Band 62

Osiris-Zyklus

 

Geheimnisse von Barym

Eine Galaxie im Banne des MODROR

 

Aki Nofftz und Tobias Schäfer

 

Was bisher geschah

Im Jahre 1298 hat sich einiges in Cartwheel verändert. Langsam hat sich die Völkergemeinschaft von den Ereignissen im Xamour-System 1296 NGZ erholt, die Tatsachen verdaut, dass Aurec und Gal’Arn nicht mehr da sind und ein Kosmonukleotid knapp 500.000 Lichtjahre von Cartwheel entfernt liegt – TRIICLE 3.

Die Administration des Terrablocks plant nun mehr über die Nachbarschaft der Galaxis herauszufinden. So wird im März 1298 NGZ eine Expedition nach Seshonaar geschickt. Doch die drei Raumschiffe geraten früh in große Probleme. Die Crew der SLEEPY HOLLOW verfällt dem Wahnsinn, die BLAIR WITCH und SLEEPY HOLLOW kehren zurück nach Cartwheel.

Die NIMH findet im Zentrum von Seshonaar Sternenportale und eine Flotte von MODROR. Sie müssen fliehen und stranden in einer Galaxie, die ihnen tiefe Einblicke in die Welt des MODROR gewährt. In Barym treffen die Besatzungsmitglieder der NIMH auf den totgeglaubten Gal’Arn. Abseits von diesen Ereignissen lebt auf der barymischen Welt Entrison Nyrrak der Sammler.

Hauptpersonen

Aurec – Der Saggittone begreift, was geschehen ist.

Kathy Scolar – Aurecs Begleiterin beginnt sich zu erinnern.

Teddus – Der Dorftrottel von Entrison.

Trakmadon – Der Inquisitor gibt nicht auf.

Gal'Arn, Jaktar, Ben Strout und Sandal Tolk – Sie sind auf der Suche nach Aurec.

Shul'Vedek – Der General Baryms kennt keine Gnade.

 

 

 

 

Die Erinnernden

Nyrrak starrte immer noch fassungslos auf das Bild, das ihn und Jila zeigte.

Nein!, korrigierte er sich in Gedanken. Das sind nicht unsere Namen – wir heißen Aurec und Kathy Scolar!

Jila war durch Nyrraks Schrei aufgesprungen und starrte nun ebenfalls das Bild an. Unter dem Bild waren in einer fremden Schrift die Namen der Dargestellten verzeichnet.

Nyrrak konnte sehen, dass Jila ebenfalls die Schrift, die sie eigentlich gar nicht kennen dürften, lesen konnte.

Sie massierte sich die Schläfen und stieß ein ausgiebiges Stöhnen aus. »Was geht hier vor, Nyrrak … Aurec … Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Und diese Kopfschmerzen!«

Der Bauer aus Entrison nickte verstehend und kniff die Augen bis auf schmale Schlitze zusammen. Auch er litt unter den stechenden Kopfschmerzen. Dazu tauchten immer wieder Visionen oder Erinnerungen auf, die nicht seine eigenen waren – oder doch? Erinnerungen aus einem anderen Leben?

Dann plötzlich zog sich der geistige Vorhang ein kleines Stück zur Seite. Er erinnerte sich immer noch nicht an alles aus einem eigentlichen Leben, aber eines wusste er jetzt mit absoluter Gewissheit:

»Ich bin Aurec, Sohn des Doroc, Kanzler der Republik Saggittor!«

Jila nickte. »Und ich bin Kathy Scolar, stamme aus Terrania, bin aber ausgewandert nach …«

Verzweifelt forschte sie in ihrem Gedächtnis nach der Information, konnte sie aber nicht finden.

Aurec sah, wie es in ihrem Gesicht arbeitete, als könnte sie damit das Gehirn auf Trab bringen. Auch er versuchte sich zu erinnern, was vorgefallen war.

So wurden sie beide völlig überrascht, als plötzlich eine Stimme erklang: »Hier seits also tun, ja? Nicht wahr? Jawohl, der Groll!«

Beide fuhren erschreckt herum und blickten direkt den Rytar Drullf in das große Glubschauge, der einen Paralysator auf sie gerichtet hatte.

Bevor Aurec sich erinnern konnte, was ein Paralysator machte, hatte der Wächter der Station bereits geschossen und er sackte haltlos in sich zusammen. Bewegungslos, wie er am Boden lag, hörte er nur den erschreckten Schrei von Kathy, der urplötzlich abbrach. Unmittelbar danach war ein Poltern zu hören, als ein zweiter Körper zu Boden fiel.

Aurec fühlte sich angehoben.

»Sodele, isch habe die Macht! Jetzt macht ihr aber keine Probleme mehr tun, verstehst?«

 

Der Bewachende

Drullf war unzufrieden mit sich, mit seiner Arbeit, mit den Gefangenen, mit der Regierung auf Lerh Ar'Modror – und überhaupt mit der ganzen Welt!

Mehr als zwei Jahre war er auf diesem Hinterweltlerplaneten sein eigener Chef gewesen. Da er die beiden Gefangenen in einer fast genial zu nennenden Idee mit einer falschen Erinnerung ausgestattet hatte, hatte er sie auch nicht mehr zu überwachen brauchen.

Stattdessen hatte er das ganze kulinarische Spektrum dieser Welt ausgekostet und sich ansonsten hauptsächlich mit Nichtstun beschäftigt.

Sicher, irgendwann hatte einer dieser zurückgebliebenen Eingeborenen es tatsächlich geschafft, bis zu seinem Observatorium zu gelangen. Er war sogar in die Datenbankzentrale für die beiden Gefangenen eingebrochen und hatte Videos über terranische Geschichte zu sehen bekommen.

Doch schnell hatte Drullf ihn gefangen. Er hatte dem Zweibeiner etwas Angst eingejagt und ihn fliehen lassen.

Und nun das!

Nicht nur, dass eine größere Gruppe dieser lächerlichen Gestalten aufgetaucht war – nein, sie waren auch noch von den beiden Menschen angeführt worden, auf die er eigentlich hatte aufpassen müssen!

Wütend stampfte er durch die Gänge der Station. Seine drei Beine schmerzten unter der ungewohnten Belastung, seinen Körper so lange tragen zu müssen. Doch die Schmerzen und die Anstrengung stachelten seine Wut auf die Zweibeiner nur noch mehr an. Doch dann ging es nicht mehr weiter. Keuchend ließ er sich zu Boden sinken und schloss vor Erschöpfung die Augen.

Halt, war da nicht etwas gewesen? Drullf zuckte aus dem Halbschlaf auf, in den er schon geglitten war. Tatsächlich, da waren die Stimmen der Verhassten zu hören!

Mit größter Mühe zog er sich empor und versuchte, mit schussbereitem Paralysator in den Raum zu schleichen, was ihm aber hoffnungslos misslang. Glücklicherweise waren die beiden aber durch ein Bild von ihnen an der Wand so abgelenkt, dass sie den Wächter der Station nicht bemerkten.

Danach paralysierte er sie kurzerhand und schleppte sie in eine Abstellkammer, die er verschloss.

Nun half aber alles nichts mehr. Mit letzter Kraft schleppte er sich in seine Küche und ließ sich in den erstbesten Sitz fallen. Er verdrückte eine kleine Mahlzeit und schlief dann sofort ein.

Als er wieder zu sich kam, war das erste, was er spürte, ein enormer Muskelkater in seinen Beinen. Fluchend rieb er sich die Gliedmaßen und versuchte sich zu erinnern, was überhaupt vorgefallen war.

Die Gefangenen!, fiel es ihm plötzlich wieder ein. Stöhnend und fluchend raffte er sich auf und schleppte sich vor die Tür, die zu seiner Zufriedenheit noch verschlossen war. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wo er sie eingesperrt hatte. Drullf fluchte hemmungslos und überlegte fieberhaft, wo er nun eine kleine Zwischenmahlzeit herbekommen konnte.

Mühevoll schleppte er sich durch die Korridore auf der Suche nach was Essbaren.

Wieso habe ich eigentlich keine Antigrav-Plattform?, fragte er sich wütend, als die Beine immer schwerer wurden und er sich in immer kürzeren Abständen ausruhen musste.

Einen Augenblick später waren die Schmerzen vergessen, als er eine kleine Kiste entdeckte, die dort an der Wand des Observatoriums stand. So schnell ihn seine Beine trugen, schlürfte er näher. Sein Herz machte einen Luftsprung, als er in der Kiste zwanzig Dosen mit Suppe fand. Eine öffnete er sofort und schlang den Inhalt hinunter, bevor die Elektronik der Dose den Inhalt überhaupt anwärmen konnte.

Jetzt ging es ihn doch schon um einiges besser. Er zog die Kiste hinter sich her und schleifte sie in seine Küche. Dort sank er in seinen Sitz und entspannte sich erst einmal. Seine Beine wiesen in mittlerweile mit unüberhörbaren Schmerzen auf ihre Existenz hin, und auch sein Magen verlangte nach einer weiteren Mahlzeit. Drullf öffnete eine weitere Dose, ließ den Inhalt aber diesmal zunächst warm werden, bevor er auch diese Suppe in wenigen Schlucken austrank.

Nun bekam er es aber doch ziemlich mit seinem Gewissen zu tun. Seine Anweisungen sahen vor, ungewöhnliches Verhalten der Gefangenen sofort nach Lerh Ar'Modror zu melden. Und was war ungewöhnlicher als das Eindringen in seine Station?

Vermutlich würde Gul'Adar, der Herrscher Baryms, dann irgendeinen seiner Larsaar vorbei schicken, um der Sache nach zu gehen. Drullf wurde bei diesem Gedanken äußerst unwohl, denn die aktuelle Situation sah alles andere als gut für ihn aus. Wenn er jetzt aber doch nicht Bescheid geben würde …

Den beiden noch einmal eine falsche Erinnerung zu verpassen, dürfte aussichtslos sein, da die örtliche Inquisition hinter ihnen her war und schon die erste »Behandlung« nicht geklappt hatte. Ständig hier einsperren konnte er sie aber auch nicht, weil die Versorgung viel zu aufwändig sein und seine doch mittlerweile ziemlich geschrumpften Nahrungsvorräte nur noch mehr dezimieren würde.

Also blieb ihm wirklich keine andere Wahl, als einen Funkspruch abzusetzen. Vielleicht würde man ihn bestrafen – nein, man würde ihn sogar ganz sicher bestrafen. Seine Strafe würde vermutlich sein, hier auf dieser Welt bleiben zu müssen – was Drullf angesichts der Ruhe und des guten Essens gar nicht so unangenehm finden würde.

Er gab sich einen Ruck und wies den Zentralrechner der Station an, einen Spruch an Lerh Ar'Modror abzusetzen. Einen direkten Kontakt scheute der Rytar, also schrieb er eine Textmitteilung, in der er die Situation schilderte, und schickte diese ab.

Nervös wartete er auf eine Antwort.

 

Der Anführer

»Dieser wandelnde Fettberg hat was getan?«, schrie Shul'Vedek seinen Adjutanten an.

»Als die beiden Gefangenen bis in seine Station gelangt waren, hat er sie fest gesetzt und sich gemeldet.«

Vor lauter Wut fegte der Larsaar-General einige Kunstgegenstände von seinem Tisch, die auf dem Boden der Kabine zerbrachen. Als einige Putzroboter die Scherben beiseite kehren wollten, schlug er einen mit einem Aufschrei gegen die Wand.

»Dieser Idiot sollte es gar nicht so weit kommen lassen!«, fauchte er. »Wenn die Inquisition sie einkassiert hatte, hätte er sie halt auf einen anderen Kontinent bringen sollen. Ich vermute, nein, ich befürchte, dass er nicht einmal in der Lage war, den Gedankenblock entsprechend anzubringen. Ich hätte gleich wissen müssen, dass dies eine absolut idiotische Idee war!«

Oberst Zha'Hadar kannte die Wutausbrüche seines Vorgesetzten. Daher hielt er sich außerhalb dessen Reichweite und wartete ab, bis der General sich beruhigt hatte.

Shul'Vedek hielt nach einigen Minuten plötzlich inne und starrte seinen Adjutanten an. »Wie weit sind wir von Entrison entfernt?«

»Etwa acht Flugstunden, General«, beeilte sich der Oberst zu antworten.

»Setze sofort den Kurs!« Der General rieb sich die Hände. »Wir werden Aurec und Kathy Scolar an Bord nehmen und dann werde ich mir diesen Rytar mal vorknöpfen …«

Die Flotte legte einige Stunden später gerade einen Orientierungsstopp ein, als sein Adjutant vorsichtig an ihn heran trat.

»Was ist?«, fauchte er ihn an.

»Wir – wir haben einen weiteren Funkanruf von Entrison erhalten.«

»Zu mir damit!«, verlangte der General und hoffte, dass sich die Lange nun gebessert hatte.

 

Der Inquisitor

Als Trakmadon am Fuß des Berges angekommen war, bebte er vor Zorn. Er hatte den Ketzer Nyrrak mit seiner Hexe fast erwischt gehabt, da waren sie in dieses gotteslästerliche Schloss geflüchtet und hatten einen Dämon beschworen, der die Helfer des Inquisitors in die Flucht geschlagen hatte.

Lediglich Teddus, den verrückten alten Architekten, hatten sie aufgreifen und abführen können.

»Verrückt?«, sprach Trakmadon zu sich selbst und lachte verächtlich. Nach dem, was er jetzt selbst gesehen hatte, zu urteilen, hatte Teddus durchaus die Wahrheit gesprochen, als er von dem Dämonenschloss gefaselt hatte. Aber er hatte außerdem – und das war der Punkt! – die widerwärtigen Namen Osiris und Seth in den Mund genommen!

Dem Inquisitor wurde alleine schon bei dem Gedanken an diese Götzen schlecht. MODROR war der wahre Gott! Es gab keine anderen Götter! Jeder Gedanke daran war Ketzerei!

Mit Befriedigung erinnerte sich Trakmadon daran, wie er Teddus diese Lektion eingebläut hatte. Dass er dabei den Verstand verloren hatte, war leider bedauerlich, aber nicht zu ändern gewesen. Wenigstens glaube ihm jetzt niemand mehr.

Außer diesem aufsässigen Bauern und der Magd! Trakmadon knirschte zornig mit den Zähnen. Er war so in Rage geraten, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass er bereits am Standrand von Thiban stand. Überrascht schaute er auf.

»Was ist?«, herrschte er den Büttel an, der das Stadttor bewachte und den Inquisitor in seinem zerrissenen Ornat und ohne Gundun ungläubig musterte. »Soll ich dich erst mitnehmen und auf deinen Glauben prüfen?«

Mit jähen Entsetzen zuckte der Wächter zusammen und öffnete bereitwillig das Tor.

Ohne ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen, schritt Trakmadon durch die Öffnung. Das Tor hatte sich schon fast hinter ihm wieder geschlossen, da fuhr er plötzlich herum. »Halt!«

Vor Schreck ließ der Büttel das schwere Tor los, das prompt weiter schwang und ihn an der Stirn erwischte. Benommen rieb er sich die schmerzende Stelle. »Wie – wie Ihr wünscht, Inquisitor!«

»Sag, Wächter, sind meine Soldaten und die anderen Inquisitoren hier vorbei gekommen?«

Der Büttel nickte eifrig. »Ja, Herr! Sie kamen kurz vor Einbruch der Dunkelheit hier vorbei.«

Trakmadon ließ den vor Angst zitternden Torwächter einfach stehen und machte sich auf direktem Wege auf zum Inquisitionsturm. Unterwegs wichen ihm alle Stadtbewohner weiträumig aus, denn keiner wollte von ihm zu dieser späten Stunde ausgefragt werden. Der Inquisitor bemerkte es kaum; zum einen war er daran gewöhnt, zum anderen hatte er momentan andere Sorgen.

Sein Hauptquartier schälte sich vor ihm aus der Dunkelheit. Mit einem Wink scheuchte Trakmadon die Wachen an der Tür zur Seite und stieß diese mit einem Fußtritt auf. Drinnen musterten ihn erschrockene Gesichter. Er trat einen Schritt vor und donnerte seine Faust auf den Tisch, dass die Bücher fast aus den Regalen flogen.

»Was ist in euch gefahren?«, schrie er seine untergebenen Inquisitoren an. »Beim kleinsten Anzeichen von dämonischer Magie flieht ihr Hals-über-Kopf und lasst mich alleine zurück!«

»Herr … wir …«, begann einer der Inquisitoren zu stammeln.

»Was?«, zischte Trakmadon den Redner an, dem das Herz sichtbar in die Hose rutschte.

»Wir … wir … haben noch nie D – Dämonen …«

»So, ihr habt noch nie Dämonen gesehen«, sagte Trakmadon ruhig, sodass die Inquisitoren aufatmeten, nur um direkt wieder bei seinem Schreien zusammenzusacken. »Und deshalb zieht ihr die Schwänze ein und flieht wie wimmernde Mädchen? Was sollen denn die Soldaten von euch denken?« Er ignorierte die Tatsache einfach, dass die Soldaten deutlich vor der Inquisition geflohen waren. »Wo war denn euer Glaube? Euch kann gar nichts passieren, wenn ihr noch fest MODROR vertraut!«

Er rümpfte verächtlich die Nase und betrat die Treppe, die zu seinem Räumen führte. »Ich werde nun Zwiesprache mit dem großen MODROR halten, um zu erfahren, wie wir weiter mit diesen Ketzern verfahren werden. Und bereitet mir diesen Verrückten zur Befragung vor!«

Der oberste Inquisitor betrat seinen Raum und kontrollierte zunächst, dass niemand ihm gefolgt und die Tür fest verschlossen war. Schon oft hatte er sich gefragt, warum sich MODROR immer nur den obersten Inquisitoren gezeigt hatte. Aber letztendlich war es auch klar, denn wie sollte man seinen Glauben an den Gott beweisen, wenn man ihn doch sehen konnte? Was man sah, brauchte man nicht zu glauben. Andererseits – und hierbei runzelte Trakmadon ärgerlich die Stirn – waren es seine Untergebenen auch gar nicht würdig, das Antlitz des Gottes von Barym sehen zu dürfen.

Er wandte sich dem kleinen Altar zu, der in einer Ecke des Großinquisitoren Zimmers aufgestellt war. Mit vorsichtigen, fast zärtlichen Bewegungen klappte er ihn auf. Leise rezitierte er die Anrufung an den großen MODROR und berührte dabei die rituellen Symbole auf dem Altar. Als über dem Altar aus dem Nichts farbige Punkte auftauchten, wusste Trakmadon, dass die Anrufung gelungen war – MODROR würde sich ihm zeigen!

Der Inquisitor fragte sich, in welcher Gestalt der Eine Gott Baryms heute zu ihm sprechen würde, als sich auch schon aus den farbigen Lichtblitzen der Kopf einer Schlange bildete. Sofort warf er sich demütig zu Boden, denn er wusste bereits, dass diese Gestalt auf eine schlechte Laune seines Gottes hinwies.

»Was willst du?«, fragte der Gott auch schon barsch, kaum dass sein Kopf klar zu erkennen war.

»Oh großer MODROR, der du bist der eine Gott, der über Entrison und ganz Barym gebietet«, begann Trakmadon sein Gebet. »Ich, der geringste deiner Diener …«

»Ja ja, schon gut«, wurde er unterbrochen. »Was willst du?«

Eine weitere Prüfung! Natürlich war Gott allwissend, aber er wollte ihn prüfen und tat daher so, als wüsste er nicht bereits längst über die Ketzer Bescheid. So traute sich Trakmadon auch, wieder vorsichtig aufzublicken und erzählte alles, was sich bisher zugetragen hatte. Er erklärte, wie der Bauer Nyrrak, der durch seine Erfindungen schon früh der Inquisition aufgefallen war, plötzlich Blasphemie von sich gegeben und sich mit einer Magd aus Thiban zusammen getan hatte. Er ließ auch nicht aus, dass die beiden aus dem Gefängnis der Inquisition fliehen konnten und in ein Dämonenschloss gelangt waren. Zwar stellte ihn das nicht gerade im besten Licht dar, aber da MODROR ohnehin allwissend war, würde es ihm auffallen, wenn er absichtlich etwas weg ließ.

Als der Inquisitor geendet hatte, blickte er das frei über dem Altar schwebende Schlangenhaupt ängstlich an.

»Nun, Inquisitor …«, begann es dann endlich zu sprechen. »Wie war dein Name noch mal?«

»Trakmadon«, beeilte sich der Großinquisitor zu antworten. »Ich stehe erst seit einigen Jahrzehnten in deinem Dienst.«

»Nun, Trakmadon. Mir ist dieses Problem – natürlich – schon bekannt. Ich bin bereits auf dem Weg nach Entrison …«

Trakmadon blieb fast das Herz stehen, als er dies hörte. Der große Gott MODROR würde persönlich sein innerhalb des großen Baryms so unbedeutendes Land aufsuchen. Er konnte nicht anders und rief: »Herr, womit haben wir diese Güte nur verdient?«

»Verdient?« Der Schlangenkopf lachte zischelnd. »Nichts hast du verdient, du Versager. Und deshalb muss ich mich der Sache auch selbst annehmen!«

Mit diesen Worten löste sich die Darstellung in eine Vielzahl kleiner Lichtblitze auf, die nach wenigen Augenblicken verschwunden waren.

Mit zitternden Händen verschloss Trakmadon den Altar, erst dann wagte er es wieder zu atmen. MODROR persönlich würde sich nach Entrison begeben – aber nur wegen seiner Inkompetenz als Inquisitor. Das wäre sein Ende!

Herr, warum tust du mir das an?, flehte er in Gedanken, um dann überrascht inne zu halten. Natürlich! Der Gott Baryms wollte ihn gar nicht bestrafen, er wollte ihn prüfen!

Trakmadon war sich nun sicher, wie die Botschaft zu verstehen war. Wenn der große MODROR in diesem Land auftauchen wird, werde ich ihn die geläuterten Ketzer präsentieren und ihn beweisen, dass ich der Richtige für diesen Posten bin!

Trakmadon lachte auf, von neuem Mut erfüllt. Er zog sich schnell einen neuen Umhang über, dann verließ er seine Räumlichkeiten und kehrte in den Gemeinschaftsraum zurück, in dem immer noch alle Inquisitoren versammelt saßen.

»Inquisitoren, der Große und Eine Gott MODROR hat zu mir gesprochen!«, begann er und fixierte alle Anwesenden. »Er will, dass wir um jeden Preis die Ketzer einfangen und Seiner Gerichtsbarkeit überstellen, damit Er mit ihnen verfahren kann. Ruft die Soldaten zusammen – wir kehren sofort zum Dämonenschloss zurück!«

 

Der Verrückte

Teddus duckte sich so weit wie möglich in eine Ecke seiner Zelle. Mit Grauen erinnerte er sich an den großen dreibeinigen Dämon, der wieder vor dem Schloss erschienen war. Diese Begegnung hatte längst verdrängte Erinnerungen hervorgekehrt, die er vor vielen Jahren erlebt hatte.

Damals war Teddus ein großer Baumeister gewesen. Ja, er erinnerte sich noch deutlich an seine Arbeit und an seine Bauwerke. Und ebenso war ihm bewusst, dass er nun nur noch ein Schatten seiner selbst war, kaum noch etwas mit dem früheren Teddus gemein hatte.

Da, ein Geräusch! War ihm der Dämon etwa gefolgt? Oder kehrten die Inquisitoren zurück, um es abermals zu tun?

Teddus drängte sich weiter in die Ecke, schlotternd vor Angst. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Diesmal würde er es nicht überleben. Nein, diesmal nicht.

Das Geräusch wiederholte sich. Teddus steckte seinen Kopf zwischen die Beine, sodass seine Knie die Ohren verdeckten und er nichts mehr hören musste. Die Hände presste er gegen das Gesicht. Er bekam zwar keine Luft mehr, aber so musste er zumindest seinen Schlächter nicht sehen und hören.

Er presste die Finger so fest auf seine Augen, dass er trotz der geschlossenen Lieder Lichtblitze sah. Die Lichtblitze tanzten umher, schienen die Schwärze der geschlossenen Augen verhöhnen zu wollen. Dann ballten sich die bunten Pünktchen zusammen, bildeten ein Wesen mit drei Beinen und einem …

Teddus sprang auf und schrie wie am Spieß. Erst jetzt fiel ihm seine Situation wieder ein. Gehetzt blickte er sich um. Sein Blick saugte sich an der Zellentür fest, die offen stand!

Der ehemalige Baumeister Thibans presste sich gegen die kaltfeuchte Zellenwand. Sein Herz schlug so laut, dass er durch das rauschende Blut kaum etwas hören konnte, und seine Kleidung schwamm förmlich auf seinem Angstschweiß. Das kleine Bisschen, das noch vom alten Teddus übrig war, stellte peinlich fest, dass etwas Warmes seine Beine hinab lief, doch der neue Teddus war nur noch von einem Gefühl beseelt – Todesangst!

Nun konnte er es nicht mehr verhindern, in schneller Folge tauchten die Bilder vor seinem geistigen Auge auf: Der dreibeinige Dämon mit dem furchtbaren Auge, der ihn mit einem Blitzstrahl völlig taub machte, ihn dann mit merkwürdigen Geräten quälte und ihm zwang, Essen herbei zu schaffen. Dann Trakmadon, der Inquisitor, der seine Hände in kochendes Wasser steckte und seine Beine brach, um ihn zum Geständnis zu zwingen. Die vielen Fragen, auf die er keine Antwort geben konnte, aber dennoch gefoltert wurde. Die Holzkiste, in die man ihn sperrte und tagelang unter der Erde vergrub. Der Tag, an dem der dreibeinige Dämon ihn nicht nur in seinen Albträumen, sondern auch am Tag zu verfolgen begann …

Mit einem Stöhnen sank Teddus zu Boden, nur um durch den Schmerz wieder zur Besinnung zu kommen. Auf allen Vieren krabbelte Teddus, so schnell er konnte, in die Zellenecke neben der geöffneten Tür und lauschte angestrengt, soweit es sein Puls zuließ.

Konnte sich der Dämon mittlerweile unsichtbar machen?, fragte sich er sich entsetzt. Ist er vielleicht hier in der Zelle?

Teddus hielt es nicht mehr aus. Wie von einer Tarantel gestochen flüchtete er aus der Zelle auf einen Gang. Er kannte diesen Gang! Mit einem Gurgeln starrte er seine verkrüppelten Finger an. Dort hinter dieser Ecke war der Raum mit den Daumenschrauben, dahinter die Streckbank!

Schreiend flüchtete Teddus in die entgegen gesetzte Richtung.

Der Dämon hat dich frei gelassen!, schrien seine Gedanken. Er labt sich an deiner Angst, bevor er dich tötet!

Teddus riss sich Haare vom Kopf, um durch den Schmerz die Stimme in seinem Inneren zu vertreiben. Er rannte und rannte. Dann stand er vor einer Tür. Auch diese Tür kannte Teddus; sie führte aus dem großen Kerker direkt in den Turm.

Seine Beine bestanden nur noch aus Butter. Er musste sich auf die Treppenstufen setzen. Er konnte diese Tür nicht öffnen! Dahinter lauerten die Inquisitoren und – Trakmadon!

Sollte er wieder in das Verlies gehen? Er starrte die Treppe herab, mitten ins Halbdunkel. Das dämmerige Licht verwischte die Konturen, aber Teddus war sich sicher, dass sich dort unten etwas bewegte. Schon meinte er, dass große Auge auf sich zukommen zu sehen. Ein neuer Schwall von warmem Urin floss seine Beine herab, während sein Rücken durch den Schweiß eiskalt war.

Nein, hier konnte er nicht bleiben. Teddus sprang auf und hängte sich an die Türklinke, die tatsächlich nachgab und den Durchgang öffnete. Teddus schlüpfte hindurch und schlug sie mit aller Kraft zu, um das Monster einzusperren.

Erst jetzt sah er sich um. Er befand sich mitten im Aufenthaltsraum der Inquisitoren, doch niemand war hier! Ungläubig fixierte Teddus die Tür, die nach draußen in die Stadt führte. Sollte es ihm tatsächlich gelingen, diesen Turm der Schrecken zu verlassen?

Vorsichtig schlich Teddus vorwärts und umgriff den Türöffner, nur um ihn sofort wieder los zu lassen, als hätte er sich verbrannt. Waren sonst nicht immer Wachen vor den Türen gewesen? Teddus presste sein Ohr gegen die Tür und lauschte. Einige Minuten verharrte er, und als er bis dahin keinen Laut vernommen hatte, öffnete er schließlich die Tür.

Tatsächlich war keine Wache zu sehen. Teddus nahm die Beine unter dem Arm und rannte, so schnell er konnte, aus der Stadt.

Als er das Stadttor hinter sich gelassen hatte, blickte er sich in der Landschaft um. Es dämmerte bereits, sodass er den nahen Wald gut erkennen konnte. Instinktiv wollte er dorthin fliehen, doch dann erstarrte er. Was war mit Nyrrak und Jila? Nyrrak war bisher der einzige Mensch gewesen, der ihn seit dem Vorfall als richtigen Menschen und nicht als alten Irren behandelt hatte. Er hatte seine Angst sogar ernst genommen und mit ihm das Dämonenschloss aufgesucht, auch wenn er selbst nicht noch einmal dorthin gehen wollte.

Jetzt hatte der Dämon sie festgenommen. Teddus erschauerte, als die Erinnerung ein weiteres Mal hoch kam. Stand nun seinen Freunden dasselbe bevor? Er ging ein paar Schritte in Richtung des Teufelsberg, nur um dann wieder Inne zu halten. Das Monster!

Nein, Teddus konnte nicht noch einmal diesen Berg aufsuchen. Alleine die Vorstellung, noch einmal in das Auge blicken zu müssen, ließ sein Herz fast stehen bleiben. Er machte einen zögernden Schritt in Richtung Wald, dann noch einen. Jetzt blieb er wieder stehen. Hatte er den Dämon nicht in den Kerkern der Inquisition gesehen? Hatte er ihn nicht befreit?

Teddus rannte einige Schritte in Richtung Berg. Aber die Inquisition! Trakmadon war nicht mit den anderen Inquisitoren zurückgekommen. Er harrte sicherlich noch am Schloss aus. Teddus machte wieder einige Schritte in Richtung Wald.

Teddus, Teddus, wie tief bist du gesunken!, sagte die Stimme, die einst dem Baumeister von Thiban gehört hatte.

Ich bin nicht mehr der alte Teddus!, gab er ebenso lautlos zurück. Schau mich doch an! Ich habe vor allem und jedem Angst! Wie soll ich da den beiden im Schloss helfen!

Wer ist denn schuld, dass du so geworden bist?

Teddus blieb stehen. Natürlich der Dämon und der Inquisitor, die …

Nein, sagte sein zweites Ich einfach. Du warst es!

Alles in Teddus verkrampfte sich. Stimmte es? War er selbst schuld, dass er so ein Feigling geworden war? War der Dämon, der ihn ständig verfolgte, nur ein Trugbild?

Aber er ist so real!, schrie Teddus gedanklich. Er verfolgt mich!

Doch dann gab er sich doch einen Ruck. Irgendwann musste er sich der Gefahr stellen. Wenn der Dämon nur ein Hirngespinst war, konnte er ihn besiegen, war er real, würde er sterben, aber dann wäre es so oder so vorbei …

Mit einem sehr flauen Gefühl im Magen machte Teddus sich an den Aufstieg.

Oben angekommen erstarrte er bei dem Bild, das sich ihm bot. Gleich zwei seiner Verfolger hatten sich vor dem Schloss aufgebaut. Teddus brachte es schier um den Verstand zu sehen, dass sich dort sowohl die Inquisition, als auch der Dämon aufhielt.

Er sank zu Boden und kroch wimmernd hinter einen Stein. Jetzt war es endgültig vorbei. Er hätte nicht auf seine innere Stimme hören sollen! Der Dämon war real! Und er arbeitete mit der Inquisition zusammen. Bald würden sie kommen; der Dreibeiner würde ihn wieder lähmen und der Großinquisitor würde ihn dann endgültig zu Tode foltern.

Teddus schloss mit dem Leben ab. Er betete zu MODROR und bat ihn, seiner Seele gnädig zu sein und ihn in seinen Himmel aufzunehmen. Er bereute, jemals diesen Berg betreten zu haben und das Gebot danach noch zweimal gebrochen zu haben. Er schloss die Augen und wartete auf seine Richter.

Als sich nach endlos langen Minuten immer noch nichts getan hatte, öffnete er nervös ein Auge. Er erwartete, das diabolisch grinsende Gesicht von Trakmadon vor sich zu sehen, doch niemand war da. Irritiert öffnete er auch das andere Auge und hob den Kopf vorsichtig über den Felsbrocken, hinter dem er sich versteckt hatte. Obwohl er starr vor Angst war, beobachtete er das Schauspiel, das sich ihm bot. Die Inquisition und der Dämon, sie arbeiteten doch nicht zusammen, sie – bekämpften sich!

Die Soldaten und die Inquisitoren versuchten ununterbrochen, von Trakmadon aufgestachelt, zu dem Schloss zu gelangen. Doch sie scheiterten immer an einer unsichtbaren Wand, die sie nicht passieren konnten. Hinter der Wand stand der dreibeinige Dämon mit dem riesigen Auge und schien sie … Ja, er lachte – er lachte die Inquisition aus!

Teddus erschauderte. Der Dämon verfügte über Magie und war damit stärker als die Inquisition. Aber wer die Inquisition besiegte – ja, sogar über sie lachte – der musste stärker … stärker als MODROR sein!

Der ehemalige Baumeister sank wieder hinter seinem Stein zusammen. MODROR war ein Gott, und wenn dieser Dreibeiner stärker als ein Gott war, so musste er ebenfalls ein Gott sein! Aber wer waren dann Osiris und Seth? Das waren Namen, der Wesen, die ihm in der Station erschienen waren. Wie Geister schwebten sie im Raum und seltsame Worte wurden gesprochen, von denen er kaum eine Silbe verstand; außer Osiris, Seth und die anderen Namen. Waren sie seine Götter?

Teddus wurde ganz schwindelig. Er wusste nicht mehr, was er tun sollte. Fliehen war sinnlos, denn dieser Gott eines Gottes, oder seine Götter, die Götter eines Gottes eines Gottes, würden ihn ja überall finden. Weiter die Inquisition beobachten wollte er auch nicht, da er so auch das Auge sehen würde.

Teddus steckte seinen Kopf zwischen die Beine, presste seine Knie auf die Ohren und seine Hände auf die Augen.

So saß er eine schier unendlich lange Zeit lang, bis ihm plötzlich jemand an die Schulter fasste. Mit einem Schrei fuhr Teddus hoch.

 

Der Flüchtende

»Und als ich dann die Milchstraße zu meinen Gegenbesuch erreichte, war zunächst als einziger Unsterblicher Homer G. Adams anwesend und im Kampf gegen eine Terrorgruppe namens MORDRED verstrickt«, beendete Aurec seine Erzählungen.

Als sie die Paralyse überwunden hatten, war mehr und mehr Wissen zurückgekehrt. Es schien fast so, als hätte das Bild eine Tür im Gedächtnis geöffnet, was – wie Aurec vermutete – auch den Tatsachen entsprach. Er konnte nicht anders, als Kathy seine Lebensgeschichte zu erzählen. Die Erinnerungen übermannten ihn förmlich und zwangen ihn zum Berichten. Während er sprach, kehrten auch immer mehr Details in sein Gedächtnis zurück, und auch das Wissen an technische Gerätschaften und deren Gebrauch wurde wiederhergestellt.

Kathy Scolar, die bis vor kurzem noch Jila gewesen war, ging es genauso. Immer wieder, wenn Aurec – durch seine Erinnerungen übermannt – eine Pause einlegte, sprudelte ihrerseits ihr Leben aus ihr hervor. Demnach wuchs Kathy Scolar in Terrania City auf. Sie erzählte, wie sie in ihrer älteren Schwester Bienya immer ein Idol gesehen hatte, und ihr nachgefolgt war. Sie hatte einen normalen Schulabschluss erreicht und in einer Medizinfirma eine Ausbildung begonnen, wo sie auch übernommen worden war. Nebenbei hatte sie im ARACO, der angesagtesten Diskothek in Terrania City gearbeitet.

Dann hatte sie mit Bienya auf ihren Personalchef Reiko gehört und war ihm zur Insel Cartwheel gefolgt, wo er einen neuen Laden aufmachen und viel Geld verdienen wollte: Den Raumwolf. Jedoch war das in die Hose gegangen. Kathy hatte sich eine neue Arbeit in einem Lebensmittelhandel gesucht, war dann jedoch erneut von Reiko angeheuert worden, diesmal für die BAMBUS. Sie hatte sich über diese neue Chance gefreut, doch dann hatte sich die Katastrophe ereignet: Ihre Schwester Bienya war von den angreifenden Dscherro ermordet worden!

Als sie an diesem Punkt angekommen war, sank Kathy zusammen und begann zu schluchzen. Aurec nahm sie in den Arm und versuchte sie zu trösten, doch sie reagierte nicht. Schließlich führte er sie an eine Wand, an der sie sich – immer noch weinend – zu Boden sinken ließ.

Aurec untersuchte unterdessen den kleinen Raum, in den Drullf sie gesperrt hatte. Nachdenklich betrachtete er den Sensor neben der Tür. Dort waren auf einer Fläche verschiedene Knöpfe angebracht, die beschriftet waren. Aurec sagten die ganzen Symbole nichts, sie schienen wohl aus der Umgangssprache dieser Galaxis zu stammen.

Wo befanden sie sich eigentlich? Erst jetzt wurde Aurec das Dilemma bewusst, in dem sie sich befanden. Er konnte sich blass erinnern, dass sie auf Xamour Cau Thon gefangen genommen hatten. Er hatte sein bisheriges Leben geschildert, dann war irgendetwas passiert. So sehr sich Aurec auch darauf konzentrierte, er konnte sich nicht erinnern. Stattdessen brachen unter heftigen Kopfschmerzen immer wieder die Erinnerungen, die falschen Erinnerungen Nyrraks aus seinem Kopf hervor. Stöhnend presste Aurec seine Hände an die Schläfen und versuchte, zunächst einmal an gar nichts zu denken. Kurze Zeit später ließen die Schmerzen glücklicherweise tatsächlich nach.

Aurec kehrte zum Türsensor zurück. Da er sich nicht anders zu helfen wusste, berührte er in zufälliger Reihenfolge einige der Kontaktflächen. Sollte es wirklich so einfach sein?

Nein, das war es nicht. Entmutigt stellte der Kanzler der Saggittonen die Versuche ein und untersuchte weiter den Raum. Der Rytar hatte sie offenbar in eine Vorratskammer gesperrt. An den Wänden standen Regale, die über und über mit Dosen und anderweitig eingepackten Lebensmitteln gefüllt waren. Aurec wandte sich den Dosen zu. Es waren Vorratspackungen, wie er sie auch aus Saggittor und der Milchstraße kannte. In dem Boden der Dose war eine Heizspirale eingelassen, die beim Öffnen der Dose über einen Ring automatisch den Inhalt erhitzte.

Aurec wühlte in seinen Taschen nach dem kleinen Messer, dass Drullf ihm unvorsichtigerweise nicht abgenommen hatte. Er versuchte, mit dem in seinen Augen nunmehr primitiven Werkzeug den Boden der Dose aufzutrennen, jedoch war das Material zu stark. Er musste Gewalt anwenden und schnitt sich in einen Finger, als er abrutschte. Aurec ließ die Dose fallen, als der Schmerz in seinen Finger kroch.

Plötzlich war Kathy da. Sie schniefte noch, aber der Lärm und die Verletzung Aurecs schienen sie wach gerüttelt zu haben.

»Lass mich mal sehen«, flüsterte sie mit immer noch bebender Stimme. »Ich habe während meiner Ausbildung mehr Erste-Hilfe-Kurse besucht, als du dir vorstellen kannst.«

Sie versuchte ein Lächeln, was aber gründlich misslang. Trotzdem mochte Aurec ihr von Tränen verschmiertes Gesicht, das so viele zärtliche Gefühle in ihm hochkommen ließ.

Diese Gefühle verschwanden aber nur einen Augenblick später, als sie ein Stück von ihrer BAMBUS-Uniform abriss und damit den Finger einwickelte. Irgendetwas schien in dem Gewebe zu stecken, denn die Wunde brannte furchtbar.

»Ist es jetzt besser?«, fragte Kathy besorgt.

»Ja«, presste Aurec zwischen den Zähnen hindurch. »Wunderbar.«

Kathy Scolar wandte sich nun ihrerseits der Dose zu. Kurzentschlossen riss sie den Deckel ab und goss den Inhalt auf den Boden. Dann wühlte sie mit ihren Fingern etwas darin herum und griff danach nach Aurecs Messer. Nur einen Augenblick später hielt sie Aurec das elektrische Innenleben unter die Augen.

»Die sind fast genauso aufgebaut wie die Galaktischen«, meinte sie. »Ich musste mich während meiner Arbeitslosigkeit ständig davon ernähren. Siehst du? Unten ist das Blech dick, aber innen ist es nur dünn, damit sie schneller warm wird.«

Aurec nickte und griff nach der Heizspirale. Sie war bereits fast so warm, dass er sie kaum noch anfassen konnte. Also musste er sich beeilen. Er legte sie auf die Unterseite der Dose und presste diese dann mit ganzer Kraft gegen die Sensorplatte.

»Was soll das bringen?«, fragte Kathy Scolar neugierig und schniefte erneut.

»Warte nur ab«, antwortete Aurec. »Es wird gleich was passieren.«

Sicher war er sich nicht, aber als nach einer Weile beißender Rauch aufstieg, hoffte er, das Richtige getan zu haben. Nur wenige Sekunden später zuckten Blitze hinter der Dose hervor und durch die Dose hindurch in Aurecs bisher verschont gebliebene Hand. Er schrie auf und ließ die Dose ein weiteres Mal fallen.

Dies lockte tatsächlich ein Lachen aus Kathy hervor. »Wenn du so weiter machst, brauchst du dir ja bald wegen einem Fluchtweg keine Gedanken mehr zu machen.«

Aurec musterte sie finster und griff nach der Tür, die sich tatsächlich aufdrücken ließ.

»Bitte!«, sagte er. »Der gute alte Kurzschluss, seit Jahrtausenden bewährt.«

Aurec und Kathy huschten raus auf dem Flur.

»Wo ist nur diese Riesenkartoffel?«, fragte Kathy genervt.

Aurec lächelte. Noch vor wenigen Stunden hatte der Wächter der Station ihnen einen Riesenschreck eingejagt und war von ihnen für einen Dämonen gehalten worden. Jetzt aber …

»Er wird sich wohl in seiner Kommandozentrale aufhalten«, antwortete er und überlegte kurz. »Und da müssen wir auch hin, wenn wir heraus finden wollen, wo wir hier sind.«

Willkürlich entschied sich Aurec für eine Richtung und ging los. Drullf hatte ihnen nach dem Paralysieren die Augen zugedrückt, daher wussten sie nicht, wo sie sich innerhalb des Dämonenschlosses befanden. Dämonenschloss? Aurec lächelte erneut. Vermutlich war dies »nur« eine Art Beobachtungsstation der örtlichen Machthaber.

Aurec grübelte darüber nach, wer diese örtlichen Machthaber sein könnten. Bei ihren Erforschungen hatten sich in Seshonaar nur sehr wenig Intelligenzen befunden, während Cartwheel sogar ihrem Wissen nach völlig ohne höheres Leben gewesen war. Wenn sie sich also auf einem Planeten irgendwo in der Nachbargalaxis der Insel aufhielten, sollte eine Kontaktaufnahme mit Paxus kein Problem darstellen.

Wie passte aber dieser Drullf ins Bild? Ein Wesen nach seiner Art war Aurec völlig unbekannt. Stammte er vielleicht auch aus Seshonaar? Aber wer hatte ihn dann eingesetzt, auf sie beide aufzupassen?

Cau Thon! Der Name zuckte mit solcher Intensität durch Aurecs Bewusstsein, dass er wie vom Schlag gerührt stehen blieb und Kathy gegen ihn stieß.

»Was ist los?«, fragte diese besorgt, als Aurec sich an den Bauch griff.

»Ich weiß nicht …«, murmelte er und legte seinen Bauch frei. Er wies auf eine Narbe. »Ich habe keine Ahnung, wo diese Narbe herkommt. Ich habe sie nicht vor Xamour erhalten, und als Nyrrak auch nicht.«

Beide schwiegen betreten, als Kathy auch eine zweite, gleichartige Narbe auf seinem Rücken fand. Sie lagen sich genau gegenüber, als wäre ein großer Gegenstand genau durch seinen Körper gedrungen.

»Cau Thon!«, rief er plötzlich. »Der Sohn des Chaos hat uns verschleppt. Goshkan hat … hat …«

Aurec stockte, als der Rest der Erinnerung zurückkehrte. Mit leiser Stimme sprach er weiter: »Goshkan hat mich aufgespießt und an Bord der KARAN geschleppt. Ich wurde bewusstlos und als ich zu mir kam, war ich bereits Nyrrak. Kathy, ich befürchte, dass wir nicht mehr in Seshonaar sind …«

Aurec beschleunigte seine Schritte. Er musste es wissen, komme was wolle. Systematisch suchte er die Korridore ab, konnte aber weder Drullf, noch die Zentrale finden.

»Ich fasse es nicht«, meinte er schließlich zu Kathy Scolar. »Es muss doch so eine Art Zentrale hier geben! Und wo ist dieser Fettkloß eigentlich?«

Kathy dachte nach, plötzlich erhellte sich ihre Miene. »Vielleicht sollten wir mal auf unseren Bauch hören!«

»Bitte was?«, erkundigte sich Aurec irritiert.

»Ein terranisches Sprichwort, dass unser Freund hier aber vermutlich wörtlich genommen hat. Wenn du so wohl genährt wie er wärst, wo würdest du dich wohl die meiste Zeit aufhalten?«

Der Kanzler der Saggittonen schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Natürlich … die Küche!«

Eilig machten sie sich auf dem Weg zu dem Raum, den sie bereits vor einer ganzen Weile entdeckt hatten. Als sie ihn betraten, verzog Kathy angeekelt das Gesicht. Überall waren offene Dosen, halb aufgegessene Früchte und Teller mit Undefinierbarem verstreut. Zentrum des Raumes war ein großer schalenförmiger Sitz, der genau an die Körperformen Drullfs angepasst war.

Aurec ließ sich in die Schale sinken und verschwand fast völlig darin. Er überlegte, was er als nächstes tun sollte. Dann probierte er es mit der einfachsten Möglichkeit.

»Computer?«, fragte er in der Sprache Entrisons.

Obwohl sie damit gerechnet hatten, zuckten doch beide zusammen, als eine durchdringende Stimme den Raum erfüllte. »Ja, Drullf?«

Aha, der Computer ist absolut nicht abgesichert; war wohl Drullf zu umständlich, dachte Aurec amüsiert und fragte laut: »Wo befinden wir uns hier?«

»Auf dem Planeten Entrison«, antwortete der Rechner bereitwillig.

»Wo befindet sich Entrison?«

»Im Norden der Galaxis Barym.«

Aurec und Kathy schauten sich betreten an. In ihrer Entrison-Zeit hatten sie oft den Namen Barym gehört, aber dass die Galaxis so hieß…

»Bitte gib mir die Details zu meinem Auftrag!«, forderte Aurec den Computer der Station auf.

»Auf diesem Planeten befinden sich zwei für MODROR äußerst wichtige Gefangene«, ratterte der Rechner herunter, ohne sich im Geringsten an den Fragen zu stören. »Diese dürfen den Planeten keinesfalls verlassen, müssen jedoch am Leben bleiben. Du wurdest als Rytar-Wissenschaftler bestimmt, der dieses überwachen soll. Falls es zu irgendwelchen Vorfällen kommt oder die Inquisition dieses Planeten bei den Gefangenen Schaden anrichtet, ist Lerh Ar'Modor sofort zu informieren.«

»Drullf muss uns einen Hypnoblock verpasst haben«, schloss die ehemalige Bedienung der BAMBUS.

Aurec nickte. »Dies hat er aber äußerst stümperhaft angestellt. Wie sonst sind unsere Träume zu erklären?«

Er wandte sich wieder dem Rechner zu. »Verfügt diese Station über ein Raumschiff?«

»Negativ.«

Aurec fluchte. Wie sollten sie bloß diesen Planeten verlassen?

Während er noch darüber nachdachte, näherten sich laute schlürfende Schritte auf dem Flur. Außerdem war ein Lachen zu hören. Kathy gestikulierte wild und deutete auf einen Schrank, der leicht offen stand. Aurec nickte und die beiden zwängten sich hinein.

Sie hatten kaum die Tür so weit wie es ging zugezogen, als auch schon der Rytar sein Refugium erreicht hatte. Mit einem Stöhnen ließ er sich in seinen Sitz sinken und grabschte mit seinem Greifarm nach einer der Dosen, die er öffnete und den Inhalt kaum angewärmt herunter schlang.

Aurec bemerkte, dass sein Paralysator an seinem Gürtel über den Rand des Sitzes nach unten hing. Er gab Kathy durch ein Handzeichen zu verstehen, was er vorhatte und öffnete vorsichtig die Tür. Drullf war so mit Schmatzen beschäftigt, dass er den Saggittonen nicht hören konnte. Aurec schlich sich von hinten an den Sitz und griff dann blitzschnell nach der Waffe. Bevor Drullf reagieren konnte, hatte er ihn bereits paralysiert. Mit einem Poltern fiel die Dose zu Boden.

»So, das hätten wir geschafft!«, rief Aurec erfreut, ließ die Waffe aber noch auf den Rytar gerichtet. Wer wusste schon, was für eine Dosis das massige Wesen aushielt?

Nachdem er einige Momente mit sich gerungen hatte, gab er einen weiteren Schuss auf Drullf ab. Kathy, die mittlerweile ebenfalls den engen Schrank verlassen hatte, blickte ihn dafür böse an.

»Ist doch nur ein Paralysator«, verteidigte Aurec sich.

»Funkspruch von General Shul'Vedek«, meldete sich die Stimme des Stationscomputers.

Der Saggittone fluchte. Was sollten sie jetzt tun? Kurzerhand drückte er das große Auge des Rytars zu und eilte zum Ausgang der Küche, dabei Kathy mit sich ziehend. Als er die Tür erreicht hatte, rief er: »Annehmen!«

Aus der Luft vor Drullfs Sitz materialisierte ein Holo, das einen Schlangenkopf zeigte. Der Kopf schaute zunächst ungläubig und rief dann irgendetwas in einer fremden Sprache. Er wiederholte seine Worte, dabei lauter werdend. Als Drullf bei dem dritten Versuch immer noch nicht reagierte, trennte er die Verbindung.

Aurec kehrte mit einem leichten Lächeln in den Raum zurück. »Computer, was wollte er?«

»General Shul'Vedek kündigte sein baldiges Kommen an«, erklärte der Computer. »Er war offensichtlich über dein Verhalten mehr als ungehalten.«

»Egal«, winkte Aurec grinsend ab. »Befindet er sich schon im Anflug?«

»Zwei Schiffe halten sich im Orbit von Entrison auf«, bestätigte der Computer.

Aurec erstarrte. Damit hatte er nicht gerechnet. Natürlich würde dieses Schlangenwesen zuerst diese Station aufsuchen. Es zu überwältigen dürfte, nur mit einem Paralysator bewaffnet, aussichtslos sein.

»Wir flüchten zunächst in die Wälder«, schlug er Kathy Scolar vor, »dann sehen wir weiter!«

Diese nickte. Zusammen stürmten sie die Korridore entlang und erreichten nach kurzer Zeit das große Tor, dass aus der Station hinaus führte. Aurec versuchte es zu öffnen, aber es gelang ihn nicht.

»Computer, Tor öffnen!«, befahl er, in der Hoffnung, dass der Rechner auch hier gegenwärtig war.

»Dies ist nicht möglich«, hörte er auch tatsächlich die Stimme.

»Warum nicht?«

»Solange der Schutzschirm aktiv ist, kann das Tor aus Sicherheitsgründen nicht geöffnet werden!«

Die Station hatte einen Schutzschirm? Aurec verwarf den Plan wieder, bevor er ihn endgültig gefasst hatte. Die beiden fremden Schiffe würden den vermutlich schwachen Schirm der Station problemlos knacken können, daher brachte auch dies keinen Schutz.

»Deaktiviere den Schirm und öffne die Tür!«, befahl er daher.

Einen Augenblick später öffnete sich die Tür. Aurec wollte gerade heraus treten, als in der Öffnung jemand auftauchte, den er hier überhaupt nicht sehen wollte.

»Trakmadon!«, zischte er.

»Nyrrak, du Ketzer«, gab dieser gefährlich leise zurück. »Du wirst dich jetzt ergeben und mit mir in meinen Turm zurückkehren. Dort wirst du deine Schandtaten endlich gestehen und deine Zusammenarbeit mit diesen Dämon zugeben.«

Aurec seufzte und hob den Paralysator. »Entschuldige, Trakmadon, aber dafür haben wir jetzt keine Zeit.«

Bevor der Inquisitor noch etwas sagen konnte, sank er auch schon gelähmt zu Boden. Aurec übergab seiner Begleiterin die Waffe und warf sich Trakmadon über die Schulter. Als er ins Freie trat, musterten ihn etwa einhundert entsetzte Gesichter. Die Soldaten und Inquisitoren starrten ihn an als wäre er ein böser Geist; was in ihren Augen sogar stimmte, wie Aurec zugeben musste.

»Hört mich an!«, rief Aurec ihnen zu. »Großinquisitor Trakmadon hat MODROR gelästert, indem er dieses Dämonenschloss betreten hat. Der Schlag Gottes traf ihn und er sank bewusstlos zusammen!«

Mit diesen Worten legte er ihnen den Gelähmten vor die Füße.

»Du hast MODROR gelästert!«, rief einer der Inquisitoren. Mit Schmerz erkannte Aurec, dass es Junda war, der Vater seiner Frau. Seiner angeblichen Frau, korrigierte er sich schnell.

Aurec nickte Kathy kurz zu, und dann lag der zweite gelähmt auf dem Boden. Ein Raunen ging durch die Menge. Zögernd zogen sie die beiden zu sich und hievten sie auf ihre Gunduns, dann ritten sie eilig davon.

Aurec lachte. Es tat gut, seine noch vor kurzer Zeit furchtbarsten Feinde nun so einfach in die Flucht schlagen zu können. Doch dann holte ihn die Realität ein. Zusammen mit Kathy schleppte er sich den Hang hinauf, auf dem der Weg vom Berg hinab führte.

Er war schon geistig dabei, einen möglichst deckungsreichen Weg bergab zu suchen, als ihn Kathy Scolar am Ärmel zupfte. Sie deutete auf einen großen Stein, hinter dem ein kleines Häuflein Elend saß, das Aurec sehr schnell als Teddus erkannte.

»Wir können ihn doch nicht hier zurück lassen«, meinte Kathy.

Aurec nickte und trat an Teddus heran. »Teddus?«

Der Narr aus Thiban reagierte nicht. Aurec versuchte es etwas lauter erneut. Erst als er wieder nicht reagierte, bemerkte Aurec, dass Teddus die Knie auf seine Ohren gepresst hielt und somit gar nichts hören konnte. So legte er ihm eine Hand auf die Schulter.

Sofort schoss Teddus wie von der Tarantel gestochen hoch und schrie hysterisch. Als er Aurec erkannte, lachte er begeistert auf und warf sich ihm an den Hals.

»Nyrrak ist zurück gekommen«, rief er lachend. »Er hat das Dämonenschloss überlebt und das große Auge besiegt!«

»Teddus, wir müssen uns in den Wäldern verstecken«, erklärte Aurec ihm. »Den Dämon mit dem großen Auge haben wir wirklich besiegt, aber seine Götter werden bald hier sein …«

Teddus' Gesicht wurde blass. »Aber die Götter des Gottes des Gottes werden uns finden, egal wo wir uns verstecken.«

Aurec wusste nicht genau, was Teddus unter »den Göttern des Gottes des Gottes« verstand, aber er versuchte ihn zu beruhigen: »Diese Götter haben eine Schwäche, sie können nicht durch die Blätter von Bäumen sehen. Wenn wir uns also im Wald verstecken, können sie uns nicht entdecken.«

Daraufhin strahlte Teddus. »Ja, ich werde euch führen!«

In Rekordzeit rannten sie den Teufelsberg hinab und schlugen sich im größtmöglichen Abstand zur Stadt Thiban in die Wälder. Erst dort sanken sie zum Verschnaufen nieder. Doch sie hatten kaum einige Minuten, da ertönte ein infernalischer Lärm über den Bäumen. Teddus schrie wie am Spieß und Aurec konnte erkennen, dass sich dort über dem Blätterdach ein Raumschiff herab senkte – genau auf sie zu.

Dann fühlte er sich von einer unsichtbaren Kraft abgehoben und schloss mit seinem Dasein ab.

 

Die Trauernden

Gal'Arn ertrug seine neuen Gäste mit aller Fassung, zu der ein elarischer Ritter der Tiefe fähig war. Mit den Braunhauers monatelang an Bord der TERSAL hatte er schon Einiges mitgemacht, aber die Terraner von der NIMH schienen noch um ein Vielfaches schlimmer zu sein.

Gerade eben erst war wieder so etwas passiert. Sie saßen gemeinsam beim Frühstück, als Juff Ikudolf, vermutlich eher unbewusst, in Tania Walertys mal wieder viel zu großen Ausschnitt gestarrt hatte. Tania hatte daraufhin dermaßen finster zurückgestarrt, dass sie vermutlich jeden Chaotarchen die Show gestohlen hätte. Juff hatte sich darüber dermaßen erschrocken, dass er mitsamt seinem Essen vom Stuhl gesegelt war. Das wiederum hatte Sandal Tolk zu einem hysterischen Gelächter animiert, bis er ebenfalls den tödlichen Blick empfangen hatte und übergangslos verstummt war. Nun nahmen alle in Grabesstille ihr Essen ein und jeder blickte nur noch seinen eigenen Teller an.

»Evspor!«, ertönte da plötzlich Ben Strouts Stimme und riss alle aus ihren Gedanken. Sogar Gal'Arn benötigte eine Sekunde, um zu bemerken, dass nicht er angesprochen worden war. »Wieso nimmst du eigentlich keine Nahrung zu dir?«

Alle Blicke wandten sich dem Nesjorianer zu, der wie immer beim Essen stocksteif und hoch aufgerichtet an einer Wand stand. Wenn man es nicht besser gewusst hätte, hätte man ihn problemlos für eine Statue halten können.

Doch jetzt ruckte der Kopf des schwarzen Wesens herum. »Ich beziehe meine Energie aus dem Hyperraum.«

»Na, komm! Du kannst uns doch nicht erzählen, dass du einen Hypertrop-Minizapfer im … im … Magen hast!«, meinte Walerty, noch kauend, und grinste.

»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Evspor irritiert.

»Nicht so wichtig!« Tania grinste noch breiter und wandte sich wieder ihrem Essen zu. Der Nesjorianer hatte wenig über seine Existenz preisgegeben. Sein Volk war ein Dienervolk der Kosmokraten. Einst waren sie wohl Menschen nicht unähnlich gewesen, bis sie angefangen hatten, sich genetisch zu verändern. Das war wohl aus der Not geschehen. Die Kriege gegen das Chaos hatten den Nesjorianern hohe Verluste zugefügt und so waren sie gezwungen gewesen, sich künstlich zu reproduzieren und widerstandsfähiger zu machen. So kamen dann Wesen wie Evspor dabei heraus. Organischer Kern, versetzt mit kybernetischer Technologie und einem Exoskelett.

Was aus seiner Wachflotte und der Raumstation NESJOR geworden war, wusste Evspor nicht. Und das schien ihn – wenn er denn solche Emotionen besaß – zu belasten.

Nur einem Augenblick später herrschte wieder Totenstille. Gal'Arn wusste genau, warum. Vor nur wenigen Tagen war die niederschmetternde Nachricht gekommen, dass die NIMH die Wasserstoffwolke, in der sie von den Truppen MODRORs getrieben worden war, nach dem Kollabieren nicht mehr verlassen hatte. Das bedeutete den Tod der kompletten Besatzung des 500-Meter-Forschungsschiffes. Nur Tania Walerty, Juff Ikudolf, Sandal Tolk, Jennifer Taylor und Ben Strout hatten überlebt, da sie das Schiff aufgrund einer Meinungsverschiedenheit mit der Kommandantin Nicola Posny kurz zuvor verlassen hatten. Das bohrte in den Gemütern, vor allem denen von Walerty und Ikudolf, die schon wesentlich länger als die anderen an Bord gewesen waren.

»Was mögen das für Gefangene auf Entrison sein?«, versuchte Ben Strout ein weiteres Mal, alle aus ihrer Lethargie zu reißen.

Gal'Arn hob mutlos die Schultern. »Ich hoffe natürlich, dass es sich dabei um Aurec und Kathy Scolar handelt, aber sicher ist das natürlich nicht. Aber wen sollten die Machthaber in Barym sonst mit Gedächtnisblock auf einer Randwelt aussetzen?«

»Aber hätte Cau Thon sie nicht einfacher töten können?«, hakte Sandal Tolk nach.

»Das hätte er aber schon auf Xamour tun können«, widersprach Gal'Arn. »Ich war dabei und habe genau gesehen, wie Goshkan ihn zwar aufs Schwerste verletzt, aber ansonsten absichtlich am Leben gelassen hat – und das will bei diesem Monster schon einiges heißen!«

Der Ritter verstummte, als ihm bewusst wurde, was er da gerade in seiner Rage von sich gegeben hatte. Vor einigen Jahren noch war Goshkan ein Schüler seines Ordens gewesen. Ein schwieriger Schüler zwar, aber immer noch einer, den ein Ritter der Tiefe für würdig gehalten hatte!

Was war bloß aus ihm geworden, was war bloß aus den Rittern der Tiefe von Shagor geworden? Er und sein Orbiter Jaktar waren die letzten, alle anderen waren tot, hingerichtet von Cau Thon und seinen Schergen.

Er transportierte eiligst eine Träne aus seinem Auge, bevor ein anderer sie bemerken konnte. Doch die anderen am Tisch stierten längst schon wieder in ihre Teller und bemerkten nicht, wie der Ritter der Tiefe Gal'Arn beinahe geweint hätte.

»Wir erreichen Entrison in zwei Minuten«, gab plötzlich die Schiffssyntronik durch.

Gal'Arn schluckte alle üblen Gedanken und die Reste seines Essen herunter und eilte in die Zentrale. Wenig später kamen auch die anderen nach, sodass sich sieben Personen in dem kleinen Kommandoraum des Ritterschiffs drängten.

»Wollen wir hoffen, dass wir vor Shul'Vedek und seinen Soldaten angekommen sind«, murmelte Jaktar.

Gal'Arn wandte sich ihm zu. »Wollen wir eher hoffen, dass diese Gefangenen die richtigen sind!«

Sein Orbiter nickte und in diesem Moment verschwand das graue Wabern des Hyperraums. Alle in der Zentrale hielten den Atem an, denn im Orbit der Welt Entrison schwebte ein Schiff, wie es vermutlich nur eines in der gesamten Galaxis Shagor gab – ein Kugelraumer mit 500 Metern Durchmesser.

»Die NIMH!«, hauchte Tania Walerty fassungslos.

 

 

 

Der Scheinlebende

Als Emma Lian in ihrer Kabine zusammensank, erwachte Mel aus seiner Starre, in der er auf Anweisungen wartete. Elektronen begannen, durch seine Schaltkreise zu rasen, und die Syntonik-Projektoren bauten neue Mikrokosmen auf, die mit Prozessoren und Speicherbänken gefüllt wurden. In einer für organische Wesen unvorstellbar kurzen Zeitspanne analysierte der Androide die Lage.

Seine Sensoren orteten eine ungewöhnlich große Intensität von Gammastrahlung, die das ganze Schiff durchdrang. Er erkannte, dass dies Sekundärstrahlung war, die durch eine Quelle außerhalb des Schiffes ausgelöst worden war. Was genau diese Quelle gewesen war, konnte Mel nicht mehr feststellen, denn das Schiff befand sich im Hyperraum.

Mel schaltete eine Verbindung zur Schiffssyntronik. Datenpakete im galaktischen Standardcode wurden ausgetauscht – die Computermethode der Kommunikation.

»Was ist passiert?«, fragte Mel die Syntronik.

»Die NIMH war in einer Wasserstoffwolke gestrandet. Als die Strahlung für die Besatzung zu groß wurde, habe ich das Schiff in Notsteuerung genommen und sie in Tiefschlaf sinken lassen.«

»Wieso leben sie dann noch?«

»Etwa eine halbe Minute vor der tödlichen Dosis hat das Schiff die nötige Geschwindigkeit erreicht und ich konnte in den Hyperraum gehen.«

Mel rief seine Datenbanken ab. Zwar war die Besatzung mit dem Leben davon gekommen, aber die harte radioaktive Strahlung würde dennoch ihren Tribut fordern. Zertrümmerung der großen Moleküle innerhalb des Organismus, vor allem der DNA, war die unmittelbare Folge. Daraus würden Krebs und Unfruchtbarkeit folgen.

Der Androide wusste, dass Krebs kein größeres Problem war. Durch lokal begrenzte Thermostrahler und Nanosonden konnte man jede Tumorzelle wirkungsvoll vernichten, aber die Unfruchtbarkeit war auch im 13. Jahrhundert NGZ nicht in allen Fällen heilbar. Dies würde vielen bestimmt zu schaffen machen.

Mel begab sich in die Kommandozentrale und übernahm die Steuerung des Schiffes, die ihm der Syntronverbund auch bereitwillig überließ. Seit Mel die Besatzung vor der Pest von Seshonaar geheilt hatte, besaß er unbedingtes Vertrauen.

Er verlängerte zunächst den Tiefschlaf zu einem Heilschlaf und ließ die Medoroboter des Schiffes alle Lebewesen nach Tumoren untersuchen. Dann widmete er sich wieder der Schiffssteuerung. Aus dem Logbuch wusste er, dass die NIMH eigentlich Barym verlassen und nach Cartwheel zurückkehren wollte, aber durch eine Flotte MODRORs daran gehindert wurde. Er berechnete die höchste Überlebenschance dafür, wieder zu den Rebellen von Barym zurückzukehren, so machte er sich auf den Weg.

Den bekannten Stützpunkt fand er aber restlos zerstört vor. Seine Verwirrung währte einige hundertstel Sekunden, dann ermittelte er eine möglichst optimale Strategie, um Barym nach einem weiteren Stützpunkt absuchen zu können. In erster Näherung würde es mehrere Jahrhunderte dauern, also viel zu lange. Er berücksichtigte, dass sich die Rebellen kein dicht besiedeltes System aussuchen würden und auch keine planetenlosen Sonnensysteme, dennoch blieben immer noch weit über achtzig Jahre übrig. Nun nahm er die Empfindlichkeit und Reichweite der verschiedenen Ortungsgeräte mit in seine Berechnungen auf. Nach dem Lösen einiger Differenzialgleichungen erhielt er als Dauer für die günstigste Strategie 568 Tage. Dies war erheblich kürzer, als der Heimflug nach Cartwheel dauern würde.

Sofort setzte Mel das Schiff in Bewegung. Mel brauchte keinen Schlaf und keine Erholung, das Schiff auch nicht, sodass er 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche suchen konnte, während die Besatzung in ihrem Heilschlaf die Strahlungsschäden kurierte.

Nach vielen Tagen war er immer noch keinen Schritt weiter gekommen. Lediglich einigen Militärraumern der Larsaar war er begegnet, konnte jedoch dank seiner überlegenen Reaktionsschnelligkeit jedes Mal fliehen, bevor die gegnerischen Kommandanten ihn bemerkten.

Dann erreichte die NIMH der Funkspruch, der auch zeitgleich die TERSAL und die Schiffe Shul'Vedeks in helle Aufregung versetzt hatte. Mel kannte keine Aufregung. In Sekundenbruchteilen errechnete er, dass er das besagte System in nur wenigen Stunden erreichen konnte und machte sich auf dem Weg, nachdem eine Analyse ergeben hatte, dass es sich bei den beiden Gefangenen mit einer Wahrscheinlichkeit von 86 Prozent um Aurec und Kathy Scolar handelte.

Als er das System erreichte, hielt sich noch kein anderes Schiff darin auf. Mel scannte den Planeten und erkannte, dass es sich dabei um eine untechnisierte Welt handelte. Lediglich eine Station auf einem Berg strahlte charakteristische Strahlung aus, die auf Hypertechnik hinwies – genauer gesagt, einem Prallschirm.

Dies bedeutete, dass er an diese Station nicht heran kam. Zwar würde er den Schirm mit den Waffen der NIMH sehr leicht durchbrechen können, aber die Gefahr, Leben in Mitleidenschaft zu ziehen, war zu hoch. Vor allem, da das Gebiet unmittelbar vor dem Schirm mit Menschen gefüllt war.

Mel beschloss zu warten, bis diese die Sinnlosigkeit ihrer Durchbruchsversuche eingesehen und eine ausreichende Distanz zum Schirmfeld zurückgelegt hatten. Er wusste, dass Organische sehr schnell die Lust verloren, oft schon nach wenigen Stunden.

Ein Signal der Medosyntronik verriet ihm, dass die Besatzungsmitglieder mit der höchsten Konstitution die Strahlungskrankheit fast überstanden hatten und bereits im Laufe des nächsten Tages geweckt werden konnten.

Exakt drei Stunden, vierundzwanzig Minuten und zwölf Sekunden später fiel ein Schiff aus dem Hyperraum. Mel beschleunigte sofort die NIMH, bevor die Ortung abgeschlossen war. Als die Ergebnisse bei ihm eintrafen, konnte er den Metagrav wieder herunter fahren, denn bei dem eingetroffenen Schiff handelte es sich um die TERSAL.

Kurze Zeit später wurde er angefunkt. In dem Holo erschien eine Person, die Mel als Gal'Arn identifizierte. Dieser blickte erstaunt, als er den Androiden erkannte. Nur einen Augenblick später wurde der Ritter der Tiefe zur Seite geschoben und ein Mel bekanntes Gesicht erschien in dem Holo.

»Hallo, Mel«, sagte Tania Walerty. »Was ist mit der Besatzung passiert?«

»Liegt im Heilschlaf«, erklärte er bündig. »Die NIMH hat in der H II-Wolke eine große Menge Gammastrahlung aufgenommen, die die Organischen sehr in Mitleidenschaft gezogen hat. Ich habe daher provisorisch das Kommando übernommen.«

Tania schluckte. »Todesfälle?«

»Ja«, bestätigte Mel. »Zwei Personen haben leider die Strahlung nicht überstanden. Es handelt sich dabei um Rena Thande und Gulf Czak.«

»Hmm«, machte Tania. »Kenne ich nicht … Dem Rest geht es gut?«

Ein Signal erreichte Mel. Soeben war der Schutzschirm erloschen. Die Personen davor hatten dies erstaunlich schnell bemerkt und bewegten sich in Richtung Eingang der Station.

»Die ersten werden morgen bereits aufwachen«, fuhr er das Gespräch fort, als wäre nichts passiert. Tatsächlich war die Verzögerung nur eine Sekunde gewesen.

Tania Walerty starrte nun auch zur Seite. Offenbar hatte man auf der TERSAL die Veränderung auch bemerkt. Dann blickte sie wieder ihn an. »Hast du bereits Aurec entdeckt?«

»Negativ. Aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass er sich erstens auf diesem Planeten und zweitens in dieser Station aufhält.«

Während er dies sagte, trat eben dieser Aurec aus der Station ins Freie. Ihm folgte Kathy Scolar. Mel konnte in der optischen Aufzeichnung der Ortungssonde erkennen, dass Aurec jemanden auf der Schulter trug. Er reagierte sofort und schickte das Bild an die TERSAL.

Dort gab es ein deutliches Aufatmen. Tania ruckte zur Seite und ließ wieder Gal'Arn vor. »Guten Tag, Mel. Man hat mich über dich aufgeklärt. Es freut mich, dass du nun zum zweiten Mal die Besatzung der NIMH gerettet hast.«

»Ich muss dich korrigieren«, widersprach der Androide. »Nicht ich habe die Besatzung gerettet, sondern das Notfallprogramm der Bordsyntronik war es. Ich habe das Schiff nur kommissarisch unter mein Kommando genommen, solange die Besatzung nicht einsatzbereit ist.«

Gal'Arn winkte ab. »Wir freuen uns sehr, dass wir endlich Aurec gefunden haben. Jetzt müssen wir die beiden aber schnellstmöglich an Bord nehmen, bevor dieser Shul'Vedek oder einer seiner Schergen hier auftaucht.«

Mel bestätigte. »Meine Sonde zeigt mir gerade, dass sich Aurec mit Kathy Scolar und einer weiteren Person auf dem Weg von diesem Berg befindet. Offenbar versuchen sie, die Wälder in der Nähe der Stadt zu erreichen. Ich kann mit der NIMH nicht landen, das würde zu viel Aufsehen erregen.«

»Das soll nicht das Problem sein«, meinte Gal'Arn schmunzelnd. »Mein Ritterschiff hat da so einige Tricks …«

Mit diesem Worten verschwand die TERSAL von den Ortern der NIMH. Mel nahm dies ohne eine Regung zur Kenntnis. Ebenso emotionslos nahm er auf, dass sie ihm eine Ansicht der Außenkameras zur NIMH sendeten. Mel konnte beobachten, wie die TERSAL in Landeanflug auf Entrison ging. Sie bewegte sich dabei mit maximal möglicher Geschwindigkeit, sodass die Bewohner der Stadt vermutlich nun eine wunderschöne Sternschnuppe beobachten konnten.

Erst kurz über den Wald, in dem sich die Gesuchten aufhielten, schaltete Gal'Arn den Ortungsschutz ab, um sich dem Saggittonen zu erkennen zu geben. Dann holte man die beiden Cartwheeler und die unbekannte dritte Person mittels Traktorstrahl an Bord. Vor allem dieser Einheimische schien diese Behandlung gar nicht zuzusagen, denn er schrie und ruderte hilflos mit allen Extremitäten in der Luft herum.

Eine Minute später war das Einschiffen beendet. Die TERSAL verschwand wieder von den Ortern, um einige Augenblicke später als Sternschnuppe wieder aufzutauchen – nur dieses Mal in die andere Richtung.

Nach fünf Minuten wurde die Übertragung beendet und Gal'Arn meldete sich erneut. »Wir wären soweit. Hier die Daten des neuen Rebellenstützpunktes. Ich schlage vor, dass wir auf dem schnellsten Wege, aber unabhängig voneinander dorthin fliegen.«

Mel bestätigte den Erhalt und wies den Bordsyntron an, den Metagrav hoch zu fahren. Beinahe synchron nahmen die beiden Schiffe Fahrt auf und verschwanden nach einigen Minuten in den Hyperraum. Das letzte Orterbild, das der Androide aus dem Entrison-System empfing, zeigte das Eintreffen einer großen Flotte. Er kannte kein Aufatmen, aber die Tatsache, dass die gerade noch rechtzeitig fliehen konnten und Aurec tatsächlich gefunden hatten, erfüllte ihn doch mit einer Art Befriedigung.

 

Der Wütende

Genau wie Mel noch das Eintreffen der Flotte bemerkte, bemerkte Shul'Vedek das Verschwinden der NIMH. Sofort schickte er einige seiner Schiffe hinterher, doch diese konnten die Spur des Gegners nicht aufnehmen. Shul'Vedek explodierte fast. Seine Laune sank ins Bodenlose. Erst dieser unfähige Rytar auf dem Planeten, der es sogar gewagt hatte, sich bei seinem Funkanruf schlafend zu stellen, dann dies.

»Sofort den ganzen Planeten überprüfen, ob unsere Gefangenen noch dort sind!«, fauchte er den Oberst an. »Und holt mir diesen Fettkloß ans Holo!«

Als fünf Minuten später weder Aurec und Kathy Scolar gefunden, noch Drullf auf Funkanrufe reagiert hatte, zertrümmerte der General in seinem Zorn einen Teil der Einrichtung der Zentrale. Seine Schwanzspitze schlug einige Male klatschend zu Boden, dann richtete er sich stocksteif auf.

»Zerstört diesen Planeten«, wies er seinen Adjutanten an, dessen Augen fast aus dem Kopf quollen. »So eine geballte Ansammlung von Inkompetenz ist es nicht würdig, länger vor dem Angesicht MODRORs zu existieren.«

Zitternd gab der Oberst seine Anweisung weiter und ließ die Flotte synchron auf Entrison schießen. Befriedigt beobachtete der oberste Militärführer Baryms, wie zunächst die Oberfläche verbrannte und danach von heftigen Vulkaneruptionen förmlich zerfetzt wurde. Erst als sich ein Großteil in eine Magmafläche verwandelt hatte, schaute Shul'Vedek wieder auf. Er ließ sich eine Verbindung zu allen Schiffen seiner Flotte geben.

»Hier seht ihr, was Verrätern blüht!«, rief er und deutete auf ein Holo, dass die völlig vernichtete Welt zeigte. »Verräter sind alle, die es nicht schaffen, mir diese beiden Schiffe und die Rebellen von Barym zu liefern; lebend oder tot.«

Er trennte die Verbindung und wandte sich zum Ausgang. Kurz, bevor er die Zentrale verließ, blickte er noch einmal seinen Oberst an. »Ich erwarte einen Erfolgsbericht innerhalb der nächsten drei Tage.«

 

Goshkan

Unglaubliche Leere erfüllte seinen Geist. Wie da draußen.

Eben noch hatte er etwas gedacht. Wohin entglitten die Gedanken? Reglos wie ein Fels lag er da. Er fühlte nicht die Trittriffelung der stählernen Bodenplatten, empfand nicht ihre Kälte. Sein starrer Blick ging hinaus durch die Klarsichtkuppel des Observatoriums und verlor sich in der Unendlichkeit des Weltraums, ausdruckslos, bewegungslos.

Unmerklich zuckte das Lid seines mittleren Auges. Sterne, Sternhaufen, Nebel, Galaxien …

Einer dieser Punkte dort draußen mochte Shagor sein, selbst eine Anhäufung von Milliarden Sternen und Planeten. Katron.

Katron?

Es viel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Noch immer war sein Geist gefangen von der Weite des Universums, durchzog die Unendlichkeit, fand keine Anhaltspunkte und kehrte immer wieder an einen Ort zurück – Katron.

Plötzlich hörte er das helle Lachen von zwei Kindern, zeitweise übertönt vom typischen katronischen Grummeln und Tröten höchster Begeisterung, das die langen Nasenfortsätze verließ. Er sah sie ganz deutlich, wie sie dort auf der weiten Wiese herum tollten und die Sonne vergaßen, die hinter den Bergen in purpurnem Leuchten verschwand.

Rulish … Rulish! Jetzt erkannte er das Mädchen, das in der unerwarteten Dunkelheit erschrocken verhielt, bis der Knabe angelaufen kam und sie lachend nach Hause brachte. Er war der Knabe!

Katron, Rulish. Heimat …

Heimat, pah!

Sein Klan musste stolz auf ihn sein. Er war der größte Krieger seines Volkes und würde Katron mehr Ruhm und Ehre bringen, als die besten Krieger in allen Generationen zuvor. Oder würde die Katronen etwa Mitleid und Sympathie mit den Elaren vorheucheln? Es würde zu der aufkommenden Dekadenz seines Volkes passen.

Unwillig richtete sich der mächtige Körper auf. Seine rechte Hand ballte sich zur Faust und donnerte gegen das Schott, das sich nicht schnell genug öffnete. Der Gigant verließ dröhnend die Halle. Einen Moment später war die Szene vergessen.

Zischend glitt das Schott auf und gab den Blick in das Halbrund der Zentrale frei. Die Besatzung wirkte ungeheuer konzentriert und vertieft in ihre Aufgaben, doch Goshkan achtete nicht darauf. Missmutig stampfte er in den großen Raum und hielt auf das Podest zu, auf dem sein Kommandantensessel mit den integrierten Überrangschaltungen stand. Ein grimmiger Blick aus den rot glänzenden Augen verscheuchte den ersten Piloten der KATRON, der pflichtbewusst herangetreten war, um Meldung zu erstatten. Plump ließ er sich in die weichen Polster fallen und gab ein kurzes Grummeln von sich. Augenblicklich richteten sich alle Augen auf ihn, der Pilot schlüpfte rasch wieder hinter sein Pult.

»Sofort volle Energie auf die Triebwerke!«, dröhnte es hart aus dem Mund des Giganten. »Ziel ist die verbotene Zone. Und beeilt euch!«

Der Pilot bestätigte und gab seine Kommandos. Goshkan nahm es nicht mehr wahr. Seit er den Befehl über die KATRON übernommen hatte, herrschte an Bord eine eigenartige Spannung. Die Besatzung duckte sich unwillkürlich, sobald er erschien, sie arbeitete schnell und präzise und achtete darauf, ihn nicht zu verärgern. Goshkan grinste bei dem Gedanken. Man kannte und fürchtete ihn, selbst hier, auf seinem eigenen Schiff.

Der Sohn des Chaos richtete seine Gedanken auf die Zukunft. Eine große Aufgabe erwartete ihn. Barym war die Waffenkammer.

 

Die Verbotene Zone

»Herr, wir sind in der Zone angelangt«, fand die unterwürfige Stimme des Piloten den Weg in seine Gedanken.

Goshkan grunzte. Ein Blick auf die Zentralholos zeigte ihm das genaue Bild der Situation: Die KATRON befand sich in Unterlichtfahrt im Randbezirk der Galaxis, der die Terraner die Bezeichnung NGC 1410 gegeben hatten. Starke Energieschirme spannten sich um den stählernen Leib des Schiffes, denn hier begann bereits die Zone tödlicher Strahlung, die sich Richtung Zentrum noch verstärkte und jedem Neugierigen das Eindringen verwehren sollte. Es war nur eine der Barrieren, durch die die Galaxis als Stützpunkt für MODROR und seine Geschöpfe prädestiniert war. Diese Hohlkugel natürlicher hyperdimensionaler Strahlung hatte ihren Ursprung in den ungewöhnlichen Emissionen der Sonnen, die das zentrale Schwarze Loch umlagerten. Das direkte Gebiet der Galaxis blieb dabei unbeeinflusst, die gleichartige, gegenpolige Strahlung der Mehrzahl der anderen Sonnen wirkte beruhigend auf das System: Interferenzen hoben im direkten galaktischen Einflussgebiet die tödliche Strahlung auf. Bemerkenswert war, dass gerade die Energie der Zentralsonnen ein größeres Einflussgebiet hatte und so das fast undurchdringliche Feld bildete.

Goshkan grinste und aktivierte ein Signal, das auf seine Mentalaura geprägt war. Schlagartig erlosch das Lodern in den Schirmen.

Es existierten künstliche Einflugschneisen in diesem Strahlungsmantel, Satelliten, die durch Funkbefehle aktiviert wurden und einen schlauchartigen Tunnel aus Energiefeldern bildeten, die mit der gefährlichen Energie interferierten. Nur wenige Diener MODRORs besaßen das Recht, hier einzudringen. Zwangsweise hatte auch das dreiköpfige Regierungsteam Baryms Zugang, allerdings nur in seiner Gesamtheit.

Die KATRON nahm wieder Fahrt auf.

»Welches Ziel?«, fragte der Pilot.

»Skurit-Eins«, war die gelassene Antwort.

Übergangslos verschwand das Schiff im Hyperraum, tauchte an gewissen Koordinaten wieder auf und nahm Kursänderungen vor, die es an den für den Überlichtflug gefährlichen Stellen vorbei führten, und umging oder durchflog mit besonderen Schutzmaßnahmen noch manch andere Falle, die bei normal gebräuchlicher Technik sehr schnell in den Tod geführt hätte. Ungerührt gab Goshkan die Befehle. Er wusste genau, was er seinem Schiff und der Technik seines Herrn zutrauen konnte. Verächtlich schlenkerte er mit dem Rüssel, als sie in einen Hypersturm gerieten und eine gelinde Panik in der Zentrale ausbrach. Eine Schaltung an seinem Sitz modifizierte die Schutzschirme, die daraufhin wie magnetische Gegenpole wirkten und das Schiff mit einem Satz – rund hunderttausend Kilometer – aus der Gefahrenzone katapultierten.

»Wenn du das nächste Mal wieder zuckst«, wandte er sich an den Mann vor der Ortung, »kannst du dich draußen persönlich von der Harmlosigkeit der hiesigen Natur überzeugen.« Er lachte dröhnend, trötend und sah zu, wie der Zievohne vor Schreck erbleichte und im nächsten Moment einen violetten Tein annahm – das Zeichen für Scham bei den Zievohnen.

»Oder willst du es gleich jetzt versuchen?«

Neugierig fixierte er den Mann mit seinen drei Augen.

»Grmpf!«, machte er enttäuscht, denn ohne jede Regung nahm der Orter seinen Posten wieder ein.

Goshkan wandte sich um. Plötzlich war die Mannschaft wieder ungemein in die Arbeit vertieft, jeder machte sich so unsichtbar wie möglich. Ein donnerndes Gelächter erfüllte den Raum, dann stand er ruckartig auf und trampelte von seinem Pult.

»Will mich jemand begleiten?«

Niemand antwortete. Erstaunt registrierten sie, dass der Herr den letzten Sprung schon ausgeführt hatte. Sie befanden sich im Anflug auf das Skurit I-System.

Es war ein erhebender Anblick, fand der Katrone. Er hatte auf die Benutzung eines Transmitters verzichtet und steuerte nun in einem kleinen Raumboot den Planeten an. Der Anflug geschah über der Nachtseite der Welt, die als zweite in einem Drei-Planeten-System ihre Sonne umkreiste. Sie besaß keinen natürlichen Trabanten, dafür umkreisten sie mehrere schwere Abwehranlagen, die sowohl einen planetenumspannenden Energieschirm errichten, als auch jeden Gegner mit ihren furchtbaren Geschützen vernichten konnten. Goshkan sorgte sich darum nicht. Er war identifiziert und als weisungsberechtigt anerkannt worden.

Sein Beiboot tauchte in die äußeren Luftschichten ein. Die Hyperortung überwand das störend blendende Glühen der ionisierten Moleküle mühelos und erzeugte ein Hologramm von der Planetenoberfläche über dem Pilotenpult. Goshkan sah die regelmäßig über die Landschaft verteilten leuchtenden Punkte, die nur selten in Ballungszentren zusammenliefen und so dem Beobachter als wichtige Orientierungshilfen dienten.

Er wusste, was ihn erwartete. Noch konnte man es nicht erahnen, doch sobald die Rotation diesen Abschnitt der Welt dem Sonnenlicht zukehrte, würde es offensichtlich werden: Diese Welt bestand aus Stahl! Nicht ein Quadratzentimeter der Oberfläche war der Natur geblieben, nirgendwo spiegelte sich das Licht in der Fläche eines Meeres, nicht ein schneebedeckter Berggipfel strahlte im morgendlichen Sonnenschein. Dafür blitzte und funkelte die gesamte Oberfläche gleichmäßig in den Raum hinaus, die ineinander verschachtelten Hallen und Türme boten dem Licht genügend Reflexionsmöglichkeiten.

Goshkan war es egal. Er befand sich nach wie vor über der Nachtseite und drückte nun das Boot schneller hinab, bis er das Heulen der verdrängten Luftmassen sogar durch die isolierten Wände hörte. Dann tauchte einer der erleuchteten Ballungsknoten vor ihm auf. Er riss das flache Boot nach oben, so dass es der Luft den größten Widerstand bot und ließ mit einem Befehl die Bremsraketen starten. Gequält heulte das Boot weiter durch die Nacht, die Verstrebungen knackten, die Zelle quietschte und stöhnte. Hart setzte es schließlich auf, erzitterte und kam langsam zur Ruhe. Sein Pilot war bereits ausgestiegen.

Mit stampfenden Schritten ging der Riese auf den Eingang des Komplexes zu. Bei jedem Schritt schwang sein langer Nasenfortsatz zwischen den beiden großen Zähnen herum, der breite Nacken war stur nach vorn gereckt. Mit dem gehörnten Kopf und den drei schwarzroten Augen musste der Zwei-Meter-Gigant, wie er so daher trampelte, einen mächtigen und gefährlichen Eindruck auf jedes Wesen seiner Größe machen, und so war es kein Wunder, dass er nur eine Gruppe schüchterner Wesen in der großen Halle antraf, die direkt an das Landefeld grenzte.

Bescheuerte Totenköpfe! Könnt ich glatt reinschlagen!

»Was gibt es zu berichten?« Seine donnernde Stimme wurde vielfach verstärkt von dem Resonanzraum, den die gewölbte Kuppel der Halle bot.

 

Skurrit I

Die Angesprochenen zuckten zusammen, dann trat der mutigste von ihnen vor.

»Die Produktion läuft nach Plan, Herr!«, antwortete er. »Die Anforderungen für das Rohmaterial sind bereits rausgegangen, mit der Antwort rechnen wir in kurzer Zeit. Tryjek hat bisher noch keine Forderung abgeschlagen, so können wir auch diesmal zuversichtlich sein!«

»Ich will sie sehen!«

Ergeben senkten jene, die ihn empfangen hatten, die Köpfe. Ihr erschreckendes Aussehen ließ den Sohn des Chaos völlig kalt. Mit einer herrischen Bewegung des vielfach gehörnten Kopfes trieb er sie voran, auf den angrenzenden Korridor zu.

Sie führten ihn über ein Laufband zu einem Transmitter.

»Damit gelangen wir auf die andere Seite der Anlage, Herr«, erklärte der Sprecher seinem Gast. Goshkan wusste, dass er damit die andere Seite des Planeten meinte. Der interne Sprachgebrauch hatte sich im Laufe der Jahre eigenständig entwickelt.

»Wir wollen dir einen Überblick über alle Produktionsschritte bieten, Herr. Hier ist der Endabschnitt, aber dazu kommen wir später. Bitte, folge uns!«

Sie traten in das gestaltlose Wabern des Sendefeldes. Goshkan spürte nur einen kleinen Schmerz, der ihm bedeutungslos vorkam, dann ging es weiter. Über ein weiteres Laufband gelangten sie in einen langen Gang, dessen Wände aus transparentem Material bestanden. Dahinter sah Goshkan nur eine weitläufige Halle, die mit weißen, etwa zwei Meter langen und einen halben Meter breiten gewölbten Aggregaten gefüllt war. In übersichtlicher Ordnung reihten sich die sargähnlichen Gebilde aneinander, zwischen kaum sichtbaren Schlitzen strahlte grelles Licht hervor.

»Hier wird das biologische Rohmaterial vorbereitet«, erläuterte der Sprecher mit sachlicher Stimme.

»Man sieht ja gar nichts!«, nörgelte Goshkan enttäuscht. »Macht die Tür auf, ich will einen direkten Blick auf den Vorgang werfen!«

»Herr, das ist in diesem Stadium nicht ratsam«, wurde er abgewehrt. »Abgesehen von der gefährlichen Strahlung, die man noch durch entsprechende Schutzanzüge kompensieren könnte, würde eine Störung den Prozess zunichte und damit das Rohmaterial unbrauchbar machen.«

Sie gingen weiter. Missmutig trampelte der Gigant hinterher. Nach einem Kilometer, während dem sich das Bild nicht änderte sondern sich Halle um Halle mit den sargähnlichen Konstruktionen aneinanderreihte und seine Führer jede Halle mit dem gleichen Kommentar bedachten, blieb er mit einem Ruck stehen.

»Bringt mich sofort in den nächsten Abschnitt!«, donnerte er die erschrocken zusammen zuckenden Gestalten an. Drohend beugte er sich nach vorn und stieß ein dumpfes Schnaufen durch den Nasenfortsatz. »Ich will nur eine Halle von jedem wichtigen Produktionsschritt sehen, klar?«

»Wir haben verstanden, Herr!«, beeilte sich der Sprecher zu versichern. »Wir werden dich nicht enttäuschen; du wirst noch einige interessante Einblicke erhalten!«

Brummend klatschte ihm Goshkan den Rüssel gegen den Totenkopf. Seine Führer beeilten sich, einen Ausgang zu erreichen. Eine unterirdische Magnetbahn raste dem nächsten Komplex zu. Bei diesen gigantischen Anlagen mussten andere Bewegungsmittel eingesetzt werden als anderswo.

Diesmal konnten sie die Halle betreten. Die weißen Särge wurden jetzt von durchsichtigen Becken ersetzt, in denen eine brodelnde Masse den klaren Blick auf den Inhalt verwehrte. Goshkan sah nur undeutlich humanoide Gestalten in der Flüssigkeit schwimmen, die von verschiedenen Instrumenten behandelt wurden.

»Was wird hier gemacht?«

Der Sprecher ergriff dankbar die Gelegenheit, den mächtigen Gast zu befriedigen. »Nun, Herr, wie du unschwer sehen kannst, werden auch hier noch vorbereitende Arbeiten erledigt.«

Als Goshkan die Augen zusammen zog, fuhr er hastig fort: »In den ersten Hallen wurde das Material in einen Ruhezustand versetzt und erste manipulierende Maßnahmen eingeleitet. Die normalen Körperfunktionen wurden abgeschaltet, damit der Prozess der Umwandlung ungestört ablaufen kann. In diesen Tanks jetzt wird die Oberfläche verändert, Sensoren werden eingepflanzt und die genetischen Manipulationen der ersten Phase überprüft.«

Goshkan schlenkerte bestätigend den Rüssel. Er beugte sich nochmals interessiert vor und betrachtete die schwimmende Gestalt im nächsten Tank.

In der nächsten Halle, die sie wieder über eine Schnellverbindung erreicht hatten, blieb Goshkan stehen. Hier wurden die Tanks durch einfache Antigravfelder abgelöst, in denen die Gestalten frei schwebten. Zum ersten Mal war ein ungestörter Blick möglich. Der Riese trat an eines der Felder heran und musterte die Gestalt eingehend. Auch hier waren wieder verschiedene Roboter statischer und beweglicher Art an der Arbeit. Sie installierten Anschlüsse, Sensoren und bepflanzten die Körper mit unterschiedlichen dünnen Metallplatten. Die Köpfe der unfertigen Gestalten wurden mit besonders vielen Kabeln versehen. Als schließlich eine Haube darüber gestülpt wurde, räusperte sich der Sprecher.

»Herr, wir müssen nun diese Halle verlassen. Wenn es dich interessiert, können wir den folgenden Vorgang von außen betrachten.«

Goshkan ließ sich willig hinaus führen. Er war gespannt, welches Schauspiel ihm geboten werden sollte. Durch die transparente Wand sah er, wie aus den Hallenwänden riesige Projektormündungen ausfuhren. In regelmäßigen Abständen entstanden auch im Boden Öffnungen, aus denen identische Projektoren herauf gefahren wurden. Ein Flimmern entstand in der Halle zwischen den Projektoren.

»Wir erleben nun das Ende eines Produktionsschrittes mit«, erläuterte der Sprecher das Geschehen. »Die einzelnen Hallen sind so konzipiert, dass jeder Abschnitt zur selben Zeit beendet ist. Nun sollen die Körper zu ihrem jeweilig nächsten Produktionsort befördert werden.«

Goshkan sah, wie sich das Flimmern verstärkte. Ihn durchzuckte die Erkenntnis nur einen Augenblick, bevor der Transport stattfand.

»Transmitter?«, fragte er ungläubig.

Gleichzeitig verschwanden die Gestalten aus der Halle und rematerialisierten wieder. Doch nein! Es mussten ja jene aus den voranstehenden Hallen sein, denn ihnen fehlten die vielfältigen Anschlüsse und die Kopfhaube, wie Goshkan sah. Das flimmernde Feld erlosch, die Projektoren wurden zurückgezogen und die Roboter erschienen wieder, um ihre Arbeit zu beginnen.

»Du hast Recht«, rief der Sprecher begeistert. »Es sind gigantische, hundertprozentig aufeinander abgestimmte Transmitterfelder, die den parallelen Transport der teilfertigen Produkte erledigen!«

Die nächste Halle: Die eben angekommenen Körper wurden nicht weiter behandelt, sondern die Haube wurde an ein Aggregat angeschlossen. Das war alles, was Goshkan sehen konnte.

»Was soll das?«, fragte er ratlos. »Und dazu den ganzen Transport?«

»Hier werden sie konditioniert«, erklärte der Sprecher geduldig. »Bei der Haube handelt es sich um ein Hypnose-Gerät, in diesen Aggregatblöcken werden die Energie und die Informationen erstellt oder bereitgehalten. Die Konditionierung soll möglichst ewig halten, deshalb der hohe Aufwand, der dadurch nicht wiederholt werden muss. Und eine eigene Halle für diesen Zweck dient nur dem komplexen Zeitplan der Produktion, Stichwort: Transmitter.«

Nächste Halle: Schwarze metallene Gebilde senkten sich von der flachen Decke herab. Sie wurden von mobilen Robotereinheiten in Empfang genommen und von diesen den reglos daliegenden Körpern angepasst. Der Raum war erfüllt von zischenden und schmatzenden Geräuschen, die bei dieser Tätigkeit entstanden. Wenn die passenden Teile bereitlagen, wurden sie auf die installierten Anschlüsse gelegt, stellten so einen Kontakt her, dessen Folge war, dass die Einzelteile vollautomatisch angesogen und arrettiert wurden. Es entstand eine Art Rüstung, die den Körper völlig umgab.

»Das Ziel dieser Halle sind biomechanische Rüstungen, die dem Träger einen optimalen Schutz und dabei perfekte Bewegungsmöglichkeiten verleihen«, hörte Goshkan die Stimme seines Führers. »In dieser Halle werden die Einzelteile der Rüstung angepasst und durch die vorangegangene Präparierung beginnt sofort der Prozess des Verwachsens.«

»Folge uns jetzt in die letzten Hallen!«, sagte der Sprecher feierlich.

Dort sah der Katrone, wie die leblose Gestalt in ihrer schwarzen Rüstung aufgerichtet wurde. Dann senkte sich etwas in einer mechanischen Halterung auf ihren Kopf herab. Wieder erklang dieses zischende und schmatzende Geräusch, und als sich die Mechanik zurückzog, war die Rüstung vollständig.

 

Lehr Ar'Modror

Gal'Arn lag auf seiner Pritsche und dachte nach. Zwei Tage waren jetzt vergangen, seit er aufgrund von Drullfs Funkspruch den verschollenen Prinzen Saggittors Aurec und seine junge Freundin Kathy Scolar auf dem entlegenen Planeten Entrison gefunden und mit ihnen, der TERSAL und der NIMH die Flucht vor Shul'Vedeks Flotte erfolgreich überstanden hatte. Sie waren auf Umwegen zur Ausweichbasis der Rebellen Baryms entkommen, die nun nach der Vernichtung der ursprünglichen Zentralwelt diese Rolle übernommen hatte.

Aurec erholte sich nur langsam von seinen Strapazen, ließ es sich aber nicht nehmen, an den Planungen der Zukunft teilzuhaben. Gal'Arn wusste, dass bei einem hypothetischen Risikoeinsatz der ehemalige saggittonische Kanzler mit von der Partie sein würde. Er seufzte. Das hieß, dass auch dieses gebrechliche weibliche Wesen Kathy Scolar mitkommen würde, denn sie hatte sich auf Entrison während der Flucht vor der Inquisition recht gut geschlagen und Aurec würde ihre Wünsche unterstützen. Es bahnte sich sowieso eine engere Freundschaft zwischen den beiden an, die wohl erst durch ihre gemeinsamen Erlebnisse einen Weg gefunden hatte.

Der Ritter der Tiefe aus dem Bund Shagors schüttelte den Kopf und fragte sich zum wiederholten Male, warum diese sonderbaren Terraner und sogar Aurec sich oft dazu entschlossen, derart schwache Personen in Himmelfahrtskommandos zu berufen, die meist von entschlossenem Vorgehen profitierten. Zum Beispiel hatte Scolar nicht die geringste Ausbildung in kriegerischen Dingen erfahren, schon gar nicht in den Aufgaben eines Agenten. Sie war als Bar-Bedienung auf der BAMBUS gewesen, hatte die Gefahren der Dscherrokrise überstanden und war mit Aurec in die Falle Cau Thons geraten, die schließlich zu den Ereignissen auf Entrison geführt hatten. Das waren substanzzehrende Erfahrungen, selbst für einen ausgebildeten Agenten wie Aurec, der keine Entbehrungen gescheut hatte, wenn er im Einsatz war.

Gal'Arn fasste den Entschluss, diese Frau nicht mit zu nehmen, wenn es zum Ernstfall kam. Er wollte und konnte nicht die Verantwortung für sie übernehmen! Außerdem würde er sich bemühen, nur ein sehr kleines und trainiertes Team zu bilden.

Seine Gedanken rückten in präzisere Bahnen. Er ging nicht davon aus, dass seine Aufgabe in Barym mit der Rettung Aurecs erledigt sei, sondern wandte sein Interesse jetzt den Geheimnissen der Galaxis zu. Es schien sich um eine Bastion MODRORs zu handeln, wie er aus seinen bisherigen Erfahrungen schließen konnte. Dann sollte es seine Aufgabe sein, ihre Rätsel zu lösen und den Terranern zugänglich zu machen, das würde die Gefahr bedeutend verringern!

Sie waren alle versammelt. Die Zentrale der TERSAL bot nicht genügend Platz für alle Beteiligten und wichtigen Persönlichkeiten des Einsatzes, also hatten sie eine Messe der NIMH als Beratungsort erkoren.

Gal'Arn sah sich um. Aurec saß natürlich mit Kathy Scolar auf einer Bank und unterhielt sich leise mit ihr. Sie erforschten noch immer ihr Gedächtnis, der Weg zur vollständigen mentalen Genesung war noch weit. Und außerdem schien es den Prinzen sehr glücklich zu machen. Gal'Arn lächelte. Er gönnte es dem Freund. Seine letzten Erfahrungen mit Frauen waren alles andere als glücklich verlaufen.

Auch andere interessante Gruppierungen sprachen für sich. Gal'Arn sah den Nesjorianer Evspor mit Mel zusammenstehen, Sandal Tolk, Banternach und Jaktar standen dicht bei Gal'Arn und besprachen strategische Winkelzüge des Partisanenkampfes, die hervorragenden Mitglieder der NIMH saßen an einem Tisch und warteten auf ihre Kommandantin. Ben Strout, Jennifer Taylor, Emma Lian und Tania Walerty.

Gal'Arn sah auf, als Nicola Posny endlich eintrat und sich zu ihren Leuten gesellte.

»Gut, es kann losgehen. Legen wir die Tagesordnungspunkte fest.«

»Was ist mit ›MODRORs Secret‹?«, fragte Posny sofort.

Gal'Arn nickte. Das war genau der wichtigste Punkt seiner Überlegungen.

»Wir wissen von Banternach und seinen Informanten, dass sich dort unheimliche Dinge abspielen«, sagte er. »Jährlich werden zwei Millionen Zievohnen dorthin abgeschoben, und noch niemals ist auch nur einer wieder heraus gekommen. Ich denke, wenn wir das Geheimnis von NGC 1410 lösen können, haben wir das Rätsel Baryms gelöst und können mit wichtigen Informationen nach Cartwheel zurückkehren. Es scheint mir so gut wie sicher, dass man aus diesen Informationen Einzelheiten für den Kampf gegen das Chaos verwerten kann.«

Jeder der Anwesenden gab seine Meinung dazu ab, doch Gal'Arn hörte mehr oder weniger seine eigenen Argumente wieder. Schließlich ging man dazu über, einen Plan zu entwickeln. Wie er angenommen hatte, lief alles auf einen Einsatz seiner TERSAL hinaus.

Also meldete er sich wieder zu Wort. »Ich habe in den letzten Stunden darüber nachgedacht, was wir zur Klärung der Lage tun können. Ich habe folgenden Plan entwickelt …«

Als es zu den Meldungen der Einsatzteilnehmer kam, entwickelte sich wie vorhergesehen eine heftige Diskussion, als er seine Bedenken gegen verschiedene Mitglieder aussprach. Endlich verschaffte er sich Gehör und fasste zusammen:

»Wir werden also mit meinem Schiff das Ziel anfliegen. An Bord werden alle Anwesenden mit Ausnahme von Nicola Posny sein, die hier das Kommando weiterführen muss und für unsere Rückendeckung sorgen wird. Im Zielgebiet wird der Einsatz folgender Maßen ablaufen: Aurec, Evspor, Tolk, Taylor und ich bilden eine Gruppe; Banternach, Strout, Walerty, Lian und Mel die andere. Die Ziele sind klar, die Koordination übernehmen Jaktar und Scolar, die an Bord der TERSAL zurückbleiben. Wir starten in zehn Stunden!«

*

Der Planet glich einer militärischen Festung. Er umkreiste als siebter von neunzehn Planeten seine rote Sonne, besaß einen Durchmesser von 90.000 Kilometern und hatte neun Kontinente, von denen zwei mit Wohnstätten der Bevölkerung gespickt war, die ausschließlich aus Zievohnen, Larsaar, Rytar und Atusar bestand. Der Rest diente nur militärischen Zwecken. Es gab kaum Siedlungen und Verkaufszentren auf dem Planeten, sondern nur Abwehrforts, Raumhäfen, Rüstungsfabriken, Kasernen. 500.000 orbitale Abwehrforts übernahmen auch den Funkverkehr, die Einweisung der landenden und startenden Schiffe in die jeweiligen Flugkorridore.

Ein gelindes Chaos herrschte im Luft- sowie luftleeren Raum um den Planeten, ständig verließen fabrikneue Raumer die Startrampen und brachen zu ihren Jungfernflügen auf, die schon lange keinen der Bewohner mehr aufregten. Denn trotz des äußeren Anscheins einer reinen Militärwelt gab es ein ziviles Ballungszentrum, das einzige seiner Art auf Lehr Ar‘Modror und das wichtigste in der Galaxis noch dazu: Die Hauptstadt Ler Moch. Hier saßen die Beherrscher der Galaxis, der Dreierrat: Ghul'Adar, der Larsaar, Rettius Vreynstarbur, der Atusar und Tryjek, der Zievohne. Lehr'Ar Modror war die wichtigste Produktionsstätte der Barym'schen Militärs, hier wurden die gewaltigen Flotten stationiert.

Und dieser Welt näherte sich nun ein Raumschiff. Die KATRON.

Unverzüglich gaben die Raumstationen den Korridor frei für das Schiff des mächtigen Dieners der allmächtigen Präsenz von MODROR. Langsam sank es auf dem zentralen Landefeld nahe Ler Mochs nieder und öffnete die untere Polschleuse. Dem Kommandanten beliebte es, den Weg zum Regierungspalast nicht per Transmitter, sondern in einem luxuriösen Gleiter zurückzulegen. Goshkan wollte sich von der Oberfläche der Welt ein Bild machen. Er sprang einfach aus der Schleuse, bevor die kurze Gangway ausgefahren werden konnte, und marschierte auf das wartende Gefährt zu.

Durch den dunstigen Schleier des aufgewirbelten Staubs sah er im Hintergrund ein Schiff landen, das sozusagen zeitgleich mit ihm angelangt war. Ein kleiner Frachter, dem am äußersten Rand des Frachthafens ein Platz zugewiesen worden war. Goshkan schüttelte den Kopf. Das V-förmige Schiff wies nicht unbedingt die optimalen Konstruktionsmerkmale eines Frachters auf. Dann sprang er in den Gleiter und pflanzte sich in die weichen Polster.

Vor dem Regierungspalast hatte sich der Dreierrat unter Ghul'Adars Führung eingefunden. Goshkan sah befriedigt, wie die drei unterschiedlichen Wesen ergeben die Köpfe senkten, als er sich kraftvoll aus dem Gleiter schwang.

Unterwürfig trat Ghul'Adar vor. »Herr, bitte folge uns! Du wirst erschöpft sein von der Reise. Wir geleiten dich zu deiner Suite, wo du dich erfrischen kannst.«

»Das ist Blödsinn!«, grollte der grauhäutige Gigant. »Führt mich in einen Besprechungsraum, dann können wir gleich beginnen!«

Der schlangenartige Larsaar zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb und beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Goshkan fragte sich, ob die anderen wirklich Angst vor ihm hatten oder ob sie vor der Macht buckelten, die er vertrat. Immerhin waren sie ihren eigenen Untergebenen gegenüber auch nicht zimperlich, sondern setzten sich mit allen Mitteln durch.

Der Regierungspalast verdiente diesen Namen nur indirekt. Wenn man sich unter einem Palast ein prunkvolles, protziges Bauwerk von großer architektonischer Leistung vorstellte, wurde man in Ler Moch enttäuscht. Der Gebäudekomplex war gigantisch und mit allen modernen Kommunikationsmitteln und technischen Spielereien ausgestattet, er war der bestgeschützte Bereich auf dem Planeten – von daher einem Palast vergleichbar. Sein Aufbau jedoch entbehrte jeglicher Ansehnlichkeit, er war hochgradig funktional und wirkte eher wie ein Klotz aus Beton und Stahl. Hier war das Nervenzentrum einer Galaxis, militärisch wie wirtschaftlich. Der Komplex erreichte die Ausdehnung einer großen Stadt und reichte tief in die Planetenkruste hinein.

So bekam der Sohn des Chaos nicht allzu viel zu sehen, denn bei diesen Ausmaßen mussten normale Transportmittel versagen. Sie betraten die Eingangshalle und wandten sich einer kleinen Tür zu, hinter der ein Personentransmitter stand. Ohne Verzögerung schritten sie hindurch und tauchten Kilometer entfernt in einem kleinen Saal auf, dessen einzige Einrichtung aus einem großen Tafelrund und einem Formenergieprojektor bestand. Tryjek rief einen kurzen Befehl und bot dem Gast einen der materialisierenden Formenergiesessel an. Er selbst und seine Kollegen nahmen gegenüber Platz. Goshkan sah, dass an jedem Platz ein kleines Terminal in den Tisch eingelassen war, über das man Kontakt mit jeder beliebigen Außenstelle sowie dem Zentralsyntron aufnehmen konnte. Außerdem ließen sich hier erfrischende Getränke ordern, die sodann auf der Tischplatte materialisierten.

Ghul'Adar sah seine Begleiter unsicher an. Bisher hatte der mächtige Gast noch kein Wort über sein Erscheinen verloren. Der Larsaar wusste nicht, wie er das Gespräch eröffnen sollte. Waren ihnen Fehler unterlaufen, die der Diener MODRORs zu bestrafen gekommen war? Oder wollte er sich nur vom Stand der Dinge in Barym überzeugen? Der Katrone machte bisher einen lässigen Eindruck. Er beachtete die drei nicht, sondern untersuchte interessiert die Servoanlage. Als er sich schließlich ein gebratenes Koltier bestellte, kam Ghul'Adar zu der Ansicht, dass ihnen keine Gefahr drohte.

Er räusperte sich. »Herr, darf ich dir die derzeitige Lage in Barym vorstellen?«

Als Goshkan gnädig nickte, atmete er auf. Seine Befürchtungen waren tatsächlich übertrieben gewesen.

Er aktivierte sein Terminal und ließ sich vom Syntron ein Hologramm über dem Tisch projizieren. Erschrocken blickte er auf, als von Goshkan ein unwilliges Brummen erscholl. Seine soeben bestellten Speisen verschwanden in der farblichen Darstellung der Galaxis. Hastig verkleinerte der Larsaar das Holo.

»Dunkel!«, richtete er seinen scharfen Befehl an die Syntronik. Das Licht blendete fließend aus, dann konnte man das gestochen scharfe, selbstleuchtende Holo in allen Einzelheiten erkennen.

»Du wirst mit Barym zufrieden sein«, verkündete er stolz. »Unsere Wirtschaft ermöglicht eine rasche Aufrüstung der Flotten. Wir mussten dazu übergehen, verschiedene Stützpunkte zu großen Flottenversorgunsstationen auszubauen. Allein auf Lehr Ar‘Modror verlassen täglich hundert Raumer verschiedener Baureihen die Fließbänder.«

Er wartete auf eine Reaktion des Gastes, die blieb jedoch aus. Rasch fuhr er fort.

»Die stetige Präsenz der Flotte über allen bewohnten Planeten signalisiert den Einwohnern, dass Loyalität unvermeidlich ist. Mittlerweile ist es schicklich, dem Flottendienst beizutreten. Da fallen die zwei Millionen Zievohnen kaum noch ins Gewicht, die wir jährlich in die Zone schicken.«

An dieser Stelle trafen sich die Blicke Adars mit Tryjeks, der seine pockige bleiche Haut über den Augen gerunzelt hatte und missmutig in die Gegend starrte. Der oberste der Zievohnen musste diese Verschleppungen tolerieren, die Ghul'Adar im Auftrag MODRORs anordnete, auch wenn er nicht wirklich wusste, was aus ihnen wurde. Noch niemals war einer der Verschleppten wieder gekehrt und hätte berichten können, was mit den humanoiden Wesen geschah.

Ghul'Adar blickte wieder zu Goshkan hinüber. Was wusste er darüber?

»MODRORs Diener haben die Galaxis völlig unter Kontrolle«, fuhr er fort. »Unsere Flottenkontingente patrouillieren überall, ihre Sammelpunkte sind in der Darstellung gelb hervorgehoben.«

Deutlich leuchteten tausende Punkte in dem tischübergreifenden Holo auf und lenkten die Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich. Dann verblichen sie wieder und leuchteten nicht stärker als andere Farben, zum Beispiel blaue Industrieplaneten und grüne Militärakademien.

Goshkan brummte misstrauisch und deutete auf einige verstreute Punkte. »Was sollen diese roten Flecken?«, dröhnte seine Stimme in den Ohren.

»Die sind nicht der Rede wert«, beschwichtigte Ghul'Adar. »Das sind unbedeutende Rebellenstützpunkte, die …«

»Rebellen?«, donnerte Goshkan und hieb mit der Faust auf den Tisch. Die abgekauten Überreste des Koltiers flogen unerwartet durch die Luft. »Wie vereinbart sich das mit eurer sogenannten Kontrolle über die gesamte Galaxis?«

Jetzt zitterte Adar wieder. »Wie ich gerade bemerken wollte, sind uns alle Rebellenstützpunkte bekannt. Wir könnten sie mit einem Schlag vernichten, lassen sie jedoch als psychologischen Faktor bestehen, solange sie uns nicht gefährlich werden können. Vernichteten wir sie, würden vielleicht andere Völker neue Rebellionen beginnen und neue Stützpunkte aufbauen, die zu entdecken uns wieder viel Arbeit kosten würde. Ein bekannter Gegner ist leichter zu handhaben als ein Unbekannter. Und es beruhigt die Gewissen vieler Wesen, dass es andere gibt, die gegen uns kämpfen. So müssen sie es nicht tun.«

Goshkan trommelte mit seinem Rüssel auf der Tischplatte herum.

»Das ist ein guter Gedanke«, gab er zu. »Zumindest scheint er sich in Vergangenheit bewährt zu haben. Aber bald wird die Zeit kommen, wo ihr euch keinen Feind im eigenen Lager leisten dürft. Ich werde die Vernichtung der Hauptwelten persönlich übernehmen!«

Die drei Mächtigen Baryms blickten in drei fürchterlich kalt und brutal glitzernde dunkle Augen. Ghul'Adar konnte sich eines Schauderns nicht erwehren, als er den Giganten da sitzen sah, zahnbewehrt und energiegeladen, mit einer Aura, die ihn erzittern ließ.

»Da gibt es ein Problem«, wagte er leise den Einwand. »Die derzeitige Hauptwelt ist uns nicht bekannt.«

Die drei unheilvoll glühenden Augen fokussierten sich auf seinem Gesicht.

»Wie ist das möglich?« Gefährlich leise sprach Goshkan ihn an.

»Unser Flottengeneral Shul'Vedek musste die ehemalige Zentrale ausheben, weil ein unbekannter Flüchtiger einige unangenehme Aktionen gegen unser Reich geführt hat. Leider konnte er entkommen, der Anführer der Rebellen ebenfalls. Offensichtlich konnte nur ein fremdes, kugelförmiges Schiff nach aufwändiger Verfolgung vernichtet werden.«

Zornig sprang Goshkan auf. Mit einem Satz stand er auf dem Tisch, sprang durch das Hologramm und packte Ghul'Adar am Kragen. Ohne sichtbare Anstrengung zog er ihn zu sich hinauf und legte ihm die Hände um den Hals.

»Das erfahre ich erst jetzt?«, donnerte er. Langsam verstärkte er den Druck seiner Hände. Ein röchelndes Stöhnen verließ den Mund des Larsaar, der allmählich erschlaffte. »Hast du mir noch was zu sagen, Schlange?«

Neben ihm erklang ein zögerndes Räuspern. Goshkan fuhr herum, stieß Adar von sich, der von allen unbeachtet auf den Tisch prallte und dann auf den Boden fiel, und deutete mit einer Hand auf Tryjek.

»Was willst du, Kreatur?«

»Ghul'Adar hat dir nicht alles gesagt, Herr«, sagte der Zievohne mit zitternder Stimme. »Shul'Vedek hat seine Verfolgung bisher nicht eingestellt. Eigentlich verdanken wir ihm, dass wir so gut über die Rebellenlager Bescheid wissen. Der General ist ein ausgesprochen fähiger Mann. Er wird die Flüchtlinge in absehbarer Zeit finden!«

»Das will ich auch hoffen!«, brummte Goshkan, sich langsam beruhigend. Der Ausbruch hatte ihm spürbar gut getan. »Nichts für ungut, Schlange, ich mag keine Schwierigkeiten.«

Ächzend kroch Gul'Adar unter dem Tisch hervor und rang keuchend nach Luft. Er war sich sicher, dass der graue Gigant nur nach Schwierigkeiten dürstete, in denen er sich austoben konnte.

»Licht!«, befahl Tryjek.

Das Holo erlosch und die Saalbeleuchtung glomm wieder auf. Das unheimliche Bild des Giganten in dem schummrigen Leuchten des Holos wich seiner normalen Erscheinung, die den drei Herrschern weit angenehmer war.

»Der Grund für mein Erscheinen in dieser Doppelgalaxis«, hub endlich Goshkan an, »ist ein neuer Befehl. Die Vorbereitungen für den großen Krieg sind in ihre entscheidende Phase getreten. Ich konnte mich ja eben von den großen Flottenkontingenten überzeugen, die hier hergestellt werden. Aber all diese Flotten sind noch zu wenig! Ihr müsst in den nächsten Wochen den Schiffbau forcieren! Und denkt daran: MODROR duldet keine Versager!«

Ein Blitz aus roten Augen traf das Oberhaupt der Larsaar. Ghul'Adar senkte seinen Kopf und wich dem brennenden Blick aus.

»Bevor ich hier ankam, war ich in der Verbotenen Zone und habe mich vom Fortschritt der Arbeiten überzeugt. Für den großen Krieg erwartet MODROR höchsten Einsatz von seinen Dienern. Wir brauchen in den nächsten Tagen ein Kontingent von vier Millionen Zievohnen!«

Sein harter Blick suchte Tryjek. Dessen gezwungenes Nicken befriedigte den Giganten von Katron.

»An die Arbeit, gebt eure Befehle! Ich möchte sehen, dass ihr euren Job versteht!«

Geschäftiges Murmeln erfüllte den Raum, als die drei Regenten ihre Terminals aktivierten und die Anweisungen weitergaben.

 

Die Jagd beginnt

Ein lang gezogener Schrei dröhnte durch den Saal, in dem Ghul'Adar und seine Kollegen in ihre Arbeit vertieft waren.

Wahrscheinlich ist er sogar noch in den anliegenden Räumen zu hören!, dachte Adar entsetzt und verschloss seine Ohrlöcher mit den Schuppenklappen.

Nun schien der Gigant endgültig auszuflippen. Wütend stürmte er durch den Saal und trat mit aller Gewalt gegen die wenigen Möbel, ohne einem von ihnen Schaden zufügen zu können, da sie alle aus Formenergie bestanden. Das steigerte seine Wut natürlich noch mehr, und Ghul'Adar duckte sich in seinem Sessel zusammen, in Erinnerung an die Schmerzen, die ihm vor kurzem erst zugefügt worden waren.

Doch diesmal hatte er Glück. Goshkan hatte sich den vogelartigen Atusar vorgeknöpft und schüttelte ihn so wild, dass die Federn flogen. Der unglückliche Vreynstarbur hatte vor wenigen Augenblicken die Meldung erhalten, dass zwei Gruppen Eindringlinge in den Palast vorgedrungen waren und sich mit gefälschten Codes Zutritt zu wichtigen Syntronschnittstellen verschafft hatten. Schon die Landeerlaubnis war ihnen aufgrund falscher Legitimationen erteilt worden, was nicht sofort bemerkt worden war, weil sie zufällig gleichzeitig mit dem mächtigen Sohn des Chaos angelangt waren und sich aller Aufmerksamkeit auf ihn konzentrierte.

Als Vreynstarbur die Nachricht weitergab, hatte keiner mit der heftigen Reaktion Goshkans gerechnet. Um die wenigen eingedrungenen Rebellen brauchte man sich ihrer Ansicht nach keine Gedanken zu machen. Goshkan schien das anders zu sehen.

»Stellt mir sofort die uneingeschränkte Macht über die Syntronik zur Verfügung! Ein Individualschirmaggregat und eine Waffe, ich werde die Verfolgung persönlich aufnehmen!«

Tryjek beeilte sich, die Anweisungen weiter zu geben, während Goshkan in einem neuen Tobsuchtsanfall auf Vreynstarbur einschlug. Der gebrechliche Atusar hing bereits schlaff in seinen Fäusten, doch noch immer gebärdete er sich wie wild.

Dann flog die Tür auf, und ein Servoroboter brachte die verlangten Werkzeuge. Goshkan ließ Rettius einfach fallen, riss die Sachen an sich und stürmte aus dem Saal.

Sofort sprang Ghul'Adar auf und beugte sich über den Atusar.

»Medo!«, rief er laut.

*

Diese verfluchten Versager!

Goshkan rannte den Gang entlang und hängte sich den Individualschutzschirmgenerator um den starken Hals.

500.000 Wachstationen im Orbit – sie reichen nicht aus, ihn abzuhalten?!

»Syntron, genaue Position und Bewegungsvektor der Eindringlinge, die größere Gruppe zuerst! Und Wegbeschreibung!«

Während der Syntron seine Angaben machte, fluchte Goshkan leise vor sich hin. Wie viel Zeit hatte er ihm geschenkt, als er sich ahnungslos mit den Dummköpfen vom Dreierrat unterhielt? Ein Mann wie er würde die Zeit optimal nutzen! Es war klar, dass ihm bereits wichtige Erkenntnisse vorlagen. Wie viel seiner Pläne war verraten? Es lag nun an ihm, die Fehler der Vergangenheit zu bereinigen.

Goshkan erinnerte sich fast fotografisch, wie er seine KATRON verlassen hatte und nicht weit entfernt ein anderes Schiff niederging. Er hatte sich noch über die ungewöhnliche Form für einen Frachter gewundert – V-Form!

Verdammt! Goshkan streckte mit der Rechten einen Zievohnen nieder, der ahnungslos aus einem Büro den Gang betrat, und trat ihm wütend ein paarmal in den gekrümmten Leib. Warum hab ich es nicht gleich gewusst?

Er erinnerte sich noch gut an ein Schiff, das V-Form besaß und ihm und seinem Meister Cau Thon schon viele Probleme bereitet hatte. Nur er konnte es gewagt haben, sich hierher zu begeben, auf den bestgeschützten Planeten Baryms.

Gal'Arn, diesmal entkommst du mir nicht!

Die größere der beiden Gruppen, so lautete die Auskunft des Syntrons, befand sich derzeit in einer zentralen Anlage mit Syntronschnittstelle.

»Soll ich die Schnittstelle desaktivieren?«, fragte die modulierte Stimme des Rechners.

»Nein! Sie sollen noch nicht merken, dass sie entdeckt sind!«

»Das haben sie schon. Vreynstarbur hat angeordnet, sie festzunehmen, als ihn die Meldung erreichte. Mittlerweile haben sich die Eindringlinge verbarrikadiert und versuchen so viel an Informationen zu erhalten wie möglich. Offensichtlich glauben sie, die Daten verwerten zu können!«

Goshkan schwieg wütend. Diese arroganten Mistsäcke! Der alte Narr Gal'Arn wird dahinter stecken und sie antreiben. Er weiß ja nicht, dass ich hier bin! Bei diesem Gedanken platzte ein höhnisches Gelächter aus seiner Brust. Endlich ist der Tag der Abrechnung gekommen!

»Die Sicherheitsleute sollen den Einschlussring an einer Stelle dünn halten, dass die Fremden ausbrechen können! Ich will sie jagen, sie sollen die Hoffnung bis zum Ende nicht verlieren, nicht, ehe sie mir in die Augen schauen und ihren Tod sehen!«

Dem Syntron sagten die Gefühlsausbrüche nichts, aber Goshkan war es genug, dass seine Anweisungen bezüglich der Ausbruchsmöglichkeit befolgt wurden.

Einen nach dem anderen! Sein Gesicht verzerrte sich in wilder Begierde. Gal'Arn soll sehen, wie sie nacheinander sterben. Er wird schon auf sich achtgeben, er wird der letzte sein – und mir doch nicht entkommen!

Derweil hatte er sich dem Raum genähert und hörte schon die Schreie der Sicherheitsleute, die von zischenden Strahlschüssen getroffen wurden. Er stieß einen wilden Schrei aus, der auch in der Schnittstelle gehört werden musste. Wenn sie jetzt nicht vor Angst erstarrten, mussten sie Hals über Kopf die Flucht antreten.

»Stürmt die Halle! Aber lasst sie entkommen, das Töten übernehme ich!«

Die Kämpfer sprangen ihm angstvoll aus dem Weg, so dass er der einzige war, der die Halle erstürmte. Sie war leer.

Mit einem wütenden Schrei nahm er die Verfolgung auf.

»Syntron, die Männer sollen dafür sorgen, dass sich mir nicht mehr als drei der Gruppe gleichzeitig entgegen stellen!«

Wenn Gal'Arn dabei ist, könnte es sonst gefährlich werden!

Und dann begegnete er dem ersten Widerstand. Plötzlich schien er gegen eine Wand zu rennen, eine Wand aus Feuer, die ihn zurücktaumeln ließ. Sein Individualschirm verwandelte sich in eine lohende Fackel, dann war er aus dem Schussfeld ausgebrochen und rannte durch eine große Maschinenhalle auf seinen Gegner zu, der ihn nicht noch einmal aus dem Strahl seiner Waffe entließ. Erstaunt stellte Goshkan fest, dass nur die Aggregatblöcke ihn vor dem Dauerfeuer schützten, doch er war zu wütend, um daraus seine Schlüsse zu ziehen. Er gab Dauerfeuer aus seiner überstarken Handwaffe, bis das Schutzfeld des Gegners zerstört und er heran war. Das ebenmäßige Gesicht der Frau verwirrte ihn nicht einen Moment lang, dazu war später noch Zeit. Ein Schuss zerfetzte die Waffe in der Rechten der Frau, dann war sein Schutzfeld deaktiviert und er schmetterte seine Faust mit einem zornigen Schrei in das Gesicht, dass nicht eine Miene verzogen hatte – wollte er zumindest, doch geschmeidig war die Frau ausgewichen und hatte ihn ins Leere laufen lassen. Mit einem Bein hebelte sie ihn aus, so dass er kopfüber gegen ein Aggregat prallte.

Nur leicht benommen schüttelte er den Kopf, warf sich herum und rannte hinter der Frau her, die seinen Zorn erst richtig entfachte. Sie hatte ihn zu Fall gebracht!

Nach einem kurzen Sprint hatte er sie eingeholt und rammte seine langen Zähne in ihren Rücken, den Mund geöffnet in Erwartung des warmen Blutes. Als nichts kam, blieb er stehen und zerrte den Körper von seinen Hauern. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie nicht einmal vor Schmerz geschrien hatte. Aus den Stoßöffnungen hingen Drähte und Schaltsegmente heraus.

Sie ist ein Roboter! Das erklärte sowohl ihre schnelle Reaktion wie auch alles andere. Enttäuscht schmetterte Goshkan sie gegen die Wand und ließ sie mit zuckenden Gliedern liegen. Sie hatte ihr Ziel erreicht, ihn aufzuhalten und für die Anderen Zeit zu schinden.

Sein Schrei ließ die nachrückenden Soldaten erschauern, dann war er schon in den nächsten Gang eingedrungen.

»Syntron, Standort der Gruppe!«

»Sie schlagen sich gemeinsam einen Weg nach oben durch und lassen sich von den Sicherheitsbeamten nicht trennen, solange die nicht wirklich eingreifen dürfen! Ich empfehle den Einsatz von wirksamen Vernichtungswaffen …«

»Nein!«, brüllte der rasende Katrone. »Sie gehören mir! Sorgt dafür, dass ich sie einholen kann!«

Er rannte weiter und überprüfte die Ladung seiner Strahlwaffe. Die Lademarke stand knapp über achtzig Prozent, das sollte ausreichen. Auf einen Zuruf des Syntrons bog er links in einen leicht aufwärts verlaufenden Gang ein und erreichte bald ein Schott, hinter dem das Sendefeld eines Transmitters leuchtete. Ohne zu zögern trat er hinein.

»Du bist jetzt vor den Flüchtlingen. Sie werden den anschließenden Gang entlang kommen …«

Er lief weiter, bis er eine Kreuzung erreichte. Dort wartete er ruhig und sah sich nach weiteren Waffen um. An der Decke verlief ein Rohrsystem, dessen einzelne Teile er bequem mit einer Hand umschließen konnte.

»Syntron, was befindet sich in den Rohren?«

»Nichts im Moment. Bei Bedarf kann Kühlflüssigkeit hindurch geleitet werden.«

Befriedigt brummte er und schnitt sich mit dem Strahler ein armlanges Rohrstück aus dem System.

Aus dem Hauptgang wurde jetzt das eilige Trampeln schwerer Schuhe hörbar. Goshkan wartete noch einen Moment, dann warf er sich brüllend um die Ecke.

Der Aufprall mit einem fremden Schirmfeld war heftig. Goshkan wurde zurückgeschleudert, eröffnete aber sofort das Feuer aus seiner Waffe. Es waren vier Gegner, die mit ihm kollidiert waren und sich gerade wieder aufrafften. Das Schirmfeld der ersten Person brach im Feuer der eigenen Leute zusammen, die in panischer Reaktion nach vorn schossen, Goshkan prügelte mit seinem Rohrstück blind drauflos und traf den ungeschützten Kopf der Frau, die lautlos zu Boden ging, Blut aus Mund, Nase und den Schlagwunden strömend.

»Emma!«

Der männliche Terraner mit dem Hut sprang ungeachtet des wütenden Feuers vor und kniete in ohnmächtiger Verzweiflung neben der Frau. Das grausige Gelächter Goshkans hörte er jedoch nicht mehr, denn er verging in einer Feuerlohe.

Inzwischen hatten die beiden letzten Eindringlinge den Angreifer in konzentrisches Feuer genommen. Verzweifelt hatten sie den Tod der Freunde mit ansehen müssen, und jetzt schien es, als könnten sie gemeinsam den starken Schirm ihres Peinigers knacken. Blitze zuckten schon über die Sphäre, sie erstrahlte in grellem Weiß.

Goshkan lachte wieder, als die zweite Frau plötzlich zu Boden ging. Im Gang waren die Soldaten Baryms aufgetaucht und hatten den bedrängten Mächtigen erleichtern wollen.

Sein letzter Gegner versuchte es noch einmal mit Flucht. Erst in einer Sackgasse konnte Goshkan ihn schließlich stellen. Seine Enttäuschung und sein Zorn waren groß, als er statt des verhassten Gal'Arn einen Zievohnen erkannte, der nur ein Mitglied der Barym'schen Rebellen sein konnte. Wütend prasselten die Schläge seines Stahlrohres auf das Schirmfeld des anderen.

»Wo ist Gal'Arn?«

Mit stoischer Ruhe hob der Mann seinen Strahler und drückte ab. Die rein mechanische Wirkung von Goshkans Knüppel konnte ihm nicht beikommen, die Wucht seines Strahlers konnte aber seinerseits den Riesen zurückdrängen.

Dann war plötzlich Stille.

»Ach«, dröhnte Goshkans Stimme höhnisch. »Ist dein Magazin leer?« Und zu den Soldaten gewandt: »Umbringen!«

Er wandte sich ab und eilte davon.

 

Flucht

Im Besprechungssaal herrschte Chaos. Goshkan rannte brüllend im Kreis und feuerte auf jeden, der sich ihm näherte. Dann hielt er ruckartig inne.

»Syntron!« Seine Stimme klang gepresst. »Veranlasse die sofortige Vernichtung des V-förmigen Frachters, der zeitgleich mit der KATRON gelandet ist!«

»Der ist vor wenigen Minuten gestartet, hat aber den Planetenraum noch nicht verlassen!«

Goshkan fluchte.

»Dann verbinde mich mit dem Kommandanten der Satelliten!«

Inmitten des Chaos wirkte das Holo des heraus geputzten Zievohnen deplatziert. Dessen Gesicht war ein einziges Fragezeichen.

»Alle V-förmigen Schiffe sind sofort zu vernichten!«, schrie der Sohn des Chaos.

Der Mann zuckte erschrocken zusammen und bestätigte.

Goshkan nahm seine Wanderung wieder auf. Die Anwesenden – es waren nur zwei, die Reste des Dreierrats – standen verwirrt und eingeschüchtert in einer Ecke. Tryjek fehlte.

Er hat mich zum Narren gehalten!

Doch das stimmte nicht. Goshkan war von falschen Voraussetzungen ausgegangen, als er die größere der Gruppen der Eindringlinge verfolgte. Gal'Arn war unterdessen mit der kleineren Gruppe hier gewesen – und hatte Tryjek, den Obersten der Zievohnen, als Geisel genommen und war aus dem Regierungskomplex entkommen! Was er allerdings gerade mit diesem Feigling wollte, konnte Goshkan nicht verstehen. Er wusste ja nicht, dass es Gal'Arn um die Klärung des Geheimnisses um die zwei Millionen Zievohnen gegangen war, die jährlich in der Verbotenen Zone verschwanden.

Kurz nachdem Goshkan auf die Jagd gegangen war, waren die Fremden in den Saal gestürmt und hatten mit sofortiger Erschießung gedroht, wenn auch nur ein Anzeichen von Gegenwehr sichtbar wurde. Daraufhin hatten sie Tryjek in ein Antigravfeld gespannt und waren ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen waren, ehe Ghul'Adar und Rettius Vreynstarbur ihre Überraschung verwunden hatten. Goshkan fluchte. Jetzt fehlte nur noch …

Das Hologramm des Stationsbefehlshabers entstand wieder über dem Trümmerfeld. Sein ängstliches Gesicht ließ schlimmes befürchten.

»Was?!«, herrschte Goshkan ihn an.

»Herr, das einzige Schiff der Form, die du uns beschrieben hast …«

»Was ist damit?«, donnerte er. »Ist es vernichtet?«

»Nun, äh, ehrlich gesagt, nein, Herr. Sie waren schon verschwunden, als du den Befehl erteiltest.«

Er hatte getobt. Er hatte geflucht. Er hatte Tische zerschlagen und Wände zerstrahlt. Er hatte den Kommandanten zum Tode verurteilt. Aber genutzt hatte es nichts. Gal'Arn war ihm wieder einmal entkommen.

In dieser Situation war endlich Shul'Vedek erschienen, der noch eine schlechte Nachricht brachte. Der nach Entrison deportierte Aurec war nicht zu finden gewesen. Das hatte nicht gerade zu Goshkans guter Laune beigetragen, hatte ihn jedoch daran erinnert, dass es noch andere Möglichkeiten gab.

»Vedek!«, donnerte er.

Der General duckte sich.

»Du hast versagt.« Drohend trat Goshkan näher. »Dein Herr Ghul'Adar hat mir allerdings nur Positives von dir berichtet. Ich will dir also noch eine Chance geben. Aber ich warne dich! Ich hasse Enttäuschungen!«

Shul'Vedek deutete die Geste richtig und fasste sich an den Hals.

»Ihr besitzt die Daten der Rebellenlager und ihrer Planeten. Räumt mir ein für alle Mal mit ihnen auf, und denkt dabei an die Koordinaten der neuen Hauptwelt!«

»Ja, Meister!«

Der triefende Hass in Vedeks zischender Stimme beruhigte den Riesen. Offenbar war hier die richtige Person für diese Aufgabe.

»Ich werde mit der KATRON starten und die gesammelten Daten koordinieren. Die Hauptwelt übernehme dann ich! Stellt mir zu diesem Zweck zweihundert Schiffe zur Verfügung! Und beeilt euch!«

*

An Bord der TERSAL herrschte gedrücktes Schweigen. Der Einsatz war nicht so verlaufen, wie Gal'Arn es sich vorgestellt hatte. Die Informationen waren rar gewesen, die sie aus dem chaotischen Getümmel der letzten Minuten hatten retten können. Zwar ahnten sie, dass sich etwas großes anbahnte, denn nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte der fremde Zentralsyntron schließlich eine Menge neuer Datenströme freigegeben, wonach die Rüstungsindustrie in Barym noch zwei Gänge höher geschaltet werden sollte. Sie hatten sogar den Befehl Tryjeks abgehört, der weitere vier Millionen Zievohnen für die Zone angefordert hatte! Hier erhofften sie sich noch Erkenntnisse von dem glücklich gefangenen Obersten der Zievohnen.

Doch die Informationen waren mager im Verhältnis zu dem Preis, den sie hatten zahlen müssen! Ein letzter Hilferuf Banternachs hatte sie darüber informiert, dass nach Mel auch alle anderen Mitglieder der zweiten Gruppe gemordet worden waren!

Gal'Arn stöhnte. Ben Strout, der Ezialist und Emma Lian, die sich sehr hervorgetan hatten während des Einsatzes der NIMH in Barym. Und schließlich Banternach, der Anführer der Barym'schen Rebellen, der ihnen in vielerlei Hinsicht in ihrem Kampf geholfen hatte!

Hatte der Ritter Shagors die Verantwortung für diese Leute zu tragen? Alle hatten sich freiwillig gemeldet, doch als Einsatzleiter lag die Verantwortung letztendlich nur bei ihm. Er hatte intelligente und friedfertige Wesen in den Tod geschickt. Es war kaum zum Aushalten.

»So, ich knöpf mir den Burschen jetzt vor!«, grummelte der Barbar von Exota Alpha. »Wir müssen endlich wissen, was hier vorgeht, Trübsal blasen bringt uns auch nicht weiter!«

Gal'Arn nickte geduldig. So war er, Sandal Tolk. Aufbrausend und äußerlich vielleicht etwas grob, doch diese grobe Art war seine Art der Problembewältigung. Und niemand konnte behaupten, dass der Tod der vier Gefährten ihn kalt gelassen hätte.

Nach zwei Stunden war er wieder da und setzte sich stumm hin. Außer Gal'Arn reagierte niemand.

»Was ist los? Hast du was erreicht?«

Nach Tolks Gesichtsausdruck zu schließen war das nicht der Fall.

»Naja. Sie haben einen neuen Befehlshaber, der einen großen Krieg vorbereiten will. Darum wurden auch die Militärs zu schnellerer Aufrüstung befohlen. Warum die weiteren vier Millionen Zievohnen, wusste der Typ auch nicht. Anscheinend haben die Herrscher Baryms keine Ahnung, wozu man sie benutzt. Die Verbotene Zone ist ihnen ebenso unbekannt wie uns.

Der Mann war relativ stur«, fügte er nach einer Pause hinzu. »Obwohl er den Eindruck eines Feiglings machte. Wenn wir ihn ein bisschen unter Druck setzen, wird er wahrscheinlich etwas redseliger. Allerdings hab ich auch so schon etwas Wichtiges herausgefunden: Die meisten Rebellenbasen sind der offiziellen Regierung kein Geheimnis!«

Das war nun doch ein Schock.

»Nur die Koordinaten der Hauptwelt kennen sie nicht. Nach Vernichtung der alten Basis haben sie bis jetzt noch keinen blassen Schimmer, wo sich die neue befinden könnte. Immerhin.«

»Hast du noch was über den neuen Befehlshaber herausfinden können?«

»Nein. Tryjek scheint eine unbändige Angst vor ihm zu haben; die ist sogar so stark, dass er eher sterben würde, als etwas über ihn zu verraten.«

»Merkwürdig.«

»Wie so vieles in dieser verdammten Galaxis.«

Die TERSAL hatte nach der erfolgreichen Flucht von Lehr Ar‘Modror Kurs auf die neue Basiswelt der Rebellen genommen. Nicola Posny würde es nicht sonderlich gefallen, dass vier ihrer besten Besatzungsmitglieder, auch wenn es sich um aufsässige und manchmal etwas schwierige Charakter gehandelt hatte, durch diesen Einsatz umgekommen waren. Gal'Arn nahm sich vor, ihren Tod nicht unnütz erscheinen zu lassen. Die Informationen, die Mel noch bis zu ihrem Ende an den Syntron der TERSAL übertragen hatte, und die Nachrichten, die sie nun von Tryjek erfahren hatten, reichten aus, den Rebellen wichtige Details über die offiziellen Beherrscher Baryms zukommen zu lassen.

»Kontakt mit der NIMH!«, meldete in diesem Moment der Orbiter Jaktar.

»Lass die Kommandantin wissen, dass ich sie in einer halben Stunde besuchen werde!«

Gal'Arn machte sich auf den Weg. Aurec hatte es übernommen, den designierten Nachfolger Banternachs zu informieren und ihm die Daten zuzuspielen. Nach ihrer Ansicht sollten die Rebellen so viele Stützpunkte wie möglich evakuieren und auch auf der Hauptwelt Abwehrmaßnahmen ergreifen.

Der Weg zu Posnys Kabine gestaltete sich für den Ritter wie ein Totenpfad. Immer wieder zogen die Gesichter der getöteten Menschen an ihm vorüber, er hörte ihre Stimmen, ihr Lachen.

Dann stand er vor ihrer Tür.

»Herein!«

Das Gespräch mit Posny verlief aus Sicht des Elaren sehr kühl. Sie kümmerte sich wenig um das Ableben von Ben Strout und Emma Lian. Dann sprachen sie über die weitere Vorgehensweise. Nicola Posny würde noch ein weiteres Mal hier am Rebellen-Hauptstützpunkt verharren und der TERSAL den Kampfplatz überlassen.

Als Gal'Arn seine Zentrale betrat, kam ihm Aurec entgegen und sagte schwer:

»Wir können die Entscheidung nicht länger hinauszögern. Die Geheimnisse der Verbotenen Zone müssen aufgedeckt werden, das ist für den Fortbestand der Zivilisationen Cartwheels und vielleicht auch der Milchstraße von großer Bedeutung. Auch auf die größten Gefahren hin, in die wir uns vielleicht begeben müssen: Wenn nicht wir dieses Wagnis auf uns nehmen, kann es niemand! Also lasst uns aufbrechen und endlich das Übel an der Wurzel packen!«

»Die Rebellen haben Banternachs Stellvertreter als neuen Chef akzeptiert«, warf Sandal Tolk ein. »Marachka wird die Evakuierung der anderen Rebellenplaneten koordinieren und die Sicherung seiner Hauptwelt vorantreiben. Ich glaube, er ist der richtige Mann für die Nachfolge unseres Freundes. Hier haben wir also, auch mit der NIMH, eine gute Rückendeckung. Und die Zeit drängt, Barym plant etwas.«

Gal'Arn nickte. »Nun gut, hier ist alles geregelt. Auch Nicola Posny ist mit unserem Plan einverstanden. Wir können also aufbrechen. Jaktar …«

»Einen Moment, Meister«, kam die Stimme des Orbiters von den Funkanlagen. »Irgendetwas Ungewöhnliches geht vor! Unter den Rebellen sind hektische Funkaktivitäten ausgebrochen. Augenblick, ich empfange einen Spruch von Marachka. Ich lege um.«

Mitten in der Zentrale erschien das Abbild des Rebellen. Mit einer fahrigen Geste strich er sich das Haar aus dem Gesicht, dann sprach er mit zitternder Stimme.

»Unsere Maßnahmen sind zu spät gekommen. Der Feind hat schneller reagiert, er muss bereits seit Langem die Koordinaten unserer Welten besitzen, sonst wäre dieser Schlag nicht möglich gewesen.

Wir haben fast alle Stützpunkte verloren, und zwar in einem Zeitfenster von nur zehn Minuten! Die Flotten Shul'Vedeks sind zugleich über den Welten erschienen und haben sofort mit dem Angriff begonnen. Meist setzten sie superschwere Waffen ein, so dass meinen Leuten keine Chance zur Verteidigung oder Flucht blieb – in diesen Fällen wurden die Planeten vernichtet!

Nur auf wenigen Welten wird noch gekämpft. Wir können nichts mehr tun.«

Resigniert unterbrach der neue Chef die Verbindung.

Gal'Arn ließ den Kopf hängen.

Dann richtete er sich abrupt auf und blickte die Versammelten mit brennenden Augen an.

»Jetzt bleibt uns keine Möglichkeit mehr. Wir müssen sofort aufbrechen! Jaktar, Info an Posny, wir sind so schnell wie möglich wieder da! Aurec, übernimmst du die Ortung? Ich starte in zehn Minuten!«

Von der NIMH kam der Bestätigungsimpuls, Gal'Arn fuhr die Triebwerke hoch, die TERSAL beschleunigte mit irrsinnigen Werten, dann war sie verschwunden.

 

Die Verbotene Zone

Es war die Hölle.

Ihr Kurs hatte sie in die nahe Nachbargalaxis geführt, die für normale Wesen unzugänglich war. Tödliche Strahlungen, Hyperstürme, Planetenfallen … Die Liste der Gefahren war lang. Nur ein Schiff wie die TERSAL, ausgestattet mit kosmokratischer Technik und unter Führung einer entschlossenen Gemeinschaft konnte trotz dieser Hindernisse in das Zentralgebiet eindringen, das die unergründlichen Geheimnisse der Galaxis barg.

Gal'Arn hatte die gesamte Technik ausgereizt, trotzdem waren sie nicht selten am Rand des Abgrunds gewandelt. Manchmal hatten nur irrationale Entscheidungen geholfen, und in diesen Fällen war Aurec eine wertvolle Unterstützung.

Und schließlich hatten sie eine Reihe von Raumstationen entdeckt, die einen unerklärlichen Zweck hatten. Sandal Tolk war es unter Einsatz seines Lebens gelungen, die wertvolle Information aus einem Stationsrechner zu stehlen: Die Koordinaten des wichtigen Planeten Skurit I!

Sie wussten nicht, dass vor wenigen Tagen erst Goshkan hier gewesen war und sich von der Produktivität der Anlage überzeugt hatte. Was sie wussten, war nach eingehender Fernbeobachtung, dass der Planet relativ schutzlos seiner Bahn um die Sonne folgte. Die schweren Abwehrstationen konnten nichts gegen das Schiff ausrichten, das sich mit einem Überrangcode aus dem Zentralrechner jener Station, die Tolk erobert hatte, präpariert hatte. Also hatte sich Gal'Arn entschieden, mit der TERSAL zu landen und den vollkommen industrialisierten Planeten zu untersuchen.

Was sie schließlich entdeckten, überstieg jedes Vorstellungsvermögen.

Der Planet war in riesige Produktionsabschnitte eingeteilt, in der jene zwei Millionen Zievohnen aus Barym, die jedes Jahr in der Zone verschollen, modifiziert und konditioniert wurden.

Gal'Arn und seine Begleiter waren zutiefst schockiert, als sie schließlich dem Endprodukt gegenüber standen.

Der Ritter der Tiefe kämpfte um sein Gleichgewicht, als er beobachtete, wie in der letzten Produktionshalle die leblosen Körper aufgerichtet wurden und sich je ein kopfgroßes Konstrukt von der Decke senkte. Schmatzend verschmolzen Kopf und Helm, dann durchlief ein Zittern die unheimlichen Körper. Sie erwachten! Wie mechanisch standen sie von der Antigravbare und drehten sich dem Ausgang zu. Große, unheimliche Gestalten in schwarzen Rüstungen mit Totenkopf ähnlichen Gesichtern!

Der Aufbruch von Skurit I glich einer wilden Flucht. Gal'Arn steuerte sein Schiff, als sei der Teufel hinter ihm her. Es war nun klar, dass der Eindruck von damals nicht getrogen hatte: Die Skurit-Soldaten waren auf grausame Weise biologisch mit ihren Rüstungen verschmolzen! Die Köpfe waren biomechanische Helme, die jedoch genauso zu den Soldaten gehörten wie der Rest des Körpers.

Eine unmenschlichere Art des Rekrutierens konnte sich niemand an Bord der TERSAL vorstellen.

»Was nun?«, fragte Jaktar tonlos.

»Zurück zur NIMH! Die Rebellen müssen erfahren, was in dieser Galaxis geschieht. Und wir müssen so schnell wie möglich erfahren, wer der neue Befehlshaber ist und was er plant!«

*

Irgendwo im Weltraum, ungefähr im Mittelpunkt des Dreiecks, dass von Lehr Ar‘Modror, Larsaar und Zievohn aufgespannt wurde, trieb die KATRON im freien Fall auf eine nahe Sonne zu.

In der Zentrale saß ein grimmiger Goshkan, in dumpfem Brüten versunken. Die Zentralbesatzung bemühte sich um Unauffälligkeit und Ruhe, um den Riesen nicht zu stören.

Er hatte die Flucht Gal'Arns noch immer nicht verwunden. Die Frage, die er sich am häufigsten stellte, war: Was wollte er mit Tryjek?

Das durchdringende Summen auf seinem Pult schreckte ihn aus seinen Gedanken.

»Was ist?«, grollte er dem diensthabenden Funker zu.

»Herr, General Shul'Vedek ersucht um eine Verbindung!«

»Ich hab keine Zeit, das siehst du doch!«, flappte er ungnädig.

»Herr, der General sagt, es sei wichtig! Seine Aktion war ein durchschlagender Erfolg!«

»Na gut, stell ihn durch.«

Eine Holofläche wurde hell, der schlangenköpfige Larsaar wurde sichtbar.

»Herr, die Rebellen sind geschlagen!« Der Triumpf war deutlich in Vedeks Augen zu erkennen, hiermit konnte er sein Versagen auf Entrison und bei der Verfolgung der fremden Schiffe ausbügeln.

»Unsere Agententätigkeit der letzten Jahre hat sich bezahlt gemacht. Die Rebellen hatten uns keinen Widerstand entgegen zu setzten. Alle ihre Welten sind vernichtet!«

»Was ist mit den Koordinaten der Hauptwelt?«, donnerte Goshkan. »Übereifer kann ich ebenfalls nicht leiden! Besorg mir die Koordinaten!«

Diesmal zuckte Vedek nicht zusammen, sondern zischte befriedigt.

»Ich habe den Auftrag nicht vergessen, Herr! Ich bin persönlich in mehrere Stützpunkte eingedrungen, die wir extra zu diesem Zweck vorerst unbehelligt ließen. Dort habe ich von einem Kommandanten die Koordinaten erfahren. Die Stützpunkte existieren nicht mehr.«

»Ausgezeichnet«, brummte der Riese befriedigt. »Unterstelle mir die tausend Schiffe, ich kümmere mich um das Nest. Besorge du die Rekrutierung der nötigen vier Millionen Zievohnen!«

Shul'Vedek bestätigte und verschwand vor der Optik seiner Kamera, einen Moment bevor die Verbindung unterbrochen wurde. Goshkan sah den Mann, der hinter Vedek gestanden hatte – der Kommandant seines Flaggschiffs.

Auch so ein Totenkopf!, stellte er ungerührt fest.

Nachdem der Skurit verschwunden war, überlegte Goshkan eine Weile.

Dann durchzuckte ihn der Blitz der Erkenntnis. Gal'Arn wollte das Geheimnis der Verbotenen Zone lösen! Erhoffte er sich von Tryjek, der immerhin der Oberste der Zievohnen war, Informationen darüber, was mit seinem Volk geschah? Goshkan grinste beruhigt. Es war schon immer von Vorteil gewesen, einen geringen Diener nicht in die Zusammenhänge einzuweihen, sondern zum Befehlsempfänger zu degradieren, und wenn es sich um den Herrscher eines Volkes handelte.

»Kurs auf die angegebenen Koordinaten, sobald die tausend Schiffe eingetroffen sind! Im Zielgebiet Kugelschale um den Planeten, lasst kein Schiff entkommen! Die Kommandanten der Flotte sind entsprechend zu instruieren! Aus jedem Schiff sollen tausend Skurit-Soldaten die Invasion des Planeten unterstützen. Ich übernehme die Führung!«

 

Zurück nach Rebell-Alpha

Gal'Arn lag lang ausgestreckt auf dem Bett in seiner Kabine an Bord der TERSAL und starrte die Decke an. Wie ein frostiger Arm kroch das Grauen seinen Rücken hinauf. Er schüttelte sich. Noch hatte er die letzten Erkenntnisse nicht verarbeitet.

Das Schiff eilte dem geheimen Stützpunkt der Rebellen entgegen, der sich auf den letzten Ansturm der feindlichen Flotten vorzubereiten versuchte, der unbedingt erfolgen würde. Es schien, als habe der neue Befehlshaber Baryms das ewige Katz-und-Maus-Spiel zwischen offizieller Herrschaft und Rebellen beendet und suche die Entscheidung. Die Rebellen hatten alle wichtigen Stützpunkte verloren, nur die neue Hauptwelt war bisher verschont geblieben. Gal'Arn hoffte, dass sich der Chef der Rebellen, Marachka, der nach Banternachs Tod als dessen Stellvertreter den Befehl übernommen hatte, an die Absprachen hielt und die Evakuierung des Stützpunkts vorbereitete. Der Ritter hatte das Gefühl, als könne der Sturm jeden Augenblick losbrechen, zumal Barym eine große Invasion vorbereitete. Logisch, dass sie in dieser Situation keinen Gegner im eigenen Lager wünschten, sondern alles daran setzen würden, ihn vollkommen zu vernichten. Das würde überdies ein mahnendes Beispiel für die Völker der Galaxis sein, sich nicht gegen die Regierung und damit gegen MODROR zu stellen.

Gal'Arn schaltete eine Verbindung in die Zentrale. Auf dem Schirm erschien das müde Gesicht seines Orbiters.

»Wie lange noch?«, fragte er leise.

»Drei Stunden, Meister«, antwortete Jaktar niedergeschlagen.

Ihm war ebenso wie jedem anderen an Bord klar, dass es um jede Minute gehen konnte. Schon bei ihrem Abflug war die Situation kritisch gewesen, aber sie hatten sich Gewissheit verschaffen müssen, was in der Verbotenen Zone geschah.

Gal'Arn schaltete ab. In ihm drängte das Gefühl, dass sie sich beeilen mussten, und dass es knapp werden würde. Ohne wirklichen Hintergrund fühlte er, dass sich die Invasion, oder der Große Krieg, von dem der oberste Zievohne Tryjek gesprochen hatte, gegen Cartwheel oder die Milchstraße richten würde, denn mit wem sonst lag MODROR, die beherrschende Entität Baryms, in Konflikt, und warum sonst gab es diese Zusammenhänge, die auch Aurec und Kathy Scolar nach Barym geführt hatten?

Er verstand die Niedergeschlagenheit der anderen, denn ihm ging es nicht besser. Kein Wunder, nach den Erkenntnissen aus der Verbotenen Zone!

»Wir erreichen in wenigen Minuten das Rebell-Alpha-System!«, meldete sich in diesem Moment der Orbiter aus der Zentrale.

Rebell-Alpha-System. Diesen Namen hatten sie dem Hauptsystem der Rebellen gegeben, doch die Ironie des Schicksals würde ihm keine lange Lebensdauer gewähren.

Gal'Arn verließ seine Kabine und suchte Aurec auf. Der Saggittone beschäftigte sich derzeit viel mit Kathy Scolar, er redete viel und suchte auf diese Weise einen Weg zurück in die Realität. Noch immer hingen Reste seines Wissens hinter den dichten Schleiern des Hypnoblocks verborgen.

Der Ritter traf den Prinzen in der kleinen Kombüse des Schiffes in vertrauter Runde mit Scolar an. Bei seinem Eintritt unterbrachen die beiden das Gespräch und das Mädchen zog sich schweigend zurück.

»Aurec, du hast sicherlich auch die Meldung von unserem bevorstehenden Erscheinen im Alpha-System gehört«, begann der Shagoer.

»Natürlich«, erwiderte Aurec kurz angebunden.

»Unserer Ansicht nach müsste ein Angriff der Barym'schen Flotte bald erfolgen, denn sicherlich konnten die neuen Koordinaten des Systems in dem Überfall nicht überall gesichert werden.«

»Die Rebellen werden hoffentlich mitten in den Evakuierungsvorbereitungen sein, wenn sie sich an unseren Vorschlag halten.«

»Trotzdem müssen wir sie von unseren Erkenntnissen bezüglich der Skurit informieren, damit sie wissen, wofür sie kämpfen und dass sich ihre Kämpfe lohnen!«

Aurec nickte.

Sie verließen die kleine Messe und gingen in die Zentrale, wo soeben das Gesicht Nicola Posnys auf einem Bildschirm erschien. Sie waren im Rebell-Alpha-System angekommen.

»Gal'Arn!«, begann die Kommandantin der NIMH. »Hier herrscht das reinste Chaos! Marachka beginnt die Evakuierung. Er wird sich sicher gleich bei euch melden. Er rät uns schon seit ihr weg seid, dass wir uns davonmachen sollen, denn er will nicht die Verantwortung für uns tragen, wenn es zum Äußersten kommt.«

»Wir haben wichtige Neuigkeiten aus der Verbotenen Zone«, eröffnete ihr der Ritter. »Ich werde dich über die Einzelheiten aufklären, sobald wir gelandet sind. Ist die NIMH schon unten? Wir treffen uns dort! Gebt Peilung!«

Posny nickte. Ihr Bild verblasste und machte dem eines gestressten Zievohnen Platz.

»Ihr habt es tatsächlich geschafft!«, stellte er erleichtert fest. Näher ging er nicht auf ihr glücklich bestandenes Unternehmen ein, sondern wandte sich seinen Aufgaben zu. »Eure Warnung scheint sich zu erfüllen. Die Flotten Lehr Ar'Modrors sammeln sich an exponierten Stellen, in unmittelbarer Nachbarschaft ist alles erstaunlich ruhig. Wir rechnen in jeder Minute mit dem Angriff. Macht euch davon, sonst geratet ihr vielleicht in diesen Strudel der Vernichtung! Übrigens: Ich erwarte jeden Moment die Ankunft eines Agenten, der die neuesten Nachrichten liefern wird. Er ist zuverlässig.«

»Wir kommen runter und helfen dir bei der Organisation der Evakuierung«, sagte Aurec bestimmt. »Noch können wir uns hier nützlich machen und euch so ein wenig von dem zurückgeben, was ihr uns an Unterstützung gabt.«

»Außerdem interessiert mich der Agent«, fügte Gal'Arn hinzu. »Erwarte uns in einer halben Stunde in der Zentralstation, wir wollen dir die wichtigen Erkenntnisse aus der Zone mitbringen.«

Jaktar vollzog die Landung der TERSAL nach Posnys Signalen in gewohnter Qualität.

Gal'Arn nickte Aurec zu. »Ich werde zuerst der NIMH einen Besuch abstatten. Begebt euch schnell zu Marachka und unterstützt die Evakuierung. Ich komme spätestens in einer Stunde nach.«

»Alles klar«, bestätigte Aurec. »Ich werde Marachka über die Skurit informieren und einen aufrüttelnden Funkspruch vorbereiten lassen, der im Moment des Angriffs auf diese Welt in ganz Barym zu hören sein soll! Wenn erst der Großteil der Völker von den Machenschaften ihrer Machthaber erfahren, wird es nicht einfach sein, die Invasionspläne zu verwirklichen.«

Gleichzeitig verließen sie das Schiff mit verschiedenen Zielen. Aurec und der Rest der Mannschaft begaben sich auf schnellstem Wege zu Marachka, der in seiner Zentrale saß und sich von einem Gespräch zum nächsten schaltete. Die Cartwheeler begannen unter Sandal Tolks Anleitung sofort mit der organisatorischen Unterstützung, während Aurec den Chef der Rebellen beiseite nahm und ihm die Wahrheit über seine verschleppten Artgenossen möglichst schonend beizubringen suchte. Unter den Informationen drohte der Zievohne zusammen zu brechen. Er stöhnte gequält und sank in einem Sitzmöbel zusammen. Aurec sah das erschütternde Bild eines Wesens, dessen schlimmste Befürchtungen bei weitem übertroffen wurden.

In dieser Situation erschien Gal'Arn. »Ich habe einen jungen Mann auf dem Gang getroffen, der behauptet, wichtige Informationen für Marachka zu haben.«

»Es muss der Agent sein«, sagte Marachka dumpf und richtete sich halb auf.

»Marachka!«, sagte Aurec energisch. »Du musst dich der Realität stellen. Gerade jetzt braucht dein Volk und alle Völker Baryms eine starke Hand, die sich dem Regime entgegenstellt! Veranlasse eine Nachrichtensendung über das, was ich dir gerade berichtete! Du weißt selbst, dass der Angriff auf das Alpha-System nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Also beginne mit der Sendung, sobald uns die Angreifer entdeckt haben! Lasse Barym wissen, was mit seinen hochstehenden Völkern geschieht! Rüttle sie auf, und diese brutale Ausnutzung der Galaxis wird nicht mehr lange bestehen.«

Mit seinen Worten fand er Zugang zu dem verzweifelten Wesen, Marachka fand neue Stärke in seiner Stimme und neuen Ansporn in seiner Energie. Der Rebell richtete sich mit leuchtenden Augen auf und wollte sich in die Arbeit stürzen, doch Gal'Arn hielt ihn nochmals zurück.

»Beachte den Boten, der angekommen ist!«, sagte er. »Sollte es uns nicht interessieren, was er zu berichten hat?«

»Du hast Recht! Hören wir uns an, was er zu sagen hat«, sagte Marachka und rief den Mann herein.

Er sah sehr militaristisch aus mit seinen kurz geschorenen Haaren in einer Art kantigen Bürstenfrisur. Sein Gesicht war hart und die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Der starre Blick vermittelte den Eindruck eines guten Befehlsempfängers, aber im Hintergrund erkannte Aurec die hohe Intelligenz des Mannes, die ihn zu einem zuverlässigen und hervorragenden Agenten machte. Offensichtlich pflegte er sein Äußeres mit Bedacht, um stets als billiger Soldat in die Reihen des Gegners aufgenommen werden zu können.

Erwartungsvoll blickten sie dem Mann entgegen. Auf ein Zeichen Marachkas begann er seinen Bericht.

»Wir haben weniger Zeit als angenommen«, begann er mit schwerer Stimme. »Eine Flotte Shul'Vedeks ist auf dem Weg hierher. Es sind tausend schwere Kriegsschiffe, gegen die unser kleines Häufchen keine Chance haben wird. Shul'Vedek hat die Koordinaten von Alpha einem der Stützpunktkommandanten abgequetscht. Allerdings ist er nur das ausführende Organ des neuen Befehlshabers. Vedek selbst hätte seinen eigenen Reden nach noch einige Jahre gewartet, bis die Macht Lehr Ar'Modrors in keinster Weise mehr in die Gefahr eines rebellischen Sturzes aus dem eigenen Land kommen könnte.«

Die Anwesenden nickten, Marachka nutzte die Pause, um die Evakuierung beschleunigen zu lassen. Er trieb seine Leute zu höchster Eile an und forderte allgemeinen Höchsteinsatz.

Der Agent fuhr fort: »Es ist mit absoluter Sicherheit gegeben, dass der neue Oberbefehlshaber in Kürze die Invasion einer fernen Galaxis plant. Die seit Jahren vorbereiteten Industrien laufen auf Volllast und weitere vier Millionen Zievohnen wurden in die Verbotene Zone geschickt. Überall sammeln sich die Flotten, der Einsatz muss kurz bevor stehen. Wahrscheinlich erwartet man nur noch die endgültige Auslöschung unserer Organisation.

Wenn ich meinen Informationen trauen darf, befindet sich der Befehlshaber selbst auf dem Flaggschiff der kleinen Flotte, die sich unserem System nähert. Es ist das gleiche Schiff, mit dem er vor wenigen Tagen in Barym erschienen ist – die KATRON.«

Gal'Arn zuckte zusammen und sprang erregt auf. »Bist du sicher? Stimmt der Name des Schiffes?«

»Ja, Herr, er ist in der Flotte allgemein bekannt.« Der Agent starrte den Ritter erschrocken an.

Unruhig rannte Gal'Arn in dem Raum umher und murmelte vor sich hin. »Sag uns den Namen!«

»Welchen Namen?«

»Den Namen des Oberbefehlshabers! Kennt man ihn? Woher kommt er?«

»Niemand weiß, woher er kommt, doch flüstert man von einem Sohn des Chaos, einem der höchsten Diener von MODROR!«

Absolute Stille herrschte. Aurec und Gal'Arn starrten den Boten schockiert an, bis Gal'Arn schließlich mit zitternder Stimme flüsterte: »Wie nennt er sich?«

Es kribbelte in den Nacken der Anwesenden, so sehr hatte die Spannung nach ihnen gefasst. Der Bote fühlte, wie sich auch bei ihm die feinen Härchen aufrichteten und dieses unangenehme Kältegefühl durch seinen Körper lief. Er spürte, wie die beiden Fremden ihn anstarrten und auf seine Antwort warteten.

»Goshkan«, flüsterte er heiser.

Gal'Arn und Aurec zuckten zusammen. In ihrem lauten Aufstöhnen entlud sich die Spannung und machte einer an Panik grenzenden Hektik Platz.

»Ich wusste es!«, flüsterte Gal'Arn wie betäubt. »Ich wusste es, seit der Name Katron fiel! Es ist seine Heimat, die Welt in Shagor, von der er stammt.« Wieder stöhnte er und fasste sich an den Kopf. »Er benennt sein Schiff danach? Eine Spur von Heimweh bei diesem brutalen, gewissenlosen Geschöpf?«

Aurec hatte sich wieder gefangen und redete hektisch auf den Chef der Rebellen ein, endlich die Funksendung über die Skurit-Soldaten und die Bedeutung der Verbotenen Zone zu verfassen, da jetzt jeden Augenblick mit dem Erscheinen der todbringenden Flotte gerechnet werden musste.

»Gal'Arn!«, schrie er dem Gefährten ins Ohr. »Wir müssen hier weg, ehe es zu spät ist! Einen Sohn des Chaos auszutricksen ist ungleich schwerer als einen einfachen General der Larsaar, und Goshkan wird wie ein Berserker hier einfallen, wenn er von deiner Anwesenheit erfährt!«

Der Ritter nickte noch etwas benommen.

»Wir müssen zurück nach Cartwheel und in die Milchstraße! Wo kommt Goshkan wohl her? Er treibt die Invasion voran! Ich bin mir jetzt absolut sicher, dass entweder die Milchstraße oder Cartwheel in größter Gefahr schweben!«

»Oder beide!«, antwortete Gal'Arn schockiert. Dann riss er sich zusammen. »Freund, rufe unsere Gefährten zusammen, wir starten so schnell wie möglich! Marachka kann uns nicht mehr helfen, genauso wenig, wie wir ihm jetzt noch helfen können. Uns bleibt nur noch die Wahl, so schnell wie möglich das Sternenportal zu erreichen und unsere Heimat zu warnen, damit man dort nicht völlig von Goshkan überrumpelt wird!«

Sie stürmten in die Zentrale zurück und riefen ihre Gefährten zusammen. Sandal Tolk begriff sofort und drängte mit Jaktar, Tania Walerty, Jennifer Taylor, Kathy Scolar und Evspor dem Ausgang der Station zu. Aurec und Gal'Arn blieben vor Marachka stehen.

»Wir müssen uns von dir verabschieden«, begann Aurec schwerfällig. »Es gefällt mir nicht, dich hier mit den Problemen zurück zu lassen, doch lässt uns das Schicksal keine andere Wahl. Wenn wir unsere Heimat nicht warnen, sieht es dort bald so düster aus wie hier, vielleicht noch schlimmer.«

»Uns fällt die Entscheidung nicht leicht«, sagte Gal'Arn. »Immerhin ist die Präsenz der feindlichen Schiffe am Sternportal wahrscheinlich seit Posnys Ausbruchsversuch gestiegen. Dass sie den Durchbruch damals nicht schaffte, scheint ein schlechtes Zeichen für unseren heutigen Versuch zu sein. Aber wir müssen es wagen und hoffen, dass zumindest ein Schiff durchkommt und die Warnung überbringen kann!«

Leiser, wie im Selbstgespräch fügte er hinzu: »Wahrscheinlich eine Frage der Taktik und Überraschung … hm.«

»Ihr müsst verschwinden«, sagte der Rebell und nickte verständnisvoll. »Eurer Heimat droht eine fürchterliche Gefahr. Es tut mir Leid, dass ich euch nicht mehr helfen kann. Unsere Zusammenarbeit war nur kurz und nicht vom Glück gesegnet. Möget ihr mit dem Widerstand mehr Erfolg haben als ich!«

In diesem Moment heulten die Sirenen: Raumalarm!

Die drei Männer erstarrten. Nur einen Augenblick, dann stürzten sie los, jeder in der Hoffnung, im letzten Moment zu erledigen, was zu tun war. Gal'Arn fluchte lautlos. War es bereits zu spät?

 

Rebellen im Schach

Die Flottenverbände der Larsaar näherten sich unaufhaltsam dem entdeckten Versteck der Rebellen. Kommandant Shul'Vedek genoss jede Sekunde, denn die Separatisten konnten ihm nicht mehr entkommen. Es gab kein Entrinnen für sie.

Mit seinen gelben Augen musterte er die Anzeigen der Ortungsgeräte. Die KATRON fiel ihm sofort auf. Das Schiff des Sohnes des Chaos führte den Flottenverband an. Das missfiel Shul'Vedek, denn er war der Oberbefehlshaber, doch dieser stupide Rüsselträger Goshkan spielte sich wieder einmal auf.

Viel hielt Vedek nicht von dem Katronen, obwohl er ein mächtiger Sohn des Chaos war. Goshkan reagierte jedoch ungestüm und nur die Gewalt machte ihn so stark. Er hatte keine Kultur, kein Niveau und besaß nicht die ikonische Ausstrahlung eines Cau Thon.

Goshkan war eine fürchterliche Bestie. Doch gerade diese Eigenschaften machten ihn so kraftvoll und gefürchtet. Ob Freund oder Feind, niemand war vor Goshkans Launen sicher. Unberechenbar und jähzornig war dieses Monster.

Doch das zeichnete ihn aus. Ein unerbittlicher, grausamer Krieger. Und das war der Unterschied zu den Rebellen. Deshalb würde Goshkan in dieser Schlacht den Sieg erringen.

Der Sohn des Chaos stand gelangweilt in der Kommandozentrale der KATRON und wartete ungeduldig auf das Verlassen des Hyperraumes. Das eintönige, triste Wabern des fünfdimensionalen Raumes interessierte ihn herzlich wenig.

Stattdessen schliff er seine Axt mit leidenschaftlicher Hingabe. Wann würde er sie endlich einsetzen können?

*

Goshkan trottete schnaubend durch die Räume der KATRON und wurde von seinem Ersten Offizier begrüßt. Der Skurit wirkte kalt und gefährlich.

Übergangslos berichtete er dem Katronen: »Die Flotte von Shul'Vedek hat das Rebellenversteck erreicht. Wir könnten unverzüglich zuschlagen.«

»Die TERSAL?«, wollte Goshkan wissen.

»Sie ist nicht auf unseren Ortungsschirmen«, erklärte der Skurit leise und duckte sich zaghaft.

Goshkan grunzte abfällig.

»Jedoch haben wir die Peilung des Kugelraumers aufgenommen. Sein Ortungsschutz ist nicht so ausgeprägt«, warf der Totenschädel hastig ein.

Goshkan wirkte zufrieden. »Die Rebellen können von Shul'Vedek aufgerieben werden. Wir kümmern uns um die beiden Raumschiffe.«

Der Erste Offizier verneigte sich und ging wieder in die Zentrale zurück.

Goshkan grübelte nach, versuchte sich in Gal'Arn zu versetzten. Diese Denkarbeit fiel ihm schwer. Sein Horizont war nicht so groß wie der Cau Thons. Geistig waren ihm alle vier anderen Söhne des Chaos überlegen, doch er war der beste Krieger unter ihnen. Und als Krieger brauchte er nicht lange nachdenken.

Ungestüm rannte er in die Kommandozentrale und schrie: »Befehl an Shul'Vedek. Die beiden Raumschiffe haben oberste Priorität. Zwingt sie zur Landung!«

Sofort wurde Goshkans Befehl ausgeführt. Die KATRON beschleunigte und ein Pulk von dreißig Schiffen änderte ihren Kurs und hielt auf die beiden flüchtenden Raumer zu.

Die NIMH und TERSAL hatten einen Vorsprung von zweieinhalb Lichtminuten, was 45 Millionen Kilometern entsprach. In kosmischen Maßstäben gerechnet nicht unbedingt viel. Jedoch vergrößerte sich der Abstand sekündlich. Besonders die wendige TERSAL nutzte die Kosmokratentechnik aus.

Wütend beobachtete Goshkan das Szenario. Die dreißig Larsaarschiffe wurden nun von Rebellenraumern angegriffen und in Kämpfe verwickelt. Niemand schien zu bemerken, dass eines der Rebellenschiffe der TERSAL und NIMH folgte. Goshkan befahl ihnen zu folgen.

Ungeduldig wankte der elefantenähnliche Riese hin und her. Dieses elende Warten! Wütend packte er einen Zievohnen und schlug dessen Schädel mehrmals auf das Geländer vor ihm, bis es hässlich knackte. Der schlaffe Körper fiel klatschend zu Boden und Goshkan stöhnte lustvoll auf. Nun ging es dem Katronen besser!

»Parcul, Entfernung?«

Der Skuritkommandant überprüfte die Kontrollen und meldete zu Goshkans Zufriedenheit, dass sich der Abstand verringert hatte. Doch bevor Goshkan triumphieren konnte, schossen die drei Schiffe in den Hyperraum.

»Ortung nicht verlieren!«, kommandierte Parcul und nahm Goshkan damit die Worte aus dem Mund.

Beiläufig bemerkte der Sohn des Chaos, wie ein Roboter die Überreste des Skurits beiseite räumte.

»Wir haben sie nicht verloren«, erläuterte Parcul.

Nach einigen Minuten kehrten alle vier Schiffe wieder in den Normalraum zurück. Die KATRON nutzte das Manöver für einen Angriff und traf das Rebellenschiff schwer.

Anstatt zu flüchten, drehte die TERSAL und nahm den Kampf mit der KATRON auf. Auch die NIMH kam hinzu.

»Frontalangriff!«, befahl Goshkan.

Der Skurit Parcul sah den Sohn des Chaos so an, als würde er die Aussage nicht ernst nehmen. Die KATRON war mit 250 Meter das kleine Schwesterschiff der KARAN. Zwar war die Technik beeindruckend, doch das Schiff war wesentlich kleiner als die NIMH.

»Befehl ausführen!«, brüllte Goshkan.

Parcul gab den Befehl an den Navigator weiter, der zögerlich an Geschwindigkeit zunahm. Erste Schüsse wurden auf die NIMH und TERSAL abgefeuert, doch die TERSAL war zu wendig. Beide Raumschiffe erwiderten das Feuer, während das Rebellenschiff langsam auf einen grünen Planeten zu driftete.

Goshkan ging die Navigation zu langsam. Er packte den Skurit mit seinen Pranken am Schädel und riss ihn von seinem Platz. Nun übernahm der Sohn des Chaos die Steuerung selbst.

Die KATRON wurde kräftig durchgeschüttelt, als erste Salven der NIMH einschlugen, doch mit voller Geschwindigkeit raste das Schiff auf die NIMH zu.

Goshkans Mimik war starr. Nur die drei Augen loderten voller Hass und Entschlossenheit.

Parcul nahm in seinem Sessel Platz und schnallte sich an. Fast sekündlich überprüfte er die Belastung des Schutzschirmes. Als die NIMH nur noch drei Lichtsekunden entfernt war, gab Goshkan den Befehl, die schwersten Waffen einzusetzen.

Vier transformartige Bomben wurden abgefeuert, die einen technischen Zusammenbruch im Umkreis von fünfhunderttausend Kilometern verursachte. Der Schutzschirm und Antrieb der NIMH brachen zusammen, doch auch die KATRON versagte ihren Dienst.

Goshkan war zu nahe heran geflogen. Die Schiffe gerieten sofort in die Anziehung des grünen Planeten.

Wütend hämmerte Goshkan auf den Kontrollen herum, als er das Schiff nicht mehr steuern konnte. So lange, bis diese zischend explodierten.

Goshkan sprang auf und schrie. Er packte Parcul und schüttelte ihn. »Warum? Warum? Warum?«

Er stieß Parcul davon. Er zertrümmerte die Kommandozentrale.

Parcul rappelte sich auf und bereitete alles für die Notlandung vor. Vom großen Panoramafenster aus konnte er sehen, dass die NIMH wie ein Stein herunterfiel.

Doch auch ihr Schicksal schien nicht besser zu sein. Der Jähzorn des Sohnes des Chaos hatte sie in den Tod getrieben.

*

Die TERSAL drang in den Orbit des grünen Planeten ein. Beiläufig registrierte Jaktar die Daten der Welt. Erdähnlich, nur primitive Bewohner. Viele subtropische Regionen. 1,034 Gravos.

Gal'Arn beschleunigte und versuchte, die NIMH einzuholen. Aurec war pausenlos bemüht, einen Funkkontakt herzustellen. Kathy Scolar, Tania Walerty und Jennifer Taylor bereiteten das wenige medizinische Material vor. Taylor war froh, dass jemand mit medizinischer Ausbildung ihr zur Seite stand. Kathy Scolar hatte früher für einen pharmazeutischen Konzern gearbeitet und auch eine medizinische Ausbildung gemacht.

Sandal Tolk saß teilnahmelos im Lagerraum und sortierte seine Waffen. Ihm lagen solche Raumgefechte nicht. Er suchte lieber den Kampf Mann gegen Mann.

»Ich kriege keinen Kontakt zustande«, meldete Aurec verbittert.

Auf den Anzeigen beobachteten die sechs den Fall der NIMH. Rot glühend krachte sie auf den Boden und zog eine lange Spur der Vernichtung hinter sich, ehe das Schiff in mehreren Explosionen zerbarst.

Jeder an Bord der TERSAL hielt den Atem an. Niemand wusste, ob jemand diesen Aufschlag überlebt hatte.

Die Chancen standen eher gering. Gal'Arn zögerte jedoch keine Sekunde und senkte die TERSAL in die Absturzschneise. Am Horizont konnten sie noch den Absturz der KATRON erkennen.

Etwa 400 Meter vom Absturzort landete Gal'Arn sein Raumschiff. Die Luke öffnete sich, die Gangway fuhr aus dem Schiffsinneren heraus und senkte sich langsam auf den Erdboden. Zuerst trat Aurec aus dem Schiff, gefolgt von Jaktar, Tolk und den beiden Frauen. Zuletzt kam Gal'Arn.

Die Luft war unerträglich heiß nahe der NIMH. Überall brannte es und der Stahl hatte sich zu Hunderten von Grad erhitzt.

»Ohne Schutzanzüge ist das extrem gefährlich«, stellte Jenny Taylor fest und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Kathy Scolar hielt ein Ortungsgerät in ihren Händen und suchte nach Lebensimpulsen. »Da sind noch einige am Leben. Etwa dreißig oder vierzig.«

Aurec musste schnell eine Entscheidung fällen. Das Leben dieser Wesen hing von ihnen ab. Doch ein Fehler kostete ihnen vielleicht selbst das Leben.

Durch eine aufgesprengte Öffnung betrat Aurec nun das zerstörte Raumschiff. Kathy Scolar folgte ihm ohne zu zögern. Auch Sandal Tolk murrte nicht herum, sondern zog ein Schwert und lief hinein. Jaktar blickte Jenny fragend an, dann gingen beide hinterher.

Die Temperatur im Inneren des Schiffes war unerträglich. Es war schlimmer als in einer Dampfsauna. Kathy ging plötzlich voran, was Aurec gar nicht gefiel.

»Hier entlang«, sagte sie und musste gleich daraufhin stark husten.

»Syntronik?«, rief Aurec, doch niemand antwortete.

Er vermutete, dass die Syntronik stark beschädigt, wenn nicht sogar während des Aufpralls zerstört worden war. Dies erklärte auch die fehlenden Notfallprogramme. Keine Löschung des Feuers, keine Medoroboter. Alles lag brach.

Kathy stolperte über herumliegende Trümmerstücke, doch Aurec hielt sie fest, bevor sie zu Boden fiel. Zärtlich umarmte er sie, bis sie wieder ihr Gleichgewicht gefunden hatte.

Nach einigen Minuten entdeckten sie die Kommandostation. Aurec rannte zu den Kontrollen, während die anderen sich um die Verwundeten kümmerten. Sie entdeckten die Leichen von Klavus und Kyrsten Wiffen. Das Ehepaar war selbst im Tod vereint, bot jedoch keinen angenehmen Anblick, da ihre Körper verbrannt waren.

Aurec drückte die Nottaste und sofort begann überall das Wasser aus der Decke zu spritzen. Die Temperatur wurde gesenkt, soweit der Bordrechner noch Einfluss darauf hatte.

»Hier leben noch welche!«, rief Jaktar.

Jenny eilte zur Kommandantin, die nur leicht am Kopf verletzt war. Auch Ekkifred Lanson und Mick Shumh waren noch am Leben.

Zwei weitere Besatzungsmitglieder wiesen schwere Verletzungen auf. Kathy versuchte sie zu versorgen, erschrak allerdings, als sie erkannte, wie schlimm verwundet sie waren. Sie versuchte sich die Tränen zurückzuhalten und streichelte den Kopf der Frau, die mit dem Tode rang.

»Es wird alles gut«, stammelte sie und verfluchte sich für diese dumme Aussage.

Dann spürte sie, wie die Frau immer langsamer atmete, bis sie schließlich aufhörte. Kathy konnte nichts machen und sah machtlos zu, wie das Leben aus der Offizierin wich.

Der andere junge Offizier war nicht transportfähig, entschied Jenny Taylor.

»Er würde den Transport nicht überstehen, allerdings würde er hier sterben«, stellte sie traurig fest.

Tolk beugte sich über den Mann. »Wir bauen Tragen!«

»Ihr müsst sehr vorsichtig sein«, erklärte Taylor. »Außerdem muss ich in die Medostation. Ich brauche mehr Medikamente!«

Eine Explosion ließ alle zusammenzucken.

»Wir haben nicht mehr viel Zeit. Tolk, Lanson, bringt den Verletzen hier heraus!«, befahl Aurec entschlossen. »Kathy und ich suchen nach weiteren Überlebenden. Taylor geht in die Medostation mit Jaktar und ihr nehmt mit, was ihr tragen könnt.«

Doch die Kommandantin der NIMH schien etwas dagegen zu haben. Wütend packte sie Aurecs Arm. »Noch bin ich hier die Kommandantin«, zischte sie mit rauer Stimme. »Sie haben nichts zu befehlen. Ich werde nach den Überlebenden suchen und Sie dürfen mir assistieren!«

Aurec wollte einen Streit vermeiden. Dennoch riss er sich mit Nachdruck von ihr los und verdeutlichte mit einer Geste, dass er nach ihr gehen würde.

Posny verließ mit Mick Shumh wütend die Zentrale.

Nach einer Weile entdeckten sie einen Raum mit sieben Menschen. Alle waren tot. Einige verschmort, andere lagen mit zerschmetterten Körpern herum. Darunter auch der Sicherheitschef Kulumbri Waspesi.

Nicola Posny verzog keine Miene. Kühl und reserviert betrachtete sie die Leichen und versuchte sie zu identifizieren.

»Die Signale der Überlebenden lassen nach. Es werden immer weniger«, erklärte Kathy verzweifelt. »Die restlichen zwölf Signaturen stammen aus den Maschinenräumen. Anscheinend haben es ein paar dort geschafft oder sich dort gesammelt.«

Es galt nun, diese zwölf zu retten. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, doch diese Leben zählten genauso viel wie die Hunderten von Toten.

 

Rettungsaktion

Shul'Vedek registrierte den Absturz der KATRON und der NIMH mit einer gewissen Genugtuung. Er konnte den Sohn des Chaos nicht leiden. Je schneller diese Bestie tot war, desto besser.

Dennoch war er MODROR verpflichtet. Auch wenn es seiner Überzeugung widerstrebte, musste er nach Goshkan suchen. Doch dabei würde er sich sehr viel Zeit lassen.

Der Larsaar wandte sich an seine Offiziere und befahl ihnen den Planeten gründlich zu untersuchen, bevor sie ein Team herunterschicken würden. Er begründete seine Entscheidung, mit der fadenscheinigen Ausrede, keine Überraschungen dort unten erleben zu wollen.

Natürlich zweifelte niemand seinen Befehl an. Die Larsaar waren es gewohnt, Befehle zu befolgen und nicht zu diskutieren. Die Hierarchie in dem Reptilienvolk war eindeutig.

Demokratie gab es nicht. Auch die Wirtschaft und der Handel waren nicht die Stärken der Schlangen. Der Krieg war es! Deshalb wurden sie auch fast nur als Soldaten in Barym eingesetzt. Wirtschaftliche Unterstützung erhielten sie meist von den Atusar, da sie nicht in der Lage waren, eine eigenständige ökonomische Struktur auf ihrer Welt aufzubauen. Es mangelte ihnen dazu an Kreativität und dem nötigen Interesse.

Shul'Vedek kroch zu einem Monitor und beobachtete, wie Suchdroiden in die Atmosphäre des Planeten geschickt wurden.

Hoffentlich würden sie nichts finden …

*

Siebzehn Überlebende war alles, was das provisorische Rettungsteam aus dem Wrack der NIMH bergen konnte. Hunderte Lebewesen waren tot. Eine grausame Bilanz.

Die ehemalige Kommandantin der NIMH saß auf einem Stein und rauchte eine Zigarette. Ihr Schiff war vernichtet und ihre Crew zu größten Teilen tot. Die sonst so unnahbare Terranerin wirkte nun zerbrechlich und verletzlich.

Kathy Scolar und Jennifer Taylor hatten alle Hände voll zu tun, die teils schwerverletzten Besatzungsmitglieder zu versorgen.

Taylor lief in einem Moment der kurzen Ruhe zu Aurec und berichtete ihm von den Verwundeten. »Wenn wir sie nicht professionell verarzten können, werden mehr als zehn von ihnen sterben. Ich kann hier kaum etwas für sie tun. Sie müssten operiert werden, bräuchten Blutkonserven.«

Der Saggittone blickte resignierend auf den Boden. Es gab hier keine Hilfe. Sie wussten auch nicht, wo sich die Rebellen befanden. Sich den Larsaar zu ergeben, glich einem Todesurteil.

»Versuche dein bestes, Doktor. Mehr als auf der TERSAL ist, können wir ihnen nicht geben.«

Seine Stimme klang hart. Es verdeutlichte Jenny Taylor die Aussichtslosigkeit dieser Lage. Sie konnte den Verletzten nicht mehr helfen und müsste zusehen, wie sie sterben. Es gab nichts Schlimmeres für eine Ärztin.

»Die Zeit drängt. Wir müssen bald aufbrechen«, ermahnte Gal’Arn.

*

»Shul'Vedek, großer General! Wir haben den Planeten untersucht. Es existiert keine Gefahr von irgendwelchen Eingeborenen«, berichtete ein Offizier. »Die KATRON und das terranische Schiff sind gestrandet. Nahe des Wracks der Feinde ist eine größere Ansammlung an Lebewesen.«

Shul'Vedek hoffte, dass Goshkan nicht darunter war.

»Bei der KATRON nicht?«, fragte er mit geheuchelter Besorgnis. Innerlich jedoch frohlockte er, als sein Erster Offizier verneinte.

Vedek drehte sich um und wartete einige Momente ab, ehe er eine Entscheidung getroffen hatte.

»Schickt je drei Jäger und Bomber. Sie sollen die Feinde vernichten. Wir machen keine Gefangenen. Sie sollen den Mord an den großen Sohn des Chaos büßen!«

Sofort wurde Shul'Vedeks Befehl in die Tat umgesetzt. Die Jäger und Bomber der Larsaar hatten die Form eines abgerundeten Dreiecks. Innerhalb von vier Minuten waren die Einheiten startklar und drangen in die Atmosphäre des Planeten ein.

Sollte Goshkan noch leben, würde er in dem Flammenmeer umkommen. Dafür hatte Shul'Vedek nun gesorgt.

Doch ihm würde der ganze Ruhm gebühren, denn er war es, der die verhassten Feinde Gal'Arn und Aurec getötet hatte. Vielleicht würde er sogar bald selbst ein Sohn des Chaos sein.

*

Nicola Posny, Mick Shumh, Ekkifred Lanson und Juff Ikudolf waren die einzigen Überlebenden der Führungsriege, wenngleich Ikudolf wohl nicht wirklich zur Führungsriege zählte. Sie hatten mit der Bestattung der gefallenen Kameraden begonnen.

Eine traurige Arbeit, und Nicola Posny wurde damit nicht fertig. Als sie einen jungen Kadetten begrub, brach sie in Tränen zusammen. Niemand auf der NIMH hatte sie so jemals gesehen.

Lanson ging zu seiner Kameradin und versuchte sie zu trösten, doch sie stieß ihn weg.

»Ich muss damit alleine fertig werden. Arbeiten Sie weiter, Erster Offizier!«

Lanson machte sich ohne Widerworte wieder an die Arbeit. Unter einem Baum begann er, das nächste Grab auszuheben. Mühevoll grub er das Loch aus. Erschöpft blickte er hoch, als plötzlich ein Monster vor ihm stand. Sein Herz begann zu rasen, die Kehle schnürte sich zusammen.

Goshkan!

Das Elefantenwesen schnaubte aggressiv. Lanson wollte losschreien, doch Goshkan trat ihn gegen den Kopf. Niemand bekam den Kampf mit, denn sie waren zu weit weg.

Goshkan sprang in das Grab und packte Lanson. Dann drückte er Lansons Gesicht in die Erde. Wild strampelte der Erste Offizier der NIMH und versuchte sich zu befreien. Für einen kurzen Moment ließ der Katrone los, dann drückte er mit dem Fuß Lansons Gesicht weiter in den Erdboden. Der Terraner drohte zu ersticken. Doch nicht das war sein Tod. Goshkan nahm die Schaufel und rammte sie Ekkifred Lanson in den Rücken. Das Rückgrat durchbrach mit einem hässlichen Knirschen. Niemand hörte den Schrei, denn er ging in die Erde.

Lanson war tot.

Goshkan stieg aus dem Grab und winkte die vier Skurits herbei, die den Absturz überlebt hatten.

»Wie viele sind es, Parcul?«

Der Skurit scannte das Terrain und berichtete Goshkan, dass es sich um zwanzig Lebewesen handelte.

Goshkan grinste.

»Gut, das wird ein Schlachtfest!«

Langsam arbeitete er sich vor. Nun hatte er die anderen Gräber erreicht. Dort begruben zwei Mechaniker einige Besatzungsmitglieder. Goshkan nahm zwei Dolche und warf sie auf die Terraner. Beide traf er direkt in die Kehle. Mit einem Glucksen brachen sie zusammen.

Goshkan sprang auf, wurde aber von einem Energieschuss getroffen. Prustend ließ er sich zu Boden fallen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie zwei seiner Skurits nieder geschossen wurden. Man hatte sie entdeckt!

Die Wunde war nur halb so schlimm, doch achtzehn waren einige zu viel für einen direkten Angriff. Selbst für ihn.

Parcul nahm sein Scharfschützengewehr und suchte einen Gegner. Eine Frau! Sie hatte braune Haare und kümmerte sich um den Verwundeten. Es war eine der beiden Gefangenen von Entrison, stellte der Skurit fest.

Nun würde er ihr Schicksal besiegeln. Er genoss den Moment, als er sie anvisierte. Er zielte direkt auf ihre Schläfe. Der Finger am Abzug krümmt sich, doch aus dem Augenwinkel sah er das goldene Aufblitzen. Es war aber zu spät. Ein Schmerz durchzuckte ihn. Der rechte Arm war abgetrennt.

Parcul wollte aufstehen, doch Gal'Arn schlug ihm den Kopf ab.

»Nehmen Sie das Gewehr, Tania! Geben Sie mir Deckung«, bat Gal'Arn die ehemalige Offizierin der NIMH und schlich zu den Gräbern.

Da stellte sich ihm Goshkan in den Weg. Mit seiner Axt drosch er auf Gal'Arn ein, doch der Elare wich aus und parierte die Schläge.

»Gib auf, Goshkan!«

Der Katrone blickte auf den zusammenbrechenden Skurit. Walerty hatte ihn erwischt.

»Eher sterbe ich!«, fletschte der Katrone.

Plötzlich hörten sie das Dröhnen der Jäger und Bomber. Ohne viel Zeit zu verschwenden, beschossen sie das Wrack und die TERSAL.

Goshkan nutzte Gal'Arns Verwirrung und griff ihn an. Der Ritter fiel zu Boden und wich behände den Schlägen aus. Eine Bombe detonierte unweit von ihnen. Die Wucht der Explosion riss Goshkans Schulter auf und donnerte ihn zu Boden.

Gal'Arn sprang auf und stach den Katronen in diese Schulter. Mit dem Fuß trat er Goshkans Axt aus dessen Händen.

»Du bist besiegt. Ergib dich, oder ich töte dich auf der Stelle!«

Goshkan wollte noch etwas entgegnen, doch er war zu schwach und verlor das Bewusstsein.

Gal‘Arn winkte Walerty und die anderen herbei. »Die TERSAL muss sofort starten. Sandal, hilf mir, Goshkan in das Schiff zu bringen.«

Gemeinsam trugen sie den massigen Katronen in die TERSAL. Die anderen rannten um ihr Leben.

Nachdem alle drin waren, hob die TERSAL ab und griff die sechs feindlichen Schiffe an. Fast schon spielend leicht, wurden sie abgeschossen. Damit hatten die Larsaar wohl nicht gerechnet.

Gal'Arn übernahm nun wieder das Kommando.

»Jaktar, teile den larsaarischen Streitkräften mit, dass wir Goshkan als Geisel haben und freien Abzug nach Cartwheel durch das Sternenportal wünschen. Sonst wird Goshkan sterben.«

Jaktar teilte dies sofort mit. Die Schiffe griffen die TERSAL nicht an, verfolgten das Ritterraumschiff jedoch. Der letzte Akt ihrer riskanten Flucht hatte begonnen. Nun würden sie feststellen können, wie viel Goshkan wert war.

*

Die Ergebnisse des Ortungsscans bestätigten Shul'Vedeks schlimmste Befürchtungen. Goshkan lebte. Er war in den Händen der Feinde. Was sollte er jetzt machen? Würde er die Feinde passieren lassen, dann entkamen sie. Schoss er das Schiff ab, würde er einen Sohn des Chaos töten.

Aus Lerh Ar'Modror kamen keine Stellungnahmen. Der Rat hatte zu viel Angst, um Verantwortung zu übernehmen.

Also musste er eine Entscheidung fällen und seinen Kopf hinhalten. So oder so, er hatte verloren.

»Verfolgt sie, aber nicht abschießen. Vielleicht können wir Goshkan herausholen und sie dann töten.«

Die TERSAL begann ihren Weg in die Verbotene Zone.

In der Verbotenen Zone befanden sich insgesamt vier Sternenportale. Unzählige Stationen von MODROR waren dort stationiert.

Doch auch dort hatten sich die Feinde bereits eingenistet. Eine Gruppe dieser gefährlichen Fremden hatte die Produktionsfabrik ausspioniert. Für einen Moment bewunderte Shul'Vedek die Gegner für ihr Können sogar. Doch eine Sekunde darauf hasste er sie. Sie mussten sterben!

*

Es dauerte einige Stunden, bis die TERSAL das Sternenportal erreicht hatte. In dieser Zeit hatte Gal'Arn den Versuch unternommen, Goshkan zu verhören. Doch der Sohn des Chaos schwieg.

Nur eines sagte er zu seinem ehemaligen Lehrmeister, und diese Worte liefen Gal'Arn kalt den Rücken hinunter:

»Gib es auf, alter Mann. Bald wird die Milchstraße nicht mehr existieren und andere Galaxien werden folgen. Niemand kann der zerstörerischen Kraft des SONNENHAMMERs entkommen. Sterbt endlich!«

Gal'Arn hatte damit seine Bestätigung. Die Invasion sollte in der Milchstraße stattfinden.

Ohne ein Wort zu erwidern, verließ er die Zelle und ging an der Medostation vorbei. Er warf einen kurzen Blick hinein, bevor er zurück in die Zentrale lief.

Drei weitere Verwundete waren inzwischen gestorben. Es lebte kaum einer mehr von der NIHM.

Tania Walerty tröstete ihre Freundin Jenny Taylor, die sich die Schuld an dem Tod der Verletzten gab. Im Gegensatz zur Kommandantin.

Nicola Posny konnte ihre Abneigung gegenüber Walerty immer noch nicht loswerden. »So viele gute Menschen sind gestorben und Sie haben überlebt. Was für eine Ungerechtigkeit!«

Dann verließ sie die Medostation zusammen mit Mick Shumh und beschloss Goshkan zu bewachen.

Der Katrone saß still und nicht einmal die klaffenden Wunden störten ihn. Niemand hatte sie versorgt. Taylor war mit der Rettung der anderen zu beschäftigt.

Shumh war nicht wohl bei der Bewachung dieses Sohnes des Chaos. Nicola Posny schien es nichts auszumachen. Im Gegenteil. Sie schien es zu genießen den Mörder so vieler Terraner zu bewachen. Schließlich hatte Goshkan auch ihr Schiff auf dem Gewissen.

»Wir erreichen in wenigen Minuten das Sternenportal nach Seshonaar«, meldete Aurec über Bordfunk. »Sie lassen uns frei passieren. Sie wollen den Tod eines Sohnes des Chaos auf keinen Fall riskieren.«

»Wir schon«, murmelte Posny und entsicherte die Waffe.

»Kommandantin?«

»Klappe, Shumh. Er soll für den Tod unserer Leute büßen. Ich werde diese Bestie erledigen.«

Goshkan blickte sie unbeeindruckt an. Plötzlich sprang er hoch und drückte seinen massigen Körper gegen Posnys. Kreischend brach sie zusammen und verlor die Waffe. Shumh nahm sie auf und richtete sie zitternd gegen Goshkan. Der Katrone war sichtlich amüsiert. Shumh war zu angstvoll, um abzudrücken. Dann nahm Goshkan den Arm des Terraners und drehte ihn herum. Shumh schrie auf, doch Goshkan interessierte das wenig. Seine linke Pranke schlug in das Gesicht Shumhs. Die Nase zerbrach, Blut spritzte.

Dann griff die eiserne Klaue in das Genick und zerbrach es. Shumh fiel leblos zu Boden. Goshkan blickte sich um und sah den SERUN. Das Ding war zu klein für ihn, doch der Individualschirm war zu gebrauchen. Die Sauerstoffaggregate des Seruns baute er ebenfalls aus und legte sie an.

Posny rappelte sich langsam wieder auf. Goshkan beachtete sie gar nicht. Dann aktivierte er den Schutzschirm, der sich kugelförmig um ihn schloss. Er packte Posny und zerrte sie in die Nebenkammer. Dort lagen Waffen und Sprengsätze. Posny versuchte sich zu wehren, doch sie hatte keine Chance. Goshkan rammte ihr einen Zünder in die Brust und aktivierte ihn. Dann schleuderte er sie zu den anderen Sprengsätzen und lief hinaus.

Eine gewaltige Explosion erschütterte die TERSAL.

Wir haben ein Leck in der Waffenkammer«, meldete Jaktar aufgeregt. »Irgendetwas ist explodiert. Sauerstoff entweicht. Der Schutzschirm ist an der Stelle zusammengebrochen«

»Sofort die Sektion abschotten!«, befahl Gal'Arn.

Jaktar führte umgehend den Befehl aus. Der Ritter der Tiefe konnte die Aura von Goshkan spüren. Schnell aktivierte er die Ortung und sah, wie sich ein kleines Objekt von der TERSAL entfernte.

»Goshkan …«, murmelte Gal'Arn.

Er war entkommen. Jaktar meldete, dass Posny und Shumh ebenfalls dort gewesen waren. Für den Elaren war klar, dass sie ihr Leben verloren hatten.

»Beschleunige. Schnell durch das Sternenportal! Code senden!«

Jaktar sendete zwei Codes. Der eine befahl dem Sternenportal, sich zu deaktivieren. Das zweite Signal übermittelte die Koordinaten der Destination.

*

Shul'Vedek bekam die Explosion mit. Jedoch achtete er nicht auf Goshkan. Handlungsunfähig schaute er der Flucht der TERSAL zu und ließ sie durch das Sternenportal fliegen. Die dortigen Streitkräfte wurden darüber informiert, dass sie die TERSAL passieren lassen sollten.

Wie sollte er das den anderen Söhnen des Chaos beibringen?

»General, die WORDON hat Barym erreicht. Rodrom und Cau Thon werden in wenigen Minuten unser Schiff aufsuchen.«

 

Flucht aus Barym

Es war geschafft. Ungehindert passierte man die Wachforts MODRORs und verließ die Verbotene Zone in Seshonaar. Damit lag Cartwheel vor ihnen.

Aurec und Sandal Tolk sicherten die Explosionsstelle. Goshkan musste Posny und Shumh überwältigt und dann ein Loch in die TERSAL gesprengt haben.

Anscheinend konnte er mit einem aus den SERUN-Teilen provisorisch gebastelten Raumanzug entkommen. Eine clevere Tat des Katronen. So war er ihnen entkommen.

Von der NIMH waren nur noch sieben Besatzungsmitglieder am Leben, zählte man Jennifer Taylor und Sandal Tolk nicht mit. Tania Walerty war nun die Ranghöchste. Etwas, was sie sich immer gewünscht hatte, doch sicherlich nicht unter diesen Umständen.

Gal'Arn durfte sich nicht lange über Goshkans Flucht grämen, denn es lagen wichtige Dinge vor ihm. Nun musste er die Cartwheeler und Galaktiker vor der bevorstehenden Invasion warnen.

Das hatte oberste Priorität. Hundertausende an Schiffen und der SONNENHAMMER würden bald zur Milchstraße aufbrechen, um diese zu vernichten.

Sie hatten nicht mehr viel Zeit …

 

Barym

Shul'Vedek legte sich die Worte zurecht, die er Rodrom und Cau Thon sagen wollte. Als er jedoch vor ihnen stand, brachte er kein Wort heraus, denn an ihrer Seite lief Goshkan!

»Ihr … Ihr lebt?«, fragte er schließlich. »Und seit in Freiheit?«

»Sehr scharfsinnig, General Shul'Vedek«, entgegnete Rodrom kalt. »Goshkan hat uns über die Ereignisse aufgeklärt. Euer Bericht ist überflüssig. Bereitet die Flotte für die Invasion vor.«

Shul'Vedek verbeugte sich und verließ den Raum. Zurück blieben Rodrom und die beiden Söhne des Chaos.

Wütend stapfte Goshkan auf einer Stelle. »Ich konnte viele töten, doch nicht genug. Gal'Arn und Aurec sind entkommen und kennen unsere Pläne.«

Cau Thon blickte Rodrom erwartungsvoll an.

Der roten Entität entging das nicht. »Habt keine Sorge, Brüder. Selbst wenn die Milchstraße eine Armee aufstellt, werden sie uns unterlegen sein.

Bald wird die Milchstraße aufhören zu existieren …«

ENDE

 

 

 

Der TERSAL ist die Flucht gelungen und mit schlechten Nachrichten auf dem Weg nach Cartwheel. Was sich dort unterdessen ereignet hat, berichtet Jens Hirseland in Band 63: »Der Kanzler von Paxus«.

 

 

 

DORGON-Kommentar

Wir haben in den letzten beiden Romanen einiges über Barym erfahren und lernen erstmals mehrere Hilfsvölker MODRORs kennen. Bisher agierten Rodrom und die Söhne des Chaos mehr als Einzelgänger und versuchten ihrer Helfer in den uns bekannten Galaxien zu rekrutieren.

Wir wussten von den Casaro als Forscher, wir wussten von den Kjollen als Besatzungsmacht des Zentrums von Saggittor. Die Zievohnen waren uns als Besatzungsmitglieder der KARAN ebenso bekannt und die Skurits als Eingreiftruppe.

Wir ahnten bereits durch die Vernichtung Saggittors, dass das längst nicht alles sein konnte, was MODROR aufzubieten hatte.

Doch nun steht fest, MODROR verfügt über eine eigene, gewaltige Armee. Und dem SONNENHAMMER, der nun Kurs auf die Milchstraße nehmen soll. Es sieht so aus, als würde die finstere Entität MODROR Ernst machen. Unter dem Kommando von Rodrom soll die Milchstraße nach dem Vorbild von Saggittor vernichtet werden.

Welche Rolle werden die Kemeten dabei spielen? Noch stehen sie Rhodan und den Terranern eher feindlich gegenüber? Wird sich Cartwheel für die Entsendung von Truppen entschließen? Immerhin stehen drei vom Paxus-Rat unter Kontrolle von MODROR.

Finstere Zeiten stehen der Milchstraße bevor.

Nils Hirseland

 

 

 

GLOSSAR

Barym

Die Doppelgalaxis Barym befindet sich etwa 300 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. NGC 1409 trägt den eigentlichen Namen Barym, während NGC 1410 nur als "Verbotene Zone" bekannt ist. Ein Materiestrahl verbindet die beiden Galaxien miteinander.

Wie ein dünnes Paketband umschnürt diese Pipeline die beiden Galaxien. Über eine Breite von 500 Lichtjahren wird Material vom System NGC 1410 in die Nachbargalaxie abgezogen. Da diese Verbindung aber äußerst dünn ist, schätzen die Astronomen den Strom auf lediglich zwei Prozent der Masse unserer Sonne pro Jahr. Als Antrieb ist die Schwerkraft, die zwischen den Galaxien wirkt, verantwortlich.

Die Kollision hat vor 300 Millionen Jahren stattgefunden und wird erst in etwa 200 Millionen Jahren vollendet sein. Dann werden die beiden Galaxien miteinander verschmelzen. Der Abstand der beiden Galaxien beträgt derzeit noch etwa 20.000 Lichtjahre.

Die Völker Baryms  siedeln ausschließlich in NGC 1409.

Bekannte Welten:

Lehr Ar'Modror ist die Hauptwelt von Barym mit Sitz des Dreierrates von Lehr Ar'Modror.

Zievohn – die Heimatwelt der Zievohnen.

Larsaar – die Heimatwelt der Larsaar.

Rytalon – die Heimatwelt der Rytar.

Atusar – die Heimatwelt der Atusar.

Entrison ist der Planet auf dem Aurec und Kathy Scolar gefangen gehalten wurden.

Rebellenversteck (Rebell-Alpha-System) erklärt sich von selbst.

Nordöstlich von Lehr Ar'Modror beginnt etwa 10.000 Lichtjahre später die Verbotene Zone.

In NGC 1410 befinden sich die Sternenportale zu Seshonaar und den Paralleluniversen sowie die Produktionsstätte für die Skurit-Soldaten der Zievohnen.

Verbotene Zone

Mit der Verbotenen Zone ist NGC 1410, die zweite Galaxis der Doppelgalaxie Barym, gemeint. In der Verbotenen Zone befinden sich insgesamt vier Sternenportale. Eines führt nach Seshonaar, eines ins tiefere Innere des Reiches MODROR, eines wird für Paralleluniversen justiert und das vierte führt direkt zum Portal in der Lokalen Gruppe.

Unzählige Stationen von MODROR befinden sich dort. Ebenfalls die Produktions- und Ausbildungsstätten für die Skurit-Soldaten (Skelettsoldaten), welche genetisch veränderte Zievohnen sind.

Nur auserwählte Barymer dürfen in die Verbotene Zone um dort zu arbeiten. Meistens jedoch sind es Skuritsoldaten oder Wesen aus anderen MODROR-Galaxien.

Lehr Ar‘Modror

Lehr Ar'Modror ist die Haupt- und Regierungswelt von Barym. Dort leben ausschließlich Zievohnen, Larsaar, Atusar und Rytar. Es ist Sitz des Dreierrates und des militärischen Oberkommandos, sowie größte wirtschaftliche Produktionsstätte.

Lehr Ar'Modror hat einen Durchmesser von 90.000 Kilometern, besitzt neun Kontinente, von denen alle genutzt werden. Zwei dienen als Wohnkontinente, auf den anderen werden Raumschiffe hergestellt oder gelagert. Die gigantischen Flotten und Truppen werden dort stationiert. Lehr Ar'Modror ist eine gigantische Festung. Um den Planeten herum sind 500.000 Raumforts im Orbit postiert. Eine rote Sonne spendet dem siebten von neunzehn Planeten des Systems Licht und Wärme.

Rytar

(Rytar, Rytaro, Rytar)

Die Rytar sind ein Volk von Wissenschaftlern, die viele Sonderaufgaben in Barym erledigen und für stetigen technischen Fortschritt sorgen. Ihr Aussehen gleicht einer purpurfarbenen Kartoffel auf drei Beinen mit drei Augen. Die Hautfarbe kann auch grün oder dunkelblau sein.

Die Rytar sind hoch intelligent aber von Natur aus oftmals auch faul. Nur die Neugier treibt sie zu immer neuen Erfindungen.

Ihr Heimatplanet ist Rytalon.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e.V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e.V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 62, veröffentlicht am 04.03.2016 —

Titelillustration: Gerd SchenkInnenillustrationen: Mark Hoffmann

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel