Quarterium-ZYKLUS
Der Stolz des Quarteriums desertiert
Michael Berg
Was bisher geschah Im Jahre 1298 NGZ gelingt es den vereinten Kräften der Terraner, Saggittonen und ihrer Alliierten, den gefürchteten SONNENHAMMER zu vernichten und somit MODRORs Invasionsplänen vorerst ein Ende zu setzen. Die große Gefahr durch die finstere Entität scheint gebannt – doch in Wirklichkeit ruhen die Söhne des Chaos nicht. Innerhalb von sechs Jahren stampfen sie aus Cartwheel ein neues Imperium hervor – das Quarterium unter der Führung des Emperador de la Siniestro. Während sie sich öffentlich als friedliches Reich präsentieren, arbeiten die Söhne des Chaos in Wirklichkeit an der Umsetzung von MODRORs Eroberungsgelüsten. Nicht anders in M 100, Dorgon. Seit Jahren wird die Regierung unter Kaiser Commanus vom Sohn des Chaos Cau Thon manipuliert. Die Opposition wird als Verräter verschrien und der Bau einer gewaltigen Flotte wird von jedem akzeptiert. Die Flotte greift Anfang 1305 NGZ die estartischen Galaxien an und überrennt Siom Som. Die Rebellen in Dorgon sehen den Eroberungsgelüsten ihres Kaisers nicht tatenlos zu. Sie suchen in Cartwheel nach Hilfe. Dort feiert der Nachfolger eines legendären Schiffes seinen Jungfernflug. Es ist DER FLUG DER IVANHOE II … |
Hauptpersonen Saraah – Die Jerrer sucht bei der USO Hilfe Mathew Wallace - Der Erste Offizier der IVANHOE II Xavier Jeamour – Kommandant des 2.500 Meter Schlachtschiffes IVANHOE II Irwan Dove, Lorif, Dr. Jennifer Taylor, Zyrak Wygal, Tania Walerty, Timo Zoltan und Tym Elahrt – Besatzungsmitglieder der IVANHOE Janina Porter – Die Technikerin muss früh aufstehen Centrus Marcos Isurus – Jäger von Saraah Rosan Orbanashol-Nordment und Jan Scorbit – Die Chefs der USO in Cartwheel |
In den letzten zwei Jahren hatte die Anzahl der Terroranschläge stark abgenommen. Das Quarterium sorgte durch sein hartes Durchgreifen gegen die Alien-Allianz und später gegen kleinere radikale Gruppen für Frieden. Es hatte in kurzer Zeit eine kampfstarke Flotte aufgebaut und sich mit ihr zur bedeutendsten Macht in Cartwheel aufgeschwungen. Einige aufständische Welten waren gewaltsam annektiert worden.
Doch zu welchem Preis? Auf diesen Welten herrschten furchtbare Zustände: Schwere Arbeitslosigkeit, Rezession, hohe Kriminalität und ein starkes Aufgebot der Cartwheel Intelligence Protective, der CIP.
Die CIP und die Hilfsvölker des Quarteriums griffen hart durch und bestraften ganze Welten für das, was Einzelne getan hatten. Dennoch fanden immer wieder Anschläge statt. So zum Beispiel auf Mankind, wo am Abend des 6. März 1305 NGZ in einer beliebten Weltraumfahrerkneipe ein Sprengsatz explodierte, der sieben Menschen das Leben kostete.
Eine so wichtige Hauptwelt wie Siniestro schlief nie. Zu jeder Tages- und Nachtzeit gab es regen Gleiterverkehr und Passanten auf den Straßen. Freizeitangebote gab es rund um die Uhr, man konnte außerdem zu jeder Zeit alles einkaufen, was erhältlich war. Es gab zwar seit Beginn des Raumfahrtzeitalters eine Standardzeitrechnung, die änderte aber nichts daran, dass jeder Planet unterschiedlich lange Tage hatte, dass es auf allen Planeten verschiedene Tages- und Nachtzonen gab und dass die Konkurrenz der Wirtschaftsunternehmen nicht schlief. Wer meinte, zu einer bestimmten Zeit nicht liefern zu können, der verlor schnell seine Kunden.
Daher hatten sich die Menschen sehr schnell daran gewöhnt, flexibel zu sein. Durch spezielle Präparate konnte man seine Wachzeit verlängern, ohne die Gesundheit zu gefährden. Man wurde nur angehalten, einen Ausgleich zu schaffen.
Natürlich gab es auch Workaholics, die diese Mittel dazu missbrauchten, um möglichst wenig Zeit mit Schlafen zu verschwenden und somit länger und folgerichtig viel produktiver arbeiten zu können.
Janina Porter gehörte sicherlich nicht zu diesem Schlag Menschen. Sie mochte geregelte Arbeitszeiten und genoss bis zu acht Stunden Schlaf in der Nacht. Als Gleitertechnikerin lebte sie gut und in einer freundlichen Umgebung. Sie hatte auf Siniestro nie unmittelbar mit den Anschlägen zu tun gehabt, hatte sich aber immer gewundert, wie intelligente Lebewesen zu solch grausamen Taten fähig sein konnten.
Die 26-jährige Terranerin arbeitete auf einem Raumhafen und wartete Gleiter. Hin und wieder hatte sie auch Bereitschaftsdienst in der Nacht. Da auf Siniestros Raumhäfen rund um die Uhr Betrieb herrschte, wurde es auch bei diesen Diensten nie langweilig. Irgendwelche kleinen Unfälle passierten immer und dann musste natürlich immer ein Techniker parat sein, der sich mit den oft cholerischen Geschäftsleuten herumschlagen durfte, die die Schäden am liebsten vorgestern repariert haben wollten.
Janinas Nachtdienst dauerte bis 2 Uhr morgens, dann kam die Ablösung. Heute war es der nette Bill Eldings gewesen, ein etwas rundlicher, gemütlicher Herr im mittleren Alter. Sie hatten noch einen Kaffee zusammen getrunken, dann war Janina nach Hause gefahren und erschöpft ins Bett gefallen.
Ein Summen riss sie aus dem Schlaf. Janina brummte und drehte sich um. Doch das Summen blieb, es schien sogar lauter zu werden. Schlaftrunken versuchte sie den Lichtschalter zu finden. Nach einer Weile gab sie auf und stand im Dunkeln auf. Sie folgte dem Summton und stolperte prompt über den Tisch, der vor dem Bett stand. Fluchend hielt sie sich das schmerzende Knie und humpelte weiter.
Endlich entdeckte sie den Lichtschalter und betätigte ihn. Sofort schloss sie geblendet die Augen. In Gedanken noch beim Schlafen, war sie nicht auf diese Helligkeit gefasst.
Langsam klärten sich ihre Sinne und sie erinnerte sich auch, was das für Summtöne waren. Ihr Interkom natürlich. Wo hatte sie dieses nur hingelegt, als sie nach Hause kam? Immer dem Summen nach, es führte Janina zu ihrer Jacke. Doch welche Tasche war es? Erneut fluchend durchsuchte sie alle Taschen und förderte allen möglichen Abfall und sogar eine verloren geglaubte Rechnung zutage. In der letzten Tasche wurde sie schließlich fündig.
Hastig aktivierte sie das Gerät und meldete sich: »Ja, was ist?«
»Was soll das, wieso dauert das so verdammt lange?«, polterte eine unsympathische Stimme.
Verdutzt über so viel Unfreundlichkeit am frühen Morgen stammelte Janina nur: »Wer – was?«
»Oberstleutnant Glaus Schyll, Verbindungsoffizier der IVANHOE II. Ich möchte mit Janina Porter sprechen.«
»Ja, das bin ich.« Erst jetzt nahm Janina das Gesicht wahr, das auf dem Bildschirm des Interkoms zu sehen war. Es passte zur Stimme: Sehr hager, deutliche Wangenknochen, schmale Lippen, stechend braune Augen, die sie bösartig anfunkelten.
»Was – Sie?« Es war eine Mischung aus Entsetzen und Überraschung. Aber keinesfalls ein Kompliment. Schnell fasste sich Schyll wieder und sprach weiter: »Na, egal. Die Positronik wird schon wissen, was sie tut. Hören Sie gut zu, ich sage es nur einmal: Die IVANHOE II startet heute zu ihrer Jungfernfahrt und es sind leider ein paar Besatzungsmitglieder ausgefallen. Sie haben sich um 8:30 Uhr Standardzeit auf dem Hauptraumhafen in New Terrania auf Mankind einzufinden. Sie sind ab sofort als Technikerin für die Space-Jets auf der IVANHOE II verpflichtet. Verstanden?« Wieder dieser drohende Unterton in der Stimme.
»J – Ja, ich denke schon. Aber wie soll ich in der kurzen Zeit …«
»Ganz einfach! Indem Sie aufhören, mir auf die Nerven zu gehen und anfangen zu packen! Ich kann schließlich auch nichts dafür, dass gestern Abend durch einen Anschlag dieser verdammten Terroristen einige unserer besten Leute ums Leben gekommen sind. Also, los jetzt!«
Schyll unterbrach die Verbindung.
Janina starrte noch einige Sekunden auf das leere Display, dann legte sie das Interkom beiseite und warf einen Blick auf ihr Chronometer in der kleinen Küche. Es zeigte 5:14 Uhr Standardzeit an. Welcher zivilisierte Mensch rief zu einer solchen Zeit an?
Die junge Frau holte sich ein Glas Wasser und setzte sich an den Küchentisch. Erst jetzt begann sie, die Tragweite des soeben geführten Gesprächs zu verstehen. Die IVANHOE II, das neue Flaggschiff der Ersten Terranischen Flotte! Sie, als Technikerin! Sicher, keine wirklich bedeutende Aufgabe, aber war der Dienst auf dem Flaggschiff nicht immer etwas besonderes, ganz gleich, welche Aufgabe man verrichtete?
Seit Generationen waren die meisten Mitglieder der Porters Techniker gewesen. Nicht, dass man im 14. Jahrhundert NGZ noch jemanden dazu zwingen konnte, den Beruf seiner Eltern zu lernen. Das Interesse für Gleiter und kleine Raumschiffe schien ihnen im Blut zu liegen. Dabei hatten sie meist ein beschauliches und geruhsames Leben als angestellte Techniker auf Raumhäfen geführt. So auch Janinas Eltern. Und als sie eine Aufgabe auf einem Schiff der Flotte übernahmen, wurden sie zur Milchstraße geschickt, wo sie dann in der großen Schlacht gegen den SONNENHAMMER und die WORDON ums Leben kamen. Janina war damals 20 gewesen und hatte noch bei ihren Eltern gelebt. Einige Bekannte hatten sie unterstützt, so dass sie sich eine bescheidene Wohnung leisten und ihre Ausbildung beenden konnte. Es war einerseits toll, mit einem großen Schiff unterwegs zu sein, andererseits barg es auch viele Gefahren. Janina hätte nichts dagegen gehabt, ihr Leben mit dem Reparieren von Gleitern auf dem Raumhafen von Siniestro zu verbringen.
Aber sie hatte sich nun mal vor langer Zeit für den Dienst auf einem Raumschiff beworben. Wenn die Zusage nur nicht so kurzfristig gewesen wäre. Sie hätte sich so gerne noch von ihren Freunden verabschiedet, die sie in den letzten Jahren gewonnen hatte. Von den Freunden, die ihr geholfen hatten, sich schnell einzugewöhnen und die immer zusammenhielten. Jetzt ging es auf ein fremdes Schiff, mit fremden Menschen, mit fremder Technik. Janina hatte mit ihrer Ausbildung genug zu tun gehabt, hatte keine Zeit, über ihren Tellerrand zu sehen und kannte die Technik der IVANHOE II nicht. Hoffentlich fand sie Gleichgesinnte, mit denen sie sich austauschen konnte.
Doch zunächst gab es dringlichere Aufgaben: Die Zeit drängte, sie musste ihre Sachen zusammenpacken und unbedingt die 7 Uhr Fähre nach Mankind erwischen, wollte sie pünktlich sein.
*
Um 8:45 Uhr schließlich erreichte Janina Mankind. Eine faszinierende Welt, die sich in den letzten Jahren sehr entwickelt hatte. Als die Terraner vor über 10 Jahren Cartwheel erreichten, stand die Infrastruktur auf den Hauptwelten bereits, dennoch hatten sie viel geändert. Die wenigen Jahre ließen die Hauptstadt New Terrania wie eine terranische Stadt aussehen: Hohe Türme, chaotisch wirkende Gleiterstraßen, zwischendrin überall Werbetafeln. Reger Verkehr, wenig Grünflächen und eine außerordentliche Sauberkeit ließen die Stadt fast schon etwas steril wirken, überall sah man Roboter, die sich um Verschmutzung kümmerten.
Glücklicherweise war Janinas Fähre auf einem Nebenlandefeld des Hauptraumhafens gelandet. Es war die Hölle los, Menschenmassen drängten umher, Janina fand bald heraus, dass die meisten Menschen dasselbe Ziel wie sie hatten: Die IVANHOE II. Jeder wollte der feierlichen Taufe des neuen Flaggschiffes beiwohnen.
Schlecht für Janina, denn in diesem Chaos fiel es ihr schwer, die für die Besatzung des Schiffes gekennzeichneten Gänge zu erreichen. Ständig wurde sie abgedrängt und da sie sich nicht ausweisen konnte, nahm man auch auf sie keine Rücksicht.
Erschöpft erreichte sie schließlich einen Kontrollposten. »Name und Rang?«, wurde sie nur knapp gefragt.
»Janina Porter, ich bin als Technikerin für die Space-Jets abkommandiert.«
Der Kontrolleur sah in seiner kleinen Syntronik nach und sagte nach einer Weile leicht verärgert: »Es ist keine Janina Porter aufgeführt. Verschwinde und denk dir ein anderes Märchen aus, um an Bord zu gelangen. Ich habe keine Lust auf Spaßvögel, die sich hier einschleichen wollen.«
»Nein, nein. Ich bin wirklich Technikerin. Ich wurde erst heute Morgen …«
»Na gut, dann zeig mir bitte deinen Bordpass.«
»Ich – ich habe doch noch keinen. Man hat mich doch …«
Der Kontrolleur unterbrach sie mit einer herrischen Handbewegung. »Weißt du, ich hatte eine lange Nacht. Über 5000 Leute wollten an mir vorbei, sich an Bord einrichten. Ich habe wirklich keinen Nerv für Spaßvögel wie dich. Und nun, hau ab!«
»Frag doch Glaus Schyll, bitte, ich kann doch …«
»Natürlich, Glaus Schyll. Unser Verbindungsoffizier hat sicherlich bessere Dinge zu tun, als …« Er brach abrupt ab und dachte kurz nach. »Woher kennst du Schyll?«
»Das versuche ich doch zu sagen: Er hat mich heute angerufen, um mir zu sagen, dass ich Ersatz für einen Techniker bin, der gestern einem Attentat zum Opfer fiel.«
»Nun gut, ich werde das nachprüfen. Einen Moment.« Er arbeitete mit der Syntronik und führte zwei Interkomgespräche, dann nickte er: »In Ordnung, man hat deine Geschichte bestätigt. Zeig mir bitte wenigstens deinen Bürgerpass.«
Den hatte Janina natürlich dabei. Sie zeigte ihn dem Posten, der die Tür zum Mannschaftsbereich öffnete und sich mit einem nicht gerade freundlichem »Viel Spaß« verabschiedete.
Janina lief den Gang hinab und fragte sich, ob alle Besatzungsmitglieder so seien wie Schyll und der Kontrolleur. Mehr Leute hatte sie ja noch nicht kennen gelernt. Und die Standpauke wegen ihres zu späten Eintreffens stand ihr noch bevor.
Für den 7. März 1305 NGZ hatte man den Raumhafen von New Terrania besonders hergerichtet. Ein großer Teil wurde abgeriegelt, auf ihm stand die IVANHOE II. Außerdem hatte man ein Rednerpult und etwa 5.000 Formenergiestühle für die feierliche Einweihung aufgestellt. Dort sollten die Ehrengäste und ein Teil der Stammbesatzung Platz finden. Wer es nicht rechtzeitig schaffte, der musste eben stehen. Was angesichts des oftmals eher langwierigen Charakters von Einweihungsfeiern kein Genuss war.
Die IVANHOE II selbst wurde mit Hilfe von einigen tausend Scheinwerfern geschickt ausgeleuchtet. Sie wirkte dadurch noch imposanter, als der 2.500 Meter Raumer ohnehin schon gewirkt hätte.
Die Mannschaftsmitglieder begannen bereits, den Platz zu stürmen. Janina checkte hastig ihr Gepäck bei dem dafür zuständigen Offizier ein und eilte zum Schiff. Den Rapport hatte sie wohl bereits verpasst. Weiterer Ärger war ihr sicher. Doch um den zu überstehen, musste sie jetzt einen Sitzplatz erhaschen. Der Mangel an Schlaf, die anstrengende, überhastete Reise nach Mankind, diese Menschenmengen, all das hatte sie erschöpft. Hätte sie jetzt auch noch bei der Einweihungsfeier stehen müssen, wäre sie vermutlich zusammengebrochen.
Doch Janina hatte kein Glück: Auch die Plätze in den hinteren Reihen waren alle besetzt. Entmutigt lief sie langsam zu den Stehreihen, wo sich auch bereits einige Mannschaftsmitglieder eingefunden hatten. Viele hatten unsympathische Gesichtsausdrücke, die meisten strenge Kurzhaarfrisuren, einige einen starren Blick. Das sah ganz nach Infanteristen aus.
Auf einmal tippte sie jemand nervös von hinten an.
Janina fuhr herum und blickte in das tellerförmige Gesicht eines Blues. Er schien ziemlich aufgebracht zu sein, denn er gestikulierte wild mit den Armen und zirpte einige unverständliche Töne.
»Wer – was?«, brachte Janina nur heraus.
»Sind Sie Janina Porter?«, fragte er sie.
»Ja, woher weißt du das?«
»Technik! Diese Syntronik verrät es mir. Überhaupt: Es heißt ›Sie‹! Wo haben Sie so lange gesteckt?«
»Ich – ich bin doch erst heute früh rekrutiert worden …«
»Ja, natürlich! Bei der braunen Kreatur der Feigheit, Ausreden hat jeder parat. Und wenn die Maschinen einmal ausfallen und das Schiff dann abgeschossen wird, dann hat natürlich auch niemand Schuld. Bei mir gibt es keine Ausreden! Ich erwarte 100%-igen Einsatz meiner Mitarbeiter!«
»Dann sind Sie der Maschinenchef?« Janina war nicht wohl bei dem Gedanken, dass dieser nervöse Schwarzseher ihr Vorgesetzter sein sollte.
»Ja, natürlich. Ich bin Zyrak Wygal, Maschinenchef der IVANHOE II. Dass ich mich immer mit unfähigem Personal herumschlagen muss – oh rote Kreatur der Vorsehung! – da kommt es freilich zu einer Katastrophe! Mit Ihnen werde ich allerdings wenig zu tun haben, denn Sie sind Tym Elahrt direkt unterstellt.«
Janina schluckte. »Und wer ist das?«, wagte sie zu fragen.
»Bei der grün-blauen Kreatur des Wahnsinns! Liest denn hier niemand die Besatzungsliste? Tym Elahrt ist natürlich der Kommandant der Space-Jet-Einheiten. Das kann doch so schwer nicht sein!«
»Ich hatte doch kaum Zeit, hier her zu kommen! Und eine Besatzungsliste ließ man mir …«
»Hören Sie auf zu reden und kommen Sie lieber mit! Vorne sind Plätze für die Stammbesatzung reserviert. Bei der blassblauen Kreatur der Zukunft, wir sind alle verloren.«
Janina dachte sich ihren Teil. So, wie sich Zyrak aufgeregt hatte, konnte man ihn ja schon fast gar nicht mehr ernst nehmen. Aber wer stellte denn eine solche Besatzung zusammen? Waren alle so wie Schyll und Zyrak? Sie hoffte nicht, sonst hätte sie eine sehr anstrengende Zeit vor sich.
*
Mathew Wallace, Irwan Dove und Lorif waren gemeinsam zur Einweihungsrede erschienen. Die alten Freunde hatten zusammen viel erlebt, allein die Expedition nach Dorgon war ein großes und gefährliches Abenteuer gewesen.
Auch jetzt würden sie wieder in einem Raumschiff unterwegs sein: In der IVANHOE II, dem Stolz der Flotte von Mankind.
Es gab nur 23 weitere 2.500-Meter-Schlachtschiffe. Diese waren als Flaggschiffe für die Flotten eingesetzt. Nur die über 8.000 mal 6.000 Meter große EL CID stellte alle Ultraschlachtschiff in den Schatten.
Das Kommando über das Schiff hatte abermals Admiral Xavier Jeamour, der sich in seinen letzten Kommandos als sehr fähig erwiesen hatte. Oberstleutnant Mathew Wallace war sein erster Offizier und damit zuständig für die Navigation. Zweiter Offizier war der Oxtorner Major Irwan Dove. Er war für die Sicherheit verantwortlich. Der geschwätzige Posbi Major Lorif sollte die strategische Planung übernehmen. Überraschend war hingegen, dass Jennifer Taylor nur noch die zweite Ärztin an Bord war. Ein Ara namens Ignon Ruon war erster Arzt geworden. Bisher kannte ihn niemand von den Freunden. Tania Walerty wurde wieder Funkstandleiterin, eine Aufgabe, die sie sicher vorzüglich erfüllen würde.
Kennen gelernt hatten die Freunde zudem Oberstleutnant Glaus Schyll, der als Verbindungsoffizier an Bord ging. Ein unangenehmer, cholerischer Zeitgenosse, der Vorschriften sehr genau nahm und ein eingeschworener Verfechter der neuen Richtlinien des Quarteriums war. Er war bisher schwer zu durchschauen.
Die Freunde beobachteten die Entwicklung der letzten Jahre skeptisch, teilweise sogar mit Erschrecken. Die CIP ließ das Gefühl aufkommen, in einem Polizeistaat zu leben. Meinungsfreiheit gab es inzwischen nicht mehr, denn wer die falsche Meinung vertrat und auch noch so naiv war, sie öffentlich zu vertreten, war vor der CIP nicht sicher. Hinter jedem Querdenker wurde ein potentieller Terrorist vermutet. Zugegeben, die CIP hatte die Alien-Allianz niedergeschlagen. Diese Organisation war eine Bedrohung, aber war sie nicht unter anderem entstanden, weil es in Emperador Siniestros Regierungsstab keine Extraterrestrier gab? Waren wirklich Cauthon Despair als Cartwheel-Marschall, Diethar Mykke als Wirtschaftsminister oder Werner Niesewitz als Leiter der CIP die beste Besetzung?
»Die Entwicklung in Cartwheel macht mir Sorgen«, sagte Mathew Wallace gerade. Der gebürtige Schotte war mit 35 Jahren noch sehr jung. Er war 1,81 Meter groß, viele beneideten ihn um seinen guten Körperbau. Zur Feier des Tages hatte Mathew das dunkelblonde Haar ordentlich zurück gekämmt. Im täglichen Leben sah es etwas natürlicher aus. Mathew zeichnete sich durch einen hohen Gerechtigkeitssinn aus, aber er galt auch als hitzköpfig und ein wenig ungeschickt, wenn es um Diplomatie ging. Auch wenn die Trennung von Saraah nun schon viele Jahre her war, nahm sie ihn noch immer mit.
»Wem sagst du das?«, entgegnete Irwan. Der 2,04 Meter große Oxtorner sah mit seinen 170 Kilo Gewicht Furcht einflößend aus, die blauen Augen und sein freundlicher Gesichtsausdruck sprachen eine andere Sprache. Auch er hatte in den letzten Jahren oft gezeigt, was alles in ihm steckte. In Krisensituationen konnte er ein kühler Denker sein, der im richtigen Augenblick die richtigen Entscheidungen traf. Sein hohes technisches Verständnis qualifizierte ihn zusätzlich. So war er 2. Offizier an Bord der IVANHOE II geworden und somit zuständig für die Sicherheit. »Ich kann von Glück sagen, dass ich ein Oxtorner bin, sonst hätte ich auch leicht Opfer dieses Alien-Hasses werden können.«
»Mich wundert fast schon, wie Zyrak Wygal in diesen Zeiten Maschinenchef werden konnte.«
»Wygal ist die perfekte Besetzung für diesen Posten. Er mag seine Marotten haben, aber unter keinem sind die Maschinen besser gewartet als unter ihm.«
»Das bezweifle ich ja gar nicht!« Mathew fühlte sich missverstanden. »Was ich sagen wollte, ist, dass es im Quarterium inzwischen die Ausnahme ist, dass ein Nicht-Humanoide einen wichtigen Posten erhält. Auch, wenn seine Qualifikationen über jeden Zweifel erhaben sind.«
»Ich verstehe dich, Mathew. Kommandant Jeamour hatte zum Glück einige Freiheit bei der Auswahl seiner Crewmitglieder.«
»Wenn ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten …« Lorif schob sich zwischen Mathew und Irwan.
»Jetzt nicht, wir unterhalten uns doch gerade.« Mathew hatte keine Lust auf Lorifs Vorträge.
Doch der Posbi ließ nicht locker. »Aber ich muss Ihnen etwas sagen.«
Irwan gab nach. »Was gibt es, Lorif?«, fragte er.
»Die Reden fangen jede Sekunde an und ihr solltet euch auf eure Plätze begeben.«
Erschrocken sahen sich Dove und Wallace um. Tatsächlich saßen die meisten Besatzungsmitglieder bereits, nur noch wenige suchten noch nach Sitzgelegenheiten. Die drei liefen los, sie mussten noch zur ersten Reihe gelangen. Es machte keinen guten Eindruck, wenn die wichtigsten Führungsoffiziere eines neuen Flaggschiffes schon bei der Einweihung durch Unpünktlichkeit auffielen.
Im Laufen drehte sich Mathew noch einmal um und sagte: »Du hast etwas gut bei mir, Lorif!«
*
Janina war erschöpft. Schon die jäh unterbrochene Nachtruhe hatte sie Kräfte gekostet, dann hatten sie noch all diese unfreundlichen Leute, die sie heute kennen gelernt hatte, eingeschüchtert. Immerhin saß sie nicht neben Zyrak Wygal. Für die Zeit des offiziellen Teils der Einweihungsfeier war sie also sicher.
Doch danach war sie wieder Freiwild: Sie hatte ja noch gar nicht mit Tym Elahrt, dem Kommandanten der Space-Jet Einheiten gesprochen. Und über die Technik der IVANHOE II wusste sie so gut wie nichts. Vielleicht konnte sie im Laufe der Feier einige Details in Erfahrung bringen.
Doch zunächst stand eine Pause auf dem Programm: Cauthon Despair und Orlando de la Siniestro betraten das Rednerpult. Janina befand sich etwa in der 10. Reihe, sie konnte alles sehr gut sehen. Die hintere Reihen waren auf Projektionen und Akustikfelder angewiesen.
Despair begann seine Rede. Er berichtete kurz von den Ereignissen seit der Erschließung Cartwheels, sprach über die Gründung des Quarteriums und legte glaubhaft dar, welche Richtlinien die CIP verfolgte und warum sie so vorging, wie sie es tat. Außerdem kündigte er den Besuch des Emperador und seiner Familie für die Feierlichkeiten an. Dann gab er an Orlando ab. Despairs Rede hatte keine 20 Minuten gedauert.
Orlando war seines Zeichens Oberbefehlshaber der Flotten des Terrablocks. Die IVANHOE II war sein ganzer Stolz. Deswegen konnte er es sich nicht verkneifen, sie in allen Einzelheiten zu beschreiben. Leider hatte Orlando bei weitem nicht die Eloquenz seines Vaters, auch fehlte es ihm an einer besonderen Ausstrahlung, die beispielsweise Despair besaß.
Janina versuchte, Orlandos Rede zu folgen, schon wegen der technischen Details, die sie für ihre Arbeit brauchen würde, doch ihre Erschöpfung war stärker. 5 Minuten später war sie eingeschlafen. Dass sich Orlandos Rede noch über 2 Stunden hinzog und die Zeremonie mit dem traditionellen Werfen einer Sektflasche auf die Außenwand des Schiffes abgeschlossen wurde, bekam sie nicht mehr mit. Sie wachte erst beim abschließenden Beifall auf und fühlte sich wie zerschlagen.
Die IVANHOE sollte zwar noch am Abend auf große Fahrt gehen, dennoch fand vorher noch eine Feier an Bord des Schiffes statt. Dabei sollten die Besatzungsmitglieder auch Gelegenheit haben, sich kennen zu lernen.
Genaugenommen fanden drei Feiern statt: Eine für die Stammbesatzung, eine für die Piloten und eine für die Infanteristen. Natürlich waren Ehrengäste wie Despair oder Orlando de la Siniestro bei der Feier der Stammbesatzung zugegen, auch waren hier Verpflegung und Dekoration weitaus exklusiver als bei den anderen Feiern. Infanteristen und Piloten war es in der Regel untersagt, sich zur Stabsfeier zu gesellen, anders herum wurde es geduldet.
Doch die Gäste dachten nicht über diese Klasseneinteilung nach, im Gegenteil waren Piloten und Infanteristen froh, unter sich zu sein. Viele machten sich über die vermeintlich hochnäsige Stammbesatzung lustig.
Auf der Feier der Stammbesatzung hingegen hatte man ganz andere Sorgen.
»Eine merkwürdige Feier ist das. Wir taufen unser neues Flaggschiff und dürfen noch nicht einmal darauf anstoßen«, sagte Mathew.
»Doch, dürfen wir. Mit alkoholfreiem Sekt. Nicht, dass mich das stören würde …«
»Lorif, du als Posbi hast doch keine Ahnung, was es bedeutet anzustoßen. Der Genuss von Alkohol dürfte dir fremd sein.«
Lorif sah Mathew verdutzt an und sagte: »Alkohol ist ein Gift, das Menschen, die ihn allzu oft genießen, abhängig machen kann. In früheren Zeiten starben sie früher oder später daran. Außerdem nimmt durch die Aufnahme von Alkohol die Wahrnehmungsfähigkeit ab, Reflexe verzögern sich und Menschen verlieren allmählich die Kontrolle über ihren Bewegungsapparat. Trinken sie zu viel, verlieren sie gar ihre Erinnerung an die Ereignisse beim Fest und werden ohnmächtig. Später gibt es ein böses Erwachen mit Kopfschmerzen und Übelkeit. Wenn ihr mich fragt, ich verstehe nicht, was ihr alle an Alkohol so toll findet.«
Mathew hatte mit dem Gedanken gespielt, den Posbi reden zu lassen, während er mit Irwan ein belangloses Thema wie das Wetter besprach, um dieser Nervensäge zu zeigen, dass seine Meinung nicht gefragt war.
Doch dann war Xavier Jeamour an die Gruppe herangetreten. »Wie geht es meinen ersten Offizieren?«, fragte er freundlich.
»Alles bestens. Lorif hat gerade einen höchst interessanten Vortrag über seine Erfahrungen mit Alkohol gehalten. Du bist doch fertig, Lorif?«
»Natürlich, aber soll ich für den Kommandanten noch einmal alles zusammenfassen?«
Irwan winkte ab. »Nein, nein. So interessant war es nun auch wieder nicht. Kommandant, wie gefällt Ihnen unser neues Schiff?«
»Das Schiff ist toll, ich bin sehr zufrieden. Nur …« Jeamour stockte.
»Gibt es ein Problem?«, fragte Mathew besorgt.
»Nein, das Schiff ist großartig. Mir macht nur die Zeit Sorgen, in der es gebaut wurde. Ihr versteht?«
»Ja, ich denke schon«, sagte Mathew nachdenklich. »Die politischen Entwicklungen der letzten Jahre stimmen mich auch bedenklich.«
»Wenn wir unterwegs waren, dann waren wir immer von dem, was wir taten, überzeugt. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich für alle Interessen des Quarteriums eintreten kann, wenn es von mir verlangt wird.«
Die Freunde waren beeindruckt. So offen hatte der Kommandant ihnen selten seine Gedanken mitgeteilt. Er war zwar immer um eine freundschaftliche Atmosphäre an Bord bemüht, zeigte aber auch deutlich, wie wichtig Disziplin und Ordnung für ihn waren. Schwächen hatte er selten gezeigt.
Der in der Region Belgien auf Terra geborene Kommandant fiel durch seine Halbglatze in der Zentrale auf und war etwa 10 Zentimeter kleiner als Mathew. Sein verbliebenes Haar war weiß. Schon oft hatte er sich durch schnelles Handeln, sinnvolle Entscheidungen und strategische Planung ausgezeichnet. Die IVANHOE II konnte sich keinen besseren Kommandanten wünschen.
»Stellen Sie sich vor«, führte Jeamour seine Gedanken fort, »wir werden zu einer aufständischen Blueswelt beordert. Eine Welt, die mit einer Richtlinie des Quarteriums nicht einverstanden ist. Wir sollen für Ordnung sorgen. Sollten wir wirklich rohe Gewalt anwenden, um diesen Konflikt zu lösen?« Er sah in die Gesichter seiner ersten drei Offiziere.
»Hoffen wir, dass wir nicht in derartige Situationen kommen«, meinte Irwan Dove. »Vielleicht werden wir wieder auf große Fahrt geschickt und sehen ferne Galaxien.«
»Ja, besser, wir denken jetzt noch nicht daran«, meinte Wallace. Ihm wurde langsam klar, was auf sie zukommen konnte.
Jeamour lachte kurz auf. »Sie haben recht, Mathew. Heute wollen wir feiern und in der nächsten Zeit werden wir sicher noch einige Testflüge vor uns haben. In dieser Zeit kann viel passieren.«
»Wie kommen Sie eigentlich mit Schyll zurecht?«, fragte Irwan plötzlich.
Der Kommandant blickte ihn überrascht an. »Schyll ist nicht ganz einfach. Als Verbindungsoffizier hat er viel Macht und sich bei der Mannschaftszusammenstellung entsprechend eingemischt.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Mathew.
»Wäre es nach ihm gegangen, dann hätten wir eine Mannschaft, die nur aus Terranern, Arkoniden, Ertrusern, Oxtornern und vielleicht Aras bestünde. Jülziisch waren für ihn untragbar und bei Posbis hatte er große Bedenken. Immerhin konnte ich mich in Einzelfällen gegen ihn durchsetzen. So ist beispielsweise Zyrak Wygal weiterhin Maschinenchef. Auch stellte ich klar, dass Ihr strategisches Geschick über jeden Zweifel erhaben ist.« Er sah dabei Lorif an, der bisher ungewöhnlicherweise geschwiegen hatte.
»Wir hatten auch schon das Vergnügen«, sagte der Posbi nun. »Er scheint eine cholerische Natur zu sein.«
»Oh ja!« Jeamour lachte bitter. »Das konnte ich auch feststellen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie oft er mich auf Bestimmungen und Festlegungen des Quarteriums hingewiesen hat. Er ist auch gerne mal laut geworden. Und bei seinen Äußerungen über bestimmte Rassen in Cartwheel – ich denke, er wäre in der CIP besser aufgehoben als in meiner Kommandozentrale.«
»Mussten Sie auch Kompromisse eingehen?«, fragte nun Mathew.
Jeamour deutete auf Jennifer Taylor, die sich gerade mit wütendem Gesichtsausdruck zu ihnen durchkämpfte. »Fragen Sie unsere Ärztin. Dr. Ignon Ruon ist einer der Kompromisse.«
Alle drehten sich zu Jennifer.
Irwan begrüßte sie: »Hallo Jenny. Schön, dich wiederzusehen.«
Jennifer ging nicht auf die Begrüßung ein, sondern sagte geradeheraus zu Jeamour: »Dass ich an Bord der IVANHOE II nur noch zweite Ärztin bin, ist in Ordnung. Dass meine Kompetenzen eingeschränkt wurden, ist auch in Ordnung. Aber dass dieser … dieser schmierige Kerl der Chefarzt ist, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
Jeamour lächelte mitleidig. »Leider hatte ich keine Wahl, Dr. Taylor. Ich konnte mir die Crew dieses Schiffes nicht komplett selbst auswählen. Was ist eigentlich passiert?«
Tania Walerty bemerkte, dass ihre Freundin wütend war und gesellte sich schnell zu dem Offizierskreis.
Doch Jennifer atmete tief durch. Sie beruhigte sich allmählich. Dann begrüßte sie die anderen und begann zu erzählen: »Als ich zur Krankenstation kam, wurde ich schon von seiner Erhabenheit erwartet. Sofort fuhr er mich an, ich sei zu spät. Ich frage mich, wie soll man zum Bezug einer Krankenstation zu spät kommen, wenn noch gar keine Crew vorhanden ist? Nun, er hatte sich schon komplett eingerichtet. Das heißt: Die Hälfte der Krankenstation gehört ihm, ich habe nur Zutritt, wenn er es gestattet. Denn ich könnte ja seine Patienten mit meinen ungeschickten, unerfahrenen Händen verletzen! Natürlich behandelt er die interessanten Fälle, wie er sich ausdrückt, höchstpersönlich. In meiner Station, zusammen mit den restlichen Ärzten, darf ich mich um Kleinigkeiten kümmern. Ach ja – und was mich umgehauen hat – Extraterrestrier kommen grundsätzlich zu mir. Dafür ist sich seine Hoheit zu schade.« Sie dachte nach. »Natürlich, das hatte ich noch vergessen. Er hat selbstverständlich die besten Geräte in seinen Bereich mitgenommen. Ich würde sie schließlich nur kaputt machen. Ruon wünscht sich eine gute Zusammenarbeit mit mir, sagte er noch.«
Es herrschte betretenes Schweigen unter den Freunden. Niemand konnte sich vorstellen, wie man im 14. Jahrhundert NGZ noch derartige Gedanken haben konnte. Sicher, das Quarterium schürte mit seiner Politik den Rassenhass. War es aber wirklich schon so weit gekommen, dass sich ein arroganter Ara wie Ignon Ruon solche Grobheiten an Bord eines Raumschiffes des Terrablocks erlauben konnte?
Jeamour schüttelte traurig den Kopf und sagte: »Es tut mir Leid, Dr. Taylor, aber so lange sich Ignon Ruon keinen groben fachbezogenen Fehler leistet, kann ich nichts gegen ihn tun. Es war nicht meine Entscheidung, ihn an Bord zu holen.«
Jennifer sah Jeamour an und sagte: »Ich verstehe. Es tut mir Leid, dass ich so ausfallend war, aber bei so viel Unverschämtheit kann ich nicht ruhig bleiben.«
Jeamour kam nicht mehr dazu, zu antworten, denn gerade wurde die Ankunft von Emperador Siniestro mit seiner Familie verkündet.
*
Während die anderen feierten, fiel es Janina schwer, den Tag zu genießen. Sie suchte verzweifelt nach Tym Elahrt, ihrem Vorgesetzten. Auch nach den Ansprachen war sie nicht auf ihn getroffen, er hatte sich wohl sofort zur Feier aufgemacht.
Immerhin brachte Janina an einem Terminal in Erfahrung, wie Elahrt aussah: Mittelgroß, Kinnbart, leicht gedrungen. Eigentlich müsste er leicht zu finden sein. Doch inzwischen irrte Janina fast eine Stunde auf der Feier der Stammbesatzung herum, ohne ihn gesehen zu haben. Fragen wollte sie auch möglichst niemanden, sie wusste noch nicht, wer an Bord wichtig war, die Abzeichen auf den Uniformen waren ihr noch nicht vertraut. Und einen hohen Offizier mit ihren Problemen zu belästigen – das war das Letzte, was Janina jetzt tun wollte. Sie hatte genügend schlechte Erfahrungen gemacht.
Als sie nach einer Stunde immer noch nicht fündig wurde, fasste sie sich ein Herz und fragte bei einigen Leuten, die im Kreis standen, nach. Man sagte ihr, dass Tym es vermutlich vorzog, mit seinen Piloten zusammen zu feiern.
Auf der Pilotenfeier ging es hoch her. Hier wurde getrunken, geraucht, getanzt, geschrien, manchmal auch geschlagen. Die meisten Piloten hatten in den nächsten Tagen nur einige Trainingsmanöver zu absolvieren; Einsätze waren nicht geplant und Überraschungsangriffe in Cartwheel eher unwahrscheinlich. Daher hatte man ihnen zugestanden, Alkohol zu trinken. Dementsprechend führten sich einige Piloten auch auf. Janina wurde gleich zweimal angepöbelt, als sie sich einen Weg durch die Menge bahnte.
Nach etwa 20 Minuten wurde sie endlich fündig. An einem der wenigen Tische saß Tym Elahrt zusammen mit einigen Geschwaderleitern. Sie hielten sich mit dem Trinken zurück, denn die Chefs einer Pilotenstaffel mussten den anderen mit gutem Beispiel vorangehen. Sie beobachteten nur das Geschehen und machten sich ein Bild von den Männern und Frauen, die ihnen zugeteilt worden waren. Durch geübte Blicke waren sie in der Lage, viele Piloten schon jetzt einzuschätzen. Das erleichterte später die Verteilung der Aufgaben.
Janina kam auf den Offizierstisch zu und versuchte, Elahrt anzusprechen. Doch durch den Lärm der Musik war eine Verständigung fast unmöglich. Sie schaffte es, ihren Namen zu nennen und er gab ihr zu verstehen, nach der Feier in sein Büro zu kommen, um dort alles zu bereden.
Das war Janina recht, erschöpft ging sie zu ihrer Kabine und legte sich hin. In drei Stunden wollte sie es bei Tym Elahrt versuchen.
Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie eingeschlafen war.
*
Emperador Siniestro machte keinen Hehl daraus, dass er seinen neuen Posten in Cartwheel genoss. Er war schon als Paxus-Rat für die Terraner sehr angesehen gewesen, und seine Popularität hatte sich stets vergrößert. Er hatte es immer verstanden, sich gut zu verkaufen. Durch sein Charisma konnte er der breiten Masse selbst Einschränkungen ihrer Freiheit oder ihrer Rechte glaubwürdig begründen.
Don Philippes Ansehen hatte zwar etwas gelitten, seitdem die CIP gegründet worden war, aber der Gewinn war hoch gewesen: Er war langsam, aber sicher zum wichtigsten Mann in Cartwheel aufgestiegen.
Stolz betrat er mit dem Posbi Diabolo als Berater an seiner Seite den Festraum. Seine vier Kinder Orlando, Peter, Stephanie und Brettany folgten ihm. Brettany wirkte wie immer etwas ängstlich, ihr war bei dieser Menge an Aufmerksamkeit nicht wohl. Die anderen drei genossen sie jedoch voll und ganz. Vor allem Stephanie und Peter winkten den Festgästen mit breitem Grinsen zu und ließen sich feiern wie Könige.
In der Mitte des Raumes blieb der Emperador stehen. Er war in eine seiner ausgefallenen Uniformen, die man genauso gut im 19. Jahrhundert in Spanien hätte tragen können, gekleidet. Für seinen neuen Titel hatte er seine Kleidung noch prunkvoller entwerfen lassen. Niemand störte sich daran, man akzeptierte Don Philippes Marotten. Er hatte viel für Cartwheel getan und konnte mit seinem Geld anstellen, was er wollte. Man wusste um seine Vergangenheit und konnte es ihm nicht verübeln, wenn er in einer Umgebung leben wollte, die ihn an sein früheres Leben erinnerte.
Natürlich hatte Don Philippe den einen oder anderen Syntronikchip in seine Uniformen einbauen lassen. Bei aller Liebe zu vergangenen Zeiten waren ihm die Vorzüge der Technik des 14. Jahrhunderts NGZ nicht entgangen. Denn auch in der heutigen Zeit waren Prominente ständig der Gefahr ausgesetzt, Opfer von Anschlagen zu werden. Vielleicht sogar mehr denn je, wie der Anschlag auf den Paxus-Parlament im Januar 1303 NGZ zeigte.
Der Emperador räusperte sich und sagte mit fester, klarer Stimme: »Werte Besatzungsmitglieder der IVANHOE II, werte Ehrengäste! Ich freue mich, heute hier bei ihnen sein zu können, denn dieser Tag ist ein ganz besonderer in Cartwheel. Die IVANHOE II, der Stolz der Ersten Terranischen Flotte, wird endlich in Dienst gestellt werden. Über die technischen Details hat euch sicher mein Sohn Orlando bereits hinreichend aufgeklärt. Er kann das viel besser als ich.«
Der Emperador zeigte ein hilfloses Lächeln, das sehr sympathisch wirkte. Es kam bei den Leuten besser an, wenn er als alter Mann so tat, als hätte er keine Ahnung von Technik.
Der Emperador fuhr fort: »Der Bau der IVANHOE II begann im Mai 1300 NGZ, sie wurde in den Jahren 1302/1303 vollendet, doch wir wollten nicht irgendein Schiff bauen, es sollte etwas ganz Besonderes werden. So nahmen wir uns Zeit, sie in den nächsten Jahren mit der modernsten Technik auszustatten. Auch unsere Freunde aus der Milchstraße halfen uns dabei. Die IVANHOE bildet mit 23 weiteren Ultraschlachtschiffen und der EL CID das Herz unserer Flotte. Dazu kommt noch eine ausgezeichnete Crew, die von Admiral Xavier Jeamour, Oberstleutnant Glaus Schyll und meinem Sohn Orlando zusammengestellt wurde. Wie mir zu Ohren kam, gab es einige Diskussionen über die Zusammensetzung der Mannschaft, aber man hat sich geeinigt. Und wie ich sehe …« Don Philippe drehte sich langsam einmal im Kreis und sah die Crewmitglieder an. »… ist eine ausgezeichnete Wahl getroffen worden. Sie werden schwierige, komplizierte Missionen durchführen müssen, aber ich bin davon überzeugt, dass diese Crew sie zu meiner vollsten Zufriedenheit meistern wird.«
Don Philippe drehte sich um und gab Diabolo ein Zeichen, der ihm jetzt ein Glas mit Champagner brachte.
»Lasst uns anstoßen. Auf die beste Crew Cartwheels!«
Alle, die Gläser hatten, erhoben sie. Die meisten tranken alkoholfreien Champagner, weil sie noch Dienst hatten.
»Und bringt mir mein Schiff heil zurück«, fügte der Emperador mit einem Augenzwinkern hinzu. Daraufhin gab er Xavier Jeamour die Hand.
Nach dieser Ansprache ging das Fest weiter wie gehabt. Der Emperador ließ sich nicht lumpen: Es wurden noch einige Tafeln aufgefahren. Die Mannschaftsmitglieder hatten ein Mahl, an das sie sich noch Jahre erinnern würden.
Die Crewmitglieder gingen umher, begrüßten alte Bekannte, gesellten sich zu kleinen Gesprächskreisen, suchten sich neue. Es war eine sehr vergnügliche und heitere Atmosphäre.
Nur einige, mit höheren Posten versehene Crewmitglieder waren nicht glücklich. Mathew Wallace beispielsweise dachte über das Gespräch mit Jeamour vorher nach. Sollte es wirklich dazu kommen, dass die IVANHOE für Ziele eintreten musste, die mit den Überzeugungen der alten IVANHOE-Mannschaft nicht vereinbar war? Würden sie wirklich einen Blues-Planeten angreifen müssen, nur weil man dort gegen einen Leitsatz des Quarteriums war? Was würde passieren, wenn …
Tania Walerty gesellte sich zum ihm. Mit einem Lächeln gab sie ihm ein Glas. Wallace schaute sie verdutzt an.
»Etwas Vurguzz«, sagte sie mit einem Augenzwinkern.
»Im Dienst?«, rügte Wallace sie.
Tania zuckte mit den Achseln. »Weiß doch keiner …«
Wallace musste lachen und gönnte sich das Glas. Tania Walerty war recht neu auf der alten IVANHOE gewesen. Als beste Freundin von Dr. Taylor und ausgezeichnete Offizierin auf der NIMH hatte sie beste Referenzen gehabt. Nur war sie oftmals ein Problemfall gewesen, da sie es mit der Disziplin nicht so genau hielt. Oftmals drückte Jeamour beide Augen zu. Jedoch wusste jeder, dass man sich auf die bildhübsche Terranerin im Ernstfall verlassen konnte. Sie ging weiter zu ihrer Freundin Jenny Taylor. Mathew blickte ihr noch eine Weile hinterher und bewunderte ihre entzückende Rückansicht.
»Mathew Wallace?«
Aus den Gedanken gerissen, drehte sich Mathew um. »Ja?«
Erst jetzt sah er, wer vor ihm stand: Stephanie de la Siniestro! Sie hatte sich ihr Haar kunstvoll hochgesteckt und Unmengen Glitzerstaub darauf verteilt. Ihr Gesicht war atemberaubend schön: Auch ohne Schminke war sie eine atemberaubende Frau, aber für diese Feier hatte sie Fältchen verschwinden lassen, Schatten übermalt, ihre braunen Augen hervorgehoben. Und dann noch dieses Kleid, das viel von ihrer Brust und noch mehr von ihren Beinen zeigte.
Mathew war überwältigt vom Anblick. »Stephanie de la Siniestro!«, brachte er hervor.
»Ja, ich kenne meinen Namen«, antwortete sie charmant. »Mathew, endlich treffe ich dich. Ich habe ja schon so viel von dir gehört.«
»Wirklich? So bekannt bin ich doch gar nicht«, wiegelte er ab. Er fühlte sich geschmeichelt und gleichzeitig etwas unsicher. Was konnte diese Frau von ihm wollen?
»Ach, Mathew! Du bist viel zu bescheiden. Ich habe doch von allen deinen Heldentaten in Dorgon die Berichte gesehen. Du bist auch auf die IVANHOE II versetzt worden?«
»Ja, ich bin der erste Offizier und zuständig für die Navigation.«
Stephanie sah ihn bewundernd an. »Du hast eine steile Karriere gemacht, Mathew.«
»Vielleicht.«
Stephanie bemerkte, dass ihr das Gespräch entglitt. Sie blickte ihr Gegenüber verführerisch an und sagte: »Wollen wir nicht in eine Kabine gehen, wo wir uns ungestört unterhalten können?«
Wallace war ganz in ihrem Bann. »Klar«, brachte er nur hervor und ließ sich von ihr mitziehen, ohne zu wissen, wie ihm geschah.
*
Eine knappe Stunde später kehrte Stephanie zur Feier zurück. Sie fühlte sich großartig. Dieser Mathew Wallace war ein brillanter Liebhaber. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie ihn in die Horizontale gebracht hatte.
Mathew war zunächst etwas schüchtern gewesen, aber das hatte sich sehr schnell gelegt. Sie hatte ihn hart rangenommen. Ja, dieses kleine Abenteuer hatte sich gelohnt. Jetzt konnte sie keine langatmige Rede mehr stören.
Nachdem sie mit Mathew geschlafen hatte, hatte sie sich wieder zurechtgemacht. Stephanie hoffte, dass man ihr nicht ansah, wie sie ihre Zeit verbracht hatte, denn sie hatte das Make-up nicht so gut hinbekommen wie zuvor. Toran würde es schon nicht merken, er war schließlich auch nur ein Mann.
Stephanie wanderte in der Feierhalle herum, bis sie endlich ihren Verlobten, Toran Ebur, traf. Er war erst vor kurzem eingetroffen. Er sollte sich gar nicht wundern, wenn sie sich alleine vergnügte, wenn er sie schon allein ließ.
Sie begrüßte ihn mit einer wilden Umarmung, dann küssten sie sich leidenschaftlich.
Mathew Wallace kehrte in diesem Moment zur Feier zurück und beobachtete die Szene. Er war schockiert über ihr Verhalten, aber auch über sich selbst. Im Nachhinein konnte er sich gar nicht erklären, was er von dieser Frau wollte. Sicher, sie war schön, intelligent und sie konnte charmant sein. Allerdings war auch allseits bekannt, dass sie kalt und berechnend und immer nur auf ihren eigenen Vorteil aus war. Nichts anderes zählte für sie.
Traurig schüttelte Mathew den Kopf. Was war nur aus ihm geworden? Seit der Trennung von Saraah war er immer leicht depressiv gewesen, er hatte sich gefragt, ob man die Beziehung nicht hätte retten können. Hatte die Trennung sein müssen? Würde er jemals wieder eine Frau finden, die er so lieben konnte, wie er Saraah geliebt hatte?
Nein, mit prominenten Schönheiten wie Stephanie de la Siniestro zu schlafen, das konnte keine Lösung sein. Schlimmer noch: Sie hatte ihn ausgenutzt, hätte er sie zurückgewiesen, dann hätte sie sich einen anderen gesucht. Er war nur einer von vielen potentiellen Kandidaten gewesen. Nein, wie hatte das nur passieren können?
Gegen 18:00 Uhr gingen die Feiern zu Ende. Die Mannschaften hatten noch bis 20:00 Uhr frei. Sie sollten sich frisch machen und in ihren Kabinen einrichten, sofern das noch nicht geschehen war. Außerdem sollten sie sich darauf vorbereiten, was sie erwarten konnte: Eine lange, womöglich mehrjährige Odyssee durch den Weltraum. Vielleicht würden sie in fremde Galaxien geschickt, vielleicht sollten sie unbekannte Planeten erkunden, vielleicht auch nur Patrouillenflüge durch Cartwheel machen. Niemand wusste, was für die IVANHOE II in Zukunft vorgesehen war. Vorerst sollten nur einige Testflüge durchgeführt werden. Schließlich sollte der neue Stolz der Flotte in perfektem Zustand sein, wenn er sich auf die große Reise begeben würde.
Nach Ablauf der zwei Stunden machten sich die Männer und Frauen zu ihren Arbeitsplätzen auf. Roboter hatten die Spuren des Festes beseitigt. Nur an wenigen Stellen traf man noch vereinzelte Maschinen, die das eine oder andere Wandstück reinigen, an dem ein Infanterist oder ein Pilot seinen Mageninhalt geleert hatte. Vermutlich erinnerte sich niemand daran, dass in vergangenen Zeiten diese Schweinereien von Menschenhand gesäubert worden waren.
Die Zentrale füllte sich allmählich. Kommandant Xavier Jeamour war, wie es sich für seinen Posten gebot, als erster auf seinem Posten. Er begrüßte die ankommenden Besatzungsmitglieder alle mit Handschlag. Einerseits war ihm ein gutes Klima in der Zentrale wichtig, andererseits kannte er die meisten Besatzungsmitglieder inzwischen sehr gut. Man konnte sagen, eine Freundschaft verband sie miteinander.
Jeamour freute sich auf die Zusammenarbeit mit Mathew Wallace, der die Navigation übernehmen sollte, mit dem Oxtorner Irwan Dove, der für die Sicherheit zuständig sein würde und über den Posbi Lorif, der zwar sehr geschwätzig war, aber sein strategisches Genie mehrmals unter Beweis gestellt hatte.
Mit gemischten Gefühlen dagegen betrachtete der Kommandant Glaus Schyll. Der neue Verbindungsoffizier sorgte zwar mit seinem cholerischen Temperament und seiner Vorschriftenverliebtheit für Disziplin in der Kommandozentrale; das führte aber auch zu Unfrieden unter den Besatzungsmitgliedern. Jeamour fürchtete sich jetzt schon vor Diskussionen mit Schyll, denn Schyll stand voll und ganz hinter den Richtlinien des Quarteriums. Jeamour war da kritischer.
Jetzt kam auch Tania Walerty. Sie wirkte etwas aus der Spur geraten und war nicht so fröhlich wie sonst. Jeamour glaubte, sie hätte wahrscheinlich wieder mal verschlafen und orderte einen starken Kaffee für seine Kommunikationsoffizierin. Nach und nach trafen noch die übrigen Mitglieder der Zentralbesatzung ein. Die Schiffsführung war komplett anwesend.
Alle nahmen ihre Posten ein, denn für 21:00 Uhr war der Start angesetzt. Routinemäßig wurden alle Funktionen noch einmal überprüft. Es wurden jedoch keine Fehler gefunden, Maschinenchef Zyrak Wygal und sein Team hatten ganze Arbeit geleistet.
Obwohl es bereits dunkel war, wurde die IVANHOE II taghell beleuchtet. In den letzten Wochen hatten sich Reporter aller möglichen Sender um die Filmrechte des spektakulären Starts gestritten. Die Filmplätze waren begehrt und limitiert. Nur unter strenger Aufsicht durften die Reporter fliegende Kamerasonden platzieren, nur an ausgesuchten Plätzen durften sie sich aufhalten.
Es war ein sehr hoher Aufwand, sowohl für die Regierung, als auch für die Trivid-Anstalten. Erstere deckte ihre Kosten leicht mit den Einnahmen durch die Filmrechte, sie machte sogar beträchtlichen Gewinn dabei. Die Trivid-Anstalten dagegen hofften auf hohe Einschaltquoten und gute Werbeverträge.
Raumschiffsstarts dieser Größenordnung waren schon immer erhabene Ereignisse gewesen. Manche Sender zeigten vor dem Ereignis Archivaufnahmen vom Start der CREST IV, der MARCO POLO oder der BASIS. Auch von der SOL wurde Datenmaterial gezeigt, nur die passte nicht ganz in die Reihe dieser Raumschiffe, denn ihr erster Flug trug Perry Rhodan und andere Immune ins Exil. Sie waren nicht von der Aphilie befallen und mussten daher gehen.
Um Punkt 21:00 Uhr war es soweit: In der Zentrale der IVANHOE war kein Laut zu hören, alle warteten gespannt auf das Zeichen, das Xavier Jeamour geben sollte. Die Maschinen liefen bereits, vor zwei Minuten hatte Mathew Wallace sein Okay gegeben. Die IVANHOE war startbereit.
Jeamour nickte schließlich Mathew zu und übertrug ihm die schwierige Aufgabe, einen absolut perfekten Start zu absolvieren.
Die Stille wurde fast gespenstisch. Schallabsorbierende Geräte sorgten für Lautlosigkeit beim Abheben, Andruckabsorber für das Wohlbefinden der Insassen.
Langsam, ganz langsam, begann sich der 2.500 Meter durchmessende Koloss zu heben. Zuerst merkte man es gar nicht, doch das Raumschiff gewann an Geschwindigkeit und schwebte bald 100 Meter über dem Erdboden. Dort verweilte es einen Moment für die vielen Kameras, die auf es gerichtet waren und schoss dann in die Höhe.
Viele Reporter waren enttäuscht: Der Start war absolut glatt verlaufen, es hatte keine Skandale, keine Attentate gegeben. Sicher, das war großartig. Aber auch im 14. Jahrhundert NGZ verkauften sich schlechte Nachrichten, die man vielleicht sogar wochen- und monatelang wiederholen konnte, besser als gute.
Die Besatzung der IVANHOE II dachte anders. Sie war über den gelungenen Start sehr zufrieden. Das Schiff steuerte jetzt auf sein erstes Ziel zu: Die äußeren Ringe Cartwheels. Man sagte, es würden große Aufgaben auf das Schiff warten. Doch niemand hatte sich bislang dazu geäußert. Jeamour hatte nur die Anweisung bekommen, die Systeme am Rande der Galaxis ausgiebig zu testen. Das allein war zur Zeit wichtig.
Was würde sie erwarten, in einem unter dem Quarterium regierten Cartwheel, in einem Zeitalter der Kriege, in einer Zeit des Terrors?
*
Eine Stunde nach dem Start suchte Janina das Büro des Kommandanten der Space-Jets, Tym Elahrt, auf. Sie betätigte höflich den Summer an der Tür, die kurz darauf auffuhr. Janina trat ein.
Tym Elahrt war hier noch nicht heimisch geworden, das bemerkte man auf den ersten Blick. Die Wände waren kahl, die Möblierung spärlich, Regale und Schreibtisch waren leer. Tym stand vor dem Tisch.
Er bemerkte Janinas forschende Blicke und sagte: »Ich hoffe, die Ungastlichkeit stört Sie nicht. Ich ziehe es vor, bei meinen Männern zu sein. Im Büro bekomme ich nicht mit, was sie tun, was sie denken. Deswegen möchte ich mich hier gar nicht wohl fühlen.« Er lächelte freundlich und bot Janina einen Platz an. »Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, dann sind Sie Janina Potter.«
»Nein, Porter. Mit r und t.«
»Alles klar.« Tym beugte sich zu seinem Syntron und gab etwas ein. »Darum hat Sie also dieser Syntron nicht gefunden. An dem werde ich wohl noch etwas arbeiten müssen, der muss flexibler werden – ah – da haben wir Sie ja.« Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Wegen zwei Buchstaben. Da muss ich wohl wirklich mal einen Syntroniker holen.«
»Vielleicht kann ich da helfen …« begann Janina vorsichtig.
»Ach, nicht nötig. Ich brauche diesen Syntron sowieso nur selten. Was jetzt wichtiger ist: Ich sehe gerade, dass Sie erst heute zum Dienst auf der IVANHOE einberufen wurden. Hier steht, Sie waren auf dem Raumhafen von Siniestro beschäftigt. Haben Sie eine Ahnung von der Technik unserer Space-Jets?«
»Na ja, ein wenig schon. Aber niemand sagte mir bisher, womit Sie hier arbeiten.«
»Verstehe. Ich organisiere eine Hypnoschulung für später. Vielleicht wissen Sie schon einiges, aber sicher ist sicher. Wir brauchen an Bord nur Spitzenkräfte, die – wenn es darauf ankommt – ohne zu zögern unsere Jets reparieren können. Auch wenn nicht genügend Teile vorhanden sind … Wo wir gerade dabei sind: Wissen Sie eigentlich, auf was für einem Schiff Sie sich befinden? Haben Sie die Rede von Orlando de la Siniestro vorhin mitbekommen?«
Janina versuchte, nicht rot zu werden. »Als er sprach, kam ich gerade an«, versuchte sie, sich aus der Affäre zu ziehen. Ganz verkehrt war es ja nicht, was sie sagte.
»In Ordnung, dann gebe ich Ihnen noch ein paar Infos über das Schiff, damit Sie später bei den Gesprächen mitreden können.«
Janina freute sich. »Das wäre großartig!«, sagte sie.
»Gut.« Tym setzte sich. »Wir sind hier auf einem Ultraschlachtschiff, einem Kugelraumer mit 2.500 Metern Durchmesser, vergleichbar mit der alten GALAXIS-Klasse. In Zusammenarbeit mit unseren Freunden aus der Milchstraße wurde ein Hypertakt-Triebwerk entwickelt. Es ist zwar nicht so leistungsfähig wie das der SOL, aber es schafft immerhin eine Beschleunigung von stattlichen 1350 km/sec.
Mit 2.500 Metern ist die IVANHOE eine gigantische Kugel, Sie haben sicher auch einen ersten Eindruck bekommen, als Sie sie betreten haben. Sie ist natürlich mit jeder Menge Geschützen besetzt: Insgesamt 25 Mega-Transformgeschütze, 50 Intervallgeschütze, 100 Impulsgeschütze und 1 Transonator. Daneben verfügen wir über 10 Arkonbomben und 5 Sternenfusionsbomben, die natürlich nur im äußersten Notfall eingesetzt werden.
Die Defensivbewaffnung besteht aus einem vielfach gestaffelten Paratron-Schild, einem Semi-Transit-Schild und natürlich Virtuellbildnern.
Außerdem sind Maxim-Orter und Hyperraum-Resonatoren an Bord.
An Einheiten gibt es 75 Space-Jets, 10 VESTA-Kreuzer, 25 MINOR GLOBES, 250 Jäger, 250 SHIFTS und schließlich 500 TARA-C-1 Kampfroboter. Das C-1 steht natürlich für Cartwheel-1. Die Einzelheiten über die verschiedenen Jets und Kreuzer werden Sie dann in der Hypnoschulung erfahren.
Ach, das könnte noch interessant sein: Wir haben eine Gesamtbesatzung von 6050 Mann. Davon sind nur 550 Männer und Frauen Stammbesatzung – Sie und ich gehören dazu. Hinzu kommen 1500 Piloten, mit denen Sie gelegentlich zu tun haben werden. Schließlich noch 4000 Infanteristen. Die bekommen Sie in der Regel nur in einer Kantine oder dann, wenn sie die Jets besteigen, zu Gesicht.
Habe ich etwas vergessen? Nein, ich glaube, das war es fürs erste. Einzelheiten gibt es morgen bei der Hypnoschulung. Haben Sie sonst noch Fragen?«
Janina dachte nach. »Welche Leute an Bord sollte ich denn kennen?«
»Gute Frage! Also, Xavier Jeamour ist Kommandant, dem werden Sie aber wohl eher selten über den Weg laufen. Wichtig ist vielleicht Irwan Dove, er ist der zweite Offizier und zuständig für die Sicherheit. Er wird hier gelegentlich mal vorbei kommen. Dr. Ignon Ruon, ein Ara, dürfte noch wichtig sein. Er ist der Chefarzt an Bord. Wenn ich krank würde, dann würde ich mich aber eher an Jennifer Taylor, die zweite Ärztin, wenden. Über Ruon sagt man so Einiges. Interessant ist für Sie sicherlich noch Hauptmann Soran Tomall, er ist Kommandant der VESTA-Kreuzer. Mit dem werden Sie aber noch früh genug zusammentreffen, er bespricht gerne technische Probleme mit den Technikern. Oder seine Pläne zur Verbesserung seiner Einheiten. Es ist immer ganz unterhaltsam, mit ihm zusammenzuarbeiten. Zu guter Letzt sollten Sie noch Zyrak Wygal, unseren Maschinenchef, kennen.«
»Den habe ich schon kennen gelernt. Scheint etwas nervös zu sein.«
»Machen Sie sich nichts daraus. Durch seine permanente Sorge um alle Maschinen ist er der perfekte Mann für den Posten. Da Sie für die beweglichen Einheiten zuständig sind, werden Sie ihn auch relativ selten zu Gesicht bekommen.«
»Wo wir gerade über Einheiten reden, wie groß ist das Team, in dem ich arbeite?«
»Ihr seid sechs Techniker, aber zur Not kennen sich noch einige Piloten mit der Technik aus, falls es dick kommt. Vielleicht kommen Sie gleich mit, ich wollte sowieso noch einmal zu den Einheiten. Die Techniker werden sie bestimmt bereits begutachten.«
Janina und Tym standen auf. Dann gingen sie zum Haupthangar. Dort würde Janina auf ihre zukünftigen Kollegen treffen. Tym, ihr Vorgesetzter, schien ja ein Mensch zu sein, mit dem man auskommen konnte. Nach dem schlechten Start schien es jetzt ja langsam besser zu werden.
Der Jungfernflug verlief ruhig. Langsam legte sich die Aufregung unter den Besatzungsmitgliedern. Sie wussten, dass ihre Arbeiten bald Routine werden würden, dass sie aber wichtig waren.
Die Euphorie der Crew verflog allmählich, der Alltag kehrte ein. Jeamour war zufrieden. Sorgen machte er sich nur wegen Glaus Schyll, der allein durch seine Anwesenheit für Unsicherheit und teilweise sogar für Aggressionen sorgte. Er meckerte viel, wusste alles besser und mischte sich überall ein. Manchmal meinte er sogar, mehr zu sagen zu haben als der Kommandant selbst. Und das Beängstigende dabei war: In gewisser Weise stimmte das sogar! Schyll war von den hohen Tieren des Quarteriums auf die IVANHOE beordert worden. Als Verbindungsoffizier konnte er sich in vielen Dingen einmischen, seine Aufgabe war nicht klar umrissen. Gefiel ihm aber etwas nicht, was Jeamour machte, dann brauchte er es nur Orlando de la Siniestro zu melden und schon konnte Jeamour in Schwierigkeiten geraten.
»Kommandant!«
Jeamour drehte sich um, sofort war er wieder bei der Sache. Tania Walerty, die Kommunikationschefin, hatte ihn angesprochen.
»Was gibt es, Major?«, fragte er ruhig.
»Kommandant, ich habe ein merkwürdiges Echo auf dem Bildschirm. Ich glaube, es könnten Raumschiffe sein.«
»In welchem Sektor?«
»In den äußeren Ringen Cartwheels, etwa 1.500 Lichtjahre von unserem Zielort entfernt. Nach meinen Daten sollten dort gar keine Raumschiffe sein.«
»Übermitteln Sie mir bitte die Koordinaten und das Bild, ich möchte mir das selbst ansehen.«
Jeamour hatte vor seinem Sessel gestanden. Jetzt setzte er sich hin und wartete auf das eintreffende Bild. Als es kam, wurde er stutzig. Sah man genau hin, so erkannte man zwei Echos. Hin und wieder leuchteten sie auf, es mussten Energieladungen freigesetzt worden sein. Explosionen etwa.
»Das sieht ganz nach einem Kampf aus. Oberstleutnant Wallace, ich übermittle Ihnen die Koordinaten. Setzen Sie Kurs in diesen Sektor. Ich möchte mir das aus der Nähe ansehen.«
»Sofort, Kommandant!«, antwortete Wallace.
Die erste Probefahrt der IVANHOE II versprach, doch spannend zu werden.
*
Es dauerte keine 10 Minuten, bis Glaus Schyll in die Zentrale stürmte. Er hatte sie kurz nach dem Start verlassen, um verschiedene Sektoren des Schiffes zu inspizieren. Vermutlich wollte er vor allem den Extraterrestriern, denen man seiner Meinung nach nicht trauen konnte, auf die Finger schauen.
»Wir ändern den Kurs? Was hat das zu bedeuten?«
Xavier Jeamour atmete tief durch. Er würde sich in den nächsten Wochen und Monaten an derartige Vorkommnisse gewöhnen müssen. Aber noch musste er an sich halten, um nicht gleich loszupoltern. »Ja, wir ändern den Kurs. Und das aus gutem Grund.«
Zwei Sekunden wartete Schyll auf eine weitere Erklärung, dann brach es aus ihm heraus: »Aus welchem Grund? Wir haben eine klare Order und …«
»Mein werter vierter Offizier Oberstleutnant Glaus Schyll, noch bin ich der Kommandant an Bord. Aufgrund Ihrer … besonderen Position ist es Ihnen gestattet, einige meiner Befehle zu hinterfragen. Dennoch wollen wir, wenn Sie das schon tun, einige Grundsätze der Höflichkeit und Zivilisation wahren, nicht wahr?«
Jeamour hatte klar und deutlich gesprochen und absichtlich die Anreden betont, um seinem Vortrag mehr Gewicht zu geben. Vielleicht konnte man diesen Schyll ja wenigstens ein bisschen erziehen.
Schyll bemerkte, dass er in der Falle saß. Jeamour war dabei, ihn vor der ganzen Zentralebesatzung lächerlich zu machen. Ganz gleich, was Schyll jetzt tat, es würde immer in einem Fettnapf enden. Daher entschloss er sich für einen Rückzug und sagte: »In Ordnung. Würde der werte Herr Kommandant die Güte haben, mir die Gründe für den Kurswechsel darzulegen?« fragte er übertrieben höflich mit einem breiten Grinsen.
Jeamour lachte. »Aber Oberstleutnant, das müssen wir noch etwas üben. Aber gut: Wir haben in einiger Entfernung von unseren Zielkoordinaten merkwürdige Ortungsechos aufgespürt.«
»Und?«
»Wir vermuten Raumschiffe, die sich bekämpfen. Ich möchte nachsehen, was dort passiert.«
»Und?« Diesmal klang die Nachfrage schon wesentlich ungeduldiger.
Doch Jeamour blieb ruhig. »Vielleicht ist es ein Überfall, vielleicht ein politisches Komplott. Wie auch immer, wir werden dort hinfliegen.« Der Kommandant stand auf. »Wer weiß, vielleicht können wir hier erste Erfahrungen mit unserem neuen Schiff sammeln.« fügte er hinzu und verließ die Kommandozentrale. Er ließ einen ärgerlichen Glaus Schyll zurück.
*
Es dauerte einige Zeit, bis die beiden Ortungsechos in unmittelbarer Reichweite waren. Jeamour war bald wieder in der Zentrale, er hatte nur kurz eine Toilette aufgesucht. Mit leichtem Unbehagen stellte er fest, dass sich Schyll in einem der freien Sessel niedergelassen hatte. Wie lange es mit dieser Nervensäge an Bord gut gehen würde?
»Gibt es Neuigkeiten?«, fragte der Kommandant.
»Ja«, meldete Tania. »Es handelt sich eindeutig um sich bekämpfende Schiffe. Wir haben auch einen kurzen Funkspruch aufgefangen, den das fliehende Schiff ausgesandt hat. Dann verschwanden beide Schiffe hinter einer Sonne. Wir folgen gerade.«
Tania Walerty konzentrierte sich wieder auf ihren Orterschirm. Sie war nicht nur Leiterin der Funkkommunikation, sondern auch für die Ortung zuständig. Ihr zur Seite wurden zwei weitere Orter und Funker gestellt.
Lorifs Aufgabe bestand darin, die Messwerte zu analysieren und zu interpretieren. Schyll war von Anfang an gegen diese Aufteilung gewesen, da sie seiner Meinung zu unübersichtlich war. Jeamour setzte hingegen auf die Zusammenarbeit seiner Leute.
»Ich bin weiterhin dagegen, diesen Schiffen zu folgen. Ich möchte hiermit offiziell gegen die Missachtung der Order des Oberkommandos protestieren.« Schyll hatte noch immer ein hochrotes Gesicht.
Mathew Wallace seufzte. »Aber wir unterstehen nun einmal dem Kommandanten. Von ihm nehmen wir Befehle entgegen. Im Übrigen halten, ausgenommen von Ihnen, alle in der Zentrale die Untersuchung des Kampfes für notwendig. Also lassen Sie uns endlich unsere Arbeit tun!«
Glaus Schyll war schockiert über diese Worte, aber da zur Zeit nichts für ihn zu gewinnen war, schwieg er jetzt lieber. Xavier Jeamour nahm das mit Freude zur Kenntnis.
Tania Walerty meldete sich wieder. »Die Schiffe verlassen den Ortungsschatten der Sonne wieder. Gleich können wir erkennen, womit wir es zu tun haben.«
»Geben Sie mir das Bild auf einen Bildschirm, sobald Sie es haben.« Zwei Sekunden später war es so weit, Jeamour schrie fast vor Überraschung auf. »Dorgonische Schiffe!«
»Kommandant, es kommt ein Funkspruch herein. Vom Verfolgerschiff!«
»Bitte durchstellen!«
Ein Mann im mittleren Alter, mit harten Gesichtszügen wurde sichtbar. Diese Unerbittlichkeit im Blick schreckte Jeamour sofort ab.
Doch bevor er etwas sagen konnte, begann der andere: »Mein Name ist Centrus Marcos Isurus. Ich verfolge diese Terroristen. Haltet euch entweder aus dieser Angelegenheit heraus oder helft uns, sie einzufangen. Wenn sie sich nicht bald ergeben, werden wir sie vernichten.«
»Ich bin Kommandant Xavier Jeamour von der IVANHOE II. Was wird den Flüchtlingen vorgeworfen?«
»Das ist nicht eure Angelegenheit. Lasst uns einfach unsere Arbeit erledigen und wir sind bald wieder weg.«
Jeamour war angewidert von der Arroganz dieses Mannes. »Ihr befindet euch in unserem Hoheitsgebiet. Daher ist es jetzt sehr wohl auch unsere Angelegenheit. Wir werden uns anhören, was die Flüchtlinge zu sagen haben.«
»Aber …«, war noch zu hören, dann hatte Jeamour schon die Funkverbindung unterbrochen.
»Tania, stellen Sie bitte eine Verbindung mit dem fliehenden Schiff her.«
»Das ist nicht nötig, wir werden bereits angefunkt. Ich stelle durch.«
Kurz darauf war auf einem Bildschirm das traurige Gesicht einer schönen Frau zu sehen. Sie wirkte müde, ihr schwarzes Haar hing ihr wirr über die Schultern, die graugrünen Augen hatten ihren Glanz verloren. »Ich grüße euch. Ich bin Saraah, ehemalige Senatorin von Jerrat. Es sind schreckliche Dinge passiert und wir werden von diesem Centrus verfolgt. Wir bitten …«
»Saraah?« Jeamour war völlig überrascht, ausgerechnet Saraah zu sehen. Wieso war sie eine Gesetzlose, eine Terroristin? »Erkennst du mich nicht?«
»Was? Erkennen? Unser Bildempfang ist gestört.« Sie stockte. »Das – das kann doch nicht sein? Xavier? Xavier Jeamour? Wie – wie kann das sein?«
»Ich glaube, das besprechen wir besser hier an Bord. Wir ziehen euch zunächst per Traktorstrahl zu uns.«
Saraahs Augen leuchteten auf. »Vielen Dank! Vielen Dank für das Vertrauen. Wir sind keine Terroristen. Wir können alles erklären!«
»Das weiß ich doch. Übrigens – Mathew ist auch an Bord. Er kann es noch gar nicht fassen, dich bald wiederzusehen.«
»Wirklich? Es ist so lange her. Ich freue mich sehr.« Als Saraah abschaltete, wirkte sie richtig glücklich, ihre Hoffnung schien zurückgekehrt zu sein.
Jeamour wandte sich an seinen Ersten Offizier. »Oberstleutnant, veranlassen Sie bitte, dass Saraahs Schiff per Traktorstrahl an Bord gebracht wird. Und Major Walerty, schicken Sie Marcos Isurus eine Warnung, er soll sich jetzt nicht einmischen, oder es gibt Ärger.«
Schyll erhob sich und kam auf Jeamour zu. »Ich empfehle dringend, dieses Vorhaben sofort abzubrechen. Wir haben gute Beziehungen zu den Dorgonen, die dürfen wir nicht leichtfertig durch diese Einmischung aufs Spiel setzen!«
Jeamour blieb ruhig. »Ich habe den Einwand registriert und werde vorsichtig sein. Aber da wir jetzt in die Sache verstrickt sind, werden wir die Flüchtlinge zu Wort kommen lassen. Ich möchte wissen, was passiert ist.«
Mathew gab wie betäubt die Befehle für die Traktorstrahlen. Er würde bald Saraah wiedersehen. Zu einem völlig unerwartetem Zeitpunkt. Hatte sie sich verändert? Wieso galt sie als Terroristin? Mathew hoffte, es würde sich alles in Wohlwollen aufklären.
*
Eine halbe Stunde später war das Schiff an Bord. Marcos Isurus hatte natürlich geschimpft und gedroht, man war aber hart geblieben. Auf Marcos Schiff, der COMMANUS EHRE, traute man sich auch nicht, militärisch gegen die IVANHOE II vorzugehen. Auch wenn die Technik der Dorgonen sehr hoch entwickelt war – sie kannten die der IVANHOE, einem neuartigen Schiff, nicht. Außerdem bestand noch immer die Chance, diesen Konflikt friedlich zu lösen. Vielleicht lieferte Jeamour ja die Verbrecher nach der Untersuchung aus. Isurus konnte nicht wissen, dass dieser Fall nie eintreten würde. Schon, weil Saraah eine alte Bekannte war, war eine Auslieferung von Seiten der IVANHOE undenkbar.
Man gestattete es den Flüchtlingen, sich frisch zu machen. Vieles an Bord ihres Schiffes, der ARIMAD III, war zerstört. Auch einige Lebenserhaltungssysteme hatten Schaden genommen, und die Haupttriebwerke waren nur noch Schrott. Nur wenige Stunden später hätten sie sich endgültig ergeben müssen oder sie wären abgeschossen worden. Die IVANHOE war gerade noch rechtzeitig gekommen, um das zu verhindern.
Später wurde eine Konferenz einberufen. Saraah kam mit einigen Freunden. Von Seiten der IVANHOE war der ganze Hauptstab vertreten, also Xavier Jeamour, Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Tania Walerty, Jennifer Taylor und natürlich auch Glaus Schyll. Letzterer verhielt sich erstaunlich ruhig, er wollte zunächst nur beobachten und sich die Geschichte anhören. Später würde für ihn die Zeit kommen, einzugreifen. Er hatte sich damit abgefunden, jetzt noch nichts ausrichten zu können.
Saraah berichtete zunächst über die Geschehnisse Ende des 13. Jahrhunderts NGZ. Über Decrusians Versuche, den Thron zu besteigen, über Commanus, der immer mehr zu einem machthungrigen, brutalen Herrscher wurde, über die großen Kämpfe im Reich, die durch Anführer wie Carilla mit höchster Brutalität niedergeschlagen wurden. Saraah sprach über Vesus, der zum Kommandanten der Flotte des Kaisers geworden war und der dessen Willen ausführte, aber versuchte, fair zu bleiben und ohne unnötiges Blutvergießen auszukommen.
In den folgenden Jahren, nach Decrusians endgültiger Niederlage, hatte sich die Lage in Dorgon verschlechtert. Wirtschaftskrisen und Aufstände, die oft mit Hilfe der Flotte gelöst wurden, erschütterten das Reich. Commanus bewältigte die Krisen, indem er Schritt für Schritt zum alten Regierungssystem der Dorgonen zurückkehrte. Commanus war mächtiger Kaiser mit absoluter Macht. Er ließ jeden beseitigen, der seine Stimme gegen ihn erhob und erstickte Widerstandsbewegungen schon im Keim. Nichtdorgonische Völker wurden wieder versklavt. Das nützte ihm in zweifacher Hinsicht: Einerseits konnten sich diese Völker nicht mehr gegen ihn auflehnen, andererseits wurden auf diese Weise billige Arbeitskräfte gewonnen, mit denen der schlechten Wirtschaftslage problemlos beizukommen war. Darüber hinaus befahl Commanus, die Raumflotte aufrüsten zu lassen. Es wurden Tausende neuer Schiffe in Auftrag gegeben.
Die Besatzungsmitglieder der IVANHOE II im Raum waren entsetzt, als sie diesen Bericht hörten. Als Commanus im Januar 1303 NGZ Cartwheel besuchte, hatte er die Lage in Dorgon ganz anders dargestellt. Seine offizielle Darstellung bezeichnete Dorgon als eine Galaxie, in der nach einigen kleineren und größeren Krisen Ruhe und Wohlstand eingekehrt war. In gewisser Hinsicht war das auch richtig: Die Dorgonen erfreuten sich eines Reichtums, den sie in den letzten Jahren vermisst hatten. Insbesondere die Adeligen waren zufrieden, denn endlich gab es wieder massenweise Sklaven, die alle anfallenden Arbeiten des Tages erledigen konnten, ohne dass sie gleich ein Vermögen für ihre Dienste verlangten.
Saraah stockte in ihrem Bericht und blickte in die Runde. Sie sah betretene und entsetzte Gesichter. Nur Glaus Schyll machte einen eher gleichgültigen Eindruck. Sie fuhr fort: »So war der Stand Anfang 1303 NGZ. Zu dieser Zeit besuchte Commanus euch in Cartwheel, wer weiß, was er erzählt hat. Doch leider geht meine Geschichte weiter. Denn in den letzten zwei Jahren verschlechterte sich die Situation in Dorgon zunehmend. Der massive Flottenausbau verschlang Unsummen von Geld; Steuererhöhungen waren notwendig, die das einfache Volk trafen. Nun machte sich auch unter den Dorgonen wieder Unzufriedenheit bemerkbar. Doch sie fürchteten sich, etwas zu sagen. Commanus griff hart und unerbittlich durch. In dieser Zeit wurden wir Widerständler mehr denn je gejagt. Der Kaiser hetzte seine übelsten Handlanger wie Carilla auf uns. Schlimmer war Vesus, denn er ist sehr intelligent. Wir waren in dieser Zeit mehr damit beschäftigt, uns in Sicherheit zu bringen, als unserer Mission nachzugehen. Wenn wir versuchten, zu helfen, wurden wir oft fort gejagt, niemand wollte etwas mit dem Widerstand gegen den Kaiser zu tun haben. Wir waren absolut machtlos.
Anfang 1305 NGZ war es dann soweit: Commanus hatte beinahe 200.000 Schlachtschiffe bauen lassen, um die dorgonische Flotte zu verstärken. Wir fragten uns schon lange, was er mit ihnen vor hatte. Jetzt erfuhren wir es: Eine 300.000 Einheiten starke Flotte sollte nach Siom Som aufbrechen. Schon die Monate zuvor hatte man neue Soldaten angeworben. Jetzt wussten wir endlich, wofür. Doch wofür dieses riesige Flotte? Die Flottengröße sprach eigentlich für sich, doch wollte vorerst niemand glauben, dass es wirklich zu einer Invasion kommen sollte.
Ich sprach mich mit Torrinos ab. Er flog mit einigen Getreuen zur Milchstraße, um dort die USO um Hilfe zu bitten. Ich sollte dasselbe in Cartwheel tun. Doch vorher sollte ich herausfinden, was in Siom Som passieren würde. Also mischte ich mich mit der ARIMAD III und einigen treuen Freunden unter die riesige Flotte. Zum Glück fielen wir nicht auf. Wir erreichten Siom Som, wo sich furchtbare Dinge ereigneten. Wir haben Bildmaterial dabei, das ich euch zeigen will. Denn ich glaube, Bilder sagen in diesem Fall mehr als alles, was ich berichten könnte.«
Saraah schwieg. Sie reichte Jeamour einen Datenträger, den er in den Syntron im Raum einspeiste. Schon begann die Vorführung.
Die ersten Bilder stammten vom 20. Februar 1305. Die dorgonische Flotte erreichte Siom Som. Es wurde keine Zeit verloren, sofort schwärmte die Flotte aus und fegte über die Welten von Siom Som. Kleine Flotten wurden systematisch außer Gefecht gesetzt. Als die Völker reagierten, waren sie schon sehr geschwächt. Durch Vesus taktisches Geschick wurde die Hauptflotte bereits am 23. Februar vernichtend geschlagen. Vesus legte unannehmbare Kapitulationsbedingungen vor, man entschloss sich, weiter zu kämpfen.
Die dorgonische Flotte wurde aufgeteilt, unter der Leitung von Carilla auch gezielt die Zivilbevölkerung angegriffen. Der Somer Sam, der bereits seinen Ruhestand genossen hatte, wurde zum Diplomaten und versuchte, den Krieg zu beenden. Doch der Rat von Siom Som wollte nicht kapitulieren und so ging der Krieg weiter.
In Saraahs Präsentation wurden noch einige Bilder vom Krieg gezeigt, vor allem, was unter der Führung Carillas passierte. Damit endete die Vorführung.
Saraah begann weiter zu erzählen: »Wir wurden kurz darauf entdeckt. Glücklicherweise reagierte man langsam. Wir hatten also einen gewissen Vorsprung. Doch die dorgonische Technik ist hoch entwickelt: Man schickte Marcos Isurus hinter uns her und er holte uns schnell ein. Wir schafften es einige Male, ihm zu entkommen, doch er schoss auf uns und einige Bomben trafen das Schiff. Es ist inzwischen schrottreif, aber zum Glück habt ihr uns gefunden.« Sie lächelte.
Kommandant Jeamour atmete tief durch. »Das sind sehr schlechte Neuigkeiten. Ich dachte, wir in Cartwheel hätten schon genug Probleme. Aber dass die Dorgonen jetzt anfangen, verrückt zu spielen …«
»Die Probleme in Cartwheel wurden durch unsere fähige Regierung unter der Führung des Emperador überwunden«, wandte Schyll ein. Ihn hatte der ganze Vortrag als einzigen im Raum völlig kalt gelassen. »Wenn Commanus es für richtig hält, Siom Som anzugreifen, dann soll er das tun, es ist allein seine Sache und geht uns überhaupt nichts an.«
»Saraah, unter diesen Umständen werden wir natürlich sofort zur USO aufbrechen und dort berichten. Es muss schnell etwas unternommen werden. Ich bin froh, dass du hier wohlbehalten angekommen bist. Deine Mannschaft und du sind hier in Sicherheit. Nichts wird euch geschehen.« Mathew Wallace lächelte Saraah an, er war glücklich, sie wiederzusehen.
»So einfach ist das leider nicht«, sagte Jeamour. »Wir können nicht einfach zum USO-Quartier fliegen und dort um Hilfe bitten. Zuerst müssen wir diesen Isurus loswerden. Und ich fürchte, das wird nicht durch gutes Zureden funktionieren.«
Jetzt sprang Schyll auf. Er hatte bemerkenswert lange still gehalten. »Was? Sie wollen tatsächlich diesen flüchtigen Verbrechern und Terroristen Asyl gewähren? Damit setzen Sie die guten Beziehungen Cartwheels zu Dorgon aufs Spiel!«
»Oberstleutnant Schyll, wir sind auch mit den Völkern von Siom Som alliiert. Das Bündnis mit diesen Völkern ist sogar älter als das mit Dorgon. Wenn jetzt Dorgon Siom Som angreift, müssen wir zumindest herausfinden, weswegen das passiert.«
»Jetzt reicht es!« Schyll donnerte die Faust auf den Tisch. »Ich habe mir ihre Reden jetzt lange genug angehört. Ich werde Quarteriums-Marschall Despair sofort Meldung erstatten. Major Walerty, Sie kommen mit!« Schyll verließ mit schnellen Schritten den Raum.
Tania Walerty folgte ihm, drehte sich aber noch einmal um. So konnte sie erkennen, wie Jeamour ihr ein Zeichen gab.
Saraah war erschrocken durch den kurzen Streit. »Was bedeutet das alles? Was hat er vor?«
»Ich kann dich beruhigen. Vorerst wird er nichts ausrichten können. Aber wir müssen unsere nächsten Schritte planen …«
Kurz nachdem Schyll gegangen war, bat Jeamour Lorif, Irwan Dove, Mathew Wallace und Jennifer Taylor zu einer weiteren Besprechung.
»Nach Saraahs Bericht gibt es eine neue schwere Krise. Wir müssen auf jeden Fall etwas unternehmen. Mathew hat schon den Vorschlag gemacht, zur USO zu fliegen und dort um Hilfe zu bitten. Meiner Meinung waren Sie damit etwas voreilig. Der Standort von Quinto ist streng geheim. Man sollte mit solchen Äußerungen nicht leichtfertig um sich werfen.«
»Es tut mir Leid. Nach Saraahs Bericht konnte ich nicht anders, als ihr sofort Hilfe anzubieten.«
»Schon gut. Überlegen Sie das nächste Mal besser, bevor Sie etwas sagen. Aber wir haben jetzt ganz andere Probleme. Was sagen Sie zu der Situation, Irwan?«
Der Oxtorner überlegte. »Unter diesen Umständen halte ich es auch für richtig, sofort nach Quinto zu fliegen. Doch mit Schyll haben wir ein Sicherheitsproblem.«
»Das ist wahr. Aber er wird Despair keine Meldung erstatten können. Ich habe Major Walerty angewiesen, eine Störung vorzutäuschen.«
»Das wird eine Weile gut gehen.« Jetzt sprach Lorif. »Aber dann wird er ungeduldig werden und Fragen stellen.«
»Vielleicht könnte ich da weiterhelfen«, bot Jennifer Taylor an.
»Gerne. Ich hatte auch schon an Sie gedacht. Wir besprechen uns auf dem Weg zur Zentrale. Unser anderes Problem ist die COMMANUS EHRE. Was machen wir mit Isurus?«
»Wenn er nicht auf uns hören will, dann sollten wir versuchen, ihn abzuhängen. Zeigen wir ihm, was die IVANHOE II drauf hat.« Mathew Wallace liebte Herausforderungen. Mit dem Wunsch, die COMMANUS EHRE abzuschütteln, hatte er sich einiges vorgenommen.
»In Ordnung, das versuchen wir. Jetzt aber alle zurück auf ihre Plätze. Es gibt gleich einiges zu tun!«
*
Kurze Zeit später erreichten Jeamour, Wallace und Lorif die Zentrale. Schon von Weitem hörten sie das Gebrüll Schylls.
»Ich dachte, der hätte etwas mehr Geduld«, meinte Mathew.
Als sie die Zentrale betraten, sahen sie Glaus Schyll mit hochrotem Kopf vor Tania Walerty stehen, die sich relativ gleichgültig die Beschimpfungen anhörte. In dieser Hinsicht war die Terranerin durch ihre ständigen Auseinandersetzungen mit der Kommandantin der NIMH abgehärtet. Zumindest machte sie nach Außen einen souveränen Eindruck. In ihr brodelte es jedoch förmlich.
»Gibt es ein Problem?«, fragte Jeamour.
»Ja, sie sagt, es gäbe eine Funkstörung. Eine Strahlung hier in den Außenregionen von Cartwheel verhindere, dass die Funkverbindung zustande kommt. Ich halte das für absoluten Blödsinn. Walerty, stellen Sie endlich meine Verbindung her!«
»Vielleicht sollten wir es mal in der Funkzentrale versuchen. Kommen Sie, Oberstleutnant. Ich bringe Sie hin«, sagte der Kommandant der IVANHOE.
»Die sind sicherlich fähiger als Sie, Walerty. Ich werde dafür sorgen, dass Sie bei nächster Gelegenheit vom Schiff fliegen!«
Nach diesen Worten schloss er sich Jeamour an. Beide verließen die die Zentrale. Schyll bemerkte nicht mehr, wie Tania ihm dem Mittelfinger zeigte und danach wütend gegen den Stuhl trat, um sich abzureagieren.
Auf dem Weg zur Funkzentrale fragte der Kommandant: »Warum lehnen Sie es so ab, den Flüchtlingen zu helfen?«
»Ich wiederhole mich nur ungern, Kommandant. Das Bündnis mit den Dorgonen ist sehr wichtig für das Quarterium. Es darf nicht wegen ein paar daher gelaufenen Flüchtlingen gefährdet werden.«
»Und wenn tatsächlich ein Angriff auf Siom Som stattgefunden hat?«
»Das ändert überhaupt nichts. Commanus weiß, was er tut. Und diese minderwertigen Existenzen, diese Flüchtlinge, müssen auf jeden Fall aus dem Verkehr gezogen werden.«
»Höchst bedauerlich, dass Sie wirklich so denken.« Jeamour betätigte einen Knopf am Handgelenk.
»Was – was tun Sie da?«
»Ich habe ein Gas freigesetzt, das Sie vorübergehend außer Gefecht setzen wird.«
»Was? Sie doch auch.«
»Nein, ich bin gegen die Wirkung immun.«
Schyll merkte schon, wie er müde wurde. Er hatte keine Waffe bei sich, so ballte er nur die Faust und sagte: »Das wird Ihnen noch Leid tun! Das war Ihr letzter Fehler, Sie sind tot!«
»Mag sein. Aber es ist unabdingbar, zuerst die USO zu informieren. Auch wenn Sie das nicht einsehen.«
Schyll röchelte. Er brachte nur noch wenige Worte hervor: »Letzter – Fehler – werde … sorgen … Sie … Verkehr …« Dann brach er endgültig zusammen.
Zwei Roboter erschienen mit einer Trage. Jeamour gab ihnen die Anweisung, Schyll unauffällig in eine Arrestzelle im Gefangenenareal zu sperren. Es würde sicher eine Weile dauern, bis man ihn vermisste. Glaus Schyll hatte sich mit seinem Verhalten nicht viele Freunde an Bord der IVANHOE II gemacht.
Als der Kommandant die Zentrale erreichte, bestürmte ihn Tania Walerty sofort mit der Nachricht, dass die COMMANUS EHRE alle Kompromisse ablehne. Jeamour gab Mathew Wallace die Anweisung, das dorgonische Schiff abzuhängen. Dann setzte er sich in seinen Sessel und dachte über die vergangenen Stunden nach. Konnte man selbst in der Heimatgalaxis der eigenen Regierung nicht mehr vertrauen? Sicher, es gab genügend Beispiele aus der Vergangenheit, was korrupte Regierungen anging. Aber Cartwheel?
Es existierten keine eindeutigen Beweise, die die Regierung in irgendeiner Weise belasteten. Ihr Verhalten in den letzten Jahren sprach jedoch für sich. Keine der führenden Personen an Bord der IVANHOE sprach sich dafür aus, sofort das Quarterium zu informieren, alle wollten zunächst die USO verständigen. Warum trauten nur alle unserer Regierung nicht mehr? Und warum spielten die Dorgonen jetzt verrückt? In einer Zeit, in der alle Völker für den Kampf gegen MODROR zusammenhalten sollten?
Jeamour fragte sich all diese Dinge. Auch wenn er Schyll nicht leiden konnte, es widerstrebte ihm, ihn einfach gefangen nehmen zu lassen. Wie konnte es nur so weit kommen?
»Kommandant! Kommandant!«
»Was gibt es, Mathew?«
»Sehen Sie auf den großen Schirm! Ein zweites Adlerschiff! Der dorgonische Raumer wird gerade per Traktorstrahl hineingezogen. Ich versuche, das Adlerschiff jetzt abzuschütteln.«
»In Ordnung, geben Sie Ihr Bestes! Vermutlich ist das unsere einzige Chance.«
Die Daten kamen herein. Es handelte sich um ein Schiff der Dom-Klasse, 1.500 Meter lang, 550 Meter breit und 250 Meter hoch. Auch, wenn die IVANHOE II einen Durchmesser von 2.500 Metern hatte, war die Kampfkraft des Adlerschiffes nicht zu unterschätzen: Es war, wie die IVANHOE, mit einem hypertaktähnlichem Triebwerk, ausgestattet und ein Hypertronschirm, der nur mit besonderen Transformbomben geknackt werden konnte, schützte es. Es besaß außerdem ein Semi-Transit-Feld, ein Schild, der es für eine gewisse Zeit unbesiegbar machen konnte. Die Hauptwaffe der Dom-Schiffe waren Transonatoren, die gebündelte Schildenergien auf gegnerische Schilde feuerten und damit jeden Paratronschirm innerhalb kürzester Zeit beseitigen konnten. Die Besatzung betrug etwa 15.000 Mann, viele von ihnen kommandierten die Massen an Beibooten, die das Schiff besaß. Haufenweise. Mit solchen Gegnern war nicht zu spaßen.
Eine Flucht, während das Adlerschiff damit beschäftigt war, die COMMANUS EHRE einzuladen, schien tatsächlich die einzige sinnvolle Möglichkeit zu sein.
»Kommandant! Sie beschleunigen, trotz des Traktorstrahlmanövers!«
»Beeilen Sie sich, Mathew! Leiten Sie den Hypertaktsprung ein!«
»45 Prozent Lichtgeschwindigkeit erreicht! Wir riskieren den Sprung.« Mathew drückte einige Tasten.
Ein Ruck ging durch die IVANHOE. Doch der Sprung schien zu funktionieren.
»Ich habe 15.000 Lichtjahre in Richtung Cartwheel einprogrammiert. Hoffentlich reicht es.«
Wenige Sekunden später fiel die 2.500-Meter-Kugel in den Normalraum zurück. Mathew hatte den Rücksturzpunkt so gewählt, dass die IVANHOE in einem Umfeld mit vielen Sonnen rematerialisierte. Das würde es dem Adlerraumer erschweren, sie zu orten.
»Haben wir es geschafft? Oder folgt man uns?« Jeamour klang unsicher.
»Es sieht ganz gut aus. Ich orte nichts. Aber ein paar Minuten müssen wir noch stillhalten. Was?«
In einem grellen Lichtblitz materialisierte das Adlerschiff.
»Wir erhalten einen Funkspruch«, meldete Tania.
»Durchstellen!«, rief Jeamour.
Das arrogante Gesicht Marcos Isurus erschien auf dem Bildschirm. »So, ihr versucht also, euch aus dem Staub zu machen. Aber nicht mit uns. Wir wollen unsere Gefangenen wieder, um sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Da man zwischen tot und lebendig keine großen Unterschiede macht, würden wir zur Not auch mit sanfter Gewalt vorgehen.«
»Sie wollen es auf einen Kampf ankommen lassen?« Jeamour wollte das, wenn möglich, vermeiden. Es war eine Sache, einem dorgonischen Schiff die Gefangenen zu klauen, eine völlig andere, es zu zerstören.
»Wenn es sich nicht vermeiden lässt …«
Jeamour überlegte. Eine Flucht schien jetzt unmöglich, Hilfe konnte nicht angefordert werden, es blieb wirklich nur der Kampf oder die Kapitulation einer Seite. »Wir werden die Flüchtlinge nicht hergeben. Es handelt sich um unsere Freunde, wir werden zuerst ihre Aussagen überprüfen, dann wird entschieden, was passieren soll.«
»Gut, dann werden wir kämpfen.« Marcos Isurus schaltete ab.
»Kommandant! Wir werden beschossen!«, meldete Lorif. Das Adlerschiff setzte seine Impulser-Kanone ein. Die konnte in kurzer Zeit einen hochwertigen Paratron-Schild knacken.
»Schutzschirme auf Vollleistung!« Durch diesen Befehl wurden die Schutzschirme, die bisher auf halber Leitung liefen, vollkommen hochgefahren. »Weg vom Feindschiff, fliegen Sie ganz nah an die Sonne heran.«
»Haben Sie einen Plan, Kommandant?« Mathew führte die Anweisungen aus.
»Ja, ich denke schon. Die Dorgonen können nicht wissen, welcher Technikstandard auf unserem Schiff herrscht. Wir müssen sie austricksen, denn im offenen Zweikampf haben wir keine Chance gegen diesen Gegner. Oberstleutnant Wallace, steuern Sie das Schiff um die Sonne herum, halten Sie sich aber so nah wie möglich an ihr. Wir müssen den Ortungsschatten erreichen.«
»Wir sollen nicht schießen?« Die Anfrage kam aus der Feuerleitzentrale.
»Bereiten Sie die modifizierten Transformbomben vor. Sobald Sie unsere Verfolger orten, nehmen Sie die Triebwerke ins Visier.«
»Wird gemacht. Die Vorbereitungen werden ein paar Minuten dauern.«
»Machen Sie schnell, Ihr Einsatz kann plötzlich kommen.«
Die IVANHOE II umflog die Sonne. Sie machte sich dabei die Anziehungskräfte des gigantischen Himmelskörpers zunutze. Die Paratronschirme wurden durch die Hitze stark beansprucht, aber sie hielten. Mathew hatte die Flugbahn perfekt berechnet.
»Wir müssten uns jetzt im Ortungsschatten des Adlerschiffs befinden«, meldete Mathew.
»Gut. Bringen Sie uns schnell in eine stabile Flugbahn um die Sonne herum.«
Zwei Minuten später war auch dieser Befehl ausgeführt. Das Adlerschiff war nicht wieder aufgetaucht. »Semi-Transit-Feld einschalten!«
Durch dieses Feld wurde die IVANHOE II vorübergehend nahezu unangreifbar und konnte nicht geortet werden. Der Energiebedarf dieses Feldes war enorm, die Energie wurde direkt von der nahen Sonne bezogen. Die IVANHOE war jetzt nicht manövrierfähig, sie konnte auch nicht schießen. Doch sie konnte orten. Und durch die stabile Umlaufbahn um die Sonne lief sie nicht Gefahr, in diese zu stürzen.
Die Besatzung konnte jetzt nur noch warten. Das Adlerschiff würde sie suchen. Jeamour hoffte, dass man unvorsichtig war und der IVANHOE keine hoch entwickelte Technik zutraute. Marcos Isurus schien zwar ein intelligenter, aber auch ein arroganter Mann zu sein.
»Wir haben sie!«
»Geben Sie als Ziel den Triebwerkssektor an!« Jeamour wiederholte seinen Befehl an die Feuerleitzentrale noch einmal, es durfte jetzt nichts schief gehen. »Kurz bevor Sie in bester Schussposition sind, geben Sie Bescheid.«
»In Ordnung. Wir haben den Sektor als Ziel eingegeben, beste Schussposition in – 4 Minuten und 33 Sekunden.«
»Sehr gut. Mathew? Wie lange brauchen wir, um das Semi-Transit-Feld abzubauen und schussbereit zu sein?«
»Wenn alles perfekt läuft, geht das in 44 Sekunden.«
»Gut, stimmen Sie sich mit der Feuerleitzentrale ab. Feuerleitzentrale, schießen Sie Punktfeuer, sobald Oberstleutnant Wallace Ihnen sein Okay gibt.«
Die Zeit verging quälend langsam. Auch wenn die IVANHOE nicht zu orten war, konnte sie immer noch optisch erfasst werden. Diese Gefahr war angesichts der Helligkeit der Sonne und angesichts der vielen Eruptionen auf ihr nicht allzu groß, aber sie war vorhanden.
Dann passierte es: Mathew ließ das Semi-Transit-Feld herunterfahren. Der Ortungsschutz war damit dahin. Es kam jetzt darauf an, wie schnell das Adlerschiff reagierte.
Das dauerte erstaunlich lange. Erst 36 Sekunden nach dem Herunterfahren des Feldes war eine Kursänderung des Adlerschiffs feststellbar. Sekunden später begann die Feuerleitzentrale mit dem Bombardement.
Die ersten Transformbomben ließen keinen Erfolg erkennen. Doch nach der ersten Salve sah man, dass der Hypertronschirm des Gegners an dieser Stelle flackerte.
»Weitermachen! Noch ein paar Bomben und wir sind durch.«
Sekunden später startete die zweite Salve. Das Adlerschiff hatte zwar reagiert und versuchte jetzt, seinerseits ein Semi-Transit-Feld aufzubauen, doch es war zu spät. Die Transformbomben fanden ihr Ziel, sie zerstörten den Schutzschirm über den Triebwerken und jagten diese in die Luft. Einige weitere Bomben schlugen ein, weitere Explosionen erschütterten das Adlerschiff, aus einigen Sektoren entwich Luft in den Weltraum.
»Feuer einstellen! Wir wollen sie nicht vernichten. Sie sollen uns nur nicht folgen können!«
Der Transformbeschuss endete. Kurz darauf brach der gesamte Hypertronschirm des Adlerschiffs zusammen.
»Zu spät«, sagte Lorif. »Wir haben zu viel zerstört. Sie sind antriebslos und werden bereits von der Sonne angezogen. Sie stürzen ab.«
»Können wir noch etwas für sie tun?«
»Bedaure, bis wir sie erreicht haben, ist die Fallgeschwindigkeit so hoch, dass die Leistung unserer Traktorstrahlen wirkungslos bleibt.«
»Ein Funkspruch kommt herein!«, rief Tania Walerty.
»Durchstellen!«
Marcos Isurus Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Er hatte eine Platzwunde auf der Stirn, im Hintergrund brannten einige kleine Feuer. Tote Dorgonen lagen in der Zentrale, Roboter versuchten, die Feuer zu löschen und Bewusstlose zu versorgen. »Das – das habt ihr wunderbar gemacht. Wegen einigen Terroristen einen Krieg provoziert. In Dorgon wird man –wird erfahren, was hier passiert ist. Die Folgen werden – Commanus wird fürchterliche Rache üben. Uns Dorgonen sollte man nicht zum Feind haben, aber das ist jetzt zu spät. Auch, wenn ihr uns vernichtet habt, so … euer Handeln wird Konsequenzen haben. Lang – lebe – der – Kaiser!«
Bevor Jeamour antworten konnte, war die Verbindung abgebrochen. Die Sensoren mussten verglüht sein. Ohne Hypertronschirm war das Schiff den Energien der Sonne schutzlos ausgeliefert. Es verwandelte sich kurz darauf in einen riesigen Feuerball.
Jeamour stand noch einige Augenblicke reglos da und beobachtete die auseinandertreibende Glutwolke bestürzt. Das hatte er nicht gewollt. Es sollte keine Opfer geben.
Mit heiserer Stimme gab Jeamour seine Befehle: Nach Überlebenden suchen, dann Kurs auf Quinto nehmen. Anschließend verließ er mit schweren Schritten die Zentrale.
*
Mathew Wallace verließ nach dem Manöver die Zentrale, er ließ sich von einem anderen Piloten vertreten. Er suchte sofort Saraah auf. Die beiden hatten bisher keine Gelegenheit gehabt, ausgiebig miteinander zu sprechen. Jetzt war endlich Zeit dazu. Er wollte alles wissen, was in den letzten Jahren passiert war. Er wollte erzählen, wie es ihm ergangen war, er wollte ihr sagen, dass jetzt keine Gefahr mehr bestand.
Vielleicht konnten sie sich gegenseitig trösten. Vielleicht wurde ja doch alles gut, auch wenn die jüngsten Ereignisse dagegen sprachen.
Er fühlte sich schäbig wegen des Ausrutschers mit Stephanie de la Siniestro. Mathew konnte sich inzwischen nicht mehr erklären, wie das passieren konnte.
Er erreichte Saraahs Quartier. Erst nach langem Zögern betätigte er den Summer.
Der Kommandant hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Er ging in Gedanken die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal durch.
Was war den Menschen und ihren Verbündeten los? Siom Som wurde von den Dorgonen angegriffen und die IVANHOE hatte 15.000 Leben auf dem Gewissen. Nein, er als Kommandant hatte 15.000 Leben auf dem Gewissen.
Und Glaus Schyll saß im Gefängnisbereich des Schiffs, damit er nicht dem Quarterium Bericht erstatten konnte, was hier passiert war.
Was war nur aus den Galaxien geworden, die einst friedlich nebenher existiert hatten? In der Milchstraße kämpfte Bostich noch immer um die Macht, hier in Cartwheel existierte das Quarterium mit fragwürdigen Zielen und in Dorgon griff ein verrückter Kaiser ganze Galaxien an.
Wie würde es weitergehen? Sicher, das nächste Ziel war Quinto. Dort würde man auf Jan Scorbit treffen. Vielleicht würde er Rat wissen. Aber dann? Gab es überhaupt einen Weg zurück? War die IVANHOE II ein Schiff von Gesetzlosen? Gab es einen Weg zurück nach Mankind?
Was ist passiert?
Niemand sagt mir etwas, niemand scheint etwas zu wissen. Oder traut man mir nicht, weil ich neu auf dem Schiff bin? Aber das sind doch alle, einige kennen sich zwar von früheren Schiffen, wie der IVANHOE I, aber letztendlich sind wir alle auf einem neuen Schiff unterwegs.
Auch meine Kollegen sagen mir nichts, die scheint es noch nicht mal zu interessieren, was außerhalb der Hangars vor sich geht. Einer meinte zu mir: »Das wird schon seine Richtigkeit haben, was die Jungs auf der Brücke entscheiden, Mädchen. Solange nicht zu viel Arbeit auf uns zukommt, soll es mir recht sein.«
Wie konnte man nur so gleichgültig sein? Oder wurde sogar auf einem Raumschiff dieser Größe von den Mannschaftsmitgliedern erwartet, sich ausschließlich auf ihre Arbeit zu konzentrieren? Hatten wir nicht wenigstens das Recht zu erfahren, was auf unserem Schiff geschah?
Vielleicht bin ich einfach nur zu aufgeregt. Erst vor zwei Tagen wurde ich auf die IVANHOE beordert, das kam so plötzlich für mich. Ich kenne niemanden an Bord, habe keinen Ansprechpartner. Mit meinen Kollegen bin ich noch nicht warm geworden – hatte mir der eine nicht sogar zu verstehen gegeben, dass er nicht viel von der Zusammenarbeit mit Frauen hielt?
Und jetzt auch noch diese merkwürdige Situation. Für die IVANHOE waren zunächst einfach nur Testflüge in den äußeren Ringen Cartwheels geplant. So erklärte man es uns. Mir war das recht, so hatte ich Zeit, mich mit der Technik der Space-Jets vertraut zu machen. Aber dann kam es zu diesen merkwürdigen Kursänderungen, ich hatte sogar mitbekommen, wie einige Piloten über Kämpfe zwischen fremden Schiffe diskutierten. Eines davon hatten wir wohl an Bord genommen, man sprach von Flüchtlingen aus Dorgon. Anschließend flog die IVANHOE abenteuerliche Manöver, wie um ein Schiff abzuschütteln. Wir kamen dabei gefährlich nahe an einer Sonne vorbei. Was danach geschah, hatte ich noch nicht herausfinden können. Aber Piloten munkelten etwas über einen Aufstand in der Kommandozentrale.
Bei solchen Gerüchten sollte ich ruhig bleiben? Vielleicht war unser Schiff bereits in der Hand von Gesetzlosen – nein, das hätten wir wohl mitbekommen. Oder hatte eine Meuterei stattgefunden? Obwohl – von einer Meuterei nach nur zwei Tagen Reise hatte ich noch nie gehört. Das wäre schon ziemlich unwahrscheinlich. Und überhaupt standen Meutereien auf Schiffen des Quarteriums nicht auf der Tagesordnung. Gerade in diesen gefährlichen Zeiten legt man doch auf Disziplin besonders viel Wert, meine ich. Sollte es doch passiert sein, konnte eine Meuterei schlimme Konsequenzen für alle Raumfahrer der IVANHOE haben, auch mein Lebenslauf würde auf ewig einen Makel haben, obwohl ich völlig unbeteiligt war. Dabei hatte ich mich für den Dienst auf dem Flaggschiff beworben, um meine Qualifikation zu verbessern.
Wie auch immer: Es musste Meinungsverschiedenheiten in der Zentrale gegeben haben. Anders waren die Gerüchte nicht zu erklären.
Vielleicht sollte ich Zyrak Wygal oder Tym Elahrt suchen und meine Vorgesetzten fragen. Mit etwas Glück können die mir erklären, was hier vorgeht. Vielleicht können sie mich ja beruhigen – wenn sie mich nicht zum Teufel jagen.
Im Gegensatz zu Janina Porter wusste Xavier Jeamour ganz genau, was vorgefallen war. Schließlich hatte er den Befehl zur Bergung der ARIMAD III, in der Saraah mit einigen Freunden vor einem Adlerschiff der Dorgonen geflohen waren, gegeben. Unter seinem Kommando wurde das Verfolgerschiff beschossen. Geplant war zwar, es manövrierunfähig zu schießen, aber es hätte nicht in die Sonne stürzen sollen. Jeamour hatte somit nicht nur gesuchten dorgonischen Verbrechern Asyl gewährt, sondern auch noch die 15.000 Mann umfassende Besatzung des dorgonischen Adlerschiffes auf dem Gewissen. 15.000 Leben!
Zusätzlich zu diesen Problemen kam Jeamour auch noch Glaus Schyll in die Quere. Er pochte als glühender Vertreter der Richtlinien des Quarteriums darauf, die Flüchtlinge den Dorgonen auszuliefern. Das gute diplomatische Verhältnis zwischen Dorgon und Cartwheel durfte nicht belastet werden.
Saraah, die wichtigste Flüchtige auf der ARIMAD III, berichtete über den Überfall der Dorgonen in Siom Som. Nicht zuletzt auf Grund der schockierenden Berichte Saraahs über die Brutalität der Dorgonen entschlossen sich Jeamour und seine wichtigsten Offiziere, die Flüchtlinge zum Sitz der USO nach Quinto, dem Sitz der USO in Cartwheel, zu bringen. Schyll dagegen wollte Meldung an das Quarterium machen, Jeamour stellte sich gegen ihn und ließ ihn inhaftieren. Der Weg zurück nach Mankind war somit versperrt. Jeamour und seine Crew würden als Hochverräter angesehen werden, im besten Fall erhielten sie Haftstrafen, im schlimmsten Fall würden sie hingerichtet.
Somit befand sich die IVANHOE II jetzt auf dem Weg nach Quinto. Der Flug dauerte noch einige Stunden, in denen wohl nichts von Bedeutung passieren würde. Schlimm genug für Jeamour, der genügend Zeit zum Nachdenken hatte. Hatte er wirklich richtig gehandelt, als er sich gegen das dorgonische Schiff und somit gegen das Quarterium stellte? Er hatte die Entscheidung aus dem Bauch heraus getroffen, vor allem, weil Saraah über die Invasion in Siom Som berichtete. Ihr konnte man vertrauen, das wusste Jeamour. Abgesehen davon hatte Saraah erschreckende Bilder gezeigt. Jeamour hatte sie schnell überprüfen lassen. Die Analyse wies das Material zu 98,9 Prozent als echt aus.
Jeamour hatte richtig gehandelt, nur war er als Kommandant der IVANHOE II nicht nur für sich, sondern auch für seine 6050 Mann umfassende Crew verantwortlich. Mit der Entscheidung nach Quinto zu fliegen, gefährdete er die Zukunft jedes einzelnen Crewmitgliedes. Wer wollte schon mit öffentlich bekannten Gegnern des Systems zusammenarbeiten? Das harte Durchgreifen des Systems gegen Andersdenkende war bekannt: Womöglich würde nie wieder eines der Crewmitglieder einen Fuß auf eine der Welten des Quarteriums setzen dürfen.
Die Entscheidungen eines Kommandanten konnten schwerwiegende Auswirkungen haben. Er sprach für ein ganzes Raumschiff. Doch wie weit durfte er für eine gute Sache gehen? Wie viele Leben durfte er für sie aufs Spiel setzen? Vor allem, wenn der Erfolg der Aktion nicht sichergestellt war. Würde die USO den Völkern von Siom Som helfen können? Würde die Hilfe rechtzeitig erfolgen?
Gedämpftes Licht, leise klassische Musik, Kerzenhologramme auf den Tischen, freundliche Robotkellner: Auf großen Schiffen wie der IVANHOE II gab es auch exklusive Restaurants. Wer es sich leisten konnte, musste also nicht auf die Annehmlichkeiten des Lebens verzichten und konnte einen gemütlichen Abend in der Schiffsgastronomie verbringen. Oder er führte seinen Partner aus.
Matthew Wallace und Saraah hatten sich viele Stunden in Saraahs Kabine unterhalten. Sie erzählten sich, was in all den Jahren passiert war und kamen nach einer Weile auf die gemeinsamen Freunde und Bekannten zu sprechen. Viele waren in Dorgon gefallen, einige unterjochten inzwischen die Völker von Siom Som, andere waren zu Rebellen gegen Commanus, dem Kaiser von Dorgon, geworden und wiederum andere kämpften als Doppelagenten von innen heraus gegen den Diktator. Doch auch in Cartwheel sah es nicht besser aus, die CIP jagte Andersdenkende wie tollwütige Hunde, es sollte sogar schon Hinrichtungen gegeben haben. Wer sich öffentlich zur USO bekannte, galt als potentieller Verräter. Widerständler mussten sich also auch in Cartwheel vorsehen, denn die Sicherheit, die ihnen der strahlende Emperador Siniestro vermittelte, war eine sehr trügerische.
Lange Zeit hatten Matthew und Saraah nicht über sich gesprochen. Speziell Matthew hatte Angst, denn nach seinem Abenteuer mit Stephanie de la Siniestro schämte er sich. Es fiel ihm schwer, Saraah in die Augen zu sehen. Sie war sehr niedergeschlagen und tat sich schwer, die gesehenen Gräueltaten zu verarbeiten. Zu schrecklich waren die Bilder gewesen.
Schließlich hatte Matthew sich ein Herz gefasst und Saraah zum Essen eingeladen. Sie hatte sich sehr gefreut und zu seiner Überraschung sofort zugesagt.
Und nun saßen sie im Restaurant und schwiegen sich an. Beide hatten sich festlich gekleidet. In der gemütlichen Atmosphäre versuchten sie die schlimme Situation und ihre Umgebung für kurze Zeit zu vergessen. Nachdem sie bestellt hatten, begann Matthew vorsichtig: »Saraah, wir haben über Politik, Kriege und über Freunde gesprochen. Aber wie ist es dir ergangen?«
Saraah sah ihn verblüfft an. »Was meinst du damit, wie es mir ergangen ist?«
»Nun, du hast sehr schwere Zeiten durchlebt. Wie hast du das durchgehalten? Hat man dich unterstützt oder musstest du den ganzen Weg des Widerstands alleine gehen?«
»Torrinos hat mir viel geholfen. Er ist jetzt zur Milchstraße geflogen – ich hoffe, er hat dort bei der USO Erfolg. Ansonsten – sicher, ich habe Freunde, aber ich konnte niemandem wirklich vertrauen. Auch Vesus stellt sich gegen uns, auch wenn er versucht, fair zu bleiben, führt er die Aufträge des Kaisers mit voller Härte aus. Aber sonst …«
»Du hattest keinen Partner an deiner Seite? Niemanden, dem du vertrauen konntest?« Mathew biss sich auf die Zunge, diese Frage war vielleicht etwas zu direkt.
»Nein, ich hatte so viel zu tun. Schwächen konnte ich mir nicht leisten, als Senatorin musste ich immer stark sein. Außerdem musste ich immer an dich denken. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob es richtig war, uns zu trennen …«
»Es war wohl richtig – du hast dich schlecht gefühlt und wolltest in deine Heimat zurück.«
»Es war ein neuer Anfang für Dorgon – die alten Kaiser waren gestürzt, Uleman wollte eine Demokratie einführen. Ich musste einfach dabei sein und helfen. Ich wollte helfen, meinem Volk eine aussichtsreiche Zukunft zu erschaffen.«
»Du hast doch viel erreicht. Als Senatorin hast du …«
»Gar nichts habe ich erreicht! In Dorgon herrschen schlimmere Zustände denn je, unser Volk wird wieder ausgebeutet, Kriegsschiffe werden gebaut, Wahnsinnige wie dieser Carilla fliegen durch unsere Galaxis und versklaven Welten, die für ihre Freiheit kämpfen. Und selbst Vesus hilft ihnen dabei! Habe ich meinem Volk einen Gefallen getan, indem ich wie eine Schwerverbrecherin von meinem Heimatplaneten geflohen bin? Wer weiß, was Vesus und Carilla mit Jerrat getan haben. Vielleicht existiert der Planet schon gar nicht mehr!«
Mathew war erschrocken, er wollte Saraah nicht verletzen. »Es – es tut mir Leid«, stammelte er. »Ich meine wirklich, dass du viel erreicht hast. Du hast den Menschen wieder Hoffnung gegeben.«
»Die wieder brutal zerstört wurde«, vollendete Saraah bitter den Satz. »Warum tun diese Tyrannen wie Commanus oder Siniestro immer wieder so schreckliche Dinge? Warum unterjochen sie Welten, warum greifen sie nach fremden Galaxien? Warum immer dieser Rassenhass? Warum all das? Kann es nicht endlich einmal Frieden im Universum geben?«
Saraah war den Tränen nahe.
Mathew rutschte zu ihr und nahm sie in die Arme. »Es wird wieder gut. Wir kämpfen weiter und werden es schaffen. Cartwheel und Dorgon werden zu Orten des Friedens.«
Mathew verzweifelte selbst an der Lage, es gelang ihm nur besser, die Hoffnungslosigkeit zu verbergen. Er wusste nicht, ob er seine eigenen Worte selbst glaubte.
Mittlerweile war Glaus Schyll aus seiner Narkose erwacht. Er fühlte sich noch etwas verwirrt und erinnerte sich nicht daran, was geschehen war. Doch bald bemerkte er, dass er sein Zimmer nicht verlassen konnte. Hatte er sich denn eingesperrt? Schyll suchte nach einem Öffnungsmechanismus, fand aber keinen. Das war merkwürdig.
Er sah sich um. »Das ist überhaupt nicht meine Kabine!«, entfuhr es ihm.
Er befand sich in einer Zelle im Gefangenentrakt der IVANHOE II. Bruchstückhaft kehrte die Erinnerung an die Geschehnisse zurück.
Mitten in seinen Überlegungen öffnete sich im Zellenschott eine Klappe und ein Tablett mit Konzentraten wurde hinein geschoben. Kurz darauf leuchtete ein Bildschirm auf, der Kopf eines Soldaten erschien darauf. »Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«
»Nein, äh, ja!« Schyll fasste sich an die Stirn, ihm war noch etwas schwindelig. »Könnten Sie mich aufklären, was hier vor sich geht?«
»Sie wurden des Verrats für schuldig befunden. Bis es zum Prozess kommt, sollen Sie hier arretiert bleiben.« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
»Was?« Schyll konnte es nicht fassen, was er da hörte. »Was wirft man mir vor?«
»Darüber bin ich nicht informiert. Mein Auftrag ist es, Sie hier zu bewachen und Fluchtversuche zu unterbinden. Haben Sie noch einen Wunsch?« Der Soldat schien die Verbindung unterbrechen zu wollen.
»Warten Sie, warten Sie!«, rief Schyll schnell. Er musste den Soldaten überlisten. »Sie bewachen den gefangenen Vierten Offizier des Schiffes und stellen überhaupt keine Fragen?«
»Nein, ich erfülle nur meinen Auftrag, den mir Kommandant Jeamour persönlich gegeben hat.«
»Wie ist Ihr Name?«
»Unteroffizier Skerkins.«
»Und Sie wissen wirklich, wen Sie vor sich haben, Danny?«
»Natürlich. Sie sind der Verbindungsoffizier der IVANHOE II, Glaus Schyll.«
Sofort fragte Schyll weiter: »Sie wissen auch, dass ich der wichtigste Repräsentant des Quarteriums auf diesem Schiff bin?«
»Das weiß ich. Aber Jeamour hat …«
»Ferner wissen Sie, welche Konsequenzen auf Sie zukommen werden, wenn herauskommt, dass Sie mich ohne jegliche Grundlage hier festhalten, Unteroffizier?«
Der Soldat geriet ins Schwitzen. »Ich vertraue Kommandant Jeamour. Er steht in der Rangordnung …«
»Unsinn! Jeamour ist der Verräter! Er hat sich nie öffentlich zum Quarterium bekannt, auch seine Offiziere sind immer aus der Reihe getanzt. Denken Sie nach, Danny! Denken Sie nach!«
»Ich – ich darf gar nicht mit Ihnen reden …«
»Das sollten Sie aber! Denn nur, wenn Sie meine Arretierung aufheben, werden Sie straffrei ausgehen. Ansonsten werde ich Ihnen Ihr Leben zur Hölle machen. Sie sind ein junger Kerl, haben noch eine viel versprechende Karriere vor sich. Denken Sie nach!«
Allmählich wich die Farbe aus dem Gesicht des Soldaten. »Jeamour ist ein Held, er hat …«
»Ja, ja. In einer anderen Zeit mag das stimmen, jetzt stellt er sich gegen das Quarterium. Oder was meinen Sie, warum wir nicht laut Plan Testflüge und Übungen in den äußeren Ringen Cartwheels durchführen, sondern auf dem Weg zum USO-Hauptquartier sind?«
»Keine Ahnung! Das ist wirklich seltsam. Aber – aber ich kann Sie nicht freilassen. Ich muss meine Befehle beachten. Selbst wenn ich Ihnen glaube.«
So ein Sturkopf! Warum konnte dieser Idiot nicht über seinen Schatten springen und das einzig Richtige tun – ihn freilassen? Schyll überlegte fieberhaft, er musste die Sache anders angehen.
»Ich kann Sie verstehen, Danny, Sie stecken in der Zwickmühle. Entweder den Kommandanten oder das Quarterium verraten. Sie können dennoch etwas für mich tun: Kommen Sie in zwanzig Minuten wieder. Ich setze in der Zwischenzeit eine Nachricht an Doktor Ignon Ruon, unseren ersten Schiffsarzt, auf. Sie werden ihm diese Nachricht am Ende Ihrer Schicht vorbei bringen. Dadurch verstoßen Sie gegen keine Befehle, Sie würden aber dem Quarterium einen großen Dienst erweisen.«
Dem Soldaten war die Erleichterung anzusehen. »Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Ich werde Ihre Nachricht abliefern.« Er trennte die Bildverbindung.
Glaus Schyll setzte sich sofort an den Tisch und begann die Nachricht aufzusetzen. Er berichtete genau, was vorgefallen war und empfahl Ruon dringend, eine Meldung ans Flottenoberkommando abzuschicken. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, denn Jeamour und seine Anhänger würden die Strafe bekommen, die sie verdienten!
Noch immer quälten Gewissensbisse und Zweifel Jeamour. Er wollte sich jemandem anvertrauen. Doch da Mathew Wallace bei Saraah war, Irwin Dove schlief und Lorif bekanntermaßen ein Quälgeist war, suchte er Jennifer Taylor auf dem Medo-Deck auf. Sie war zwar bei den Konferenzen mit Saraah dabei gewesen, hatte aber dennoch nicht die ganze Entwicklung mitbekommen. Jeamour erzählte ihr ganz genau, was sich zugetragen hatte, wie es zur Vernichtung der COMMANUS EHRE kam und warum Glaus Schyll ausgeschaltet wurde.
»So vieles geschah in so kurzer Zeit, da mussten schnelle Entscheidungen getroffen werden. Ich habe mich für Saraah und somit gegen Marcos Isurus von der COMMANUS EHRE entschieden. Auf Grund dieser Entscheidung mussten 15.000 Menschen sterben. Zudem haben wir uns gegen das Quarterium gestellt, indem ich Glaus Schyll inhaftieren ließ. Das kann fatale Folgen für uns haben – aber auch für die Crew. Mit diesen Entscheidungen setze ich die Leben unserer Besatzung aufs Spiel! Kann denn so etwas richtig sein? Wir haben vielleicht einige wenige Leben gerettet, aber dafür viele Tausende geopfert und weitere Tausende in Gefahr gebracht. War dies wirklich die richtige Entscheidung?«
Jeamour schwieg. Er sah Jennifer Taylor fragend an.
»Nun, der Vorfall mit dem Adlerschiff war ein Unfall, niemand wollte das Schiff wirklich zerstören. Es sollte doch nur manövrierunfähig geschossen werden.«
»Aber wir waren nahe der Sonne – ich hätte doch vorhersehen müssen, dass so etwas passieren könnte.«
»Unsinn! Nichts konnten wir vorhersehen! Außerdem waren wir im Nachteil. Das Adlerschiff hätte uns jederzeit vernichten können. Wir mussten aus dem Verborgenen heraus agieren und versuchen, es auszuschalten. Dass es dabei in die Sonne stürzte, war ein bedauerlicher Unfall, das können wir leider nicht mehr rückgängig machen.«
»Aber wir hätten doch verhandeln können …«
»Glauben Sie das wirklich? Sah Marcos Isurus wirklich so aus, als würde er mit uns verhandeln? Er wollte nur möglichst schnell seine Gefangenen nach Siom Som bringen, um sie verhören oder töten zu lassen. Und außerdem: Wissen Sie denn nicht, wie vielen Menschen Ihre Entscheidung das Leben retten kann? Wenn die USO von den Vorfällen in Siom Som erfährt, dann kann sie vielleicht eingreifen und schlimmes Leid von dieser Galaxie abwenden. Vielleicht schaffen sie es auch nicht, vielleicht fehlen die Ressourcen, aber immerhin werden sie wissen, was in Siom Som vor sich geht.«
»Vielleicht haben Sie recht.«
»Natürlich gibt es keine Garantie für irgend etwas, aber wir können unsere Entscheidungen jetzt nicht mehr rückgängig machen. Jetzt müssen wir konsequent den Weg weiterverfolgen, den wir angefangen haben. Sie haben auf jeden Fall die richtigen Entscheidungen getroffen. Ich hätte nicht anders gehandelt. Mathew, Irwan, Zyrak, Lorif, Tania und ich stehen auf jeden Fall vollkommen zu Ihnen. Da bin ich sicher. Mal abgesehen davon bin ich der Meinung, dass das Quarterium schon viel zu lange freie Bahn bei seinen Entscheidungen hat. Ich glaube, es wird höchste Zeit, sich gegen diese Regierung zu stellen.«
Jeamour runzelte die Stirn. »Harte Worte, auch wenn ich derselben Meinung bin. Einige Alien-Welten haben den Aufstand gegen das Quarterium versucht. Was hat es ihnen genützt? Sie sind wirtschaftlich ruiniert und Nicht-Humanoide werden von der Regierung wie Aussätzige behandelt.«
»Dann ist vielleicht unser Weg des militärischen Widerstands der richtige? Irgend jemand muss dieser Regierung zeigen, dass es so nicht weitergeht.«
Der Kommandant lächelte. Jennifer sah das Ganze anscheinend etwas zu idealistisch. »Jenny, wie viele hunderttausend Schiffe stehen uns gegenüber? Meinen Sie wirklich, die werden sich uns anschließen? Dafür ist die Angst vor dem System viel zu groß. Ein Putsch muss gut geplant sein, um Erfolg zu haben.« Er erhob sich langsam aus dem Sessel. »Ich danke Ihnen vielmals, Jennifer. Ich hoffe sehr, dass Sie Recht haben und dass alles ein gutes Ende nehmen wird.«
Er gab ihr die Hand, verabschiedete sich und verließ das Medo-Deck.
Doktor Ignon Ruon wusste nicht, was er von den Informationen zu halten hatte. Gerade hatte ein Soldat namens Skerkins ihm eine Nachricht von Oberstleutnant Schyll übergeben. Schyll war demnach inhaftiert, weil er sich für die Ziele des Quarteriums eingesetzt hatte. Sollte er jetzt lachen oder weinen? Ihm waren die Offiziere der Schiffsführung nie geheuer gewesen, insofern überraschte ihn diese Entwicklung der Dinge nicht. Er hatte nur nicht so schnell mit Schwierigkeiten gerechnet. Die IVANHOE hatte ja noch nicht einmal ihre Testflüge absolviert.
Eines war klar, Schyll musste befreit werden. Doch das konnte noch etwas warten. Wichtiger war es, dem Quarterium eine Nachricht über die Zustände an Bord zukommen zu lassen. Zum Glück hatte er in seinem Büro Zugriff auf die Hyperfunkanlage. Niemand von der Funkstation würde mitbekommen, wenn er eine Nachricht abschickte. Dafür hatte man bei der Konstruktion seiner Anlage gesorgt. Schließlich konnte Schyll nicht immer überall zugleich im Schiff aufpassen, dass sich die Mannschaft gemäß den Richtlinien des Quarteriums verhielt. Ruon half ihm in seiner Position als erster Schiffsarzt dabei.
Ruon justierte die Hyperfunkanlage. Es dauerte eine Weile, bis er ein Signal erhielt: »Hier Leutnant Jonas Reala von Mondstation Tito. Was kann ich für Sie tun?«
»Doktor Ignon Ruon von der IVANHOE II. Ich sende Ihnen unsere derzeitige Position zu. Ich habe sehr wichtige Informationen. An Bord gibt es eine Meuterei – unter Kommandant Xavier Jeamour wurde ein dorgonisches Adlerschiff zerstört, das Flüchtlinge verfolgte. Diese wurden wie Freunde aufgenommen. Jetzt nimmt das Schiff wohl Kurs auf einen USO-Stützpunkt. Ich bitte dringend um Unterstützung. Schiffe des Quarterium sollen …«
»Doktor Ruon, ich wollte – was tun Sie da?«
Ruon fuhr herum. Im Eingang stand Jennifer Taylor, er hatte nicht gehört, wie das Schott auffuhr. Innerlich fluchte er, wie konnte er nur vergessen, es elektronisch verriegeln zu lassen?
»Doktor Taylor, ich bin gerade sehr beschäftigt. Bitte kommen Sie in einer Stunde wieder.«
»Ruon? Was ist los? Warum antworten Sie nicht?«
Ruon fluchte innerlich – wieso konnte dieser Idiot von Tito nicht einen Moment den Mund halten?
»Sie – Sie senden eine Hyperfunknachricht? An wen, warum? Ach, ich glaube …«
»Was glauben Sie? Dass ich eine Nachricht an das böse Quarterium schicke? Dass Ihre schöne Meuterei auffliegt? Dass jetzt die bösen Quarterium-Schiffe kommen und dem Zirkus hier ein Ende bereiten? Hm? Was glauben Sie?«
»Ich – ich …« Die Ärztin wich zurück.
Ruon hatte die Zeit genutzt und sich zu einem kleinen Tisch begeben. Jetzt zog er blitzschnell einen Paralysator aus einem Fach unter dem Tisch und schoss auf Jennifer. Sie sank zu Boden.
Ruon kam auf sie zu. »Tja, meine Liebe. Wie gut, dass ich für alle Eventualitäten gerüstet bin. Wirklich schade, dass ich dich ausschalten musste, aber machen wir doch das Beste daraus. Ich habe da ein paar nette neue Mittelchen erforscht, die erprobt werden wollen. Mir fehlten nur bislang die Versuchspersonen. Nun – das Problem scheint sich ja hiermit gelöst zu haben.«
Mit einem schiefen Grinsen wies er einen Roboter an, sie auf einen Versuchstisch zu legen.
*
Mathew wachte auf. Er reckte sich, setzte sich auf und sah sich um.
»Servo, Licht«, murmelte er und schloss geblendet die Augen, als das Licht ohne Übergang voll aufleuchtete. »Was soll das? Ich habe doch einprogrammiert, dass das Licht langsam heller werden soll!«
Allmählich gewöhnten sich die Augen an die Helligkeit.
Mathew sah sich um. »Das ist überhaupt nicht meine Kabine«, stellte er verdutzt fest.
»Was ist los? Warum so ungemütlich?«
Mathew fuhr herum, da lag ja noch jemand im Bett!
»Saraah?«
»Schon die ganze Nacht. Tu nicht so überrascht – lass uns lieber weiterschlafen.«
Plötzlich fiel Mathew alles wieder ein. Nach dem romantischen Abendessen hatte er Saraah zu ihrer Kabine zurückgebracht. Sie hatte ihn noch zu einem Glas Wein eingeladen, er kam der Einladung gerne nach. Sie unterhielten sich noch lange über alte Zeiten. Und dann, ganz plötzlich, hatte Mathew Saraah geküsst. Sie war zuerst überrascht, wehrte sich aber nicht und erwiderte seinen Kuss. Der Kuss wurde intensiver, sie rissen sich gegenseitig die Kleider vom Leib und fielen auf Saraahs Bett.
»Wir haben uns geliebt …«
»Ja, du Schnellmerker. Mach jetzt bitte das Licht wieder aus.«
Mathew konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte sich nicht geändert – morgens war nichts mit ihr anzufangen. Aber die IVANHOE befand sich auf dem Weg nach Quinto, da war noch Zeit für ein paar Minuten Extraschlaf.
»Servo, Licht aus«, sagte er, dann legte er sich zurück zu Saraah.
Auch in der Kommandozentrale lief alles nach Plan. Die IVANHOE befand sich auf Kurs und es gab keine Zwischenfälle. Die Besatzung stellte keine Fragen und das Verschwinden von Schyll hatte auch niemand bemerkt. Kommandant Jeamour fragte sich, warum man Schyll überhaupt vermissen sollte.
Das Gespräch mit Jennifer Taylor ging ihm nicht aus dem Kopf. Es hatte ihn überrascht, dass Jenny anscheinend so tatendurstig war und lieber jetzt als morgen den Kampf gegen das tyrannische System aufnehmen wollte. Bei Wallace und Dove wäre er nicht überrascht gewesen, die kämpften stets an vorderster Front, aber Jenny …
Und dabei war sie auch noch so naiv und idealistisch. Niemand konnte ernsthaft erwarten, dass sich ein Großteil der Flotte Cartwheels mit Pauken und Trompeten der gegen Emperador Siniestro kämpfenden IVANHOE II anschloss. Derartige Systeme mussten langsam untergraben werden, nur so gab es eine Chance auf Erfolg. Saraahs Berichte über die Geschehnisse in Dorgon und die Aufstände der Alien-Welten zeigten ganz genau, dass unorganisierte Aufstände nicht zum Ziel führten.
»Kommandant Jeamour!«
»Ja, Tania? Was gibt es?«
»Sie hatten mich angewiesen, Funkverbindung nach Quinto herzustellen. Das ist mir gerade gelungen. Die Verbindung ist noch schlecht, aber in wenigen Minuten sollte ein verständliches Gespräch möglich sein.«
»Vielen Dank, Tania. Stellen Sie es mir in die Zentrale, wenn es so weit ist.«
»In Ordnung. Ich übergebe dann an meine Ablösung, in den nächsten Stunden werde ich ja wohl nicht gebraucht.«
»In Ordnung, ich warte.«
Es dauerte etwa drei Minuten, dann erschien Jan Scorbits Gesicht auf dem Schirm. »Kommandant Jeamour?«
»Ah, Jan. Freut mich sehr, dass ich Sie sofort sprechen kann.«
»Als man mir sagte, die IVANHOE II stelle Kontakt zu uns her, habe ich das Gespräch gleich selbst übernommen. Ich hoffe, es gibt keine schlechten Neuigkeiten?«
»Doch, leider die gibt es. Ich habe wichtige Informationen und ein großes Problem an Bord …«
Jeamour berichtete über die Ereignisse der letzten Tage, über die Zerstörung des Adlerschiffs, die Aufnahme Saraahs und ihrer Mitstreiter an Bord, über die Invasion von Siom Som und über die Meuterei an Bord.
Als er endete, meinte Jan: »Das sind in der Tat sehr beunruhigende Neuigkeiten. Haltet auf jeden Fall euren Kurs, wir können euch Asyl gewähren. Dann werden wir weitersehen. Ich werde sofort mit meiner Stellvertreterin besprechen, was zu tun ist.«
»Ich danke Ihnen, Jan. Wir sehen uns dann auf Quinto.«
»Genau, bis später.« Scorbit unterbrach die Verbindung.
Der Kommandant lehnte sich zurück. Immerhin war der erste Kontakt mit der USO gelungen. Hoffentlich wendete sich jetzt alles zum Guten.
Eines besaß die IVANHOE II im Überfluss – und das war Platz. In eine Kugel mit 2500 Metern Durchmesser passte eine kleine Welt hinein. Neben Kommandobrücke, Maschinenräumen, Kommunikationszentralen, Medo-Decks, Feuerleitzentralen, Kantinen, Hangars und Quartieren für die Mannschaft blieb genug Raum für Freizeiteinrichtungen wie Sportplätze, Restaurants oder Kinos, in denen Trivid-Filme gezeigt wurden.
Vor einem solchen stand Tania Walerty und wartete auf Jennifer Taylor. Die beiden waren schon lange befreundet und verbrachten ihre Freizeit oft miteinander. Darum verabredeten sie sich zu einem spannenden Film. Der hatte mittlerweile angefangen, doch Jenny war noch nicht erschienen. Sonst war sie stets pünktlich, denn im Medo-Deck gab es üblicherweise nicht viel zu tun. Die kleinen Wehwehchen des Alltags konnten mit einfachen Präparaten geheilt werden, auch vor Jahrhunderten noch schwer heilbare Krankheiten waren dank neuer Behandlungsmethoden und Medikamente kein Problem mehr. Um viele Kleinigkeiten kümmerten sich auch Droiden. Stressig wurde die Arbeit auf dem Medo-Deck nur, wenn überraschend eine unbekannte Krankheit von einem Planeten eingeschleppt wurde oder wenn die Infanteristen von einem abenteuerlichen Bodeneinsatz zurückkehrten.
Aber jetzt? Kurz nach dem Start der IVANHOE war noch nichts dergleichen geschehen. Es gab somit keinen Grund für Jennys Verspätung.
Vielleicht hatte Jenny die Verabredung vergessen. Konnte jedem passieren, auch wenn das in Jennys Fall sehr ungewöhnlich gewesen wäre. Tania wählte schnell Jennys Interkom an, doch es schien abgeschaltet zu sein. Und das, obwohl sie als Bordärztin stets erreichbar sein sollte! Allmählich bekam Tania ein ungutes Gefühl, da schien etwas nicht zu stimmen. Sie machte sich auf den Weg zum Medo-Deck, das zum Glück nur einige Decks unterhalb ihres jetzigen Aufenthaltsorts lag.
Schon bald stellte sie fest, dass Jenny nicht auf ihrer Station war. Als ihr auch keiner der Roboter weiterhelfen konnte, begab sie sich in Doktor Ruons Bereich. Der Chefarzt des Schiffes hatte seinen Teil des Medo-Decks inzwischen sorgfältig von dem Jennys abgetrennt, um nur ja nicht von ihren lästigen Patienten bei seinen Experimenten gestört zu werden. Doch Tania ließ sich davon nicht abschrecken, sie betrat einfach Ruons Bereich und fand den Doktor in einem seiner Labors. Um nicht allzu unhöflich zu wirken, klopfte sie vorsichtig an die Wand bei der Tür, bevor sie eintrat.
Ruon drehte sich um, eine Injektionspistole in der Hand, mit der er gerade einer seiner geliebten Versuchsratten einen Schuss seiner neu gebastelten Droge verabreichen wollte. »Ah, Major Walerty. Was kann ich für Sie tun?«
»Doc, verzeihen Sie die Störung, ich bin auf der Suche nach Jennifer Taylor. Wir sind verabredet und sie ist nicht erschienen.«
Der Arzt lächelte. »Miss Walerty, das wundert mich nicht. Es ging Jennifer den ganzen Tag schon nicht gut, sie hat sich in ihr Quartier zurückgezogen und wollte sich ausruhen. Sie bat darum, nicht gestört zu werden. Ich glaube, sie wollte ein Schlafmittel nehmen.«
»Hmm, danke.« Diese ungewohnte Freundlichkeit des Arztes überraschte Tania. Hatte Jenny ihn nicht immer als das personifizierte Böse bezeichnet?
»Keine Ursache. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte, ich habe noch zu tun. Mein Patient wartet.« Er hob kurz seine Injektionsspritze.
»Schon gut. Ich möchte Sie auch gar nicht weiter aufhalten.«
Sie verließ das Labor.
*
Etwa zwei Stunden nach Mathews' ungemütlichem Aufstehversuch saßen er und Saraah am Tisch und aßen einfachen, aber wohlschmeckenden Frühstücksbrei. Saraah wirkte noch immer verschlafen. Mathew wunderte das nicht, immerhin hatte sie sich über mehrere Tage hinweg mit Aufbaupräparaten wach gehalten. Das machte kein Körper ewig mit. Irgendwann holte er sich zurück, was man ihm vorenthielt.
Die beiden schwiegen zunächst, doch schließlich sagte Mathew: »Als du so lange in Dorgon warst … ich habe dich jeden Tag vermisst.«
»Ich dich auch, Mathew. Aber es war richtig, nach Dorgon zurückzukehren, dort wurde ich gebraucht.«
»Das stimmt schon. Und mein Abenteuerleben lag dir auch nicht. Ich möchte nach diesem Krieg in Cartwheel mit MODROR und dem Debakel mit Commanus einen Gang zurückschalten – vielleicht in die Milchstraße zurückkehren oder nach Dorgon ziehen.«
Saraah sah überrascht auf. »Du möchtest deine ständigen Abenteuer aufgeben?«
»Vielleicht gebe ich es nicht ganz auf, aber ich muss ja nicht mehr immer an vorderster Front dabei sein. Das können in Zukunft auch mal andere erledigen.«
»Schwierige Zeiten für solche Vorsätze – an allen Seiten brodelt es, überall gibt es Krieg und Zerstörung, Hass und Intrigen. Die Söhne des Chaos, Commanus, MODROR, vielleicht sollten wir das alles zunächst überwinden, bevor wir Pläne schmieden.«
Mathew nahm Saraahs Hand und sah sie an. »Was auch immer geschieht, ich möchte mit dir zusammen sein. Es war ein Fehler, dass wir uns getrennt haben.«
Saraah schien zu erschrecken, aber sie fasste sich schnell wieder. »Manchmal denke ich auch so. Aber jetzt ist der falsche Zeitpunkt, um unsere Beziehung wieder aufleben zu lassen – obwohl ich auch wieder mit dir zusammen sein möchte. Es liegt zu viel im Argen …«
»Wir werden sicher oft Lichtjahre voneinander entfernt sein, bis alle Probleme gelöst sind, aber wir sollten uns nie wieder trennen. Wenn MODROR Ruhe gibt, dann sind wir sicher vereint.«
»Wenn wir das überhaupt hinbekommen …«
Tania war beunruhigt. Auch wenn Doktor Ruon gesagt hatte, dass sie Jennifer nicht besuchen sollte, so konnte sie nicht anders. Irgend etwas stimmte nicht, das hatte Tania im Gefühl. Sie erreichte Jennys Kabine und betätigte den Summer. Sie musste dreimal klingeln, bis sie eine Antwort erhielt. »Was ist los, wer ist da?«
»Ich bin's, Jenny. Mach bitte auf!«
»Wer? Ich kenne Sie nicht.«
»Ich, Tania Walerty. Erkennst du mich nicht?«
»Tania? Keine Ahnung, aber ich mache mal auf.«
Die Tür fuhr auf, Tania trat ein. Jennys Raum war abgedunkelt, sie stand mit einer verkehrt herum angezogenen Nachtkombination mitten im Raum und starrte auf Tania.
»Was kann ich für Sie tun?«
Was war nur mit Jenny los? »Wir wollten uns doch zusammen den Film ›Bill Kill‹ im Bordkino anschauen. Erinnerst du dich nicht?«
»Was für ein Film? Wieso? Und wieso mit Ihnen? Ich kenne Sie doch überhaupt nicht. Und warum sagen Sie ›du‹ zu mir?«
»Ich bin's doch, Tania Walerty. Wir sind schon lange befreundet. Weißt du eigentlich, was in den letzten Stunden passiert ist?«
»Was soll denn passiert sein? Wir fliegen auf der, auf der … in einem Raumschiff. Das tun wir doch schon lange – viele Wochen. Ich glaube, ich muss Sie auffordern, zu gehen. Sonst muss ich einige Sicherheitsroboter anfordern.«
»Okay, okay. Ich gehe ja schon. Kann ich nicht irgend etwas für dich tun, Jenny?«
»Verschwinden Sie endlich! Lassen Sie mich in Ruhe!«
»In Ordnung, ich gehe. Ich werde später wiederkommen, vielleicht geht es dir dann besser.«
Tania drehte sich um und verließ Jennys Kabine. Irgend etwas war hier faul. Jenny schien große Teile ihres Gedächtnisses verloren zu haben und erkannte eine ihrer besten Freundinnen nicht wieder. So benahm sich niemand, dem nur unwohl war. Und dann noch dieses merkwürdige Verhalten von Ruon. Irgend etwas geschah hier an Bord. Tania wusste nur nicht, was. Sie machte sich auf den Weg zu Mathew Wallaces Kabine, vielleicht konnte er weiterhelfen …
Ruon war die Sache nicht geheuer – diese Tania Walerty wirkte, als würde sie sich mit seinen Auskünften nicht zufrieden geben. Wahrscheinlich würde sie gegen seinen Rat Taylor aufsuchen und womöglich den Braten riechen. Diese komischen Veteranen der IVANHOE I hatten sich noch nie um Vorschriften geschert, das machte jedem Führungsoffizier das Leben schwer. Ginge es nach ihm, so gäbe es an Bord der IVANHOE II nur quarteriumstreue Offiziere.
Doch jetzt war Ruon am Drücker. Die Schiffsführung hatte Verbindungsoffizier Schyll ohne Grund inhaftiert, dafür würden Köpfe rollen. Und er, Dr. Ruon, würde diesen Vorgang einläuten. Zunächst jedoch musste Schyll wieder freikommen, dann musste die Besatzung über Jeamours Verrat unterrichtet werden, zuletzt musste das Schiff unter die Kontrolle Schylls gebracht werden. Nichts leichter als das, er kannte einige sehr loyale Infanteristen, die alles dafür tun würden, um wieder Ordnung an Bord herzustellen.
»Das sind die neuen Informationen, die mir über die IVANHOE II zugespielt wurden.«
Nach dem Funkkontakt mit der IVANHOE II hatte Jan Scorbit sofort eine Krisensitzung einberufen. Wenige Minuten später hatten sich seine Stellvertreterin Rosan Orbanashol-Nordment und Sam Tyler in seinem Büro eingefunden.
»Commanus hat uns alle verarscht …«, meinte Tyler in seiner direkten Ausdrucksweise.
»Können wir den Informationen trauen? Sind sie zuverlässig?« Rosan war skeptisch.
»Ich glaube schon. Sie stammen immerhin von Saraah, einer alten Freundin von Mathew Wallace und Jeamour. Sie brachte Bildmaterial mit, das von den Experten der IVANHOE eindeutig für echt befunden wurde. Außerdem spricht die Zerstörung eines dorgonischen Adlerschiffes eine deutliche Sprache. Und auch, wenn Commanus sich bei seinem Besuch zivilisiert verhalten hat, so ist es ihm durchaus zuzutrauen, solch einen verheerenden Krieg zu beginnen.«
Rosan nickte nachdenklich. »Das stimmt. Aber warum gerade jetzt? Wir haben doch schon genügend Probleme mit dem Quarterium. Da können wir schlecht Hilfe nach Siom Som schicken.«
»Wir nicht, aber die USO in der Milchstraße. Ich überlege schon, ob wir nicht schon vorab einen Boten dorthin schicken sollen. Vielleicht haben ja Adams und Monkey eine Idee oder sie schicken eine kleine Flotte ins Krisengebiet.«
»Hört sich gut an. Was geschieht mit der IVANHOE?«
»Die ist auf dem Weg zu uns. Ich habe Jeamour und seiner Besatzung Asyl gewährt. Wir sollten dann gemeinsam für sie eine Lösung aus dem Dilemma suchen.«
»Lasst sie bei uns mitmachen. Mit dem Kasten können wir einiges anrichten«, schlug Tyler grinsend vor. Rosan und Jan blickten ihn vorwurfsvoll an, wobei Scorbit den Gedanken auch nicht ganz so übel fand. Mathew gehörte zu seinen engsten Freunden. Und die IVANHOE war ein gewaltiges Schlachtschiff. Scorbit hätte wirklich nichts gegen eine Übernahme der IVANHOE in die USO.
»Stimmt. In Cartwheel können sie sich nirgendwo mehr blicken lassen. Hoffen wir nur, dass sie es bis Quinto schaffen«, sagte er schließlich.
»Weit ist es ja nicht mehr – in einem Tag sollten sie bei uns sein.« Jan schüttelte den Kopf. »Warum gerät nur Jeamour immer wieder in solche Schwierigkeiten?«
Janina war diese ewige Ungewissheit satt. Niemand schien zu wissen, was an Bord vor sich ging, niemand sagte ihr etwas. Es lag irgend etwas in der Luft, das war klar. Janina hatte mehrmals die Kursdaten abgefragt und es stand eindeutig fest, dass die IVANHOE II nach Cartwheel zurück flog, anstatt in den äußeren Ringen Tests durchzuführen, wie es geplant war. Zudem waren Übungen ausgefallen, die Piloten sollten eigentlich Testflüge mit ihren Maschinen machen, um sie einzufliegen.
Die anderen Techniker schienen Janinas Sorgen nicht zu teilen, sie reagierten sogar genervt, wenn sie auf das Thema zu sprechen kam. Vermutlich freuten sie sich über die viele Freizeit, denn Space-Jets, die nicht bewegt wurden, benötigten keine Reparaturen.
Janina wurde diese Ignoranz zu viel. Sie verließ ihren Arbeitsplatz und machte sich auf die Suche nach Tym Elahrt oder Zyrak Wygal. Einer der beiden würde sicher wissen, was gespielt wurde. Oder er jagte sie mit Schimpf und Schande davon mit der Begründung, dass eine Technikerin ihre Nase nicht in Angelegenheiten zu stecken hatte, die sie nichts angingen.
Sie suchte jetzt schon eine geschlagene Stunde, Tym Elahrt war nirgendwo aufzuspüren. Sonst zog er es doch vor, bei seinen Leuten zu sein. Warum jetzt nicht? Vermutlich war er gerade in einer geheimen Krisensitzung mit der ganzen Schiffsführung und überlegte, wie man die Invasion von 400.000 Schiffen MODRORs stoppen konnte. Janina musste unwillkürlich lachen, das war wohl doch etwas zu weit hergeholt.
Sie versuchte es noch bei Elahrts Büro, doch auch dort war niemand. Im Zweifelsfall hatte sie ihn gerade verpasst. Das wäre nicht das erste Mal gewesen, schon bei der Taufe der IVANHOE II war sie zu spät erschienen.
Vielleicht hatte sie mit Zyrak Wygal mehr Glück. Der Maschinenchef war Janina zwar nicht ganz geheuer, aber er war sicher leichter auffindbar als Elahrt.
Tania hastete die Gänge entlang. Antigravlifte und Teleporter verkürzten zwar die Wege im Schiff, aber dennoch gab es beträchtliche Laufstrecken zu bewältigen. Vor Mathews' Kabine blieb sie stehen und verschnaufte kurz, bevor sie den Summer betätigte.
»Hallo, Tania. Was führt dich denn hierher?«
Tania fuhr herum. »Hast du mich erschreckt, Mathew. Du hast dich ja angeschlichen!«
Mathew lachte. »Muss ich mich inzwischen heimlich in meine Kabine stehlen? Habe ich etwas zu verbergen?«
»Wer weiß?« Tania wurde schnell wieder ernst. »Mathew, ich muss etwas mit dir besprechen. Aber das sollten wir nicht auf dem Gang tun. Könnten wir vielleicht in deine Kabine gehen?«
»Oh je, das klingt ja ernst. War sowieso unhöflich von mir, dich nicht gleich hinein zu beten.«
Er gab den Öffnungsbefehl, die beiden traten ein und setzten sich. Dann begann Tania: »Ich komme gerade von Jennifer. Mit ihr stimmt etwas nicht.«
»Was fehlt ihr denn?«
»Sie erkannte mich nicht, sie schien ihr Gedächtnis verloren zu haben. Außerdem wirkte sie so aggressiv, so feindselig.«
Mathew kratzte sich am Hinterkopf. »In der Tat, sehr merkwürdig. Vor kurzem wirkte sie noch vollkommen klar. Sie hat doch zusammen mit Jeamour diesen Schyll ausgeschaltet. Hast du eine Ahnung, was passiert sein könnte?«
»Ich habe da einen Verdacht. Bevor ich Jenny besucht habe, fragte ich Ruon nach ihr. Er verhielt sich so sonderbar, so zuvorkommend und meinte, Jenny ginge es nicht gut. Er schärfte mir ein, sie nicht zu stören.«
»Was du natürlich doch getan hast.« Mathew schmunzelte, sagte dann aber: »Das kommt mir fast so vor, als hätte Ruon Wind von den Vorgängen an Bord bekommen. Wir sollten auf jeden Fall vorsichtig sein. Ich werde Irwan kontaktieren, er soll Ruon im Auge behalten und sich auf einen Kampf vorbereiten. Ich hoffe, dass das ein falscher Alarm ist und dass es nicht zum Äußersten kommt.«
»Ja, Mathew, das hoffen wir alle.«
Nachdem Tania gegangen war, dachte Mathew nach. Ihre Beobachtungen waren beunruhigend und deuteten darauf hin, dass Ruon Wind von den Unregelmäßigkeiten an Bord bekommen hatte. Was also sollte jetzt geschehen? Ruon musste unschädlich gemacht werden, außerdem musste Jennifer Taylor von den Drogen kuriert und befragt werden. Vielleicht war ja doch noch etwas zu retten.
Er rief Irwin Dove an. Als sich der Oxtorner meldete, erklärte Mathew ihm die Lage und bat ihn, eine kleine Kampftruppe aus verlässlichen Soldaten zusammenzustellen, die die Zentrale bewachen sollten.
Die Stimmung in der Kommandozentrale war angespannt. Allmählich hatte jedes Besatzungsmitglied hier den Ernst der Lage begriffen. Käme die Regierung von Cartwheel hinter den Verrat, dann würde jedem in der Zentrale eine harte Bestrafung, vielleicht sogar ein Todesurteil sicher sein.
Jeamour war sich dieser Tatsache bewusst. Er hatte mit jedem im Raum ernste Gespräche geführt, doch jeder schien seinen Kurs zu unterstützen. Das war wichtig, denn sobald jemand die IVANHOE an ein Schiff des Quarterium verriet, war die Mission gefährdet. Jeamour wollte nicht kämpfen – es hatte schon zu viele Opfer gegeben. Er wollte nur sein Ziel erreichen. Einigen Schiffen würden sie entkommen können, aber nicht einer ganzen Flotte.
»Schiffe! Viele Schiffe! Sie formieren sich um uns!«
Der Kommandant schloss die Augen. Die IVANHOE war also aufgeflogen. Insgeheim hatte Jeamour befürchtet, dass das passieren würde. Vielleicht konnte er die Situation noch einmal durch Diplomatie retten.
»Kommandant, wir werden angefunkt!«
»Stellen Sie durch, Tania!«
Am großen Bildschirm wurde das kantige Gesicht eines Mannes mittleren Alters sichtbar. »Mein Name ist Oberst Tono Arivola, Kommandant der fünften Unterflotte der Patrouille der äußeren Ringe Cartwheels«, stellte er sich vor.
»Admiral Jeamour, Kommandant der IVANHOE II. Was kann ich für Sie tun?« Jeamour gab seiner Stimme einen festen, entschlossenen Klang.
»Mir sind sonderbare Nachrichten zu Ohren gekommen. Ein Offizier von Tito möchte gehört haben, dass es an Bord Ihres Schiffes eine Meuterei gäbe.«
»Das wäre mir bekannt. Wer schickte diese Meldung?«
»Ein Ara namens Ignon Ruon. Die Meldung brach plötzlich ab.«
»Dann ist alles klar. An Bord unseres Schiffes wurde Ruon bei einem Experiment von einer seltenen Krankheit befallen. Er verlor kurzzeitig seinen Verstand, aber wir konnten ihn noch rechtzeitig aus seinem Labor herausholen. Er wird noch etwa 24 Stunden im Koma sein.«
»Geistesverwirrung wäre in der Tat eine Erklärung.« Oberst Arivolas Gesicht wurde hart. »Aber wir haben Erkundigungen eingeholt. Ruon gilt als treuer Gefolgsmann des Quarteriums, seine Loyalität ist über jeden Zweifel erhaben. Zudem geht er bei seinen Versuchen stets vorsichtig und gewissenhaft vor. Im Übrigen bezeichnete er Sie als Anführer der Meuterer.«
Der Kommandant ließ sich offensichtlich nicht mit einfachen Ausreden abspeisen. Jeamour musste jetzt Zeit gewinnen. »Mich? Aber ich bin der Kommandant der IVANHOE II! Weshalb sollte ich eine Meuterei durchführen?«
»Genug mit dem sinnlosen Geschwätz! Wir alle wissen, dass Sie nicht voll und ganz hinter unserer Regierung stehen. Ich möchte Verbindungsoffizier Glaus Schyll sprechen!«
»Schyll hat vor einer Stunde die Zentrale verlassen, er hat jetzt eine Ruhephase. Zuvor war er 16 Stunden im Dienst …«
»Sofort! Holen Sie ihn! Wecken Sie ihn, ich möchte ihn sprechen. Sie haben eine halbe Stunde!«
Arivola schaltete ab, bevor Jeamour noch etwas entgegnen konnte. Es war also aus. Jetzt blieb nur noch die schnelle Flucht. Die mittlerweile sieben Schiffe des Quarteriums würde die IVANHOE mit etwas Glück abhängen. Nur, sobald das geschah, war jedes einzelne Raumschiff im Umkreis von 50.000 Lichtjahren hinter der IVANHOE her. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Und Quinto war noch weit entfernt.
Dennoch musste Jeamour es versuchen. Er rief Wallace an: »Mathew, ich brauche Sie auf der Stelle in der Kommandozentrale. Unsere Deckung ist aufgeflogen, wir müssen fliehen. Sie müssen das Schiff steuern!«
An die Zentralebesatzung sagte er: »Alles vorbereiten für einen Blitzstart! Wallace ist auf dem Weg zur Zentrale, wir müssen schnell nach Quinto.«
Zuletzt rief er Zyrak Wygal, den Maschinenchef, an: »Wir brauchen in wenigen Minuten volle Leistung! Sind alle Maschinen bereit für einen Blitzstart?«
»Grüne Kreatur der Übelkeit, warum die Eile? Die neuen Maschinen sind noch nicht perfekt eingefahren. Sie werden Schaden nehmen!«
»Zyrak, machen Sie das Beste aus der Situation! Es geht um unsere Freiheit. Oder wollen Sie in einem Internierungslager des Quarteriums landen?« Jeamour unterbrach die Verbindung und bekam so den nächsten Fluch des Blues nicht mehr mit.
Jetzt hieß es hoffen und beten, dass der IVANHOE ein Blitzstart gelang und die anderen Schiffe ihr nicht folgen konnten. Es gab noch eine winzige Hoffnung …
»An alle Besatzungsmitglieder der IVANHOE II. Es folgt eine wichtige Durchsage.«
Was? Wer hatte den Bordfunk eingeschaltet? Überhaupt – diese Stimme.
»Ich bin Oberstleutnant Schyll und ich habe ihnen wichtige Neuigkeiten mitzuteilen, sofern Sie noch nicht informiert sind. Wie die meisten von ihnen bereits mitbekommen haben, befindet sich die IVANHOE nicht mehr auf Kurs. Eigentlich waren in den äußeren Ringen Cartwheels Testfahrten und Übungen geplant. Doch wir befinden uns auf dem Weg zurück nach Cartwheel. Sie fragen sich, warum? Lassen Sie mich es erklären.«
»Schalten Sie diesen Fanatiker ab. Er darf kein Wort mehr von sich geben!«, schrie Jeamour.
»Das versuche ich schon die ganze Zeit. Unmöglich in der kurzen Zeit. Schyll hat seinen eigenen Sprechkanal.« Tania war ratlos.
»In den äußeren Ringen stießen wir auf ein dorgonisches Raumschiff, das Terroristen jagte«, fuhr Schyll fort. »Anstatt den Dorgonen zu helfen, wurden sie durch Jeamour gerettet und das dorgonische Schiff zerstört. Falls Sie mir nicht glauben, ich habe Aufnahmen dieses Massakers ins Bordnetz hochgeladen. Viele unschuldige Dorgonen fanden den Tod. Und jetzt ist Jeamour auf dem Weg, die Terroristen in Sicherheit zu bringen. Sie sind schockiert, meine Damen und Herren? Sie fragen sich, warum ich nichts gegen diese Machenschaften unternommen habe? Ich will es Ihnen sagen: Als ich mein Veto einlegte, nahm mich der Verräter Jeamour gefangen. Dank der Loyalität des Soldaten Skerkins und der Hilfe durch Bordarzt Doktor Ignon Ruon und einiger loyaler Besatzungsmitglieder wurde ich befreit.«
»Ich kann ihn nicht stoppen! Meine Kontrollen sind blockiert!« Tania Walerty schüttelte hilflos den Kopf.
»Was bedeutet das alles für sie, meine Damen und Herren? Nun, für Sie ist es jetzt an der Zeit, sich zu entscheiden: Entweder unterstützen Sie den Hochverräter Jeamour weiterhin bei seinen Verbrechen oder Sie schließen sich mir an und helfen dabei, die Ordnung an Bord wiederherzustellen. Und Sie können sicher sein, das werden wir! Noch haben Sie die freie Wahl. Doch bedenken Sie: Sobald wir als die Repräsentanten des Quarteriums wieder die Kontrolle über unser Schiff haben, werden alle, die sich für Jeamour entschieden haben, vor ein Kriegsgericht gestellt. Ihnen wird ein harter Prozess gemacht. Und Sie können sicher sein, dass unsere Regierung keinerlei Sympathien für Meuterer und Hochverrat hegt. Ich wiederhole: Noch können Sie sich für die richtige Seite entscheiden. Kämpfen Sie mit uns und Sie gehen straffrei aus. Im übrigen sammelt sich um die IVANHOE II eine Flotte von Quarterium-Schiffen. Jeamour steht auf verlorenem Posten! Entscheiden Sie sich für uns! Schyll, Ende!«
Jeamour war bleich geworden. Wie war Schyll entkommen? »Scholtens, schnell. Verriegeln Sie das Schott zur Zentrale. Wir können nicht mehr auf Wallace warten.«
Nichts passierte. »Oberleutnant Scholtens, schließen Sie das Schott!« Jeamour fuhr herum. Der angesprochene Offizier hatte seinen Platz verlassen und zielte mit einem Blaster auf den Kommandanten.
»Sie, Sie verstehen das nicht. Ich, ich kann das nicht tun. Es ist aus, Kommandant Jeamour. Schyll wird gewinnen.«
»Nicht, wenn Sie meinen Befehl ausführen. Legen Sie die Waffe weg!«
»Nein, ich kann nicht.« Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn, seine Hand zitterte. »Ich – ich habe eine Frau und zwei Kinder. Ich möchte sie wiedersehen. Ich muss Schyll helfen, nur so kann ich – kann ich …«
Ein singendes Geräusch ertönte, dann sank Scholtens zu Boden. Tania hatte ihn mit einem Paralysatorschuss außer Gefecht gesetzt.
Jeamour bedauerte diesen Zwischenfall. Scholtens hatte wahrscheinlich sogar recht. Solange jedoch die Zentrale in Jeamours Gewalt war … »Schnell, verriegelt das Schott!«
»Nicht nötig!« Jeamour drehte sich langsam um, diese Stimme war ihm nur allzu bekannt. Schyll!
Der Verbindungsoffizier hatte mit einer ganzen Einheit Soldaten die Zentrale betreten. »Meine Damen und Herren, es gibt keinen Grund zur Sorge! Wir übernehmen das Kommando über das Schiff und schon ist alles in bester Ordnung. Außer für Euren Kommandanten, versteht sich. Der geht vors Kriegsgericht. Ergeben Sie sich einfach, dann ist diese Angelegenheit schnell vom Tisch.« Schyll setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf. »Eine Sache noch: Wir schießen scharf, wenn Sie sich gegen uns stellen.«
Der Kommandant sprang hinter seinen Sessel. »Unsere Mission ist zu wichtig, wir werden kämpfen! Nur Paralyse!«, schrie er.
Er und die anderen Besatzungsmitglieder zogen ihre Waffen und eröffneten das Feuer. Schyll zog sich schnell zurück und überließ seinen Soldaten den Gegenangriff. Ihre Desintegratorstrahlen fraßen sich durch die Deckungen der Verteidiger. Nach wenigen Sekunden gab es erste Verletzte. Die Soldaten Schylls hingegen hüllten sich in leichte Schutzschirme und wurden so unangreifbar für die Paralysestrahlen.
Links von Jeamour schrie ein Navigator auf, er starb nur Sekunden später durch einen direkten Treffer. Den zweiten Piloten ereilte dasselbe Schicksal. Schylls Soldaten feuerten ungerührt weiter. Wegen ihrer Schutzschirme konnten sie sorgfältig zielen, denn niemand wollte die Instrumente der Zentrale beschädigen. Der Kommandant bemerkte bald, dass hier kein Land mehr zu gewinnen war. »Feuer einstellen! Wir kapitulieren!«
Das Desintegratorfeuer endete auf der Stelle. Schyll schob sich durch die Reihen seiner Soldaten und sagte mit kaltem Lächeln: »Na bitte! Warum nicht gleich so? Besetzt die Zentrale, entwaffnet die Verräter und bringt sie in den Konferenzraum! Vier Wachen vor die Tür!«
Die Soldaten kamen eilig den Befehlen nach. Allmählich leerte sich die Zentrale. Als man Jeamour abführen wollte, meinte Schyll: »Jeamour bleibt hier. Einer muss schließlich den Aufrührern sagen, dass ihr Kampf vorbei ist, nicht wahr? Los, rufen Sie Irwan Dove und Mathew Wallace an!«
Jeamour tat wie geheißen. Zuerst wollte er mit Dove sprechen.
»Ah, Kommandant! Ich habe gute Neuigkeiten. Ich konnte bereits eine 150 Mann starke Streitmacht zusammentrommeln. Wir sind auf dem Weg zur …«
Jeamour unterbrach Dove. »Bitte rufen Sie sie zurück! Es wird nicht zum Kampf kommen.«
»Was – wieso? Hat sich Schyll ergeben?«
»Nein, er hat die Zentrale besetzt. Er kontrolliert die IVANHOE. Unsere Schlacht ist verloren.«
»Wir holen Sie dort raus. Schyll kann etwas erleben!«
»Sie verstehen nicht! Kein Kampf! Ich werde die volle Verantwortung für meine Handlungen übernehmen. Die Besatzung soll nicht hineingezogen werden. Kein unnötiges Blutvergießen!«
»Ich verstehe nicht …« Dove war sichtlich irritiert.
»Das brauchen Sie auch nicht. Bitte halten Sie sich einfach an die Befehle!« Jeamour schaltete ab.
»Sie sehen, es ist gar nicht so schwer, das Richtige zu tun«, lobte Schyll.
Jeamour sah ihm in die Augen. »Die übrigen Besatzungsmitglieder werden doch straffrei ausgehen?«
»Das kann ich Ihnen versichern. Wer sich jetzt ergibt, hat nichts zu befürchten. Außer Ihnen natürlich. Und Jennifer Taylor, die wohl auch etwas übereifrig war. Doch jetzt ist zuerst noch ein Anruf bei Wallace fällig.«
Als Mathew Wallace Schylls Ansprache vernahm, fasste er einen Plan. Bevor er Jeamour in der Kommandozentrale beistehen konnte, musste Saraah in Sicherheit gebracht werden. Sie musste unbedingt Quinto erreichen, um Scorbit und Orbanashol-Nordment ausführlich Bericht zu erstatten. Mathew eilte zu Saraahs Kabine und schlich mit ihr zu einem Hangar mit kleinen Space-Jets.
»Du musst sofort nach Quinto, ich habe dir die Koordinaten einprogrammiert. Wahrscheinlich fällt dein kleines Schiff gar nicht auf.«
Saraah musterte ihn erstaunt. »Du kommst nicht mit?«
»Nein, ich kann nicht. Ich muss Jeamour helfen, die IVANHOE zu verteidigen.«
»Aber das wird aussichtslos! Schyll hat sicherlich genügend loyale Mitstreiter, um das Schiff zu übernehmen! Komm mit mir!«
»Es geht nicht. Ich kann das Schiff nicht im Stich lassen!«
»Warum bist du nur immer so stur? Du weißt doch auch, dass es sinnlos ist, hier zu bleiben!«
Mathew fühlte sich unbehaglich. »Du musst los, Saraah!«, lenkte er ab. Er aktivierte den Autopiloten und wandte sich noch einmal zu Saraah: »Ich liebe dich. Wir werden uns wiedersehen!«
Sie küssten sich noch einmal leidenschaftlich, dann verließ Mathew die Space-Jet. Kurz darauf startete das kleine Schiff. Mathew sah es in der Hangarschleuse verschwinden.
Als sich das Innenschott schloss, murmelte er: »Zumindest hoffe ich das«.
Er drehte sich um und verließ den Hangar. Plötzlich summte sein Interkom.
»Ja?«, meldete er sich.
»Jeamour hier. Schyll hat die Kommandozentrale besetzt. Er hat die Kontrolle über das Schiff.«
»Nicht solange wir noch kämpfen können!«
»Wir werden nicht mehr kämpfen. Ich übernehme die volle Verantwortung über mein Handeln, aber die Besatzung hat nichts damit zu tun. Daher fordere ich Sie auf zu kapitulieren!«
»Einen Dreck werde ich tun! Natürlich hauen wir Sie aus der Zentrale raus, Dove hat sicherlich schon eine Armee zusammen gestellt.« Wütend schaltete er ab. Wie konnte Jeamour nur so schnell aufgeben? Bedeutete ihm die Freiheit nichts?
Ärgerlich machte Mathew sich auf den Weg zur Zentrale. Als er um eine Ecke bog, schaute er plötzlich in die Mündungen von einem Dutzend Desintegratoren. »Mathew Wallace, wir haben Befehl, Sie zu verhaften! Widerstand ist zwecklos! Eine falsche Bewegung und wir exekutieren Sie.«
Mathew war völlig überrascht. In seinem Ärger hatte er die Deckung völlig vernachlässigt. Er legte seine Waffe nieder und ließ sich abführen. Alles andere wäre Selbstmord gewesen.
An Bord der Space-Jet JERRAT war es ruhig. Inzwischen waren keine Ortungsschatten mehr zu sehen. Saraah war den quarterialen Schiffen tatsächlich entkommen. Niemand hatte sich um das kleine Beiboot gekümmert, was Saraah erstaunte. An Bord der IVANHOE II wurde eine Rebellion vermutet, da mussten doch alle Sensoren der sie umfliegenden Schiffe auf sie gerichtet sein. Vielleicht war ihr Schiff ja mit einem besonderen Ortungsschutz ausgestattet.
Sie war verwirrt und traurig. Warum war die Fahrt nach Quinto nicht reibungslos abgelaufen? Musste es denn immer wieder neue Probleme geben? War es denn nicht endlich einmal möglich, einen dauerhaften Frieden zwischen den Galaxien zu erwirken?
Das waren alles komplexe Fragen, auf die es wohl keine einfachen Antworten gab. Viel schlimmer belastete es Saraah, dass Mathew sie nicht begleitet hatte. Sie hatte gehofft, dass er endlich zur Vernunft gekommen wäre. Doch nichts dergleichen war geschehen: Schon wieder stürzte er sich in ein neues, aussichtsloses Abenteuer. Die IVANHOE war nicht zu retten, das stand doch fest. Sie war umzingelt von feindlichen Schiffen, an Bord tobten wilde Kämpfe. Dabei schien bereits klar, dass Schyll die Oberhand gewinnen würde. Nach Schylls Durchsage würden sich viele Mannschaftsmitglieder auf seine Seite schlagen. Allein schon aus Angst vor den Sanktionen im Falle einer Niederlage. Leute vom Schlage Schylls wussten genau, wie sie die Macht an sich reißen und behalten konnten.
Was war nur aus Mathew geworden? Hatte er den Kampf überlebt? Oder war gar der IVANHOE wider Erwarten doch die Flucht geglückt? Dieser Gedanke nährte nur einen Augenblick Saraahs Hoffnung. So verlockend er auch war, diese Wendung der Dinge schien doch sehr unwahrscheinlich.
»Ein Funkspruch, Oberstleutnant!«, rief einer der Soldaten.
»Stellen Sie durch, ich übernehme!«
Das grimmige Gesicht von Oberst Tono Arivolas erschien auf dem Bildschirm. Es hellte sich auf, als er Schyll erkannte. »Schön, Sie zu sehen, Oberstleutnant Schyll. Ich hatte befürchtet, hier an Bord ginge etwas nicht mit rechten Dingen zu!«
»Da hatten Sie völlig recht. Aber die Verräter sind überführt und in Haft. Ich habe das Kommando übernommen.«
»Was soll jetzt geschehen?«
»Wir werden nach Paxus zurückkehren, dort wird man über Jeamour und seine Komplizen richten. Ich hätte da jedoch eine Bitte.«
»Sprechen Sie, Kommandant Schyll!«
»Um sicherzugehen, dass keine bösen Überraschungen auf uns warten, bitte ich um Geleitschutz. Jeamours Komplizen ist jede Dummheit zuzutrauen. Lässt sich das machen?«
Arivola lächelte. »Natürlich. Ich schicke Ihnen drei 500-Meter-Raumer der Supremoklasse. Damit sollten Sie sicher Ihr Ziel erreichen.«
»Ich danke Ihnen!« Schyll schaltete ab.
Inzwischen waren Irwan Dove, Lorif, Mathew Wallace und Jennifer Taylor in der Zentrale eingetroffen. Auch die anderen Zentrale-Mitglieder waren vor Ort. Schyll räusperte sich, dann sagte er hart: »Ex-Kommandant Xavier Jeamour, Mathew Wallace und Jennifer Taylor, Sie werden des Hochverrats angeklagt und ab sofort unter Arrest gestellt. Auf Paxus wird Ihnen der Prozess gemacht! Und Sie können sicher sein, dass ich alles tun werde, damit die Strafe nicht zu milde ausfallen wird.« Schyll wandte sich an die anderen. »Irwan Dove, Tania Walerty und Lorif, Ihnen kann ich keine konkreten Verbrechen nachweisen. Was mit Ihnen geschieht, liegt an Ihnen. Entscheiden Sie sich für uns, dann gehen Sie womöglich straffrei aus und behalten Ihre Posten, zumindest bis zum Ende der Fahrt nach Paxus. Entscheiden Sie sich gegen mich und somit gegen Ihre Regierung, dann werden Sie ab sofort Jeamour Gesellschaft leisten und natürlich ebenfalls wegen Hochverrats angeklagt. Es ist Ihre Entscheidung.«
Bevor einer der Angesprochenen etwas sagen konnte, trat Jeamour vor und sagte: »Es hat keinen Zweck, jetzt Helden zu spielen. Wir haben verloren. Lasst euch nicht in die Sache mit hineinziehen!«
»Wahrscheinlich haben Sie recht, Kommandant«, meinte Dove. »Wir werden uns der Gewalt beugen und unsere Aufgaben weiterhin erfüllen.« Die anderen stimmten zu.
»Es tut mir Leid, Kommandant«, gestand Tania.
»Tania, niemand kann etwas dafür. Wir haben hoch gepokert, jetzt müssen wir die Konsequenzen tragen.«
Ein Soldat stürmte in die Kommandozentrale. »Alle Kämpfe an Bord wurden eingestellt! Jedoch lässt sich die Terroristin Saraah nicht finden! Wir haben das ganze Schiff nach ihr abgesucht!«
»Verdammt!«, fluchte Schyll.
»Allerdings«, fuhr der Soldat fort, »wurde registriert, dass eine Space-Jet Hangar 8 verlassen hat. Es ist nahe liegend, dass sie mit dieser Jet geflohen ist.«
»Moment mal. Hangar acht, Hangar acht …« Schyll dachte nach. »Natürlich, Hangar acht! In der Nähe wurde Mathew Wallace aufgegriffen.« Er wandte sich an Mathew: »Wohin haben Sie Saraah gebracht?«
Mathew grinste. »An einen sicheren Ort – Sie werden sie nie und nimmer in Ihre schmutzigen Finger kriegen!«
»Das werden wir noch sehen. Zumindest wird sich dieses Geständnis sicherlich auf Ihre Strafe auswirken. Sie können sich sicher sein, dass wir nichts in unserer Anklageschrift beschönigen werden.« Zu dem Soldaten gewandt sagte er: »Und was ist mit den anderen Flüchtlingen aus Dorgon?«
»Die sind alle auf ihren Quartieren. Wir haben Wachen aufgestellt, sie können nicht fliehen. Haben Sie Befehle für mich?«
»Nein, Soldat. Sehr gute Arbeit. Sie können wegtreten.« Zu Mathew gewandt fügte er hinzu: »Wenn wir Saraah nicht finden, dann werden Sie und Saraahs Freunde die Konsequenzen tragen. Dafür werde ich sorgen.«
Mathew blickte ihn hasserfüllt an. »Du Bastard. Nur ich weiß, wo sie ist. Saraahs Begleiter haben nichts damit zu tun! Und ich werde nichts sagen – die ganze Galaxis soll erfahren, mit welch abscheulichen Diktatoren das Quarterium verbündet ist!«
Schyll lachte laut. »Große Worte für einen kleinen Gefangenen, dessen Lebenszeit abläuft. Aber wir reden später weiter, jetzt gibt es Wichtigeres zu erledigen.«
»Oberstleutnant, die Eskortschiffe sind eingetroffen.« Tania hatte bereits ihren Platz wieder eingenommen.
Schyll wandte sich der Funkoffizierin zu. Ein selbstgefälliges Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er die ehrerbietige Anrede vernahm.
»So ist es gut, dann wollen wir mal los. Volle Kraft voraus nach Paxus!«
Nichts geschah. Die IVANHOE bewegte sich nicht vom Fleck. Nach einer Weile fragte Schyll den neuen Piloten ungehalten: »Was ist los? Warum bewegen wir uns nicht?«
»Kommandant, ich weiß es nicht. Die Grigoroff-Konverter arbeiten nicht. Ich habe keine Ahnung, wo das Problem liegt.«
Nach langem Suchen hatte Janina Porter endlich Zyrak Wygal gefunden. Er befand sich in einem der Hauptmaschinenräume, wo unter anderem die Grigoroff-Konverter kontrolliert wurden. Er fluchte wie ein Wilder, flitzte durch die Räume und nahm überall Schaltungen vor. Aus seinen Selbstgesprächen entnahm Janina, dass die IVANHOE sich auf einen Blitzstart vorbereitete. Sie versuchte, ihm nicht im Wege zu stehen, was ihr aber nicht gelang. Mehrmals wurde sie wüst zur Seite geschoben und anschließend mit wilden Flüchen und Beschimpfungen bedacht.
Dann hörten sie die Durchsage von Glaus Schyll. Wygal war außer sich vor Wut.
»Oh, rote Kreatur des Zorns, dieser Wahnsinnige wird die IVANHOE nicht bekommen. Nicht, solange ich hier Maschinenchef bin, bei der giftgrünen Kreatur des langen Atems!«
Er sprang umher und begann, die Schotte zu seinem Maschinenraum zu verriegeln. »Du blaubraune Kreatur der Faulheit, hilf mir gefälligst beim Abriegeln. In mein Reich wird keine graue Schlangenkreatur wie Schyll kommen. Nicht solange ich hier bin und mein Reich verteidige, bei der weißen Kreatur der Ausdauer.«
Janina sprang auf und half dem wild gewordenen Maschinenchef. Nach der Verriegelung der Schotten schoben sie schwere Maschinen vor die Ausgänge und installierten Selbstschussanlagen, die der Maschinenchef schnell aus Ersatzteilen und Blastern zusammenbaute. Janina staunte nicht schlecht, was der kleine Blue in so kurzer Zeit fertig stellte.
Als plötzlich eine rote Lampe aufleuchtete, schrie der Blue auf, seine weiteren Flüche waren wohl nur im Ultraschallbereich zu vernehmen. Er eilte zu einem Kontrollpult und schaltete die Grigoroff-Konverter aus. Das Schiff hatte sich nur wenige 1000 Kilometer von der Stelle bewegt, schon war seine Fahrt wieder zu Ende. Erschöpft sank der Blue zu Boden: »Oh, blaugrüne Kreatur der Eile, es ist getan. Niemand kapert die IVANHOE gegen meinen Willen.«
»Aber Zyrak, wieso schalten Sie die Konverter ab? So kann doch Jeamour keinen Blitzstart mehr machen!«, wagte Janina einen vorsichtigen Einwand.
Zyrak Wygal schnellte auf die Beine. »Du ahnungslose Kreatur, sei ruhig! Nicht Jeamour oder Wallace betätigt die Kontrollen, sondern ein anderer. Ich weiß, wie ein Blitzstart abgelaufen wäre, bei der blassgelben Kreatur der Vorsehung!«
»Ich bin ja schon ruhig.« Janina zog sich kleinlaut zurück. Wygal konnte man zwar auf die Dauer schwerlich ernst nehmen, aber wenn er so ausflippte wie im Moment, schien ein ordentlicher Sicherheitsabstand zu ihm doch ratsam.
Zygals Interkom meldete sich. »Ja?«, schrie er, als er das Gespräch annahm.
»Zyrak Wygal, die Grigoroff-Konverter arbeiten nicht. Ich wollte fragen, was los ist.«
»Wer spricht dort? Ich kenne Sie nicht, braune Kreatur der Zwietracht.«
»Ich – ich bin Roman Montri, der neue Pilot.«
»Wo ist Mathew Wallace, der echte Pilot?«, schrie Wygal ihn an.
»Er wurde seines Amtes enthoben, weil er ein Verräter ist. Glaus Schyll hat das Kommando …«
»Nichts da!«, fiel Wygal ins Wort. »Ich werde weder mit Ihnen, noch mit Schyll, dieser gemeingefährlichen Kreatur des Quarteriums sprechen. Ich verhandle nur mit dem Kommandanten!«
Wütend pfefferte er das Interkom in die Ecke. Dabei schaltete es sich ab. Wygal fluchte vor sich hin. Auf die nächsten Anrufe antwortete er nicht. Plötzlich hörte man es an den Schotten rumoren. Soldaten versuchten, sie zu öffnen. Nach einigen Fehlversuchen gaben sie auf.
»Zyrak Wygal«, schallte es aus den Lautsprechern. »Hier spricht Kommandant Schyll. Sie stehen hier auf verlorenem Posten! Geben Sie auf und Sie kommen mit einer milden Strafe davon. Ansonsten werden meine Soldaten den Maschinenraum stürmen und Sie erschießen.«
»Niemals! Ich werde dieses Schiff nicht aufgeben!«
»Aber es ist längst gefallen. Ihre kleine Rebellion ist zu Ende!«
»Ich verlange mit dem Kommandanten zu sprechen, falsche Kreatur des Grauens!«
Einen kurzen Moment später meldete sich Jeamour: »Zyrak Wygal, es tut mir Leid, aber ich bitte Sie, geben Sie die Grigoroff-Konverter frei. Es hat keinen Sinn, den Helden zu spielen. Das Schiff ist von Schylls Soldaten besetzt, wir werden bereits von Schiffen des Quarteriums eskortiert. Ich bedanke mich für Ihre Treue, aber unsere Fahrt ist hier zu Ende. Ihr neuer Kommandant ist Glaus Schyll. ihm müssen Sie jetzt dienen. Geben Sie das Schiff frei. Jeamour, Ende!«
»Aber, aber …« Der Blue öffnete seinen kleinen Mund am Hals und schnappte nach Luft. Ihm fehlten die Worte. Schließlich trottete er langsam zu seinen Maschinen und schaltete die Energiezufuhr wieder ein. Wygal gab auf. Mit seiner Kapitulation brach der letzte Widerstand an Bord der IVANHOE II.
Einige Stunden später saßen Jan Scorbit, Rosan Orbanashol-Nordment und Saraah im Inneren des kleinen Asteroiden Quinto in einem Konferenzsaal.
Saraah berichtete über die Geschehnisse an Bord der IVANHOE II und über die beginnenden Kampfhandlungen. Da sie bereits wenige Minuten später das Schiff verlassen hatte, wusste sie nicht, was danach geschehen war.
Scorbit suchte nach einem Informanten an Bord der IVANHOE II oder der sie begleitenden Schiffe und fand einen, der über die Inhaftierung von Jeamour und Wallace berichtete. Die IVANHOE war bereits auf dem Weg nach Paxus, wo sie als Verräter angeklagt werden sollten.
Saraah fiel ein Stein vom Herzen, Mathew lebte noch. Doch auch die schlechten Nachrichten rissen nicht ab. Denn nach allem, was man vom quarterialen Recht wusste, war klar, dass Jeamour und Wallace die Todesstrafe blühte. Leute wie Schyll würden einen Schauprozess inszenieren, in dem dann die Angeklagten vorgeführt werden würden. Dieser Prozess würde zudem weitere potentielle Regimegegner in der Flotte abschrecken. Ein angenehmer Nebeneffekt für das Regime.
Jan Scorbit bat Gal'Arn und Jonathan Andrews zu der Gesprächsrunde dazu. Als sie erschienen, erklärte er ihnen die Situation.
»Eine schreckliche Sache. Die beiden dürfen nicht hingerichtet werden«, meinte Jonathan Andrews.
»Meine Rede. Sie haben viel gewagt und haben Saraah unter höchstem Risiko hierher gebracht. Mal abgesehen davon, dass es gute Freunde von uns sind, sind wir ihnen etwas schuldig.«
»Gut, dann sind wir uns wohl einig.« Rosan lächelte. »Ich nehme an, ihr wollt die Leitung einer eventuellen Befreiungsaktion übernehmen?«
Gal'Arn schüttelte lächelnd den Kopf. »Keine Frage, natürlich werden wir das tun!«
»Gut, dann müssen wir zunächst Informationen beschaffen: Wohin fliegt die IVANHOE? Gut, nach Paxus, aber wohin genau? Wo werden die Gefangenen untergebracht? Wie viele Wachen? Wo ist die Gerichtsverhandlung? Wo die Hinrichtung?« Rosan schmunzelte. »Ich glaube, es wartet eine Menge Arbeit auf uns. Wir sollten keine Zeit verlieren!«
ENDE
Xavier Jeamour und seine Stammbesatzung sind ihrem Gewissen gefolgt und haben gegen das Quarterium gehandelt. Nun sollen sie bestraft werden. Die USO will ihre Freunde jedoch nicht im Stich lassen.
Mission der Ritter ist der Titel von Heft 69, geschrieben von Jens Hirseland.
Eine Raumschiffbesatzung im Gewissenkonflikt. Und hier möchte ich nun den aktuellen Roman kommentieren:
Michael Berg gelingt es sehr schön die Konflikte der »alten« Besatzung der IVANHOE mit der neuen Ordnung aufzuzeigen.
Das Quarterium stellt ein Paradebeispiel (!) eines Militärstaates (man könnte auch sagen, einer Militärdiktatur) dar. Militärparaden, Flottenaufmärsche, Marschmusik – das ganze Register der ach so guten »alten Zeit« wird gezogen. Und mittendrin – noch dazu im Flaggschiff! – unsere altbekannte »Crew« von der IVANHOE.
Wobei hier das Ganze für mich etwas unglaubwürdig wird. In der Realität wäre es wohl illusorisch anzunehmen, dass es gelingen könnte, die gesamte Crew der IVANHOE (mit ihren zweifelsohne vorhandenen Dienstakteneinträgen) wieder auf einem Schiff zu versammeln und dazu noch in Funktion der gesamten Schiffsführung. So wird die Ideologie des Quarteriums nur durch unseren Oberstleutnant Glaus Schyll (warum nur wieder ein deutscher Name?) vertreten, der dazu noch auf einem ziemlich unbedeutenden Posten eingesetzt ist.
Doch soweit so gut. Der Wendepunkt ist natürlich klar: Die Crew der IVANHOE entscheidet sich für ihre alten Ideale von Humanität und Menschlichkeit, wobei, zumindest für meinen Geschmack, vor allem Xavier Jeamour seine Entscheidung viel zu schnell getroffen hat, denn er hat natürlich im gesamten System am meisten zu verlieren.
Die Meuterei verlief nicht gut. Entweder man macht eine Meuterei, oder man lässt es. Ein wenig Meuterei geht einfach nicht. Schylls Kabine wird nicht durchsucht, ein einfacher Soldat, der noch nicht mal über die Hintergründe Bescheid weiß, wird zur Bewachung abkommandiert, der Ara gänzlich vergessen
Nun wie wird es mit der IVANHOE weitergehen? Eins ist klar, die USO wird versuchen, dem Quarterium die Suppe zu versalzen. Nur ich habe da so meine Bedenken, wenn ich an das Befreiungsteam denke. Gal'Arn und Jonathan Andrews scheinen mir nicht gerade das Non-Plus-Ultra eines Befreiungsteams. Hier scheint mir in erster Linie jemand anders gefragt zu sein: Sam Tyler. Der hat nämlich als einziger unter den Gegnern des Quarteriums die Sache mit dem »Pflasterstein« kapiert. Ich weiß zwar nicht, wie die Weisungen des Expokraten-Oberkommandos lauten, aber ein Himmelfahrtsunternehmen ohne Sam Tyler ist für mich undenkbar. Deshalb jede Wette, dass auf Paxus noch Sam zu unseren Rittern stoßen und wesentlichen Anteil an der Befreiung haben wird.
JF
Nachfolgeschiff der IVANHOE, die 1299 NGZ während der Schlacht im Hell-Sektor vernichtet wurde.
Die IVANHOE II gehört zu den quarterialen Supremo-Schlachtschiffen des Typs A »Spezial«. Die Bauzeit betrug von 1302 NGZ an insgesamt drei Jahre. Die Fertigstellung fand im Januar 1305 NGZ statt, der Jungfernflug folgte im April 1305.
Wie alle Supremoschlachtschiffe des Typs A hat die IVANHOE II 2500 Meter Durchmesser und eine Gesamtlänge von 3000 Metern. Die Breite beträgt 2700 Meter. Der Antrieb besteht aus einem modernen Hypterontriebwerk aus Dorgon. Das Hypterontriebwerk entspricht in Aufbau und Funktionalität dem Hypertakttriebwerk. Außerdem verfügt die IVANHOE zusätzlich über ein Metagrav- und Lineartriebwerk. Die maximale Beschleunigung liegt bei 1350 Kilometer in der Quadratsekunde, der maximale Überlichtfaktor bei dem 150 millionenfachen der Lichtgeschwindigkeit.
Die Bewaffnung stellt sich folgend zusammen: 100 Mega-Transformgeschütze, 100 MHV-Geschütze, 100 Intervallgeschütze, 100 Impulsgeschütze, 10 Transonatoren, 10 Arkonbomben, 5 Sternenfusionsbomben.
Die Defensivbewaffnung besteht aus den üblichen Paratron- und HÜ-Schirmen. Hinzu kommt das dorgonische Semi-Transit-Feld.
Weitere technische Apparaturen sind: Maxim-Orter, Virtuellbildner, Hyperraum-Resonator, Halbraumspürer, NUGAS-Schwarzschild-generatoren.
Die Legierung besteht aus Ynkeloniumstahl. Der IVANHOE II stehen folgende Einheiten zur Verfügung: 75 Space-Jets, 10 VESTA-Kreuzer, 25 MINOR GLOBES, 250 Jäger, 250 SHIFTS, 500 TARA-C-I (Cartwheel-I) Kampfroboter. Die Besatzung stellt sich aus folgenden Einheiten zusammen: 550 Männer und Frauen Stammbesatzung, 1500 Piloten für Space-Jets, MINOR GLOBES, VESTA-Kreuzer und Jäger, 4000 Infanteristen. Die Gesamtanzahl der Besatzung liebt bei 6050 Mann.
Kommandant des Schlachtschiffes ist Admiral Xavier Jeamour. Erster Offizier ist der Terraner Mathew Wallace (Navigation). Zweiter Offizier ist der Oxtorner Irwan Dove (Sicherheit / Feuerleitzentrale). Dritter Offizier ist der Posbi Lorif (Wissenschaft). Den Rang des Vierten Offiziers bekleidet der quarteriale Loyalist Glaus Schyll. Weitere Besatzungsmitglieder sind Doktor Ignaz Ruon, Doktor Jennifer Taylor (beide Medostation), Tania Walerty (Funkleitstand) und der Blue Zyrak Wygal (Maschinenchef).
Geboren im 1269 NGZ auf Jerrat in der Galaxis Dorgon (M 100). Größe 1,68 Meter, Gewicht 61 kg, graugrüne Augen, schwarzes, glattes Haar. Saraah ist eine natürliche Schönheit von stiller und sanfter Natur. Sie hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
Saraah lebt glücklich mit ihrer Familie auf Jerrat, bis sie von Soldaten des Senators Priamus zusammen mit ihrer Schwester und ihrer Mutter verschleppt und zu Sklavinnen gemacht wird. Ihre Mutter stirbt früh und auch ihrer Schwester begeht Selbstmord.
Saraah hingegen glaubt an ihren Gott und hofft eines Tages auf den Retter, den sie wohl in Mathew Wallace gefunden hat. Während Saraah als Sklavin im Hause des Priamus arbeitet, trifft sie auf Mesoph auf den jungen Terraner. Es »funkt« sofort zwischen beiden und Wallace befreit seine Geliebte.
Jedoch wird Saraah wieder von den Dorgonen gefangen und muss sich als Zofe den Launen der Kaiser aussetzen. Der einzige Grund durchzuhalten, ist die Liebe zu Mathew Wallace und die Hoffnung, dass ihr geknechtetes Volk der Jerrer befreit wird.
Als diese Hoffnung tatsächlich wahr wird, heiratet sie Mathew und zieht mit ihm in die Milchstraße. Doch ihr Heimweh ist stärker. Sie kehrt 1294 NGZ nach Jerrat zurück, um ihren Vater und ihre Brüder wiederzusehen. Diese Entscheidung fällt ihr schwer, da sie Wallace liebt, doch sie entscheidet sich für ihre Familie und ihr Volk.
Sie wird Senatorin von Jerrat und führt ihr Volk weise. Alles ändert sich im Jahre 1299 NGZ mit dem Tod des Kaisers Uleman. Sein Nachfolger Commanus wirft Ulemans Reformen über den Haufen und kehrt auf den Pfad der alten Kaiser zurück. Jerrat weigert sich einer Diktatur zu folgen und wird angegriffen. Saraah kann fliehen und wird zur Gejagte. Sie geht in den Untergrund und arbeitet dort mit Ulemans Adoptivsohn Decrusian und dem ehemaligen Tribun der Prettosgarde Torrinos zusammen, um Commanus zu stürzen.
Die Jerrer sind eines der ältesten Kolonialvölker der Dorgonen. Sie ähneln den Dorgonen bis auf eine bläuliche Haarfärbung bei den meisten des Volkes.
Die Jerrer sind sehr religiös und glauben an die Rückkehr DORGONS. Dieser Glauben stieß bei vielen Dorgonen auf Antipathie und mit der Zeit wurde das Volk der Jerrer geächtet und versklavt. Die Verfolgung und Versklavung der Jerrer zieht sich wie ein roter Faden durch die dorgonische Geschichte. Es gab auch gute Zeiten für die Jerrer, doch immer wieder gerieten die Jerrer mit den Dorgonen aneinander und revoltierten, so dass ihnen die Rechte wieder entzogen wurden.
Die Jerrer leben auf der Welt Jerrat und in den umliegenden Systemen. Sie haben eine Gesamtbevölkerungsanzahl von etwa 20 Milliarden.
Im Jahre 1292 NGZ besitzen die Jerrer die Rechte eines Dorgonen III. Klasse und dürften versklavt werden. Dies wird von der dorgonischen Bevölkerung gerne in Anspruch genommen, da die Eliten einen menschlichen Sklaven dem eines Nichtdorgonischen vorziehen.
Nach dem Sturz von Nersonos 1293 NGZ ändert sich alles. Die Jerrer erhalten ihre Gleichberechtigung und Freiheit.
1299 NGZ sympathisieren die Jerrer mit Decrusian und rufen ihn zum Kaiser auf. So fallen sie erneut in Ungnade beim dorgonischen Regime. Zwar sind sie keine Sklaven mehr, doch sie gelten als Rebellen und werden von loyalen Imperialen gemieden.
Jerrat ist der fünfte Planet des Jerron-Systems, 7.345 Lichtjahre vom Dorgoniasystem entfernt. Die blaue Sonne bewirkt eine Durchschnittstemperatur von 21,3 ° C auf dem Planeten mit den sechs großen Kontinenten. Der Rest wird von Wasser bzw. Inseln bedeckt. Die Gravoanzahl liegt bei genau 1 g. Die Stadt Jerrolem ist die Hauptstadt des Planeten mit insgesamt 2,2 Mrd Bewohnern. Knapp 136 Millionen leben in Jerrolem.
Jerrat ist außerdem die Zentralwelt des Protektorates Rosza. Sie wird 1292 NGZ von dem Princips Protector Antonus verwaltet. Der Titel "König der Jerrer" wird zwar an einen Jerrer vergeben, doch dieser übt keinerlei Macht aus.
1293 erhält Jerrat seine Unabhängigkeit. Die ehemalige Sklavin Saraah wird ab 1295 NGZ Preconsus von Jerrat und loyale Mitstreiterin von Kaiser Uleman bis zu seinem Tod 1299. Nachdem die Jerrer offen Decrusian im Machtkampf gegen Decrusian unterstützten, untersteht die Welt wieder einem Preconsus von Dorgon.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2016
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 68, veröffentlicht am 15.04.2016 —
Titelillustration: Jan Kauth • Innenillustrationen: Heiko Popp
Lektorat: Jürgen Freier • Digitale Formate: Christina Hacker