Band 64
Osiris-Zyklus
Die Geschichte eines uralten Volkes
Nils Hirseland & Björn Habben
Was bisher geschah Die Ereignisse des Jahres 1298 NGZ werden lange unvergessen bleiben. Denise Joorn entdeckte ein uraltes Geheimnis der terranischen Frühgeschichte und die Götter des alten Ägyptens erwachen zu neuem Leben. Zwischen den kemetischen Göttern und den Galaktikern kam es zu Missverständnissen und Konflikten, die jedoch inzwischen beigelegt worden sind. Doch Seth und Apophis rebellieren gegen Osiris und stehen mit einer Flotte von fast 500.000 Pyramidenschiffen im Sonnensystem. Sie fordern die bedingungslose Kapitulation. |
Hauptpersonen Osiris – Die Befreiung des kemetischen Gottes der Unterwelt bildet den Schlüssel zur Rettung Terras. Perry Rhodan – Der Unsterbliche setzt alles auf eine Karte. Seth und Apophis – Die abtrünnigen kemetischen Götter greifen nach der Macht. Denise Joorn und Stewart Landry – Die Archäologin und der TLD-Agent unterstützen Perry Rhodan. Anubis, Horus, Isis und Hathor – Die kemetischen Götter kämpfen Seite an Seite mit Perry Rhodan, um Osiris zu befreien. |
Die Wüste so unendlich heiß. Jeder Schritt brennt auf den Sohlen. Die Sonne sticht wie tausend Nadeln auf der ausgetrockneten Haut.
Weit und breit kein Wasser, kein Schattenplatz. Nichts als Sand, feiner oder grober, steiniger oder fester Sand. Kein Strauch, keine Palme. Kein Platz des Ausruhens. Die Wüste ist ein Ort, an dem man es sich nicht leisten kann, zu rasten.
Nahrung! Das Einzige, was Wüstenbewohner am Leben hält. Wo kann etwas sein? Unter diesem Stein? Oder unter jenem dort?
Die Sinnesorgane sind in alle Richtungen gestreckt in der vagen Hoffnung, doch noch etwas zu essen zu finden.
Doch die Hitze lähmt jeden logischen Gedanken. Nur der Instinkt kann weiterhelfen. Ein Instinkt, der bereits die Vorfahren vor Jahrtausenden getrieben hat. Der unbändige Wille zu überleben. Einfach nur leben. Nicht über den Sinn dieses Daseins nachdenken, sondern nur jagen, töten und fressen.
Da ist das Opfer! Ahnungslos geht es seinem Dasein nach. Es ist nicht anders, als das der anderen. Die Jagd, das Töten und das Fressen. Jeder macht es auf seine spezifische Art und Weise.
Es sucht zwischen zwei Steinen und buddelt im Sand. Ich muss mich langsam heranschleichen. Jedes Lüftchen, jede falsche Witterung könnte mich verraten. Saftig und gut genährt sieht es aus. Die Fühler gesenkt, völlig versunken im Suchen, präsentiert es sich mir als Tagesgericht.
Nur noch wenige Schritte. Ich spitze die Greifwerkzeuge und justiere meine gefährlichste Waffe, den Stachel an meinem Schwanz. Dann haste ich zu der fleischigen, fetten Beute und steche zu. Mein Gift neutralisiert es sofort. Es hat schon lange verloren, bevor dieser Kampf überhaupt begonnen hat.
Nun steht meinem Essen nichts mehr im Wege. Ich umkreise die gelähmte Beute mit einer Genugtuung, dann wird es plötzlich schattig. Es wird dunkel. Ich will die Beute schnappen, da sehe ich etwas von oben auf mich stürzen. Ich kann nicht mehr ausweichen – Schmerzen – vorbei!
Mist, ich bin auf etwas herauf getreten!«, fluchte Stewart Landry.
»Ein Skorpion«, stellte seine Partnerin nüchtern fest. »Du hast Glück gehabt, er hätte dich stechen können«, fügte sie mit einem neckischen Grinsen hinzu.
Landry war weniger zum Lachen zumute. Die Lage war mehr als ernst. Die gerade neu gewonnenen Freunde, die Kemeten, stellten nun erneut ein Problem dar. Nicht nur, dass dieses Volk voller Mystik und Geheimnisse war, nein, die restlichen unsterblichen Vertreter waren sich uneins.
Osiris und Anubis wurden von ihren argwöhnischen Gefährten Seth und Apophis, einst Geheimagenten der gleichnamigen Superintelligenz, von der Perry Rhodan noch ein Lied singen konnte, entführt und gefangen genommen. Irgendwie mussten sie die Kontrolle über die gewaltige Pyramidenflotte errungen haben und nun standen sie mit 445.000 Schlachtschiffen im Solsystem und drohten dieses zu vernichten.
Rhodan musste entweder die Erde in Seths Händen legen oder alles war verloren. Zurzeit tagte mal wieder eine Besprechung mit Rhodan, seinem Freund Reginald Bull, dem Minister für Äußeres Julian Tifflor und den kemetischen »Göttern« Isis, Horus und Hathor. Er und Denise Joorn waren derweil nach Ägypten gereist, weil es dort seltsame Todesfälle gekommen war und einige Augenzeugen von lebendigen Mumien sprachen.
Normalerweise schenkte der TLD solchen Dingen wenig Beachtung und lies den Fall durch die hiesige Polizei lösen, doch nach dem Auftauchen der Kemeten reagierte man etwas empfindlich auf Mumienstorys. Rhodan war der Meinung, dass Landry und Joorn der Sache auf den Grund gehen sollten. Er vermutete einen weiteren Angriff von Seth und Apophis dahinter.
Der TLD-Agent Landry glaubte, dass dieser Fall nur ein Abbild der Massenhysterie war, die zurzeit aufkam. Es war auch kein Wunder.
Die Macht, die hinter den Kemeten stand, war eindrucksvoll und niemand wusste eigentlich bis jetzt, woher die einstigen Götter des alten Ägyptens kamen. Nur hatte man inzwischen erfahren, dass sie das Leben und die Werte der Ägypter im pharaonischen Zeitalter sehr geprägt hatten. Sie hatten es sogar verstanden, sich vor Atlan gut zu verstecken.
Viele sahen sie als Gefahr und teilweise traf dies auch zu. Auch wenn Osiris und seine Familie edle Motive hatten, so waren sein Bruder Seth und dessen Komplize Apophis von abgrundtiefer Bosheit. Landry hatten schon mit vielen Verbrechern zu tun gehabt. Das personifizierte Böse gab es nicht. Die meisten Schurken hatten auch menschliche und liebevolle Seiten. Oftmals waren sie jedoch von Habgier verblendet worden.
Was Landry über Seth und Apophis gelesen hatte, stimmte ihn jedoch nachdenklich, ob wirklich irgendwelche guten Seiten in den beiden schlummerten. Apophis wurde von den alten Ägyptern als eine Art Teufel gefürchtet. Er wurde nur von dem Volk der Hyksos als Gott verehrt, die die Feinde der Ägypter waren.
Denise vermutete dahinter einen Angriff des kemetischen Apophis, der das Volk der Hyksos beeinflusste, damit sie gegen die verhassten Ägypter und ihre Götter vorgehen konnten. Viel wussten sie jedoch noch nicht über Apophis, außer den Erzählungen aus den bekannten Geschichtsbüchern.
Stewart Landry rief sich die Erzählungen Denises über den Schlangengott ins Gedächtnis:
In der Vorstellung der alten Ägypter war die Sonne ein Erscheinungsbild des Gottes Re. In Manezet, der Tagesbarke, glitt er bei Tag über den Himmel, in Mesektet, der Nachtbarke, fuhr er nachts durch die Unterwelt. Die Nacht war in der ägyptischen Vorstellung mit dem Jenseits verknüpft und der Sonnenaufgang am Morgen wurde gleichgesetzt mit der Neugeburt der Sonne. Die Fahrt durch die Gefilde des Jenseits lief nicht gefahrlos ab. In der sechsten Nachtstunde lauerte Apophis der Barke auf. Er gefährdete die Weiterfahrt von Re und damit auch den Sonnenaufgang. Da ohne Sonne kein Bestand der Welt möglich ist, war diese Gefahr also existenziell. Verschiedene andere Texte beinhalten abweichende Erscheinungszeiten des Apophis, so taucht er in der zehnten Stunde der Nacht auf oder bei Sonnenunter- und Sonnenaufgang. Die Abend- bzw. Morgenröte wurde dabei als vergossenes Blut des Apophis interpretiert.
Das Unterweltsbuch Amduat beschrieb Apophis, den Schlangendämon, »auf einem Landrücken, der 450 Ellen lang ist, und den er mit seinen Windungen ausfüllt«. In anderen Texten wurden die Windungen der Schlange Apophis mit den Sandbänken gleichgesetzt. Da Apophis das ganze Wasser ausgetrunken hatte, konnte die Barke ihre Fahrt nicht fortsetzen.
In diesen schwierigen Zeiten standen Re verschiedene Helfer zur Seite. Seth, seinerseits Verkörperung für das Böse, war der Einzige, der Re vor Apophis schützen konnte. Er bezwang Apophis zwar Nacht für Nacht, aber er konnte ihn nie ganz vernichten. Abdu- und Chromisfische schwammen neben der Barke her und warnten frühzeitig vor dem Auftauchen des Dämons. Außerdem existierten eine Menge Gebete, die zum Schutz von Re gesprochen wurden und in Karnak mussten täglich Sprüche rezitiert werden.
Als Vorbild für Apophis diente wahrscheinlich die Pythonschlange, die in frühen Zeiten im Nildelta lebte. In seltenen Fällen wurde Apophis als Drache bezeichnet oder als Gott erwähnt.
Denise gab Landry einen leichten Hieb in die Rippen. Sie merkte anscheinend, dass er in Gedanken versunken war und gar nicht das Ankommen des Polizeichefs von Kairo registriert hatte.
Dem fülligen Mann lief der Schweiß von der Stirn. Das kakifarbende Hemd war durchtränkt von seinem Schweiß. Die hastig zusammengebundene Krawatte und das wirre Haar ließen darauf schließen, dass dieser Polizeichef ein hektischer Mensch war.
Während Landry ihn noch weiter analysierte, begrüßte ihn Denise Joorn freundlich. Die Hand von Ali-Abdul Muscharra war ebenso nass, wie der Rest seines Körpers. Denise musste sich beherrschen, nicht einen Laut des Ekels von sich zu geben. Doch ihre guten Manieren hielten sie davon ab. Auch wenn zuweilen einige ihrer Gegner behaupteten, dass Denise keine Manieren hätte.
»Ich freue mich, Sie zu treffen«, brummte der feiste Terraner. »Wir hatten gestern Nacht siebzehn Todesfälle. Ein komplettes archäologisches Ausgrabungsteam in Abu-Roasch!«
Muscharra führte sie in sein Büro. Es war spärlich eingerichtet und erinnerte wenig an das heutige Jahrhundert. Nur der syntronisch-positronische Rechner verriet das Zeitalter. Ansonsten lagen viele Berichte in Papierform, Akten und Müll herum.
»Sehr gemütlich«, murmelte Landry.
»Ja, ich habe heute extra aufgeräumt«, erklärte der Polizeichef stolz.
Denise fand unter einem Haufen Papier einen Stuhl. Bevor sie sich setzte, entfernte sie jedoch die Überreste einer Pizza, die aussah, als sei sie das letzte Mahl von Baumeister Imhotep gewesen.
»Nun erklären Sie uns bitte, was genau vorgefallen ist. Was haben die Untersuchungen der Polizei ergeben?«, erkundigte sich Landry.
Muscharra seufzte laut. Er ließ sich in seinen Sessel fallen und stieß mehrmals auf. Nach einigen weiteren Klagelauten begann er endlich zu erzählen: »Gestern Nacht brach der Kontakt zu einem gatasischen Archäologen Team ab. Sie meinten, sie hätten einige bedeutende Funde nahe Abu-Roasch gemacht.«
Denise überlegte eine Weile, was sie über die Region Abu-Roasch wusste. Sie lag etwa neun Kilometer von Gizeh entfernt und das bekannteste Grab war wohl die Pyramide des Königs Djedefré, dem Sohn des legendären Chufu.
Der Polizist berichtete weiter: »Nun, gestern Nacht wollten sie sich bei der Behörde für Altertumsforschung melden. Das ist eine Routinesache. Stammt noch aus der Zeit von Kawai Muhalla.«
Stewart und Denise seufzten gleichzeitig, als sie diesen Namen hörten.
»Wie dem auch sei. Die Behörde schickte ein paar Leute hin, die nur noch ein verwüstetes Lager und die Reste eines Menschen vorfanden. Dann wurden wir informiert. Wir entdeckten einen Überlebenden in den Ruinen eines Tempels. Er redete nur wirres Zeug.«
»Bringen Sie uns zu ihm!«, forderte Landry.
Die Drei machten sich sogleich auf den Weg nach Abu-Roasch. Per Transmitter dauerte die Reise nur wenige Sekunden.
Um das vernichtete Lager herum wurden etliche Absperrungen aufgebaut. Ein kleines Polizeilager und eine Krankenstation waren provisorisch errichtet worden.
Muscharra brachte die beiden in das Krankenlager. Dort lag ein völlig verängstigter Ägypter. In seinen Augen standen Furcht und Panik.
Denise beugte sich über ihn und versuchte ihn anzusprechen.
Muscharra kratzte sich am Hinterkopf und schüttelte das Haupt. Er signalisierte damit, wie nutzlos dieser Versuch sei. Doch Denise hatte Erfolg. Sie konnte den Ägypter erreichen.
»Was ist dort passiert?«, fragte sie.
»Mumie! Mumien! Die Prinzessin und ihr Fluch. Sie töten uns alle! Alle! Wir sind tot!«, brüllte der Mann, bevor er anfing zu weinen.
Viel konnten sie wirklich nicht mehr aus ihm heraus bekommen.
Denise ließ von ihm ab und machte eine ratlose Geste.
»Ich sagte Ihnen ja, dass dies wenig bringt. Wir tappen völlig im Dunkeln«, erklärte der Polizeichef und seufzte kurz danach.
»Woran haben die Gataser gearbeitet?«, wollte Landry wissen.
»Welche Grabungsstelle möchten wir wissen«, spezifizierte die junge Archäologin Landrys Frage.
Ali-Abdul Muscharra blickte sie entgeistert an. Dann kramte er ein paar Unterlagen aus einer Kiste heraus und überreichte sie ihnen.
Die Arbeitsmethoden der ägyptischen Polizei lassen eindeutig zu wünschen übrig, dachte Landry.
Denise nahm die Unterlagen und las sie durch. »Demnach haben sie ein neues Grab etwa dreihundert Meter von der Pyramide des Djedefré entdeckt. Gestern Abend wollten sie es genauer untersuchen. Anscheinend haben sie etwas gefunden …«
Denise warf einen bedeutungsvollen Blick auf den armen Ägypter, der immer noch von einer Mumie schrie.
Die Besprechung ging gerade zu Ende. Perry Rhodan blickte aus dem Fenster seines Büros und überblickte die ganze Stadt.
Sie mussten einige Entscheidungen treffen, um den Planeten vor Apophis und den über vierhunderttausend Schlachtschiffen zu beschützen.
Isis, Horus und Hathor hatten auch bereits einen Plan. Die terranische Technik war der kemetischen Technologie weit unterlegen. Zwar wollten Horus und Isis nicht unbedingt etwas über die UTRANS-Technologie verraten, doch sie machten Rhodan klar, dass es kaum Möglichkeiten gab, ein Schiff mit UTRANS-Technik zu vernichten. Es war unmöglich, 445.000 Schlachtschiffe mit weniger Einheiten und einer unterlegenen Technik zu besiegen.
Es gab nur eine Lösung: Die Pyramidenflotte musste wieder unter den Befehl von Osiris gestellt werden. Der Gott der Unterwelt und der Fruchtbarkeit musste auf Kemet befreit werden. Nur dann hatten sie eine wirkliche Chance.
Horus hatte bereits auch einen Plan. Sie hatten vor, die kemetische Station unterhalb des Museums Memphis aufzusuchen, um die Transmitterverbindung nach Kemet oder Seshur zu nutzen. Von dort aus sollte eine kleine Gruppe Osiris und Anubis befreien. Sie mussten sich »nur« gegen die Shak'Arit-Roboter durchsetzen, da sich außer Seth und den beiden Gefangenen kein organisches Lebewesen auf Kemet befand.
Horus, Isis, Perry Rhodan, Stewart Landry und Denise Joorn sollten dieses Kommando bilden. Reginald Bull und Hathor sollten es vor Ort mit Apophis aufnehmen, oder zumindest versuchen, ihn aufzuhalten.
Rhodan wanderte in seinem Arbeitszimmer umher und blickte seinen Freund Reginald Bull an. Die Freundschaft zwischen beiden währte nun schon mehr als dreitausend Jahre. Eine Zeitspanne, die vielleicht nur die Kemeten nachvollziehen konnten.
Sie hatten schon einiges von ihrer Kultur erfahren, jedoch meist nur über ihre Zeit auf der Erde. Wenig über die Zeit davor.
»Wieder einmal eine verzwickte Lage«, murmelte Bull.
Rhodan nickte schwach. »Wir informieren Joorn und Landry innerhalb der nächsten halben Stunde. Horus schlägt vor, Apophis einige Tage hinzuhalten. Ich werde eine Kapitulation vortäuschen, die in den nächsten Tagen vollzogen wird.«
»Ob diese Schlange darauf eingeht?«, stellte Bull in den Raum.
Rhodan wusste es nicht. Wieder einmal hing viel von Glück und Zufällen ab. Würde Apophis in einem Anfall von Überheblichkeit tatsächlich auf die Kapitulation eingehen und den Terranern eine Frist von 48 Stunden zwecks administrativer Arbeiten zur vollständigen Unterwerfung ihres Volkes akzeptieren, hatten sie Zeit gewonnen. Doch es stand auch noch offen, ob Apophis dieser Finte überhaupt Glauben schenken würde.
»Hathor wird dich unterstützen, alter Freund. Mit ihrem Wissen können unsere Wissenschaftler vielleicht Schwachstellen in der UTRANS-Technologie finden. Ich hoffe, dass unsere neuen Freunde mit offenen Karten spielen.«
»Ich denke schon, Perry! Diese Hathor ist nicht nur hübsch, sondern auch ehrlich. Ob sie wohl auf jüngere Männer steht?«, scherzte Bull.
Rhodan schmunzelte. Ihn überraschte es etwas, dass ausgerechnet der sonst so misstrauische Bully den Kemeten vertraute. Vielleicht besaß seine ironische Aussage aber auch einen Kern Wahrheit. Er schien diese Hathor sehr zu mögen.
Rhodan schüttelte den Gedanken ab. Bull konnte sich später Hathor widmen. Jetzt mussten sie gegen Seth und Apophis kämpfen.
Rhodan ging zu seinem Schreibtisch und wies die Funkleitzentrale der Solaren Residenz an, eine Funkverbindung zur Invasionsflotte herzustellen. Es dauerte nicht lange, bis die Holografie des Schlangenwesens Apophis zu sehen war.
Die mächtige Gestalt verschränkte ihre beiden Armpaare vor der Brust und dem Bauch. Es schien so, als würde Apophis amüsiert über den Funkruf Rhodans sein.
»Apophis!« Rhodan fielen diese Worte schwer. »Wir protestieren immer noch gegen diesen schändlichen Angriff. Doch ich sehe keine Lösung in diesem Krieg als unsere Kapitulation. Nur so kann ich mein Volk vor dem Untergang retten.«
Apophis starrte ihn geheimnisvoll an. »So leicht machst du es mir? Ich bin enttäuscht. Ich habe gehört, dass du ein großer Krieger wärst und die Terraner eher sterben würden, anstelle aufzugeben.«
Rhodan biss sich auf die Lippe. Hätte er die Möglichkeit gehabt, hätte er mit allem, was er hatte gegen Apophis gekämpft. Doch Rhodan war kein Narr. Er wollte nicht Leben umsonst opfern. Die Situation erforderte einen geschickten Schachzug, um den Gegner zu besiegen und kein Säbelrasseln.
»Das Leben meines Volkes ist mir mehr wert als Machtansprüche oder sinnloser Stolz«, antwortete Rhodan bedrohlich. »Wir haben schon oft Besetzer nach vielen Jahren oder sogar Jahrhunderten vertrieben. Sieh das als einen vorläufigen Triumph an.«
Apophis zischte vor Lachen. Er unterschätzte Perry Rhodan gewaltig. Sie hatten ihn richtig eingeschätzt. Überheblich und arrogant. Er stammte aus einer Zeit, in der es wenig ernst zu nehmende Gegner gab und vor allem nicht die Terraner.
»Gut, Rhodan! Bereite dich auf die Besetzung vor!«, befahl Apophis.
»Gewährt mir eine Bitte.«
Apophis blickte den Terraner voll Misstrauen an.
»Ich möchte die Menschen auf die Besetzung vorbereiten. Gebt mir fünf Tage, damit ich alle Politiker und Bürger seelisch auf deine Herrschaft vorbereiten kann.«
Apophis verharrte in einer bedrohlichen Pose. Seine Zunge schnellte sekündlich aus dem Mund. Die Augen strahlten tödliche Kälte aus. Rhodans Augen versuchten die seinen zu erforschen, ohne Erfolg.
Dann endlich sprach der Kemete: »Zwei Tage. Keine Sekunde länger. Ich erwarte, mit allen Ehren eines Gottkönigs empfangen zu werden. Allein dafür gewähre ich euch zwei Tage. Und wehe, die Zeremonie wird mir nicht gefallen!«
Apophis beendete die Verbindung.
Sie wird dir nicht gefallen, du Natter!, dachte Rhodan und schmunzelte. Der erste diplomatische Zug war ein voller Erfolg. Nun mussten sie jedoch noch Osiris und Anubis befreien, um mit ihrer Hilfe die Pyramidenschiffe wieder unter Kontrolle zu bringen. Und dies war eindeutig der schwierigere Part in diesem Krieg.
Denise Joorn studierte die Berichte des gatasischen Wissenschaftlerteams. Sie hatten nahe der Pyramide des Djedefré eine Grabkammer entdeckt, die jedoch aus der zweiten Zwischenzeit zu kommen schienen. Denise erinnerte sich an die Besetzung durch die Hyksos, den Heka-Chasut. Diese Wörter bedeuteten so viel wie »Fremde aus dem fernen Land«. Sie stammten aus den heutigen Bundesstaaten Palästina und Israel. Schleichend fand ihre Besetzung des mittleren Pharaonenreiches statt. Schließlich wurden sie von Ahmose vertrieben und besiegt.
Denise suchte Landry auf und erzählte ihm von dem Grab. Sie wollte natürlich sofort die Fundstelle untersuchen, doch Landry erinnerte sich schmerzhaft noch an den letzten Besuch einer altägyptischen Stätte, die für ihn mit schweren Verletzungen endete.
Als Agent wusste er jedoch, dass kein Weg an der Fundstelle vorbei führte. Sie befanden sich in einer Sackgasse, denn die Untersuchungen der Leichen hatte auch nicht viel ergeben. Nur so viel, dass sie durch bloße Hände starben. Die Opfer wurden zumeist erwürgt oder wiesen schwere Prellungen und Brüche auf.
Landry überlegte, welches Wesen so eine große Kraft besaß. Er kam nur auf umweltangepasste Terraner, wie Epsaler, Ertruser oder Oxtorner. Oder natürlich Haluter und dergleichen. Jedoch glaubte er durchaus an weitere Überraschungen aus dem Volk der Kemeten. Anubis strotzte nur so vor Kraft.
Joorn hatte inzwischen ihre Ausrüstung zusammen und sie flogen mit einem Gleiter nach Abu-Roasch. Der kühle Fahrtwind sorgte für etwas Erfrischung bei der sonst so heißen und stickigen Luft Ägyptens.
Nach nur zwanzig Minuten erreichten sie das Gebiet. Alte Tempel und Pyramidenruinen zierten diese Gegend außerhalb der Millionenmetropole Kairo. Denise sprang energiegeladen aus dem Gleiter und nahm ihre Tasche.
»Auf ans Werk!«, forderte sie Landry auf.
Sie war wieder in ihrem Element. Buddeln und Forschen. Dies ließ Denises Herz erhellen. Kein Candle-Light-Dinner oder ein romantisches Picknick. Wenn Landry je versuchen wollte, die Gunst dieser Frau zu erwerben, sollte er sie mit Spitzhacke und einem verschimmelten Grab überraschen.
Landry blickte ihr eine Weile hinterher. Diese Frau war sich nicht bewusst, wie verdammt attraktiv sie war. Sie trug ein bauchfreies Oberteil und kurze, eng anliegende Hosen. Um ihre Hüfte war ein Gürtel mit allerlei Werkzeug und zwei Nadlerstrahlern geschnallt. Ihr langes Haar hatte sie zusammen geflochten.
Der Agent stieß einen leisen Pfiff der Begeisterung aus, bevor er aus dem Gleiter stieg und seine Waffe entsicherte. Er erwartete in jeder Sekunde einen Angriff.
Denise ging achtloser vor. Sie lief in den Eingang und trat die Gittertür auf. Der schmale Weg führte sie einige Meter in die Tiefe, bevor sie an einer zweiten Sperrgittertür stoppten. Neben den üblichen Warnschildern, dass hier eine archäologische Ausgrabung stattfand, entdeckten sie nichts.
»Deine Sicherheitsleute waren hier auch?«
»Ja«, antwortete Landry knapp. »Sie haben aber nichts gefunden. Die unteren Anlagen haben sie jedoch nicht untersucht. Das ist nun unsere Aufgabe.«
»Gut«, lächelte sie und öffnete die zweite Tür, die ein unschönes Knarren von sich gab.
Je weiter sie in den Gang hinein liefen, desto spärlicher wurde die Beleuchtung. Landry aktivierte über Funk zwei Leuchtroboter im Gleiter, die nur wenige Sekunden später anschwebten und Licht spendeten.
Denise las sich die Inschriften an den Wänden durch. Sie erklärte Landry, dass neben den üblichen Totentexten und Flüchen von einer Prinzessin gesprochen wurde. Sie lebte während der zweiten Zwischenzeit, jener Zeit, als die Hyksos über das schwarze Land regierten.
»Nepher-Merit war ihr Name.« Denise stockte, denn sie glaubte kaum, was dort stand. »Große königliche Gemahlin des Gottes aller Götter Apophis. Tochter des Amun, Gemahlin des Herrn aller Hyksos, des Dieners der großen Entität Seth-Apophis und Beherrscher dieser Welt.«
Landry pfiff laut. Er wusste, dass diese Informationen jede Menge wert waren. Die Kemeten waren voller Geheimnisse. Es schien nicht enden zu wollen.
»Ich frage mich, ob sie eine symbolische Gemahlin von Apophis war, oder ob mehr dahinter steckt«, wunderte sich Joorn.
Landry begriff nun, welch interessanten Fund die Wissenschaftler gemacht hatten. Deshalb mussten sie wahrscheinlich sterben. Doch wer war ihr Mörder? Kawai Muhalla kam nicht mehr infrage. Gab es noch weitere Anhänger seiner Organisation, die ohne seine Führung versuchten, zu verbergen, was es noch zu verbergen gab?
»Gehen wir weiter«, forderte Denise ihren Begleiter auf.
Sie gelangten an eine Wand mit Insignien des Pharaos Ahmose I. Denise erklärte dem TLD-Agenten, dass Ahmose I. die Hyksos besiegt hatte und ein für alle Mal aus Ägypten geworfen hatte. Demnach stammte dieses Grab aus den letzten Tagen der Hyksosherrschaft oder bereits aus einer Zeit danach.
Denise übersetzte die Texte: »Jeder ist des Todes, wenn er diese Grabkammer betritt. Dies ist kein Fluch des großen Reichseinigers Ahmose, sondern eine Warnung des göttlichen Pharaos. Hier lauert die Brut des Apophis. Einst gebannt von Horus und Anubis sollen sie hier für immer gefangen sein. Bewahre die Ruhe dieser Stätte, denn sonst wird schreckliches Unheil über Kemet hereinbrechen und die Herrschaft des Apophis mag sich wiederholen.«
»Klingt nicht sehr einladend«, meinte Landry.
»Haben wir jemals darauf Rücksicht genommen?«, erwiderte Denise mit einem Schmunzeln und holte einen kleinen Laser aus ihrer Tasche, mit dem sie sauber die Versiegelungen durchtrennte.
Mühevoll versuchte sie die Tür aufzuschieben, brach den Versuch jedoch ab und blickte Landry auffordernd an. Dieser schmunzelte und freute sich über die kleine Genugtuung, dass diese Frau auch einmal Hilfe brauchte.
Gemeinsam schafften sie es, die Tür zu öffnen. Denise blickte kurz an die Wand neben der Tür und stellte fest, dass dort bereits ein Loch war. Sie ließ von der Tür ab und fühlte sich wie ein Vollidiot. Die Forscher hatten auf Umweg bereits einen Zugang zu der Kammer geschaffen. Landry konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
Schweigend ging Denise durch die Tür und beachtete den zweiten Eingang nicht mehr. Die Lichtroboter folgten ihr und erhellten die Grabkammer.
»Der Sarkophag!«, rief Landry und deutete auf den verschobenen Deckel.
Denise eilte zum Sarg und untersuchte ihn. »Das Grab dieser Nepher-Merit«
Sie schob den Deckel weiter beiseite und hob die Totenmaske von der Mumie. Sie erschreckte und wich zurück. Die Augen der Prinzessin starrten sie an. Sie wirkten unheimlich lebendig. Denise überwand ihre anfängliche Furcht und untersuchte den Leichnam. Er war sehr gut erhalten. Die Bandagen waren zwar teilweise abgefallen, doch die ledrige Haut befand sich in hervorragendem Zustand.
»Ich möchte die Mumie mitnehmen«, erklärte Joorn.
Landry widersprach nicht. Er gab via Interkom einen Befehl an ein paar Agenten, die ebenfalls in die Grabkammer kamen und das mitnahmen, was Denise wollte.
»Irgendetwas stimmt nicht mit der Mumie. In so einem guten Zustand kann keine Mumie mehr sein.«
Landry verstand davon nichts, also schenkte er Denise Glauben.
Während sie noch am Verfrachten des Sarges waren, summte Landrys Interkom auf. Perry Rhodan höchstpersönlich war dran. Er befahl Landry fünf seiner besten Leute für das Himmelfahrtskommando auszuwählen und äußerte den Wunsch, dass Landry ebenfalls daran teilnehmen sollte.
Denise war nicht davon begeistert, doch sie wusste, dass seine Arbeit hier getan war. Sie musste jetzt wieder forschen, um das Geheimnis der Mumie zu lüften. Allerdings fürchtete sie, dass sie Landry niemals mehr wiedersah. Langsam gewöhnte sie sich an seine Nähe. Stewart Landry verabschiedete sich kurz, dann machte er sich auf den Weg nach Terrania City.
Zurück blieb Joorn in einer ausgeräumten Grabkammer. Sie musste an die Warnung des Ahmose denken. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Dann verließ auch sie die Kammer und bekam nicht mehr mit, wie sich eine unbekannte Tür öffnete.
Nur wenige Stunden später traf Landry mit fünf der besten TLD-Agenten im Freilichtmuseum von Memphis ein. Eine Space-Jet stand dort ebenfalls. Landry erkannte Perry Rhodan, Horus und Isis.
»Können wir diesem Vogel und der Braut trauen?«, erkundigte sich einer seiner Begleiter mürrisch. Der Terraner mittleren Alters trug einen Dreitagebart und seine Uniform war mit Waffen gespickt.
»Sergeant Travis, wir haben keine andere Wahl«, erklärte Landry. Er fand die Frage jedoch berechtigt, denn er wusste die Kemeten auch nicht genau einzuschätzen. Was war, wenn Osiris Rhodan in eine Falle lockte, um sich seiner endlich habhaft zu werden? Niemand konnte dies ausschließen.
Er schüttelte diesen Gedanken ab. Wenn er an den Sinn seiner Mission zweifelte, konnte er sie nicht erfolgreich beenden.
Rhodan grüßte Landry und die fünf anderen. Der TLD-Agent stellte seine Mannschaft vor. Es waren Mitglieder des Sondereinsatzkommandos »Ghost Reacon«. Zuerst stellte Landry den Kommandanten der kleinen aber gefährlichen Einheit vor. Leutnant Karmin Pollvan, geboren auf Oxtorne, salutierte vor Rhodan. Er machte nicht den Eindruck, als ob man ihm einen Galax anvertrauen konnte, doch Landry erklärte, dass der Oxtorner ein guter Taktiker wäre und seine Stärken besonders im Nahkampf lagen.
Sergeant Gus Travis war Scharfschütze.
Die Aufgabe des noch recht jungen Terraners Dillon Sparks bestand in der Technik und im Sprengstoff. Sparks machte im Gegensatz zu dem Kaugummi kauenden Ertruser Wisrus einen freundlichen Eindruck.
Wisrus salutierte grunzend vor Rhodan.
Das fünfte Mitglied hielt Rhodan ebenfalls für einen Mann, war jedoch froh, dies nicht offen ausgesprochen zu haben, als Landry das Mitglied Jajira Molokon vorstellte. Die Ertruserin erinnerte keineswegs an eine Frau, sondern eher an einen terranischen Bodybuilder. Ihr maskulines Gesicht und die kurz geschorenen Haare untermalten dieses Bild. Unteroffizier Jajira Molokon war wie ihr Artgenosse Wisrus für das Grobe zuständig.
Landry erzählte, dass alle fünf früher im Militär gedient hatten und während der Kämpfe gegen die Tolkander einige Auszeichnungen erhielten. Später wurden sie als Mitglieder einer geheimen Spezialgruppe vom TLD angeworben.
»Meine Herren … meine Dame«, begrüßte Rhodan das Team. »Sie sind auf einer äußerst heiklen und wichtigen Mission. Ziel ist das Erreichen des Planeten Kemets über ein Transmittersystem der Kemeten. Dort müssen wir Osiris und Anubis suchen und befreien. Nur mit ihrer Hilfe kann die Pyramidenschiffflotte deaktiviert werden!«
»Sir, ja, Sir!«, brüllten die Fünf aus einer Kehle.
Rhodan nickte schwach. Er gab Horus und Isis ein Zeichen. Der hochgewachsene Falkenmann setzte sich in Bewegung und führte die anderen acht in die geheime Station der Kemeten. Die Station war noch sehr gut erhalten und wurde von drei Shak'Arit-Robotern bewacht, die nicht mit dem Zentralrechner der CHEPRI verbunden waren. Daher hatte Apophis keine Kontrolle über sie.
Wisrus zuckte seine Waffe und musterte die Roboter kritisch. Dann steckte er zwei Projektilmagazine und drei Sprengköpfe in seine Waffe, die 135 Zentimeter lang war und siebzehn Kilogramm wog.
Rhodan blickte ihn vorwurfsvoll an.
»Sir, mein Baby pustet die Hunde in tausend Stücke, wenn sie falsch knurren«, grollte der Ertruser mit einem seltsamen Grinsen.
Horus blieb plötzlich stehen, drehte sich ruckartig herum und packte die Waffe. Während er an ihr zog, glitt er auf sein Gesäß und stieß seine Beine in die des Ertrusers. Brüllend krachte der umweltangepasste Terraner auf den Boden.
Horus sprang auf und hielt die erbeutete Waffe hoch. »Du solltest deine Waffe beherrschen, Ertruser.«
Wütend sprang Wisrus auf und wollte Horus packen, doch Leutnant Pollvan hielt ihn zurück.
»Ich töte die blöde Sau! Das macht er nicht noch einmal. Der alte Mistkerl ist tot. Ich lass mich von dem doch nicht …«
»Es ist genug!«, brüllte Rhodan.
Der Ertruser ließ noch einige Fäkalausdrücke aus dem sexuellen Bereich los, bevor er sich beruhigte. Horus warf ihm die Waffe zu. Er wusste, dass er das Kräftemessen gewonnen hatte. Ab und zu mussten die manchmal sehr überheblich wirkenden Terraner wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.
»Pass das nächste Mal besser auf deine Waffe auf, Korporal«, meckerte Leutnant Karmin Pollvan. Der Ertruser grunzte mürrisch und nickte schließlich.
Isis hatte inzwischen den Transmitter aktiviert. »Wenn die erlauchten Herren nun die Güte hätten, ihr Sandkastenkräftemessen zu beenden und sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren?«
Keiner sagte mehr ein Wort. Auch Horus fühlte sich plötzlich schuldig. Er sah ein, wie dumm seine Aktion eigentlich war. Zumindest auf den zweiten Blick, denn es sorgte nicht für ein besseres Klima zwischen Terranern und Kemeten.
Die Transmitterverbindung stand nun. Isis blickte Rhodan fragend an. Der Terranische Resident war immer wieder von ihrer Schönheit beeindruckt, ohne sie wirklich zu begehren. Sie war einfach nur wunderschön und strahlte Wärme und Güte aus. Rhodan verstand, warum sie oftmals als Mutter der Kemeten bezeichnet wurde. Genau dieses Gefühl gab sie jedem Wesen.
»Korporal Wisrus und Unteroffizier Molokon bilden die Vorhut«, kommandierte Leutnant Pollvan. »Der Sarge dahinter. Dann die vier VIPs. Sparks und ich bilden die Nachhut.«
Die beiden Ertruser entluden ihre Waffen und rannten durch den Transmitter. Rhodan, Horus, Isis und Landry folgten ihnen kurz, nachdem Sergeant Gus Travis durch den Transmitter stieg. Pollvan und Sparks warfen sich noch einen kurzen Blick zu, dann sprangen auch sie hinein ins Ungewisse.
Gelände sichern!«, brüllte Sergeant Travis.
Molokon und Wisrus deckten die rechte und linke Flanke. Der Sarge selbst stand mit seinem Sniper in der Mitte und checkte das unmittelbare Areal ab.
Leutnant Pollvan und Korporal Sparks postierten sich links und rechts neben dem Sergeant und richteten die Waffen nach vorne.
»Keine Lebewesen weit und breit«, berichtete Sparks nach erfolgreichem Scan der Gegend.
Horus klackerte mit dem Schnabel. »Das ist auch kein Wunder. Wir sind noch nicht auf Kemet, sondern auf einer Zwischenstation auf Seshur. Seth wird sämtliche ihm bekannten Transmitterverbindungen auf Kemet deaktiviert haben.«
»Und wie kommen wir nach Kemet?«, wunderte sich Rhodan.
»Nun, wir haben auch Transmitterhallen, die Seth und Apophis nicht kennen. Schon oftmals hat er uns verraten. Deshalb haben auch wir unsere Vorkehrungen getroffen. Von hier aus können wir einen geheimen Transmitter nahe der Amun-Pyramide einschalten.«
Während Horus noch diese Worte sprach, hatte Isis sich bei dem Zentralcomputer identifiziert und den Aktivierungsprozess eingeleitet.
»Warum haben Sie uns nicht über diesen Zwischenstopp informiert?«, fragte Leutnant Karmin Pollvan barsch.
»Du hast mich nicht gefragt, Terraner«, gab Horus ebenso barsch zurück.
Der sonst so freundliche Horus mochte diesen Oxtorner ganz und gar nicht. Er schien keinen der fünf Spezialagenten zu leiden. Keine gute Voraussetzung für ein Unternehmen. Rhodan jedoch vertraute Landrys Auswahl. Sicherlich waren sie gute und harte Kämpfer, doch ihr Ego störte auch den Unsterblichen.
»Ich bin für die Sicherheit zuständig. Das Militär muss darüber informiert werden. Sie sind ein unerfahrener Zivilist. Überlassen Sie solche Entscheidungen den Experten«, wies der Oxtorner den unsterblichen Kemeten zurecht.
Horus stellte sich vor Pollvan und schien ihn mit seinen Augen zu durchdringen. »Ich habe schon Feldzüge befehligt, als deine Vorfahren mit Keulen ihre Schädel gespalten haben. Verschone mich mit diesem arroganten Gehabe.«
Damit war die Angelegenheit für Horus erledigt. Er lief zielstrebig durch den Transmitter. Isis und Rhodan folgten ihm. Landry bedachte Leutnant Pollvan mit einem strengen Blick, dann befahl er seinen Leuten mitzukommen.
Die nächste Etappe setzte sie auf Kemet ab. Die beiden Ertruser sicherten den Raum ab, während Dillon Sparks die Gegend scannte.
Der Raum erschien in einem bläulichen Licht. Die Wände schienen aus weißem Stein zu sein. Sie waren glatt. Das war also das Innere der Amun-Pyramide.
»Nun?«, wollte Rhodan wissen.
»Sir, die Gegend ist sauber, Sir.«
Im nächsten Moment revidierte er seine Aussage. Die Augen des jungen Terraners weiteten sich.
»Da kommen jede Menge künstliche Wesen auf uns zu. Mindestens drei Dutzend«, berichtete er aufgeregt.
»Shak'Arit-Roboter. Seth hat uns bereits entdeckt«, teilte Isis besorgt mit.
Wenige Sekunden später betraten in Zweierreihen etwa zwei Dutzend Shak'Arit-Roboter den Raum. Leutnant Pollvan brüllte ein paar Kommandos und die Hölle brach los. Mit lautem Geschrei stürmten Pollvan, Wisrus und Molokon auf die Angreifer und schossen auf sie. Die anderen verschanzten sich hinter dem Transmitter.
Rhodan konnte durch den Rauch nicht erkennen, wie der Kampf stand. Er konnte auch keinen Gegner erkennen. Im Gegensatz zu Gus Travis. Der Sergeant visierte die gegnerischen Shak'Arit-Roboter an und schoss. Visierte erneut. Schuss! Innerhalb von Sekunden wiederholte er fünfmal die Schussserie. Wie eine Maschine killte er die Roboter. Die Schüsse hörten auf und der Rauch lichtete sich langsam.
Wisrus blutete am Arm und auch Molokon hatte eine klaffende Wunde. Pollvan war in Ordnung, die Shak'Arit vernichtet.
»Beeindruckend«, lobte Horus und ging weiter. »Doch das war nur der Anfang. Sparks versuche, die Lebensimpulse meines Vaters und meines Bruders zu lokalisieren. Wir müssen uns beeilen, bevor ganze Garnisonen von Shak'Arit uns angreifen.«
Leutnant Pollvan schlug vor, überall atomare Sprengsätze zu befestigen, um später damit Shak'Arit-Roboter in die Falle zu locken. Rhodan staunte über die fehlende Weitsicht des Agenten, dem man seine militärische Laufbahn noch sehr anmerkte. Sieg um jeden Preis. Rhodan maßregelte Pollvan. Die Kemeten wären Verbündete und man wolle keine dauerhaften Schäden anrichten.
Isis dankte es Rhodan.
»Ich hab die beiden!«, rief Sparks. »Sie sind in einem Tempel der Amun-Pyramide.«
»Udjats Tempel. Einer der am besten abgesicherten Bereiche unseres Planeten«, erklärte der Falkengott Horus.
Rhodan hatte nichts anderes erwartet. »Wir haben keine andere Wahl. Holen wir Osiris und Anubis da heraus.«
Reginald Bull lief unruhig durch den großen leeren Besprechungsraum in der Solaren Residenz. Er war körperlich und auch geistig in diesem Moment allein. Seine Gedanken streiften durch so viele Themen. Die Gefahr durch Apophis und der Pyramidenflotte, wie er sich bildlich vorstellen konnte, dass ihr Erzfeind Imperator Bostich sich die Hände rieb und dann war da noch seine Zuneigung zu der Kemetin Hathor.
Er mochte sie aufrichtig. Und Hathor schien auch ihn zu mögen. Zudem trug auch sie einen Zellaktivator. Waren das nicht gute Voraussetzungen für eine Beziehung zwischen diesen beiden Wesen?
Bully sehnte den Sieg gegen Apophis herbei. Er beschloss, Hathor dann genauer kennenzulernen.
Bully starrte aus dem Fenster und überschaute die Skyline Terranias. In der Fensterscheibe spiegelte sich das grüne Wesen mit dem Reptilienkopf. Er ballte die Hände zur Faust zusammen und drehte sich langsam um. Gekonnt überspielte er die Überraschung. Er wollte sich unter keinen Umständen eine Blöße vor dieser Kreatur geben.
»Apophis«, sprach er trocken.
»Lakai Rhodans«, erwiderte der Rok'Selkur kalt.
Bull atmete tief durch. Am liebsten hätte er aus Apophis eine Handtasche gemacht, die er dann Hathor geschenkt hätte. Für einen kurzen Moment dachte er an Rhodan. Was würde Perry in dieser Situation machen? Nun, er war nicht Rhodan. Er war Reginald Bull und ebenso erfahren wie der Erbe des Universums, wie Perry oft bezeichnet wurde.
»Was willst du Natter hier?«
Apophis verschränkte seine vier Arme vor Brust und Bauch. Die Zunge zischte hektisch, während die dunklen Augen regungslos auf Bull ruhten.
»Dich daran erinnern, dass mein Empfang in 32 Stunden beginnen wird.«
»Wir werden dich gebührend empfangen, Apophis. Das verspreche ich dir«, entgegnete Bully sarkastisch.
Er lief zur Projektion des Apophis und musterte ihn abfällig. Reginald glaubte, für eine Millisekunde Verunsicherung im sonst so tödlichen Blick das Apophis gesehen zu haben. Vielleicht überschätzte er sich auch nur selbst.
Hathor betrat nun den Raum. Apophis drehte sich um und blickte abfällig zu seiner Artgenossin und langjährigen Gefährtin.
Hathor begegnete Apophis mit einem ähnlich kühlen Blick. Sie stellte sich dicht neben Reginald Bull.
Die Holografie von Apophis erlosch abrupt. Bully blickte noch eine Weile nachdenklich auf die nun leere Stelle.
Dann sah er zu Hathor. Ihr tiefschwarzes Haar und ihre dunklen Augen hatten es ihm angetan. Für einige Sekunden versank er in ihren braunschwarzen Augen. Er fühlte sich plötzlich wohl, sorglos und geborgen. Dann riss er sich wieder zusammen. Er wandte sich errötet ab, doch Hathor schenkte ihm ein sanftes Lächeln.
»Wenn Apophis und Seth geschlagen sind, erwarte ich, dass du mir die Erde von heute zeigst, Reginald.«
Bully musste plötzlich lachen. Er ermahnte sich selbst, denn er machte eher den Eindruck eines Teenagers als eines dreitausendjährigen Unsterblichen.
Doch Liebe kannte kein Alter. Eine Routine konnte man nicht entwickeln, wenn es darum ging, das Herz eines Menschen zu erobern. Dies war immer eine einmalige Angelegenheit. Egal wie oft man es schon versucht hatte.
»Gerne«, antwortete Bull knapp.
Hathor wollte etwas entgegnen, doch erneut flammte eine Holografie auf. Jedoch war diese Erscheinung wesentlich angenehmer als Apophis. Es handelte sich um Denise Joorn, die Bully Bericht über ihre Untersuchungen machte.
»Die Mumie stammt aus der Zeit des Ahmose I., also etwa 1600 vor Christus. Sie ist eine unbekannte Prinzessin und wird als Gemahlin des Apophis bezeichnet. Die Mumie ist beängstigend gut erhalten, wie die ersten Untersuchungen ergaben. Ich werde sie morgen genauer untersuchen.«
»Denise, ein Morgen haben wir nicht mehr. Wenn die Mumie etwas mit Apophis zu tun hat, sollte sie sofort auseinandergenommen werden. In knapp 30 Stunden wird das alles hier Apophis gehören, sofern Perry und die anderen scheitern.«
Denise nickte schwach. Ihre Arbeit schien regelrecht bedeutungslos zu sein. Sie trug nicht zur Rettung der Erde bei. Dennoch beschlich sie ein Gefühl, dass die Mumie etwas mit Apophis zu tun hatte. Die Warnung des Ahmose I. und die Bezeichnung als große königliche Gemahlin des Apophis waren seltsam. Denise glaubte nicht an einen symbolischen Charakter dieser Inschriften. Doch noch wollte sie dies nicht Bully mitteilen. Er hatte genügend andere Dinge zu tun.
Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, als sie Hathor sah. Denise rügte sich für ihre Dummheit. »Hathor, weißt du vielleicht etwas von dieser Prinzessin?«
Die schöne Kemetin schüttelte den Kopf. »Nein, es tut mir Leid. Ich verließ Terra in der Zeit, die ihr Erste Zwischenzeit nennt. Lange bevor Apophis noch einmal zuschlug. Doch damals versuchte er auch schon, die Ägypter zu vernichten. Deshalb verbannten wir ihn in ein Verließ auf dem Berg Megaddon. Thot und ich brachten ihn dorthin. Leider starb während dieser Zeit einer unserer Gefährten. Selket. Sie war eine gute Freundin.«
Viel Bedauern lag in der Stimme Hathors. Denise verstand nun, dass Apophis irgendwie aus dem Gefängnis in Kanaan ausgebrochen war und die Hyksos beeinflusste. Bevor er jedoch etwas ausrichten konnte, hatten Horus, Anubis, Isis und Selket ihn gefunden. Selket war dabei gestorben, Apophis inhaftiert und nach Seshur gebracht worden.
Nepher-Merit schien eine Geliebte des Apophis gewesen zu ein. So abwegig dieser Gedanke auch bei der so unterschiedlichen Biologie war.
Joorn bedankte sich bei Hathor und beendete die Verbindung. Hathor blickte eine Weile ins Leere und gedachte Selket. Viele Tausend Jahre war es her, dass Apophis Selket tötete, doch die Erinnerungen waren frisch. Sie beschloss, Bully davon zu erzählen …
*
Denise machte sich nun an die Arbeit. Sämtliche Vorsichtsmaßnahmen waren hinfällig. Denise befahl einem Roboter, die Mumie aus der Stasekammer in ihr Forschungszimmer zu bringen.
Zwei Assistenten halfen Joorn. Der eine war ein dicker Ägypter mit krausem Haar und Vollbart. Er hieß Sall Abdul. Der Zweite war ein typischer Wissenschaftler. Hager, bleich, Brille. Der Norweger trug den Namen Ole Sverrisson. Zweifellos war der Mann emsig und begabt, doch manchmal ging er Denise gewaltig mit seinen Theorien und der Angewohnheit diese sehr ausführlich darzulegen auf den Geist.
Die Mumie schwebte auf einem Seziertisch. So gut es ging, versuchte Sverrisson die Sterilität des Raumes zu bewahren, damit die Mumie nicht zerfiel.
Denise schaute sich die alte Dame ausgiebig an. Dann untersuchte sie das Gesicht. Sie hob den Kopf an.
»Erstaunlich schwer«, stellte sie fest.
Sie nahm einen Scanner und beobachtete mit gerunzelter Stirn die Ergebnisse der Tomografie auf einem Bildschirm.
»Die hat noch ihr Gehirn drin«, erklang die Stimme von Sall Abdul verblüfft.
Denise beschloss, den gesamten Körper nun genauer zu untersuchen. Zu ihrer Verwunderung fehlte kein einziges Organ. Sie wurde nicht ausgeweidet! Doch wie konnte sich die Mumie solange halten?
»Ole, besorg mir bitte eine Abfrage aller bekannten Konservierungsmethoden in der Milchstraße. Sie ist auf keine altägyptische Weise für das Leben nach dem Tode vorbereitet worden.«
Der Terraner bestätigte und verließ den Raum. Das bedeutete einige Zeit im GALORSnet zu surfen. Denise hatte ihm jedoch klar gemacht, dass sie nicht viel Zeit hatten. Es war ohnehin schon sehr schwer sich auf die Arbeit zu konzentrieren, wo eine Flotte von 450.000 Schiffen vor der Haustür stand und nur darauf wartete einzumarschieren. Im Gegensatz zur Normalbevölkerung waren Denise und ihre Mitarbeiter jedoch über das Kommando Rhodans eingeweiht und schöpften so noch Hoffnung.
Ole wanderte durch die relativ leeren Hallen der Forschungsstation. Die meisten Menschen waren bei ihren Familien und bereiteten sich auf die Invasion von Apophis vor. Ole war auch nicht sonderlich wohl. Was würde passieren, wenn Rhodan versagte? Er konnte seinen Gedanken nicht weiterspinnen, denn plötzlich stand eine zwei Meter große Gestalt vor ihm. Sie atmete schwer und der ganze Körper war mit alten, grauen und schimmligen Leinen einbandagiert. Ole glaubte nicht recht, was er sah. Das war eine Mumie. Oder zumindest jemand, der sich dafür ausgab.
»Netter Scherz. Ich bin nur nicht in der Stimmung. Zieh den Müll aus und hau ab«, forderte Sverrisson das Ding genervt auf. Die Mumie reagierte jedoch nicht. Mit einem Kopfschütteln schob er sich an ihr vorbei. Dann spürte er schon die Pranken der Mumie in seinem Nacken. Fest wie Schraubenstöcke drückten sie sein Genick zusammen. Sverrisson beendete sein Leben mit einem hässlichen Knacken seiner Knochen.
Die Mumie lief weiter. Sie war auf der Suche nach der Prinzessin Nepher-Merit.
Denise wartete ungeduldig auf die Ergebnisse von Ole. Unruhig lief sie im Raum umher, als plötzlich die Tür aus den Angeln flog und eine Mumie vor ihr stand.
»Was zum Teufel ist das?«, brüllte Abdul und wollte weglaufen, doch die Mumie versperrte den Weg.
»Er ist auf der Suche nach der anderen Mumie«, vermutete Joorn sie hastete zu ihrem Gürtel und wollte ihre beiden Strahler ziehen, doch die Mumie war schneller und schleuderte Denise gegen die Wand. Keuchend fiel sie zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen.
Abdul war vor Angst gelähmt. Immer wieder sagte er zu sich selbst, dass es keine Mumien gab. Auch als die Kreatur direkt vor ihm stand. Er rutschte auf den Boden und schrie in Panik. Er versuchte die Mumie von sich zu stoßen und riss dabei ein paar Bandagen vom Kopf ab. Nun war der rechte Teil des Gesichts zu erkennen. Ledriges, braunes Fleisch. Tote Augen und vergilbte Zähne. Bei diesem Anblick fing Abdul noch mehr an, zu schreien.
Denise hatte sich inzwischen wieder aufgerafft und robbte zu ihren Strahlern. Die Mumie würgte derweil den Ägypter, der panisch schrie und unfähig war, sich zu wehren. Denise hatte die Strahler erreicht und schoss auf den Rücken der Mumie. Der Strahl erfasste ihn, doch der Untote schien kaum zu reagieren. Denise feuerte noch einmal. Diesmal ballerte sie ihm den linken Arm ab, doch die Mumie würgte Abdul unbeeindruckt mit der rechten Hand weiter.
Jetzt reichte es Joorn. Sie zog den zweiten Strahler und feuerte mehrmals auf die Mumie, bis nur noch ein paar Knochen und Bandagen übrig waren.
Denise eilte zu ihrem Assistenten, der schlotternd auf den Boden kauerte. Sie half ihm hoch. Sie biss die Zähne zusammen. Der Mann war in Panik.
»Alles klar?«, erkundigte sie sich.
Als Antwort begann sich Abdul, zu erbrechen.
Denise schob ihn schnell weg und machte einen Satz zurück.
»Geh' bloß nach Hause, Abdul«, forderte sie ihn auf und untersuchte die Mumie.
Die Überreste waren ähnlich fleischig wie die von der Prinzessin. Denise verstand dieses Rätsel noch nicht. Eine auferstandene Mumie. Es gab keinen Fluch der Mumie. Das waren Horrorfilme. Nur die Erweckung von Ramses II. von Osiris war wissenschaftlich belegt. Denise begann den Körper nach den Mikroorganismen abzusuchen, fand dabei aber ein anderes erstaunliches Ergebnis – Tessma!
Denise stelle sofort eine Verbindung zu Reginald Bull her, der sich immer noch mit Hathor im selben Zimmer befand. Denise erklärte eilig, was vorgefallen war. Bull und Hathor machten sich sofort auf den Weg.
Denise blickte sich im Zimmer um und staunte über die große Sauerei, die die Mumie und Abdul angerichtet hatten.
Reginald Bull und Hathor waren innerhalb weniger Minuten in Kairo, wo sich das Forschungslabor befand. Denise erklärte noch einmal in Ruhe, was vorgefallen war. Bull blickte sich das Labor an. Reinigungsroboter waren dabei die Überreste der Mumie einzusammeln.
Tessma!, schoss es Bull durch den Kopf. Er kannte diese kleinen Biester sehr gut. Vor ca. 80.000 Jahren hatten die Baolin-Nda den Versuch unternommen, sich von den Kosmokraten loszusagen. Von den Helioten hatten die begnadeten Techniker die Koordinaten einer 78 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxis namens Shaogen erhalten.
Die Tessma waren in Shaogen-Himmelreich das führende Intelligenzvolk gewesen. Diese waren von den Racnett angegriffen worden. Trotz der Hilfe der Baolin-Nda hatten sich die Tessma von diesem Krieg nicht mehr erholt und starben aus. Die Baolin-Nda hatten das Erbgut der Tessma manipuliert und daraus beliebige Formen biologischer Roboter erzeugt.
Die genetisch manipulierten, insektoiden Tessma waren ein zentrales Element in der Technologie der Baolin-Nda. Von raumschiffgroßen Individuen bis zu winzigen Varianten, die beispielsweise der Abfallbeseitigung dienten oder in Millionenverbänden größere Aggregate bildeten, existierten sie in allen Größen und Formen. Selbst als Möbel fanden die Tessma Verwendung.
Es existierten zudem Nanokolonnen, die einst von dem Baolin-Nda Lowtovn erschaffen worden waren.
Es handelte sich um miniaturisierte Aktionseinheiten, die im atomaren Bereich operierten und die ihnen einprogrammierte Ziele über Jahrtausende selbstständig verfolgen konnten. Dabei waren sie in der Lage, sowohl Maschinen als auch organische Wesen zu lenken und in ihrem Sinn umzustrukturieren.
Doch diese Nanokolonnen hatten sich gegen die Baolin-Nda gewendet und es war zur Katastrophe gekommen, bei der die meisten Baolin-Nda und Tessma gestorben waren.
Die Galaktiker waren 1290 NGZ auch in Kontakt mit den Tessma gekommen und hatten ein Raumschiff damals vernichten müssen, um der Gefahr zu entgehen.
Für Bully lagen diese Erinnerungen noch nicht lange zurück. Denise Joorn blickte Hathor fragend an. Anscheinend vermutete sie von der Kemetin Antworten. Hathor blickte zuerst zur Terranerin dann zu dem ihr sehr sympathischen Zellaktivatorträger.
»Die Mikroorganismen basieren auf der Technologie der Tessma. Von einem Baolin-Nda habe ich jedoch noch nie etwas gehört. Wir erhielten die Tessma als Geschenk von Amun und sie wurden in der Amun-Pyramide entwickelt. Im Einsatz haben wir sie jedoch nie gesehen. Ich wusste nur davon, weil mir Isis einmal von ihnen erzählte. Die Mikroorganismen wurden aus den Tessma heraus entwickelt.«
Bull blickte auf die Untersuchungsergebnisse. Er fand das alles sehr befremdlich. »Wenn die Tessma nie im Einsatz bei euch waren, wie kommen sie dann hierher?«
Plötzlich fing die Mumie der Prinzessin an, zu schreien. Der Oberkörper richtete sich rasch auf und die seltsamen Augen von Nepher-Merit fingen an, sich zu bewegen.
Denise zückte ihre beiden Strahler, doch Bully wies sie an, nicht zu schießen. Vorerst nicht. Er sah auffordernd Hathor an, die auch gleich verstand. Die Göttin der Freude und der Liebe redete mit Nepher-Merit auf Altägyptisch.
Joorn konnte noch einigermaßen folgen, Bull verstand nicht eine Silbe.
»Sie sagt, dass sie die Gemahlin von Apophis ist und er sie wieder erweckt hat. Sie droht uns. Die Prinzessin sagt, wir sind schon so gut wie tot«, übersetzte Hathor die Worte der Mumie, die versuchte aufzustehen.
»Wer ist hier tot?«, brüllte Bully und zog seine Waffe.
»Nein, Sir!«, rief Denise und stellte sich in die Schussbahn.
Nun verstand Reginald Bull gar nichts mehr.
»Wenn wirklich Apophis sie erweckt hat, hat er etwas mit ihr vor. Er will die Prinzessin. Sie ist ein Köder«, erklärte Joorn mit funkelnden Augen.
Nun fiel auch bei Bull der Galax. »Damit können wir die Natter in die Falle locken«, rezitierte er Joorn.
»Zu spät, Fettsack!«
Bull drehte sich um. Vor ihm stand Apophis und zielte auf den Unsterblichen. Wie in Zeitlupe sah er das Aufflammen der Energiesalve. Dann ein Schatten von links! Hathor! Nein!
Rhodans Team hatte den Tempel endlich erreicht. Er war nicht nur von einem Schutzschirm umgeben, sondern auch von etwa zweihundert Shak'Arit-Robotern mit Panzern und Gleitern. Es war unmöglich da vorbeizukommen.
»Was machen wir nun?«, wollte Landry wissen. Auch der TLD-Agent war ratlos.
»Leutnant Pollvan! Haben Sie einen Plan?«, erkundigte sich Perry Rhodan bei dem Oxtorner, der seltsam grinste.
»Sir, Ja, Sir!«
Pollvan gab seinen Leuten ein paar Anweisungen. Sie holten etliche Sprengladungen und Robotergranaten aus ihren Taschen. Rhodan musste zugeben, dass er nicht gedacht hätte, dass diese in seinen Augen hirnlosen Agenten plötzlich auf Hightech zurückgriffen, um die Übermacht zu überwältigen.
»Gus und ich werden auf die beiden Türme klettern«, erklärte der Oxtorner seinen Männern. »Von da aus können wir etliche mit dem Sniper umlegen. Wisrus und Molokon werden die Frontalattacke durchführen. Sparks wird unsere kleinen Minifreunde steuern und die Panzer vernichten.«
Rhodan erkundigte sich bei Horus, wie sie denn durch den Schutzschirm kommen sollten. Der Falkengott erklärte, dass er den Code dafür kannte. Ein Code, den nur Unsterbliche kannten und der nur gemeinsam von mindestens drei Zellaktivatorträgern geändert werden konnte.
Rhodan schlug vor, nachdem die fünf Spezialagenten ein paar Minuten für Unruhe sorgten, sofort loszurennen, um Osiris und Anubis zu befreien. Dann mussten sie schnellstens in das Regierungsgebäude, um die CHEPRI und die anderen Hauptschiffe zu deaktivieren und somit auch die Shak'Arit auszuschalten.
Dillon Sparks machte sich sofort an die Arbeit. Hastig steckte er sich eine Zigarette in den Mund und kramte in seinen Taschen. Endlich hatte er den Energiespender gefunden, der die Zigarette anzündete. Nach zwei schnellen Zügen holte er sein Equipment heraus. Eine kleine, tragbare Syntronik, von der aus er die Angriffe seiner Roboterarmee steuern konnte.
»Was haben Sie da eigentlich alles?«, wollte Perry Rhodan wissen.
»Sir, 25 Spinnenminen, drei Panzersprenger vom Typ Sweety und zehn Fluggranaten. Das dürfte reichen, um ihnen etwas Feuer unter dem Hintern zu machen.«
Das war beste terranische Militär-Hightech.
Rhodan nickte schwach. Dann fiel sein Blick auf Leutnant Pollvan und Sergeant Travis, die bereits auf ihren Türmen Stellung bezogen hatten. Die Türme erinnerten mehr an Säulen. Es gab insgesamt zwölf davon im Tempelbezirk. Mit Hilfe ihrer Antigravaggregate konnten sie mühelos auf die Türme schweben. Mit ihren Snipergewehren konnten sie nicht nur das Terrain überschauen, sondern auch präzise die Shak'Arit-Roboter außer Gefecht setzen.
Sparks streute ein paar Störungswellen aus, um die Ortung zu erschweren. Dann brachte er die Roboter Einheiten in Position und wartete auf den Befehl.
Landry behielt den Überblick, wechselte kurz einen Blick mit Rhodan und gab das Signal zum Angriff. Die drei Roboterzüge stürmten zusammen gegen die Shak'Arit-Roboter vor. Die Hundekreaturen bemerkten rasch die Attacke und gaben den vier Panzern Feuerbefehl. Plötzlich fielen einige Shak'Arit-Offiziere um.
Rhodan blickte zu den Türmen. Er musste sich bei Leutnant Pollvan entschuldigen. Die Offiziere anzugreifen, war taktisch klug. Die Shak'Arit waren Kunstwesen, die offenbar nicht selbstständig denken konnten. Die brauchten Befehle und Anführer. Waren die eliminiert, hatte man mehr Chancen.
Neben Rhodan und den anderen schlugen mehrere Salven ein. Die Panzer schienen das Versteck ausgemacht zu haben.
»Sparks! Setzen Sie die Panzer außer Gefecht!«, brüllte Landry.
»Schon dabei, Sir. Schon dabei …«
Sparks tippte hastig einige Befehle auf sein Touchpad und übernahm die Steuerung der Panzersprenger. Leider hatte er nur drei zur Verfügung. Eine Explosion jagte die andere. Wisrus und Molokon guckten ungeduldig. Sie wollten losstürmen, solange sie noch die Möglichkeit hatten. Der erste Sprenger erreichte sein Ziel. Der Panzer verging in einer großen Explosion. Auch der zweite Sprenger erreichte sein Ziel.
Die anderen beiden Panzer schossen auf die beiden Türme. Sie mussten Pollvan und Travis geortet haben.
»Pollvan, Travis, kommt da sofort runter!«, befahl Landry. Eine Salve schlug unmittelbar neben dem TLD-Agenten ein. Landry wurde von dem Druck auf den Boden gepresst. Dreck und Staub flogen durch die Luft.
Die Stimme gehörte Leutnant Pollvan, der bereits seine Stellung verlassen hatte.
Landry schnappte sich ein Fernglas und beobachtete Sergeant Travis, der gerade jemanden am zweiten Schwebepanzer anvisierte.
»Jetzt, Sergeant. Das ist ein Befehl!«
»Gleich, Sir. Nur noch den einen …«, murmelte Travis und drückte ab. »Getroffen!«, jubelte er und machte sich auf den Weg.
Landry atmete erleichtert auf. Da zuckte ein Blitz auf den Turm zu und entlud sich in einer großen Explosion. Der Körper von Sergeant Travis wurde in hundert Teile zerfetzt und über den ganzen Bereich verteilt.
»Sir, melde den Verlust von Sergeant Gus Travis. Er ist heldenhaft im Einsatz gefallen«, meldete der Leutnant unberührt.
Landry nickte schwach.
»Angriff. Wir müssen jetzt zum Tempel«, kommandierte er. Pollvan gab Wisrus und Molokon ein Zeichen und die Drei stürmten voran. Eskortiert wurden sie von drei der kleinen und wendigen Roboterjäger, die neben zwei Thermostrahler eine Granate trugen. Mit lautem Geschrei rannten die Drei voran und begannen zu schießen.
Die überdimensionale Waffe von Wisrus riss ein großes Loch in die Wachmannschaften der Shak'Arit.
»Schick uns noch ein paar Spinnen!«, forderte Pollvan Sparks auf.
»Ja, Sir. Sind unterwegs«, meldete der junge Terraner. Er übernahm die Steuerung von fünf Spinnenminen, die schier unbemerkt auf die Gegner krabbelten und dann explodierten. Sparks jubelte bei jeder gelungenen Sprengung.
Eine Explosion ließ ihn verstummen. Die Wucht des Einschlags verletzte Dillon Sparks am rechten Arm. Er war alleine zurückgeblieben, denn Rhodan, Landry und die beiden Kemeten waren bereits auf dem Weg zum Tempel. Er versuchte die Schmerzen zu unterdrücken und kroch zum Syntron.
»Wir brauchen noch mehr Hilfe, um den Panzer zu sprengen. Los, los!«, brüllte Leutnant Pollvan.
Sparks versuchte die restlichen Spinnenminen zum zweiten Panzer zu schicken, doch das System konnte keine Onlineverbindung mehr zu den kleinen Robotern herstellen. Sparks wusste nicht, woran es lag.
»Was ist?«, hörte er die ungeduldige Stimme seines Vorgesetzten.
»Sir, ich hab ein technisches Problem«, stöhnte er, als der Bildschirm plötzlich blau wurde und der Syntron einen schwerwiegenden Fehler meldete.
»Verdammt«, fluchte er und verwünschte die Software auf der Syntronik. Die Kommunikation mit dem Rechner war auch nicht mehr möglich. So musste er manuell den Neustart einleiten.
Sparks versuchte seine Kameraden auszumachen. Er konnte sehen, wie Molokon eine Panzerfaust auf die Schulter nahm und damit den ersten Panzer auf das Korn nahm. Doch eine Horde Shak'Arits kam von rechts.
»Passt auf!«, rief Sparks. Doch niemand hörte ihn.
Molokon konnte zwar den Geschützturm des ersten Panzers in die Luft jagen, doch im Hagel der Energieschüsse wurde sie durchlöchert. Bis es nicht mehr ging, kämpfte sie weiter. Blutverschmiert schrie sie und schoss auf die Gegner, bis sie vornüber auf den Boden fiel und nicht mehr aufstand.
Pollvan und Wisrus waren umzingelt. Sie konnten aus ihrer Stellung nicht mehr heraus. Der Panzer heizte ihnen zu sehr ein. Sie hatten nur eine Chance. Der Panzer musste vernichtet werden. Der Syntronikrechner war hinüber, wie Sparks feststellen musste. Es gab nur eine Möglichkeit; die Panzerfaust.
Sparks atmete tief durch und sprach sich Mut zu. Er war ein Spezialagent des TLD. Er konnte es schaffen. Er sprang aus dem Loch und schaltete seinen Individualschutzschirm an. Dann hastete er zur Panzerfaust. Er wurde jedoch entdeckt und beschossen. Noch hielt der ID-Schirm stand. Überall flammte es auf. Wie lange würde der Schirm halten? Da war die Panzerfaust. Zum Greifen nahe. Sparks streckte schon die Hand aus, da spürte er tausend Schmerzen auf einmal. Der Schirm war zusammengebrochen, mehr konnte Sparks nicht mehr denken. Dann war er tot.
Leutnant Pollvan und Wisrus feuerten mit allem, was sie hatten. Sie erkannten, dass die Schlacht verloren war. Also standen sie aus ihrem Versteck auf und rannten brüllend den Shak'Arit entgegen. Sie wollten wie Helden sterben. Doch keiner der Shak'Arit reagierte auf sie. Sie drehten sich einfach um und liefen weg.
Verwundert und mit weit offenen Mündern blieben die beiden stehen. Der Oxtorner erkannte Perry Rhodan und Horus aus einem Gebäude laufen. Sie hatten den Tempel erreicht gehabt und Osiris befreit.
Osiris und Anubis brachten die Shak'Arit in unmittelbarer Nähe unter ihrer Kontrolle. Rhodan vermutete, dass sie über einen Sender direkt bei ihnen verfügten. Vielleicht hatten die Shak'Arit auch eine Schaltung, dass sie keinen Unsterblichen aus ihrem Volk angreifen konnten.
Osiris, der hochgewachsene Kemete mit dem beeindruckenden Blick, dankte Perry Rhodan für die Befreiung.
»Wir werden sofort zum Regierungszentrum gehen, um Seth aufzuhalten. Wir haben genügend Shak'Arit. Anubis?«
Der Schakalgott jaulte laut auf. Dieses Heulen erschreckte selbst Rhodan. Dann nahm er eine Axt und einen Strahler, die auf dem Boden lagen, und führte die Roboter an. Die noch etwa 120 Androiden rannten mit ihrem Meister in Richtung Regierungszentrum.
Landry kümmerte sich um Leutnant Pollvan und drückte sein Mitleid für den Verlust der drei Leute aus.
»Sir, sie sind als Helden gestorben, Sir!«, erklärte Pollvan. Damit war die Sache für den Oxtorner erledigt.
Landry wandte sich ab und blickte auf das Schlachtfeld vor dem Zentralgebäude. Shak’Arit kämpften gegen ihre Artgenossen.
»Der Kampf der Brüder«, sagte Osiris leise. »Seth hat uns bis an den Abgrund gebracht. Es wird Zeit, dass er und Apophis gestoppt werden, bevor noch mehr Unschuldige sterben.«
Sein Blick ruhte auf Perry Rhodan. Osiris wusste genau, dass Rhodan dringend diesen Sieg brauchte, da ansonsten Terra verloren war.
Eine Explosion jagte die andere. Hunderte von Shak'Arit kämpften vor dem Gebäude. Osiris hatte genug. Er wollte nicht mehr zusehen, sondern eingreifen.
»Rhodan und Horus folgen mir. Isis bleibt bei den anderen!«, befahl Osiris und marschierte los.
Horus und Rhodan eilten hinterher. Als sie dicht bei ihm standen, wurden alle drei in einen roten Schutzschirm gehüllt.
Sie bahnten sich ihren Weg durch die kämpfenden Shak'Arit-Roboter in das Gebäude. Plötzlich wurden sie von etwa zwei Dutzend Robotern umzingelt.
Osiris blieb stehen und blickte sich um. Die waren etwas zu viel für die Drei. Eine Reihe der Roboter trat zur Seite und Seth persönlich schritt auf Osiris, Rhodan und Horus zu. Das seltsame Vogelwesen freute sich. So schien es zumindest.
»Ein lächerlicher Versuch die Kontrolle zurück zu erlangen. Du hast verloren, Bruder. Sieh das doch endlich ein.«
Osiris blickte ihn starr an und schüttelte in Zeitlupe den Kopf. Seth befahl den Soldaten auf Osiris zu schießen, doch keiner reagierte.
Seth war völlig überrascht und begann zu schreien. Sie hatten ihn in eine Falle gelockt. Er befahl seinen Truppen sofort zum Steuerungsmodul zurückzukehren, doch zu spät. Sie reagierten nicht mehr. Seth eilte selbst dorthin. In dem Moment sprang Osiris auf seinen Bruder und schlug auf ihn ein. Es war ein ungleicher Kampf, denn Seth war Osiris körperlich weit unterlegen.
Isis rannte die Treppen herunter und warf sich zwischen den Kampf. »Geliebter, es ist vorbei. Ich habe die Kontrolle über die Shak'Arits. Die Terraner dürften jetzt auch außer Gefahr sein. Lass ab von ihm. Er ist keinen Mord wert«, sprach sie zu ihrem Mann.
Osiris packte Seth an der Gurgel und drückte ihn an die Wand. Seths Hände schlugen vergebens gegen die stählernen Arme des Osiris. Dann ließ er seinen Bruder los. »Schafft ihn mir aus den Augen!«
Horus packte Seth und stieß ihn in Richtung Ausgang. Seth schwieg. Er wusste, dass er wieder einmal verloren hatte.
Rhodan blickte zu Osiris. »Ist der Befehl auch an die Flotte gegangen?«
Osiris bestätigte Rhodans Vermutung. Erleichtert dankte der terranische Resident dem großen Kemeten. Der war jedoch noch nicht zufrieden.
»Danke mir erst, wenn wir Apophis haben. Er ist selbst ohne Armee gefährlich. Wenn wir ihn haben, haben wir gewonnen. Nicht vorher!«
Bully beugte sich über den leblosen Körper der Kemetin. Sie hatte sich in die Schusslinie geworfen, um ihn zu schützen. Nun war sie tot. Hathor lebte nicht mehr. Hasserfüllt und mit wässrigen Augen blickte Bull zu dem Mörder herüber.
Dieser beschäftigte sich gar nicht mehr mit Hathor, sondern nahm eine kleine zylinderförmige Schatulle aus seiner Tasche.
»Tessma«, flüsterte Denise.
Apophis öffnete sie und winzig kleine Tessma flogen in den Körper der Prinzessin und begannen ihn zu regenerieren. Fleisch bildete sich nach und der faltigen Haut wich ein sanfter Teint.
Die ergrauten, fettigen Haare wurden zu seidigen, tiefschwarzen Haaren. Die Augen strahlten Leben und Energie aus. Als die Tessma ihr Werk vollendet hatten, stand eine wunderschöne Frau vor ihnen. Die Leinen hingen von ihrem Körper und zeigten viel von ihrem makellosen Körper.
»Nepher-Merit«, sprach Apophis voller Lust.
»Apophis, mein Gott und Gemahl«, erwiderte sie.
Denise wollte sich gerade vorstellen, wie die beiden sich paarten, schüttelte den Gedanken dann jedoch wieder ab.
Apophis nahm die Hand der Prinzessin und küsste sie. Dann fiel sein tödlicher Blick auf die beiden Geiseln.
»Nun, Fettsack. Deine Hathor ist tot. Ihren Zellaktivator werde ich Nepher-Merit geben, damit wir für alle Ewigkeiten herrschen können. Und du wirst Hathor jetzt folgen«, zischte Apophis und befahl seinen Shak'Arit-Robotern zu schießen.
Doch nichts geschah.
»Tötet ihn!«, brüllte Apophis, doch erneut verweigerten die Shak'Arit ihren Dienst. Wütend wandte sich Apophis an einen Offizier. »Was ist los mit euch Blechhaufen. Befolgt meine Befehle!«
»Befehlsgeber ist Osiris, Kommandant der CHEPRI«, berichtete der Roboter monoton. »Die Befehle wurden von ihm und Horus an Bord des Flaggschiffes geändert. Seine Instruktionen sind eindeutig. Beschützt die Terraner und verweigert Apophis jeden Befehl.«
Apophis zischte wütend auf, da traf ihn die Faust Bulls. Schnell sprang Apophis auf und parierte die Attacken Bulls. Er drehte Bullys Arm herum und kugelte seine Schulter aus.
Denise nutzte den Kampf, um ihre Strahler zu nehmen. Nepher-Merit packte sie an den Haaren und rang sie auf den Boden. Sie kratzte in Denises Gesicht und nahm nun selbst die Strahler. Sie legte auf Joorn an und machte damit den tödlichen Fehler. Die Shak'Arits befolgten ihren Befehl und schossen mit ihren lanzenartigen Energiewaffen auf die Prinzessin, die ihr gerade neu gewonnenes Leben verlor.
»Nein!«, rief Apophis. Er rannte zu Nepher-Merits Leiche, trat in Joorns Bauch und nahm den Nadlerstrahler. Er schoss drei Shak'Arit nieder. Die anderen beiden feuerten zurück. Doch Apophis versteckte sich hinter den Tischen.
Bully rollte sich weg. Er nahm die Lanze. Apophis sprang aus seinem Versteck hervor und zerstörte die anderen beiden Roboter. Bully rannte mit dem spitzen Ende der Lanze auf Apophis zu und rammte dem Rok'Selkur die Waffe in den Leib.
Wütend schlug Apophis Bull nieder und durchbrach die Lanze. Mit einem lauten Schrei zog er sie aus seinem Körper heraus.
»Du kannst mich nicht töten, du Wurm!«, brüllte Apophis und trat auf den wehrlosen Bull ein. Er trat mit seinem Fuß auf Bulls Hals und drückte zu. Vergeblich versuchte Bull sich zu befreien. Apophis war zu stark.
Da stürmten weitere Shak'Arits unter der Führung von Anubis in den Raum. Der Schakalgott nahm seine Axt und schlug mit dem stumpfen Ende auf Apophis Kopf. Das Schlangenwesen taumelte benommen zurück. Dann schnappte er sich eine Lanze von den toten Shak'Arit und griff Anubis an. Die beiden Götter kämpften erbittert, doch Apophis Wunde schwächte ihn. Seine Schläge wurden ungenauer, bis Anubis ihm schließlich den Stab aus der Hand schlug.
Geschlagen sank Apophis zu Boden.
»Gnade, mein Freund!«, winselte er.
Inzwischen hatten sich Denise und Bully wieder aufgerappelt.
Anubis fletschte die Zähne und knurrte bedrohlich. Ohne ein weiteres Wort an Apophis zu verschwenden, hob er die Axt und schlug den Kopf der Schlange ab.
Apophis war tot!
*
Die Flotte der Pyramiden zog ab. Mit allen Ehren und nach kemetischer Tradition wurde Hathor in Ägypten beigesetzt. Apophis Leichnam wurde verbrannt. In beiden Körpern fehlten die Zellaktivatoren.
Osiris nahm an, dass Amun sie wieder zu sich genommen hatte. Die Kemeten beklagten den Tod ihrer langjährigen Gefährtin. Reginald Bull trauerte um Hathor vielleicht am meisten.
Nach der Zeremonie trat Osiris an Perry Rhodan heran. »Ich entschuldige mich für Seth und Apophis. Möge nie wieder eine Gefahr von uns für die Terraner ausgehen. Mögen wir nun fortan in Freundschaft leben.«
Perry lächelte. »Ich hoffe auf eine ewige Freundschaft.«
Osiris, Horus, Isis und Anubis verabschiedeten sich. Die Kemeten gingen auf die CHEPRI und verließen das Solsystem. Doch Perry Rhodan war sich gewiss, man würde sich sehr bald wiedersehen.
Februar 1299 NGZ – In der Nähe von Terra
Vor wenigen Sekunden war diese Stelle im Solsystem völlig leer. Doch plötzlich erschien wie aus dem Nichts ein Raumschiff. Es hatte die Form einer Pyramide und besaß eine Kantenlänge von 150 mal 150 Metern. An Bord befand sich, neben vielen Shak'Arit-Androiden, nur eine lebende Person: ich, der Kemete Osiris. Ich war gekommen, um Perry Rhodan abzuholen und ihn nach Kemet zu bringen. Das war ich Perry Rhodan und den Terranern schuldig, denen ich mein Leben verdankte.
Ich ging zum Funkgerät, öffnete einen Kanal und verlangte nach Perry Rhodan. Wenige Sekunden später erschien das Gesicht des unsterblichen Terraners auf dem Bildschirm.
»Osiris«, begrüßte Rhodan mich lachend. »Ich freue mich, dich wiederzusehen. Wie geht es dir?«
»Mir geht es gut. Ich hoffe dir auch?«, fragte ich genauso freundlich.
Nachdem Rhodan genickt hatte, fuhr ich fort: »Ich möchte mein Versprechen einlösen. Ich möchte dich und ein paar deiner Freunde nach Kemet bringen und euch etwas über uns und unsere Geschichte erzählen.«
»Wir sind in 20 Minuten bei dir. Können wir mit einer kleinen Space-Jet kommen und das Schiff in deinem Hangar parken?«
»Natürlich«, entgegnete ich. »Ich warte auf euch.«
Rhodan grüßte noch mal und schaltete dann die Funkverbindung ab.
20 Minuten später näherte sich ein Beiboot. Eine diskusförmige Konstruktion mit einem Durchmesser von 35 Metern landete kurze Zeit später in dem Hangar.
Wenige Minuten später betrat ein Shak'Arit-Androide die Zentrale. Begleitet wurde er von den Unsterblichen Perry Rhodan, Reginald Bull und der sympathischen Terranerin Denise Joorn. Den vierten Mann kannte ich hingegen nicht. Perry Rhodan stellte ihn als Julian Tifflor vor, ebenfalls einer der unsterblichen Terraner.
Ich musterte den Terraner kurz. Auch bei ihm waren die Augen das eindrucksvollste. Auch sie zeigten, genau wie bei Rhodan und Bull, dass diese Person schon mehrere Tausend Jahre lebte. Sie strahlten Weisheit und eine gewisse Abgeklärtheit aus.
Ich bat meine Gäste sich hinzusetzen und wandte mich dann den Kontrollen zu. Schnell gab ich die Koordinaten des kemetischen Systems ein und betätigte dann die Startschaltung. Das Raumschiff verließ das vierdimensionale Standarduniversum, um fast in Nullzeit am Ziel wieder aufzutauchen.
Hinter mir hörte ich Rhodan tief Luft holen. »Eine beeindruckende Art zu reisen. Ich nehme mal an, dass du mir nicht die Konstruktionsunterlagen aushändigst?«
Ich drehte mich und schaute in Rhodans Gesicht. »Nein«, entgegnete ich mit einem Lachen. »Wir besitzen gar keine Unterlagen. Wir haben die Geräte fertig geliefert bekommen und nur eingebaut.«
»Ihr habt einfach eine fremde Technik eingebaut?«, fragte Rhodan nachdenklich. »Einfach so? Das birgt aber eine Menge Risiken.«
»Du hast aber gesehen, welche Vorteile uns diese Technik liefert. Wenn du willst, zeige ich dir später einige dieser Aggregate.«
»Aber gerne doch. Ich bin nämlich ein absoluter Techniknarr«, mischte sich Reginald Bull ein.
Ich fing an zu lachen und wandte mich wieder den Kontrollen zu. Das Schiff war auf der Umlaufbahn des vierten Planeten, Kemet, im System der Sonnen Ré und Ra, wieder ins Standarduniversum zurückgekehrt. Ich leitete das Bremsmanöver ein und landete kurze Zeit später auf dem Raumhafen.
»Wir sind da«, sagte ich mit einer feierlichen Stimme. »Willkommen auf Kemet.«
Das kleine Raumschiff setzte leise wie eine Feder auf. Osiris erhob sich und schaute mich an. Ein kleines Lächeln umspielte die Lippen des Kemeten. »Folgt mir.«
»Wohin bringst du uns?«, fragte Denise Joorn neugierig, als wir das Schiff verlassen hatten.
Osiris rief über sein Armbandfunkgerät einen Gleiter herbei. »Zum Berg der Schöpfung.«
Ich blieb wie erstarrt stehen. »Willst du mir sagen, dass es hier auf Kemet einen Zugang zu Tiefe gibt?«
Osiris schaute mich verblüfft an und fing dann an zu lachen. »Nein. Hier auf Kemet gibt es keinen Zugang zur Tiefe. Jedenfalls wäre mir das neu.« Er deutete zum Horizont zu einer Bergkette. »Siehst du den hohen Berg dort drüben?«
Als ich nickte, fuhr der Kemete fort zu erzählen:
»Das ist der Berg der Schöpfung auf Kemet. Laut den alten Mythen unseres Volkes ist dort der Ursprung unseres Lebens zu finden. Und dieser Mythos ist sogar Wirklichkeit. Der Ursprung unsere Existenz liegt auf diesem Berg.«
Inzwischen war der Gleiter, den Osiris angefordert hatte gelandet und die noch lebenden Kemeten: Horus, Anubis und Isis stiegen aus.
Seth war nicht dabei. Er befand sich in einem Zellentrakt unterhalb der Amun-Pyramide.
Nach dem wir uns gegenseitig begrüßt hatten, stiegen wir in den Gleiter und hoben ab. Horus saß an den Kontrollen und steuerte den Gleiter in Richtung der Bergkette.
Während Reginald Bull Denise Joorn über die Geschehnisse aufklärte, die Atlan und Jen Salik in der Tiefe erlebt hatten, wandte ich mich an Osiris: »Und was ist so besonderes an diesem Berg? Ich meine, was willst du uns hier zeigen?«
Der Kemete deutete aus dem Fenster. »Schau aus dem Fenster und sieh selbst.«
Ich tat wie geheißen und musste erst mal schlucken. Die Spitze des Berges musste vor Jahrtausenden einfach entfernt worden sein. Dadurch war eine riesige Ebene entstanden. An der Nordseite der Ebene türmte sich ein Gebirge auf, während es an den anderen drei Seiten steil bergab ging. In der Mitte der Ebene befand sich ein imposantes Gebäude, welches golden im Sonnenlicht schimmerte.
»Die Basis dieses Tempels ist ein rechteckiges Gebäude mit einer Kantenlänge von 150 mal 100 Metern und einer Höhe von 50 Metern. Auf diesem Gebäude befindet sich eine Pyramide mit einer Kantenlänge von 100 mal 100 Metern und einer Höhe von knapp 75 Metern.« Osiris gab mir diese Erklärungen.
»Seit wann steht dieses Gebäude hier auf dem Berg?«, fragte Reginald Bull, der zu uns ans Fenster getreten war.
»Seitdem dieser Planet existiert. So wurde es mir gesagt.«
»Von wem?«, fragte Isis überrascht. »Wer wohnt in diesem Tempel?«
»Yenal«, antwortete Osiris mit Ehrfurcht in der Stimme. »Die Wächterin und Chronisten der Kemeten. Die Erschafferin von allem Leben auf diesem Planeten. So heißt es jedenfalls in den Legenden, die vor Urzeiten in unserem Volk kursierten.«
Horus gab ein schabendes Geräusch mit dem Schnabel von sich, stellte aber keine weiteren Fragen, sondern setzte zur Landung neben dem Tempel an. Nachdem der Kemete die Maschinen des Schiffs abgeschaltet hatte, wandte er sich an Osiris. »Und nun?«
»Und nun werden wir dieses Schiff verlassen. Ich habe unser Kommen zwar per Funk angekündigt, aber ich weiß nicht, wann Yenal erscheint.«
Osiris stand auf und begab sich zur Schleuse. Nachdem wir das Schiff verlassen hatten, schaute ich mir den Tempel genauer an. Er war übersät mit Schriftzeichen, die ich nicht entziffern konnte. Ich wollte gerade Denise Joorn zu mir rufen, als ich merkte, wie jemand aus dem Tempel kam.
Es war eine humanoide Frau. Sie war etwa 163 Zentimeter groß und sehr zierlich. Yenal besaß schulterlange Haare und trug einen dunkelfarbigen mit goldenen Streifen versetzten einteiligen eng anliegenden Anzug. Ihre Hände endeten in fünf feinen und kurzen Fingern. Das Faszinierende an ihr waren aber ihre Augen. Sie standen glitzernd wie Riesendiamanten aus den runden Augenhöhlen hervor. Ich kannte solche Augen. Vor einer langen Zeit war ich einem solchem Geschöpf begegnet, welches ebenfalls solche Augen hatte und eins dieser Augen war für Jahrhunderte in meinem Besitz gewesen.
»Laire«, hauchte ich kaum hörbar.
Yenal hatte inzwischen unsere Gruppe erreicht und wandte sich an Osiris. »Sei gegrüßt Osiris, Sohn von Geb und Nut, Mann von Isis, Vater von Horus und Anubis. Es ist lange her, dass wir uns gesehen haben. Ich freue mich dich wiederzusehen, du Größter aller Kemeten.«
Sie sprach mit einer sanften Stimme, die angefüllt war mit Freundlichkeit. Nachdem sie auch die restlichen Kemeten begrüßt hatte, wandte sie sich mir zu.
»Perry Rhodan. Ich bin sehr erfreut dich kennenzulernen«, sagte die kleine Frau und machte einen weiteren Schritt auf mich zu. »Ich habe dich und deinesgleichen seit Jahrhunderten beobachtet und ich bin sehr erfreut, den größten aller Terraner einmal gegenüberzustehen.«
»Gestatte mir eine Frage.«
Yenal nickte und schaute mich weiter interessiert an.
»Diese Augen. Ich habe sie schon mal gesehen. Kennst du …«
Yenal unterbrach meine Frage mit einem Lachen. »Du meinst Laire? Ich kenne ihn. Ich traf ihn, als ich kurz zu Gast in Erranternohre war. Damals steckte Laire noch mitten in seiner Ausbildung. Seitdem habe ich ihn nie mehr gesehen, denn ich war an den verschiedensten Punkten des Universums unterwegs. Im Auftrag der Kosmokraten sollte ich Bastionen errichten, die gegen die Feinde der Ordnungsmächte kämpfen sollten. Irgendwann wurde ich zu dem Kosmokrat Amun zitiert und dieser setzte mich als Wächterin auf dieser Welt ein. Weißt du vielleicht, was aus Laire wurde?«
»Laire wurde hinter die Materiequellen zurück beordert«, entgegnete ich. »Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Das ist schade«, entgegnete Yenal. »Nun denn, wenn ihr mir bitte folgen würdet.«
Sie wandte sich um und ging zum Tempel hinüber. Wir folgten ihr.
Yenal führte uns in einen luxuriösen Wohnraum und deutete auf die Sessel. »Macht es euch bequem.«
Nachdem sich jeder hingesetzt hatte, wandte sich Yenal an Osiris. »Nun? Was kann ich für euch tun? Was führt euch zu mir?«
Osiris sprach, ohne zu zögern. »Ich möchte, dass du meinen terranischen Freunden etwas über die kemetische Geschichte erzählst.«
Ich unterbrach Osiris. »Könnten wir das hinten anstellen? Ich möchte erst was über dich erfahren, Yenal. Wenn du nichts dagegen hast, heißt das.«
»Natürlich nicht. Vielleicht versteht ihr dann sogar die kemetische Geschichte besser. Denn meine Geschichte ist mit der Geschichte der Kemeten sehr eng verbunden.«
Und so fing Yenal an, zu erzählen.
Auf dem Planeten Negnittög
Die Sonne, die durch das Fenster schien, streichelte mein Gesicht und holte mich sanft aus dem Schlaf. Gähnend streckte ich mich. Mein Gesicht wandte sich dem Körper zu, der neben mir lag. Neben mir lag Htnavylc, mein Geliebter. Er war erst gestern von einer mehrere Monate dauernden Diplomatenreise zurückgekehrt. Wie schön war es, die Blicke aus diesen wissenden Augen zu spüren, die auf mir ruhten. Aber noch schöner war es, seine Hände und seine Lippen zu spüren. Ich seufzte wohlig und quälte mich dann aus dem Bett. Müde tappte ich in die Hygienezelle und duschte erst mal. Danach fühlte ich mich richtig wach.
Mein Blick wanderte zu einem großen Spiegel. Ich sah eine 163 Zentimeter große, zierliche Gestalt mit braunen Augen und dunklen Haaren. So sahen alle Nednevober aus, die führende Rasse in der Galaxis Nesuahsreyer. Htnavylc hingegen entstammte nicht aus meinem Volk und auch nicht aus unserer Galaxis. Seine Heimat war die Galaxis Dnalseirftso, die nur 350.000 Lichtjahre von Nesuahsreyer entfernt lag. Das führende Volk dieser Galaxis waren die Neseirftso, aus welchem auch Htnavylc stammte.
Wir lernten uns auf einer diplomatischen Mission kennen, auf der wir beide dann viele Galaxien und Welten der Mächtigkeitsballung Neshcasredein besuchten. Die Superintelligenz dieser Mächtigkeitsballung war REVONNAH, die schon seit Jahrtausenden für die Kosmokraten arbeitete. Das machte uns ebenfalls zu den Dienern der Kosmokraten und wir machten diese Arbeit gerne. Kosmokraten setzen sich für den Frieden und für die Ordnung ein und das war auch unser Ziel. So kam es, dass wir Aufträge der Kosmokraten entgegen nahmen und diese ausführten.
Ab und zu erschien ein Kosmokrat persönlich auf meiner Heimatwelt Negnittög und suchte sich einige aus meinem Volk aus, damit diese dann Wächteraufgaben für die Kosmokraten übernahmen. Das war die höchste Auszeichnung, die man uns geben konnte und jeder trachtete danach. All diese Sachen schossen mir durch den Kopf, während ich mich anzog. Schnell verabschiedete ich mich mit einem Kuss von Htnavylc, der immer noch selig schlief, um dann meine Wohnung zu verlassen, um zum Verwaltungszentrum von Negnittög zu gehen, von der eine Galaxis regiert wurde. Meine Aufgabe war es, eingehende Funknachrichten aus fünf Galaxien einzusehen, zu bearbeiten und weiterzuleiten.
Ich hatte mich für zwei Jahre vom Außendienst an den Schreibtisch zurückgezogen, um öfter wieder auszuspannen und meine Freizeit zu genießen. Natürlich brachte das auch Nachteile, nämlich die ständigen Trennungen von Htnavylc. Aber auch das ließ sich verschmerzen.
Lächelnd betrat ich das Diplomatengebäude, wurde aber am Empfang aufgehalten.
»Yenal«, begrüßte mich eine der Empfangsdamen freundlich. »Bitte melde dich bei deinem Abteilungsleiter. Er erwartet dich bereits.«
Ich bedankte mich herzlich und eilte in die Chefetage. Während ich durch die endlosen Gänge schritt, überlegte ich, was Tserc, mein Chef, von mir wollte. Völlig außer Atem klopfte ich an dir Tür und eine ruhige und sanfte Stimme bat mich herein.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und betrat das Büro meines Chefs. Ein kleiner, etwas dicklicher Mann schaute mir lächelnd entgegen.
»Guten Morgen Yenal. Schön, dass du hier bist«, begrüßte Tserc mich freundlich. Zu freundlich, wie ich fand.
Nachdem er mir einen Platz angeboten und ich mich hingesetzt hatte, fragte ich, warum ich hierher zitiert worden war.
»Als Erstes möchte ich wissen, wie du zu den Kosmokraten stehst?«, fragte Tserc und ließ mich dabei nicht aus den Augen.
»Ich bin ihnen treu ergeben. Du weißt, dass es für jede einzelne Person aus unserem Volk eine Ehre ist, für die Ordnungsmächte zu arbeiten.«
»Ich sehe, dass du die Wahrheit sprichst. Und was ist mit Htnavylc?«
»Was soll mit ihm sein? Er ist mein Geliebter und ich bin glücklich mit ihm. Auch wenn meine Eltern nicht davon begeistert sind, dass ich eine Verbindung mit ihm eingegangen bin.«
Auf einen Wink hin baute sich ein Holo vor mir auf.
»Ist er das? Ist das Htnavylc?«, wollte Tserc wissen und deutete auf das Holo.
»Ja. Das ist Htnavylc Oso Hgem.« Das war sein voller Name.
»Gut. Dann erkläre mir bitte eins: Wie kann eine treu ergebene Dienern der Kosmokraten eine Verbindung mit einem Diener der Chaotarchen eingehen?«, fragte mein Chef mit einer lauernden Stimme.
»Wie bitte?«, fragte ich völlig überrascht. »Htnavylc? Ein Diener der Chaotarchen? Das ist unmöglich.«
»Du hast doch bestimmt von der Katastrophe auf dem Planeten Nesseh gehört.«
Nachdem ich bejahte, fuhr mein Chef fort: »Millionen Wesen wurden in einem grausigen Anschlag, der von den Mächten des Chaos ausging, ermordet. Heute bekam ich dieses Bildmaterial. Schau es dir an!«
Tserc winkte erneut mit der Hand und vor mir baute sich ein weiteres Holo auf. Es zeigte den Planeten Nesseh. Friedlich und ruhig hing der Planet im Weltraum. Doch plötzlich brachen Hunderttausende walzenförmige Raumschiffe in das System ein und riegelten den Planeten völlig ab. Millionen von Beibooten regneten auf den Planeten ab.
Die Szene wechselte. Das Bild zeigte ein weites Feld, auf dem eins der Beiboote gelandet war. Die Luken des Schiffes öffneten sich und eine ganze Armee von Kampfrobotern verließ das Schiff und eröffnete sofort das Feuer auf alles, was sich bewegte. Als Letztes schwebte eine Antigravplattform aus dem Schiff. Auf dieser stand ein großer Mann. Fast zwei Meter groß und sehr schlank. Ich kannte diesen Körper. In langen endlosen Nächten hatte ich diesen Körper verwöhnt und gestreichelt. Das war wirklich Htnavylc!
Tränen flossen mir über das Gesicht. Ich wollte mich abwenden, ich wollte mir das nicht mehr mit ansehen, aber wie gebannt schaute ich auf das Holo.
Zwei Androiden brachten einen gut gekleideten Mann zu Htnavylc und warfen ihn in den Staub. Ohne die Miene zu verziehen, zog Htnavylc ein Schwert und brachte den Nesseher um, in dem er mit der Waffe den Mann einfach köpfte. Die nächste Szene zeigte Htnavylc, wie er durch die Stadt schritt und wahllos eine Person nach der anderen umbrachte.
Wimmernd brach ich zusammen. Ich bemerkte kaum, wie Tserc das Holo deaktivierte und wie jemand das Büro betrat und mich mitnahm.
Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einer Kabine. Die Maschinengeräusche zeigten mir, dass ich mich auf einem Raumschiff befand. Ich drehte stöhnend den Kopf und sah einen Stuhl, der neben dem Bett stand, auf dem eine vermummte, etwa zwei Meter große Gestalt saß.
»Wo bin ich hier? Wo werde ich hingebracht?«, fragte ich.
»Du befindest dich an Bord der XINU und wir befinden uns auf dem Weg nach Erranternohre.«
»Erranternohre?«, fragte ich.
»Für deine Verbindung zu den Chaosmächten musst du bestraft werden. In Erranternohre wird deine Transformation vollzogen werden und du wirst als Dienern der Kosmokraten ewig für die Ordnungsmächte arbeiten. Bis in alle Ewigkeiten.«
»Was ist mit Htnavylc?«, fragte ich.
»Er ist uns entkommen. Aber wir werden ihn finden.« Der Mann stand auf und verließ ohne noch ein Wort zu sagen die Kabine.
Tränen flossen mir über das Gesicht und sie flossen immer noch, als man mich abholte und in ein Labor brachte. Hier wurde der Prozess eingeleitet, der mich zu einer Dienerin der Kosmokraten machte. Jahrzehntelang wurde an mir rumgedoktert. Jahrzehntelang war ich am Lernen. Ich dachte kaum noch an Htnavylc, nur noch der Frieden war mein Ziel.
Am Ende meiner Ausbildung reiste ich durch das Universum und erledigte Hunderte von Aufträgen für die Kosmokraten. Bis mich eines Tages der Kosmokrat Amun zu sich bestellte. Er nahm mich mit in eine Galaxis, die eines Tages unter dem Namen Chepri bekannt werden würde und noch später unter dem Namen Cartwheel. Amun zeigte mir mein neues Aufgabengebiet: eine riesige Staubwolke.
*
»So gelangte ich in die Galaxis Chepri oder Cartwheel«, schloss Yenal ihre Erzählung ab.
Beeindruckt schauten wir die kleine Yenal an. Nachdem sie einen Servoroboter angewiesen hatte, Getränke zu servieren, fuhr sie fort: »Jetzt komme ich zur Geschichte der Kemeten.«
Gespannt hörten wir zu. Ich spürte, dass wir große kosmische Zusammenhänge zu hören bekommen würden.
*
Ich kam auf diesen Planeten, als die ersten Barbaren sich zusammenrotteten. Die ersten Werkzeuge wurden gerade erst erfunden. Noch war ich ratlos, was ich machen sollte. Vorsichtig fing ich an, Legenden zu verbreiten, die von den Sternen erzählten. Legenden von Amun. Ich half, wo ich konnte. Durch die Werkstätten, hier in meinem Haus, konstruierte ich zwei Androiden, die sich unter das Volk mischen sollten, um den Eingeborenen zu helfen.
Es sollte jedoch beinahe 71.000 Jahre dauern, bevor es erste wirkliche Erfolge gab. Zu dieser Zeit fingen die ersten Urkemeten an, sesshaft zu werden. Die ersten Siedlungen entstanden. Die beiden Androiden lehrten, wie man das Feuer nutzen konnte. Außerdem brachten sie den Eingeborenen eine Art Bildschrift bei.
Weitere 6.000 Jahre später entschieden sich die beiden Androiden, den Urkemeten an die ersten Metalllegierungen, wie zum Beispiel die Bronze, heranzuführen.
Ich muss gestehen, dass ich in all dieser Zeit geschlafen habe. Nachdem ich den Androiden ihre Befehle gab, legte ich mich in meine Stasiskammer. 90.000 Jahre schlief ich. Ich wollte von der Welt da draußen nichts mehr wissen.
Und ich war erstaunt, was die beiden Androiden alles geschafft hatten. Die Siedlungen der Urkemeten waren gewachsen. Die ersten Reiche entstanden auf den Kontinenten Antief und Intithep. Der Volksstamm Osrus gründete um 401.500 v. Chr. eurer Zeitrechnung das erste Weltreich, welches jedoch schnell wieder zerfiel. Eine neue Welle der Kriege überzog das Land. Neue Erfindungen wie das Rad und die Kunst Metall zu schmieden, sorgten dafür, dass der technische Fortschritt begann.
Alles war in bester Ordnung und doch war ich geweckt worden. Aber warum? Erst nach einigen Studien erkannte ich, dass die Bedrohung von außerhalb kam.
Ein einzelner Flugkörper war im System der Sonnen Ra und Ré aufgetaucht. Er glich einer kobaltblauen Walze von 100 Meter Länge und 40 Meter Durchmesser. Zielstrebig flog es den Planeten Kemet an und bat mich, Yenal, um Landeerlaubnis.
Ich war verwirrt. Wer außer Amun kannte meinen Namen? Wer außer Amun wusste, wo ich war? Zögernd gab ich die Landeerlaubnis. Sanft wie eine Feder senkte sich die Walze auf das Plateau. Ich war neugierig, wen Amun da geschickt hatte. Doch als sich eine Luke im Schiff öffnete und eine fast zwei Meter große Gestalt das Schiff verließ, bekam ich einen Schock.
Es war Htnavylc. Htnavylc mein ehemaliger Geliebter. Er hatte sich überhaupt nicht verändert. Zwei Meter groß und schlank. Das hagere Gesicht wurde immer noch von den schulterlangen dunkelblonden Haaren umrahmt. Zwei grau-grüne, wissende Augen schauten sich wachsam um.
Ich konnte keinen Schritt mehr machen. Wie gebannt schaute ich auf meinen ehemaligen Geliebten, der langsam auf mich zukam. Mit jedem Schritt spürte ich die machtvolle Aura, die von ihm ausging.
»Htnavylc Oso Hgem!«, hauchte ich seinen vollständigen Namen, als er direkt vor mir stand.
»Das war einst mein Name«, sagte er mit machtvoller Stimme, die mir eine Gänsehaut bescherte. »Doch heute, zauberhafte Yenal, heute lautet mein Name Htnavylc Crux.«
Noch ehe ich fragen konnte, was es mit diesem Namen auf sich hatte oder wie er mich hatte finden können, schlang er seine Arme um mich und küsste mich. Noch in derselben Nacht schliefen wir miteinander.
Ich kümmerte mich kaum noch um die Bevölkerung des Planeten. Nur meine Liebe zu Htnavylc zählte. Er erzählte mir, dass er inzwischen in den Rang eines Crux erhoben wurde. Die Crux seien wichtige Gewährsmänner der Chaosmächte. Ich erzählte ihm ein wenig von meinen Aufträgen, die ich im Namen der Kosmokraten ausführte. Und in den Pausen, wo wir nicht redeten, da liebten wir uns.
Die Entwicklung auf dem Planeten ging auch ohne meine Mitarbeit weiter. Nach dem Reich Osrus bildeten sich andere Reiche. Weltreiche, die bevor sie richtig aufblühten, schon wieder untergingen. Die beiden Androiden lieferten an allen Ecken der Welt Aufbauarbeit. Dem Kemeten Bolly brachten sie dazu, das Schießpulver zu »erfinden«. Zu dieser Zeit fingen verschiedene Geistliche an, die Religion des Amun-Ré zu verbreiten. Viele behaupteten, sie hätten in ihren Träumen eine zwei Meter große humanoide Gestalt mit schwarzen Haaren und blauvioletten Augen gesehen. Durch das Reich Horitep wurde der Amun-Ré-Kult zur Staatsreligion.
Als herausragender Kemete dieser Zeit galt Narmer. Er einigte die Reiche. Unter ihm ging es dem Volk so gut wie nie. In dieser Zeit wurde auch das Industriezeitalter eingeleitet. Und im Jahr 388.100 v. Chr. nach terranischer Zeitrechnung wurde dann eine einheitliche Zeitrechnung eingeführt. Es begann das Jahr 1 Ré.
Mich interessierte das alles nicht. Tag und Nacht liebten Htnavylc und ich uns.
Zum Glück waren wir beide unsterblich. Und wenn nichts schief ging, dann würden wir uns noch für Jahrtausende lieben. Oder gar für Jahrmillionen.
Es war ein sonniger Tag im Jahre 100 Ré. Eng aneinander gekuschelt saß ich mit Htnavylc auf der Terrasse vor meinem »Tempel«. Zärtlich glitten sowohl die Sonnenstrahlen als auch die Hände meines Geliebten über meinen Körper.
»Du wolltest mir gestern Abend noch was sagen«, sagte ich mit leiser Stimme.
Htnavylc richtete sich auf und schaute mich an. »Komm mit mir und verlasse diesen Planeten. Lass uns ein Leben außerhalb der Hohen Mächte des Universums führen.«
Erwartungsvoll schaute er mich an.
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.« Ich seufzte. »Mein Leben gehört den Kosmokraten. Und du weißt, wie brutal sie sein können, wenn man sich ihren Befehlen widersetzt.«
Er legte mir eine Hand auf die Schulter. Gedankenverloren ließ ich meinen Blick schweifen. Nur zu gerne würde ich diesen Planeten verlassen. Mein Blick fiel auf die Häuser der Hauptstadt. Die Kemeten hatten sich prächtig entwickelt. In allen Bereichen wurden Fortschritte erzielt.
Die ersten Satelliten umkreisten den Planeten und in wenigen Tagen würde das erste bemannte Raumfahrzeug den Planeten verlassen. Nach unzähligen unbemannten Schiffen und Sonden, die man durch das System geschickt hatte, würde nun endlich der erste Kemete seinen Heimatplaneten verlassen und in den Weltraum vordringen.
Aber interessierte mich das überhaupt? Nicht wirklich.
Meine Augen und meine Gedanken wandten sich wieder Htnavylc zu. Zärtlich küsste ich ihn und gemeinsam versanken wir wieder in einer Welle der Leidenschaft. Es hätte ewig so weiter gehen können. Was interessierten mich denn diese Hinterwäldler auf diesem gottverdammten Planeten? Sie würden ihren Weg machen. Sie würden erst ihr Sonnensystem erobern, dann die Galaxis und dann vermutlich das Universum. Wozu brauchten sie noch mich? Yenal? Wächterin über einen Planeten, der gut auf sich alleine aufpassen konnte. All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich in Htnavylcs Armen versank und an seinen Lippen trank. Eng umschlungen gingen wir zu unserer Stasisliege und versanken dort in unserer Leidenschaft.
Doch als wir wieder aufwachten, nach Jahren in der gemeinsamen Stasiskammer, hatte sich die Welt weiter gedreht.
Ein Schrillen drang in mein Bewusstsein. Sekundenlang versuchte ich mich zu orientieren, bis mir klar wurde, dass es das Signal war, das ankündigte, dass Amun nach Kemet kam. Ich griff neben mich und schüttelte meinen Geliebten an der Schulter.
»Wach auf Htnavylc!«, rief ich. »Du musst dich verstecken. Amun kommt nach Kemet.«
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, sprang er auf, nahm seine Sachen und verschwand. Keine Sekunde zu früh, denn vor mir fing die Luft an zu flimmern und innerhalb weniger Sekunden schälten sich die Umrisse eines humanoiden Körpers aus dem Nichts. Gespannt schaute ich dem Prozess zu und ließ mich gleichzeitig von der Aura gefangen nehmen, die den Raum füllte.
»Yenal!« Wie das Grollen eines Gewitters überspülte mich die Stimme. »Ich bin enttäuscht von dir. Du hast versagt. Sieh her, was du angerichtet hast.«
Unfähig mich zu bewegen oder was zu sagen, schaute ich auf die Kugel, die sich vor mir aufbaute.
Es hatte sich viel getan, während ich mit meiner Romanze beschäftigt gewesen war.
Nachdem die Kemeten das Sonnensystem erforscht hatten, griff man zu weiter entfernten Sternen. Das erste Volk, das man kennengelernt hatte, waren die Hersi'Thor. Es kam zu einem beidseitigen Pakt. Die Kemeten entschlossen sich damals, an der Seite der Hersi'Thor gegen die Shak'Arit zu kämpfen. Aber erst Chnoms gelang ein dauerhafter Friede, der sich über die ganze Galaxis erstreckte. Und doch kam es immer wieder zu Kämpfen mit den anderen Völkern der Galaxis. An erster Stelle waren da die Rok'Selkur und die Gorians zu nennen. Doch auch hier schaffte man Frieden. Aber das Imperium der Kemeten, was zu dieser Zeit 412 Systeme umschloss, zerfiel und fiel komplett in die Hände der Rok'Selkur.
Erst einem jungen Kemeten namens Ptah gelang es durch eine Rebellion, Kemet wieder zu befreien. Er stellte den galaktischen Frieden wieder her und brachte das kemetische Imperium zu neuem Glanz.
Wenige Jahre später erschien Amun auf der Bildfläche und verlieh Ptah einen Zellaktivator. Er weihte das neue Oberhaupt der Kemeten in die Geheimnisse des Kosmos ein und gab ihm eine neue Aufgabe: Er sollte innerhalb von 5000 Jahren die Galaxis einen und aus Chepri einen Hort des Friedens und der Sicherheit machen.
Außerdem ging es darum, dass die Kemeten die neuen Wächter des Kosmonukleotids TRIICLE-3, welches sich in unmittelbarer Nähe zur Galaxis Chepri befand, werden sollten. Ptah sollte schnell handeln. 5000 Jahre Zeit und nicht ein Jahr mehr hatte er, denn dann musste bereits mit den ersten Angriffen der Chaosmächte gerechnet werden. Doch Ptah ließ sich nicht beirren. Er ging diese Aufgabe mit einem wahren Feuereifer an. Als Erstes wurde Planet Cepri, in unmittelbarer Nachbarschaft zu TRIICLE-3, das die Kemeten auch Udjat nannten, besiedelt und zur Festung ausgebaut. Auf Kemet fing Ptah mit dem Bau der Amun-Pyramide an und schaffte es tatsächlich innerhalb von 5000 Jahren die Galaxis zu einigen und zur Festung auszubauen.
Ich schüttelte mich. All das sollte ich verschlafen haben? Unglaublich.
Amuns Blick schien mich zu durchbohren. »Und was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen? Warum warst du nicht erreichbar?«
»Ich … ich …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Schau mich an!«, forderte Amun mich auf.
Gehorsam hob ich die Augen und schaute dem Kosmokraten in die Augen. Mir wurde schwindlig und schwarz vor Augen. Als ich wieder zu mir kam, war Amun verschwunden. Rastlos lief ich durch das Zimmer. Die Sorge um meinen Geliebten wurde übermächtig in mir und meine Sorgen sollten berechtigt sein.
Wenige Minuten später kehrte Amun zurück und über seiner Schulter hing ein schlaffes Bündel. Htnavylc. Der Kosmokrat warf den schlaffen Körper vor meine Füße und schaute mich an.
»Yenal! Kleine Yenal.« In seiner Stimme schwang eine gewisse Fröhlichkeit mit. »Wir hatten so viele Hoffnungen in dich gesetzt und dann betrügst du uns mit so etwas.« Seine Hand zeigte auf Htnavylc. »Aber andererseits muss ich dir schon dankbar sein. Denn ohne deine Hilfe hätten wir diesen Verbrechner nie in die Hände bekommen.«
Er beugte sich über meinen Geliebten und drehte in auf den Rücken. Anschließend befestigte er mehrere Elektroden an seinem Kopf und lehnte sich zurück.
Ich konnte der dabei nur zuschauen. Ich wollte schreien, mich auf Amun stürzen, meinen Geliebten verteidigen, aber ich konnte weder etwas sagen, noch konnte ich mich von der Stelle rühren.
Und so fing Htnavylc an zu reden. Er erzählte von verschiedenen Plänen der Chaosmächte. Von den Plänen zur Übernahme von TRIICLE-3. Von einer Entität mit dem Namen APEP-SUATEK. Vom Volk der Terraner, die unbedingt vernichtet werden müssen. Vom Ende der Ewigkeit. Von einer Superintelligenz mit dem Namen ES. Von einem Thoregon, das einst mit den Kosmokraten zusammenarbeiten würde. Von den Helioten. Von den Astralsängern von MIH. Von einer Wesenheit namens DORGON. Von Schwärmen und Cynos. Von Leben und Tod. Von dem mächtigen MODROR, dessen Name überall Furcht auslöst. Selbst hinter den Materiequellen.
Ich konnte nur danebenstehen und staunen. Mehr als sechs Stunden dauerte dieses Verhör schon und noch immer gab es kein Ende. Besonders interessant erschienen Amun die Details über die dunklen Geburten und die Nekrophoren. Doch irgendwann brach Htnavylc zusammen.
Amun schaute mich an. »Er war sehr hilfreich, dein Freund. So viele Informationen. Man sollte meinen, die Chaosmächte wären vorsichtiger geworden in solchen Sachen.« Er stand auf und streckte seinen Projektionskörper. »Wollen wir diese Sache zu einem Ende bringen. Ich werde dich nicht bestrafen, weil du wertvoll für uns bist. Aber du musst eines tun, um dich reinzuwaschen.«
Er griff nach einem Gegenstand, der auf dem Boden lag, und warf ihn mir zu. Reflexartig fing ich ihn auf und erkannte Htnavylcs Schwert. Amun hob Htnavylc hoch und bot mir seinen Hals an.
»Töte ihn!«, forderte er. »Töte ihn auf der Stelle!«
Ich wollte das Schwert fallen lassen und wegrennen, aber der Blick des Kosmokraten fing mich und hielt mich fest.
»Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen«, entgegnete er mit leiser Stimme.
Ich konnte regelrecht spüren, wie alles Leben aus mir wich. Langsam, fast wie in Zeitlupe, hob ich das Schwert und ließ es dann niedersausen.
Obwohl ich die Augen geschlossen hatte, konnte ich spüren, wie das Schwert in die Haut eindrang, wie Sehnen und Muskeln durchtrennt wurden. Nervenbahnen und Blutgefäße stellten kein Hindernis dar.
Und irgendwann, nach Sekunden oder Jahrhunderten, war ich durch. Ich spürte, wie die Lähmung von mir wich und das Leben in meinen Körper zurückkehrte.
Langsam öffnete ich die Augen und sah den Körper von Htnavylc auf dem Boden liegen. Blut floss aus dem Halsstumpf und verteilte sich über den Fußboden. Wenige Meter entfernt lag der Kopf meines Geliebten. Seine Augen waren offen und in ihnen konnte man, selbst jetzt, wo er tot war, noch zwei Sachen erkennen. Liebe und Verständnis. Weinend brach ich zusammen.
»Lebewesen!« Fast verächtlich sagte Amun das.
Ich merkte nicht mehr, wie er mich und den Körper Htnavylcs mitnahm. Ich spürte nur ein kurzes Ziehen in meinem ansonsten gefühllosen Körper. Dann kam eine schwarze Leere auf mich zu und dann gar nichts mehr.
Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, war der Weltraum. Ein Weltraum, der in Flammen stand. Raumschiffe explodierten. Leben wurden ausgehaucht. In meinem Kopf hörte ich Millionen Schreie und die Stimmen sterbender Kemeten.
»Ganz ruhig. Entspanne dich.« Amuns leise Stimme klang zufrieden.
»Was ist passiert?« Ich drehte mich um und schaute den Kosmokraten an. »Ich bin Yenal, eine Dienerin der Kosmokraten. Was habt ihr mit mir gemacht? Solche Fähigkeiten habe ich früher nicht besessen.«
»Wir haben deinen Originalkörper getötet, nachdem wir feststellen mussten, dass deine Gedanken immer wieder zu Htnavylc zurückkehrten. Das ist für eine Kosmokratendienerin im höchsten Maße uneffektiv. Daher haben wir uns entschlossen, aus deinen Zellen eine neue Yenal zu klonen. Eine Yenal, die uns nicht mehr enttäuschen wird. Eine Yenal mit neuen Fähigkeiten.«
Amun sagte das, wie jemand der über das Wetter redete.
Ich wollte ihn anschreien, doch der Kosmokrat ließ mich nicht mal Luft holen. »Dein Einsatzgebiet ist immer noch Chepri. Bereits drei große Invasionen konnten die Völker von Chepri abwehren. Der erste Angriff erfolgte durch die Superintelligenz namens APEP-SUATEK im Auftrag von MODROR. Der zweite Angriff erfolgte durch die Hilfsvölker von MODROR. Der dritte Angriff kam dann durch die negative Superintelligenz HELRATOR. Über Jahrhunderte gingen die Gefechte und HELRATOR und APEP-SUATEK schienen eine Niederlage einstecken zu müssen. Doch dann wendete sich das Blatt und die beiden Wesenheiten eroberten Udjat. Doch die Kemeten gaben nicht auf. In langen Rebellenkämpfen schafften sie die Rückeroberung von TRIICLE-3. Eine lange Zeit des Friedens folgte, in der die Kemeten ihre Wunden pflegen mussten.
Ptah hatte schon lange vorher seine Unsterblichkeit aufgegeben und war in die Amun-Re-Pyramide aufgegangen. Mittlerweile mit Kosmokratentechnik ausgerüstet, stellte dieses imposante Bauwerk den Lebensmittelpunkt der Kemeten da. Es kontrollierte alles auf Kemet, egal ob es das Wetter war oder die persönlichen Bedürfnisse der Kemeten. Doch Ptah war nicht der letzte unsterbliche Kemete. Schu und Tefnut, beides Kinder von Ptah, bekamen ebenso einen Zellaktivator wie Geb und Nut, die Kinder von Schu und Tefnut waren. Schu und Tefnut starben in den Kämpfen um TRIICLE-3. Die letzten Unsterblichen Kemeten waren also Geb und Nut. Sie führten über Jahrtausende die Kemeten und verteidigten Udjat erfolgreich. Bis heute.
Denn inzwischen griff MODROR erneut nach dem Kosmonukleotid. Seine Truppen überrannten förmlich die Galaxis. Beide Seiten mussten sehr hohe Verluste einstecken und dennoch gelang es den Truppen von MODROR, die Kontroll- und Eintrittsstation von TRIICLE-3 zu erobern. Das wäre eigentlich das Ende aller kemetischen Bemühungen gewesen, doch gelang es einer Handvoll Kemeten, die Station mittels kosmokratischer Technik abzuriegeln. Dadurch entstand ein Status quo. Die Kemeten konnten nicht rein, weil sie zu wenige Leute hatten, um noch eine große Offensive zu starten, und die Truppen von MODROR, abgeschnitten vom Nachschub konnten nicht hinaus. 500 Jahre sollte dieser Zustand andauern.«
Amuns Stimme echote in mir nach. Ich schaute den Kosmokraten an, doch dieser war völlig mit den Kontrollen seines Raumschiffes beschäftigt.
»Und was soll nun meine neue Aufgabe sein?« Ich hasste es, wenn meine Stimme schüchtern klang, und seufzte innerlich.
Amun drehte sich nicht um, als er antwortete. »Dieselbe wie immer. Du bist die Wächterin der Kemeten. Nicht mehr! Nicht weniger! Und nun sei still. Wir landen gleich.«
Sanft wie eine Feder landete das kleine Kosmokratenschiff auf dem Landeplatz. Kaum hatten wir das Schiff verlassen, traten Geb und Nut auf uns zu.
»Egal was ihr mir zu sagen habt, es interessiert mich nicht.« Amuns Stimme war voller Zorn. »Seit 500 Jahren befindet sich UNATOR, die Kontroll- und Entrystation von TRIICLE-3, in der Gewalt der Truppen von MODROR. Und was macht ihr? Seit 500 Jahren sitzt hier herum und begnügt euch mit diesem Status quo. Das ist nicht duldbar. Darum verbreitet diese Nachricht: Ich schenke 10 Zellaktivatoren an diejenigen, denen es gelingt, die Station zu zerstören und Udjat wieder zu befreien. Tut ihr das nicht, wird das euer aller Ende sein. Dieses Ende werde nicht ich bescheren. Ich mag zwar streng sein, doch kein Teufel. Kämpft ihr nicht um eure Heimat, wird MODROR euch vernichten!«
Mit diesen Worten drehte sich Amun um, ging zurück in sein Schiff und startete.
Und auch ich drehte mich um und machte mich auf den Weg zum Berg. Zurück in die Behausung, in der einst meine »Schwester« gelebt hatte.
Geb und Nut hingegen taten das, was Amun ihnen aufgetragen hatte: Sie verkündeten die Botschaft von Amun. Und schnell waren einige Freiwillige gefunden, auch wenn Geb und Nut nicht sonderlich begeistert waren. Es handelte sich dabei um die vier Kinder von Geb und Nut, Osiris, Seth, Isis und Nephtys. Dazu kamen noch die Kemetin Hathor und der Hersi'Thor Thot, die Kemetin Selket und der seltsame Rok'Selkur Apophis. Einige weitere schlossen sich dieser Gruppe an. Und was niemand unter den Kemeten für möglich hielt, wurde war: Es gelang der kleinen Truppe, die Station zu vernichten und Udjat zu befreien. Und auch AMUN hielt sein Versprechen und machte die 8 Kemeten unsterblich. Darüber hinaus bekam Osiris zwei Zellaktivatoren zur freien Verfügung.
Die nächsten Jahrhunderte waren weniger von Kriegen als von der politischen Situation auf Kemet geprägt. Sowohl Osiris und Isis als auch Seth und Nephtys heirateten. Nut und Geb gaben ihre Zellaktivatoren auf und gingen in die Amun-Re-Pyramide auf. Dazu wurden die Kinder Anubis (von Osiris und Nephtys) und Horus (von Osiris und Isis) geboren. Da Isis und Nephtys genetisch bedingt keine Kinder austragen konnten, wurden sie künstlich gezeugt. Man vermischte sogar die beiden DNS mit den Genen anderer Völker aus Cartwheel, um ein Zeichen zu setzen. So sind zwei völlig neue Wesen entstanden. Horus, der Kemet-Hersi'Thor und Anubis der Kemet-Shak'Arit. Beide erhielten, als sie erwachsen geworden waren, die restlichen beiden Zellaktivatoren.
Doch auch der Kampf um Udjat ging weiter. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen, die schließlich in die letzte Schlacht mündeten. Erneut erfolgte ein Ansturm von MODRORs Truppen und diesmal gingen sie mit nie gekannter Brutalität vor.
Die Armeen unter der Führung eines gewissen Rodrom verwüsteten Chepri und fast alle Existenzen starben einen grausamen Tod. Rodrom und seine Hilfsvölker – raumfahrende Vampire, die das Blut ihrer Opfer aussaugten – kannten keine Gnade.
Und das Schlimmste, es gelang ihnen sogar Udjat zu erobern. Diesmal vollständig. Ohne eine Chance auf Rettung verkrochen sich die noch überlebenden Kemeten zurück im Kemetsystem und versteckten es in einer Hyperblase. Doch sie wussten auch, dass sie hier nicht lange bleiben konnten.
In dieser Stunde erschien erneut Amun und bot den Kemeten seine Hilfe an. Zusammen mit dem Kosmokraten bauten wir in größter Eile UTRANS-Generatoren, mit deren Hilfe wir es schafften, das gesamte Kemetsystem in eine fremde Galaxis zu versetzen.
*
Schweigen breitete sich aus.
Yenal drehte sich um und schaute jeden an, der in diesem Moment bei ihr war. »Das war der erste Teil der kemetischen Geschichte. Entschuldigt bitte, dass ich soweit ausgeholt habe, aber ich dachte mir, dass es notwendig war.«
Als Perry Rhodan aufbegehren wollte, stoppte Yenal ihn mit einer Handbewegung. »Nein, Perry Rhodan. Die Zeit drängt. Und vor allem du hast weitaus weniger Zeit, als dir lieb ist. Ich werde mich im zweiten Teil kürzerfassen.«
Und so fing Yenal erneut an zu erzählen.
*
Der Transfer war beendet. 500 Millionen Lichtjahre von der Galaxis entfernt, die die Kemeten unter meiner und Amuns Kontrolle und Leitung geformt hatten. Die Arbeit von Jahrtausenden war vernichtet. In Sekunden.
Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment, als zwei Tage nach dem Transfer Osiris zu mir kam und meinen Rat haben wollte. Doch ich konnte ihm keinen geben. Für mich selber war diese Situation neu. Ich versprach Osiris, mich mit Amun in Verbindung zu setzen, um neue Instruktionen anzufordern.
Mit dieser Aussage begnügte sich Osiris. Was weder ich noch der unsterbliche Kemete damals wissen konnten, war, dass wir sehr lange darauf warten mussten. Mehr als 100.000 Jahre, um genau zu sein.
Die Kemeten machten das Beste aus ihrer Situation. Einige Welten wurden kolonisiert, doch die meisten Kemeten blieben im Kemetsystem, welches mittlerweile fest im Hyperraum verankert war.
Doch Osiris wollte sich nicht so leicht geschlagen geben. Er fing an, das Netz der Sternenportale zu nutzen, um Verbündete zu suchen. Es blieb jedoch nur bei Experimenten. Viele Völker in den umliegenden Galaxien waren mit ihren eigenen Problemen beschäftigt.
Unter einigen primitiven Völkern ließen sie den Glauben an sie selbst wachsen. Sie erzählten Geschichten und inspirierten die Völker in ihrer Religion. So auch in der Galaxie, die später den Namen Dorgon tragen sollte. Osiris hegte die Hoffnung, dass das Vermächtnis ihres Volkes auch von Bestand sein würde, wenn sie längst nicht mehr da sein würden.
Er hoffte, neue, tatkräftige Völker würden irgendwann Chepri zurückerobern. An diese Hoffnung klammerte er sich Jahrzehntausende. Doch es gab keine Gegenoffensive.
Die Kemeten selbst hatten auch kein Interesse mehr daran.
Die große Amun-Ré-Pyramide wurde zum Mittelpunkt ihrer Welt. Die einfachen Kemeten fingen an, sich mehr mit dem philosophischen Wesen des Seins zu beschäftigen. Zwar versuchten die unsterblichen Kemeten, gegen diese Richtung zu wirken, aber großen Erfolg hatten sie nicht. Immer mehr Kemeten fingen an, sich zu vergeistigen. Sie fingen an, den Weg zur Superintelligenz zu beschreiten. Auch die Kemeten, die auf anderen Welten siedelten, kehrten zurück und die Welten wurden wieder aufgegeben.
Zu diesem Zeitpunkt kehrte Amun zurück nach Kemet. 104.000 Jahren waren seit dem Transfer vergangen.
Er und Osiris trafen sich auf dem Berg der Schöpfung. Amun erzählte uns, was in den letzten 104.000 Jahren in Chepri passiert war. Die Kemeten, die nicht mehr gerettet werden konnten, strandeten auf einigen Planeten, wo sie sich mit den Eingeborenen vermischten und diese in ihrer Weiterentwicklung unterstützen. Doch nachdem die letzten Kemeten starben, gerieten sie in Vergessenheit und die Völker von Chepri gingen ihre eigenen Wege. Das Volk der Nesjorianer war nach einigen Tausend Jahren genetischer Veränderung mit einer Flotte nach Udjat aufgebrochen und hatte es zurückerobert. Die Rekrutierung eines neuen Wächtervolkes sei bereits im Gange. Sie würde aber wohl nach sterblichen Maßstäben Jahrzehntausende dauern.
Amun teilte Osiris auch mit, dass die Kosmokraten im Moment keine Verwendung für die Kemeten mehr hatten. Osiris nahm das Urteil erstaunlich gefasst auf. Er akzeptierte das Urteil von Amun. Außerdem bat er um weitere Instruktionen. Und Amun gab ihm sogar welche. Sie sollten sich bereithalten, denn irgendwann würden die Kemeten noch einmal gebraucht. Und außerdem sollten sich die Kemeten niemals in die Geschicke der Völker dieser Galaxis einmischen. Unter gar keinen Umständen. Dies sei nämlich die Galaxis der Superintelligenz ES. Nach diesen Instruktionen verschwand Amun so spurlos, wie er aufgetaucht war. Und ich und Osiris gingen wieder getrennte Wege. Für Jahrtausende.
Osiris hielt sich an die Weisung von Amun. Zwar verließen er und die anderen unsterblichen Kemeten ab und zu den Planeten mit einem Raumschiff, um durch die Galaxis zu reisen, aber nie wurden sie entdeckt. Durch die Daten, die Osiris an mich weitergeben hatte, gelang es auch mir, mir ein besseres Bild von dieser Galaxis zu machen. Besonders interessant war ein namenloser Planet in einem Seitenarm der Galaxis. Es handelte sich um dritten Planeten einer gelben Sonne. Das erstaunlichste war das 6-dimensionale Kraftfeld, das diesen Planeten umgab. Wie ein Juwel funkelte dieser Planet auf den entsprechenden Orteranlagen. Von Amun wusste ich, dass es sich um den Planeten handelte, auf dem einst ein Volk namens Terraner beheimatet sein sollte. Die Terraner sollten einst das Hilfsvolk der Superintelligenz ES werden.
Die Jahre vergingen. Aus Jahren wurden Jahrzehnte. Aus Jahrzehnten Jahrhunderte. Aus Jahrhunderten Jahrtausende. Jahrtausende voller Frieden. Immer mehr Kemeten gingen in die Amun-Ré-Pyramide auf.
Wäre zu dieser Zeit – ca. 60.000 v. Chr. – nicht etwas geschehen, das die Kemeten wieder aufweckte, dann wäre es schon viel früher mit den Kemeten vorbei gewesen. Und das geschah auch.
Apophis weihte Seth in verschiedene Geheimnisse ein. Die negative Superintelligenz APEP-SUATEK, die 374.000 v. Chr. Chepri angriff, hieß in Wirklichkeit Seth-Apophis. Sowohl Seth als auch Apophis waren Agenten dieser Superintelligenz. Aber was noch schlimmer war, Apophis erklärte Seth, wer der wirkliche Vater von Anubis war. Nicht er, Seth, war der Vater, sondern Osiris.
Hasserfüllt erklärte Seth seinem Bruder Osiris den Krieg. Die beiden wollten die Amun-Ré-Pyramide vernichten, um so die Lebensgrundlage der Kemeten zu vernichten. Doch Osiris und seine Freunde wussten dies zu verhindern.
Beide gestanden, Agenten der Macht zu sein, die vor Jahrtausenden die Kemeten in Chepri angegriffen hatte. Während Seth sich reumütig gab, erklärte Apophis, dass er stolz sei, ein Diener von Seth-Apophis zu sein. Er erklärte, dass Seth-Apophis ebenfalls das Kosmonukleotid TRIICLE-9 beherrscht und mit dem mächtigen MODROR zusammengearbeitet hatte. Osiris verbannte seinen Bruder und Apophis zur Strafe für 50.000 Jahre auf die Welt Seshur. Dort sollten die beiden über ihre Vergehen nachdenken. Sollte einer der beiden etwas Negatives tun, wäre das das Ende für die beiden.
Ruhe kehrte in das Kemetsystem ein.
*
7.000 Jahre später, im Jahr 53.000 v. Chr., lebten nur noch 300 Millionen Kemeten. Alle anderen waren bereits in die Amun-Ré-Pyramide aufgegangen. Jeder der noch lebenden Kemeten sehnte sich nach einem Fingerzeig der verstorbenen Kemeten, doch nur Osiris träumte jede Nacht von Path und den verworrenen Wegen in die Zukunft.
Der einzige Zeitvertreib, der den unsterblichen Kemeten noch blieb, war das Beobachten der Erde. Der Krieg zwischen den Lemurern und den Halutern trat zu diesem Zeitpunkt in die entscheidende Phase. Das lemurische Imperium stand vor dem Untergang.
26.000 v. Chr. lebten nur noch 50 Millionen Kemeten. Unterdessen, nach 40.000 Jahren im Exil auf Seshur, fingen Seth und Apophis an, die Kulturen auf Seshur zu beeinflussen. Seth begann, den Kult um Amun-Ré einzuführen, während Apophis versuchte, gegen Osiris zu hetzen. Es kam zum Streit zwischen den beiden Agenten von Seth-Apophis und so baute jeder sein eigenes Reich auf Seshur auf.
6.000 Jahre später erschien Amun erneut auf Kemet. Auch dieses Mal trafen sich der Kosmokrat und der unsterbliche Kemete auf dem Berg der Schöpfung. Amun berichtete Osiris, dass die Kemeten eines Tages wieder eine wichtige Rolle spielen würden. Denn die Wächter von TRIICLE-3 – die Xamouri – würden nicht mehr existieren und die Kemeten müssten vielleicht eines Tages diese Aufgabe wieder übernehmen. Osiris und Anubis bauten deshalb mit meiner Mithilfe eine neue Generation der Pyramidenflotte. 445.000 Schiffe und die Besatzungen aus Shak'Arit-Cyborgs standen wenig später im System bereit.
Aber eins würde zu einem Stolperstein werden und Osiris verzichtete darauf, Amun darüber aufzuklären. Die Kemeten standen vor dem Aussterben. Sie waren einfach nicht mehr genügend, um in kosmokratischen Zeitrechnungen von Belang zu sein.
Auch der Plan, einige Planeten der Milchstraße im Geheimen zu kolonisieren, wurde wieder aufgegeben, denn das Verbot von Amun war allen noch bekannt. Man entschied sich dafür, abzuwarten und dem Untergang der normalen Kemeten zuzuschauen.
Im Jahr 18.315 v. Chr. waren die Arkoniden zur Großmacht in der Milchstraße geworden. Als nur noch wenige Millionen Kemeten lebten, entschloss sich Osiris dazu, Seth und Apophis auf Seshur aufzusuchen.
Dort wurde er als Gott begrüßt, denn die Einwohner bauten Tempel und Pyramiden aus Steinen, sie sprachen die Sprache der Kemeten und schrieben ihre Zeichenschrift. Das war das Werk von Seth und Apophis. Doch die Seshuren waren zu dieser Zeit uneinig und zerstritten. Auf der einen Seite die Anhänger des Amun-Ré und auf der anderen Seite die von Apophis. Sie waren zu jenem Zeitpunkt jedoch noch viel zu primitiv, um technologische Fortschritte zu erzielen. Osiris erließ die Strafe für Seth und versuchte gemeinsam mit seinem Bruder, die Seshuren als Nachfolgevolk der Kemeten aufziehen.
Osiris hoffte, dass er so ein neues kemetisches Imperium gründen könnte.
1860 Jahre später hatten sich die Seshuren zu großen Reichen vereint und der Kult um Osiris war zu dieser Zeit enorm. Seth wurde dadurch eifersüchtig, denn schließlich war es in seinen Augen sein Verdienst. Auch seine Frau Nephtys konnte ihn nicht beruhigen. Doch Apophis schlug zuerst zu. Ihm gelang es einige Seshuren zu rekrutieren und wenige Kemeten in seinen Bann zu schlagen. Zusammen mit denen brachte er 200.000 Pyramidenschiffe der Shak'Arit unter seine Kontrolle. Er stationierte sie an einem verborgenen Ort. Als er die nächsten Schiffe und Shak'Arit-Androiden stehlen wollte, kam ihm Osiris dazwischen. Apophis Anhänger wurden geschlagen und der Agent der negativen SI wurde in ein unterirdisches Gefängnis auf Seshur verbannt. Dort wurde er in ein Stasefeld gelegt und lebendig begraben. Für alle Zeiten. So lautete jedenfalls der Urteilsspruch.
Osiris und Horus lenkten die Entwicklung der Seshuren sehr gut. Jedoch brauchten sie noch Jahrtausende, um den Stand der Kemeten von einst zu erreichen. Seth wurde immer wütender auf Osiris und wollte selbst die Kontrolle über Seshur erlangen. Die Suche nach den Pyramidenschiffen, die Apophis gestohlen hatte, blieb erfolglos. Seth begann dann eigenmächtig die Seshuren an die moderne Technik der Kemeten heranzuführen. Doch viele überwanden diesen Kulturschock nicht. Sie verwendeten die Technik entweder, um andere zu unterwerfen, oder erlitten einen Schock. Es entbrannte ein Krieg und die Kemeten hielten sich aus den Geschicken der Seshuren heraus. Jahrhunderte später, als der Krieg vorbei war, waren die Seshuren technisch wesentlich höher entwickelt und konnten untereinander Frieden schließen.
Der Kult um Amun und Osiris war zu dieser Zeit Staatsreligion und die Seshuren entdeckten schließlich die Raumfahrt. Weit kamen sie jedoch nicht, denn die Arkoniden besetzen den Planeten. Seth war darüber so erbost, dass er mit Pyramidenschiffen einen Angriff startete. Dabei wurde zwar die gesamte Besatzungstruppe der Arkoniden vernichtet, aber auch die Zivilisation der Seshuren. Osiris ist so wütend darüber, dass er Seth wieder verbannen wollte, doch er vergab seinem Bruder ein weiteres Mal.
Im Jahr 14.114 v. Chr. gab es nur noch wenige lebende Kemeten. Auf dem Planeten Seshur erholten sich die Völker langsam wieder. Aber für eine Einflussnahme durch die Kemeten war es noch zu früh. Der Name Osiris war zu dieser Zeit auf Seshur so gut wie nicht mehr bekannt. Stattdessen herrschten die Arkoniden über Seshur und weite Teile der Milchstraße.
An jenem Tag traf Osiris den Entschluss, sich in eine Stasekammer zu legen. Der Kemete war nach Jahrtausenden des Wartens müde geworden. Er wollte einfach nur noch schlafen und darauf warten, dass Amun nach Kemet zurückkehren würde.
Doch Seth war schneller. Er brachte an die Stasekammer ein Zeitschloss an und stellte es auf 19.000 Jahre ein. Sollte jemand versuchen, das Schloss vorzeitig zu öffnen, würde das Osiris Tod bedeuten. Dann brachte er den Sarg nach Terra und versteckte ihn dort. Gegenüber Horus behauptete er, dass Osiris den Tod gefunden hatte. Horus glaubte ihm aber kein Wort und fing an, Seth zu jagen. Isis machte sich derweil auf die Suche nach ihrem Gemahl. Es sollte aber 200 Jahre dauern, bis es Horus gelang, Seth zu stellen und zu besiegen. Doch just in dem Moment, in dem Horus Seth töten wollte, erschien Amun. Er hinderte Horus daran, Seth zu töten. Stattdessen verdammte der Kosmokrat den Kemeten für alle Ewigkeit und nahm ihm zusätzlich auch noch den Zellaktivator weg. Doch anstatt zu sterben, betäubte er seine Frau Nephtys und nahm dann ihren Zellaktivator an sich. Anschließend brachte er sie nach Seshur in eine Stasiskammer. Dort sollte sie solange liegen, bis Seth einen neuen Zellaktivator für sie gefunden hatte. Doch Horus blieb misstrauisch und verfolgte Seth. Bis er dahinter kam, dass dieser ein falsches Spiel trieb, war er längst untergetaucht. Die Suche nach ihm blieb erfolglos.
Es fehlten dafür aber auch die Kapazitäten. Im Jahr 11.729 v. Chr. gingen die letzten Kemeten in die Amun-Re-Pyramide auf. Übrig blieben Isis, Horus, Anubis, Thot, Selket, Hathor und Seth. Apophis, Nephtys und Osiris hingegen ruhten in ihren Stasiskammern. Doch der Frieden hielt nicht lange. Nur knappe 130 Jahre später befreite Seth Apophis aus seinem unterirdischen Gefängnis auf Seshur. Beide fanden sich nicht mit dem Ende ab und wollten die Galaxis erobern. Horus wollte das natürlich verhindern und so kam es zu einer riesigen Raumschlacht im Kemet-System. Seth konnte besiegt werden und er gestand Isis, wo er Osiris vergraben hatte, in der Hoffnung auf Gnade.
Isis reiste geheim auf die Erde, doch da erschien Amun und verdammte die Unsterblichen für ihr Verhalten. Er verbot ihnen mit einem Raumschiff zu reisen, solange Osiris gefangen ist, und sie sollten diese Zeit nutzen, um Gutes zu tun. Alle Unsterblichen wurden damals auf die Erde verbannt, wo sie ihr Dasein fristen sollten. Dort bauten sie bei Ro-Setau eine unterirdische Anlage, in die Osiris gebracht wurde. Nur mit Hilfe des Transmitternetzes konnten sie sich nach Kemet und Seshur bewegen. Die Pyramidenflotte wurde nach Kemet gebracht, wo sie und die Shak'Arit Androiden auf Befehle warteten.
Über 2.000 Jahre dauerte der Bau der unterirdischen Anlage. Als letzte Tat wurde Osiris in die Station gebracht und mit dem Zentralcomputer verbunden. Er war ziemlich enttäuscht über das Versagen seines Volkes. Nichtsdestotrotz ermahnte er seine Brüder und Schwestern, die Strafe zu akzeptieren. Dazu ordnete er an, Seth und Apophis in eine unterirdische Gruft zu stecken.
Inzwischen wurde der Planet von den Arkoniden kolonisiert. Doch auch diese Vorherrschaft der Arkoniden war schnell vorbei, denn nach dem Untergang von Atlantis war die Erde auf sich alleine gestellt. Nur ein Arkonide überlebte diese Katastrophe. Ein unsterblicher Arkonide namens Atlan. Zu dieser Zeit erschien Amun zum vorletzten Mal. Er sagte zu uns, dass wir uns Atlan nicht zu erkennen geben sollten. Atlan habe einen klar umrissenen Auftrag und wer diesen stören würde, der würde auch die Pläne der Superintelligenz ES stören. Die letzten Kemeten entschlossen sich, sich ebenfalls in einen Tiefschlaf zu begeben, um die lange Zeit zu überbrücken.
Im Jahre 5.000 v. Chr. begannen die ersten Nomaden im Bereich des Hapis, dem Nil, zu siedeln. Eigentlich nichts Besonderes, aber zu diesem Zeitpunkt nahmen die vergeistigten Kemeten aus der Amun-Ré-Pyramide Kontakt mit Osiris auf. Sie fordern von Osiris, dass die ansässigen Nomaden zu einem Nachfolgevolk der Kemeten ›ausgebildet‹ werden sollten. Zuerst zögerte Osiris noch, schließlich stimmte er dem Plan jedoch zu. Auch wenn diese Machenschaften gegen die Pläne von ES gerichtet waren.
Man fing also an, in einigen Städten den Götterkult um Amun-Ré aufzubauen. Vereinzelt mischten sich Horus und Anubis unter das Volk und erzählten vom kemetischen Imperium, um die Sehnsucht nach den Sternen zu wecken. Besonders Anubis profitierte von den Erzählungen des unsterblichen Arkoniden Atlans, der von einer Person erzählte, die wie eine Mischung aus einem Menschen und einem Wolf aussah.
Doch nicht überall war eitel Sonnenschein. Obwohl Osiris sich dagegen aussprach, entschied man sich, Seth frei zulassen und ihm eine neue Chance zu geben.
Derweil schritt die Entwicklung voran. Der Krieger Skorpion war in dieser Zeit der Hoffnungsträger der Kemeten. Horus erschien ihm damals in einer Vision und forderte ihn auf, das Reich zu einigen. Er schaffte diese Aufgabe jedoch nicht und so vollendete sein Nachfolger Menes mit der Hilfe von Atlan dieses Werk. Aus Oberägypten und Unterägypten wurde Kemet.
Ein wichtiger Schritt folgte um das Jahr 2.900 v. Chr. Der Pharao Aha und die anderen Könige der ersten Dynastie festigten und formten das Reich. Zu diesem Zeitpunkt forderten die vergeistigten Kemeten mehr Seelen für ihren Bewusstseinspool. So fingen Osiris und seine unsterblichen Freunde an, die Legenden vom Jenseits zu verbreiten. Auch der Kult um die Totenbücher und die Mumifizierung entstand in dieser Zeit. Viele Gottkönige und geistig hochstehende Ägypter gingen damals in Osiris auf, der die Geistkonstanten nach Kemet weiterleitete.
Im Jahre 2.600 v. Chr. erbaute der große Baumeister Imhotep auf Anraten von Horus die erste Pyramide für den damaligen Pharao Djoser. Unterstützung erhielt Imhotep von Atlan. Die Pyramide diente sowohl als Ruhestätte für den Pharao als auch als ein Zeichen der Götter. Vor allem aber spiegelten die Pyramiden die Zeit des alten kemetischen Imperiums wieder.
100 Jahre später erschien Amun das letzte Mal auf der Erde. Er war gar nicht begeistert von der Arbeit der Kemeten. Zu viel hatten Osiris und seine Freunde bereits angerichtet. Eindringlich ermahnte der Kosmokrat die Kemeten, es nicht zu übertreiben. ES wäre ein zu wichtiger Faktor für die Zukunft dieser Galaxis und zu viel würde davon abhängen, wie sich die Terraner entwickeln würden. Zum Abschied, nach Stunden voller Warnungen, gab Amun Osiris noch einen letzten Auftrag.
In der Nähe von Ro-Setau liege ein Gegenstand von kosmischer Bedeutung: Das Auge des Kosmokratenroboters Laire. Osiris und seine Gefährten sollten es in Gewahrsam nehmen, es verstecken und darüber wachen. Nach langem Überlegen entschied sich Osiris dafür, Chufu, dem derzeitigen Pharao den Auftrag für eine riesige Pyramide zu geben, unter der das Auge versteckt werden sollte.
In der Zwischenzeit hatte sich Apophis befreit. Er floh in das Land Kanaá, wo er sich als Gottheit verehren ließ.
Thot, Hathor und Selket gelang es jedoch, Apophis zu finden. Bevor man es aber schaffte, ihn festzusetzen, tötete er Selket. Thot schaffte es dennoch, Apophis zu überwältigen und ihn im Berg Megaddon wieder festzusetzen.
Apophis wurde schon vorher bei den Ägyptern als Teufel ›verehrt‹, doch jetzt wurde diese Anbetung noch größer. Durch diese Wirren brach damals das Alte Reich zusammen und die Erste Zwischenzeit begann. Die noch verbliebenden Kemeten resignierten und Hathor und Thot zogen sich zurück nach Kemet, um sich dort in einen Tiefschlaf zu begeben. Man zwang Seth, sich den beiden anzuschließen, damit er kein Unheil mehr stiften konnte. So blieben Horus, Anubis, Isis und der Osiris-Zentralrechner alleine zurück auf der Erde um zu beobachten.
Man entschied sich damals, nur noch selten in Erscheinung zu treten. Im Verborgenen schaute man zu, wie das Zweite Reich gegründet wurde und wieder zerfiel. Man erlebte die Zweite Zwischenzeit mit, die durch einfallende Völker aus Kanaá eingeläutet wurde. Doch der damalige Pharao Ahmose I. vertrieb sie wieder.
Es stellte sich heraus, dass wieder Apophis dahinter steckte. Horus und Anubis konnten ihn und seine Geliebte Nepher-Merit bezwingen. Apophis wurde nach Seshur in ein Verlies gebracht, wo er auf Dauer in Stase versetzt wurde … bis zu jenem Tage, als Seth ihn befreite.
Trotz all der Wirren und der Zeit, die vergangen war, glaubten die Ägypter immer noch an die alten Götter und an die alten Werte. Dennoch waren die verbleibenden Kemeten am Verzweifeln. Es würde noch Jahrtausende dauern, bis die Ägypter einen Evolutionsschub bekommen würden.
Auch durch die Einflüsse von anderen außerirdischen Intelligenzen gab es keinen Aufschwung. Im Gegenteil, die Akonin Nofi Rathet und der Ara Tarol Vendru, beide gestrandet auf der Erde, beeinflussten die Ägypter, um sich als Götter zu verehren zu lassen. Sie schafften die alten Götter ab und ließen sich als die einzigen Götter feiern. Dieser Spuk wurde jedoch von Anubis, beendet. Er tötete den Ara und stellte den alten Götterglauben wieder her.
Im Jahr 1260 v. Chr. herrschte Ramses II. über Ägypten. Er war der letzte Pharao, der von den Kemeten erleuchtet wurde. Er überzog ganz Ägypten mit seinen Bauwerken und versuchte die Ägypter voranzutreiben. Und auch Isis, Anubis und Horus hofften im Geheimen auf eine Wende, doch auch das neue Reich ging mit der Zeit unter und fremde Völker wie die Perser und später die Griechen übernahmen das Land.
90 Jahre später begaben sich dann auch Isis, Horus und Anubis nahe Theben in einen Tiefschlaf. Sie wollten nicht länger beobachten, sondern darauf warten, dass die Frist von Amun verstreichen würde. Nur Osiris wollte an den Ägyptern festhalten, doch weitere 900 Jahre später war das Ägyptische Reich zerfallen. Zu dieser Zeit herrschte Kleopatra in Ägypten, aber das Land war nichts weiter als eine römische Provinz. Ein Tag vor ihrem Tod erschien Osiris und bot ihr an, ihre Seele aufzunehmen. Als dies passierte, kapselte sich Osiris von dem Zentralcomputer ab und beschloss von nun an, nur noch auf die Deaktivierung des Zeitschlosses zu warten. Damit war der letzte kemetische Einfluss auf Terra verschwunden.
Auf dem Planeten Kemet, Milchstraße
»Und das war sie«, sagte Yenal und schaute sich um. »Das war die Geschichte der Kemeten.«
Wie aus einem Traum schien ich zu erwachen. Eine unglaubliche Geschichte hatte ich eben gehört. Die Kemeten stammten aus Cartwheel und hatten dort vor Jahrtausenden das Kosmonukleotid TRIICLE-3 bewacht und behütet. TRIICLE-3 gehörte, wie man am Namen hören konnte, zum Kosmogen TRIICLE, zum dem auch das zum FROSTRUBIN mutierte TRIICLE-9 gehörte. Jahrhunderte lang hatten die Kemeten mit einer Technik, die sie von den Kosmokraten bekommen hatten, gegen die Mächte des Chaos gekämpft, die TRIICLE-3 erobern und vernichten wollten. Bei diesen Auseinandersetzungen waren Millionen von Kemeten und anderer Lebewesen gestorben, deren ›Geister‹ sich alle in der Amun-Pyramide wiedergefunden hatten. Dort fingen sie an, zu einer Superintelligenz zusammenzuwachsen.
Noch immer rauschte mir das Blut in den Ohren und noch immer tanzten vor meinen Augen die Bilder, die Yenal uns gezeigt hatte.
Ich schaute Osiris lange an. »Und? Was hast du, was habt ihr als Nächstes vor?«
»Ich weiß es nicht«, sprach Osiris mit mutloser Stimme. »Von einem einst stolzen Volk sind nur noch ich, Isis, Horus, Anubis und dieser Verräter Seth am Leben. Fünf von einst Milliarden.« Der Kemete seufzte. »So hart es auch klingen mag, aber die Zeit der Kemeten ist vorbei. Wir sind zwar unsterblich, aber das wird nichts daran ändern, dass unser Volk von der galaktischen Bühne abtreten wird.« Osiris machte einen Schritt auf mich zu. »Aber ich will dir noch etwas zeigen. Komm bitte mit mir. Deine Begleiter sollen hier auf uns warten.«
Ich verließ mit Osiris den Tempel und bestieg den kleinen Gleiter.
»Wohin bringst du mich?«, wollte ich wissen.
»Zur Amun-Pyramide. Jemand möchte dich kennenlernen.«
Mehr war aus Osiris nicht herauszuholen. Gespannt harrte ich der Dinge, die da kommen würden.
Zusammen mit Osiris betrat ich die gigantische Amun-Pyramide. Bully, Julian Tifflor, Denise Joorn, Isis, Anubis und Horus waren bei Yenal geblieben. Osiris führte mich durch dieses wirklich faszinierende Gebäude.
Nur kurz hatte ich einen Einblick gehabt, als wir Osiris befreiten. Alle Gänge leuchteten im selben geheimnisvollen Blau. Die Wände waren aus weißem, glattem Stein.
Er zeigte mir die Hauptzentrale. Er führte mich durch den L-Speicher und erläuterte mir das Prinzip, wie mittels der Tessma die Körper der Kemeten neu entstanden waren.
Als ›Gegenleistung‹ erzählte ich Osiris von meinen Begegnungen mit den Baolin-Nda. Auch von meinen Abenteuern mit den Tessma erzählte ich Osiris.
Als Nächstes stand der T-Speicher auf dem Programm. Der unsterbliche Kemete zeigte mir die Maschinen, die sie von den Kosmokraten bekommen hatten. Er zeigte mir auch mit Hologrammbildern, wie die meisten Maschinen funktionierten. Er erklärte mir in jedem Detail die UTRANS-Technologie.
Beeindruckt hörte ich zu. »Ich wünschte, du könntest mir einige Baupläne überlassen.«
Osiris lachte auf. »Das kann ich mir vorstellen. Aber, wie ich dir schon einmal sagte, wir verfügen über keine Konstruktionsunterlagen. Die Maschinen reparieren sich selber und auch hier in der Pyramide existieren irgendwo Fertigungsanlagen. Folge mir! Ich möchte dir nun das eigentliche Herzstück der Pyramide zeigen.«
»Du machst mich neugierig«, sagte ich und folgte Osiris auf dem Fuß.
Er führte mich in einen großen Raum. Die Decke wurde von großen Säulen gestützt. Überall an den Wänden hingen Bilder von Kemeten. Ich nahm an, dass es die herausragenden Persönlichkeiten dieses Volkes waren. In der Mitte befand sich ein etwa zwei Meter hoher Sockel, auf dem sich eine Kugel von etwa 50 Zentimetern befand. Obwohl diese Kugel leblos erschien, spürte ich einen Hauch von Macht, Kraft und Intelligenz, der von dieser Kugel ausging.
»Ist es das, was ich denke?«, fragte ich mit angehaltenem Atem.
»Ja«, erwiderte Osiris. »Das ist KEMET. Alle verstorbenen Kemeten haben eine Verbindung mit dem Zentralrechner der Pyramide eingegangen. Sie sind inzwischen zu einer Superintelligenz geworden.«
Erstaunt beobachtete ich die Kugel. Plötzlich fing die Kugel in einem goldenen Licht zu leuchten an. Wenige Sekunden war der ganze Saal in dieses warme und weiche Licht gebadet.
Plötzlich hörte ich eine Stimme in meinem Kopf: Wir, die Seelen von Millionen von Kemeten, Terranern, Seshuren und anderen Völkern grüßen Perry Rhodan, den unsterblichen Terraner.
Die Stimme in meinem Kopf war sanft, freundlich und weich.
Es ist uns eine große Ehre und Freude diesem besonderen Mann gegenüberzustehen. Die Botin von DORGON, Nadine Schneider, sprach also die Wahrheit, als sie uns von deinen Taten und von deinem Wirken erzählte.
»Wovon redet ihr?«, fragte ich, denn ich verstand kein Wort.
Noch ist die Zeit nicht reif, um es dir zu erklären. Doch eines Tages, da wirst du auf die richtigen Zeichen stoßen und du wirst sie deuten können. Das Schicksal des Universums ist niedergeschrieben und niemand kann sich dem entziehen. Auch dein Schicksal, Perry Rhodan, steht bereits fest und du wirst deinen Weg gehen müssen. Ob du willst oder nicht.
Mich erinnerte das sehr an die Prophezeiung Ernst Ellerts, als ich mit der BASIS aus Hirdobaan zurückgekommen war.
Nichtsdestotrotz, Perry Rhodan. Verschwende noch keine Gedanken an eine Zukunft, die noch fern ist. Denke an das hier und jetzt. Denn in der Gegenwart wirst du gebraucht!
Die Stimme des Kollektivs verstummte kurz, um dann gleich wieder fortzufahren: Grüße soll ich dir ausrichten. Von den Terranern, die ich in all den Jahrtausenden in mich aufnahm. Die alten Ägypter sind stolz auf dich. Sie freuen sich darüber, dass du die Terraner ins All geführt hast. Und auch die Opfer der Raumschlacht sind hier bei mir. Für sie ist es zwar noch etwas ungewohnt, aber sie werden sich noch einleben. Du musst uns entschuldigen, Perry Rhodan, aber wir müssen leider aufbrechen. Und das solltest auch du tun. Fliege auf dem schnellsten Weg zurück ins Solsystem. Dort wirst du gebraucht. Lebe wohl, Perry Rhodan! Ich bin sicher, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden.
Ein letzter mentaler Gruß ›rauschte‹ durch meinen Kopf, dann war die Superintelligenz verschwunden.
»Ich werde das tun, was mir die Superintelligenz aufgetragen hat«, wandte ich mich an Osiris. »Ich kehre zurück ins Solsystem. Bringst du uns hin?«
»Natürlich, komm«, sagte Osiris und strebte dem Ausgang entgegen.
Was wird im Solsystem passieren?, fragte ich mich.
Ende Februar 1299 NGZ
Es war einige Zeit ins Land gezogen, seit unserem Besuch auf Kemet. Doch noch immer diskutierten und sprachen wir oft darüber. Bully war weiterhin ganz beeindruckt von den Ereignissen.
Er schaute aus dem Fenster und schnalzte leise.
Ich wollte noch etwas sagen, wurde aber von NATHAN unterbrochen: »Entschuldigt, dass ich eure Unterhaltung unterbreche, aber es wird euch interessieren, dass soeben auf der ehemaligen Bahn des Planeten Pluto eine Flotte aufgetaucht ist. Sie umfasst exakt 178.500 Schiffe aller Größen und aller bekannten Typen. So eben kommt ein Funksignal an. Ich schalte es herein.«
Vor uns baute sich das Bild eines Mannes auf, von dem wir dachten, dass er tot wäre. Der Mann war groß und hatte einen athletischen Körperbau. Seine braunschwarzen Augen strahlten Intelligenz aus. Selbst über das Holo merkte man die charismatische Ausstrahlung, die von diesem Mann ausging, der wie ein Terraner aussah.
»Aurec!«, hauchte ich und auch das Gesicht von Reginald Bull legte sich in Falten.
»Ich grüße dich, Perry Rhodan, und natürlich auch dich, Reginald Bull«, entgegnete Aurec. »Wir müssen uns sofort sehen und miteinander sprechen, Perry. Es gibt schlechte Neuigkeiten.«
»Natürlich!«, sagte ich. »Ich lasse dir ein Peilsignal senden. Bis gleich.«
Ich konnte meine Freude über die Rückkehr des tot geglaubten Freundes schwer verbergen.
Kurze Zeit später verließ eine 60-Meter-Korvette das Flaggschiff dieser imposanten Flotte und nahm einen Kurs auf den Mond. Es wurde direkt in einen unterirdischen Hangar gebracht. Nach wenigen Minuten betrat Aurec mein Büro. Es war ein kurzes und freundliches Wiedersehen.
Nachdem wir uns hingesetzt hatten, fing Aurec an zu erzählen. Er erzählte von seiner Zeit als Bauer Nyrrak auf dem Planeten Entrison in der Galaxis Barym. Von seiner Flucht vor der Inquisition und den Schergen MODRORs. Von der Wiedererlangung seines Gedächtnisses. Von den Entdeckungen im Zentrum von Barym.
Aurec schaute mich lange an. »Rodrom, die Inkarnation von MODROR, hat 270.000 normale Schlachtschiffe startklar gemacht. Dazu kommen 150.000 Schlachtschiffe, bemannt mit den Skurit-Soldaten, und der SONNENHAMMER. Ziel dieser Flotte ist die Milchstraße. Deswegen bin ich mit dieser Flotte aus Cartwheel in die Milchstraße gekommen.«
Ich schluckte und schaute auf die Uhr. Heute war der 19. Februar des Jahres 1299 NGZ. Wann würde die Flotte in der Milchstraße erscheinen?
Osiris, seine kemetischen Gefährten und die Terraner sind gegangen. Wieder bin ich alleine. Alleine auf meinem Berg der Ewigkeit. Meine Blicke wandern über den Himmel. Für wenige Minuten genieße ich den Sonnenschein auf meinem Gesicht. Doch ich weiß, dass es keine Lösung ist. Im Grunde bin ich einsam und meine Existenz ist verwirkt. Die Kemeten sind so gut wie ausgestorben und meinen Schutz brauchen sie ganz bestimmt nicht mehr.
Ich fühle mich einsam. Seit Jahrtausenden sehne ich mich nach Zärtlichkeit, doch meine erste große Liebe ist nicht mehr. Wir beide waren unsterblich und doch starb Htnavylc durch meine Hand.
Langsam betrete ich meinen Tempel, in dem ich über 400.000 Jahre lebte. Meine Blicke gleiten über seltene Artefakte, ohne etwas zu empfinden. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Warum? Weshalb? Wieso? Warum muss das Leben zu einem so grausam sein?
Widerwillig schüttele ich den Kopf. Warum bin ich nur so zynisch? Ich hatte ein langes Leben. Ich habe kosmische Wunder gesehen. Mit den Beauftragten der Kosmokraten gefrühstückt und mit Boten von Superintelligenzen zu Mittag gespeist. Ich habe mit Mitgliedern des Bundes der Zeitlosen mein Abendmahl eingenommen und mit einem Chaotarchendiener mein Bett geteilt. Und ich denke, das ist mehr, als viele in ihrem Leben je erleben werden.
Aber was zählt das schon? Ich bin zwar teilweise ein Kunstprodukt der Kosmokraten, aber dennoch in der Lage, Gefühle zu empfinden.
Aber im Moment? Im Moment empfinde ich gar nichts mehr. Mit langsamen Schritten verlasse ich mein Haus und gehe zur Steilwand. Keine Ahnung, wie viele Kilometer es dort hinuntergeht, aber ich werde es herausfinden.
Ich breite die Arme aus und lasse mich fallen. Den Aufprall auf dem Boden bemerke ich schon nicht mehr, denn das energetische Potenzial der Superintelligenz KEMET löst mein Bewusstsein aus meinem Körper und gibt mir eine neue Heimat. Ich habe mit meinem alten Leben abgeschlossen. Nun bin ich einer von vielen. Eine unter gleichen. Ich bin glücklich, denn Yenal hat ausgedient.
Ich bin zufrieden.
ENDE
Perry Rhodan und seine Gefährten haben von der Kosmokratendienerin Yenal Unglaubliches über die kemetische Geschichte erfahren. Ganz neue Zusammenhänge haben sich aufgetan. Und dann kam die Hiobsbotschaft von Aurec. MODRORs Flotten sind auf den Weg zur Milchstraße, darunter DER SONNENHAMMER. So lautet auch der Titel des nächsten DORGON-Romans, Nummer 65, der von Nils Hirseland geschrieben wurde.
In eigener Sache von Björn Habben aus dem Jahre 2002.
Hier ist es nun, mein nächstes Werk für die DORGON-Serie. Und es ist das Werk, das auch am längsten gebraucht hat. Dorgon 58 habe ich innerhalb von zwei Wochen geschrieben (was ich für einen Neuling ganz beachtlich finde), während ich für diesen Roman über ein halbes Jahr gebraucht habe.
Die erste Version, die ich vor Augen hatte, war eine Mischung aus einem biologisch/geologisch/astronomisch angehauchten Forschungsbericht und zum Schluss die Geschichte der Kemeten. Als ich dann bei dieser Version beim Anschlag 50.000 angelangt war, ging mir auf, dass das nicht gut gehen konnte. 50.000 Anschläge und die Kemeten hatten noch nicht mal das Feuer entdeckt. Der Roman wäre dann zum Schluss über 200.000 Anschläge lang geworden und das ist ja nun auch nicht das Wahre.
Aber ich denke, dass das sowieso ein grundlegendes Problem an diesem Roman war. 500.000 Jahre in maximal 120.000 Anschläge, das ist eher wenig. Ich hätte mir gewünscht, wenn man für diesen Stoff einen Doppelband bereitgestellt hätte. So mag es vielleicht enttäuschen, dass ich Jahrhunderte einfach so in einem Nebensatz abgehandelt habe.
Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn man auf die eine oder andere Begebenheit genauer eingegangen wäre, aber ich denke das hätte den Rahmen des Romans gesprengt. Denn der eine wird sagen »Warum bist du auf das und das nicht genauer eingegangen?«, während der andere sagt »Aber das hättest du genauer beschreiben müssen!«.
So kam es halt zu diesem Mittelweg, jedes Thema nur anzureißen. Und wer weiß, wenn ich die Zeit finde, werde ich mal einen Planetenroman zu einigen der Themen schreiben (DIE OSIRIS-ZEITABENTEUER – demnächst auf dieser Homepage *g*).
Es gibt übrigens in diesem Roman einige Szenen, die ich gleich zensiert habe. Zum Beispiel die Sexszenen zwischen Yenal und Htnavylc oder auch die Szene, wo Yenal ihren Geliebten umbringen muss. Vor allem letztere Szene wäre in der Urfassung zu blutig und brutal gewesen.
Aber nichtsdestotrotz hoffe ich, dass euch der Roman gefallen hat und ihr einen Einblick in die Geschichte der Kemeten bekommen habt.
Björn P. Habben
Kemeten (die Kemeten, der Kemet, die Kemet)
Die Kemeten sind vom Ursprungstyp Menschen. Ihre Haut ist gebräunt, ihr Haar schwarz. Sie werden bis zu 2 Meter groß. Im Laufe ihrer Entwicklung und der Vermischung mit Intelligenzvölkern anderer Welten, variiert das Aussehen. Menschen, Vogelwesen, Schlangenwesen und Reptilien prägen das äußere Erscheinungsbild.
Sie sprechen ohne Vokale, schreiben diese auch nicht. Ihre Schrift ist die der Hieroglyphen (wobei die altägyptische eine vereinfachte ist).
Die verschiedenen Arten sind:
Kemeten -> Humanoid, südländischer Typ, durchschnittliche Größe 1,90 Meter (Männer) und 1,75 Meter (Frauen). Schwarze Haare, schwarze, braune und dunkelviolette Augenfärbung.
Hersi'Thor -> Raubvogelwesen in humanoider Gestalt. Durchschnittliche Größe bei 1,80 Meter (beide Gattungen). Weißes Gefieder, rote, braune und schwarze Augen.
Shak'Arit -> Wolfs, - Schakal- und Hundewesen in humanoider Erscheinung. Durchschnittliche Größe bei 2 Meter (Männlich) und 1,80 Meter (Weiblich). Augen meist schwarz, gelb oder rot.
Rok'Selkur -> Reptilienwesen mit vier Beinen und vier Armen. Meist lange Schnauze. Braune oder grüne Reptilenschuppen. Augen schwarz. Größe durchschnittlich bei beiden Geschlechtern 1,70 Meter.
Gorians -> Löwenähnliche Lebensform mit vier Beinen, davon eine Paar als Arme verwendbar. Laufen oft auf allen ›Vieren‹. Größe (Länge) bis zu 1,60 Meter. Silbernes, graues und gelbes Fell.
Die Amun-Ré Pyramide liegt direkt in der Hauptstadt Atum. Sie wurde in Anlehnung auf den Berg der Schöpfung, dem höchsten Berg auf Kemet, von Ptah zu Ehren ihres ›Gottes‹ und Auftraggeber Amun gebaut. Sie erhielt den Beinamen Ré in Bezug auf die gleichnamige Sonne im Kemetsystem.
Der Baubeginn ist um etwa 376.000 v. Chr.! Die Pyramide wird 364.000 v. Chr., also knapp 12.000 Jahre später erst fertiggestellt. Doch sie ist ein Wunderwerk der Technik.
Sie hat eine Kantenlänge von 3000 Metern mal 3000 Metern und mit einem Böschungswinkel von 52° eine Höhe von 1852,35 Meter.
Sie dient als Symbol für den Glauben. In der Pyramide befinden sich Museen, die größte Bibliothek, einfach alles, was Kemet symbolisiert. Zusätzlich wurde dort der größte Rechner eingebaut und von dort wird alles technische auf Kemet gesteuert (Vergleich: NATHAN).
Noch vor Ptahs freiwilligen Tod, wird die Pyramide im Jahre 312.500 v. Chr. von AMUN höchstpersönlich restauriert. Ein Hilfsvolk umhüllt die Pyramide mit einem goldenen Caritmantel aus dem Ultimaten Stoff. Das Innere wird durch kosmokratische Technik ersetzt, die den Kemeten unbekannt ist. Der Zentralrechner wird auf den Namen Chepri in Bezug auf die Galaxis getauft. Ptah ist der erste Kemet, der sich mit der Amun-Ré Pyramide auf eine unbekannte Weise vergeistigt.
Ihm folgen im Laufe der Jahrhunderttausende fast alle Kemeten und bestreiten somit den Weg zur Superintelligenz.
Das System besitzt eine weiße und eine gelbe Sonne. Das Sonnensystem ist mit sechs Planeten nicht sonderlich groß. Nur der vierte Planet, Kemet, ist bewohnbar. Alle anderen Welten: Yakirhor (Gesteinsbrocken von 1300 km Durchmesser), Mentaure (heiße Gaswelt mit 4322 km Durchmesser), Horab (Wüstenplanet mit nur sehr dünner Atmosphäre von 9822 km Durchmesser), Isi-Thet (Gasriese mit einem Durchmesser von 53.000 km) und Pli-Una (Methanwelt mit einem Durchmesser von 13.112 km) sind aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für das kemetische Leben geeignet.
Der Ursprung des Kemetsystems (mit den Sonnen Ré und Ra) liegt in der Galaxis Cartwheel – kemetisch: Chepri (Urgestalt, aus sich selbst erschaffen), nur 17 Lichtjahre von dem heutigen Sonnenportal entfernt. Nach dem Bau des Sonnenportals und der Flucht zur Milchstraße liegt nun ihr (in einer Hyperblase verstecktes) System im Orion-Nebel.
Der Heimatplanet der Kemeten trägt den Namen Kemet. Die Welt hat einen Durchmesser von 17.569 Kilometern und besitzt sechs Kontinente. Die Schwerkraft liegt bei 1,035 g. Die Kontinente heißen:
Antief -> Größer Kontinent, fruchtbares Land, viele Seen, Wälder und Gebirge. Durchschnittstemperatur 17 Grad Celsius. Sitz der Hauptstadt Atum mit der AMUN-RE Pyramide. Größer Berg ist der Retapah, der sog. Schöpfungsberg mit einer Höhe von 4900 Metern, der in der Frühzeit als Sitz der Götter angesehen wurde.
Chnumson -> Wüstenlandschaft, wenig Vegetation. Meist Sand- und Steinwüsten und Gebirgsketten. Wenig besiedelt. Durchschnittstemperatur 35 Grad C.
Hathrekor -> Heißes, subtropisches Klima. Regenwälder, Seen, Gebirgslandschaften. Die Durchschnittliche Temperatur liegt bei 22 Grad C.
Intithep -> Eine Mischung aus Chnumson und Hathrekor. Durchschnittstemperatur 19 Grad C.
Erhakre -> Meist kalte Regionen, Schneewüsten, viele hohe Gebirge. Liegt dem Nordpol am nächsten. Durchschnittstemperatur zwischen -15 und +5 Grad C. (Winter und Sommer)
Jabuto -> Inselkontinent im größten Ozean. Heißes Klima, dient oft als Erholungsort für die Kemeten. Durchschnittliche Temperatur 20 Grad C.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e.V. — Copyright © 1999-2016
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e.V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 64, veröffentlicht am 18.03.2016 —
Titelillustration: Klaus G. Schimanski • Innenillustrationen: Mark Hoffmann
Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Digitale Formate: Jürgen Seel