, mein Dickerchen.«

Nun war ich an der Reihe, loszulachen. Der Somer schaute zuerst mich an, dann Denise, dann wieder mich. Lachend nahmen wir ihn in die Mitte und gingen zusammen in ein kleines Lokal, wo wir es uns gemütlich machten. Nachdem wir uns mit Getränken versorgt hatten, fing der Somer an, über sich zu erzählen.

Sein Name war Leo Ok Poldm, von den meisten wurde er jedoch nur Leopold genannt. Als Halbbruder des legendären Sruel Allok Mok – genannt Sam – geboren, dem ehemaligen Generalsekretär von Cartwheel, sollte auch er eine politische Laufbahn wie sein Bruder einschlagen. Doch leider war er das totale Gegenteil von Sam. Kein Verantwortungsbewusstsein, undiszipliniert und dazu ein loses Mundwerk.

Fast das gesamte Gespräch waren seine Augen auf Denise gerichtet und vermutlich wäre er schon längst über sie hergefallen, um ein wenig an ihr herum zu picken, wenn ich nicht da gewesen wäre. So beschränkte er sich auf das Begaffen der Schönheit.

Ich mischte mich in dieses Gespräch nicht ein, sondern hörte nur zu. Obwohl Leopold versuchte, Fuß zu fassen, scheiterte er an jeder noch so kleinen Hürde. Nach einer Odyssee in Siom und Cartwheel endete er auf SOLAR STATION als Tellerwäscher und Toilettenreiniger. Und vermutlich hätte er noch ewig weiter geredet, wenn sich nicht die Tür geöffnet und eine Truppe Grautruppen, angeführt von einem Casinoleiter, das Lokal betreten hätte.

Leopold stieß einen spitzen Schrei aus und verschwand mit einem Sprung unter den Tisch. Doch leider kam diese Reaktion zu spät, denn der kleine Trupp ging zielstrebig auf unseren Tisch zu.

Die Grautruppen beachteten uns gar nicht. Zielstrebig griffen sie unter den Tisch und schnappten sich Leopold. Vor Angst zwitscherte der Somer wirres Zeug.

»Leo Ok Poldm!«, schnarrte einer der quarterialen Soldaten. »Trotz Hausverbotes bist du wiederholt in das Casino dieses ehrbaren Terraners gegangen. Dazu gibt es Videoaufzeichnungen, die beweisen, wie du wiederholt beim Pokern betrogen hast. Darauf steht die Exekution.«

Einer der Grautruppen zog seine Waffe und hielt sie dem fast schon ohnmächtigen Somer an den Kopf. »Ich hoffe, du wirst die Hölle toll finden, denn nur dort kommen solche extraterrestrischen Wanzen wie du hin!«

Ich sprang auf und riss dem Soldaten die Waffe aus der Hand. »Was soll das?«, herrschte ich den Casino-Besitzer an. »Er hat keinen Mord begangen. Er hat dein Casino nicht in Schutt und Asche gelegt. Und du bist auch nicht pleite. Warum willst du hier jemanden kaltblütig ermorden?«

Der kleine, dicke Casino-Besitzer funkelte mich böse an. »Um ein Exempel zu statuieren. Ich verliere im Jahr Milliarden Galax durch solche Idioten wie den da.« Sein Finger deutete auf den wimmernden Leopold.

»Und das rechtfertigt einen Mord?« Meine Stimmung geriet auf den absoluten Nullpunkt. »Wie tief ist die Menschheit schon gesunken?«

»Wer bist du überhaupt, dass du dich so aufregst?«

»Mein Name ist Alaska Saedelaere. Ich bin Beauftragter des terranischen Residenten Perry Rhodan und ich befinde mich auf einer diplomatischen Reise nach Cartwheel.«

»Oh … Alaska Saedelaere.«

Er fing an zu stottern. Mit einer Handbewegung stoppte ich seinen einsetzenden Redefluss. »Es ist mir egal, was du sagst. Du wirst Leo Ok Poldm in Ruhe lassen und mit deinen Rambos hier abziehen. Als Gegenleistung verspreche ich dir, dass der Somer nicht mehr in dein Casino einfallen wird. Wir nehmen ihn heute Abend mit nach Cartwheel. Gilt der Handel?«

Er galt. Die pariczanischen Klone blickten den Besitzer unwirsch an. Saedelaere war sich sicher, dass der Besitzer noch Ärger bekommen würde. Wahrscheinlich hatte er den quarterialen Soldaten eine Extraration Bier versprochen, wenn sie den Somer einschüchterten.

Zumindest konnten sie keinem offiziellen Auftrag nachgehen. Keiner der Soldaten war vom Rang her höher als ein Gefreiter.

Ziemlich schnell verschwanden der Casino-Besitzer und die Grautruppen.

Seufzend wandte ich mich an Leopold. »Egal was du sagen willst, ich will es im Moment nicht hören. Erzähle mir lieber etwas über diese Grautruppen.«

Aufmerksam hörte ich zu, als der Somer zu erzählen anfing. Er berichtete, dass die Grautruppen die gefürchtete Infanterie des Quarteriums waren. Ab und zu waren auch ein bis zwei Kompanien auf den Stationen des Sternenportals stationiert. Leopold hasste diese Zeit besonders, da sich die Pariczaner wie die Bestien aufspielten.

Die Grautruppen waren das erste Mal während der Alien-Allianz-Krise in Erscheinung getreten. Zwar hatte der Corun von Paricza, Leticron, schon einige Jahre früher ihre Existenz offenbart, doch ihren ersten Kriegseinsatz hatten sie gegen die Dumfries gehabt. Ich hatte die Berichte gelesen. Es war eine bittere Niederlage für die Aliens gewesen. Ihr Anführer Carjul hatte dabei den Tod gefunden.

Ich beobachtete einige der Grautruppen, die vor dem großen Eingang des Casinos standen, ihre Waffen in den Händen. Ihre Rüstung war grau, wirkte wie eine Mischung aus Uniformen aus der atomaren Zeit Terras und einem Raumanzug. Ihr mächtiges Gewehr wurde von der USO als M-A-R 21 »Phoenix« bezeichnet und sollte das Beste sein, was es zur Zeit gab.

Seufzend wandte ich mich an Denise. »Cartwheel scheint ja ein einziges Tollhaus geworden zu sein.« Ich fing an zu lachen. »Monarchie ist nicht wirklich das wahre.«

Während Denise mich verwirrt anschaute, griff ich nach dem Somer. »Komm, kleines Vöglein. Du hast gehört, was ich gesagt habe. Du kommst mit nach Cartwheel.«

*

Leopolds bescheidene Behausung erinnerte mich eher an einen Müllplatz, als an eine Wohnung. Überall lagen Papierreste, altes Essen, schmutzige Wäsche und ähnliches herum.

Hastig packte er seine Sachen zusammen. Zu meiner Erleichterung mussten wir nicht die ganze Mülldeponie mitnehmen. Ich schaute mich etwas um. An den Wänden hingen terranische, somerische und kartaninsche Pin-Up Girls. Unweit danebenlag Leopolds »Playkonide«-Sammlung auf dem Boden verstreut.

»Du bleibst bis zum Flug in meiner Kabine. Es ist sicherer«, schlug ich dem Somer vor, der anstandslos akzeptierte. Er blickte sich noch einmal in seinem Zuhause um und seufzte.

»Das ist es also. Wieder ein Abschied …«

Ich legte die Hand auf seine Schulter.

»Na ja, es kann nur besser werden«, sagte ich. Dann verließen wir seine Kabine und gingen in die meine.

Leopold hörte gar nicht auf, mir zu danken. Der skurrile Somer begleitete mich in meine Kabine. Er wich keinen Schritt mehr von mir, sehr zu meinem Bedauern. Ich hatte eigentlich schon genug parasitäre Wesen um mich herum. Kummerogs Haut gab einen mitleidigen Impuls von sich. Anscheinend war sie jetzt beleidigt. Das störte mich herzlich wenig. Ich war auch beleidigt – seitdem ich dieses Ding um meinen Körper tragen musste. Erschöpft ließ ich mich auf die Couch fallen und musterte Leopold, der sich in den Sessel setzte und sich, ohne zu fragen, über meine Vorräte hermachte.

»Tolles Zeug gibt es in der Ersten Klasse«, meinte er schmatzend.

»Ja«, sagte ich knapp und verdrehte die Augen. Eigentlich wollte ich nur noch schlafen. Ob ich wieder so eine seltsame Vision haben würde? Mir ging Nadine Schneider nicht mehr aus dem Kopf. Anscheinend musste DORGON in einer großen Gefahr schweben. Doch was hatte ich damit zu tun? Gab es keine würdigeren Kämpfer für das Gute als mich? Nun, wenn es DORGONs Wille war, hatte ich keine andere Wahl. Jedoch quälte mich noch ein anderer Gedanke brennend. Wie sollte ich in Gottes Namen überhaupt DORGON helfen können? Was hatte es mit dem Passantum auf sich? Fragen über Fragen, deren Antwort ich nicht kannte.

Ich blickte wieder zu Leopold herüber, der bereits eine ganze Tüte Kartoffelchips geleert hatte und sich nun über das Obst und Gemüse auf dem Tisch hermachte. Der kannte die Antwort bestimmt auch nicht. Oder doch? War es Zufall, dass wir ihn getroffen hatten? Oder vielleicht Bestimmung? Hatte er etwas mit DORGON zu tun? Ein kurioser Streich der Entität? Von ES kannte man ja so etwas bereits.

Plötzlich summte es an der Tür. Ich bat den fremden Besucher herein. Ein kleiner Mann mit runder Brille in schwarzer Uniform trat hinein. Sofort erkannte ich das Emblem der Cartwheel Intelligence Protective an seinem Hemdkragen.

Ein Spitzel der CIP, schoss es mir durch den Kopf.

Leopold schaute mich verängstigt an. Anscheinend dachte er das gleiche.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte ich standesgemäß.

»Sind Sie Alaska Saedelaere?«

»Ja, bitte?«

Der CIP-Mann setzte sich unaufgefordert in einen Sessel und grinste uns seltsam an. Zwei weitere Männer standen an der Türschwelle. Sie wirkten weder sonderlich freundlich, noch zivilisiert. Was wollten die von uns? Sicherlich hatte es etwas mit diesem tollpatschigen Somer auf sich.

Ich setzte mich gerade auf die Couch und musterte den seltsamen Vogel, womit ich den CIP-Agenten meinte. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Bernd Rogh, Spezial-Agent der CIP«, stellte sich der Mann vor. Er lächelte immer noch so seltsam. Es wirkte unheimlich. Nicht nur auf mich, sondern auch auf Leopold, wie ich sehr schnell feststellte. Im Gegensatz zum Somer ließ ich mir jedoch mein Unbehagen nicht anmerken. Dazu hatte ich zu viel Routine, als dass ein Möchtegern-Spitzenagent mich in Verlegenheit bringen würde.

»Es geht um den Vorfall im Casino«, begann der Agent.

»Und? Ihre Grautruppen haben sich nicht sonderlich ehrenvoll benommen«, gab ich unwirsch zurück.

»Da haben sie recht«, gestand Rogh. »Sie haben gegen die Vorschrift gehandelt und werden dafür bestraft. Ich bitte im Namen des Quarteriums um Entschuldigung.«

Das überraschte mich etwas. Doch das aufgesetzte Lächeln des Mannes passte ganz und gar nicht zu ihm. Er meinte es nicht ehrlich. Das war mir klar. Anscheinend befürchteten sie jedoch politische Verwicklungen. Nach dem Dossier der USO war das Quarterium bemüht, stets wie ein friedliches, modernes Imperium zu wirken. Das Gehabe der Grautruppen hatte das Gegenteil bewiesen. Es war nur logisch, dass das Quarterium nun Schadensbegrenzung versuchte.

Ich nickte ihm schwach zu und signalisierte damit meine Bereitschaft, den Vorfall zu vergessen. Vorerst. Natürlich würde Perry darüber informiert werden. Jedes noch so kleines Detail war wichtig für meinen Bericht.

»Es gibt sicherlich auch einen Sicherheitsdienst an Bord der Stationen. Der wäre eigentlich dafür zuständig gewesen.« Erwartungsvoll blickte ich ihn an.

Sein Lächeln gefror, es schien ihm unangenehm zu sein. »Der Sicherheitsdienst ist überfordert. Viele kleine Verbrecher befinden sich auf der Station. Die hier stationierten quarterialen Soldaten sieht er als Hilfe an. Im Grunde genommen ist Ihr Freund auch nichts weiter als ein Verbrecher.«

»Das entscheiden immer noch Gerichte, nicht irgendwelche Gefreiten oder korrupte Casino-Besitzer.«

Der CIP-Agent lächelte scheinbar gequält. Er stand auf, salutierte und verabschiedete sich von uns. Zum Schluss wünschte er uns noch eine angenehme Reise. Mir waren die Vertreter des Quarterium von mal zu mal unsympathischer.

 

Kapitel 3 – Aufbruch

Ich überflog die Passagierliste des kleinen Transporters WITMAE. Dreiundzwanzig Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder machten den Flug nach Cartwheel mit.

Während Denise, Leopold und ich uns durch die Gänge kämpften, studierte ich einige der Passagiere. Als erstes fiel mir ein cholerischer, kleiner Terraner mit Halbglatze auf, der sich als Jaques de Funes jedem vorstellte, der es hören und nicht hören wollte. Er beschwerte sich, dass seine Unterbringung unangemessen sei.

In unserer Nachbarkabine hockte ein seltsames Liebespaar. Ein recht schlanker Mann und eine dicke Frau, die sich gerade in den Haaren hatten. Ein Unither drängte sich an uns vorbei. Eine interessante Gruppe. Nicht grundlos beobachtete ich diese Wesen. Noch immer dachte ich an Nadine Schneiders Vision. Jedes noch so kleine Detail konnte von Bedeutung sein. Solche Entitäten gaben sich oft versteckt zu erkennen, verstreuten die Hinweise so, dass sie unscheinbar wirkten. Abgesehen von diesem Tessma und dem Passantum hatte ich noch keine weiteren Hinweise gefunden.

Nachdem wir den Somer in eine benachbarte Kabine gebracht hatten, setzten wir uns zusammen auf ein Sofa. Stille, nur unterbrochen von unseren Atemzügen, breitete sich in der Kabine aus.

Ich musterte Denise aus den Augenwinkeln.

Was für eine exotische Frau sie doch ist, ging es mir durch den Kopf. Sinnlich, selbstbewusst, sexy. Eine total faszinierende Kombination. Aber eine Beziehung? Ich sehne mich so sehr danach und doch werde ich es nicht bekommen.

Ich seufzte laut auf. »Wenn auf der WITMAE nichts passiert, werden sich leider unsere Wege erst einmal wieder trennen.« In meiner Stimme schwang eine gewisse Traurigkeit mit. »Mein erster Weg wird mich wohl zu Jan Scorbit und Rosan Orbanashol-Nordment führen. Und dann ist da immer noch die Warnung von Nadine Schneider … Und was hast du vor?«

»Das, was eine Archäologin und Abenteurerin immer tut. Sich in irgendwelche Abenteuer stürzen und in Löchern rumbuddeln. Du weißt ja, dass ich nach kemetischen Artefakten in Cartwheel suche.«

Sie schenkte mir ein aufreizendes Lächeln.

»Wenn du Hilfe benötigst und wieder eine Vision hast, wende dich an mich«, bat sie.

*

Der Start des kleinen Transporters erfolgte fast lautlos. Zufrieden schaute der Kommandant Jürgen R. Ippberger auf die Kontrollen. Obwohl die WITMAE schon einige Jährchen auf dem Buckel hatte, versah sie immer noch anstandslos ihren Dienst. Hinter dem Raumschiff wurden die drei Stationen immer kleiner und direkt voraus, da wurde das Sternenportal der Lokalen Gruppe immer größer.

Es glich einem schwarzen Loch, mit einem Durchmesser von über vier Milliarden Kilometern. Zu jeder Himmelsrichtung schwebten große Projektoren, die Energie aus dem Hyperraum abzapften und so den Transmitter versorgten.

Schon viele Male war die WITMAE durch das Portal geflogen und manch einem Besatzungsmitglied war die Tatsache nicht mehr bewusst, dass man gleich einen Sprung von über 500 Millionen Lichtjahren machen würde.

Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier, schoss es Ippberger durch den Kopf.

Ein letztes Mal überflog der kleine Kommandant die Kontrollen und wandte sich dann an die Besatzung: »Meine Damen und Herren. Wir werden gleich durch das Sternenportal der Lokalen Gruppe fliegen. In wenigen Minuten werden wir bereits in Cartwheel sein. Bitte entspannen Sie sich. Ein kleiner, ziehender Schmerz in ihrem Nacken ist eine ganz normale Begleiterscheinung des Transportes.«

Ippberger beugte sich wieder vor und schaltete die Interkomverbindung wieder aus.

Alles nur Routine, dachte er. Nie passiert irgendetwas Spannendes oder Aufregendes. Vielleicht sollte ich mich doch bei der neuen USO melden. Vielleicht sollte ich das …

In diesem Moment traf die WITMAE auf das Sternenportal und flog hindurch. Gellend schrie der Kommandant auf. Es war, als würde ihm jemand ein Dutzend glühender Nadeln in den Nacken und in das Gehirn gesteckt.

Irgendwas ist schief gelaufen. Hier hast du deine Aufregung.

Jürgen R. Ippberger bemerkte schon nicht mehr, wie er bewusstlos auf den Fußboden prallte.

*

Nur noch wenige Sekunden, dann würde der Flug durch das Portal erfolgen. Denise lehnte sich an die Kopfstütze ihres Sitzes. »Ich fühle mich so müde«, sagte sie.

Ganz still saß ich da und genoss ihre Nähe. Plötzlich meldete sich eine Stimme in meinem Kopf.

»Alaska Saedelaere? Hörst du mich?«

»Natürlich höre ich dich. Bist du das Passantum?«, wollte ich wissen.

»Ja, ich bin das Passantum, das du trägst. Nimm die Hand deiner Begleiterin, damit sie mithören kann.«

Schnell griff ich nach der Hand von Denise. An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich sehen, dass sie nun dasselbe wie ich hörte.

»Ich erbiete auch dir meine Grüße, Denise Joorn. Hört mir zu. In wenigen Sekunden wird der Transfer beginnen. Ich habe um euch ein siebendimensionales Schutzfeld aufgebaut, das die schweren Einflüsse des Transfers ausschalten wird. Ihr beide begebt euch sofort in die Kommandozentrale und versucht das Schiff sicher zu landen. Geht! Sofort!«

Ich schaute Denise kurz an und zog sie dann mit mir. Schnell eilten wir durch die Gänge und sahen überall Menschen zusammenbrechen und vor Schmerzen schreien. Nur an uns beiden ging dieser Einfluss völlig vorbei. Endlich kamen wir in der Zentrale an. Auch hier bot sich uns dasselbe Bild. Die Besatzung hing bewusstlos in den Stühlen oder lag auf dem Fußboden.

Denise schaute sich fassungslos um. »Was ist passiert?«

Ich wusste darauf auch keine Antwort. Anscheinend hatten nur wir durch die Hilfe des Passantums diesen Transfer unbeschadet überstanden. Ich trat zu einer Konsole und aktivierte die Orteranlagen und die Beobachtungssysteme. Letztere lieferten ein wirklich erstaunliches Bild. Direkt vor uns schwebten mehrere Planeten um eine gelbe Sonne. Das wirklich erstaunliche war aber die Tatsache, dass das Universum grün war.

Ein grünes Universum!, schoss es mir durch den Kopf. Als ob es nicht genug komische Sachen im Weltall gibt. Aber nein ... es muss ein grünes Universum sein!

Ein Blick auf die Orteranlagen zeigte mir dann, dass das Universum nicht nur grün war. Nein, es war auch noch klein. Nach etwa 0,2 Lichtjahren wurden die Orterimpulse einfach reflektiert. Wenige Messungen später stellte ich fest, wir uns in einer Kugel von etwa einem Lichtjahr Durchmesser befanden.

Irgendwie erinnerte mich das an die Hohlblase von Goedda, in die es mich einmal verschlagen hatte. Diese hatte sich allerdings im Hyperraum befunden.

Aber der Hyperraum ist doch nicht grün. Oder doch?

Ich seufzte. Ein Königreich für einen Kalup oder Waringer, die sich mit so etwas ausgekannt hatten.

Denise hatte derweil Kontakt mit der Krankenstation aufgenommen und die Medoroboter ausgeschickt. Überall wurden die Verletzten behandelt. Auch der Kommandant kam langsam wieder zu sich.

Ich sichtete derweil die weiteren Funktionen des Schiffes. Alle Anlagen arbeiteten soweit und so fing ich an, langsam auf den dritten Planeten zuzufliegen. Doch plötzlich ging ein Schlag durch das Schiff und die Beleuchtung viel aus. Auch das feine, sonore Brummen der Konverter verstarb. Nach wenigen Sekunden ging jedoch die Notbeleuchtung an. Ein schneller Blick auf die Monitore zeigte mir, das wir antriebslos auf den dritten Planeten zustürzten.

»Raus hier. Alle in die Rettungskapseln. Wir stürzen ab!« Die letzten Worte schrie ich über den Bordfunk.

Alle wandten sich den Ausgängen zu. Nur Denise nicht. »Komm, Alaska.« Sie streckte ihre Hand aus.

Ich drehte mich um und schaute die faszinierende Frau kurz an. »Nein. Ich werde eine Notlandung versuchen.«

»Und wenn dir etwas zustößt?« In ihren Augen konnte ich aufrichtige Besorgnis erkennen.

Ich schenkte ihr ein kurzes Lächeln. »Mir passiert nichts. Ich bin leider viel zu stur zum Sterben. Und nun verlasse mich. Wir sehen uns unten auf dem Planeten.«

Ich drückte ihre Hand zum Abschied.

Denise presste die Lippen zusammen. »Wir sehen uns unten«, sprach sie, drehte sich um und verließ die Zentrale.

Ich hingegen wandte mich wieder den Kontrollen zu. Das Schwerkraftfeld des Planeten wirkte bereits auf den Frachter. Mit Müh und Not brachte ich die kleinen Korrekturdüsen in Betrieb und änderte den Einflugwinkel. Der Winkel wurde flacher und flacher. Wie ein brennender Komet zog die WITMAE durch die Atmosphäre. Auf einem Monitor war zu sehen, wie sich einige Rettungskapseln von dem Frachter lösten. Einige würden überleben. Auch Denise Joorn. Ein Lächeln umspielte meine Lippen.

»Die Geschwindigkeit ist viel zu hoch«, gellte die Stimme der Haut auf einmal in meinem Kopf.

»Halt die Klappe, Haut!«, rief ich, ohne die Kontrollen aus den Augen zulassen. »Noch ein Wort und du kannst aussteigen und als Bremsfallschirm arbeiten.«

Daraufhin schwieg die Haut, auch wenn ich erkennen musste, dass sie leider recht hatte. Zum Glück würden wir nicht wie ein Speer in den Boden einschlagen, aber der Aufprall würde doch sehr unangenehm werden.

Meine Blicke hefteten sich auf einen Monitor, auf dem die Planetenoberfläche zu sehen war. Das Schiff flog gerade über weite Steppe. Vereinzelt waren die Ruinen von Städten zu erkennen. Aber Anzeichen einer Zivilisation konnte ich nirgends entdecken.

Und dann war er da, der Boden. Der Frachter knallte auf einen sandigen Grund und stieg sofort wieder auf. Nur um gleich darauf wieder auf den Boden zu fallen. Ein Knirschen und Knarren durchzog das Schiff. Ein letztes Mal bebte und schüttelte sich der Frachter. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Schwärze umfing mich.

 

Kapitel 4 – Das grüne Universum

Als ich wieder zu mir kam, waren laut meinem Chronometer mehrere Stunden vergangen. Nichts regte sich mehr im Wrack. Vorsichtig befreite ich mich aus dem Berg von Stühlen und Plastikmaterialien, die auf mir gelandet waren. Langsam kroch ich zu den Instrumentenpulten hin und zog mich vorsichtig hoch. Als ich dann endlich auf den Beinen stand, horchte ich in mich hinein. Abgesehen von blauen Flecken schien mir nichts passiert zu sein. Seufzend wandte ich mich den Kontrollen zu, um nach wenigen Minuten zu erkennen, dass dieses Schiff nie mehr fliegen würde.

Wortlos verließ ich die Zentrale und machte mich daran, das Schiff zu durchsuchen. Aber abgesehen von mir fand ich kein weiteres Lebewesen. Nicht einmal Leichen. Ich wandte mich einer Ausrüstungskammer zu und nahm einen SERUN und verschiedene Ausrüstungsgegenstände an mich. Leider musste ich erkennen, das bei allen SERUNs die elektrischen Teile durch überschlagende Energien zerstört waren. Als einzige Waffe fand ich einen Paralysator.

Ich musste einfach hoffen, dass es keine wilden und größeren Tiere auf diesem Planeten gab. Nachdem ich alles in einen kleinen Rucksack verstaut hatte, begab ich mich ein Deck tiefer und suchte nach einem Ausgang. Alle Schotten waren durch den Aufprall verzogen. Alle bis auf eines.

Dieses Schleusentor hing halb in den Angeln. Vorsichtig, um meinen SERUN nicht an scharfen Kanten zu zerstören, schob ich mich durch das Schott und ließ meinen Blick über die karge Wüstenlandschaft schweifen. Nur ab und zu stand ein verdorrter Baum verloren in der Gegend herum. Obwohl es ungewöhnlich warm war, spürte ich tief in mir ein Frösteln.

Der Raumer hatte sich tief in den Sand eingegraben. Es fiel mir ziemlich leicht über diese gigantische Düne runter zu klettern. Langsam umrundete ich das Schiff, doch ich konnte nirgends andere Fußspuren entdecken. Wahrscheinlich, falls es denn welche gegeben hatte, waren sie schon durch den Wind zugeweht.

Nachdenklich machte ich mich auf den Weg. Eine Richtung erschien mir genauso falsch wie die andere. Drum lief ich einfach los.

Stunde um Stunde verging. Das Landschaftsbild veränderte sich kaum. Karges Ödland wechselte sich mit kargem Ödland ab. Am Horizont wuchs langsam eine Bergkette hervor. Der Schweiß floss mir über die Stirn. Als die Sonne endlich hinter dem Horizont verschwand, richtete ich mir mein Nachtlager ein.

Den nutzlosen SERUN streifte ich ab. Ich beschloss, ihn am nächsten Tag zurück zu lassen und nur die notwendigsten Sachen mitzunehmen. Ein deaktivierter SERUN behinderte mich mehr, als dass er mir nützlich war.

An einen Baum gelehnt, Konzentratwürfel kauend, schaute ich in den Nachthimmel. Es war schon ein abenteuerlicher Anblick. Das Ganze, für mich sichtbare Weltall schimmerte in einem grünen Ton. Die Vielzahl von Sternen konnte man nur schlecht erkennen. Müdigkeit übermannte mich. Langsam fiel mir mein Kopf auf die Brust … bis ich plötzlich erkannte, was verkehrt war.

Wieso kann ich Sterne sehen?, schoss es mir durch den Kopf. Ich befinde mich in einer Kugel mit einem Durchmesser von einem Lichtjahr. Wieso kann ich nun fremde Sterne sehen?

Wie gebannt schaute ich in den Himmel. Meine Blicke glitten über die Sterne und ich versuchte eine bekannte Konstellation zu finden. Doch keine einzige Gruppierung kam mir bekannt vor. Es waren auch viel mehr Sterne zu sehen als auf der Erde, aber nicht einer war mir bekannt.

Seufzend setzte ich mich wieder an den Baum. Rätsel über Rätsel und nirgends eine Lösung.

Stunden vergingen und ich fiel in einen unruhigen Schlaf, in dem ich von Denise Joorn träumte. Ich wurde erst wieder wach, als eine Stimme anfing, in meinem Kopf zu wispern.

*

»Alaska?«, wisperte die Haut. »Wach auf. Es passiert etwas.«

Ich gähnte und streckte mich. »Was gibt es denn? Was ist passiert?«

»Es ist schwer zu beschreiben. In oder an deinem Körper baut sich eine beträchtliche Ladung psionischer Energie auf. Ich denke, es stammt von dem Tessma-Insekt.«

Behutsam griff ich in meine Brusttasche und holte das Insekt, das Nadine Schneider als Psiq-Spürer bezeichnet hatte, hervor. Und es schien diesmal sogar aktiviert zu sein. Die kleinen Knopfaugen, früher Schwarz, leuchteten nun in einem satten Rot. Plötzlich hob das Insekt von meiner Handfläche ab und schwebte schließlich vor meinem Gesicht. Dort fing es an, in der Luft ein Rechteck zu zeichnen und als es dieses vollendete, erschien vor meinen Augen ein etwa zehn Zentimeter breiter und acht Zentimeter hoher Holoschirm.

Staunend betrachtete ich dieses Wunderwerk der Technik. Innerhalb von Sekunden füllte sich der Bildschirm mit fremden Schriftzeichen und fremdartigen Diagrammen. Doch auf einmal waren alle Zeichen weggewischt und ich sah … mich. Ich sah mich durch die Augen des Insektes, welches allmählich aufstieg. Immer schneller wurde es. Auf dem Bildschirm konnte ich diesen unheimlichen Flug verfolgen. Innerhalb von Sekunden hatte es den Planeten verlassen und flog auf die Barriere zu. Doch anstatt dort zu zerschellen, durchflog das Insekt die Mauer und gewährte mir einen Einblick in das, was dahinter lag.

Ich sah … eine weite Ebene, durchflutet von grünem Licht. Auf dem Boden wallte eine Art grüner Nebel.

Ich sah … am Himmel blau-schwarze Wolken und dort wo keine Wolken waren, Milliarden Sterne.

Ich sah … in der Ferne eine fremdartige Stadt mit hohen Türmen. Es waren Ruinen. Davor befand sich ein Pilzdom.

Ich sah … auf dem Boden eine kleine grüne Kugel, welches ein Miniatur-Sonnensystem beinhaltete.

Ich sah … Nadine Schneider, die über dem grünen Boden schwebte. Sie kam auf die Kugel zu, hob sie vorsichtig hoch und deutete erst auf sich, dann auf das Insekt.

Das Konzept der Entität DORGON wurde auf einmal unscharf, es fing regelrecht an zu flimmern. Ich konnte sehen, wie sie mit der Kugel verschmolz.

Und auf einmal war die Übertragung beendet. Der Bildschirm löste sich in Wohlgefallen auf.

Schwer atmend ließ mich zurückfallen und dachte nach. Anscheinend befand sich dieses System an einem höherdimensionalen Ort.

Wie hatte Nadine den Tessma genannt? Einen Psiq-Spürer.

Was hatte Perry Rhodan damals gesagt, als er noch ein Gänger des Netzes war? Die Gänger des Netzes sehen die Psionischen Informationsquanten (Psiqs) als buntes Gebilde unterschiedlicher Form, die in einem von grünem Hintergrundleuchten erfüllten Raum schweben.

Ich befand mich also innerhalb eines Psiq, einer potenziellen Zukunft, die vielleicht noch werden wird. Oder auch nicht. Doch wo befand sich dieser Psiq? In einem Kosmonukleotid? Eher unwahrscheinlich. Vielleicht hatte die mächtige Entität DORGON selbst mehrere Messenger ausgebrütet, um selber in die Zukunft schauen zu können und dadurch einen entscheidenden Vorteil im Kampf gegen MODROR zu bekommen. Das würde auch diese Stadt erklären, die ich in der Ferne gesehen hatte.

Deine Erlebnisse werden auch immer abstrakter, überlegte ich. Ohne weitere Informationen war jedes weitere Nachdenken sinnlos. Aber es hatte den Anschein, als ob sich Nadine Schneider sich ebenfalls in dieses Psiq begeben hatte. Nur … wo war sie?

Seufzend stand ich auf und machte mich wieder auf den Weg in Richtung der Berge. Ich wäre wahrscheinlich noch Stunden so weiter gegangen, wenn ich nicht auf das Dorf gestoßen wäre.

Es war in einem kleinen Tal gebaut worden. Dadurch war es von drei Seiten windgeschützt. Es war ein sehr primitives Dorf. Kleine schmutzige Hütten aus Lehm und Stroh standen eng beieinander. In der Mitte dieses kleinen Dorfes befand sich eine Feuerstelle, um die sich mehrere humanoide Wesen drängten. Es hätten Menschen sein können, stellte ich verblüfft fest.

So mussten Menschen in der terranischen Steinzeit gelebt haben, ging es mir durch den Kopf.

Nachdem ich noch einige Minuten im Schatten des Baumes stand, hinter dem ich mich versteckt hatte, entschloss ich mich zu einer Kontaktaufnahme.

*

Ganz langsam und vorsichtig löste ich mich aus dem Schatten des Baumes und ging vorsichtig auf die Siedlung zu. Die Eingeborenen verhielten sich sehr ruhig. Zwar zeigten sie alle auf mich und verständigten sich in einer unbekannten Sprache untereinander, aber nirgends brach Panik aus. Schritt für Schritt ging ich auf das Dorf und seine primitiven Bewohner zu. Aus der Gruppe löste sich ein etwa 1,80 Meter großer Mann, der in irgendeine Haut eines fremden Tieres gehüllt war und bewegte sich ebenso langsam auf mich zu.

Als wir nur noch zwei Meter voneinander entfernt waren, blieben wir stehen und musterten uns. Zwei dunkle Augen schienen mich zu durchdringen, ansonsten war in seinem Gesicht keine Regung zu erkennen.

»Harcvh uihr wntt«, waren die einzigen Worte, die er an mich richtete.

»Es tut mir Leid«, entgegnete ich, als der Eingeborene eine kurze Pause einlegte. »Ich verstehe dich nicht.«

Mit geschlossenen Augen schien er dem Klang meiner Stimme nach zu lauschen. Dann signalisierte er mir, das ich ihm folgen sollte. Langsam gingen wir an den übrigen Dorfbewohnern vorbei, die mich unentwegt anstarrten und miteinander tuschelten. Der Häuptling, ich nahm jedenfalls an, dass er hier der Chef war, führte mich zu einer kleinen leeren Hütte. Obwohl sie von außen sehr schäbig aussah, konnte man dem Inneren erstaunlicherweise Gemütlichkeit nachsagen. An einer Wand befand sich ein breites Lager aus Stroh, mit Decken aus Tierfellen. An der anderen Wand befand sich ein niedriger Steintisch, auf dem sich mehrere Schalen befanden.

Ich drehte mich um und schaute den Häuptling an. Er deutete zuerst auf mich, dann auf das Lager. Dann streckte er seine Hand nach draußen auf und zeigte auf die Sonne. Mit seinen Fingern beschrieb er einen Halbkreis und deutete dann auf sich. Nach dieser Geste verschwand der Häuptling.

Ich hatte verstanden. Ich sollte mich ausruhen und dann, wenn die Sonne einmal über den Himmel gewandert war, würde der Häuptling zurückkommen.

Als erstes sah ich mir die Schalen an. Fremdartige Obstsorten, jedenfalls nahm ich das an, dass es Obst war, lagen in ihnen. Vorsichtig griff ich nach einer Frucht, die aussah wie ein Apfel, und kostete ein wenig. Verblüfft ließ ich die Frucht sinken. Es war ein Apfel. Erstaunt unterzog ich diese Frucht einer genaueren Untersuchung. Kein Zweifel. Hätte ich es nicht besser gewusst, dann hätte ich geschworen, dass es ein terranischer Apfel war, den ich hier in den Händen hielt. Das Rätsel wurde dadurch nicht kleiner.

Nachdem ich mich gesättigt hatte, ließ ich mich auf das Lager nieder und versuchte einzuschlafen. Doch meine wirren Gedanken ließen mich nur schwer zur Ruhe kommen. Da waren zum einen diese Eingeborenen. Dann war zum anderen diese Frucht, die aussah wie ein terranischer Apfel und auch so schmeckte. Dann dieser unwirkliche Ort. Dann DORGON und Nadine Schneider.

Und dann … dann war da noch Denise Joorn. Noch immer war ich mir nicht klar, was ich über diese Frau denken sollte. Mir war klar, dass ich viel für sie empfand. Das war der letzte Gedanke, den ich hatte, bevor ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Ich erwachte erst wieder, als eine Hand meine Schulter schüttelte. Schlaftrunken schaute ich mich um. In den ersten Sekunden wusste ich nicht, wo ich war, doch dann kamen die Erinnerungen an den Absturz und meine Wanderung wieder zurück. Meine Augen gewöhnten sich schnell an das Halbdunkel und schließlich erkannte ich den Häuptling. Er hatte mich geweckt und nun bedeutete er mir, dass ich ihm folgen sollte. Langsam richtete ich mich auf, griff noch einmal in die Schale, um mir eine von diesen Früchten zu nehmen, und folgte dann dem Häuptling nach draußen.

Ich blieb stehen und ließ meinen Blick über das Dorf schweifen, doch ehe ich mich versah, nahm der Häuptling meine Hand und zog mich mit sich. Ich hatte keine andere Wahl und so folgte ich dem Häuptling zu einem kleinen Hügel. Zuerst deutete er auf die Berge. Mir war am Anfang nicht klar, was er mir zeigen wollte, doch dann sah ich es. Dort in den Bergen war anscheinend eine riesige Festung und sie war beleuchtet. Staunend nahm ich es zur Kenntnis, dass es auf diesem Planeten doch noch Anzeichen einer fortgeschrittenen Zivilisation gab. Der Barbar deutete auf die Festung, zeichnete auf dem Boden einen Kreis. In diesen malte er dann einen weiteren. Ich verstand. In dieser Festung lebten die wahren Herrscher über diesen Planeten. Dort lag mein nächstes Ziel.

Ich drehte mich zum Häuptling hin, um mich zu bedanken. Doch etwas störte mich an seinem Gesichtsausdruck. Panische Angst spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Er deutete an mir vorbei in die Dunkelheit und im selben Moment, wo ich mich umdrehte, spürte ich ebenfalls, dass von dort etwas auf uns zukam. Im fahlen Mondlicht dachte ich erst, dass es sich um Gucky, den Mausbiber handelte. Nur war dieser leider knapp drei Meter groß und besaß mehr als nur einen Nagezahn.

Ich griff an den Gürtel, holte den Paralysator hervor und feuerte so schnell wie ich konnte. Obwohl ich das Tier voll traf, fiel es nicht sofort um, nur seine Bewegungen wurden langsamer. Schließlich bewegte sich das Wesen fast wie in Zeitlupe und kippte dann schließlich um.

Der Eingeborene schaute erst mich, dann das Tier und dann wieder mich an. Er streckte beide Arme in den Himmel und stieß einen wilden Heulton aus. Wenige Minuten später trafen einige Mitglieder seines Stammes ein. Schnell sprach der Häuptling auf die Männer ein und deutete dabei abwechselnd auf mich und dieses Wesen. Schließlich griff der Häuptling erneut nach meiner Hand und zog mich mit sich zurück zum Dorf. Beim Lagerfeuer angekommen, bedeutete er mir, dass ich hier warten sollte. Der Eingeborene eilte in die größte Hütte und kam nach wenigen Minuten wieder. In seiner Begleitung befand sich eine etwa zwanzig Jahre alte, wunderschöne Frau. Sie war etwa 1,65 Meter groß und gertenschlank. Lange braune Haare umspielten ihr Gesicht, in dem zwei braune Augen mich scheu betrachteten.

»Ydira!« Der Häuptling deutete auf das Mädchen und dann auf mich.

Ich verstand. Nur weil ich dem Häuptling das Leben gerettet hatte, schenkte er mir seine Tochter, die anscheinend Ydira hieß. Ich schüttelte den Kopf und wedelte mit den Händen, doch der Häuptling blieb stur und sagte nur den Namen seiner Tochter.

Ich entfernte mich einige Schritte, doch die schöne Eingeborene folgte mir. Ich beschleunigte meinen Schritt und blieb erst stehen, als das Dorf aus meiner Sichtweite verschwunden war. Doch Ydira folgte mir. Wenige Minuten später hatte sie mich eingeholt. Seufzend schaute ich die Eingeborene an. »Hör mir zu«, sagte ich, obwohl mir klar war, das sie mich nicht verstehen würde. »Da wo ich hingehe, kannst du nicht mitkommen. Es ist zu gefährlich.« Mit einer Hand deutete ich auf die Berge.

Erkennen machte sich in ihrem Gesicht breit. Sie schlug meine Hand runter und schüttelte sie den Kopf. Dann griff sie sich an die Kehle, drückte zu und deutete dann wieder auf die entfernten Berge.

Ich schüttelte traurig den Kopf. »Mag sein, das dort mein Ende liegt. Aber ich muss dorthin. Nur dort finde ich die Antworten auf meine Fragen.« Ich schaute Ydira in die Augen. »Aber zuerst bringe ich dich nach Hause.« Ich griff nach ihrer Hand. »Komm!«

Gemeinsam setzten wir uns Bewegung und gingen zurück zum Dorf der Eingeborenen. Ydira schien glücklich über diese Entscheidung zu sein, denn sie lächelte und schmiegte sich an mich. Dabei war mein Plan ein ganz anderer. In der Nähe ihres Dorfes würde ich sie paralysieren und dann meinen Weg alleine fortsetzen.

Gut, nicht jeden Tag wurde mir eine Dorfschönheit zum Geschenk gemacht, aber ich wollte diese Tatsache nicht ausnutzen. Das hatte nichts mit Liebe zu tun. Ydira war zweifelsohne eine attraktive Frau, in ihren rehbraunen Augen konnte man sich schnell verlieren, doch, nein, ich durfte mein Herz nicht erweichen lassen.

Auf der anderen Seite … solche primitiven Frauen waren nicht so emanzipiert und umsorgten den Mann mit ihrer vollen Kraft. Eigentlich ein verlockender Gedanke …

Quatsch! Das durfte nun wirklich nicht Grund für eine Beziehung sein. Ich kannte das Mädchen vielleicht mal ein paar Stunden. Man machte nicht einfach die Tochter zum Geschenk. Das war atavistisch und moralisch verwerflich. Ydira hatte auch ihre Rechte. Doch würde sie diese verstehen, wenn ich sie ihr erklären würde?

Paralysieren war wohl doch die beste Lösung.

Doch irgendwas stimmte nicht bei dem Dorf der Eingeborenen. Menschen brüllten in unmenschlichen Tonlagen. Das charakteristische Röhren von Paralysatoren dröhnte durch die Nacht. Ydira und ich versteckten uns hinter einem Baum und beobachteten die Vorgänge im Dorf. Was wir sahen, verschlug uns den Atem. Hunderte von Insekten griffen das Dorf an. Menschengroße Insekten. Dort zerriss eine menschengroße Ameise eine ältere Frau. An einer anderen Stelle verschlang eine menschengroße Spinne einige Kinder. Dort hinten wurden mehrere ältere Männer von einer menschengroßen Wespe aufgespießt.

Ich schüttelte mich. Es war unglaublich und brutal anzusehen, wie die Insektoiden über das Dorf herfielen. Dabei war das System genau zu erkennen, nach dem die Insekten vorgingen. Die jungen und kräftigen Männer und Frauen wurden zusammen getrieben, der Rest bestialisch ermordet. Ich erkannte den Häuptling, der vor einer Spinne auf dem Boden saß und betete. Auf einmal hob der Arachnoid ein Arm und erschoss den Häuptling mit einer Strahlenkanone.

Ydira schrie auf und wollte zu ihrem toten Vater rennen. In letzter Sekunde erwischte ich sie am Arm und hielt sie zurück. Doch es war zu spät. Innerhalb von Sekunden waren wir von den Insekten umringt.

Eines der Wesen hob eine Waffe. Das letzte, was ich hörte, war die schnarrende Stimme des Insektenwesens: »Noch zwei weitere Minderwertige.«

Dann wurde mir erneut schwarz vor Augen.

*

Als ich wieder aufwachte, fand ich mich mit rasenden Kopfschmerzen alleine in einer stinkenden Zelle wieder. Ich richtete mich ächzend auf.

Bin ich tot?, fragte ich mich. Wahrscheinlich haben mich diese Insekten gefressen. Aber warum tut mir dann der Kopf weh?

Ich schüttelte mich.

Natürlich lässt sich in einem Leben nach dem Tode, in dem die Strafe für eine verpfuschte Existenz ein ewig hämmernder Kopfschmerz ist, ein gewisser Sinn sehen. Ich lachte gequält auf. Ein Sinn der grauenhafteren Art.

Mühsam richtete ich mich vollständig auf und ging einige Schritte auf und ab. In meiner Schulter pulsierte der Zellaktivator und versorgte mich mit Energie. Von der Haut kam kein Impuls.

Man hatte mir meine Sachen weggenommen. Stattdessen trug ich nun eine weite Hose und ein dünnes Oberteil aus groben Leinen. Auch mein Rucksack und die Waffe waren verschwunden.

Langsam fing ich an, die Zelle zu durchwandern.

Warum muss das eigentlich immer uns Unsterblichen passieren?, grübelte ich.

Was ist wohl aus Ydira geworden? Sie war noch so jung und vielleicht ist sie jetzt schon tot.

Ich seufzte.

Und was ist mit Denise? Wo sie jetzt wohl ist? Hat sie den Absturz überhaupt überlebt?

Ich seufzte erneut.

Dann ermahnte ich mich, nicht ständig zu seufzen. Als Trauerkloß konnte ich wohl kaum dieser Gefahr trotzen. Aber ich war nun einmal kein Atlan, der anscheinend immer leichtfertig mit jeder Gefahrensituation umging und zum Schluss noch eine Schönheit abschleppte. Oder sie erstach, oder sie in seinen Armen zerfiel …

*

Etwa eine halbe Stunde tigerte ich durch den Kerker. Inzwischen merkte ich selbst den Gestank nicht mehr und auch die Kopfschmerzen ließen ein wenig nach. Dann setzte ich mich wieder auf mein Strohlager und schloss die Augen.

Keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte, als die Tür sich öffnete. Eine riesige Wespe schwebte in die Zelle hinein, griff nach meinem Arm und zog mich mit sich. Noch halb schlafend stolperte ich hinter der Wespe her. Durch scheinbar endlos lange Korridore zerrte mich das Wesen. Das Dröhnen der Flügel war grauenvoll. Dabei hatte ich ohnehin schon Angst vor Spinnen und Wespen, aber das hier war wirklich einige Nummern größer. Es kostete mich viel Disziplin, nicht in Panik zu verfallen. Erst als wir in größeren Raum kamen, ließ mich die Wespe los.

»Hier ist noch einer für das Bergwerk«, summte die Wespe in klar verständlichem Interkosmo.

»Um solche wie den hier ist es wirklich nicht schade«, stimmte eine andere Wespe summend zu, ebenfalls in Interkosmo.

Spinne ich nun total?

Die zweite Wespe forderte mich durch Handzeichen auf, mich in eine Gruppe der einheimischen Intelligenzen einzureihen. Langsam befolgte ich den Befehl.

Wieso können diese Tiere Interkosmo sprechen?

Ich schüttelte kaum merklich den Kopf.

Es wird wirklich immer komischer. Oh DORGON, wo hast du mich da bloß rein geritten?

Langsam lief die Gruppe einen Gang nach dem anderen lang. Überall standen und schwebten Wespen umher. Nach mehreren Biegungen kamen wir auf einen großen Platz, wo wir kurz warten mussten.

Wahrscheinlich eine Art Verteilerbahnhof, dachte ich, nachdem ich mich umgeschaut hatte.

Aber bevor es weiterging, gellten auf einmal Sirenen in einem ohrenbetäubenden Stakkato los. Alle Eingeborenen fielen auf die Knie und ich machte es ihnen gleich, um nicht aufzufallen. Ein paar Meter entfernt standen zwei riesige Wachameisen.

»Hast du gehört?«, klickte die eine Ameise aufgeregt auf Interkosmo. Ihre Fühler zitterten vor Erregung.

»Ja«, entgegnete die andere ebenso aufgeregt. »Lorsahl sucht unsere Festung auf. Wir haben die Ehre, einen Krieger Gottes zu empfangen. Das ist wirklich eine große Ehre für uns.«

Ich hatte keine Ahnung, was ein Krieger Gottes war, aber ich hoffte es bald herauszufinden. Ganz vorsichtig hob ich den Kopf, um zu schauen, was nun passierte.

Am anderen Ende des Platzes tauchte plötzlich eine Gruppe von Wespen und Spinnen auf und in ihrer Mitte … ein Mensch!

Ich keuchte auf. Langsam lief diese Gruppe die Reihen der immer noch niederknienden Menschen auf und ab. Dabei hatte ich die Gelegenheit, den etwa 1,80 Meter großen Fremden noch genauer in Augenschein zu nehmen. Das auffälligste waren die vielen Implantate, die sich überall auf der Haut befanden. So besaß der Humanoide zum Beispiel keine Augen, sondern zwei Kameralinsen, so wie sie auch der Oxtorner Monkey besaß.

In meiner Nähe blieb die Gruppe stehen.

»Ich bin sehr zufrieden.«

Lorsahl besaß eine weiche Stimme und sprach das Interkosmo ohne Akzent. »Bitte bringt alle Sklaven und Arbeiter auf den großen Platz. Sie sollen Augenzeugen davon werden, wie ein Spion des bösen DORGON vernichtet wird.«

Die Wespen und Ameisen machten sich sogleich an die Arbeit und trieben alle Eingeborenen mit Peitschenhieben zusammen.

Auch ich ließ mich von dem Strom der Menschen mitreißen, doch meine Gedanken waren nicht mehr auf die Umwelt gerichtet, sondern beschäftigten sich mit einer Frage.

Dieser fremde Mann, Lorsahl, der ein Krieger Gottes genannt wurde, war ein … Cantaro!

 

Kapitel 5 – Der Cantaro

Alaska brauchte eine Weile, um den Anblick des Cyborgs zu verkraften. Unwirklich, surreal starrte er auf den in eine schwarze Kombination gehüllten Cantaro. Alles um Saedelaere herum schien in einem grauen Nebel zu versinken. Nur der Cantaro existierte für ihn noch.

Wie konnte das sein? Das war unmöglich, schoss es dem Unsterblichen durch den Kopf.

Ein stechender Schmerz ließ ihn in die Realität zurückkehren. Wütend blickte er sich um und bemerkte die Ameisenfratze, die ihn unheimlich musterte.

»Knie nieder!«, forderte das Insektenwesen.

Alaska folgte der Anweisung. Er sah sich um. Die anderen primitiven Menschen lagen auf dem Boden voller Ehrfurcht. Ehrfurcht vor diesem Cantaro.

»Der Krieger Gottes ist angekommen. Huldigt ihm«, rief eine Wespe in perfektem Interkosmo. Eine fette Hummel flog mit lautem Surren an die Wespe heran.

»General Fykkar, sollen wir die Gefangene bringen?«

»Nein, das brauchst du nicht. Sie kommt von selbst«, antwortete Fykkar mit künstlicher Freundlichkeit.

»Ach wirklich?«, machte die Hummel, als glaubte sie das Gehörte tatsächlich.

»Erinnere mich daran, dir alle Flügel auszureißen, wenn du mir noch einmal solch dämliche Fragen stellst. Bring sie sofort her!«

Die Fühler der Hummel sanken schlaff herab. Hastig eilte die Hummel von dannen, während Fykkar um den Cantaro umherlief, der das ganze Szenario scheinbar teilnahmslos verfolgte.

»Menschen«, knackte Fykkar verächtlich. »Man müsste ein Vertilgungsmittel erfinden, um sie loszuwerden. Eine Art Menschengift.«

»Manchmal ähnelt ihr der Gattung Mensch doch sehr«, stellte der Cantaro fest. Seine Stimme war metallisch, aber nicht unmenschlich. Sie klang verzerrt und dennoch war sie aussagekräftig.

»Ich verstehe nicht, Herr Lorsahl?«, erwiderte Fykkar verdutzt.

»Ich weiß«, tat Lorsahl ab und betrachtete die Menschen. Er lief durch ihre Reihen und musterte sie.

Auch an Alaska kam er vorbei. Saedelaere wusste nicht, was er machen sollte. Er schnappte sich einen zerfetzten Mantel und legte ihn sich um, so dass dieser Cantaro sein Gesicht nicht erkennen konnte. Doch Lorsahl blieb direkt vor Alaska stehen. Seine beiden Augen bestanden aus Kameralinsen. Mit einem leisen Surren zoomten sie auf ihn zu.

»Der dort ist sehr seltsam«, erklärte Fykkar. »Wir haben ihn mit einer seltsamen Waffe bei einem Dorf gefunden. Seine Kleidung als auch sein Gehabe unterscheiden sich von den Untermenschen.«

Lorsahl musterte Alaska von oben bis unten, lief um ihn herum. Saedelaere spielte den Ängstlichen und vergrub sein Gesicht noch mehr unter dem Mantel.

»Übergebt ihm Doktor Zarrytor. Er soll ihn genauer untersuchen«, befahl der Cantaro. Dann erkannte der Cyborg die Gefangene.

Alaska glaubte nicht richtig zu sehen. Doch wieder musste er sich der Realität stellen. Die Terranerin mit den blonden Haaren im langen, weißen Gewand war DORGONs Konzept, DORGONs Stimme Nadine Schneider.

Beinahe hätte er laut ihren Namen gerufen, riss sich rechtzeitig zusammen. Er durfte sich nicht verraten. Nadine Schneider senkte sich auf die Knie und blickte Alaska an. Zumindest glaubte er das. Ihre Augen schienen auf ihn fixiert zu sein, obwohl sie viele Meter weit von ihm entfernt war. Dutzende Menschen und Insekten standen vor Saedelaere. Vielleicht kam es dem Hautträger auch nur so vor.

Alaska.

Er horchte in sich hinein. Das war ihre Stimme. Nadine Schneider sprach zu ihm. Verwirrt blickte sich Saedelaere um. Niemand anderes schien ihre Stimme wahrzunehmen. Sie nahm telepathischen Kontakt auf. Alaska verdammte sich für seine Naivität. Natürlich konnte ein Konzept DORGON so etwas.

Meine Zeit ist gekommen. Ich werde dieses Universum verlassen. DORGON stirbt. Ich sterbe vorher. Lasse nicht zu, dass DORGON vergeht. Rette ihn …

Entsetzt starrte Saedelaere Nadine Schneider an. Er stand auf. Wollte ihr helfen. Schmerzvoll wurde er durch den Schlag einer Ameise daran erinnert, dass er machtlos war.

»Knie nieder!«, schnauzte die Rotameise.

Als unfreiwilliger Zuschauer musste Alaska den letzten Akt der Nadine Schneider miterleben. Er sah tatenlos zu, hatte keine andere Wahl, ohne sein eigenes Leben zu opfern. Er hätte es getan, hätte er Nadine Schneider damit wirklich retten können. Umringt von Hunderten von Insektoiden bestand nicht der Hauch einer Chance für beide.

Lorsahl lief lässig um die kniende Nadine Schneider umher. Dann blickte er Fykkar erwartungsvoll an. Die Wespe reichte dem Cantaro eine Axt.

»Vor Tausenden von Jahren habt ihr euch von der Unterdrückung durch das Tier Mensch befreit. MODROR war euer Helfer, euer Hirte. Er hat die Menschen und ihren Gott DORGON in die Schranken verwiesen. Nadine Schneider ist ein Apostel des Bösen. Ein Dämon. Und dennoch nicht unverwundbar …«

Der Cyborg holte aus und schlug Nadine Schneiders Kopf ab.

Alaska spürte das Konzept nicht mehr in seinen Gedanken. Wie konnte das gehen? Sie war doch schon tot im menschlichen Sinne. Nichts weiter als ein Splitter von DORGON, ein Geisteswesen. Wie konnte ein Cantaro sie töten?

Alaska konnte dieses Rätsel nicht beantworten. Einige Menschen riefen in Angst auf, als der Kopf zu Boden fiel. Die Insekten trieben die »Herde« aus Menschen wieder zusammen.

»Arbeitet wieder!«, brüllte eine Spinne.

Alaska wurde zu dem Bergwerk gedrängt, doch plötzlich setzte Fykkar vor ihm auf. Er schubste die Rotameise zur Seite, die wild duckend vor ihm wich. Fykkar musste ein sehr hoher Offizier sein. Alaska erinnerte sich, dass er als General bezeichnet wurde. Beide standen sich von Angesicht zu Angesicht. Saedelaere musterte das Haupt der Wespe.

Die Facettenaugen starrten ihn finster an. Die Fühler waren halb angehoben. Alaska wusste nicht, welche Gefühlsregung sie im Moment zeigten. Er war kein Tierforscher, um das zu beurteilen.

»Der hier nicht. Bringt ihn zu Zarrytor. Dieser Mensch soll genauer untersucht werden.«

»Wo befinde ich mich?«, fragte Alaska schließlich. Er hatte sich diesen Schritt lange überlegt. Er musste mit den Insektoiden Kontakt aufnehmen. Schweigen brachte ihn wenig weiter.

Die Rotameise klackte erschrocken auf. »Das Ding kann ja richtig sprechen …«

Fykkar hob die Fühler und trat einen Schritt näher an Alaska heran. Sein mächtiger Körper überragte ihn um etwa zwei Köpfe.

Saedelaere hatte Insekten noch nie besonders leiden können, die beißen konnten. Nun einer gigantischen Wespe oder Hornisse, Saedelaere vermochte den Unterschied nicht zu definieren, ausgeliefert zu sein, behagte ihm nicht sonderlich.

»Natürlich kann er das«, antwortete Fykkar wenig überrascht. »Er scheint etwas Besonderes zu sein.« Er streifte mit seinen Greifarmen Saedelaeres Mantel ab. Langsam schnitt er mit seinen scharfen Krallen das Oberteil seiner Kombination auf. Er fuhr mit seinem Greifwerkzeug an seiner Haut entlang. Genauer gesagt an Kummerogs Haut. Fast schon verzweifelt blickte der Unsterbliche Fykkar an. Hier konnte er sich durchaus eine Mimik der Gefühle erlauben. Fykkar konnte wahrscheinlich ebenso wenig seine Gesten interpretieren, wie er die seinen.

»Seltsam«, flüsterte Fykkar. »Eine Haut über der Haut. Das wird Zarrytor sehr interessieren.«

Dann wandte er sich wieder der Rotameise zu. »Bringe ihn sofort zum Doktor. Niemand darf von diesem Mann erfahren. Melde dich nach Verrichtung deiner Aufgabe bei mir.«

Mit diesen Worten flog er wieder los. Saedelaere blickte Fykkar hinterher. Dann beobachtete er den Cantaro, der ebenfalls aufbrach. Die Menschen gingen wieder an ihre Arbeit und der Leichnam von Nadine Schneider blieb in der prallen Sonne liegen. Schon bald würden sich Aasfresser, Maden und Würmer über sie her machen. Kein rühmliches Ende für ein Konzept DORGONs, wie Alaska fand.

 

Kapitel 6 – Welt der Insekten

Ein stechender Schmerz ließ ihn hochschrecken. Eine Spritze! Dann wurde es plötzlich schwarz um ihn herum.

Die Dunkelheit lichtete sich. Zumindest seine geistige. Der Raum, in dem er sich befand, war verdunkelt. Seine Augen würden eine Weile benötigen, um sich daran zu gewöhnen.

Wo war er? Wahrscheinlich irgendwo bei diesem ominösen Doktor Zarrytor. Nichts passierte. Zeit, um über die Ereignisse nachzudenken. Noch vor wenigen Tagen war er auf dem Weg nach Cartwheel gewesen. Im Auftrage Perry Rhodans sollte er das Quarterium genauer untersuchen. Auf der Zwischenstation zum Sternenportal hatte er Denise Joorn getroffen und schon wenig später eine Vision von Nadine Schneider erhalten. Von ihr – so vermutete er – hatte er auch ein Passantum für die Brücke in die Unendlichkeit. Was hatte Thoregon damit zu tun? Warum wurde die WITMAE nicht nach Cartwheel transferiert, sondern an diesen seltsamen Ort? Ein grünes Universum. Alles war so verwirrend, rätselhaft, nebulös.

Wie es wohl Denise Joorn ergangen war, seitdem sie mit einer Rettungskapsel die abstürzende WITMAE verlassen hatte? Er war seit Tagen auf dieser Welt unterwegs gewesen und schließlich auf primitive Menschen gestoßen.

Ydira, schoss es ihm durch den Kopf. Was war aus der Häuptlingstochter wohl geworden? Er hatte sie zum Geschenk bekommen, so unglaublich das klang, nachdem er das Leben des Häuptlings gerettet hatte. Natürlich wollte Alaska die Situation nicht ausnutzen, hatte sie sogar zum Dorf zurückgebracht, doch in diesem Moment hatten die Insekten angegriffen und ihn überwältigt.

Nun saß er in dieser finsteren Zelle. Seine Gedanken kreisten wieder um Denise Joorn. Wo war sie? Lebte sie noch? Doch dann übermannte ihn wieder die Müdigkeit.

 

Kapitel 7 – In der Wildnis

»Können wir eine Pause einlegen, mein Püppchen?«

Wütend blieb sie sofort stehen, drehte sich um und bedachte den dicken Somer mit einem bitterbösen Blick.

»Okay, Okay, Okay. Ich habe nichts gesagt. Bin schon ruhig. Können weiterlaufen …«

Denise Joorn lief ohne etwas zu sagen weiter. Sie verdrehte die Augen, als sie den Somer schnaufen und ächzen hörte. Jeden Schritt musste er mit einem Laut des Klagens kommentieren. Seit Tagen nun schon.

»Es reicht. Wir machen eine Pause«, gab sie schließlich entnervt nach. Die anderen vier Begleiter hatten nichts dagegen. Insbesondere Leopold nicht.

»Du hast doch ein Herz. Es liegt tief verborgen unter den üppigen, wohlgeformten Rundungen …«

»Wenn du weiter so einen Stuss redest, steht Brathähnchen heute Abend auf der Speisekarte«, drohte Denise mit einem fiesen Lächeln. Der Somer schwieg.

Die Archäologin musterte ihre Begleiter. Neben dem illustren Somer Ler Ak Poldm, kurz Leopold genannt, waren der cholerische Geschäftsmann Jaques de Funes, der Unither Totsol und das Pärchen Alan Horrorwitz und Debby Bakin.

Nachdem ihre Rettungskapsel notgelandet war, hatten sie sich auf die Suche nach der WITMAE gemacht. Bisher jedoch erfolglos. Auch hatten sie keine anderen der Passagiere getroffen. Ihr Schicksal war ungewiss.

Joorn betrachtete die Landschaft. Schroffe Hügelketten, soweit das Auge reichte. Sie befanden sich in einer Steinwüste und hatten nicht die geringste Ahnung, auf welchem Planeten sie umher irrten.

Sie schaute sich um. Kein Fluss, kein See. Die Bäume kahl und blattlos. Wahrlich keine Idylle.

Plötzlich zuckte sie zusammen. Ein Schmerz im Kopf ließ sie aufschreien. Dann war es vorbei.

»Was ist?«, wollte Jaques de Funes wissen. »Nun machen Sie bloß nicht schlapp. Was soll aus uns werden? Meine wichtigen Geschäfte, ich darf gar nicht daran denken!«

»Es geht schon«, brachte Denise hervor. »Ich habe etwas gespürt. Den Tod eines Menschen. Oder so etwas …«

»Ich verstehe nicht«, erwiderte de Funes.

»Ich auch nicht«, gab Denise zu.

Sie suchten sich in dem Gebirge einen Lagerplatz für die Nacht. Denise dachte unentwegt an diesen Schmerz, dieses ungute Gefühl. Sie kannte die Person, die einen brutalen Tod gestorben war, nicht. Und dennoch, irgendwie kam die Frau ihr vertraut vor. Für einen Moment huschte ein Name durch ihre Gedanken.

Nadine Schneider.

So hieß die Frau, die von einem metallischen Wesen enthauptet wurde. Denise hatte es gesehen. Und doch war sie nicht dabei gewesen. Es fröstelte sie plötzlich. Das lag nicht an der eher gemäßigten Temperatur dieser Welt. Nein, es war ihr unheimlich. Woher kamen diese Visionen? Wieso ausgerechnet sie? Hatte es etwas mit Osiris zu tun? Seitdem sie das Geheimnis des großen Kemeten gelöst hatte, hatte sie viel Seltsames, fast Unerklärliches erlebt.

Nadine Schneider. Es fiel ihr plötzlich ein. Alaska hatte von ihr berichtet. Sie war ein Konzept DORGONs gewesen, vor nicht allzu langer Zeit ein Mensch, gefallen während der Kämpfe gegen die Mordred. Gestorben in den Armen Joak Cascals, auserwählt als Botin und Sprecherin DORGONs. Alaska hatte eine Vision von ihr gehabt, einen Tag bevor sie mit der WITMAE aufgebrochen waren. Langsam ergab alles einen Sinn – oder auch nicht. Denise konnte sich keinen Reim darauf machen. Anscheinend hatte die ganze Sache etwas mit DORGON zu tun. Wenn nun aber Nadine Schneider ermordet wurde, dann von wem? Warum? Wer besaß die Macht dazu?

»Was gibt es jetzt zu essen?«, fragte Leopold plötzlich.

Denise schreckte hoch, fasste sich schnell wieder. Sie hatte die anderen ganz vergessen. Ihr gegenüber saßen Leopold und Jaques de Funes. Etwas weiter ab kauerte das Pärchen. Der Unither Totsol sammelte Holz.

»Hühnerkeule«, sagte Denise schnippisch.

»Ich bin kein Huhn! Ich bin ein Somer. Das ist ein Unterschied. Ich bezeichne dich auch nicht als Äffchen«, konterte Leopold erstaunlich mutig. Das überraschte selbst Denise.

»Obwohl ich anmerken möchte, dass du bei mir ruhig mal am Ast wippen kannst«, fügte er kichernd hinzu.

Denise verdrehte die Augen. Der Moment des Respekts für den Somer war wieder so schnell vorbei, wie er gekommen war. Dass dieser pinguinähnliche Estarte der Halbbruder des legendären Somer Sam war, war wirklich schwer zu glauben.

»Können Sie nicht mal irgendetwas anderes zu unserer misslichen Lage beitragen als Ihre infantilen Zweideutigkeiten?«, rügte ihn Jaques de Funes. Der kleinwüchsige Terraner, vielleicht gerade mal 160 Zentimeter groß, wischte sich den Schweiß von seiner hohen Stirn. »Vielleicht etwas oberhalb der Gürtellinie? Oder reicht ihre Phantasie nicht soweit?«

»Okay, okay, okay! Wir sind auf einem fremden Planeten«, meinte Leopold schließlich.

»Scharfsinnig«, erwiderte de Funes gelangweilt.

»Wir suchen Einheimische«, schlug der Somer vor. »Die sagen uns bestimmt, wo wir sind und helfen uns, zur Erde zurück zu kommen.«

»Der erste vernünftige Satz, den ich von dem Dicken höre«, meinte de Funes aufgeregt. »Dann können wir endlich wieder von hier wegfliegen. Ich muss dringend zu meinem Termin.«

»Wer ist hier dick?«, protestierte Leopold entrüstet.

»Ich weiß nicht, ob das so klug ist«, gab Denise Joorn zu.

Ihr behagte nicht sonderlich der Gedanke, dass sie mit Absicht hier gestrandet waren. Davon konnte man jedoch ausgehen. Wenn dies auf Nadine Schneiders Konto ging, vermutete Denise, dass Schneider auch auf dieser Welt starb. Das würde bedeuten, dass ihr Mörder ebenfalls auf diesem Planeten war und durchaus zu den Einheimischen gehören konnte.

Denise äußerte ihre Bedenken, doch während der Somer und de Funes sich darüber stritten, ob er denn nun dick oder nur kräftig gebaut war, waren die anderen waren mehrheitlich für Leopolds Vorschlag.

Also gab Denise widerwillig nach und so machte man sich am nächsten Morgen auf den Weg, mit dem Ziel, eine Siedlung zu finden. Für Denise erschien es vor allem wichtig Wasser zu finden, doch bisher hatte sich die Umgebung als äußerst unwirtlich erwiesen.

Sie gingen in nördliche Richtung, in der Hoffnung, dort eine bessere Vegetation anzutreffen und tatsächlich fanden sie nach einem halben Tagesmarsch einen Gebirgsbach.

»Wir sollten dem Bach stromabwärts folgen. Siedlungen befinden sich in der Regel in Wassernähe, vielleicht finden wir so Einwohner dieses Planeten.«

»Falls es überhaupt welche gibt«, unkte Alan Horrorwitz.

»Womöglich gibt es hier Kannibalen«, meinte Leopold.

»Das hängt davon ab, ob sie Menschen oder Vogelwesen sind«, erwiderte de Funes. »Wenn es sich um Menschen handelt, die Sie verspeisen, sind es ja keine Kannibalen, sondern Gourmets … Ach, jetzt hätte ich Appetit auf ein saftiges Brathähnchen.«

Der Somer sah den Geschäftsmann empört an. »Komm bloß nicht auf falsche Gedanken! Vielleicht gibt es hier ja auch Lebensformen, die sich ausschließlich von Menschenfleisch ernähren.«

»Hört auf mit diesem Blödsinn. Niemand wird verspeist«, rief sie Denise Joorn zur Ordnung.

»Außerdem haben wir noch jede Menge von diesen leckeren Notrationen, die in der Rettungskapsel lagen«, meinte Totsol.

»Pfui!«, riefen Leopold und De Funes gleichzeitig.

Totsol öffnete eine der Rationen und verzehrte sie.

»Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Die schmecken doch prima.«

Nach einer Stunde Pause setzten die Gestrandeten ihren Weg fort.

 

Kapitel 8 – In Gefangenschaft

Erneut erwachte Alaska Saedelaere. Als er wieder einigermaßen bei sich war, blickte er sich um. Der Terraner lag auf einer harten Pritsche, die sich in einer einfachen Zelle befand. Anstatt einer Tür befand sich ein großes Gitter an Eingang. Alaska fühlte sich an alte Western erinnert, die er sich in seiner Jugendzeit angesehen hatte. Dort hatte es auch solche Gefängniszellen gegeben.

»Sehen Sie, Doktor Zarrytor. Dieser Mensch ist erwacht«, hörte Alaska eine hohe Stimme sagen.

An den Gitterstäben standen zwei Käfer. Der eine, der gesprochen hatte, sah aus wie ein Borkenkäfer, der andere wie ein Maikäfer. Beide waren etwa zwei Meter groß und mindestens 250 Kilo schwer, schätzte Alaska.

»So früh schon? Erstaunlich. Bei der Dosis, die man ihm gespritzt hat, hätte er eigentlich erst in ein paar Stunden aufwachen sollen. Sehr interessant. Bereite ein paar Verhaltenstests vor, Kut.«

»Ja, Doktor Zarrytor.«

Der angesprochene Assistent Kut ging davon und Doktor Zarrytor blickte Alaska neugierig an.

»Gefalle ich Ihnen?«, fragte Alaska sarkastisch.

Erschrocken wich der Maikäfer zurück.

»Du kannst ja wirklich sprechen! Das ist ja ganz erstaunlich«, fand der Wissenschaftler.

»Da, wo ich herkomme, nicht.«

»Und wo kommst du her?«

»Aus der Galaxis Milchstraße, vom Planeten Terra. Doch diese Namen dürften Ihnen nichts sagen.«

Zarrytor starrte ihn an. Alaska konnte das Verhalten des Käfers nicht deuten und entschied sich, lieber nur zu reden, wenn er gefragt wurde. Womöglich dachten diese Insekten, dass außer ihnen keine anderen Lebensformen gab und er verletzte womöglich ein Tabu. Alaska hatte schon so oft ignorante, primitive Lebensformen getroffen, die sich für die Krone der Schöpfung hielten.

»Du kommst also von einer anderen Welt«, sagte Zarrytor schließlich. »Dies erklärt so manches. Auf dieser Welt können nur wenige Menschenstämme sprechen. Und diese leben weit weg von hier. Menschen sind in der Regel nur wilde Tiere und zu wenig zu gebrauchen. Die sieben Krieger der Götter berichteten uns in ihrer unendlichen Gnade und Weisheit, dass es außerirdische Intelligenzen gibt. Doch, dass ausgerechnet Menschen dies sein sollen, muss ich erst einmal verdauen.«

Alaska war angenehm überrascht. Die Insekten wussten also, dass es außerirdisches Leben gab. Sie waren intelligent. Vielleicht konnte er sich mit Zarrytor einigen. Doch wie passten die Cantaro in dieses Bild?

»Wer sind die sieben Krieger der Götter?«, fragte Alaska mutig.

»Vor Tausenden von Jahren erhob sich unser Volk gegen seine Unterdrücker und übernahm die Herrschaft auf diesem Planeten. Die Insekten vereinigten sich und gründeten Insektoidia. Seitdem leben sie in Eintracht zusammen. Vor einigen Generationen erschienen die sieben Krieger der Götter. Sie boten den Insektoiden Schutz vor dem bösen Teufel DORGON an und priesen den guten, großen Gott Insygnir an. Insygnir ist das vollkommene Insekt, das im ständigen Kampf gegen den Teufel DORGON liegt. Da die Götter immer gut zu unserem Volk waren, respektierten die Insektoiden von nun an die sieben Krieger Gottes und huldigten ihnen. Nach der Ankunft der Götter erlebte Insektoidia ein neue Blütezeit der Kultur und der Wissenschaft. Die Technologie wurde vorangetrieben, doch nicht zu viel, da die Insektoiden naturverbunden sind und es nicht im Sinne der Götter ist, die Natur zu beschädigen.«

Nun wusste der Terraner schon besser Bescheid. Das Erwähnen von DORGONs Namen und die Bezeichnung als Teufel ließ ihn ahnen, dass die Cantaro, die mit den sogenannten Sieben Kriegern der Götter identisch waren, für MODROR arbeiteten. Auch hier war dieses mächtige Wesen aktiv. Doch was lag ihm an diesem unbedeutenden Planeten? Und wieso sprachen die Insektoiden Interkosmo?

»Wahrscheinlich versteht du gar nicht, was ich meine«, sagte Zarrytor, der Alaskas Schweigen falsch deutete.

»Ich verstehe Sie sehr gut, Doktor. Sogar besser als Sie denken. Auf meiner Welt hat die Evolution einen umgekehrten Weg genommen. Der Mensch entwickelte sich zur Hauptlebensform und besiedelte das Weltall. Ich habe schon viele Völker und Kulturen gesehen und mit ihnen Freundschaft geschlossen. Ich würde auch gern Freund der Insektoiden sein.«

»Ein Insektoide soll Freundschaft mit einem Menschen schließen? Das ist ja lächerlich«, sagte Zarrytor wenig diplomatisch.

»Zumindest gibt es keinen Grund, mich hier länger festzuhalten. Ich bin kein Tier, wie sie inzwischen festgestellt haben dürften. Ich ersuche daher um meine Freilassung.«

»Du hast hier gar nichts zu fordern, Mensch! Im Übrigen muss eine solche Entscheidung von General Fykkar getroffen werden. Vielleicht gebe ich ihm eine entsprechende Empfehlung. Doch zunächst will ich dich gründlich untersuchen. Womöglich bist du auch ein Spion des bösen Teufels DORGON.«

Alaska seufzte resignierend und setzte sich wieder auf seine Pritsche. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte. Diese Wesen waren zu tief in ihrer Denkstruktur gefangen. Vielleicht gab es später eine Möglichkeit zu entkommen. Vorerst blieb ihm nichts anderes übrig als abzuwarten.

 

Kapitel 9 – General Fykkar

Zwei Tage lang waren Denise Joorn und ihre Begleiter durch das öde Gebirge gewandert und waren dem Bach immer weiter bergab gefolgt. Schließlich mündete der Bach in einem Fluss.

Man beschloss dort, am Fuße eines Wasserfalls zu biwakieren. Die beiden Frauen nutzten die Gelegenheit, um endlich einmal wieder zu baden. Sehr zur Freude von Leopold, der beschloss insgeheim dabei zuzusehen. Dabei war weniger die pummelige Debby, die zudem noch von ihrem Freund Alan Horrorwitz begleitet wurde, Objekt seiner Begierde, sondern Denise Joorn. Der seltsame Somer hatte ein Okular aus der Rettungskapsel mitgenommen, das er nun zu seinem Vorteil zu nutzen gedachte. Leopold versteckte sich hinter einem Felsen und beobachtete genüsslich, wie sich Denise Joorn auszog und ins Wasser ging.

»Nein! Man fasst es nicht!«, hörte er plötzlich eine laute Stimme rufen. Es war Jaques de Funes. »Das schlägt ja wohl dem Fass den Boden aus! Setzt sich der Kerl da hin und beobachtet unbekleidete Damen!«

»Bekleidete Herren zu beobachten hätte ja wohl wenig Sinn«, verteidigte sich Leopold. »Außerdem habe ich überhaupt nicht Denise beobachtet, sondern nur die Natur und die Vögel und so.«

»Also, dass Sie der Bruder des berühmten Sruel Allok Mok sein sollen, begreife ich nicht. Wenn ich der wäre, würde ich Sie verleugnen«, meinte de Funes.

»Hat er auch. Außerdem ist er nur mein Halbbruder. Ich bin ein peinlicher Fehltritt unseres Vaters. Während Sam eine steile Karriere als Politiker machte, jobbe ich als Tellerwäscher oder WC-Reiniger. Ich bin sozusagen der schwarze Vogel der Familie, wenn du so willst.«

»Das schwarze Schaf, meinen Sie.«

»Das auch.«

»Trotzdem erscheint es mir höchst seltsam, dass ein komischer Vogel wie Sie terranischen Frauen nachstellt. Sie sind doch nicht etwa pervers?«, fragte de Funes mit besorgter Miene.

»Nicht mehr als euer Ronald Tekener. Der hat sich ja auch ′ne Miezekatze ins Bettchen geholt.«

De Funes schüttelte verständnislos den Kopf. »Eine Ausdrucksweise haben Sie am Leib, also nein.« Der Geschäftsmann blickte besorgt auf sein Chronometer. »Meinen Geschäftstermin kann ich wohl vergessen. Das schaffe ich nie.«

»Was soll′s? Futsch ist futsch. Genieße lieber das Leben, Jackie«, meinte Leopold und beobachtete gespannt, wie Denise Joorn wieder aus dem Wasser kam. Danach gab er de Funes das Okular. »Falls du auch mal gucken willst.«

»Und was machen Sie?«

»Ich geh schiffen«, gab Leopold salopp zurück.

»Schiffen?«, fragte der Geschäftsmann verständnislos.

»Pipi.«

»Ach so.«

Als der Somer gegangen war und de Funes sich unbeobachtet fühlte, warf er auch einen Blick durch das Fernglas, in der Hoffnung, einen Blick auf Denise Joorn erhaschen zu können. Doch Denise war schon weg. Stattdessen kam nun die füllige Debby Bakin aus dem Wasser, ebenfalls unbekleidet, was angesichts ihrer zahlreichen Fettpolster und Speckrollen, die an ihrem massigen Körper herabhingen, nicht sehr sehenswert war.

»He, was machst du da?«, rief plötzlich eine Stimme hinter Jaques de Funes, der zutiefst erschrak. Es war Alan Horrorwitz, der sichtlich erregt war.

»Ich, äh, ich sondiere die Lage«, sagte der kleine Mann verlegen.

»Du guckst hinter meiner Freundin her«, beschuldigte ihn Horrorwitz.

De Funes winkte ab. »Ich bitte Sie, da gibt es ja nun wirklich nichts zu gucken. Man hat ja schließlich Geschmack«, sagte der Geschäftsmann zu dem verdutzten Horrorwitz und ließ ihn stehen.

*

Am nächsten Tag zog die Gruppe weiter flussabwärts. Die Vegetation war nun fruchtbarer. Es gab Bäume und Pflanzen. Die Temperaturen waren höher als im Gebirge. Denise schätzte um die 30 Grad Celsius herum.

Immerhin wehte ein angenehmer Wind, was den Marsch etwas erleichterte, zudem hatte man genügend Wasser. Dann, gegen Nachmittag, entdeckten sie eine Ortschaft.

»Leopold, gib mir bitte das Fernglas«, sagte sie zu dem verdutzten Somer.

»Welches Fernglas?«

»Das, mit dem du mich gestern beim Baden beobachtet hast.«

Peinlich berührt holte Leopold das Okular aus seinem Tornister und gab es Denise, die damit die Gegend sondierte.

»Da ist eine Siedlung. Das sieht nach einer entwickelten Zivilisation aus. Es scheint auch reger Betrieb zu herrschen«, berichtete die Archäologin, die für solche Dinge einen Blick hatte.

»Na endlich! Wir sind gerettet! Jetzt brauchen wir nur noch hinzugehen«, freute sich Alan Horrorwitz.

»Nicht so voreilig«, warnte ihn Denise Joorn. »Wir wissen nicht, ob die uns freundlich gesonnen sind. Vielleicht mögen die keine Eindringlinge.«

»Ach, Unsinn! Ich habe es langsam satt!«, regte sich Horrorwitz plötzlich auf. »Immer haben Sie was zu meckern! Sie sind doch nur eine wichtigtuerische Emanze!«

»Na, ich muss doch bitten! So spricht man aber nicht mit einer Dame«, protestierte Jaques de Funes.

»Halt du dich da raus, du Zwerg!«, giftete Horrorwitz. Der Mann schien mit seinen Nerven allmählich am Ende zu sein. Er wandte sich an die anderen: »Ich sage: Gehen wir hin und bitten wir die Fremden um Hilfe.«

»Ich bin auch Alans Meinung. Ich kann nicht mehr weiterlaufen. Mir tun ja so die Füße weh«, stimmte die mollige Debby Bakin ihrem Freund zu.

Der Unither Totsol schüttelte seinen Rüssel. »Ich finde, Denise Joorn hat recht. Wir sollten vorsichtig sein. Was wissen wir denn schon von diesen Wesen? Vielleicht mögen sie keine Eindringlinge?«

»Dann bleib doch hier, du sturer Elefant! Ich habe es satt, hinter dieser aufgeblasenen Tussi hinterher zu rennen. Ich gehe hin und bitte um Hilfe. Wenn ihr zu feige seid, dann bleibt eben hier.«

Denise erkannte, dass es keinen Sinn hatte, Horrorwitz umzustimmen. Er war offensichtlich solche Strapazen nicht gewöhnt und würde alles tun, um sie sobald wie möglich zu beenden. Dennoch unternahm sie noch einen Versuch.

»Lassen Sie uns doch erst einmal ein paar Stunden warten und die Wesen beobachten. Außerdem sollten wir die weitere Umgebung sondieren und uns nach einem möglichen Versteck umsehen, falls wir fliehen müssen.«

Horrorwitz verdrehte unwillig die Augen. »Ich höre mir diesen Quatsch nicht länger an. Ich gehe. Was ist mit dir, Pinguin, kommst du auch mit?«

»Nö, ich bleibe bei meiner Denise«, lehnte der Somer resolut ab.

»Dasselbe gilt für mich«, schloss sich Jaques de Funes an.

»Dann bleibt doch hier und verreckt! Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben. Komm, Debby, wir gehen.«

Erbittert wandte sich Horrorwitz ab und stapfte in Richtung Siedlung davon. Seine mollige Freundin stapfte hinter ihm her.

»Also nein, ein Benehmen hat dieser junge Mensch. Es ist nicht zu fassen«, klagte de Funes pikiert.

»Schlecht drauf, der Junge«, stimmte Leopold zu.

»Wir sollten sie im Auge behalten. Vielleicht brauchen sie unsere Hilfe«, meinte Denise Joorn.

Totsol deutete auf einen Hügel, der in der Nähe lag. »Von dort aus könnten wir sie beobachten«, schlug der Unither vor.

»Einverstanden«, stimmte Denise zu.

Die vier stapften auf den Hügel und legten sich dort auf die Lauer. Denise Joorn holte den Feldstecher hervor und beobachtete, wie Alan Horrorwitz und Debby Bakin sich auf die Siedlung zu bewegten.

Es war ein recht kleiner Ort und schien als vorgeschobener Stützpunkt zu dienen. Denise fühlte sich an ein Römisches Kastell erinnert. Am Eingangstor standen zwei Wesen. Es waren Insektoiden, die wie rote Ameisen aussahen. Beide waren mit Karabinern bewaffnet. Denise sah, wie die Wachen auf die beiden, ankommenden Menschen aufmerksam wurden und ihre Gewehre auf sie richteten.

Alan Horrorwitz hielt seine Hände ausgestreckt und zeigte damit seine Friedfertigkeit. Immerhin hatte er einen der beiden Translatoren, die sich in der Rettungskapsel befanden, mitgenommen, und war so klug ihn einzuschalten. Debby Bakin blieb hinter Horrorwitz stehen, während dieser auf die beiden menschengroßen Ameisen einredete, die ihn erstaunlich schnell zu verstehen schienen.

Die Wachen bedeuteten den beiden Terranern stehen zu bleiben, was diese auch taten. Eine der Ameisen ging zu einem Kasten, der am Eingangstor hing und öffnete ihn. Darin befand sich, zu Denises Erstaunen, ein Telefon. Der Wächter rief offensichtlich seine Vorgesetzten an, um Instruktionen einzuholen.

*

General Fykkar war zufrieden mit sich selbst. Alles verlief planmäßig. Lorsahl war zufrieden mit seiner Arbeit und hatte versprochen, dem Militär neue Technologie zur Verfügung zu stellen. Insektoidia hätte schon viel weiter sein können, wenn nicht diese alten, erzkonservativen Männer im Rat gewesen wären, die davor warnten, dass zuviel Technologie der Umwelt und somit der Zivilisation der Insektoiden schaden konnte. Was für dumme Öko-Narren sie doch waren. Wirtschaftliches Wachstum und Ausbreitung des Machtbereiches waren in Fykkars Augen viel wichtiger als auf irgendwelche Tiere, Gewässer oder Pflanzen Rücksicht zu nehmen.

Der technische Fortschritt war nicht aufzuhalten und das Militär spielte dabei eine wichtige Rolle. Lorsahl hatte angedeutet, dass die Armee in einiger Zeit mit Strahlenwaffen ausgerüstet werden sollte. Dann würde es nur noch eine Frage der Zeit sein, wann Fykkar und seine Gesinnungsgenossen, die schon jetzt im Hintergrund als eine Art Schattenmacht agierten, offen die Macht übernahmen. General Fykkar beabsichtigte dann natürlich erster Mann im Staat zu sein. Bis dahin musste man jedoch noch vorsichtig agieren und Rücksicht auf die alten, senilen Narren im Rat nehmen.

Sein Adjutant schwirrte heran und störte Fykkar in seinen schönen Träumen.

»Was ist denn, Bree?«

»Eine Nachricht von unserem vordersten Stützpunkt. Zwei Menschen, die sprechen können und seltsame, zivilisierte Kleidung tragen, stehen vor dem Tor und ersuchen um Hilfe. Könnten das nicht Freunde von diesem seltsamen Kerl sein, den wir zu Zarrytor gebracht haben?«

»Noch mehr Menschen, die sprechen können! Du hast recht, Bree. Das bedeutet, dass es noch mehr von ihnen gibt. Das gefällt mir nicht. Sie könnten eine Gefahr für uns darstellen. Die Bewohner von Insektoidia dürfen nicht erfahren, dass es außer ihnen noch andere intelligente Wesen auf diesem Planeten gibt.«

»Zarrytor sagte doch, dass es sich um außerirdische Schiffbrüchige handelt. Wir müssen sie nur alle beseitigen, dann sind sie keine Gefahr mehr«, meinte Bree verschlagen.

»Das ist korrekt. Weise den Stützpunktkommandanten an, die beiden Menschen zu eliminieren. Anschließend soll er nach weiteren Fremden suchen und sie sofort töten lassen. Die Soldaten sollen keine Gefangenen machen!«

»Der Befehl wird sofort ausgeführt«, versicherte Bree zackig und schwirrte aus dem Arbeitszimmer seines Generals.

»Und ich werde dafür Sorge tragen, dass dieser Mensch, der sich bei Zarrytor aufhält, ebenfalls beseitigt wird. Dann ist diese Episode schnell wieder vergessen«, sinnierte Fykkar. Der General würde nicht erlauben, dass irgendwelche Fremde Unruhe nach Insektoidia trugen und damit seine Pläne störten.

*

Denise beobachtete weiterhin das Geschehen vor dem Tor der Siedlung. Die Insekten hielten Alan Horrorwitz und Debby Bakin weiterhin mit ihren Gewehren in Schach. Schließlich klingelte das Telefon und der Wärter ging heran, um seine Befehle entgegenzunehmen.

Horrorwitz schien ungeduldig zu werden und ging auf den Wärter zu.

Daraufhin versetzte der andere Wächter ihm einen Hieb mit dem Kolben, woraufhin der Terraner zu Boden ging. Nun überstürzten sich die Ereignisse. Der Wärter, der eben noch telefoniert hatte, nahm sein Gewehr, legte auf Horrorwitz an und schoss ihm eine Kugel in den Kopf. Debby Barkin schrie entsetzt auf und versuchte davonzulaufen. Die korpulente Frau bot den Insektoiden jedoch ein leichtes Ziel und wurde von ihren Kugeln regelrecht zersiebt. Schreiend fiel sie zu Boden und starb.

»Mein Gott!«, flüsterte Denise.

»Was ist geschehen?«, fragte Totsol.

Denise berichtete mit belegter Stimme, was passiert war.

»Sie hatten recht, Denise Joorn. Wenn wir alle gegangen wären, würden wir jetzt auch tot im Sand liegen«, meinte der Unither.

»Wir hätten sie nicht gehen lassen dürfen«, sagte Denise selbstkritisch.

»Sie haben versucht, sie aufzuhalten. Niemand konnte ahnen, dass die Eingeborenen so aggressiv reagieren würden.«

»Vielleicht hatten diese Insekten schon Kontakt zu anderen Überlebenden?«, überlegte Jaques de Funes.

Denise dachte an Alaska. »Dann wird es denen ebenfalls schlecht ergangen sein.«

»Was tun wir jetzt bloß?«, wollte Leopold wissen.

»Wir kehren wieder zurück in Richtung Gebirge. Hier können wir nicht weitergehen. Womöglich suchen die Insektoiden auch nach uns«, entschied Denise.

Kurz darauf machten sich vier Überlebenden auf den Weg.

*

»Der Befehl wurde ausgeführt, mein General.«

»Sehr gut«, freute sich das Hornissenwesen. »Entsende nun einen Trupp der Wespengarde zu unserem Vorposten. Sie sollen die ganze Gegend absuchen. Womöglich befinden sich noch mehr dieser außerirdischen Menschen dort. Wenn sie welche finden, sollen sie rücksichtslos vorgehen.«

»Jawohl, mein General.«

Bree schwirrte wieder davon und ließ seinen General zurück. Fykkar war einerseits erfreut über die schnelle Liquidierung der Menschen, andererseits beunruhigte ihn der Gedanke, dass es Menschen von anderen Planeten gab, die offenbar intelligent waren. Was nun, wenn diese Menschen nur die Vorhut einer Invasionstruppe waren?

Fykkar beschloss, mit Doktor Zarrytor darüber zu sprechen und suchte ihn in seinem wissenschaftlichen Institut auf. Fykkar mochte den Akademiker nicht sonderlich, aber bislang hatten sie immer gut zusammengearbeitet.

»General, wie schön, Sie zu sehen. Was führt Sie an meine bescheidene Arbeitsstätte?«, erkundigte sich der Wissenschaftler höflich. Sonderlich erbaut schien er über den unerwarteten Besuch nicht zu sein.

»Der seltsame Mensch, den ich zu Ihnen geschickt habe. Ich habe Ihren ersten Bericht mit Aufmerksamkeit gelesen. Er ist also wirklich intelligent?«, vergewisserte sich der General.

»Das ist der intelligenteste Mensch, den ich je gesehen habe. Er unterscheidet sich total von den dummen Tieren, mit denen wir sonst zu tun haben. Selbst von denen, die weit weg leben. Er nennt sich übrigens Alaska Saedelaere.«

»Halten Sie seine Angaben hinsichtlich seiner Herkunft für glaubhaft, Doktor?«

»Dass er aus dem Weltall stammt? Ja, das tue ich. Er kann unmöglich von unserer Welt stammen. Kein Wesen auf dieser Welt ist so hoch entwickelt wie wir Insektoiden. Das bedeutet natürlich nicht, dass es auf anderen Planeten nicht anders sein kann. Besonders bemerkenswert ist, dass er offenbar über zwei Häute verfügt, dies habe ich noch nie bei Menschen gesehen, ganz abgesehen von der unterschiedlichen Kleidung.«

Fykkar schwieg nachdenklich.

»Woher kommt Ihr plötzliches Interesse an dem Gefangenen, wenn ich fragen darf, General?«

»Vor ein paar Stunden sind bei unserem Vorposten am Rande der Tabu-Zone zwei Menschen aufgetaucht, die ebenso sprechen konnten wie dieser Alaska Saedelaere«, berichtete Fykkar.

»Das ist ja hochinteressant. Kann ich sie untersuchen?«

»Höchstens ihre Kadaver. Ich habe sie erschießen lassen.«

»Aber wieso denn?«, fragte der Wissenschaftler entsetzt.

»Vielleicht ist Ihr Exemplar doch nicht so einzigartig, wie Sie denken. Womöglich sind diese Menschen nur die Vorhut einer Invasion«, meinte Fykkar.

»Dieser Alaska hat gesagt, dass er ein Schiffbrüchiger ist. Womöglich sind noch andere seiner Art hier gestrandet«, mutmaßte Zarrytor.

»Wie dem auch sei. Ob so oder anders: Diese Menschen werden beseitigt – alle. Das gilt auch für ihr Studienobjekt, Doktor.«

»Das dürfen Sie nicht so einfach tun! Dagegen lege ich mein Veto ein. Dieses Exemplar ist zu einmalig, um einfach getötet zu werden«, protestierte der Wissenschaftler.

»Wie Sie wollen. Auf Ihre Verantwortung. Aber ich warne Sie: Wenn dieser Alaska gegen meine Sicherheitsinteressen verstößt, werde ich ihn töten. Und wenn es nicht so geht, dann eben anders.«

»Gewiss, General. Ich beabsichtige auch nicht ihn frei zu lassen. Eine Bitte hätte ich jedoch noch: Bei diesem Alaska befand sich eine Eingeborene, als er ergriffen wurde. Ich würde sie gerne untersuchen. Womöglich haben sie sich gepaart. Das muss geklärt werden. Könnte man mir dieses Weibchen bringen lassen?«

Fykkar dachte kurz nach, dann stimmte er zu.

»Meinetwegen. Falls sie trächtig ist, muss sie eben auch sterben.«

 

Kapitel 10 – Insekten und Menschen

Denise und ihre Begleiter hatten in einem Gewaltmarsch das Gebiet um die Siedlung verlassen. Sie liefen nun am Rande des Gebirges entlang. Denise war in Sorge, dass die Insektoiden nach ihnen suchen würden. Doch bei Einbruch der Dunkelheit war sie beruhigter und sie beschloss, in Rücksicht auf den immer mehr schnaufenden Leopold, ein Nachtlager aufzuschlagen.

»Hier sind wir von Felsen geschützt. Bleiben wir über Nacht hier«, sagte die Archäologin zu ihren Begleitern.

»Wie soll es jetzt nur weitergehen? Wir sind verloren!«, unkte Jaques de Funes.

»Blödsinn! Solange ich bei euch bin, seid ihr vollkommen sicher«, meinte Leopold großspurig.

»Gut, dann kannst du ja auch die erste Wache übernehmen, Leopold«, sagte Denise schmunzelnd.

»Auch das noch«, jammerte der Somer zusehends ruhiger.

»In zwei Stunden löse ich ihn ab«, bot de Funes an.

»Und wie soll es jetzt weitergehen?«, wiederholte Totsol, der Unither, Funes’ Frage.

»Wir müssen sehr vorsichtig sein. Es könnte sein, dass diese Insektoiden nach uns suchen. Wir werden das Gebiet erst einmal genau erkunden müssen. Unsere Lage hat sich nicht gerade verbessert. Meine Hoffnung besteht darin, dass wir Alaska Saedelaere wiederfinden. Seine Erfahrung könnte uns sehr weiterhelfen. Doch zunächst sollten wir schlafen. Wir werden unsere Kräfte noch brauchen.«

Während Denise Joorn, Totsol und Jaques de Funes sich zur Ruhe begaben, musste Leopold also Wache schieben. Er setzte sich auf einen Felsen und hielt Ausschau auf die karge Landschaft. Viel konnte er allerdings nicht erkennen, da Neumond herrschte. Wenigstens war es endlich angenehm kühl für den Somer. Die Hitze machte ihm manchmal ganz schön zu schaffen, was er vor den anderen natürlich nie zugeben würde. Leopold fragte sich nur, womit er das alles verdient hatte. Während sein Bruder Sam immer Erfolg gehabt hatte, klebte ihm das Pech an den Flügeln.

Sam war, wenn auch nur vorübergehend, zum Generalsekretär des Paxus-Rates aufgestiegen, während er auf den Weltraumstationen als WC-Reiniger arbeiten musste, um seine Spielschulden abzuarbeiten. Und nun saß er auch noch auf diesem öden Planeten fest und musste um sein Leben fürchten. Wie ungerecht das Universum doch war!

Bei so viel Selbstmitleid wurde Leopold müde und schlief schließlich ein.

»He, aufwachen, Sie Möchtegern-Nachtwächter«, hörte er auf einmal eine Stimme, die ihn unsanft aus dem Schlaf riss. Es war Jaques de Funes, der ihn ablösen wollte.

»Ich habe nicht geschlafen. Ich habe nur über unsere Lage scharf nachgedacht«, verteidigte sich der Somer.

»Das ist ja noch schlimmer. Was soll dabei schon herauskommen? Sie taugen nicht einmal als Nachtwächter. Was haben Sie eigentlich auf der auf der Raumstation gemacht?«

»Ich war der Leiter der Reinigungsabteilung«, übertrieb Leopold.

»Ach, darum waren die Toiletten so dreckig«, giftete der Frankoterraner.

»Wirklich? Das ist ja unerhört! Ich werde ein ernsthaftes Wort mit meinen Untergebenen reden müssen«, sagte der Somer entrüstet.

Plötzlich hielt Jaques de Funes inne. Er schien nach etwas zu lauschen.

»Was ist denn los?«, wollte Leopold wissen.

»Pscht!«, machte der Frankoterraner.

»Aber …«

»Nein, Klappe zu!«

Leopold schwieg also und de Funes lauschte weiter.

»Da surrt etwas«, meinte er nach einer Weile.

»Ich höre nix«, meinte Leopold.

»Ruhe! Kein Wort mehr oder es setzt was!«

Leopold schwieg widerwillig. Dann aber meinte er auch, etwas surren zu hören.

»Jetzt höre ich auch etwas«, flüsterte er.

»Hab ich doch gesagt. Das kommt von da drüben.«

De Funes deutete auf einige gegenüberliegende Felsen.

»Ob das die Ameisen sind?«, fragte Leopold ängstlich.

»Blödsinn, Ameisen surren nicht, die krabbeln höchstens. Außerdem hört sich das nur nach einem einzelnen Exemplar an«, meinte de Funes resolut.

»Und nun? Wecken wir die anderen?«, fragte der Somer ratlos.

»Nein, wir gehen erst einmal hin und sehen nach. Vielleicht ist es ja ganz harmlos.«

»Und wenn nicht?«

Der kleine Terraner holte einen Thermostrahler aus seiner Jacke hervor.

»Keine Angst, ich bin schwer bewaffnet.«

»Ich dachte schwerbehindert.«

De Funes lief im Gesicht rot an. »Frechheit! Los, komm mit. Du gibst mir Deckung, Leo«, befahl er dem Somer entschlossen.

»Und wer deckt mich zu?«

»Na, ich bestimmt nicht. Los jetzt, marsch!«

Langsam schlich sich das seltsame Duo an den Felsen heran. Wieder hörten sie dieses seltsame Summen, das immer wieder verstummte, um dann wieder zu ertönen. Als die beiden näher kamen, erkannten sie ein kleinen, dicken Insektoiden, der aussah wie eine Biene. Er hatte einen Spaten in der Hand, mit dem er ein Loch grub.

»Das ist aber anstrengend«, seufzte das Insektenwesen auf Interkosmo, was Leopold und De Funes höchst erstaunte.

Der Frankoterraner beschloss die Initiative zu ergreifen und richtete seinen Strahler auf den Fremden.

»Hände oder Extremitäten hoch oder wie immer das bei Ihnen heißt! Und keine falsche Bewegung!«, rief de Funes dem kleinen, dicken Insektoiden zu, der einen Schrei des Entsetzen ausstieß und dabei seinen Spaten vor Schreck fallen ließ.

Leopold befürchtete, dass das Bienenwesen versuchen konnte, weg zu fliegen, darum packte er es kurz entschlossen und hielt es fest.

»Tut mir nichts, dann tue ich euch auch nichts!«, flehte der Insektoide. Dabei ging das Wesen auf die Knie und verneigte sich demütig.

»Bisschen überspannt, der Kleine«, meinte Leopold.

»Hm, das könnte auch ein Trick sein. Hol ein Seil aus dem Ausrüstungskoffer und fessele ihn«, ordnete de Funes an und fuchtelte dabei nervös mit dem Strahler vor dem sichtlich beeindruckten Bienenwesen herum.

Leopold watschelte, so schnell er konnte, zu dem Koffer mit den Ausrüstungsgegenständen, der zu den Utensilien der Rettungskapsel gehörte, und holte ein Seil hervor. Danach kehrte er zu Jaques de Funes und dem Gefangenen zurück und fesselte diesen.

»Du hattest recht, Jaques, es ist keine Ameise«, sagte Leopold zu dem Terraner.

»Natürlich nicht, ich bin eine Biene«, stellte der Insektoide klar.

»Schweig und rede nur, wenn du gefragt wirst!«, raunzte ihn de Funes an. »Und jetzt frage ich dich: Wer oder was bist du?«

»Ich bin der Wyllrzzyytstzy«, antwortete das Bienenwesen.

De Funes sah das Wesen entgeistert an. »Wie bitte? Willst du mich verscheißern?«

»Warum sollte ich auf dich scheißen? Ich war doch vorhin schon. Aber mein Name lautet Wyllrzzyytstzy«, sagte der Insektoide ernsthaft.

»Das ist kein Name, das ist ein Zustand. Das klingt unanständig.«

»Nennen wir ihn doch Willy. Er erinnert mich ohnehin an eine Animationsfigur«, schlug Leopold vor.

»Das hört sich schon besser an. Also gut, du bist Willy. Und weiter? Woher kommst du? Was bist du?«

»Ich bin eine Bienendrohne aus Insektoidia«, erklärte Willy mit krächzender Stimme.

»Dann gehörst du auch zu diesen Ameisen, die unsere Freunde getötet haben«, schnauzte ihn de Funes empört an.

»Nein, Ameisen sind doch bei der Armee. Ich bin ein Gehilfe von Fräulein Cassyrahl.«

»Wer ist das denn nun wieder?«, fragte der Terraner unwirsch.

»Fräulein Cassyrahl ist Fräulein Cassyrahl.«

De Funes seufzte und wandte sich Leopold zu. »Der scheint wohl mal einen Dachziegel auf den Kopf gekriegt zu haben. Eine große Hilfe ist der ja nicht gerade.«

»Ihr habt es nötig. So komische Menschen wie euch habe ich auch noch nie getroffen. Schon gar nicht welche, die sprechen können.«

»Wie kommt es eigentlich, dass du unsere Sprache sprichst?«, wollte Leopold wissen.

»Wieso eure? Das ist doch meine Sprache!«, erwiderte Willy. »Eine andere kann ich nicht. Außerdem können Menschen doch gar nicht sprechen. Und so etwas Komisches wie dich habe ich noch nie gesehen.«

»Ich bin ein Somer im besten Mannesalter«, stellte Leopold klar. An de Funes gewandt, meinte er: »Ich glaube nicht, dass er zu den Mördern gehört. Er ist harmlos, wir sollten ihm vertrauen.«

»Meinst du? Na, meinetwegen. Ich will mal nicht so sein«, sagte der Terraner gönnerhaft und band das Bienenwesen los.

»Danke schön, das ist nett von euch. Von nun an will ich euer Freund sein«, bedankte sich Willy. »Wer seid ihr denn eigentlich und woher kommt ihr?«

Abwechselnd berichteten de Funes und Leopold dem staunenden Willy, woher sie kamen und was sie auf diesem Planeten erlebt hatten.

»Das ist eine tolle Geschichte. Die müsst ihr unbedingt Fräulein Cassyrahl erzählen. Sie ist Archäologin und macht hier in der Nähe Ausgrabungen. Ihr Spezialgebiet sind übrigens Menschen. Ich war vorhin hier, um etwas abseits von unserem Lager zu buddeln. Das Graben ist immer so anstrengend und hier kann ich wenigstens immer mal eine Pause machen, ohne ausgeschimpft zu werden.«

»Verständlich«, meinte Leopold.

»Archäologin sagst du?«, fragte de Funes aufgeregt. »Das nenne ich einen Zufall. Wir haben auch eine Archäologin bei uns. Sie heißt Denise Joorn und ich bin sicher, sie würde deine Cassyrahl gerne kennen lernen. Kannst du uns zu ihr führen?«

»Na klar«, versicherte Willy lässig.

Daraufhin weckten de Funes und Leopold Denise und Totsol und stellten ihnen Willy vor.

*

Denise brauchte ein paar Minuten, um das alles zu verarbeiten. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Sie wusste, dass es ein erhebliches Risiko war, in das Lager der Insektoiden zu gehen. Andererseits machte dieser Willy einen aufrichtigen, harmlosen Eindruck und es blieb ihnen auch gar nichts anderes übrig, als jemanden um Hilfe zu bitten, denn ihre Lage verzweifelt.

»Wie wird deine Cassyrahl reagieren, wenn sie uns begegnet?«, erkundigte sich Denise bei Willy.

»Sie freut sich bestimmt. Sie mag Menschen und glaubt, dass sie klüger sind, als der Rat von Insektoidia glaubt. Sie sagt, sie hätte Hinweise auf Sachen aus der Vergangenheit oder so. Aber das müsst ihr sie selber fragen, denn mir ist das zu hoch.«

Denise traf eine Entscheidung. »Also gut, führ uns in dein Lager, Willy!«

»Augenblick noch, ich hätte eine Frage«, meldete sich Totsol. »Wie viele Soldaten sind in eurem Lager?«

»Keine Soldaten. Wir sind nur Forscher und Gräber.«

»Das freut mich zu hören«, gab sich Totsol zufrieden.

Die vier packten ihren Sachen zusammen und als die Sonne aufging, flog Willy voran und führte sie quer durch die Wüste zu dem Ausgrabungslager, das sich etwa eine halbe Stunde Fußmarsch vom Lagerplatz entfernt befand. Denise bat Willy, erst einmal voraus zu gehen und seine Vorgesetzte über seinen ungewöhnlichen Fund zu informieren, was dieser auch bereitwillig tat.

»Seid wachsam und haltet eure Waffen bereit«, raunte die Archäologin ihren Begleitern zu.

Denise bemerkte, dass die Insektoiden – zum größten Teil Bienen – auf die Neuankömmlinge aufmerksam wurden.

»Da sind Menschen, die wollen bestimmt stehlen. Am besten bewerfen wir sie mit Steinen«, sagte eine Biene.

»Tolle Begrüßung«, meinte Leopold.

Denise ging langsam auf die Insekten zu.

»Wir wollen nichts stehlen. Wir kommen in friedlicher Absicht. Wir haben euren Freund getroffen und er hat uns hierher geführt«, erklärte sie den verblüfften Insektoiden.

»Die kann ja sprechen«, staunte ein Maikäfer.

»Und was sind das für seltsame Gestalten?«, wollte ein Grashüpfer neugierig wissen, als er Leopold und Totsol erblickte.

»Das müssen Mutationen sein. Fangt sie ein, damit wir sie sezieren können!«, befahl eine Biene.

Als sich einige der Insektoiden zusammenrotteten und drohend auf die vier zukamen, entsicherten diese ihre Waffen.

»Halt, aufhören! Geht wieder an eure Arbeit. Ich kümmere mich um diese Menschen«, sagte eine hochgewachsene Biene, die gerade angeflogen kam.

Neben ihr erkannte Denise Willy. Das musste Cassyrahl, die Leiterin der Ausgrabungsstätte sein. Die Insektoiden zögert zuerst, doch als Cassyrahl ihnen nachdrücklich befahl, wieder an die Arbeit zu gehen, gehorchten sie. Die Insektoide wandte sich dann an die ungewöhnlichen Neuankömmlinge.

»Zwei von euch sind Menschen. Aber solche Wesen, wie die beiden anderen, habe ich noch nie gesehen. Willy hat mir von seiner Begegnung mit euch berichtet«, sagte Cassyrahl freundlich.

»Wir kommen in friedlicher Absicht. Wir sind Gestrandete aus einer anderen Welt«, erklärte Denise.

Cassyrahl sah sie eine Weile an. »Ihr könnt wirklich sprechen. Unglaublich, aber wahr. Bitte kommt mit in mein Zelt und erzählt mir alles!«

Die Biene führte die vier und Willy in ihr Zelt. Dort berichtete Denise Joorn ausführlich von ihren Erlebnissen seit der Notlandung.

Besonders erfreut war sie, als sie hörte, dass Denise ebenfalls Archäologin war. »Welch eine Fügung, dass ich auf eine Menschenfrau treffe, die ebenso wie ich Archäologin ist und obendrein noch aus einer anderen Welt stammt. Nur gut, dass ihr mir begegnet seid.«

»Die Insektoiden aus der Siedlung waren leider nicht so freundlich. Sie haben unsere Begleiter umgebracht«, erinnerte Totsol, der Unither.

Cassyrahl blickte die vier traurig aus ihren Facettenaugen an. Zumindest interpretierten die anderen das so. Die Mimik der Biene war einfach zu fremdartig, um wirklich daraus lesen zu können.

»Dahinter steckt bestimmt General Fykkar. Er hasst Menschen, für ihn sind sie nur Ungeziefer ohne Gefühle und Intelligenz. Er darf euch niemals finden, sonst seid ihr verloren.«

»Da kann man ja Angst bekommen«, meinte Leopold unbeherrscht.

»Ich finde es sehr erstaunlich, dass ihr – ebenso wie wir – Interkosmo sprecht. Wir haben keinerlei Verständigungsschwierigkeiten«, wechselte Denise das Thema.

»Bei uns heißt es Insekto«, erklärte Cassyrahl. »Wir sprechen es seit Anbeginn unserer Kultur. Eine andere Sprache kennen wir nicht. Selbst die sieben Krieger der Götter sprechen sie.«

»Die sieben Krieger der Götter?«, fragte Denise Joorn.

»Habt ihr noch nie von ihnen gehört?«

»Nein, noch nie.«

Cassyrahl erzählte von der Ankunft der Götterboten und den Auswirkungen auf die Kultur der Insektoiden. Die Beschreibung der Gotteskrieger erinnerte Denise an die Cantaro, doch ohne sie gesehen zu haben, konnte sie sich darüber kein endgültiges Urteil bilden. Als sie dann noch den Namen DORGON hörte, wurde die Archäologin aufmerksam.

»Der Name DORGON ist uns bekannt«, erklärte sie ihrer Kollegin. »Jedoch ist er uns nicht als Teufel bekannt, sondern als gütiges Wesen, welches uns in seiner Entwicklung weit voraus ist.«

»Das ist faszinierend. Nicht alle Insektoiden glauben, dass die sieben Krieger gut sind, sondern im Gegenteil, schlecht für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Doch das dürfen sie nicht offen sagen, sonst würde der Regierungsrat sie verfolgen. Der Rat ist erzkonservativ und hat ein eigenes Geschichtsbild, dem niemand widersprechen kann, solange es keine Beweise gibt. Es hat lange gedauert bis ich endlich meine Ausgrabungsexpedition machen konnte, dabei ist noch so viel Gebiet unerforscht.«

Denise schmunzelte. »Vor langer, langer Zeit hatte unser Volk ähnliche Probleme. Doch dies haben wir hinter uns gelassen. Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, auch bei eurem Volk nicht.«

»Das macht mir Mut. Möchtet ihr unsere Ausgrabungsstelle besichtigen?«, fragte Cassyrahl.

Da war die Insektoide bei Denise Joorn genau an der richtigen Adresse, die sich nicht lange bitten ließ.

Cassyrahl führte die vier Schiffbrüchigen durch die Ausgrabungsstätten und erklärte Denise ihre Theorien. »Ich und einige andere Forscher sind der Meinung, dass es schon vor unserer Kultur auf diesem Planeten eine hoch stehende Zivilisation gegeben haben muss. Wir haben Funde gemacht, die darauf hindeuten. Vor Tausenden von Jahren wurde unser Volk von einem anderen unterdrückt, bis unsere Vorfahren sich dagegen auflehnten und eine eigene Zivilisation gründeten.«

»Und wer waren diese Unterdrücker?«, fragte Denise neugierig.

Cassyrahl machte eine Geste der Ratlosigkeit. Sie breitete die Arme aus. Eine Geste, die sie den Menschen abgeschaut hatte.

»Das wissen wir nicht. Entweder haben sie unsere Welt verlassen oder sie sind ausgestorben.«

»Oder ausgerottet«, warf Jaques de Funes trocken ein.

»Auch das ist möglich«, sagte Cassyrahl zurückhaltend. »Wie auch immer, wir wissen es nicht. Ich suche nun nach Artefakten aus jener Zeit, die meine Theorie untermauern. Außerdem bin ich der Meinung, dass die Menschen früher intelligent waren, so wie ihr. Die Begegnung mit euch hat mich darin bestärkt. Ich glaube, dass die Menschen einst diesen Planeten besiedelt haben. Doch aus irgendeinem Grund sind sie degeneriert. Diesen Grund möchte ich herausfinden. Womöglich spielen außerirdische Einflüsse eine Rolle. Unsere Welt ist sicher nicht so simpel, wie sich unsere Gelehrten und Politiker das vorstellen.«

»Da könntest du recht haben, Cassyrahl. Auch auf unserer Welt mussten wir mehrmals feststellen, dass die Geschichte oft nicht so war, wie sie sich den Menschen darstellte, was mehrfach auf außerirdische Einflüsse zurückzuführen war.«

Denise dachte dabei an ihre Erlebnisse mit den Kemeten und dass die Geschichte des alten Ägyptens anders war als zuvor angenommen.

Cassyrahl deutete auf das Gebirge, das vor ihnen lag. »Vor uns liegt die so genannte Tabu-Zone. Wenn ich dort forschen könnte, würde ich gewiss mehr über die Geschichte der Menschen und unsere eigene erfahren, doch der Regierungsrat hat das Betreten strengstens verboten. Selbst einflussreiche Forscher wie ich dürfen das Gebiet nicht betreten.«

Denise wurde stutzig. Sollte sich dort ein Geheimnis verbergen? Die Aussicht reizte die Archäologin ungeheuer. »Aus welchem Grund darf man nicht dorthin?«

»Die sieben Krieger der Götter haben es vor langer Zeit verboten, ohne einen Grund zu nennen. Bis heute haben sich die Insektoiden daran gehalten.«

»Und du? Wirst du trotzdem dort hingehen?«

»Gedacht habe ich schon daran, doch das könnte mich meine Stellung kosten und mein Leben ruinieren. Der Regierungsrat lässt in diesem Punkt nicht mit sich spaßen. Die Furcht von den sieben Kriegern ist zu groß.«

Nachdenklich blickte Denise auf das vor ihr liegende Gebirge. Vielleicht sollte das ihr nächstes Ziel sein. Womöglich gab es dort ein interessantes Geheimnis zu ergründen.

 

Kapitel 11 – Studienobjekte

Geduldig hatte Alaska Saedelaere alle nur vorstellbaren Verhaltenstests über sich ergehen lassen. Nur als man ihn in ein Laufrad, wie es Menschen für Hamster verwendeten, stecken wollte, protestierte er lautstark. Schließlich kam Doktor Zarrytor zu dem Ergebnis, das Alaska ein intelligentes Lebewesen war. Ein umwerfende Erkenntnis, wie der Terraner fand.

Besonders interessant fand Zarrytor Kummerogs Haut. Alaska hatte dem staunenden Wissenschaftler die Geschichte der Haut erzählt, wovon dieser ziemlich beeindruckt zu sein schien. Als Alaska dann wieder Gedankenversunken in seiner Zelle saß, erlebte er eine Überraschung. Zwei Käfer brachten eine Menschenfrau herein und steckten sie in eine Nachbarzelle.

»Ydira!«, rief Alaska und sprang von seiner Pritsche auf.

»Laska! Laska!«, gellte die primitive Menschenfrau, die Alaska von einem Häuptling als Geschenk erhalten hatte.

»Ihr kennt euch also. Sie ist also die richtige«, hörte Alaska die Stimme Doktor Zarrytors.

»Ich habe gehört, dass eine Menschenfrau bei dir war, als du ergriffen wurdest. Sie ist eine Primitive. Wie kommst du zu ihr?«

Alaska berichtete, wie er Ydira begegnet war und dass er sie als »Geschenk« ihres Vaters und Häuptlings erhalten hatte und wie sie seitdem treu hinter ihm her gegangen war.

»Seltsame Sitten haben diese Wilden«, murmelte der Doktor. »Wie dem auch sei, ich war der Ansicht, dass du sicher gerne menschliche Gesellschaft um dich hast.«

»Das stimmt, Doktor. Vielen Dank.«

Alaska war der Ansicht, dass Zarrytor es gut mit ihm meinte. Er beschloss, ihm zu vertrauen und ihn vor den Cantaro zu warnen. »Da gibt es etwas, dass ich Ihnen noch nicht gesagt habe, Doktor. Es geht um die sieben Krieger der Götter. Sie heißen in Wirklichkeit Cantaro und mein Volk hatte schon vor einiger Zeit mit ihnen zu tun.«

Alaska berichtete dem Wissenschaftler alles, was er über das Volk der Cantaro wusste und über ihre Schreckensherrschaft während der dunklen Jahrhunderte. Außerdem erzählte er von DORGON und dass dieser alles andere als teuflisch war, sondern gegen den bösartigen MODROR kämpfte.

Als Alaska geendet hatte, blieb Zarrytor eine Minute lang wie vom Donner gerührt stehen. Nur langsam fasste er sich wieder.

»In all meinen Jahren als Wissenschaftler habe ich noch nie eine solche ungeheuerliche Lügengeschichte und eine Ansammlung von böswilligen Verleumdungen gehört. So dankst du mir meine Freundlichkeit, Alaska Saedelaere.«

Alaska setzte zum Sprechen an, doch der Käfer unterbrach ihn abrupt. »Nein, sage besser nichts mehr. Ich kann und will nichts mehr davon hören.«

Zarrytor verließ fluchtartig das Labor.

Alaska setzte sich resignierend auf seine Pritsche und schalt sich einen Narren, das er den Mund aufgemacht hatte. Auch das naive Lächeln von Ydira konnte ihn nicht mehr aufheitern.

*

Zarrytor ging auf direktem Wege zu General Fykkar und berichtete ihm von seinem Gespräch mit dem Terraner.

»Dieser Mensch ist eine größere Gefahr als ich dachte«, meinte Fykkar. »Ich habe ja gleich gesagt, dass wir ihn beseitigen müssen.«

»Das ist nicht so einfach. Der Regierungsrat weiß mittlerweile von ihm und wünscht, ihn bald zu sehen«, gab Zarrytor zu Bedenken. »So einfach umbringen können wir ihn nicht. Wir dürfen nicht auffallen. Unsere Tarnung ist wichtiger als alles andere.«

»Dann lassen wir es eben aussehen wie einen Unfall«, sinnierte Fykkar. »Ich veranstalte bald wieder Zielübungen mit neuen Waffen, die Lorsahl uns geliefert hat. Dabei lassen wir ihn mitmachen – als Ziel. Im Bericht wird dann stehen, dass er versuchte zu fliehen, und dabei versehentlich auf das Testgelände geriet. Tja, er war eben doch nur ein dummer Mensch.«

»Ich weiß nicht …«, zauderte Zarrytor.

»Aber ich weiß es!«, herrschte Fykkar ihn an.

Die Tür öffnete sich und Fykkars Adjutant Bree kam herein. »Mein General, ich habe Nachricht von unserer Wespengarde. Sie haben Spuren von weiteren Menschen gefunden. Sie führen zum Rand der Tabu-Zone.«

Fykkar beugte sich nach vorn. »Gut, wenn sie die Menschen finden, sollen sie sofort töten. Diesmal darf es keine Gefangenen geben, klar?«

»Ja, mein General.«

Fykkar lehnte sich in seinen Sessel zurück. Je eher diese garstigen Menschen tot waren, desto besser, fand er.

*

Es war dunkel und Alaska saß in seiner Zelle und dachte nach. Etwas anderes hatte er ohnehin nicht zu tun.

Ydira schlief ruhig und friedlich. Sie ahnte nichts von den Sorgen, die den Unsterblichen quälten, glaubte er. Irgendwie beneidenswert, fand Alaska. Waren die geistig Schwachen nicht manchmal glücklicher als diejenigen, die viel wussten? Wissen konnte auch belastend sein. Wenn er doch nur einen Weg fände, aus diesem Labor zu entkommen …

Plötzlich hörte er ein Geräusch. Das Licht ging an, und Alaska sah ein Bienenwesen, das er noch nie hier im Labor gesehen hatte, hereinkommen. Wollte Zarrytor ihn jetzt doch beseitigen lassen oder war der Besucher harmlos?

»Hallo«, sagte Alaska ruhig.

Die Biene kam langsam auf ihn zu.

 

Kapitel 12 – Ausgrabungen

Denise und ihre Begleiter waren die Nacht über im Lager der Insektoiden geblieben und hatten sich angeregt mit Cassyrahl unterhalten. So hatte man mehr über die Sitten und Gebräuche, sowie die Hierarchie der Insektoiden erfahren. Über den Verbleib Alaska Saedelaeres oder anderer Schiffbrüchiger wusste Cassyrahl jedoch nichts zu sagen. Denise und Jaques de Funes waren die einzigen intelligenten Menschen, die ihr bislang begegnet waren.

Cassyrahl erzählte auch von General Fykkar und seiner Wespengarde, der man besser nicht begegnen sollte. Darum wollte Denise auch so bald wie möglich weiter. Sie wusste nur nicht wohin. Sollte man weiter nach Alaska Saedelaere suchen oder sollte man sich in die Tabu-Zone begeben?

Denise spürte, dass ein Geheimnis diesen Planeten umgab und dass dieses Geheimnis mit der sogenannten Tabu-Zone zu tun hatte. Die Archäologin beschloss, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen.

Am Morgen, als die Sonne schon aufgegangen war, wurde sie von Cassyrahl geweckt. »Denise, wach bitte auf! Meine Leute haben gemeldet, dass Einheiten der Wespengarde im Anflug sind. Sie dürfen euch hier nicht finden. Ihr müsst so schnell wie möglich aus dem Lager!«

»Ach du meine Güte! Wo sollen wir denn bloß hin?«, fragte Jaques de Funes, der ebenfalls erwacht war, besorgt.

»Wir gehen in die Tabu-Zone. Dorthin werden sie uns nicht folgen«, entschied Denise resolut und begann ihre Sachen zusammenzusuchen.

»Da könntest du recht haben. Aber wir wissen nicht, welche Gefahren dort auf euch lauern«, gab Cassyrahl zu bedenken.

»Bestimmt auch nicht mehr, als wenn wir hier bleiben«, gab Denise trocken zurück.

»Also gut. Ich werde versuchen, sie solange wie möglich aufzuhalten.«

So schnell wie möglich machten sich Denise und die anderen zum Abmarsch bereit.

»Geht von hier aus direkt auf den nächstgelegenen Berg zu. Dort, am Fuße des Berges, beginnt die Tabu-Zone«, empfahl Cassyrahl Denise.

»Machen wir. Vielen Dank für alles, Cassyrahl«, bedankte sich die Archäologin.

»Mögen die Götter euch beistehen. Lebt wohl«, verabschiedete sich die Biene traurig.

Auch Willy war geknickt, dass seine neuen Freunde Leopold und Jaques de Funes schon wieder gehen mussten.

Im Eilmarsch machten sich die vier auf den Weg.

Cassyrahl holte sich ein Fernglas und suchte den Himmel ab. In der Ferne sah sie, wie Angehörige der Wespen-Garde herangeflogen kamen. Etwa fünf Minuten später landeten sie im Lager.

Der Anführer der Flug-Gardisten kam auf die Archäologin zu. Ohne Umschweife kam er zur Sache. »Ich bitte die Störung zu entschuldigen, Doktor Cassyrahl, aber wir suchen nach wilden, gefährlichen Menschen. Ihre Spuren führen in die Richtung ihres Lagers.«

»Uns sind keine wilden Menschen begegnet«, erwiderte Cassyrahl, womit sie nicht einmal log.

»Ist das sicher? Sie müssen hier vorbeigekommen sein«, blieb der Offizier hartnäckig.

»Ganz sicher«, gab Cassyrahl ebenso hartnäckig zurück.

Eine weitere Wespe kam eilig heran geflogen. »Major, unser Kundschafter meldet, er hat mit dem Fernglas vier Fremde Wesen ausgemacht, die sich auf die Tabu-Zone zu bewegen«, meldete der Insektoide.

»Das müssen sie sein! Die ganze Truppe im Formationsflug mir nach!«, befahl der Major hektisch.

Kurz darauf flogen die Wespen, Cassyrahl schätzte, dass es etwa dreißig waren, ab. Traurig blickte sie in Richtung Tabu-Zone. Wenn ihre neuen Freunde es nicht rechtzeitig dorthin schafften, waren sie verloren.

»Schneller! Wir müssen uns beeilen«, rief Denise Joorn dem schnaufenden Leopold zu, der das Schlusslicht der Vierergruppe bildete, die im Eiltempo auf den Berg, an dem die Tabu-Zone begann, zu rannte.

»Ich kann nicht mehr! Gleich kriege ich einen Herzinfarkt«, jammerte Leopold und fasste sich an sein Herz. »Ach, lasst mich hier liegen. Ich sterbe jetzt den Märtyrertod!«

»So ein schlaffer Sack! Will sich einfach hinlegen und sterben. So was von faul hat man noch nicht gesehen«, maulte Jaques de Funes.

»Du schaffst es, Leo. Es ist nicht mehr weit«, sprach Denise dem Somer Mut zu.

Der Unither Totsol hob seine Hand. »Ich glaube, ich höre etwas.«

Denise holte das Fernglas heraus und suchte die Gegend ab. Dann sah sie die heran fliegenden Wespen. Sie waren nicht mehr allzu weit entfernt.

»Sie kommen! Los, weiter!«, befahl Denise. Sie und Jaques de Funes zogen Leopold mit sich. Doch dessen Tempo war nicht allzu schnell.

»So schafft ihr es nicht. Ich bleibe hier und halte sie auf«, sagte Totsol entschlossen.

»Das wäre Wahnsinn. Das lasse ich nicht zu«, gab Denise zurück.

»Du hast keine andere Wahl, Terranerin. Du hast uns bis hierher gut geführt. Versage nicht in diesem Augenblick. Geht jetzt, ich komme nach sobald ich kann«, blieb der Unither hart.

Denise spürte, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. Es war auch keine Zeit für Diskussionen, die Insektoiden kamen immer näher. Während Totsol seinen Thermostrahler herausholte und hinter einem Felsen Deckung suchte, rannten die drei anderen auf den Berg zu, der nur noch hundert bis zweihundert Meter entfernt lag.

Als sie den Rand des Berges erreichten, sah Denise wie die ersten Wespen herangeflogen kamen. Sie waren mit Projektilgewehren bewaffnet. In diesem Augenblick eröffnete Totsol das Feuer auf die ankommenden Insektoiden und schoss drei von ihnen ab. Die völlig überraschten Wespenwesen schwirrten aufgeregt durcheinander, während sie weiterhin von Totsol unter Feuer genommen wurden. Zwei weitere Insektensoldaten wurden getroffen und stürzten auf die Felsen. Der Unither versuchte nun sich langsam in Richtung des Berges zurückzuziehen. Die Wespen hatten sich nun wieder gesammelt und Totsol ausgemacht.

Sie erwiderten nun sein Feuer, dennoch gelang es dem Unither zwei weitere Insektoiden abzuschießen. Unterdessen kletterten Denise, de Funes und Leopold die Felsen hinauf, was den Wespen nicht verborgen blieb. Der Anführer befahl nun einen Großangriff auf Totsol. Die restlichen Wespen kreisten den Unither ein und griffen ihn von allen Seiten an. Totsol wehrte sich tapfer und schoss zwei weitere Wespen ab, dann versuchte er zum Berg durchzubrechen, doch darauf hatten die Wespen nur gewartet. Sofort waren sie über ihm, ein weiterer Wespensoldat wurde von Totsol getötet, doch dann stürzten sich mehrere auf ihn und töteten ihn mit ihren Stacheln.

*

Der Anführer der Wespen hatte inzwischen Denise und ihre Begleiter ausgemacht. Er befahl dem Rest seiner Leute zum Berg zu fliegen.

»Das können wir nicht, Major. Sie befinden sich bereits in der Tabu-Zone«, gab ein Unteroffizier zu Bedenken.

»Fliegt so dicht wie möglich heran und nehmt sie unter Feuer!«, befahl der Major seinen Leuten wütend.

*

Aus der Ferne hatte Denise das Ende des Unithers Totsol beobachtet. Doch zum Trauern blieb ihr keine Zeit, denn schon kamen die Wespen heran geschwirrt. Denise sah sich um, dann erblickte sie eine Höhle inmitten des Berges.

»Kommt, wir verstecken uns in der Höhle. Von dort haben wir bessere Deckung«, rief sie ihren beiden Begleitern zu.

Kaum hatte sie ausgesprochen, als dicht neben ihr Gewehrkugeln einschlugen. Die Wespen hatten sich in Reih und Glied aufgestellt und das Feuer auf die drei Flüchtlinge eröffnet. Denise, Leopold und Jaques de Funes flüchteten unter dem Kugelhagel in die Höhle. Am Eingang legten sie sich auf die Lauer und erwarteten den Angriff der Wespengarde. Doch die Wespen rührten sich nicht. Sie stellten das Feuer ein.

»Die warten bestimmt auf Verstärkung«, mutmaßte Jaques de Funes.

»Das glaube ich nicht. Sie dürfen uns nicht folgen, da wir uns nun in der Tabu-Zone befinden«, widersprach Denise.

»Und nun? Raus können wir nicht, dann schießen sie uns ab. Die warten doch nur darauf, dass wir herauskommen«, unkte Leopold ängstlich.

Denise sah sich um. Die Höhle ging noch tiefer in den Berg hinein.

»Hier bleiben können wir nicht. Wenn es dunkel wird, gehen wir tiefer in die Höhle hinein. Vielleicht gibt es einen Gang auf die andere Seite des Berges.«

»Da lauern bestimmt schreckliche Gefahren auf uns«, jammerte Leopold.

»Hasenfuß! So was hat man gerne: Immer ’ne große Klappe haben und dann nichts dahinter«, regte sich Jaques de Funes auf.

»Im Moment lauert draußen die größere Gefahr. Wir müssen es riskieren. Wir haben noch genug Proviant für einige Tage und unsere Taschenlampen. Wir werden die Höhle erkunden«, beschloss Denise.

Ein paar Stunden vergingen und nichts tat sich. Die Wespen hatten vor der Tabu-Zone ein Lager aufgeschlagen und warteten ab. Als es dunkel wurde, zogen sich Denise, Leopold und Jaques de Funes vom Eingang der Höhle ins Innere zurück. Sie stiegen hinab ins Unbekannte.

Als sie eine Weile hinabgeklettert waren, stießen sie auf einen Schacht.

»Das sieht aus, als wäre er vor langer Zeit angelegt worden«, meinte Denise.

»Vielleicht war das mal eine Howalgonium-Mine oder so etwas«, mutmaßte de Funes.

»Das glaube ich nicht. Sieht eher aus wie ein Untergrundbahnschacht«, erwiderte Denise.

Sie folgten dem Schacht eine Weile. Je weiter sie kamen, desto heller wurde es. Schließlich gelangten sie an den Ende des Schachtes. Dort trafen sie auf eine hell beleuchtete, große Halle. Dort befanden sich allerlei Läden und Stände. Es erinnerte die drei stark ein Einkaufscenter, wie es sie in den unterirdischen Städten von Terrania-City gab. Doch hier wirkte vieles verstaubt und zerfallen, so als ob seit Jahrhunderten niemand mehr hier gewesen wäre. Alles war menschenleer und wirkte geisterhaft und eine unheimliche Stille lag über den leeren Gebäuden.

»Was ist das?«, fragte Leopold staunend.

»Das hier«, sagte Denise bedächtig, »war einmal eine Stadt. Eine Stadt der Menschen.«

»Eine Stadt der Menschen? Wo sind die denn alle hin? Und was ist hier geschehen?«, fragte Jaques de Funes ungläubig.

»Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden. Lasst uns weitergehen.«

Denise hatte auf einmal ein ungutes Gefühl. Die drei gingen in die unbekannte Ruinenstadt hinein, ohne zu wissen was sie erwartete.

ENDE

Alaska droht ermordet zu werden, während Denise Joorn und ihre Begleiter seltsame Entdeckungen machen. In Band 75 »Welt der Insektoiden« schreibt Roman Schleifer mehr über die Entwicklungen im Grünen Universum.

 

 

 

Kommentar

Das grüne Universum

Das ist ein kleiner Schock für Alaska Saedelaere. Zuerst sieht es doch wirklich so aus, als würde er in einer ausweglosen Liebesstory mit Denise Joorn gefangen sein, doch urplötzlich wird die WITMAE in ein fremdes Universum katapultiert. Offensichtlich stehen die Ereignisse in enger Verbindung mit DORGON, denn es ist kein Zufall, dass Nadine Schneider Alaska kontaktiert hat. Dass Saedelaere den Tessma, welches als Psi-Quantenspürer von Schneider bezeichnet wird, in dem schäbigen Laden gefunden hat, ist ebenso wenig unbeabsichtigt wie das Passantum. Beides wird noch eine Rolle spielen bzw. der Psiq-Spürer hat bereits eine Rolle gespielt.

Alaska findet sich nun in einer Welt wieder, die versierte Science-Fiction-Leser an »Planet der Affen« erinnert. Es wirkt schon fast surreal. Insekten beherrschen die primitiven Menschen. Seltsam sind die Parallelen schon, denn diese Insekten sprechen auch noch ausgerechnet Interkosmo.

Wo befindet sich Alaska nun? Er kann einen Aufenthalt in der Milchstraße ausschließen, denn dort gibt es kein grünes Hintergrundleuchten.

Wo also ist er? In einem Paralleluniversum? In einem ähnlichen Gebilde, wie es ein Kosmonukleotid ist? Die Psiqs könnten ein Hinweis dafür sein, dass es irgendetwas mit Kosmonukleotiden zu tun hätte. Zur Erinnerung: Unweit von Cartwheel befindet sich TRIICLE-3, genannt UDJAT.

Dennoch scheint das alles keinen rechten Sinn zu ergeben. Und was ist aus Denise Joorn und dem seltsamen Somer Leopold geworden?

Die wichtigste Frage jedoch ist: Wo zum Teufel kommt der Cantaro her? Die Cantaro sind einst die Handlanger Monos gewesen und besetzten die Milchstraße für knapp 700 Jahre. Nachdem Monos besiegt worden ist, sind sie von ihrer Versklavung befreit und kehren zu ihrem Ursprungsvolk, den Anoree, zurück. Was macht ein Cantaro nun in dieser seltsamen Gegend?

Sowohl Alaska als auch Denise haben einiges über die Insekten in Erfahrung gebracht.

Die Bewohner dieser Welt wissen sehr genau, dass sie nicht die einzigen im Universum sind. Ihr Stand ist mit dem aus dem frühen 20. Jahrhundert zu vergleichen. Ihre Technologie besitzt Schusswaffen, primitivere Computer und vieles mehr. Dennoch gibt es bei den Insekten eine nicht geringe Anzahl an Naturfreunden, die eine hohe Technologie ablehnen.

Die Insekten benehmen sich teilweise sehr menschlich, insbesondere, was den Umgang mit dem »Tier« Mensch angeht. Anscheinend gibt es in der Region der Insekten – sie scheinen ihren ganzen Planeten nicht erforscht zu haben, zumindest gibt es keine Anzeichen dafür – nur primitive Menschen, obgleich in elitären Kreisen, wie des Dr. Zarrytor, es wohl bekannt ist, dass sprechende, zivilisiertere Menschen irgendwo auf dem Planeten existieren. Dieses Wissen wird mit Absicht nicht an die untere Schicht vermittelt. Die Hauptstadt der Insekten ist Insektoidia. Dort gehen die Bienen, Wespen, Käfer und Ameisen ihrer Arbeit nach. Eine skurrile Welt, denn man kann sich Insektoidia nicht wie Terrania City vorstellen. Die Bauten sind denen der Insekten angepasst. Die meisten können fliegen, d.h. Transportmittel werden nur für krabbelnde Insekten (Spinnen, Ameisen) benötigt. Welche Nahrung die Insekten zu sich nehmen und wie ein »Feierabend« aussieht, darüber kann man jetzt spekulieren.

Doch das wohl wichtigste an den Insekten ist ihr Gott oder die Gotteskrieger. Lorsahl ist einer von ihnen. Ein Cantaro. Noch ist es unklar, woher das Wesen stammt. Ist es nur einer? Gibt es mehrere? Von sieben ist die Rede gewesen. Warum wird DORGON als Teufel angesehen?

Die Exekution von Nadine Schneider muss für Alaska ein Schock gewesen sein. Seine Fragen sind berechtigt gewesen: Wie kann ein Konzept auf konventionelle Weise getötet werden? Doch es ist geschehen. Nadine Schneiders telepathischer Kontakt kurz vor ihrem Ableben bestätigt Alaskas schlimmste Vermutungen – Nadine Schneider existiert nicht mehr.

Die Gefahr für DORGON scheint größer zu werden und doch weiß keiner der Protagonisten, um welche Gefahr es sich eigentlich handelt. Sie tappen, wie die Leser, noch völlig im Dunkeln.

Nils Hirseland

 

 

 

GLOSSAR

Ler Ok Poldm »Leopold«

Geboren 1220 NGZ auf Som, Siom-Som. Größe: 1,13 Meter, Gewicht: 77 Kilogramm, Gefiederfarbe ist schwarzweiß, die Augenfarbe schwarz. Leopold redet viel und gern, ist dem terranischen weiblichen Geschlecht zugetan, spielt gerne und bringt sich oft in Schwierigkeiten.

Leopold ist ein Halbbruder von Sam, da sie dieselbe Mutter haben. Jedoch ist Leopold das ganze Gegenteil von Sam: Kein Verantwortungsbewusstsein, undiszipliniert, loses Mundwerk und nicht der Mutigste.

Während Sam steil eine Karriere als Politiker einlegt, jobbt Leopold nebenbei als Tellerwäscher und Kloputzer. Er ist ein großer Aufschneider und Unglücksrabe zugleich. Hinter dem Macho-Gehabe versteckt sich jedoch ein liebenswerter und weicher Kern.

Ydira

Ihr Alter ist ungefähr 23 Jahre, geboren wurde sie auf der Welt der Insektoiden, Insektoidia. Sie ist 1,65 Meter groß und wiegt ca. 52 Kilogramm. Ihre Haar- und Augenfarbe ist braun. Wie alle ihres Stammes wirkt sie in terranischen Maßstäben südländisch. Sie hat eine natürliche Schönheit und scheint Alaska treu zu sein.

Ydira ist die Tochter eines Stammeshäuptlings. Sie wird Alaska Saedelaere zum Geschenk gemacht, als dieser den Häuptling rettet. Ydira nimmt ihr Schicksal in Kauf und geht ein Gelübde mit dem fremden Mann ein.

Fykkar

Der General der insektoidischen Armee ist mit einer Größe von 2,39 Meter auch für die Verhältnisse seiner Artgenossen ein Riese. Er ist am ehesten mit einer Wespe oder einer Hornisse zu vergleichen. Fykkar regiert das Militär mit strenger Hand und ist ambitioniert, einmal den ganzen Planeten zu beherrschen.

Seine Loyalität gegenüber dem Cantaro Lorsahl ist unangezweifelt. Fykkar sieht in dem Menschen die einzig echte Bedrohung für seine Spezies. Außerdem gibt es sonst keine Feinde und seiner Auffassung nach braucht das Militär stets einen Krieg.

Jaques de Funes

Geboren am 1209 NGZ in Frankreich, Terra. Er ist 1,59 Meter groß und wiegt 61 kg. Sein Haar ist grau. Er hat eine Halbglatze. Die Augen sind blau. Er ist cholerisch, hat immer was zu beanstanden und regt sich künstlich viel auf.

Jaques de Funes ist Geschäftsmann. Er ist Handelsvertreter einer kleinen terranischen Firma und versucht, in Cartwheel neue Handelsbeziehungen zu knüpfen. Dabei verschlägt es den Choleriker und rechthaberischen Terraner zusammen mit Denise Joorn, Alaska Saedelaere und Leopold nach Insektoida.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 74, veröffentlicht am 26.09.2016

Titelillustration: Heiko PoppLektorat: Jürgen FreierDigitale Formate: Christina Hacker