Band 61

Osiris-Zyklus

 

Barym

Aurec und Gal'Arn in der Höhle des Löwen

 

Aki Alexandra Nofftz

 

Was bisher geschah

Im Jahre 1298 hat sich einiges in Cartwheel verändert. Langsam hat sich die Völkergemeinschaft von den Ereignissen im Xamour-System 1296 NGZ erholt, die Tatsachen verdaut, dass Aurec und Gal’Arn nicht mehr da sind und ein Kosmonukleotid knapp 500.000 Lichtjahre von Cartwheel entfernt liegt – TRIICLE 3.

Die Administration des Terrablocks plant nun mehr über die Nachbarschaft der Galaxis herauszufinden. So wird im März 1298 NGZ eine Expedition nach Seshonaar geschickt. Doch die drei Raumschiff NIMH, SLEEPY HOLLOW und BLAIR WITCH geraten früh in große Probleme. Die Crew der SLEEPY HOLLOW verfällt dem Wahnsinn. So kehren die BLAIR WITCH und SLEEPY HOLLOW zurück nach Cartwheel. Die NIMH findet im Zentrum von Seshonaar Sternenportale und eine Flotte von MODROR. Sie müssen fliehen und stranden in einer Galaxie, die ihnen tiefe Einblicke in die Welt des MODROR gewähren. Es ist die Galaxie BARYM …

Hauptpersonen

Ben Strout – Der Wissenschaftler findet sich im falschen Universum wieder.

Sandal Tolk, Tania Walerty und Nicola Posny – Wichtige Besatzungsmitglieder der NIMH.

Ferby Shyko und Michael Shorne – Anführer der Gruppe FREEDOM.

Peter III. de la Siniestro – Der Militärführer der FREEDOM.

Skrarok – Ein Skuritsoldat.

Banternach – Anführer der Barymrebellen.

Ghul'Adar – Der Larsaar ist der mächtige Herrscher von Barym.

Shul'Vedek – Ein brutaler General der Larsaar.

 

 

 

 

Eine zerstörte Galaxis

Schweigen herrschte in der Zentrale der NIMH vor. Eben noch waren sie um Haaresbreite der unheimlichen Wachflotte in der Verbotenen Zone aus der Galaxie Seshonaar entkommen, indem sie durch ein Sternenportal geflüchtet waren, und nun bot sich ihnen dieser Anblick.

Die sonst so harte Kommandantin Nicola Posny ließ sich ätzend in ihren Sitz sinken.

Es muss eine Nachwirkung der Nesjorseuche sein, versuchte sie sich selbst das Zittern ihrer Knie zu erklären.

»Ist es ganz sicher, dass wir hier in Cartwheel sind?«, flüsterte sie in die Zentrale.

Tania Walerty nickte. »Die Sternformationen sind eindeutig.«

Posny erschauerte. Um sie herum breitete sich eine zerstörte Galaxis aus. Es musste ein großer Krieg getobt haben, denn unzählige Wracks trieben durch das Sonnensystem, in dem sich das Sternenportal befand.

Was aber viel schlimmer war – es herrschte absolute Stille im Hyperfunk. Nicht ein Funkspruch war zu empfangen. Dabei lag Paxus nur zehn Lichtjahre entfernt. Die Insel war tot!

Nicht völlig tot, denn in diesem Moment traten einige Schiffe aus dem Sternenportal und nahmen die NIMH sofort unter Feuer.

»Das sind dieselben wie in der Verbotenen Zone!«, rief Tania Walerty. »MODRORs Schiffe!«

»Weg von hier!«, befahl die Kommandantin, die sich mittlerweile wieder einigermaßen gefasst hatte.

Mick Shumh, der Erste Pilot der NIMH, holte alles aus dem Forschungsschiff heraus, als er versuchte, die NIMH auf die benötigte Eintauchgeschwindigkeit in den Hyperraum zu bringen.

Sicherheitschef Kulumbri Waspesi koordinierte die Defensiv- und Offensivbewaffnung. Dabei legte er sein Augenmerk eher auf die Schutzschirmstaffelung, denn mit ihren zwei Transformgeschützen konnte die NIMH sowieso nicht viel gegen die Angreifer ausrichten.

Der restlichen Besatzung blieb nichts anderes übrig, als hilflos auf die Orter zu starren, denn die NIMH war den feindlichen Schiffen hoffnungslos unterlegen.

Shumh gelang es, den Schüssen auszuweichen, doch nach den ersten Haken durchschauten die Gegner die Taktik. Der erste Treffer erschütterte das Schiff. Schlagartig stieg die Schirmbelastung auf 150 Prozent.

Sandal Tolk stieß ein tiefes Grollen aus und umklammerte seinen Bogen. So wollte er nicht sterben, ohne dem Gegner Auge in Auge gegenüber zu stehen.

Die anderen hegten völlig andere Gedanken, hauptsächlich war Todesangst darin zu finden.

Der zweite Treffer erschütterte die NIMH. Das Licht in der Zentrale fiel aus und man vernahm Explosionen aus den Weiten des Schiffs. Einige schrien panisch auf.

Die Vierte Offizierin Tania Walerty klammerte sich an ihre Sessellehne. Sie hatte die Augen geschlossen und die Zähne aufeinander gepresst.

Wäre ich doch mit der SLEEPY HOLLOW oder BLAIR WITCH zurück geflogen, anstatt auf diesem Schiff zu bleiben!, wünschte sie sich. Lieber Gott, wir haben dich bisher auf unseren Raumflügen nie entdeckt, aber wenn du irgendwo da draußen sein solltest und mich hörst, so lass uns doch das Ganze hier überleben!

Dann war nichts mehr.

War sie tot? Verwundert öffnete Tania die Augen und blickte sich um.

In der Zentrale brannte die Notbeleuchtung. Ein schabendes Geräusch erfüllte den Raum. Einige Besatzungsmitglieder waren zu Boden gestürzt und wurden gerade von herbei geeilten Medos versorgt. Die Kommandantin Oberst Nicola Posny saß ruhig und streng wie immer in ihrem Sitz, aber die bleiche Hautfarbe und der Schweiß verrieten ihr Innenleben.

Erst jetzt bemerkte Walerty, woher das Geräusch kam. Sandal Tolk hockte mitten in der Zentrale auf dem Boden und rieb einige seiner Pfeile auf dem Boden, die Zähne gefletscht. Kurz trafen sich ihre Blicke, und Tania konnte unbändigen Hass in seinen Augen erkennen.

»Lage?«

Tania zuckte zusammen. Die Kommandantin hatte gesprochen. Wie konnte man nur so eiskalt sein und in dieser Situation so emotionslos fragen?

»Wir haben es geschafft!« Das war Mick Shumh gewesen. Die Stimme des Piloten zitterte noch von der Anspannung, unter der er bis vor kurzem gestanden hatte. »Ich konnte kurz in den Hyperraum gehen, bevor die Ausfälle uns wieder in den Einsteinraum haben zurückfallen lassen. Ich weiß nicht, wie viele Lichtjahre wir zurückgelegt haben, aber die MODROR-Schiffe scheinen unsere Spur verloren zu haben – noch ...«

Die Kommandantin nickte und wandte sich dem nächsten zu. »Schäden?«

»Wir haben einen schweren Treffer erhalten«, erklärte Klavus Wiffen, dem die Technik an Bord der NIMH unterstand. »Er hat unsere Schirme durchschlagen und dann einen Hangar getroffen. Ich habe noch keinen genauen Überblick, aber es scheint so, als wäre eine Space-Jet explodiert. Die Grigoroffs könnten auch etwas abgekommen haben.«

»Können wir derzeit in den Hyperraum?«

»Ich weiß es nicht. Ich muss mir erst einmal vor Ort die Lage ansehen ...«

Nicola wies mit ihrem Kinn in Richtung Hauptschott, und der Mechaniker eilte davon.

Danach erhob sie sich und klatschte in die Hände. »Kann nicht mal einer dafür sorgen, dass wir hier wieder richtiges Licht bekommen?«

Ekkifred Lanson, der Erste Offizier und der Sicherheitschef Kulumbri Waspesi, seines Zeichens Zweiter Offizier der NIMH, machten sich hastig daran, die Beleuchtung zum Laufen zu bringen.

Blöde Kuh!, fluchte Tania Walerty. Vielleicht haben wir Tote und du interessierst dich nur für dein Licht!

Sie zuckte zusammen. Jennifer!

Plötzlich hatte sie Angst, dass der Bordärztin etwas zugestoßen sein könnte. Sofort fuhr sie auf und rannte aus der Zentrale. Dabei störte sie sich nicht daran, was die Kommandantin davon halten würde, denn in diesem Augenblick war es ihr egal.

Keuchend erreichte sie einige Minuten später die Krankenstation. Ihr bot sich ein fürchterlicher Anblick. Überall standen, saßen und lagen Verbrannte und Verletzte herum. Die Verletzungen reichten von einigen kleinen Brandblasen und Platzwunden bis hin zu Verbrennungen dritten Grades und übel aussehenden Frakturen.

Tania wurde schlecht, als sie das viele Blut sah, doch dann bemerkte sie Jennifer – unverletzt. Erleichtert atmete sie auf.

Auch die leitende Ärztin hatte sie bemerkt und winkte ihre Freundin sofort zu sich. »Tania, komm her!«

Die Angesprochene trat verwundert in die Krankenstation. Sofort wurde ihr eine Druckspritze und eine Dose mit Bioplast in die Hand gedrückt.

»Wir können hier jede Hilfe gebrauchen«, erklärte Jennifer Taylor. »Selbst mit Medo-Robotern können wir nicht alle versorgen. Übernimm du die leicht Verletzten, das sollte auch ohne entsprechende Ausbildung kein Problem sein.«

Tania nickte langsam und machte sich an die Arbeit.

*

Einige Stunden später hatte Nicola Posny alle Führungsmitglieder der Besatzung zu einer Besprechung zusammengerufen. Die Verletzen waren mittlerweile alle versorgt und auch die Energieversorgung des Schiffes war wiederhergestellt.

»Wir stehen vor einem schwierigen Problem«, begann die Kommandantin und ließ ihren Blick über alle Anwesenden schweifen.

Jennifer Taylor und Tania Walerty waren erst vor einigen Minuten aus der Krankenstation gekommen. Ihre Kleidung war über und über mit Blutflecken übersät.

Sandal Tolk hatte das mit einem amüsierten Grunzen kommentiert und sich ansonsten dem Putzen seiner Waffen gewidmet. Er schien sich auf einen Kampf vorzubereiten.

Der Ezialist Ben Strout saß in seinem Sitz und wirkte geistesabwesend. Zwischen seinen Fingern ließ er ein Medaillon umher gleiten. Offenbar ein Glücksbringer, den er auf einer seiner zahlreichen Forschungsreisen entdeckt hatte.

Mick Shumh und Ekkifred Lanson befanden sich auf ihren Posten in der Zentrale, damit man notfalls sofort flüchten konnte und auch Klavus Wiffen überwachte weiterhin die Reparaturen, sodass ihre drei Sitze leer blieben. Dafür befanden sich Ortungsleiterin Kyrsten Wiffen und Sicherheitschef Kulumbri Waspesi noch bei der Besprechung.

»Wir können uns ziemlich sicher sein, dass wir uns in Cartwheel befinden«, fuhr Posny fort. »Die Frage ist nur, wann wir uns befinden.«

»Kann man das nicht anhand der astrometrischen Daten errechnen?«, stellte Strout in den Raum, ohne von seiner Tätigkeit aufzublicken.

Posny musterte ihn wütend. Man sah ihr an, dass sie ihm gerne eine Lektion erteilt hätte, doch der Ezialist war kein Besatzungsmitglied und unterstand daher genau so wenig ihrer Kommandogewalt wie Sandal Tolk.

»Dazu müssten wir uns aber schon sehr weit in der Zukunft befinden«, gab sie kühl zurück, worauf Strout nur mit den Achseln zuckte. »Abgesehen davon, dass die Supernovae, oder besser beginnenden Supernovae in unserer Umgebung alle Messungen erschweren, scheinen sich die Sternpositionen kaum verändert zu haben, sodass wir uns immer noch im Jetzt aufhalten müssten – plus/minus einige Jahrzehnte Messfehler natürlich.«

Keiner lachte über diesen misslungenen Witz, lediglich Strout zeigte so etwas wie ein feines Lächeln.

»Angesichts dieser Lage muss unser erstes Ziel sein, weitere Informationen zu beschaffen«, dozierte die Kommandantin. »Daher schlage ich vor, Paxus anzufliegen.«

»Paxus?«, fuhr Tania Walerty auf. »Wenn irgendwo MODROR seine Bastion aufgeschlagen hat, dann dort! Wir fliegen mitten in die Höhle des Löwen.«

»Liebe Frau Walerty«, sprach Posny betont freundlich. »Wir wissen doch bereits, wo sich diese Basis befindet.«

Tania ballte unter dem Tisch ihre Fäuste. Was fällt ihr ein? Ich bin doch nicht ihre Schülerin!

Dann fiel es ihr plötzlich ein. »Die Verbotene Zone in Seshonaar!«

»Genau.« Nicola nickte. »Sonst noch Einwände? Keine? Gut, dann machen wir uns auf den Weg.«

 

Paxus

Die Space-Jet fiel fast in der Korona der Sonne von Paxus aus dem Hyperraum. Dieses Manöver hatte Mick Shumh einige Nerven gekostet, doch Posny hatte darauf bestanden, um jegliches Ortungsrisiko auszuschließen. Daher waren sie auch nur mit einer Space-Jet nach Paxus aufgebrochen, während die NIMH in einem Sonnensystem in der Nähe wartete.

Doch die Vorsicht war unbegründet. Tania konnte auf den Ortungsholos keine feindlichen Schiffe entdecken. Auch sonst war nichts zu erkennen; Paxus war energetisch ebenso tot wie der Rest von Cartwheel.

Tania Walerty ließ ihren Blick durch die kleine Zentrale der Space-Jet gleiten. Nicola Posny saß kerzengrade in ihrem Kommandositz und fixierte die Ortungsholos, während Mick Shumh mit der Steuerung beschäftigt war. Jennifer Taylor und Ben Strout saßen ebenso wie Tania selbst mehr oder weniger teilnahmslos auf ihren Besuchersitzen, da sie momentan ohnehin nichts tun konnten. Sandal Tolk war das genaue Gegenteil davon. Der Barbar von Exota Alpha hatte irgendwoher Holz besorgt und widmete sich völlig dem Schnitzen von Pfeilen für seinen großen Kompositbogen, den er gegen seinen Sitz gelehnt hatte. Im Gegensatz zu allen anderen schien er es kaum abwarten zu können, endlich Paxus zu erreichen.

Tania lehnte sich wieder zurück und beobachtete durch die Sichtkuppel, wie der Planet Paxus langsam größer wurde. Sechs Personen waren sie, sechs gegen eine ganze Galaxis.

Was mochte bloß in Cartwheel passiert sein? Waren sie wirklich durch das Sternenportal weit in die Zukunft versetzt worden, oder hatte MORDOR die Insel angegriffen, als sie gerade in Seshonaar gewesen waren? Waren wirklich alle Bewohner Cartwheels gestorben, oder konnten viele fliehen? War vielleicht gar die Milchstraße ebenfalls angegriffen worden?

»Tania Walerty!« Die Stimme der Kommandantin riss sie aus ihrem trüben Gedanken. »Könntest du vielleicht mit deinen Träumereien aufhören und Paxus scannen? Wir sind schon seit Ewigkeiten in wunderbarer Ortungsdistanz!«

Tania schluckte eine böse Erwiderung herunter und widmete sich ihren Kontrollen. Posny schien sich wieder das Du angewöhnt zu haben. Walerty war es eigentlich egal. Ob Sie oder Du, sie würde keine Freundin von Posny werden.

Tatsächlich war Paxus mittlerweile in guter Reichweite der Teleskope. Sie zoomte an den Planeten heran. Momentan musste es Mittag auf Erisor sein, denn der Hauptkontinent lag genau auf der ihnen zugewandten Sonnenseite. Die gigantische Stadt Paxus-City war schon in dieser Vergrößerung sehr gut zu erkennen, da die 715 Millionen Einwohner zählende Metropole praktisch den ganzen Kontinent bedeckte. Aber die Stadt mit dem Sitz des Paxus-Rates wirkte auf irgendeine Art anders als sonst.

»Die Stadt ist völlig zerstört!«, rief sie fassungslos.

»Etwas genauer bitte«, sagte Nicola scharf. »Was ist zerstört? Grad der Zerstörung, Lebensformen, energetische Ortung ...«

Tania las die Daten von den Anzeigen ab. »Die Stadt besteht praktisch nur noch aus Schutthalden. Da ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Energiequellen oder Lebensformen kann ich keine orten ... Doch! Es gibt offenbar Überlebende!«

Als Posny den Befehl gab, hatte Shumh schon längst die Flugrichtung geändert und Kurs auf die Quelle der Emissionen genommen.

Nicola Posny musterte alle Anwesenden genau. »Wir werden mehrere Gruppen bilden. Tolk und Walerty, ihr bildet die erste Gruppe. Taylor, Strout und Shumh, ihr die zweite. Versucht, euch ein Bild von der Lage zu machen und kehrt schnellstmöglich zur Jet zurück.«

»Und was ist mir dir?«, fragte Tania.

Nicola zog eine Augenbraue hoch. »Ich werde natürlich hier die Stellung halten und euch im Notfall zur Hilfe kommen.«

»Klar, schön hier drinnen sitzen, während wir draußen unser Leben riskieren.«

Erst, als alle sie anstarrten, wurde Tania Walerty bewusst, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte.

Posny stieß zischend die Luft aus. »Sie können froh sein, dass ich Ihnen Sandal Tolk zur Seite stelle, Frau Walerty. Wenn Sie es allerdings vorziehen, aus lauter Angst an Bord zu bleiben, können wir natürlich gerne tauschen ...«

Tania drehte sich brüskiert um und eilte hinaus. Tolk zuckte nur mit den Schultern, griff nach Pfeil und Bogen und stampfte ihr hinterher.

In der Schleuse angekommen, hatte sich Tania wieder einigermaßen beruhigt.

Ich mag diese arrogante Ziege zwar nicht, rief sie sich zur Vernunft, aber wir müssen zusammenhalten, wenn wir diese Situation überleben wollen.

Gleichzeitig schwor sie sich, das Schiff sofort zu verlassen, wenn sie dies überleben sollte, und nie wieder ein Schiff zu betreten, es sei denn als Kommandantin.

Sandal stapfte an ihr vorbei, öffnete das Außenschott der Schleuse und sprang die drei Meter zum Boden herunter, ohne den Antigravschacht zu verwenden.

Tania starrte fassungslos zu ihm herab. Dieser irre Barbar! Warum durfte ich nicht mit Jennifer ein Team bilden? Das war bestimmt Absicht!

Sie steckte noch einen Kombistrahler ein, dann sprang sie ebenfalls aus der Schleuse. Gekonnt rollte sie sich unten ab.

Als sie wieder aufgestanden war und sich den Staub aus der Kleidung klopfte, bemerkte sie, wie sie der Krieger von Exota Alpha überrascht anstarrte.

»Tja ...«, machte sie lachend.

Sandal Tolk brummelte nur irgendetwas und machte sich in Richtung der Ortungssignale auf. Tania Walerty folgte ihm dichtauf und beobachtete das Ortungsergebnis der Umgebung, die sie sich von ihrem SERUN in bequemer Entfernung vor dem Kopf projizieren ließ.

Tolk war ohne Schutzanzug unterwegs und knapp bekleidet wie immer, sodass Tania fasziniert das Spiel seiner strammen Muskeln in seinem Rücken beobachten konnte.

Eigentlich ist er ja doch ganz süß, überlegte sie, nur diese Manieren. Außerdem hört er auf die Kommandantin, das macht ihn mir schon einmal völlig unsympathisch...

*

Jennifer Taylor ging währenddessen ganz anderen Gedanken nach. Mit Sorge dachte sie an die an Bord der NIMH zurück gelassene Emma. Einerseits hatte sie einen überraschend leistungsfähigen und »menschlichen« Androiden konstruiert, der sie letztendlich vor der Nesjorseuche gerettet hatte, andererseits war Emma psychisch als ausgesprochen labil zu betrachten. Jennifer schloss auch eine Schizophrenie nicht aus, auch wenn sie mit ihren Ahnungen recht behalten hatte.

Sie seufzte und blickte sich zu ihrer Begleitung um. Der noch recht junge Pilot mit dem markanten Kinn, der ihnen nun schon einige Male das Leben gerettet hatte, schien sich hier draußen nicht wohl zu fühlen.

Wen wundert's?, dachte sie. Hinter jeder Ruine könnte MORDOR eine Gemeinheit versteckt haben. Er ist uns technisch haushoch überlegen, daher haben wir sowieso keine Chance, seine Fallen zu entdecken.

Als hätte die Entität ihre Gedanken gehört, bemerkte Jennifer eine Bewegung hinter einer Ruine in der Nähe. Erschreckt ließ sie sich zu Boden fallen und suchte mit zitternder Waffe nach dem Gegner.

»Da ist jemand!«, rief sie gleichzeitig ihrer Begleitung zu und ins Funkgerät.

Ein Thermostrahl schlug in ihrer unmittelbaren Nähe ein. Hätte der Pikosyn nicht automatisch den Paratron aktiviert, hätte die Hitze mindestens ihre Haare versengt – wenn nicht sogar etwas mehr.

Mit einem erstickten Schrei verkroch sich Jennifer hinter einem großen Bruchstück und blickte panisch zu Mick empor, der verzweifelt nach einem Ziel suchte. Strout hingegen suchte völlig ruhig die Umgebung ab.

»Jennifer, halt aus, wir kommen zu Hilfe!«, vernahm sie Tanias Stimme aus dem Funk.

»Ruhe!«, donnerte Posnys Stimme durch den Äther. »Durch eure Funksprüche kann man euch wunderbar orten. Und macht die Paratrons aus! Ihr verursacht ein Ortungsfeuerwerk, dass mir fast die Geräte durchbrennen!«

Jennifer schluckte und wies den Pikosyn mit flüsternder Stimme an, den Schutzschirm zu deaktivieren. Anschließend griff sie ihre Waffe fester und lugte vorsichtig um die Ecke, den Atem angehalten.

Ein Zischen ertönte, und etwas Längliches prallte von der Hauswand ab. Ein Pfeil – Sandal Tolk!

Mit einem Kampfschrei stürmte der Barbar heran und wich unterwegs noch einigen Schüssen aus, dann hörte der Beschuss plötzlich auf. Irritiert blieb der Krieger stehen.

»Hast du Angst bekommen?«, rief er durch die Ruinen. »Komm heraus. Ich fürchte mich nicht vor deinen Energiewaffen!«

Tatsächlich trat eine Gestalt aus der Ruine heraus. Sie war in schmutzige Kleidung gehüllt und trug keinen Raumanzug, lediglich ein zerschlissener Multifunktionsgürtel war um den Bauch geschlungen und hielt die Lumpen notdürftig zusammen. In der Hand trug die Gestalt einen Thermostrahler, den sie lässig über den Boden schwenkte.

Tolk hob kurz seinen Kompositbogen, dann ließ er ihn sinken und lachte.

»Sam Tyler!«, rief er dem Mann zu. »Schön, dich hier zu sehen!«

*

Sam berichtete von dem Angriff MORDORs und der tragischen Entwicklung in Cartwheel. Mitte Dezember 1296 NGZ war demnach eine gigantische Flotte über die Insel hergefallen und hatte schonungslos alle Welten angegriffen. Vielen gelang es in den ersten Tagen des Krieges noch, durch das Portal zu fliehen, doch dann besetzten die Herrscharen die einzige Verbindung zur Milchstraße. Alle Völker wehrten sich erbittert gegen den übermächtigen Gegner, doch sie hatten keine Chance.

»Bostich hat sich lange mit sämtlichen Schiffen der Arkoniden gewehrt«, schloss Tyler. »Doch als deutlich wurde, wie hoffnungslos die Lage war, floh er mit den letzten hundert Schiffen der Arkoniden aus Cartwheel. Der Marquês war den Anstrengungen des Krieges nicht mehr gewachsen und starb schon zu Beginn des Krieges. Sein Nachfolger wurde Joak Cascal, doch dieser Kotzbrocken lief schon bald zum Feind über!

Glücklicherweise fanden wir in Akonen, Überschweren und Pelewons treue Mitstreiter, aber die Übermacht war einfach zu groß. Welt um Welt ging verloren, und der Ring zog sich immer enger.

Irgendwann war dann plötzlich Ruhe. Wir vermuten, dass die Hauptmacht sich in die Milchstraße oder sonst wo hin aufgemacht hat, aber wir von FREEDOM werden nicht aufgeben, bevor wir nicht den letzten Angreifer aus Cartwheel vertrieben haben oder aber tot sind ...«

Alle schwiegen betreten angesichts dieser Ereignisse. Am schnellsten fasste sich Ben Strout.

»Welches Datum haben wir heute?«, fragte er Tyler.

Dieser blickte ihn verständnislos an. »Den 4. Juni 1298 NGZ natürlich. Sind eure Chronometer kaputt, oder was?«

»Nein, offenbar nicht«, stellte Strout nach einem Blick auf sein Armband fest, dann wandte er sich den anderen zu. »Wir befinden uns in der Gegenwart. Allerdings im Dezember 1296 gab es bei uns keine Invasion.«

»Hey, seid ihr plemplem?« Tyler fuchtelte mit dem Armen herum. »Wo kommt überhaupt dieses Schiff her? Ihr könnt doch unmöglich mit einer Space-Jet aus der Milchstraße gekommen sein ...«

»Was ist FREEDOM?«, mischte sich nun Posny ein.

»Unsere Widerstandsgruppe. Jetzt sagt, wo euer Schiff steckt. Wir können jede Hilfe gebrauchen – vor allem, wenn das Schiff noch unbeschädigt ist!«

Posny ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Wer führt diese Gruppe?«

»Shorne und Ferby Shyko, so ein komischer Musikfreak. Die beiden waren mit einem Diskoliner auf Probeflug, als der Krieg begann. Als sie dann zurück nach Mankind kamen und den eigentlichen Flug starten wollten, gab es bereits keine Passagiere mehr. Shorne hat daraufhin die Überlebenden um sich gesammelt und FREEDOM gegründet. Ferby unterstützt ihn nach Leibeskräften, während Peter de la Siniestro als Idealbesetzung für die Militärführung zuständig ist. Mir wollte man auch einen Posten anbieten, aber ich habe natürlich abgelehnt.«

»Warum?«, fragte Tania.

»Schreibtischtäter«, sagte Sam und begann zu lachen. »Ich ein Schreibtischtäter? Nein danke, ich arbeite lieber richtig. So, jetzt werde ich mal mein Schiffchen holen, ich habe schließlich außer dem Verwertbaren, das ich hier in Paxus City gefunden habe, noch ein paar neue Widerstandskämpfer abzuliefern ...«

Nachdem Sam Tyler die Space-Jet verlassen hatte, wandte sich Ben Strout an die anderen: »Irgendwas stimmt hier nicht. Die BAMBUS ist doch abgestürzt und von Dscherro angegriffen worden! Wie kann sie dann noch einen Probeflug gemacht haben?«

Tania Walerty zuckte mit den Schultern. »Vielleicht eine neue BAMBUS?«

»Nach der Katastrophe noch ein Schiff mit demselben Namen?« Ben schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir absolut nicht vorstellen.«

»Shorne war es doch, der die LONDON gebaut hatte, oder?«, warf Jennifer Taylor ein. »Danach hat er mit der LONDON II nochmal sein Glück versucht. Das würde zu ihm passen. Profit ist alles für ihn!«

»Wer ist eigentlich dieser Ferby?«, fragte Sandal Tolk, der bereits wieder mit dem Schnitzen von neuen Pfeilen beschäftigt war.

Tania überlegte. »Ich glaube mich daran zu erinnern, dass in der Werbung für die BAMBUS von einem Musiker Ferby Shyko die Rede war ...«

»Nein, das war DJ Abfallhaufen«, widersprach Jennifer. »Dieser merkwürdige Name ist mir im Gedächtnis geblieben.«

»Ihr könnt noch lange herum grübeln, Mädels«, unterbrach sie Nicola Posny, »aber es wäre erheblich einfacher, wenn wir einfach zu diesem ominösen FREEDOM-Hauptquartier fliegen!«

*

Der Anblick von Sam Tylers Space-Jet jagte sogar dem abgebrühten Sandal Tolk einen Schauder über den Rücken. Das Schiff sah aus, als sei es schon mehrfach in seine Einzelteile zerlegt worden und vermutlich war es das auch. Große Löcher klafften in der Wandung und dazwischen konnte man notdürftig angeschweißte Streben erkennen, die das Ganze zusammen hielten. Beim Start knallte die Jet mehrfach auf den Boden zurück, dann endlich erhob sich das Schiff in die Luft.

»Was ist das?«, entfuhr es Nicola.

»Ich kann wieder diese Energiemuster orten«, stellte Tania fest. »Das sind aber Emissionen, die absolut nicht zu einer normalen terranischen Space-Jet passen. Wer weiß, was die da alles eingebaut haben.«

»Soll ich es in unseren Traktorstrahl nehmen?«, bot Mick an.

In diesem Moment meldete sich Tyler über Funk. »Wie gefällt euch meine JAPAR III? Das ist eines der besten Schiffe, die wir momentan in Cartwheel haben, nahezu hundertprozentige Handarbeit.«

Die sechs in der Kommandokuppel sahen sich vielsagend an. Jeder glaube ihm das sofort. Und das warf ein sehr eindeutiges Licht auf die Lage in Cartwheel und auf die Ausstattung der FREEDOM-Widerständler.

 

FREEDOM

Auch wenn Sam Tyler es nicht offen zugab, schien er doch ganz froh zu sein, nicht mit seiner JAPAR III ins Hauptquartier der FREEDOM fliegen zu müssen.

Begeistert schaute er sich im Hangar um, in dem seine Space-Jet gelandet war. »Noch vor anderthalb Jahren hätte ich die NIMH als schwach bewaffnetes Forschungsschiff abgetan, aber jetzt ist es ein regelrechter Schatz! Was könnte man mit ein wenig Aufrüstung alles daraus machen ...«

Posny schmunzelte. »Wir haben aber auch einen Treffer ab bekommen, der uns eine Space-Jet samt Hangar gekostet hat.«

Es kostete Tyler einige Überwindung, die Koordinaten des Hauptquartiers zu verraten. Erst, als er sich ein genaues Bild von der NIMH gemacht hatte, teilte er sie mit. Er entschuldigte sich und erklärte, dass man schon viel Ärger mit Überläufern und Doppelagenten gehabt hatte, nicht zuletzt seit dem Verrat von Joak Cascal waren sie alle extrem vorsichtig geworden.

Anschließend kehrte er auf seine Space-Jet zurück, um die geborgenen Gegenstände zu untersuchen.

Kaum hatte er die Zentrale verlassen, bat Ben Strout um eine Unterredung, daher traf man sich einige Augenblicke später in einem Konferenzraum nahe der Zentrale.

»Hier stimmt etwas nicht«, kam Strout sofort zur Sache. »Tyler hat berichtet, dass MODROR im Dezember 1296 NGZ angegriffen hat. Ich hatte zuerst angenommen, dass er damit nur Seshonaar oder einige Vorposten gemeint hat, aber offenbar ist er fest davon überzeugt, dass damals ein großer Angriff begann. Wie wir alle wissen, ist das 1296 NGZ nicht passiert. Dieser Ferby Shyko ist außerdem 1296 auf Xamour gestorben.«

Alle schwiegen betreten.

Tania wechselte mit Jennifer einen vielsagenden Blick, dann wandte sie sich an Ben: »Aber wie kann das sein, dass eben dieser Ferby die Widerstandsgruppe führt und von einem Angriff die Rede ist, der gar nicht 1296 stattgefunden hat?«

Der Ezialist lächelte überlegen. »Weil wir uns in einem Paralleluniversum aufhalten!«

Nun waren wirklich alle sprachlos. Lange Minuten ging jeder seinen eigenen Gedanken nach. Man hätte in diesen Minuten das Fallen einer Nadel hören können – oder auch nicht, denn dazu waren sie viel zu sehr in ihre Grübeleien versunken.

»Aber das kann doch nicht sein!«, wagte es dann Tania zu sagen, was auch die anderen dachten.

»Die Widersprüche sind eindeutig«, widersprach Strout. »Wir haben hier Menschen, die bei uns längst tot sind, wir haben einen nicht stattgefundenen Flug der BAMBUS und – das bedeutendste – eine völlig veränderte Lage in der Galaxis.«

»Vielleicht meinte er einen anderen Ferby«, ereiferte sich Tania. »Außerdem ist MODROR uns weit überlegen, daher könnte er tatsächlich in den vergangenen Wochen, seit wir von Mankind aufgebrochen sind, die Insel so mit Krieg überzogen haben.«

»Nein«, meinte Ben nur.

»Wir werden erst einmal dieses ominöse Hauptquartier anfliegen und dann weitersehen«, gab sich Nicola Posny erstaunlich kompromissbereit. »Dann sehen wir ja sehr schnell, ob wir hier in einer anderen Dimension sind.«

»Nicht in einer anderen Dimension«, belehrte Strout sie, »sondern in einem Paralleluniversum. Dieses Universum hat dieselben Dimensionen wie unseres, jedoch eine geringfügig andere Strangeness, also einen anderen Wert für die fünfte Dimension. Allzu groß kann die Abweichung von unserem Universum nicht sein, denn schließlich scheint es hier dieselben Personen zu geben, ja auch ein von Menschen bevölkertes Cartwheel und damit auch das Inselprojekt, MODROR und DORGON ...«

Einige Sekunden starrten sich die beiden gegenseitig in die Augen. Posny verlor den Kampf.

»Wir werden sehen«, sagte sie schnippisch und verließ den Raum.

*

Das Hauptquartier von FREEDOM entpuppte sich als Asteroid, der einsam zwischen dem Außenring und dem Zentrum Cartwheels seine Bahn zog. Überall auf der Oberfläche des etwa zwanzig Kilometer durchmessenden Himmelskörpers standen – oder vielmehr lagen – Space-Jets, Korvetten und andere Kugelraumer, die Sam Tyler stolz als »Flotte« bezeichnete. Alle Schiffe machten einen ähnlichen Eindruck wie Sams JAPAR III und wirkten damit eher wie Schrotthaufen als wie Raumflugfähige Maschinen. Dazwischen befanden sich einige Gebäude, die offenbar trotz ihres Zustandes mit Luft gefüllt waren, denn man konnte viele Verbindungskorridore zwischen ihnen ausmachen.

Per Funk hatte Sam Tyler sie bereits angekündigt, sodass sie alle euphorisch empfangen wurden. Die Soldaten waren in einer langen Reihe angetreten, während die Zivilbevölkerung begeistert winkte.

Sam Tyler führte die wichtigsten Besatzungsmitglieder der NIMH persönlich an den Soldaten vorbei zu einer Gruppe, die etwas abseits stand.

»Darf ich vorstellen?«, fragte er höflich, als sie angekommen waren. »Das sind Ferby Shyko, Michael Shorne und Peter de la Siniestro, die offiziellen Anführer von FREEDOM, direkt daneben stehen meine Frau Stephanie und Anica, unsere Logistikerin.«

Danach stellten die Besatzungsmitglieder der NIMH sich vor.

»Wir freuen uns, Besuch aus der Heimat zu bekommen«, sagte Shorne. »Leider sind wir durch den Krieg völlig von der Versorgung abgeschnitten und haben Mühe, auch nur das Nötigste zu beschaffen.«

»Ihr habt sicherlich unsere Schiffe gesehen«, fuhr Peter fort. »Es ist ein Jammer. Mir tun all die Leid, die damit fliegen müssen.«

Währenddessen war Sam zu seiner Frau gelaufen und küsste sie leidenschaftlich.

»Ihr entschuldigt uns doch sicherlich?«, fragte Sam. »Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen ...«

Stephanie winkte noch einmal schüchtern zum Abschied, dann verschwand das Ehepaar.

»Sie ist sozusagen meine Schwester«, erklärte Peter de la Siniestro stolz, als die anderen ihnen hinterher blickten. »Ursprünglich hatte ich noch einen Bruder und eine Schwester, aber sie kamen schon bei den ersten Angriffen ums Leben.«

»Euer Schiff weist Schäden auf«, meinte Shorne dann, nachdem er die NIMH ausgiebig gemustert hatte. »Vielleicht haben wir noch etwas, um das zu reparieren.«

Nicola Posny hob abwehrend die Arme. »Nein, nein. Im Vergleich zu eurer Flotte ist unser Schiff noch wunderbar in Ordnung.«

Shorne winkte ab. »Euer Schicksal ist unser Schicksal, und wenn wir euch irgendwie helfen können, dann werden wir es tun. Das gebietet schon alleine die Gastfreundschaft. Anica, was haben wir?«

»Mit unseren Schürfschiffen bauen wir etwa 1000 Tonnen Eisenerz pro Tag ab, nach der Verhüttung und Veredelung sollten ...« Die kleine Zechonin überlegte kurz. »... genau 345 Tonnen auf Lager sein.«

»Momentan haben wir leider nur Stahl zur Verfügung«, erklärte Shorne fast entschuldigend. »Aber das sollte reichen, um zumindest das Loch im Rumpf wieder zu schließen.«

Ferby klatschte in die Hände. »Ich bin mir sicher, dass unsere Gäste sich erst einmal etwas erholen wollen.«

Die Leute von FREEDOM bauten ein überwältigendes Mahl auf. Trotz oder gerade wegen ihrer miserablen Lage genossen sie die Aufheiterung, die der Besuch der NIMH mit sich brachte und organisierten spontan eine Feier. DJ Abfallhaufen legte einige seiner beliebtesten Schlagerplatten auf und die Mitglieder der FREEDOM-Gruppe und der NIMH tanzten vergnügt.

Doch nicht allen war nach Körperbewegung zumute. Nicola Posny saß am Rand des Saales und musterte die Tanzenden mit grimmigem Gesichtsausdruck, während Sandal Tolk einen Gegner zum Armdrücken ausgemacht hatte und unter lautem Zuruf der Zuschauer gegen ihn antrat.

Mick Shumh hatte ein deutliches Auge auf Stephanie de la Siniestro geworfen. Als diese das bemerkte, drehte sie sich brüskiert um und gab Sam Tyler einen Kuss, um klar zu machen, mit wem sie liiert war.

Tania Walerty hatte sich unterdessen Peter ausgeguckt. Zwar passten die Pocken und Narben in seinem Gesicht nicht gerade zu ihrem Schönheitsideal, aber er schien auch recht isoliert von den anderen zu leben und eigenbrötlerisch zu sein. Außerdem war er der Anführer der Armee und brauchte sich von niemanden etwas sagen zu lassen.

Als der Saal gerade »Die Karawane zieht weiter, der Sultan hat Durst« grölte und passend dazu mit den Armen ruderte, setzte sie sich mit ihrem Bier neben ihn und tat, als hätte sie ihn erst jetzt bemerkt.

»Ach, Peter de la Siniestro«, tat sie überrascht. »Wie war dein Dienstgrad noch einmal?«

Peter winkte ab. »Was sind schon Dienstgrade? Ich habe sie in unserer Armee abgeschafft, aber gemessen an historischen Vorbildern müsste ich ein Oberst sein.«

»Du hast eine bezaubernde Schwester«, gab Tania zu. »Aber auch du bist nicht ganz ohne.«

Peter blickte peinlich berührt auf die Tischplatte. Nachdenklich rührte er seinen Kaffee um, dann seufzte er. »Es gibt da etwas, was ich dir sagen muss ...«

Tania schluckte. »Ah, ich verstehe, du hast schon eine Freundin.«

Peter schüttelte den Kopf. »Nein, nein.«

»Einen Freund?«

»Nein, auch das nicht, es ist nur so, ich ... wir ... Also, Stephanie und ich ...« Er stockte.

»Was ist mit euch?«, hakte Tania nach und rückte etwas näher an ihn heran, sodass sie ihn berührte. »Du kannst es mir ruhig sagen.«

»Wir sind Klone.«

Tania wich erschreckt zurück, dabei warf sie ihr Glas um. Der Inhalt ergoss sich über den Tisch. Einige Gäste flüchteten wütend vom Tisch.

Peter schniefte. »Siehst du? So geht es allen. Aurec hat uns in einer illegalen Genfabrik aus den Genen des Marquês produziert und dann unserem Vater geschenkt, um ihn zu erpressen. Vater gestand dies der Öffentlichkeit und Aurec wurde inhaftiert, konnte aber später durch Joak Cascal befreit werden. Jetzt sind beide Söhne des Chaos.«

»Aber Sam und Stephanie ...?«

Peter blickte zu ihnen herüber. »Die beiden sind schon seit Jahren ein Paar, absolut unzertrennlich. Auch, als die Geschichte öffentlich wurde, konnte sie das nicht voneinander trennen, obwohl wir alle sehr schockiert waren ...«

Tania rückte wieder näher und legte ihren Arm um Peters Schultern. »Das macht mir aber gar nichts, solange man dir nicht da unten was weg geklont hat«, erklärte sie grinsend.

Peter grinste. »Bitte um Erlaubnis, auf die Stube wegtreten zu dürfen.«

»Erlaubnis erteilt, aber ich werde einen Stubendurchgang durchführen.«

Lachend verschwanden die beiden aus der Halle.

Am Nachbartisch lehnte sich Ben Strout wieder nach vorne und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. Er hatte das Gespräch zwischen Peter und Tania von beiden unbemerkt verfolgt. Er erhob sich, ging einige Tanzbewegungen vortäuschend durch die Halle und ließ sich neben Nicola Posny wieder nieder.

»Die Kinder des Marquês sind Klone«, teilte er der Kommandantin seine Neuigkeiten mit.

Diese blickte ihn erstaunt an. »Wirklich?«

»Aurec hat sie in seiner Genfabrik erschaffen. Deswegen wurde er inhaftiert und später von Joak Cascal befreit. Nun sind beide Söhne des Chaos.« Er verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. »Brauchst du noch weitere Beweise, dass dies nicht unsere Welt ist?«

Nicola sog nachdenklich am Strohhalm ihres Cocktails mit dem Eigennamen Saedelaeres Sunset. »Aurec als Sohn des Chaos? Das würde unserer Mission eine ganz neue Bedeutung geben.«

Ben seufzte resigniert, dann stand er auf. »Keine Sorge, ich werde dir noch die Beweise liefern.«

 

Der SONNENHAMMER

Als Tania erwachte, drang ein beißender Geruch in ihre Nase. Entsetzt stellte sie fest, dass eine furchtbar stinkende Socke Peters auf ihrem Gesicht lag. Angeekelt schleuderte sie sie von sich. Durch diese Aktion hellwach geworden, setzte sie sich auf und schaute sich um.

Peters »Stube« glich einen Müllhaufen. Der Militärführer der FREEDOM schien noch nie etwas von Ordnung gehört zu haben. Schränke besaß er nicht, so stapelte sich sein ganzer Besitz auf dem Boden. Links neben der Tür türmte sich die schmutzige Wäsche bis etwa auf Höhe der Klinke, während auf der anderen Seite alte Folienausdrücke und Akten einen ähnlich hohen Stapel bildeten. Zwischen dem Aktenstapel und der Kissen- und Deckenwüste, die Peter Bett nannte, befand sich ein Syntronterminal, das über und über mit leeren Flaschen übersät war. Da eine horizontale Verbindungsstrebe über dem Bett an der Wand entlang lief, hatte sie Peter ebenfalls als Aufbewahrungsort für alte Flaschen genutzt. Tania schätzte, dass es sicherlich über hundert Flaschen waren.

Sie war mit ihrem visuellen Rundgang jetzt neben sich im Bett gelandet. Zwischen den Kissen konnte sie einen hellblonden Haarschopf ausmachen. Von dort erklang auch ein dumpfes Schnarchen unter der Bettdecke hervor.

»Servo, wie spät ist es?«

Eine blecherne Stimme antwortete: »9:58 Uhr.«

»Hey, Peter. Es ist fast zehn Uhr. Willst du dich nicht mal um deine Soldaten kümmern?«

Als sie keine Reaktion vernahm, wiederholte sie ihren Satz etwas lauter. Jetzt antwortete ihr ein lustloses Brummen und Peter wickelte sich tiefer in seine Decke.

Tania zog sie ihm weg. »Peter!«

Dieser reagierte überhaupt nicht auf seine Entblößung, stattdessen vernahm Tania wieder das Schnarchen.

Hilflos blickte sie sich um, dabei entdeckte sie wieder die Socke. Böse grinsend stand sie auf und griff mit zwei Fingerspitzen nach dem Ungemach. Na warte ...

Ehe sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnte, dröhnte eine Sirene durch den Raum. Vor Schreck ließ Tania die Socke fallen.

Peter war sofort hellwach. Wie eine Kerze stand er in seinem Bett.

»Peter ...«, begann Tania.

»Sch!«, brachte sie Peter zum Verstummen.

Tatsächlich erklang die Stimme von Michael Shorne über den Lautsprecher. Tania brauchte einige Sekunden, bevor sie die blechern verzerrte Stimme erkannte.

»Unsere Spähschiffe konnten ein gigantisches Raumschiff entdecken, dass sich auf dem Weg nach Cartwheel befindet. Es hat die Form einer lang gezogenen Doppelpyramide. Seine Länge beträgt ...« Man konnte deutlich ein Schnauben vernehmen. »Seine Länge beträgt 10.000 Kilometer. Ich wiederhole: 10.000 Kilometer! Möge Gott uns beistehen ...«

»Ich muss zu meinen Soldaten«, stieß Peter hervor und rannte zu Tür.

»Peter!«, rief Tania energisch, als dieser bereits die Hand auf dem Sensor liegen hatte.

»Was?«, rief er ärgerlich zurück.

»Vielleicht solltest du dir erst einmal was anziehen«, meinte sie grinsend. Jedoch verging ihr das Grinsen recht schnell, als Peter genau zu der stinkenden Socke griff und diese hastig über den Fuß zog. Anschließend wühlte er einen Feldanzug aus seinem Kleiderberg und verschwand aus der Tür, während er sich noch das Oberteil über den Kopf zog.

»Brrr«, machte Tania angeekelt und zog sich die Decke bis zur Nase hoch, nur um sie direkt wieder fallen zu lassen, denn auch dieser haftete der beißende Geruch – wenn auch viel schwächer – an.

Sie zog sich an, flüchtete aus der Stube und suchte auf schnellstem Weg die nächste Hygienekabine auf. Erst nach einer ausgiebigen Dusche fiel ihr wieder der Alarm ein. Eilig machte sie sich auf den Weg zur NIMH.

Als sie dort eintraf, fand gerade eine Holokonferenz zwischen Posny, Strout, Shorne, Ferby, Tyler und überraschenderweise Peter statt.

»Das Schiff wird von einer Flotte von Tausenden von MORDORs Wächterschiffen begleitet«, sagte Shorne gerade. Sein Holo-Bild blickte besorgt in die Kommandozentrale der NIMH.

»Ich werde sofort mit meiner Flotte starten«, erklärte Peter. »Wir werden den Gegner erst mal aus sicherer Entfernung beobachten.«

»Ich komme auch mit«, sagte Ferby.

Die beiden Holos lösten sich auf.

Posny fixierte Michael Shornes Holo-Bild. »Unser Schiff ist nur schwach bewaffnet und wird außerdem gerade überholt. Aber wenn wir uns sonst irgendwie beteiligen können ...«

»Ich kann nicht verantworten, Zivilisten in Gefahr zu bringen«, erläuterte Shorne. »Auch wenn wir bei FREEDOM nicht allzu viele sind, trennen wir Leute mit Kampferfahrung strikt von denen ohne Kampferfahrung. Wenn ihr aber unbedingt wollt, kann ich euch das nicht verbieten.«

Posny schaute sich in der Zentrale um. »Wir wollen«, sprach sie einfach für die Besatzung.

Tania schluckte. »Nein, wollen wir nicht«, widersetzte sie sich.

Nicola funkelte sie wütend an. »Sonst noch Memmen hier?«

Niemand meldete sich.

Die Kommandantin wandte sich wieder Shorne zu. »Also, alle außer unserer zarten Frau Walerty werden sich beteiligen.«

Dieser nickte. »Ihr könnt gerne auf jedes beliebige Schiff wechseln. Falls ihr ein eigenes Schiff wollt ...«

»Wollen wir!«, fuhr Posny dazwischen.

»... dann könnt ihr auch dieses bekommen.«

Nicola winkte in Richtung Ausgang. »Ihr habt das gehört. Los mit euch! Walerty, du passt hier aufs Schiff auf!«

Nachdem alle weg waren, ließ sich Tania im Kommandantensitz nieder. Sie legte ihre Füße auf die Konsole und lehnte sich zurück. Eine Weile lauschte sie in die Stille der verlassenen Zentrale hinein, dann fing sie an, nervös mit den Fingern auf den Armlehnen zu trippeln. Schließlich hieb sie auf die Kontaktfläche des Interkoms.

»Jennifer? Bist du auch noch hier?«, sendete sie durch das komplette Schiff.

Es kam keine Antwort. Tania begann schon fast, ihre Weigerung zu bedauern, da erklang eine fremde Stimme im Interkom:

»Hallo?«

»Wer ist da?«, fragte sie zurück.

»Juff Ikudolf«, stellte der Unbekannte sich vor. »Ich ... ich bin Ersatzaushilfe für die Bordreinigung.«

Tania glaube, sich verhört zu haben. »Ersatzaushilfe? Bordreinigung? Wir haben doch Putzroboter.«

»Ja ... ich ... äh ... Ich wurde von der Kommandantin zwangsversetzt.«

Oh, ein geteiltes Schicksal, freute Tania sich und sagte: »Komm doch einfach in die Zentrale. Solange niemand sonst da ist, befördere ich dich zu meinem Ersten Offizier.«

*

Einige Tage vergingen. Die Arbeiten an der NIMH schritten voran, aber das bekamen nur Tania Walerty und Juff Ikudolf mit, dessen markanteste Kennzeichen ein wirrer Haarschopf und seine unglaubliche Tollpatschigkeit waren. Der Rest der Besatzung war immer noch im Einsatz. Immer wieder erreichten Meldungen das Hauptquartier, in denen von dem gigantischen Raumschiff die Rede war. Der Gegner schien irgendetwas mit dem Objekt vor zu haben, jedoch konnte niemand von der FREEDOM erkennen, was.

Dann erreichte eine völlig unerwartete Nachricht den Asteroiden.

»Wir konnten eines von MODRORs Schiffen kapern«, teilte Sam Tyler angesichts dieser Neuigkeiten fast zu schlicht mit. »Und wir haben einen Gefangenen.«

In dem Holo tauchte das Bild des Gefangenen auf. Tania hielt schockiert den Atem an, als sie das lebende Skelett betrachtete. Deutlich konnte man die Knochen erkennen, zwischen denen sich eine lederartige graue Haut spannte. Der Kopf war ein Totenschädel, in dessen Augenhöhlen kleine, kalte Augen in die Aufnahmeoptik starrten.

Sie erinnerte sich daran, dass im Zuge der BAMBUS-Berichterstattung auch von solchen Skelettkriegern die Rede gewesen war.

»Syntron, ist irgendetwas über diese Wesen gespeichert?«

»Diese unbekannten Wesen, die wir Skelettkrieger genannt haben, wurden erstmalig bei den Kämpfen auf der Welt Xamour nach dem Absturz der BAMBUS gesehen. Es konnte eine Leiche geborgen werden, bei dessen Untersuchung Timo Zoltan dann feststellte, dass das Außenskelett künstlich ist, jedoch regelrecht mit dem Lebewesen verschmolzen ist, so dass wir von einer biomechanischer Existenz sprechen müssen.

Aus Berichten von Gal’Arn ist bekannt geworden, dass diese Skelettsoldaten ebenfalls an der Vernichtung des Ritterordens von Shagor beteiligt waren.

Weitere Kenntnisse konnten bisher nicht erworben werden; es ist lediglich klar, dass diese Kämpfer auf Seiten MORDORs streiten.«

Shorne meldete sich. »Ich berufe umgehend eine Konferenz ein.«

 

Skrarok

Man traf sich in einem geräumigen Konferenzraum, der für die Verhältnisse des FREEDOM-Hauptquartiers erstaunlich übersichtlich und komfortabel wirkte.

Die Führungsmitglieder der Widerstandsgruppe und die wichtigsten Besatzungsmitglieder der NIMH nahmen Platz, während ihnen gegenüber in einem Hologramm lebensgroß der Skelettkrieger aus dem Gefängnis eingeblendet wurde. Die Kreatur war mit Prallfeldern auf einem Sitz fixiert, trotzdem blickte das Wesen ruhig nach vorn, vermutlich auch deshalb, weil sein starrer Totenschädel keine Mimik zuließ.

»Wir haben ihn auf den Hinflug schon verhört«, erklärte Sam Tyler. »Er nennt sich Skrarok und kündigt nicht weniger als das Ende Cartwheels an.«

Alle schwiegen betreten.

»Was weiß er über das gigantische Schiff?«, fragte schließlich Ferby.

»Ich kenne dieses Objekt«, rief Ben Strout dazwischen. »Das ist der SONNENHAMMER, eine gigantische Kriegsmaschine MODRORs, die schon eine ganze Galaxis, nämlich Aurecs Heimat Saggittor, vernichtet hat.«

»Aurec, dieser Verräter!«, rief Anica erbost. »Geschieht ihm und seinem verfluchten Volk nur recht!«

»Anica!«, stoppte Michael Shorne die Logistikerin, bevor sie mit ihren Hasstiraden fortfahren konnte. »Wir wollen nicht ein ganzes Volk für die Handlungen eines einzelnen verantwortlich machen.«

Ben Strout blickte zu Nicola Posny herüber. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Die Kommandantin hob die Hand und tippte mit ihren Finger unbemerkt von den anderen ein paar Mal auf ihre Schläfe.

Ben tat, als hätte er nichts gesehen.

»Ich möchte mit dem Gefangenen reden«, teilte er den anderen mit.

Shorne drückte einen Kopf auf seinem Tisch und wies dann mit der Hand auf das Holo.

»Skrarok«, wandte sich der Ezialist an den Skelettkrieger.

Dieser hob den Kopf und öffnete seinen Mund einen Spalt weit.

»Handelt es sich hierbei um dasselbe Universum, in dem auch Saggittor durch den SONNENHAMMER vernichtet wurde?«, wollte Strout wissen.

Skrarok lachte. »Sieh an, unsere Besucher sind angekommen. Nein, natürlich nicht!«

»Ist der MODROR dieses Universums derselbe wie in unserem?«

Skrarok lachte erneut. Gemurmel kam im Raum auf, nicht zuletzt wegen Strouts ungewöhnlichen Fragen; mehr aber noch wegen der Antworten.

»Es gibt nur einen MODROR«, erklärte der Skelettkrieger. »Und er wird dieses und alle anderen Universen erobern.«

Anica schaltete am schnellsten. »Ihr stammt aus einem Paralleluniversum? Jetzt wird mir einiges klar.«

Ben nickte. »Ihr versteht sicherlich, dass dies nun unsere Prioritäten etwas ändert. Wir müssen jetzt einen Weg finden, wieder nach Hause zu kommen ...«

Er zeigte auf Skrarok und legte einen Finger vor den Mund. Shorne verstand und trennte die Verbindung.

»Aurec ist in unserem Universum auf der guten Seite und konnte mit einem Bruchteil seines Volkes fliehen«, erklärte Ben anschließend. »Der Rest kam dabei um oder wurde von DORGON aufgenommen. Der SONNENHAMMER drang in eine Sonne ein und ließ diese auf eine Weise, die wir bisher nicht entschlüsseln konnten, explodieren. Danach setzte sich dieser Vorgang in der gesamten Sterneninsel fort. Kein Sonnensystem wurde verschont, alle Lebewesen kamen ums Leben. Irgendwie muss MODROR jetzt seine Waffe in dieses Universum geschafft haben und wir müssen davon ausgehen, dass dieser Galaxis nun dasselbe Schicksal blüht.«

Alle schwiegen betreten. Man konnte einige teils extrem schockierte, teilweise auch verzweifelte Gesichter erkennen.

»In diesem Paralleluniversum, aus dem ihr kommt«, versuchte Anica die Stille zu durchbrechen und die Stimmung zu heben, »gibt es da auch eine Anica?«

Posny nickte.

»Und wie ist sie so?«

»Das willst du gar nicht wissen.«

Einige der Besatzungsmitglieder der NIMH, die ebenfalls in der Klatschpresse von Anica gehört hatten, grinsten.

Tania beobachtete währenddessen Peter.

Wie wird dieser wohl bei uns sein?, fragte sie sich.

In diesem Moment bemerkte Peter den Blick und winkte zurück.

Eigentlich ist er ja ganz süß, aber seine Körperpflege ... Ob er immer noch die Socke trägt? Hoffentlich ist unser Peter nicht so.

Sie nahm sich vor, Peter kennen zu lernen, sobald sie wieder zu Hause waren.

Wieder grübelten alle herum.

»Wie viel Zeit bleibt uns?«, fragte Michael Shorne schließlich.

Strout hob ratlos die Hände. »Ich kenne die Geschehnisse auch nur von Hörensagen, wie wir alle hier, aber ich denke, dass es sicherlich einige Wochen gedauert hat.«

»Gut«, meinte Ferby. »Dann haben wir ja noch etwas Zeit, euch hier raus zu bringen. Wir anderen werden sicherlich hier bleiben und irgendwie versuchen, den Einsatz des SONNENHAMMERs zu verhindern, oder?«

Er blickte sich auffordernd um und alle FREEDOM-Mitglieder nickten.

»Aber ...«, machte Tania.

Ferby winkte ab. »Denkt daran, für euch sind wir nur Wesen aus einer Parallelwelt. Denkt nicht über unser Schicksal nach.«

»Wir sind durch ein geöffnetes Sternenportal in dieses Universum gekommen«, mischte sich nun wieder Ben Strout ein. »Das Portal wird allerdings von einer großen Flotte bewacht.« Er ruderte hilflos mit den Armen. »Irgendwie müssen wir da durch!«

Sam Tyler blickte seine Mitstreiter an. »Wir werden uns etwas einfallen lassen. Jetzt schließen wir aber erst mal die Reparatur der NIMH ab und versuchen währenddessen, irgendwie den SONNENHAMMER aufzuhalten.«

Die Mitglieder der Widerstandsgruppe stürzten sich regelrecht in die Arbeit. Unterstützt von der Besatzung, schritten die Reparaturarbeiten schnell voran.

Gleichzeitig flogen Sam Tyler, Peter de la Siniestro und alle anderen Soldaten der FREEDOM einen Angriff nach dem anderen auf den SONNENHAMMER. Doch genauso gut hätte auch eine Ameise einen Wal angreifen können, denn absolut nichts passierte. Die Krieger MODRORs machten sich nicht einmal die Mühe, überhaupt auf diese Angriffe zu reagieren und überließen die Abwehr ganz ihren Schutzschirmen, die alle Angriffsenergien aufsogen.

»Es ist hoffnungslos«, klagte Peter schließlich. »Ich habe schon ein paar meiner Soldaten verloren, als sie durch Durchschlagen oder Überhitzung von Aggregaten starben. Einer hat sich sogar samt seinem Schiff in den SONNENHAMMER gestürzt. Alles ohne Erfolg. Der Gegner ignoriert uns einfach!«

»Wie sieht es am Sternenportal aus?«, erkundigte sich Ferby.

»Das exakte Gegenteil. Wir brauchen uns nur da blicken zu lassen, dann werden wir sofort unter Feuer genommen.«

Sam runzelte besorgt die Stirn und sagte düster: »Dann können wir nur eines tun ...«

Shorne, Ferby und Peter nickten betreten.

»Der SONNENHAMMER nähert sich immer weiter einer Sonne im ehemaligen Arkonidensektor«, erläuterte Peter. »Wenn er sein Tempo beibehält, wird er wohl noch heute in sie eindringen.«

Ferby stand auf. »Na, dann los!«

Nicola räusperte sich. »Was habt ihr vor?«

»Das werdet ihr noch sehen. Geht jetzt auf euer Schiff!«

 

Flucht aus Cartwheel

Tania schlenderte recht langsam zur NIMH zurück. Sie war sich unschlüssig, ob sie sich nun von Peter verabschieden, oder still und heimlich verschwinden wollte.

Einerseits war er ihr sehr sympathisch, da er sich ebenso rebellisch gegen die Regeln auflehnte, andererseits waren der Zustand seines Zimmers und die Geschichte mit der Socke nicht gerade aufmunternd, noch einmal eine Nacht mit ihm zu verbringen.

Seufzend entschloss sie sich, lieber auf Peter de la Siniestro in ihrem Universum zu hoffen.

In diesem Universum wurden die Kinder des Marquês geklont, sagte sie sich, während sie bei uns verschollene Verwandte de la Siniestros sind. Wahrscheinlich ist bei dem Klonen von Peter irgendetwas schief gegangen, daher wird ein »natürlicher« Peter wohl auch umgänglicher sein.

Entschlossen und vergnügt betrat sie den Hangar und blieb erschreckt stehen, da gerade eine Traube von Soldaten jemanden an Bord der NIMH brachte, angeführt ausgerechnet von Peter.

Tania Walerty huschte hinter eine Kiste. Vorsichtig schaute sie um die Ecke und fuhr überrascht zurück, als sie erkannte, wen sie an Bord brachten.

Skrarok!, dachte sie. Was sollen wir denn mit dem Skelettkrieger?

Als der Gefangene mit seinen Bewachern an Bord verschwunden war, lief sie schnell hinterher. Gerade noch rechtzeitig konnte sie im zentralen Antigravschacht auf ein Deck flüchten, als ihr von oben Peter entgegen kam.

Aus sicherer Deckung beobachtete sie, wie Peter am Deck vorbei schwebte. Sein Gesicht drückte eine gewisse Traurigkeit aus, die auch Tania in sich spürte.

Es tut mir Leid, dachte Tania. Aber es ist besser so. Wir passen doch gar nicht zusammen, da wir aus verschiedenen Welten stammen...

»Syntron, ich möchte eine Verbindung zu ...« Sie stockte. Eigentlich wollte sie die Kommandantin wegen des Gefangenen fragen, aber dann überlegte sie es sich doch anders. »... Jennifer Taylor.«

»Verstanden«, gab das allgegenwärtige Bordgehirn der NIMH zurück.

Einen Augenblick später tauchte der Kopf der Bordärztin vor ihr auf.

»Hallo, Jennifer«, begrüßte sie ihre Freundin. »Weißt du, warum wir Skrarok an Bord bekommen haben?«

Jennifer nickte. »Posny wollte es so. Sie konnte Shorne davon überzeugen, dass der Skelettkrieger für uns wertvoller ist als für die Leute hier.«

Tania kräuselte die Stirn. »Gut, danke.«

Sie unterbrach die Verbindung und wandte sie wieder dem Zentralschacht zu. In diesem Moment erklang die Stimme der Kommandantin überall im Schiff:

»Tania Walerty sofort in die Zentrale! Auf, auf!«

»Ja«, rief die Angesprochene erbost. »Ich bin ja schon unterwegs!«

Die Flotte der FREEDOM sammelte sich in einigen Lichtjahren Entfernung von dem Sternenportal. Die NIMH war mitten unter ihnen.

»Wir werden sie ablenken«, erklärte Peter den Plan. »Wir hoffen, dass sie uns folgen werden. Währenddessen müsst ihr genau von der anderen Seite das Portal anfliegen und versuchen durchzubrechen.«

»Und ihr glaubt, das funktioniert?«, erkundigte sich Nicola Posny skeptisch.

Peter saugte an seiner Lippe. »Nein«, gab er ehrlich zu. »Aber das ist unsere einzige Chance. Unser Syntronverbund hat eine Erfolgschance von fast zwanzig Prozent ermittelt. Damit ist das der erfolgversprechendste Plan.«

Die Zentralbesatzung stieß angespannt die Luft aus.

Zwanzig Prozent!, hämmerte es durch Tanias Gehirn. Wenn wir fünf Versuche hätten, würden wir es nur ein Mal schaffen. Aber wir haben nur einen Versuch...

»Wie sind eure Chancen?«, wollte Posny wissen.

Peter winkte ab.

»Das willst du gar nicht wissen«, zitierte er die Kommandantin und versuchte zu lächeln, was ihm aber misslang.

Plötzlich schaute er zur Seite, als würde ihm jemand etwas zurufen. Dann wurde er bleich.

»Es beginnt!«, rief er heiser. »Die Sonne, in die der SONNENHAMMER eingedrungen ist, ist soeben explodiert. Die Sonnen in der Umgebung zeigen ebenfalls Anzeichen einer Supernova ... Los!«

Tatsächlich zeigten auch die Orter der NIMH eine stetig steigende Hyperenergiekurve in der Galaxis an.

Peters Schiff überspielte der NIMH die genauen Einsatzkoordinaten.

»Viel Glück!«, rief er noch über Funk. »Besonders dir, Tania.«

»Dir auch«, flüsterte die Angesprochene, aber Peter de la Siniestro hatte schon abgeschaltet.

Nicola Posny klatschte in die Hände. »Auf, auf, auf! Alle Mann auf die Plätze, jetzt wird es ernst!«

Tania drehte ihren Sitz in Richtung der Konsolen und legte ihre Sicherheitsgurte um. In solchen Augenblicken traute sie auch den Andruckabsorbern der NIMH nicht. Einen SERUN trug sie ohnehin schon seit einigen Stunden – wie alle an Bord.

Die NIMH drang in den Hyperraum ein, um in einer langen Kurve relativ zur Lage der FREEDOM-Flotte »hinter« das Portal zu fliegen. Angespannt starrte Tania auf die Ortungsanzeigen, doch dort war nichts zu erkennen.

Nach Sekunden fiel die NIMH in den Leerraum zurück.

»Wir müssen hier warten, bis Siniestro das Signal gibt«, erklärte Posny der Zentalbesatzung.

Doch die Vorbereitungen liefen. Das Codesignal an das Sternenportal war eingespeichert. Tania Walerty musste nur noch auf den Knopf drücken. Das Signal entsprach zwei Nachrichten, die Strout entwickelt hatte. Offenbar war das Sternenportal in Seshonaar bereits auf das Cartwheel im Paralleluniversum eingespeichert. Strout versuchte nun die Koordinaten und den Strangeness-Wert an das Portal zu übermitteln, in der Hoffnung, sie würden dann wieder im Normaluniversum landen.

Tania erwischte sich dabei, wie sie ihm unbewusst die Daumen drückte. Schnell öffnete sie ihre Hand wieder.

Ihr Blick fiel auf das Ortungsholo, dann stieß sie einen erschreckten Schrei aus. Der Weltraum in Richtung zu Cartwheels Zentrum begann, sich rötlich zu verfärben.

Die anderen sahen es jetzt auch, weil Tania das Bild auf den Panoramaschirm legte.

»Wie kann das sein?«, fragte Tania verwirrt. »Die Zerstörung kann sich doch nur mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnen, das Licht selbst ohnehin. Wie können wir da schon etwas sehen?«

»Es muss sich mit millionenfacher Lichtgeschwindigkeit ausbreiten«, grübelte Ben Strout. »Sogar das Licht der Supernova. Das heißt, dass die Galaxis schon in wenigen Stunden vernichtet ist. Ungeheuerlich ...!«

»Also haben unsere Freunde von der FREEDOM keine Überlebenschance«, prognostizierte Tania. »Sie müssen es von Anfang an gewusst haben und haben uns deshalb auch Skrarok mitgegeben ... Das Signal!«

Walerty drückte die Taste für die Nachricht an die Stationen des Sternenportals.

Mick Shumh reagierte sofort. Die NIMH beschleunigte an der Grenze ihrer Belastbarkeit und ging nach wenigen Momenten in den Hyperraum.

Absolute Stille herrschte an Bord der NIMH, alle starrten besorgt auf den Panoramaschirm, auf dem jeden Moment das Sternenportal auftauchen musste.

Der Pilot Mick Shumh hielt eisern die Steuerknüppel der NIMH umschlossen. Schweiß stand auf seiner Stirn, denn er war sich bewusst, dass nun von ihm alles abhängen würde.

Dann war es soweit. Die NIMH schien im Vorhof der Hölle heraus zu kommen, denn sie landete inmitten eines rot glühenden Weltalls. Auf dem hellroten Hintergrund stachen grellweiß glühend die Supernovae hervor.

Niemand wunderte sich mehr über diese physikalische Unmöglichkeit, eher erfüllte es die Besatzung der NIMH mit Grauen, denn schließlich war es nicht irgendeine Galaxis, sondern Cartwheel, das hier vernichtet wurde. Zwar die Insel eines Paralleluniversums, doch vom Aussehen her absolut identisch.

Shumh steuerte mit Maximalgeschwindigkeit auf das Portal zu, das sich vor dem roten Hintergrund als schwarzes Trapez hervorhob. Dann tauchten auch die ersten Wächterschiffe als dunkle, sehr schnell anwachsende Punkte auf.

Tatsächlich befanden sich die Schiffe hinter dem Portal. Ab und zu konnten die Orter der NIMH Energieschüsse abmessen.

»Das Ablenkungsmanöver ist gelungen«, rief Tania glücklich.

»Abwarten!«, sagte Nicola nur. Die Kommandantin saß wie eine eiserne Lady in ihrem Sitz und wirkte von ihrer Umgebung absolut unbeeindruckt.

Und sie schien recht zu behalten, denn einige Schiffe drehten bei und näherten sich der NIMH.

Tania stieß einen Fluch aus.

»Transformbomben!«, befahl Posny.

Alle starrten auf den Panoramaschirm und hofften, ein explodierendes Schiff zu sehen, doch die Schüsse trafen nur die Schutzschirme der MODROR-Schiffe.

Jetzt eröffneten diese ihrerseits das Feuer. Das Bild auf dem Schirm verwandelte sich übergangslos in ein weißes Inferno. Der Syntron reagierte und schaltete den Schirm ab, bevor er die Besatzung blenden konnte. Das Forschungsschiff begann, wie eine Glocke zu dröhnen.

»Schirmbelastung bei 200 Prozent!«, schrie Tania durch den Lärm. »Das halten wir nur wenige Sekunden aus.«

»Alle Energie auf die Schirme und den Metagrav!«, rief Posny.

Schlagartig wurde es in der Zentrale dunkel und alle Gegenstände aus Formenergie verschwanden. Nur die absolut notwendigsten Anzeigen blieben aktiviert. Auch der Andruckabsorber wurde gedrosselt; mehrere Gravos drückten die Besatzungsmitglieder in die Sitze.

»Gleich ...«, rief Shumh gedehnt.

Ein neuer Treffer erreichte die NIMH. Einige Geräte wurden aus der Verankerung gerissen und rasten durch die Zentrale. Nur die IV-Schirme der SERUNs verhinderten eine Tragödie.

»Schirme bei fünfhundert Prozent!«, rief Tania. »Sie flackern und brechen zusammen!«

»Ich bin durch«, rief Mick noch, dann explodierte die Wirklichkeit.

 

Barym

Tania kam mit dröhnenden Kopfschmerzen zu sich. Sie stieß ein Gurgeln aus und versuchte, die Augen zu öffnen, doch der Schmerz war unerträglich.

»Bin ich tot?«, fragte sie.

»Nein«, antwortete ihr Pikosyn. »Ich habe dir ein Aufbaupräparat verabreicht, daher bist du wieder zu Bewusstsein gekommen.«

Tania stöhnte angesichts der Kopfschmerzen, dann vernahm sie ein Zischen.

»Ein Schmerzmittel«, teile ihr der Pikosyn des SERUNs mit.

Allmählich ließen die Schmerzen nach und Tania erinnerte sich, was zuletzt passiert war.

»Das Sternenportal! Der SONNENHAMMER!«, rief sie und zwang sich, die Augen zu öffnen und offen zu halten.

Ihr Blick fiel auf das Ortungsholo vor ihr. Darin waren keine feindlichen Schiffe zu erkennen; die optische Anzeige zeigte einen völlig normalen schwarzen Weltraum.

Tania drehte ihren Sitz in Richtung der Zentrale. Dort kamen auch gerade die anderen Kollegen wieder zu Bewusstsein. Einige waren wohl schon länger wieder bei Sinnen, so auch Sandal Tolk, der den ungeliebten SERUN längst wieder ausgezogen hatte und sich um einige zu Boden gefallene Kameraden kümmerte.

Nicola Posny öffnete ihren Helm und rieb mit einem lauten Schnauben über ihre Stirn.

»Syntron, Lage!«, sagte sie.

»Die organische Besatzung war 13 Minuten und 47 Sekunden bewusstlos«, teilte die ewig freundliche Stimme mit. »Ich habe das Schiff durch Notkontrolle übernommen und bin vom diesseitigen Portal geflohen. Wir befinden uns nicht in Cartwheel, Seshonaar oder einer anderen bekannten Galaxis, sondern in einem völlig unbekannten Raumsektor. Die astrometrische Orientierung läuft noch.«

»Walerty!«, rief die Kommandantin plötzlich.

Tania zuckte zusammen, dann verstand sie. Eilig tippte sie auf einige Kontrollen.

»Wir befinden uns in einer Seyfert-Galaxie«, las sie von den Kontrollen ab. »Also in einer noch besonders aktiven Sterneninsel mit vielen Staubwolken und jungen Sternen.«

Sie stutzte und prüfte die Ergebnisse nach, bevor sie fortfuhr. »Es gibt hier noch eine Galaxis, in nur 20.000 Lichtjahren Entfernung! Typ Sa. Durchmesser etwa hunderttausend Lichtjahre. Den Durchmesser der Galaxis, in der wir uns gerade aufhalten, kann ich noch nicht bestimmen.«

»Ermittlung abgeschlossen«, meldete in diesem Moment der Syntron. »Es handelt sich hierbei um das Galaxienpaar, das in der Milchstraße als NGC 1409/1410 bekannt ist. Die Entfernung zur Milchstraße beträgt 300 Millionen Lichtjahre.«

»Dreihundert Millionen Lichtjahre?« Die Kommandantin stieß einen Fluch aus, der die Anwesenden erschaudern ließ.

»Es gibt auch eine gute Nachricht«, meldete Ben Strout. »Ich habe Messungen vorgenommen. Die Strangeness ist so wie sie sein sollte. Wir sind wieder in unserem Universum. Nur halt nicht in Cartwheel…«

Er machte ein nachdenkliches Gesicht und grübelte wohl darüber nach, was an seiner Theorie falsch gewesen war.

»Ähh«, machte Tania Walerty. »Es gibt da noch etwas ...«

Die Kommandantin stützte ihren Ellenbogen auf die Armlehne, legte das Kinn auf ihre Faust und musterte die Dritte Offizierin fast schon übertrieben freundlich. »Was denn, Walerty?«

Tania druckste herum. »Ich messe Hunderte, wenn nicht gar Tausende von MODRORs Raumschiffen an. Die ganze Galaxis scheint mit ihren voll zu sein.«

Posny wirbelte herum. »Vollgas!«, rief sie Shumh zu. »Wir flüchten erst einmal nach NGC 1409 und sehen dann weiter. Ich werde mir jetzt mal diesen Skrarok vornehmen ...«

Bei den letzten Worten erhob sie sich und verließ die Zentrale.

Wieder herrschte Stille in der Zentrale. Tania hatte nicht gezählt, wie oft das seit ihrer Flucht aus Seshonaar der Fall gewesen war, aber die Tatsache zeigte überdeutlich, wie ernst die Lage war.

Mick steuerte die NIMH in diesem Augenblick fast schon routiniert in den Hyperraum. Der Durchbruch schien wirklich überraschend gut geklappt zu haben, denn das Forschungsschiff wies außer einigen durchgebrannten Sicherungen und überhitzten Aggregaten keine Beschädigungen auf.

Plötzlich begann Ben Strout, leidenschaftlich zu fluchen.

Fragend blickte ihn die ganze Zentrale an.

»Mir ist gerade etwas Bedrohliches aufgefallen«, gestand er.

»Ach«, sagte Tania zynisch. »Wir sind eben um Haaresbreite erneut unserem Ende entkommen, haben den Untergang einer ganzen Galaxis erlebt, und haben gerade wohl MODRORs Hoheitsgebiet entdeckt. Was soll da bitte schön nicht bedrohlich dran sein?«

»Wir waren in einem Paralleluniversum, in dem MODROR – derselbe MODROR – angegriffen hat. Mich würde auch nicht wundern, wenn es derselbe SONNENHAMMER wie bei uns war. Damit müssen wir davon ausgehen, dass diese Entität überuniversal ist, wie wir es auch bei Kosmokraten und Chaotarchen vermuten. Damit hat MODROR so etwas wie den Gesamtüberblick über das Multiversum und ist in der Lage, sich in jedem Universum eine andere Grausamkeit zu überlegen. Er hat also irgendwo den SONNENHAMMER gebaut und in mindestens zwei Universen eingesetzt. Wer sagt uns, was irgendwo sonst noch für Gefahren lauern, die jederzeit durch ein Sternenportal bei uns auftauchen könnten...?«

Nun fluchte die gesamte Besatzung.

*

Nicola Posny erreichte unterdessen die Krankenstation. Da die NIMH keine Arrestzellen besaß, als Forschungsschiff aber mit einigen Quarantäneeinheiten ausgestattet war, hatte man den Skelettkrieger kurzerhand in einem dieser hermetisch abgeriegelten Räume untergebracht.

Jennifer Taylor schaltete das Sichtfenster in die provisorische Zelle transparent, und Nicola baute sich davor so auf, dass Skrarok sie sehen konnte.

Dieser hatte in einer Ecke des Raumes gekauert und stand nun auf. Dabei scharrte und knirschte es, weil Elemente seiner skelettartigen Rüstung aneinander rieben. Er stellte sich genau vor Posny und senkte seinen Totenschädel soweit, dass seine Augen exakt auf derselben Höhe wie Nicolas Augen waren.

Posny ließ sich von dem ewig grinsenden Gesicht nicht beeindrucken.

»Wir sind dem Untergang Cartwheels entkommen«, erklärte sie.

»Wirklich?«, fragte der Skelettkrieger belustigt.

»Wir haben das Paralleluniversum durch ein Sternenportal verlassen und sind in einer Doppelgalaxis gelandet.«

Skrarok blieb heiter. »Barym und die Verbotene Zone!«, rief er. »Besser konnte es ja gar nicht kommen. Offenbar treibt mein Meister ein kleines Spielchen mit euch, testet euch, ob ihr würdig seid. Oder glaubt ihr wirklich, dass ihr aus eigenem Können das Paralleluniversum verlassen habt?«

Er zuckte kurz mit dem Kopf. »Nun, dann habe ich ja meine Aufgabe erfüllt.«

Bevor Posny über den Sinn dieser Worte nachdenken konnte, vernahm sie plötzlich ein Knirschen.

Skrarok schaute auf seinen Brustkorb, auf dem in diesem Moment eine Spalte auftauchte, die sehr schnell breiter wurde. Er lachte noch einmal, dann sprengten sich seine Rüstungsteile von ihm ab und der Skelettkrieger brach als blutige Masse zusammen.

Nicola wurde angesichts dieses Anblicks übel und sie übergab sich.

Jennifer Taylor kam um die Ecke gelaufen. »Skrarok hat ...«

Sie sah die Kommandantin und die Pfütze und verstummte, dann entdeckte sie die Leiche und riss entsetzt die Hände vor den Mund.

Die Kommandantin hustete noch einmal und wischte sich den Mund ab. Hastig steckte sie sich eine Zigarette an.

»Das habe ich selbst gesehen!«, sagte sie wütend. »Hast du etwas zum Ausspülen?«

Jennifer nickte und reichte ihr ein Glas Wasser.

»Das war es aber nicht, was ich sagen wollte«, erklärte die Bordärztin, während sich Nicola den Mund ausspülte und kurzerhand auf den Boden ausspuckte, wo schon die Reinigungsroboter zugange waren. »Ich konnte einen kurzen Hyperfunkimpuls anmessen, der aus Skraroks Kabine gesendet wurde.«

»Wie kann das sein?«, fragte Posny. »Wir haben ihm doch die ganze Ausrüstung abgenommen.«

Taylor hob hilflos die Arme. »Woher soll ich das wissen? Er hatte keine Ausrüstung – außer seinem Exoskelett, die bei ihm so etwas wie die Haut war. Vielleicht war da ja irgendetwas verborgen. Was weiß ich... Immerhin sind wir gerade im Hyperraum.«

Posny blickte sie tiefgründig an. »Ich habe irgendwie das Gefühl, dass MODROR das Signal trotzdem empfangen hat ...«

*

Einige Tage später erreichte die NIMH die Galaxis, die der Skelettkrieger als Barym bezeichnet hatte. Sofort machte man sich auf die Suche nach einer Welt mit Rohstoffen, damit man sich für den viele Jahre dauernden Flug nach Cartwheel vorbereiten konnte. Sie gingen dabei äußerst vorsichtig vor, da sie jederzeit damit rechneten, erneut von ihren Verfolgern aufgegriffen zu werden.

Posny lehnte es kategorisch ab, das Sternenportal erneut zu benutzen. Sie befürchtete, dass MODROR oder seine Vasallen in der Lage waren, die fremde Technologie zu kontrollieren und nicht nur zu benutzen. Vielleicht konnten sie so, den Transmittersprung beeinflussen.

Das bedeutete, sie würden entweder 302 Millionen Lichtjahre zur Milchstraße oder 403 Millionen Lichtjahre nach Cartwheel zurücklegen. Wenn sie es überhaupt schaffen würden, dann würden sie einige Jahre unterwegs sein. Vorausgesetzt, der Antrieb spielte so lange mit.

Schließlich entdeckte man ein Sonnensystem mit einer Welt, die kein höher entwickeltes Leben trug, außerdem schienen die Monde und der Asteroidengürtel auf reichhaltige Erze schließen zu lassen. Posny befahl Kurs auf dieses System zu nehmen.

»Landurlaub für alle, schließlich werden wir in den nächsten Jahren fast nur noch dieses Schiff sehen«, verkündete sie kurze Zeit später über Interkom, als man sicher war, dass dieses System keine Falle barg. »Außer Walerty, Ikudolf, Faala und Ualeh. Ihr kümmert euch um den Abbau der Rohstoffe.«

Die Besatzung antwortete mit Jubel, bis auf vier Besatzungsmitglieder, die sich teilweise mit Mordgedanken gegenüber der Kommandantin, teilweise auch nur resigniert in ihr Schicksal ergaben.

*

In den nächsten Tagen erkundigte sich Nicola Posny täglich bei Tania Walerty nach dem Fortschritt bei den Schürfarbeiten. Sie stellte sich dabei immer so, dass im Hintergrund der Bildanzeige möglichst viele ausgelassene Besatzungsmitglieder zu sehen waren.

Tania wurde jeden Tag wütender und schwor grausame Rache, doch momentan konnte sie nichts tun, da sie so weit von zu Hause entfernt notgedrungen aufeinander angewiesen waren.

Dann kam es an einem Vormittag zu einem folgenschweren Ereignis.

Tania hatte es sich gerade wie immer, wenn die Kommandantin nicht zur Stelle war, auf dem Kommandositz bequem gemacht und die Füße über die Hauptkonsole gelegt und döste vor sich hin, da piepste die Funkanlage.

»Ich bin nicht da«, murmelte sie und widerstand der Versuchung, die Augen zu öffnen.

Vermutlich war es Ikudolf oder ein anderer. Tania war dazu übergegangen, ihren Frust über die Lage komplett an den anderen drei Leidensgenossen auszulassen und ließ sie regelrecht schuften, damit der Landurlaub für die Kommandantin so kurz wie eben möglich ausfiel. Gleichzeitig versuchte sie, sich das Leben an Bord der fast völlig verlassenen NIMH so angenehm wie möglich zu gestalten.

»Soll ich dies General Raktor mitteilen?«, erkundigte sich der Bordsyntron.

Tania fuhr überrascht hoch und riss die Beine vom Kommandopult. »General Raktor?«, fragte sie verwirrt.

»Soeben ist eine Flotte von unbekannten Raumschiffen im Evil-Posny-System aufgetaucht. Ein gewisser General Raktor hat Kontakt zu uns aufgenommen und fordert auf Interkosmo unsere bedingungslose Kapitulation.«

Tania zögerte keine Sekunde und gab sofort Vollalarm. Gleichzeitig löschte sie die von ihr gewählte Bezeichnung des Sonnensystems, bevor die Kommandantin davon erfuhr.

In einer Rekordzeit von nur zwei Minuten erreichte Posny zusammen mit Ekkifred Lanson und Kulumbri Waspesi die Zentrale. Walerty erläuterte ihnen die Lage.

»Hast du mit ihm geredet?«

Die Vierte Offizierin verneinte.

»Gut«, sagte die Kommandantin nur und hieb auf die Funkkontrollen.

Auf dem Schirm erschien ein Schlangenwesen. Der Kopf ragte in der dreidimensionalen Darstellung weit aus dem Holokubus heraus und die gespaltene Zunge schien fast die Stirn der Kommandantin zu berühren.

»Wir ignorieren deine Forderung, General«, sagte Posny unbeeindruckt.

»Das werdet ihr bereuen«, erklärte Raktor mit lispelnder Stimme. »Wir Larsaar sind die besten Kämpfer der Galaxis und wir werden euch vernichten.«

Sofort begannen die fremden Schiffe zu feuern. Die NIMH erwiderte das Feuer und beschädigte einige kleinere Raumschiffe des Gegners. Jedoch war die Übermacht zu groß, schließlich musste das Forschungsschiff aus dem System fliehen.

Egal, wo sie danach aus dem Hyperraum fielen, nur wenige Minuten später war auch General Raktor mit seiner Flotte da. Zunächst plante Mick Shumh die Hyperraumetappen sorgsam, später flog er nur noch ziellos durch Barym.

»So hat das keinen Zweck«, meinte Posny schließlich. »Dann müssen wir eben sofort nach Cartwheel aufbrechen.«

»Aber wir werden das nicht schaffen«, widersprach der Maschinist Klavus Wiffen. »Wir sind kein Fernflugschiff und können unsere Vorräte nicht selbst erzeugen. Wir brauchen Rohstoffe, um eine längere Reise anzutreten. Abgesehen von reproduzierender Nahrung und ausreichend Wasser brauchen wir vermutlich auch Materialien zur Reparatur von Verschleißteilen!«

Posny fluchte.

Währenddessen fiel die NIMH wieder einmal in den Normalraum zurück.

»Hier ist eine Flotte«, meldete Tania überrascht. »Offenbar Handelsschiffe.«

»Friedlich?«

»Keine Ahnung.«

»Wir müssen es darauf ankommen lassen«, erklärte die Kommandantin. »Kurs auf den Konvoi nehmen.«

Anschließend aktivierte sie den Hyperfunk: »Hier ist das terranische Forschungsschiff NIMH. Wir sind friedlich und benötigen dringend Vorräte ...«

Ein Ruck ging durch die NIMH.

»Was war das?«, erkundigte sich Posny.

»Sie haben uns mit einem Traktorstrahl erwischt«, erkannte Tania. »Jetzt schwärmen sie aus und nehmen uns in die Zange!«

»Shumh!«, rief Posny.

Der Pilot versuchte, alles aus dem Schiff zu holen, doch die Traktorstrahlen des Konvois waren stärker. Geschlossen ging die Formation in den Hyperraum und riss die NIMH mit sich.

»Das war's«, kommentierte Ben Strout die Situation. »Jetzt haben sie uns!«

Wenige Minuten später fiel die Formation in den Normalraum zurück. Mick Shumh versuchte sofort, wieder weg zu kommen, doch die Traktorstrahlen fixierten nach wie vor den cartwheelschen Forschungsraumer.

»Sie nehmen Funkkontakt mit uns auf«, bemerkte Tania Walerty.

»Na, den werde ich aber was erzählen«, nahm sich Posny vor und setzte schon zu einem Gezeter an, als das Holo ihrer Entführer erschien, nur um dann völlig perplex inne zu halten.

Die Gestalten kannte sie doch! Nur woher?

Der eine war ein hochgewachsener Mensch mit langem, glattem Haar, welches zusammen gebunden hinab hing. Ein Bart zierte das schlanke Gesicht. Seine Kleidung war in einem braunen Ton gehalten. Das zweite Wesen war eine Mischung aus einem Menschen und einem Esel.

Ben Strout half ihr aus: »Das sind der Nesjorianer Evspor, daneben der Ritter der Tiefe Gal'Arn und sein Orbiter Jaktar, die wir seit dem BAMBUS-Massaker für tot gehalten haben...«

 

Totgeglaubte

Tania Walerty saß der Schreck noch im Nacken. Eine schiere Ewigkeit waren sie immer und immer wieder vor General Raktor und seiner Flotte geflohen. Mick Shumh, der Pilot der NIMH, hatte sich völlig verausgabt und doch war die Flotte der schlangenartigen Krieger immer nur wenige Augenblicke nach dem Forschungsschiff aus Cartwheel aus dem Hyperraum gestürzt.

Als die Kommandantin Nicola Posny bereits laut über eine Kapitulation nachgedacht hatte, waren sie plötzlich in diesen Konvoi geraten, der die NIMH kurzerhand per Traktorstrahl mitgerissen hatte. Dann nahm jemand Funkkontakt mit ihnen auf. Dieser jemand war niemand anderes als der seit Jahren tot geglaubte Ritter der Tiefe Gal'Arn …

Der Ezialist Ben Strout hatte als erster den Schock überwunden und sprach den Anführer des Konvois an: »Welch eine unerwartete Überraschung! Wie klein doch das Universum ist, Gal'Arn.«

»Die Freude ist ganz meinerseits, Terraner«, antwortete der Elare freundlich. »Was führt euch nach Barym?«

Strout kratzte sich am Kopf. Seine Haare standen nach dieser Behandlung wirr ab, doch das schien der Allround-Wissenschaftler nicht zu bemerken. »Nun … Eine Raum-Zeit-Anomalie in Seshonaar verschlug uns durch eine künstlich erzeugte Raumkrümmung in ein negativ gepoltes Cartwheel. Als dieses durch MORDORs SONNENHAMMER vernichtet wurde, gelang uns durch eine weitere Raumkrümmung die Flucht in diese Galaxie …«

Walerty deutete das bleich werdende und von Unverständnis gezeichnete Gesicht Gal'Arns richtig und reagierte blitzschnell. »Was er sagen will ist, dass wir eine Forschungsreise in die Nachbargalaxis der Insel durchführten und von MORDORs Flotte in ein Sternenportal getrieben wurden. Wir landeten danach in Cartwheel, doch es war ein völlig zerstörtes Cartwheel. Wir fanden heraus, dass wir in einer parallelen Wirklichkeit gestrandet waren, in der DORGONs Gegenspieler längst die Insel überrannt hatte. Als er die Galaxis dann vernichtete, gelang uns abermals die Flucht und wir landeten hier, wo auch immer wir hier sind …«

Der Ritter der Tiefe blickte von einem zum anderen. In seinen Augen stand deutlich das Wort »Bahnhof« geschrieben – oder wie auch immer man das in seiner Heimatsprache nannte.

»Äh … ja …«, begann er schließlich. »So abenteuerlich erging es uns dann doch nicht. Wir sind lediglich auf der Suche nach Aurec.«

»Ach ja«, rief Tania schnell, bevor Ben Strout oder Nicola Posny etwas sagen konnten. »Das ist eigentlich auch unsere Mission. Wir sollten ursprünglich nach Hinweisen oder den sterblichen Überresten von einigen Prominenten suchen.« Sie kicherte. »Einen haben wir bereits gefunden!«

Das hatte Gal'Arn verstanden. »Einen habt ihr bereits gefunden«, meinte er lächelnd, »und ich kann euch versichern, dass auch Aurec noch lebt.«

Walerty wollte ihn neugierig weiter ausfragen, doch dann durchzuckte ein furchtbarer Schmerz ihren Fuß. Posny hatte perfekt gezielt und mit ihrem Hacken den Schuh ihrer aufmüpfigen Offizierin perfekt getroffen.

»Ich merke schon, wir haben einiges zu bereden«, sagte die Kommandantin dann, während Tania ihren Fuß schüttelte und mit Tränen in den Augen jeden Schmerzenslaut zu unterdrücken versuchte. »Wie wäre es, wenn wir uns im Konferenzraum der NIMH zu einem gemütlichen Essen treffen und über alles reden?«

Gal'Arn nickte. Eine Geste, die er mittlerweile den Terranern abgeschaut hatte.

»Nur eine Frage hätte ich noch«, meldete sich Ben Strout zu Wort. »Was ist mit unseren Verfolgern?«

Der Ritter winkte ab und lächelte geheimnisvoll. »Wir sind schon eine Weile in Barym. Mittlerweile haben wir Mittel und Wege gefunden, sie abzuschütteln …«

»Gut«, sagte die Kommandantin. »Bist du mit einem Treffen in einer halben Stunde einverstanden?«

Gal'Arn bestätigte und trennte dann die Verbindung.

Nicola Posny machte sich danach sofort auf den Weg in den Konferenzraum. Ihr folgten die wichtigen Mitglieder der Schiffsführung, darunter auch eine betont humpelnde und in Mordgedanken versunkene Tania Walerty.

*

Tania Walerty wusste nicht warum, aber Gal'Arn war ihr direkt unheimlich. Der Ritter der Tiefe hatte eine Ausstrahlung, die der Vierten Offizierin der NIMH direkt durch Mark und Bein fuhr. Zögerlich ergriff sie die Hand, die ihr freundlich entgegen gestreckt wurde. Er lächelte sie an, als sie von Posny vorgestellt wurde, und doch wich das Gefühl nicht.

Er wirkt so …, suchte sie innerlich nach Worten, … überheblich – nein! Über den Dingen stehend. Ja, das ist es! Als würden ihnen die kleinen Probleme Normalsterblicher nicht tangieren. Ob es so ist, wenn man einen der Unsterblichen gegenübertritt?

Sie rief sich in Erinnerung, was sie über Gal'Arn gehört hatte. Vor vielen Jahrtausenden hatte demnach ein echter Ritter der Tiefe, der sich mit den Kosmokraten entzweit hatte, einen eigenen Orden in der fernen Galaxis Shagor gegründet. Den von ihm eingesetzten Rittern fehlte zwar die psionische Aura, die die Ritter der Tiefe im Dom Kesdschan empfingen, doch da er nur seinen Nachfolger als Ordensleiter die Wahrheit erzählte, hielten alle Ritter der Tiefe aus Shagor sich für die einzig existierenden.

Der Kosmokrat SIPUSTOV hatte wohl 1264 NGZ das erste Mal die Shagoer Ritter aufgesucht. Zwei von ihnen waren in die Milchstraße gestartet und hatten vergeblich versucht, die Geburt des Sohnes des Chaos Cauthon Despair zu verhindern. 1290 NGZ musste es gewesen sein, als SIPUSTOV abermals aufgetaucht war. Doch kurz danach war auch Cau Thon mit seinem Raumschiff erschienen und hatte ein Massaker unter den Rittern angerichtet. Nur Gal’Arn hatte mit einer Schülerin und einem Jungritter überlebt.

Auf einer langen Odyssee, bei der die anderen beiden Ritter gestorben waren, hatte Gal’Arn einige Terraner kennengelernt. Darunter auch sein Ritterschüler Jonathan Andrews, die Scorbits und den heutige Terra-Administrator von Cartwheel, den Marquês von Siniestro. Schließlich waren sie nach Terra gelangt und kurz darauf dem Ruf DORGONs nach Cartwheel gefolgt, bis der Ritter und sein Orbiter eben 1296 auf Xamour vermeintlich gestorben waren.

Nach allem, was man wusste, war Gal'Arn also eindeutig kein Unsterblicher. Und doch – aus seinen Augen sprach eine tiefe Lebensweisheit, die kaum zu einem Sterblichen zu passen schien.

Als Tania aus ihren Grübeleien aufschreckte, hatte sie die Vorstellung der Gesandtschaft des Ritters versäumt. Sie bemerkte, dass er sie immer noch freundlich anlächelte, als würde er ihre Gedanken erraten – nichts, dass dazu beitrug, ihr dumpfes Gefühl zu vertreiben.

Nachdem alle am Konferenztisch Platz genommen hatten, griff sie ohne zu zögern nach den bereit gestellten Getränken.

Das wird mir alles zu viel hier, stellte sie innerlich fest. Seshonaar, die Parallelwelt, Peter … Das Bild des Sohns des Marquês erschien vor ihrem innerlichen Auge und ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus. Mal richtig Urlaub machen, am liebsten mit Peter – das wäre doch was …

»Liebe Anwesende«, riss die Stimme Gal'Arns sie aus ihren Träumereien. Der Ritter der Tiefe nahm einen Schluck des bereit gestellten Mineralwassers. »Nachdem wir uns vorgestellt haben, möchte ich meine Freude bekunden, hier in Barym, quasi der Höhle des Löwen – wenn ich ein terranisches Sprichwort zitieren darf – auf ein Suchkommando aus Cartwheel nach Aurec und meiner Wenigkeit getroffen zu sein. Sicherlich habt ihr noch keine Zeit gehabt, euch in Barym umzusehen und seid ebenso erstaunt, dass es mir gut geht und dass der Nesjorianer Evspor bei mir ist. Zunächst einmal kann ich euch versichern, dass Aurec noch unter den Lebenden weilt! Wir wissen nicht, wo er ist, sind jedoch einer heißen Spur auf den Fersen. Doch vielleicht sollte ich erst berichten, wie es uns überhaupt von Xamour in diese Galaxis verschlagen hat …«

 

Gal'Arn

April 1296 NGZ

Fassungslos rannte Gal'Arn aus dem provisorischen Lager auf Xamour. Das Unglück schien regelrecht an ihm zu kleben: Zunächst das unglaubliche Blutbad auf der Ritterwelt, von der nur er mit einigen Gefolgsleuten fliehen konnte, nur um dann wenige Monate später den Tod eines Großteils der Passagiere des terranischen Raumschiffes THEBEN auf der Welt der Schweinebestien zu erleben.

Dann waren einige Jahre Ruhe, doch jetzt ging es wieder Schlag auf Schlag: Was so friedlich aus Vergnügungsfahrt auf dem Diskoraumer BAMBUS begann, endete als Gemetzel, als Dscherro das Schiff angriffen und ziellos unter den Passagieren wüteten. Den Rest steckten sie auf einer abgelegenen Welt in Internierungslager, aus denen sich die Unterdrückten schließlich befreien konnten. Doch dann tauchte Rodrom mit seinen Skelettkriegern auf und setzte das blutige Werk seiner Vorgänger fort.

Hinzu kam, dass Gal'Arn immer noch Cau Thons Erzählungen auf dem Magen lagen. Der Sohn des Chaos hatte vieles so detailliert geschildert, dass es bei dem Ritter der Tiefe in Kombination mit dem von ihm leibhaftig Erlebten mehr als nur Unwohlsein verursachte.

Gal'Arn versuchte Cau Thon einzuholen. Dabei wurde er von drei Skelettsoldaten angegriffen. Zwei von ihnen konnte er niederschlagen, ein dritter stieß ihn zu Boden. Gal'Arn wich einem Schuss aus und trat dem Gegner in die Beine. Sofort rappelte sich der Ritter auf und streckte den taumelnden MODROR-Soldaten nieder.

Plötzlich stand eine schwarze, klobige Gestalt vier Meter von ihm entfernt. Es war Evspor. Der Nesjorianer war wieder zum Leben erwacht. Er richtete seine Waffen auf Gal'Arn. Hinter dem Ritter der Tiefe tauchten vier Skelettsoldaten auf. Er war umzingelt. Gal'Arn warf die Waffe weg und wollte sich ergeben, doch der Nesjorianer reagierte nicht darauf. Er schoss!

Der Strahl traf jedoch nicht ihn, sondern einen Skelettsoldaten hinter ihm. Der Ritter starrte Evspor verwirrt an, zog es aber doch vor in einen Gleiter zu springen und der TERSAL zu folgen. Das Schiff schwebte über der alten Ruinenstadt, die Gal'Arn innerhalb weniger Minuten erreicht hatte.

Gal'Arn hetzte zwischen einige Ruinen der ehemaligen Hauptstadt Xamora, wie er nun aus Cau Thons Erzählungen wusste. Mit infernalischem Lärm stiegen über ihm die Landefähren und Space-Jets in den dunklen Himmel der zerstörten Welt. Immer wieder blitzten und fauchten die Strahlen der Thermo- und Desintegratorgeschütze über ihm auf und bohrten sich in die Schutzschirme.

Der Ritter der Tiefe rutschte etwas zur Seite, sodass er durch einen Spalt in der zerfallenen Mauer – vielleicht die Überreste eines Fensters – das Schlachtfeld überblicken konnte. Er blinzelte, bis sich seine durch die Schüsse geblendeten Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Nur wenige Dutzend Schritt von ihm entfernt lag sein Orbiter Jaktar in eine Senke gepresst. Noch etwas weiter lag eine andere Gestalt – aber mit dem Bauch nach oben.

Gal'Arn erstarrte, als er darin Aurec erkannte. Das Oberhaupt der Saggittonen musste entweder bewusstlos oder gar … Gal'Arn weigerte sich, den Gedanken weiter zu verfolgen.

»Jaktar!«, zischte er seinem Orbiter zu. Er musste den Ruf drei Mal wiederholen, bis Jaktar ihn hörte.

Der Orbiter drehte seinen Kopf und suchte die Umgebung ab. Kurze Zeit später gab er Gal'Arn durch ein Handzeichen zu verstehen, dass er ihn entdeckt hatte.

Der Ritter wies auf Aurec. »Dort«, flüsterte er. »Ich glaube, dass ist Aurec. Schau mal, ob es ihm gut geht und komm dann mit ihm her.«

Jaktar nickte und robbte los. Als er etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, schaute Gal'Arn wieder zu Aurec hinüber und ihm gefror das Blut in den Adern. Gal'Arn wusste nicht, woher er plötzlich gekommen war, doch wer er war, daran zweifelte der Ritter nicht eine Sekunde. Gal'Arn kannte nur ein Wesen, dass in dieser Galaxis auftauchen konnte und einen Rüssel besaß – Goshkan. Ganz gegen seine Art kam in ihm eine ungeheure Wut hoch, als er daran dachte, dass dieses blutrünstige Monster früher einmal ein Ritterschüler gewesen war. Nun war er vermutlich der Schüler Cau Thons, und dieser ließ seiner unglaublich sadistischen Neigung freie Bahn. Und eben dieser Goshkan stand nun genau neben den hoffentlich noch lebenden Aurec und beugte sich interessiert darüber.

Plötzlich schwebte die KARAN über die Häuser hinweg. Goshkan blickte nach oben und machte ein Zeichen, welches Gal'Arn interpretierte, als würde Aurec noch am Leben sein. Anscheinend musste der Saggittone noch einmal geflohen sein, nachdem Goshkan und Cau Thon ihn und die Terranerin Kathy Scolar zur KARAN gebracht hatten.

Gal'Arn ballte die Hände zu Fäusten, bis seine Fingernägel sich schmerzhaft in seine Haut gruben. Er war der Verzweiflung nahe, denn für ihn stand fest, dass Goshkan mit Aurec kurzen Prozess machen würde. Fieberhaft schaute Gal'Arn sich um. Wenn er doch nur eine Schusswaffe gehabt hätte … Aber da der Angriff so überraschend gekommen war, hatte der Ritter der Tiefe nur sein Schwert bei sich, das er niemals ablegte. In dieser Situation – mit der KARAN unweit entfernt und ohne Schutzschirm – auf Goshkan hin zu rennen und ihm mit dem Schwert Einhalt zu gebieten wäre aber glatter Selbstmord gewesen. So konnte er nur hilflos zusehen.

Goshkan hatte unterdessen seine Untersuchung beendet. Gal'Arn musste mit ansehen, wie er seinen Stab kurzerhand in den Körper Aurecs rammte. Dann hob er den so Aufgespießten an und legte sich den Stab auf die Schulter, sodass Aurec auf seinem Rücken herab hing. Dabei zuckten dessen Glieder.

Gal'Arn wandte sich schaudernd ab. Das Zucken bewies, dass Aurec noch am Leben war und womöglich sogar mitbekam, was mit ihm geschah.

Jaktar!, durchzuckte es ihm plötzlich. Sofort blickte er wieder durch die Maueröffnung und suchte seinen Orbiter. Diesem war Goshkan ebenfalls nicht unbemerkt geblieben und er hatte das getan, was jedes Lebewesen in seiner Situation tun würde – er stellte sich tot.

Der Ritter atmete auf. Da sein Orbiter ebenfalls unbewaffnet war, war das das sinnvollste, was er tun konnte. Doch würde Goshkan auf den Bluff herein fallen?

Dieser bewegte sich mit seiner zuckenden Last genau auf Jaktar zu. Als Gal'Arn schon hoffte, dass er ihn nicht bemerkt hatte, blieb Goshkan stehen. Die aus seinem Gesicht hell hervor blitzenden Zähne verrieten Gal'Arn, dass er den Orbiter erkannt hatte. Es war offensichtlich, dass das Rüsselwesen bereute, seinen Stab momentan »belegt« zu haben, daher beschränkte sich Goshkan darauf, einmal heftig gegen den Liegenden zu treten und dann einfach über ihn zu laufen. Gal'Arn hörte einen oder gar mehrere Knochen bersten, doch von Jaktar selbst kam kein Geräusch. Er kam nicht umhin, seinen Orbiter für diese unglaubliche Selbstbeherrschung zu bewundern.

Dann landete die KARAN auf dem Platz. Ein Schott öffnete sich, aus dem es grell strahlte. Gal'Arn kniff die Augen zusammen und konnte so in der Schleuse die Silhouette Cau Thons erkennen. Goshkan stieg mit seinem Opfer zu ihm, dann schloss sich das Schott und das Schiff hob ab und raste davon.

Jetzt hielt Gal'Arn nichts mehr. So schnell er konnte, rannte er zu seinem Orbiter und warf sich neben ihn zu Boden.

»Jaktar! Jaktar!«, flüsterte er besorgt.

Keine Antwort.

Verzweifelt tastete er nach dem Hals seines Orbiters und atmete erleichtert aus, als er den Puls spürte. Offenbar war Jaktar durch den Tritt bewusstlos geworden. Das erklärte auch, wie er den Knochenbruch lautlos überstehen konnte.

Gal'Arn tastete den Körper weiter nach unten ab. Bedingt durch die miserablen Lichtverhältnisse war das die einzige Möglichkeit einer Diagnose. Der Kopf, die Brust und der Bauch schienen in Ordnung zu sein, doch am linken Oberschenkel ertastete er Knochensplitter inmitten einer Blutlache.

»Eine offene Fraktur!«, zischte der Ritter der Tiefe und fluchte. »Wenn ich dich nicht schnellstens versorgen kann, könnte das böse enden.«

»Darüber würde ich mir keine Sorgen mehr machen«, erklang plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihm. »Deine Tage sind gezählt.«

Gal'Arn wirbelte herum und erkannte Evspor, der offenbar durch Gal'Arns Sprint diesen entdeckt hatte.

Der hat mir gerade noch gefehlt!, dachte er nicht ganz ohne Galgenhumor und sagte: »Warte, Evspor! Du solltest wissen, wer hier die wahren Schuldigen sind!«

»Das interessiert mich nicht«, entgegnete der Nesjorianer. »Diese Welt ist Sperrgebiet. Ihr habt gegen die Anordnung der Kosmischen Mächte verstoßen und müsst dafür bestraft werden – ausnahmslos!«

Gal'Arn stand auf und hob beschwichtigend die Hände. »Nur durch MODRORs Schergen sind wir auf diese Welt abgestürzt! Ferner ist mir persönlich durch den Kosmokraten Sipustov aufgetragen worden, auf der Seite DORGONs gegen MODROR zu kämpfen.«

Gal'Arn wartete auf eine Reaktion Evspors, als diese nicht reagierte, fuhr er fort:

»Du siehst, nicht ich bin dein Feind, sondern diejenigen, die meinen Orbiter so zugerichtet, und den äußerst wichtigen Politiker Aurec entführt haben.«

Jetzt reagierte der Nesjorianer. »Ich spüre eine Ritter-Aura, außerdem klingen deine Argumente logisch. Auch wenn mir momentan keine Möglichkeit gegeben ist, sie nachzuprüfen, werde ich dir Glauben schenken …«

Gal'Arn atmete erleichtert auf. Er wollte gerade Evspor vorschlagen, ihn nach Cau Thons Schiff suchen zu lassen, da aktivierte der Nesjorianer ein Traktorfeld und riss sowohl ihn als auch den schwer verletzten Jaktar mit sich, während er mit Höchstgeschwindigkeit auf sein Schiff zuraste.

»Diese Welt ist nicht mehr sicher«, erläuterte er, als Gal'Arn aufbegehrte. »Wir müssen sie auf der Stelle verlassen. Du und dein Untergebener werden mich bei der Verfolgung des Schiffes der Gesetzesbrecher begleiten.«

Gal'Arn zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass dies keine freundliche Bitte, sondern ein eiskalter Befehl war.

*

Zehn Monate später hatten sie die Spur der KARAN, Cau Thons Schiff, bis in eine Galaxis verfolgt, die von ihren Bewohnern Barym genannt wurde. Gal'Arn hatte Evspor klar machen können, dass seine TERSAL viel besser für die Verfolgungsjagd geeignet war als das langsame Wachschiff des Kyberklons, so war er kurzerhand auf das Ritterschiff gewechselt und hatte mehr oder weniger das Kommando übernommen.

In den langen Monaten der Verfolgungsjagd hatten sie aber immer mehr Vertrauen ineinander gefasst, sodass man mittlerweile schon fast von so etwas wie Freundschaft sprechen konnte – falls so etwas bei einem Nesjorianer überhaupt möglich war.

Jaktar war von den Medo-Anlagen behandelt worden und mittlerweile wieder völlig der Alte, also blieb nur das Schicksal von Aurec ungewiss, doch Gal'Arn zweifelte nicht daran, dass er noch am Leben war.

Doch ihre Reise war lang und führte sie durch verschiedene Galaxien. Zuerst war es nach Seshonaar gegangen und von dort aus zu anderen Galaxien, in denen die KARAN Station machte. Die Spur war zeitweise auch verloren gegangen. Schließlich hatten sie Cau Thon wieder ausfindig machen können und waren nach Barym gelangt.

Barym war eine nach astronomischen Begriffen äußerst aktive Sterneninsel, was nicht zuletzt auf eine in unmittelbarer Nachtbarschaft stehende zweite Galaxis zurückzuführen war, die mit Barym durch einen Materiestrahl verbunden war. Wochenlang irrte die TERSAL jetzt schon durch die Galaxis, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf den Verbleib der KARAN zu finden.

Stattdessen erkannten Gal'Arn, Evspor und Jaktar sehr schnell, dass offenbar ganz Barym völlig unter dem Einfluss MODRORs stand. Auf praktisch jeder Welt galt er als der große Herrscher, teilweise sogar als Gott. Raumfahrt war in Barym verboten, lediglich dem humanoiden Volk der Zievohnen, das die größte Bevölkerungsgruppe stellte, und den schlangenartigen Larsaar, die die Soldaten des Reiches stellten, war der Besitz und die Verwendung von Raumfahrzeugen erlaubt. Zusammen mit dem Wirtschaftler- und Diplomatenvolk der vogelähnlichen Atusar und den Rytar, die fast gänzlich Wissenschaftler waren, beuteten sie die anderen Völker der Galaxis im Namen von MODROR erbarmungslos auf.

Natürlich war die Ankunft der TERSAL nicht unbemerkt geblieben, doch war es Gal'Arn bisher immer gelungen, den Schiffen der Larsaar zu entkommen. Schließlich zog man sich in den Schutz einer Sonnenkorona zurück und beratschlagte die weiteren Schritte.

»Wenn diese Galaxis quasi das Domizil MODRORs ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass hier das Ziel der TERSAL liegt«, fasste Gal'Arn die bisherigen Erkenntnisse zusammen.

»Was ist mit der Nachbargalaxis Baryms?«, fragte Jaktar. »Vielleicht stecken sie auch dort.«

Gal'Arn legte eine Hand auf den Hinterkopf, die elarische Geste für Unwissenheit. »Für die unterdrückten Völker existiert sie nicht – kein Wunder, schließlich ist ihnen auch die Raumfahrt verboten. Die Zievohnen, Larsaar, Atusar und Rytar reden nicht darüber, was mir sehr viel verdächtiger vorkommt, als wäre sie eine Art Tabu.«

»Gerade das macht sie interessant«, schaltete sich Evspor ein. »Es wäre ein großer Fehler, nicht nachzusehen.«

Gal'Arn konnte ihm nur zustimmen. Er steuerte die TERSAL aus dem Ortungsschatten der Sonne, die ihnen in den letzten Wochen Unterschlupf gewährt hatte und flog die Galaxis an.

In sicherer Entfernung von mehreren hundert Lichtjahren fiel das Ritterschiff in den Normalraum zurück. Sofort schlugen die Orter Alarm.

»Ich orte Hunderte von Schiffen!«, rief Jaktar aufgeregt. »Nein, Tausende! Gleicher Typ wie die Schiffe der Larsaar.

»Offenbar eine Art Blockade- oder Wachflotte«, kombinierte Gal'Arn und wandte sich wieder den Navigationsinstrumenten zu.

Der Ritter der Tiefe durchflog die Flotte im sicheren Hyperraum und kehrte dann »hinter« dem Gegner in unmittelbarer Nähe einer zuvor ausgekundschafteten Sonne auf. Sofort ließ er das Schiff in die Korona des Sterns sinken.

Gespannt warteten die drei Besatzungsmitglieder ab. Erst nach einigen langen Minuten stieß Gal'Arn erleichtert die Luft aus. Offenbar war ihre Ankunft unbemerkt geblieben. Er aktivierte wie in den Wochen zuvor wieder sämtliche Funkgeräte, und die drei lauschten jeder für sich den vom Bordcomputer vorsortierten Nachrichten.

Nach einigen Stunden trugen sie ihre Erkenntnisse zusammen.

»Diese Galaxis trägt bei allen die Bezeichnung Verbotene Zone«, begann der Nesjorianer Evspor, »und gilt als absolutes Hoheitsgebiet MODRORs.«

Gal'Arn nickte. »Jeder Larsaar und auch viele Angehörige der anderen drei Hauptvölker Baryms sind verpflichtet, bei der Bewachung mitzuwirken. Kein Angehöriger der Wachflotten scheint je das Innere der Verbotenen Zone gesehen oder sie auch nur betreten zu haben, dennoch sehen sie in ihrem Dienst eine große Ehre.«

»Das kann so nicht ganz stimmen«, widersprach Jaktar. »Ich habe ein Gespräch zwischen einem Larsaar und einem Zievohnen verfolgt, in dem sie sich über ein Sternenportal im Inneren der Verbotenen Zone unterhalten haben. Offenbar genießt dieses Objekt einen noch höheren Schutz, denn dort scheint es eine eigene Wachflotte zu geben.«

»Das ist korrekt«, bestätigte der Nesjorianer. »Ich habe Ähnliches gehört, ferner ist es mir auch gelungen, die genaue Position des Sternentors zu ermitteln.«

Gal'Arn machte eine beschwichtigende Geste. »Das ist aber erst einmal unwichtig für uns. Wir hätten sowieso keine Chance, auch nur in die Nähe dieses Sternentors zu kommen, denn es wird wesentlich intensiver bewacht werden als der Rand der Verbotenen Zone – also keine Durchschlupfmöglichkeit für die TERSAL. Hat einer von euch Hinweise auf die KARAN oder Aurec erhalten?«

Dies mussten Jaktar und Evspor verneinen.

»Ich auch nicht«, sagte Gal'Arn. »Also kehren wir zunächst einmal nach Barym zurück, da dort unsere Chancen größer sind. Vielleicht ergibt sich irgendwann später einmal die Möglichkeit, dass wir uns dieses Sternentor einmal genauer ansehen.«

Als keine Einwände kamen, setzte Gal'Arn sein Schiff erneut in Bewegung, diesmal zurück zu Barym.

 

Zwischenspiel

Das ist ja alles sehr nett«, unterbrach Nicola Posny die Ausführungen des Ritters. »Aber leider hilft uns das bei unserer derzeitigen Mission überhaupt nicht weiter.«

Tania Walerty verdrehte die Augen, verzichtete aber sicherheitshalber darauf, sich wieder unbeliebt zu machen. Sicher würde nicht nur sie diese unverschämte Unterbrechung stören, und tatsächlich, Ben Strout meldete sich zu Wort:

»Posny«, er wählte bewusst den blanken Nachnamen als Anrede, um möglichst abweisend zu klingen. »Im Gegensatz zu dir finde ich diesen Vortrag mehr als interessant. Es ist sicherlich nur von Vorteil, wenn wir weitere Informationen über Barym erhalten.«

»Aber dazu muss ich mir nicht die ganze Lebensgeschichte Gal'Arns anhören. Ich möchte daher mit der NIMH schnellstmöglich nach Cartwheel zurückkehren.«

Tania glaube, sich verhört zu haben. »Wir sollten hier bleiben und Gal'Arn unterstützen.«

Nicola lachte auf. »Gerade deshalb sollten wir umkehren, Frau Walerty. Die TERSAL ist ein Schiff eines echten Ritters der Tiefe, während die NIMH nur ein Forschungsraumer ist. Außerdem ist der Nesjorianer Evspor und diese Flotte von Raumschiffen …«

»… die Schiffe der Widerständler unter Banternach!«, ergänzte Jaktar.

Posny winkte ab. »Wie auch immer. Jedenfalls sollten wir das ganze lieber unseren Experten hier überlassen und zur Insel zurückkehren, damit der Paxus-Rat dann gegebenenfalls Verstärkung durch das Sternentor schicken kann.«

»Sollten wir nicht zumindest den Vortag zu Ende hören, bevor wir uns entscheiden?«, gab Ben Strout zu bedenken. »Wer ist dafür?«

Das Votum ging klar für die Fortsetzung aus, lediglich der Zweite Offizier Kulumbri Waspesi und der etwas ängstliche Pilot Mick Shumh stimmten zusammen mit der Kommandantin dagegen. Doch diese beugte sich der demokratischen Entscheidung und gab Gal'Arn durch einen Wink zu verstehen, dass er fortfahren solle. Anschließend verschränkte sie demonstrativ die Arme ineinander und lehnte sich mit einem finsteren Gesichtsausdruck weit zurück, als würde sie dies alles gar nichts angehen.

*

»General Shul'Vedek, neben den kleinem fremden Raumschiff, das uns schon seit Monaten immer und immer wieder entwischt, ist jetzt noch ein anderes, viel größeres Raumschiff in Barym aufgetaucht. Leider hat sich der nichtsnutzige General Raktor abhängen lassen, daher wirst du nun die Fremden aufspüren und beseitigen.«

»Jawohl, mein Herrscher. Ich mache mich umgehend auf den Weg.«

Shul'Vedek deaktivierte die Funkverbindung und atmete erst einmal tief durch. Es war das allererste Mal in seiner gesamten Laufbahn als General, dass er einen Befehl vom obersten Herrscher der Larsaar, Ghul'Adar, bekam. Anweisungen von der Zentralwelt Lerh Ar'Modror waren für seinen Dienstgrad nichts Ungewöhnliches, aber vom Herrscher selbst? Das wäre, als hätte sich MODRORs Inquisition bei ihm gemeldet.

Nachdenklich glitt er auf den Bewegungsschuppen seines Schlangenunterleibs durch seine Räumlichkeiten. Versagen konnte in diesem Fall nur den Tod bedeuten – bestenfalls! Andererseits würde er mit einem Erfolg seiner bisherigen Karriere die Krone aufsetzen und vielleicht sogar zum Oberkommandierenden der Streitkräfte in Barym ernannt werden – der absolute Traum für jeden Larsaar.

Mühsam drängte er seine Phantasien zurück und konzentrierte sich auf das Wesentliche. Da wäre zunächst einmal das kleine Raumschiff mit offenbar überragendem Ortungsschutz, das nur hin und wieder einmal auf den Überwachungsschirmen irgendwo in Barym auftauchte. Den Larsaar unbekannte Verbündete von MODROR konnten das unmöglich sein, dann hätten sie sich nicht so im Verborgenen aufgehalten. Zufällig in Barym gelandete Forscher konnten es auch nicht sein, denn sonst hätten sie sich nicht so lange in der Galaxis versteckt und wären spätestens nach der drohenden Vernichtung geflohen. Blieb also nur übrig, dass sie Gegner von MODROR waren – und damit auch Gegner Baryms und der Larsaar.

Und nun dieses neue Schiff. General Raktor hatte es fast stellen können, doch leider entkam es. Nach einer langen Verfolgungsjagd verlor man schließlich seine Spur, fand nur die Restemissionen eines Raumschiff-Konvois, der nirgends registriert war.

Die Rebellion?

Natürlich! Warum war er nicht gleich darauf gekommen. Die Rebellion hatten die Larsaar bisher nicht sonderlich ernst genommen, da sie viel zu klein und zu schlecht ausgestattet war, um auch nur die kleinste Bedrohung der inneren Sicherheit darzustellen. Mit Hilfe von außen konnte sich das aber schnell ändern.

Die Wahrscheinlichkeit war also sehr groß, dass sich die Fremden bei den Rebellen aufhielten – vermutlich sogar in deren Hauptquartier.

Shul'Vedek bleckte zufrieden die Zähne. Es schien fast so, als könne er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – die Fremden finden und nebenbei das bisher unbekannte Hauptquartier der Rebellion ausheben. Bei einem Erfolg würde Ghul’Adar gar nichts anderes übrig bleiben, als ihm zum Oberkommandierenden zu machen.

Er kehrte an die Funkanlage zurück und kontaktiere seinen Assistenten.

»Schicke eine Nachricht an unsere Schläfer in der Rebellion«, wies er ihn an. »Sie sollen heraus bekommen, ob irgendwo in letzter Zeit ungewöhnliche neue Mitglieder aufgenommen wurden.«

Der Oberst nickte artig und trennte die Verbindung, ohne ein weiteres unnötiges Wort zu verlieren.

 

Gal'Arn

März 1297 NGZ

Einen Monat später war so etwas wie Routine in der TERSAL eingekehrt. In wechselnden Schichten überwachten Gal'Arn, Jaktar und Evspor den Funk, während das Ritterschiff selbst im sicheren Ortungsschatten einer Sonnenkorona versteckt war. Einmal pro Woche wechselte man den Standort, um eine neue Perspektive kennen zu lernen.

Doch es passierte nichts. Das Leben in Barym ging seinen Gang und im Hyperfunk waren nur absolute Lappalien zu hören – ein Warentransport hier, eine Bestrafung einer Welt dort. Vor allem letzteres schien in MODRORs Galaxis an der Tagesordnung zu sein.

Gal'Arn hatte gerade seine Schicht beendet und den Platz in der Zentrale an seinen Orbiter abgegeben. Jetzt entspannte er sich in seiner Kabine mit einer Meditationsübung, die er immer vor dem Zu-Bett-gehen anzuwenden pflegte. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass immer wieder aktuelle Probleme durch seine Konzentration schlüpften.

Was mochte aus Aurec geworden sein? Lebte er wirklich noch, oder hatte Goshkan ihn schließlich doch noch hingerichtet? Wie sah es in Cartwheel aus? Hatte MODROR vielleicht doch schon angegriffen?

Der Ritter der Tiefe bemerkte, dass seine Konzentration gestört war. Er zwang sich, sich ein Möbius-Band vorzustellen und eine Kugel im Geiste daran entlang rollen zu lassen. Immer, wenn die Kugel eine Umrundung geschafft hatte, atmete er ein, und wenn sie an der gleichen Stelle – nur auf der Unterseite des Bandes – angekommen war, stieß er die Luft aus. Nach zehn Umkreisungen stellte sich etwas wie Ruhe bei ihm ein …

… als der Schiffsalarm ihn abrupt hochfahren ließ.

Nur den Bruchteil einer Sekunde später hielt er sein Schwert kampfbereit in der Hand. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er es hier nicht benötigen würde. Er schob es wieder in die Scheide und stieß die Kabinentür auf. In der kleinen TERSAL lag die Zentrale nur ein paar Schritte entfernt, sodass dies genau so schnell wie ein Interkom-Anruf ging.

Erstaunlicherweise fand er dort neben Jaktar auch schon Evspor vor. Der Nesjorianer schien über unglaubliche Reflexe zu verfügen und praktisch in Nullzeit dort angekommen zu sein.

»Was ist los?«, stieß Gal'Arn hervor. »Ein Zeichen von Aurec?«

Jaktar schüttelte nur den Kopf und aktivierte wortlos ein Holo.

Gal'Arn erkannte darin ein Orterbild der aktuellen Umgebung. Der grüne Punkt im Zentrum, der auf der Oberfläche eines großen blauweißen Balls klebte, das war die TERSAL. Ausgehend von der Größe des Balls, die das Sonnenversteck markierte, konnte der Maßstab der Abbildung nicht allzu groß sein. Umso mehr beunruhigten den Ritter die vielen roten Punkte, die die Sonne wie eine Kugelschale umgaben.

»Haben die uns entdeckt?«, fragte Gal'Arn langsam, dabei unwillkürlich flüsternd, obwohl die fremden Schiffe ihn unmöglich hören konnten.

»Ich fürchte ja«, erklärte Jaktar. »Sie tauchten alle gleichzeitig hier auf und verwenden momentan praktisch die gesamte Energie ihrer Schiffe für die aktive Ortung. Bislang hat kein Strahl die TERSAL getroffen – aber das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Ich bin sofort viel tiefer gegangen, aber lange halten das nicht einmal die Maschinen eines Ritterschiffs aus.«

Gal'Arn begann, nachdenklich in der Zentrale auf und ab zu schreiten. Sämtliche Müdigkeit der vergangenen Schicht war völlig von ihm abgefallen. Nach einigen Runden gab er seinen grübelnden Gang plötzlich auf und fixierte seine beiden Zuschauer mit seinen Blick.

»Wir müssen hier weg«, stellte er lakonisch fest.

Jaktar verzichtete darauf, diese triviale Aussage irgendwie zu kommentieren. Er kannte seinen Meister viel zu genau, sodass er wusste, dass sich Gal'Arn schon viel weitergehende Gedanken gemacht hatte.

»Wie weit sind sie noch entfernt?«, fragte Gal'Arn dann auch tatsächlich.

»Etwa eine halbe Astronomische Einheit«, erklärte Jaktar. »Sie kommen aber mit etwa 50% Licht näher.«

Gal'Arn überschlug die Zahlen im Kopf. Die TERSAL brauchte bei Maximalbeschleunigung exakt 100 Sekunden, um auf halbe Lichtgeschwindigkeit und damit die benötigte Mindestgeschwindigkeit für das Hypertakt-Triebwerk zu kommen. Dabei würde sie gut siebeneinhalb Millionen Kilometer zurücklegen, also ein zwanzigstel einer astronomischen Einheit. Allerdings konnten sie nicht voll beschleunigen, da sie sonst in der Atomglut der Sonnenoberfläche verbrennen würden, und auch der Stern selbst zerrte mit seiner Gravitation an der TERSAL.

Nun kamen aber auch die gegnerischen Schiffe in derselben Zeit eine zehntel Astronomische Einheit näher – alles vorausgesetzt, dass sie nicht nach dem Orten der TERSAL beschleunigen würden.

Es blieb also ein Zeitfenster von günstigstenfalls einer Minute, in der die TERSAL entkommen konnte – und diese Zeit lief gerade ab.

Gal'Arn stieß einen Fluch aus und rief: »Maximale Beschleunigung!«

Jaktar zögerte nicht eine Sekunde und hieb auf die Kontrollen. Sofort glühten die Schutzschirme auf und der Bordcomputer dunkelte die Fenster ab. Gebannt starrten alle drei auf das Orter-Holo.

Nur unendlich langsam löste sich die TERSAL von der Sonne und startete in den freien Raum. Viel zu träge beschleunigte das Ritterschiff, während die Sonne mit ihrer Gravitation daran zerrte. Währenddessen wurden die Schiffe des Gegners immer schneller, da diese die Anziehungskraft des Zentralgestirns zu ihrem Vorteil verwenden konnte.

»Hier spricht General Raktor«, erklang plötzlich eine Stimme über Funk in der Zentrale. Gal'Arn und Jaktar zuckten zu Tode erschrocken zusammen, nur Evspor schien wieder einmal aus Stein zu bestehen. »Sie halten sich widerrechtlich in der Galaxis Barym auf. Wir werden sie daher auf der Stelle verhaften. Schalten Sie Ihren Antrieb aus und lassen Sie unser Enterkommando an Bord. Andernfalls werden wir Sie abschießen.«

Zur Untermauerung seiner Forderung gaben einige Schiffe einen Warnschuss ab, die jedoch aufgrund der noch großen Entfernung hoffnungslos danebengingen.

Gal'Arn ignorierte es einfach. Stattdessen saugte sich sein Blick an den Anzeigen des Schiffes fest. Dort meldete die TERSAL die beiden nun bedeutendsten Werte – die Entfernung zum Gegner und die noch benötigte Zeit bis zum Eintauchen in den Hyperraum. Momentan standen dort 40 Millionen Kilometer und 30 Sekunden, eine sehr große und eine sehr kleine Zahl und doch wusste Gal'Arn, dass es extrem knapp werden würde.

30 Millionen Kilometer und 20 Sekunden. Die gegnerischen Schiffe begannen zu feuern, obwohl auf diese Distanz ein Zielen noch absolut unmöglich war. Nichtsdestotrotz würde ein eventueller Zufallstreffer das sofortige Ende der TERSAL und ihrer Insassen bedeuten, da die Schirme schon lange zugunsten des Antriebs abgeschaltet waren.

18 Millionen Kilometer und 10 Sekunden. Gal'Arn schloss die Augen. Alles Starren auf die Anzeigen brachte nichts, denn das konnte ihr Schicksal auch nicht mehr ändern.

Doch Jaktar las die Sekunden laut ab: »Zehn … neun … acht … Noch 13 Millionen … sechs … fünf … 8 Millionen … drei … zwei …«

Die Stimme des Orbiters versank in einem ohrenbetäubenden Knall. Gal'Arn wurde zu Boden geschleudert und verlor das Bewusstsein.

Als Gal'Arn wieder zu sich kam, wunderte er sich als erstes darüber, dass er sich überhaupt noch wundern konnte.

Er öffnete die Augen und stellte fest, dass er auf der Liebe in der Medo-Station lag. Dann kam Evspor in sein Blickfeld.

»Ja, wir leben noch«, teilte ihm der Nesjorianer überraschend freundlich mit. »Etwa eine halbe Sekunde vor dem Beginn des Hypertakts hat uns ein Schuss der Larsaar gestreift. Wir haben die Hyperfunk-Antenne und einige Waffen verloren. Ihr beide habt leichte Blessuren davon getragen, aber nichts Ernstes.«

Gal'Arn stöhnte. Ausgerechnet der Hyperfunk. In ihrer momentanen Lage war das praktisch gleichbedeutend mit tot.

Er teilte Evspor seine Bedenken mit.

»Keine Sorge«, meinte dieser. »In den vergangenen Stunden konnte ich nicht nur unsere schwerfälligen Verfolger abschütteln, sondern habe auch ein bewohntes System ausfindig gemacht, in dem sich offenbar zurzeit keine Larsaar-Schiffe befinden.«

»Nichts wie hin«, sagte der Ritter der Tiefe sofort.

Evspor nickte. »Wir befinden uns bereits im Landeanflug.«

Die Schmerzen ignorierend, schwang sich Gal'Arn von der Liege. »Dann wollen wir mal hoffen, dass wir auf dieser Welt nicht allzu stark auffallen.«

Er landete das Schiff mit aktiviertem Deflektorfeld in einer offenbar selten genutzten Ecke des Raumhafens, dann stiegen die drei ebenfalls unsichtbar aus.

Auf Antigravs verzichteten sie, um nicht noch mehr unnötig aufzufallen, selbst Evspor, der sonst eine Handbreit über dem Boden schwebte, stampfte auf seinen metallenen Füßen blechern vorwärts.

»Ich glaube nicht, dass wir uns so unbemerkt irgendwo anschleichen können«, kommentierte Jaktar die Schrittgeräusche des Kyberklons.

Daraufhin verstummten die Schritte. Alle trugen Antiflecks-Brillen, daher konnten Gal'Arn und Jaktar sehen, dass der Nesjorianer stehen geblieben war.

Als sie einige Schritte weiter gingen, folgte er ihnen nicht. So blieben die beiden Shagoer ebenfalls stehen.

»Was ist los?«, fragte Gal'Arn den Zurückgebliebenen.

»Wie Jaktar völlig korrekt bemerkt hat, sind meine Fortbewegungsgeräusche zu laut«, erklärte Evspor. »Normal schweben kann ich wegen der Ortungsgefahr nicht, also bleibt als einzige Möglichkeiten, auf den Händen weiter zu laufen oder stehen zu bleiben. Ich habe mich für letzteres entschieden.«

Gal'Arn starrte ihn absolut fassungslos an und fragte sich ernsthaft, welches Ende von ihm wirklich aus einer Blechdose bestand.

Jaktar hingegen seufzte übertrieben, nahm seinen Rucksack ab und wühlte darin herum. Schließlich zog er ein Paar dicke Wollstrümpfe heraus und reichte sie Evspor.

Gal'Arn verstand die Welt nicht mehr. »Was ist das?«

»Handgestrickt«, erläuterte Jaktar mit sichtlichem Stolz. »Du weißt doch, dass ich mir immer fast die Füße abfriere, wenn wir draußen übernachten müssen. Und als ich im Speicher der TERSAL eine Anleitung fand …«

»Und wieso sehe ich die jetzt zum ersten Mal?«, fragte Gal'Arn weiter, während sich Evspor die Strümpfe über die Fußblöcke streifte und dann praktisch lautlos weiterging.

Jaktar zuckte mit den Schultern. »Wann haben wir denn das letzte Mal unter freien Himmel geschlafen? Wir hatten doch immer die TERSAL. Jetzt allerdings …«

Gal'Arn blieb nur, den Kopf zu schütteln und den mittlerweile voraus gegangenen Nesjorianer zu folgen.

*

»Was zum Donnerwetter tun die da?«, fragte Jaktar.

Gal'Arn antwortete nicht, sondern beobachtete weiter das Geschehen. Am Rand des Raumhafens, direkt an der Übergangszone zur Stadt, hatten sie diese merkwürdige Gruppe bemerkt. Eine große Schar von entfernt humanoiden, aber vierarmigen Wesen – offenbar die einheimische Bevölkerung dieses Planeten – wurde von Larsaar-Wachen flankiert und einer nach den anderen zu einem Tisch geführt, wo einige Rytar die Wesen untersuchten und dann je nach Ergebnis in verschiedene Baracken weiterleiteten.

»Ich glaube, das ist eine Art Eignungstest«, sagte Evspor. »Die Rytar untersuchen die Einheimischen je nach körperlicher Neigung und sortieren sie danach. Schaut euch die Baracke ganz rechts an. Dort werden nur besonders kräftige Naturen hingeschickt.«

»Offenbar rekrutiert MODROR so seine Soldaten«, kombinierte Gal'Arn. »Und in die Baracke ganz links kommen die armen Schweine, die für nichts richtig zu gebrauchen sind.« Er wandte sich ab. »Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was denen bevorsteht.« »Also war dieser Planet doch keine so gute Wahl«, stellte Jaktar fest.

»Allerdings«, bestätigte der Ritter. »Früher oder später wird mit Sicherheit ein Schiff kommen und die neuen ›Rekruten‹ abholen. Wir sollten zusehen, dass wir bis dahin verschwunden sind.«

Nach dieser flogen sie noch mehrere andere Planeten anund überall bot sich ihnen dasselbe Bild. Offenbar war hier eine gigantische Kriegsmaschinerie im Gange und keiner der drei konnte sich so recht vorstellen, wie viele Soldaten dort rekrutiert wurden.

*

Erst nach Wochen erreichten sie eine Welt, in der keine Anwerbung im Gange war. Da dort sehr viele unterschiedliche Völker unterwegs waren, beschlossen sie, ohne Deflektoren die Stadt aufzusuchen. Lediglich die TERSAL blieb wie immer getarnt.

Der Planet war eine Wüstenwelt, daher verwunderte es die drei nicht, dass praktisch alle Gebäude aus Sandstein gebaut worden waren. Dennoch schritt Gal'Arn erstaunt durch die Straßen und beobachtete die geduckt und klotzig erscheinenden Bauwerke, die lediglich Türen und Fensterläden, jedoch keine Scheiben aufwiesen.

»Dort vorne gibt es so eine Art Taxi«, meinte da plötzlich Jaktar.

Der Ritter der Tiefe folgte dem Arm seines Orbiters und erkannte einige Rikschas, die jedoch nicht von einem Lebewesen, sondern von einem Roboter gezogen wurden. Sofort setzte er sich in Bewegung und nahm auf der Sitzbank Platz. Jaktar setzte sich daneben, während Evspor sich hinter der Rikscha postierte.

»Wir suchen einen Schrotthändler«, erklärte Gal'Arn dem Zugroboter. »Bitte bringe uns zu einem.«

»Oki oki«, machte der Roboter mit schnarrender Stimme und setzte sein Gefährt in Bewegung. Evspor schwebte mit konstantem Abstand hinterher.

Nach einigen Minuten erreichten sie ein Gebäude, vor dem Stapelweise ausgediente Roboter, Aggregate und auch einige funktionstüchtige Geräte gestapelt waren. Gal'Arn bezahlte die Kutschfahrt mittels einiger Münzen, die er von den zuvor besuchten Planeten mitgebracht hatte. Er steckte sie in ein davor vorgesehenes Fach des Roboters und wartete nervös. Dann akzeptierte der Automat zur allgemeinen Erleichterung die Zahlung und verschwand mit seiner Rikscha.

Der Besitzer des Schrott-Ladens hatte sie mittlerweile bemerkt. Er kam ihnen mittels zweier Flügel entgegen geflattert und ließ sich auf einem Sitz nieder. Gal'Arn bemerkte, dass die Beine des kleine Wesens nur schwach ausgebildet waren und Fliegen offenbar seine Hauptfortbewegungsweise war. Das Gesicht des Schrotthändlers, das von zwei großen Augen, einem Rüssel und zwei gammelig aus dem Mund herausragenden Zähnen dominiert wurde, grinste sie übertrieben freundlich an.

»Ah … Kundschaft!«, krächzte er in einem merkwürdigen Dialekt der Verkehrssprache Baryms. »Was kann ich für euch tun?«

»Wir suchen einen Hyperfunktauglichen Sendemast mit Howalgonium«, erklärte Gal'Arn.

»Howalgonium?« Der Händler stieg einen Meter nach oben und flatterte in Augenhöhe Gal'Arns auf der Stelle, dabei rieb er sich nachdenklich das Kinn und murmelte einige Worte in seiner Heimatsprache. »Das wird gar nicht billig …«

In den nächsten Minuten bekam er mehrere Mäste und ähnliche Stangen gezeigt, die jedoch alle nicht brauchbar waren. Als er bereits den Händler für seine Mühe danken und sich verabschieden wollte, kramte dieser plötzlich eine Antenne hervor, die von der Dicke und der Länge her wie für die TERSAL geschaffen zu sein schien.

Der Händler deutete den Ausdruck in Gal'Arns Gesicht sofort richtig. »Nur günstige 150.000 Baryms und sie gehört dir!«

»Ich werde das Geld besorgen und komme dann wieder«, erklärte Gal'Arn und verließ mit seinen beiden Begleitern den Laden.

Als sie außerhalb der Hörweite des Händlers waren, hielt es Jaktar nicht mehr aus. »Wie willst du das anstellen? Wir haben gerade mal eine Hand voll Münzen der in dieser Galaxis gültigen Währung!«

»Sei still, Orbiter!«, wurde er dafür sofort von seinem Meister gemaßregelt. »Sonst hört man uns noch! Mir wird schon was einfallen.«

Eine Zeit lang zogen sie ziellos durch die Straßen, bis sich Gal'Arn schließlich völlig in Gedanken versunken unter einen Schatten spendenden Baum niederließ. Wie man es auch drehte und wendete, es blieb ein schier unlösbares Problem. Würde sich der Händler vielleicht auf ein Tauschgeschäft einlassen? Vielleicht, aber so weit weg von Cartwheel und auf mittlerweile vieler Monate langer Mission waren die Ersatzteile an Bord der TERSAL wichtig wie nie. Sie konnten natürlich auch auf irgendeinen Asteroiden Erze abbauen und irgendwo veräußern, doch das würde viel zu lange dauern und der Mast bis dahin schlimmstenfalls schon weg sein. Davon abgesehen brauchten sie den Hyperfunk so schnell wie möglich, um weiter nach Hinweisen über Aurec forschen zu können.

Evspor riss Gal'Arn aus dessen Grübeleien. »Die Gestalt da vorne verfolgt uns schon seit dem Schrotthändler. Seit wir hier sitzen, lehnt er an dieser Hauswand und beobachtet uns unauffällig.«

Jetzt bemerkte auch Gal'Arn den humanoiden Verfolger, dem offenbar jetzt bewusst wurde, dass er enttarnt war und auf die Dreiergruppe zukam.

»Ihr seid nicht aus dieser Galaxis«, eröffnete er das Gespräch.

Gal'Arn fehlten für einen Augenblick die Worte. »Wie kommst du darauf?«

Der Fremde grinste. »Nun, so laut wie dein ›Orbiter‹ vorhin herum geschrien hat, konnte man das nicht überhören.« Er beugte sich vor und sprach bedächtig leise weiter. »Ihr müsst aufpassen. MODROR hat seine Augen und Ohren überall.«

»Demnach stehst du nicht auf der Seite des Herrschers von Barym?«, hakte der Ritter der Tiefe nach.

Der Fremde winkte ab. »Wer tut das schon? Vermutlich noch nicht einmal seine Larsaar-Soldaten, wenn er sie nicht einer Gehirnwäsche unterziehen würde. Aber leider tun praktisch alle nichts dagegen.«

»Aber du schon?«

Der Mann nickte begeistert. »Ich habe mich der geheimen Rebellion gegen MODROR angeschlossen, die eines Tages Barym befreien wird. Folgt mir, ich werde euch jemanden vorstellen!«

 

Durchbruch zum Sternenportal

»Gut, jetzt wissen wir also, wie ihr auf die Rebellion getroffen seid«, unterbrach Posny den Ritter der Tiefe ein zweites Mal. »Gehe ich recht davon aus, dass die uns begleitenden Schiffe die gesamte ›Streitmacht‹ der Rebellion unter diesem Atusar namens Banternach ist?«

Gal'Arn nickte.

»Und sehe ich das ebenfalls richtig, dass seit dem Zusammentreffen mit diesem Banternach nichts Besonderes mehr passiert ist?«

»Nun … wir haben fast ein ganzes Jahr hier verbracht, um …«

»Gut!« Posny tat, als wäre Gal'Arn mit seinem Bericht fertig. »Angesichts der Berichte über MODRORs Soldatenrekrutierungen bitte ich noch einmal ausdrücklich darum, dass wir sofort nach Cartwheel zurück fliegen und diese wertvollen Informationen überbringen. Wer ist dafür?«

Zögernd hoben sich nach und nach die Hände. Mit leichtem Entsetzen stellten Tania Walerty, Ben Strout und Sandal Tolk fest, dass sie nunmehr die einzigen waren, die gegen den Vorschlag stimmten.

»Geschätzte Frau Posny …«, begann Strout, wurde aber von der Kommandantin der NIMH sofort unterbrochen.

»Als ob Sie mich schätzen würden!«, fauchte sie.

»Kommandantin«, machte der Ezialist einen neuen Anlauf. »Sicherlich ist es wichtig, die Informationen nach Cartwheel zu bringen. Aber kommt es jetzt noch auf ein paar Tage mehr oder weniger an? Wir wissen, dass Aurec lebt. Wir müssen ihn finden und retten. Wie wäre es, wenn wir nicht nur die Informationen über MODRORs Wohnzimmer, sondern auch noch das Oberhaupt der Saggittonen mit nach Hause bringen können?«

»Das lassen die Vorschriften nicht zu. ›Schnellstmöglich‹ heißt schnellstmöglich und nicht erst in ein paar Wochen, wenn wir gerade Lust dazu haben. Im Übrigen sind Sie, geschätzter Herr Strout, kein offizielles Mitglied der Crew und können mich höchstens in meinen Entscheidungen beraten, mir aber nicht in die Belange des Schiffes reinreden.«

»In diesem Fall möchte ich auch kein inoffizielles Mitglied der Mannschaft mehr sein und wechsele auf die TERSAL über«, erklärte Strout.

»Und ich quittiere hiermit meinen Dienst!«, schlug Tania in dieselbe Kerbe.

Sandal Tolk donnerte seine Axt auf den Boden und grollte zustimmend.

Posny zuckte mit den Schultern. »Wie ihr wollt, dann bleibt halt hier.«

Banternach trat vor. »Es tut mir Leid, dass ihr mit eurem Schiff nicht die Rebellion unterstützen wollt, doch wenn ihr dann mit Verstärkung zurückkehrt, sucht bitte unseren Stützpunkt auf.«

Er nannte Posny die Koordinaten, die diese reichlich unwillig entgegen nahm.

Anschließend klatschte sie in die Hände. »Würden jetzt bitte alle Nicht-Crew-Mitglieder das Schiff verlassen? Bugh, Sie nehmen ab jetzt Walertys Stelle als Schiffsoffizier ein.«

Erst jetzt wurde Tania Walerty richtig bewusst, dass sie soeben ihren Dienst quittiert und praktisch aus der Insel-Armee desertiert war, doch dann sagte sie sich, dass dies immer noch besser war, als weiter an diesem Schiff Dienst tun zu müssen.

Gemeinsam mit den anderen verließ sie den Konferenzraum, packte in Windeseile ihre Habseligkeiten und suchte die Schleuse auf, an der die TERSAL angedockt hatte.

Nach der letzten Biegung zur Schleuse stieß sie plötzlich mit jemand zusammen. Ihr Koffer polterte zu Boden und entleerte sich.

»Oh – oh. Das tut mir aber leid!« Sofort bückte sich die Person, auf die sie geprallt war, und sammelte hastig die Sachen auf und stopfte sie in den Koffer.

Erst jetzt erkannte Tania ihn. »Juff? Juff Ikudolf?«

Vor Schreck ließ der Angesprochene die Hefte einer bekannten Science-Fiction-Serie fallen, die er gerade aufgehoben hatte.

»E… – es ist gar nichts passiert«, stammelte Juff mit einem verschwitzten Lächeln und langte nach einer Bluse, die er durch Ausklopfen von imaginärem, Staub zu befreien versuchte. Leider verknitterte er den Stoff dadurch völlig, was Tania überhaupt nicht gefiel.

»Juff, ich kann meine Sachen auch selbst aufsammeln!«, zischte sie und riss ihm die Bluse aus der Hand.

Dann versuchte sie zu retten, was noch zu retten war, aber leider ließen sich die Falten nicht mehr heraus streichen. Tania seufzte. Hoffentlich hatte Gal'Arn einen Bügelrobot an Bord.

»Was tust du überhaupt hier?«, wandte sie sich wieder an den Tollpatsch. »Warst du nicht irgendwie Aushilfe bei der Bordreinigung?«

Juff Ikudolfs Gesicht begann rot anzulaufen. »Ersatzaushilfe, aber die Kommandantin meinte, ich würde zu viel kaputt machen und hat mir befohlen, das Schiff auf der Stelle zu verlassen … Nun ja … Aber dass ich ausgerechnet dich hier …«

Ikudolf stockte und starrte ein Objekt aus Tanias Habseligkeiten an, die immer noch größtenteils auf dem Gang verstreut lagen. Sie folgte seinem Blick und erkannte, dass er ihre Holo-Dessous mit Spezialeffekten entdeckt hatte. Mit atemberaubender Geschwindigkeit ließ sie diese in ihrem Koffer verschwinden und stopfte nun selbst den Rest wie Juff zuvor einfach nur hektisch in die Tasche.

Erst als alles verschwunden war, fühlte sie sich besser, dennoch blieb das Gefühl, peinlich getroffen zu sein. Jetzt erst fiel ihr auf, dass Juff offenbar gar nichts verloren hatte.

»Wo ist eigentlich dein Gepäck?«

Ikudolf starrte verlegen seine Fußspitzen an. »Alles kaputt gegangen …«

»Du hast gar keine Anziehsachen?«

»Doch, das schon!«

Juff zog sein Hemd etwas nach oben, sodass Tania sehen könnte, dass er darunter noch mehrere Schichten anderer Kleidung trug. Fassungslos blieb ihr Mund offen stehen. Das hatte sie dann doch nicht erwartet.

In diesem Moment vernahmen beide ein Poltern und Scheppern, das schnell näher kam. Kurze Zeit später, kam ein riesiger Berg an Waffen um die Ecke gestampft. Die ehemalige Offizierin der NIMH brauchte einige Augenblicke, bis sie inmitten all der Äxte, Keulen, Bögen und Schwerter tatsächlich Sandal Tolk erkannte. Kleidung schien er offenbar gar keine zu besitzen, wenn das seine gesamten Habseligkeiten waren.

Bisher hatte sie immer gedacht, mit ihrem Besitz, der in gerade einmal einen Zwei-Kubikmeter-Koffer passte, sehr sparsam zu leben, aber diese beiden Fälle riefen einfach nur Entsetzen bei ihr hervor. Konnten Männer wirklich mit so wenig Kleidung und Utensilien leben? Mit Schaudern erinnerte sie sich an Peter de la Siniestros Kleiderhaufen, wie sie ihn in der Militärstation kennen gelernt hatte.

In diesem Moment erreichte auch Ben Strout als letzter den Schleuseneingang. Zu Tanias Genugtuung schob er einen ebenso großen Koffer wie sie selbst vor sich her. Er nickte kurz und ging dann einfach an den anderen vorbei in die TERSAL.

»Hey, warte«, rief jemand.

Tania drehte sich um. Es war Jenny Taylor.

»Ich wollte dir viel Glück wünschen«, sagte die Medizinerin mit einer Mischung aus Traurigkeit und Aufmunterung.

»Willst du nicht mitkommen?«, fragte Tania.

»Ich würde gerne. Aber zwei Dinge hindern mich daran. Die Crew der NIMH braucht einen Arzt. Und wenn wir wieder in Cartwheel sind, habe ich vielleicht die beste Chance, eine schnelle Expedition nach Barym einzufordern, wenn ich erst einmal mit Admiral Jeamour gesprochen habe.«

Tania seufzte. Sie hätte Jenny Punkt 2 durchaus ausreden können. Wenn der Versuch durch das Portal zu fliegen, fehlschlug, würde Posny zu ihrem ersten Plan zurückkehren und den langen Weg nach Cartwheel nehmen. Das würde Jahre dauern. Sicher wäre Jenny in diesem Fall auf der TERSAL hilfreicher. Doch ihre Pflicht gegenüber den potenziellen Patienten würde Jenny nicht vernachlässigen. So gaben sich beide Freundinnen eine Umarmung als Abschied.

Tania Walerty verließ nun ebenfalls die NIMH. Sie blickte nicht zurück.

*

Nicola Posny hatte ziemliche Mühe, ihre hervorragende Laune vor der restlichen Mannschaft zu verbergen. Nach außen hin war sie die unnahbare und strenge Kommandantin – doch innerlich führte sie Freudentänze auf, weil nicht nur diese rechthaberische und aufmüpfige Walerty, sondern auch der nervende Strout und diese Urzeitkreatur ihr Schiff verlassen hatten.

Dass Ikudolf auch gegangen war, stellte einen zusätzlichen Triumph dar. Zwar hatte sie den Tollpatsch seit der Zwangsversetzung zur Ersatzaushilfe der Bordreinigung nicht mehr gesehen, doch schmerzte die Erinnerung an die sprichwörtlichen Zusammentreffen noch sehr.

Blieben als störende Subjekte an Bord nur noch diese Emma Lian und ihr durchgeknallter Roboter Mel sowie die Bordärztin Jennifer Taylor, die Busenfreundin von Tania Walerty.

Zufrieden steckte sie sich eine Zigarette an und beobachtete die Zentralbesatzung, die es nicht wagte, dagegen auch nur mit einen unwilligen Blick zu reagieren. Posny rauchte gern – und viel, zu jeder Gelegenheit. Zwar hatten die Zigaretten des 13. Jahrhunderts der Neuen Galaktischen Zeitrechnung kaum noch etwas mit ihren Vertretern vor Jahrtausenden gemeinsam, da sie absolut teer- und nikotinfrei waren, doch war Rauchen immer noch verpönt, da der Rauch andere störte und oftmals auch zum Husten brachte.

In der Zentrale hustete niemand. Notfalls hätten sie sich den Kehlkopf heruntergeschluckt. Nicola wusste dies und steckte sich wohl wissend eine weitere Zigarette an. Sollten sie doch merken, wer hier der Chef war.

»Wir haben jetzt unseren Orientierungspunkt zwischen Barym und der Verbotenen Zone erreicht.«

Dieser Bericht des Piloten Mick Shumh überraschte Posny total, die immer noch in Gedanken versunken gewesen war. Erschreckt zuckte sie zusammen und verteilte dabei aus Versehen Asche auf ihren Oberschenkeln.

Scharf blickte sie um sich, aber von den Anwesenden hatte niemand das Malheur bemerkt oder sie verbargen es.

»Mir gefällt dieser Name ›Verbotene Zone‹ nicht«, sagte sie daher und wedelte mit ihren Armen umher. Insgeheim versuchte sie dabei, die Asche vom Stoff zu wischen, doch leider hatte die Glut schon Löcher in den Stoff gebrannt. Sie unterdrückte einen Fluch. »Wie wäre es mit MODRORs Castle?«, meinte der Erste Offizier Ekkifred Lanson.

»Ja … Gute Idee …«, murmelte Posny, ganz in die Löcher versunken. Erst dann registrierte sie den Ausspruch bewusst. Sie blickte auf. »Was? So ein Blödsinn! Wir nennen die Galaxis MODRORs Secret! Wiffen, orten! Ich bin gleich wieder da.«

Schnell, aber nicht auffällig hastig verließ sie die Zentrale. Als sich das Schott hinter ihr geschlossen hatte, konnten einige ihr Grinsen nicht mehr unterdrücken.

*

Als der Interkom wieder summte, waren exakt zwei Stunden vergangen. Insgeheim zollte Shul'Vedek seinen Untergebenen Anerkennung für diese schnelle Arbeit, doch bevor er den Anruf entgegen nahm, setzte er wieder die Maske des überlegenen Generals auf.

»Ja, Oberst?«

»Wir konnten einen Funkspruch der Rebellen entschlüsseln, demzufolge neue Verbündete angekommen und auf dem Weg in die Zentralbasis sind.«

»Aha … Und wo ist diese Zentralbasis?«

Der Assistent druckste herum. »Das … Äh … Wissen wir nicht …«

Innerlich nahm der General seine Anerkennung wieder zurück und seine Verärgerung zeigte er offen. »Was seid ihr bloß für ein unfähiger Haufen? Seit Jahren sucht ihr vergeblich die Basis, aber zum Erkennen, dass Verstärkung eingetroffen ist, braucht ihr nur zwei Stunden?«

Wenn den Oberst dieser Tadel traf, dann zeigte er das nicht. Gelassen blickte er weiter dem General entgegen.

»Ist sonst noch etwas?«, fragte dieser daher unwillig.

Der Adjutant nickte lächelnd. »Wir haben das Kugelschiff orten können. Es bewegt sich gerade von Barym aus in Richtung Verbotene Zone.«

Shul'Vedeks Körper versteifte sich vor Schreck. Blitzschnell stützte er sich mit dem Schwanzende ab, um nicht umzukippen. »Das sagst du mir jetzt erst? Mobilisiere sofort die Flotte; den holen wir uns!«

*

Als Nicola Posny zurückkehrte, wunderte niemand, dass sie nun statt dem Uniform-Rock eine abgenutzt erscheinende Hose unter demselben Oberteil wie eben trug. Dieses ausgesprochen hässliche Kleidungsstück stellte so etwas wie ihre Freizeitkleidung dar, in der sie praktisch nie gesehen wurde. Höchstens, wenn sie aus ihrem Garten kam, den es Gerüchten zufolge irgendwo an Bord der NIMH geben sollte.

»Wiffen, Bericht!«, zischte sie und ließ sich auf ihren Sitz sinken. Auf die eigentlich obligatorische Zigarette verzichtete sie diesmal.

»Die ganze Verbotene … Äh … Ganz MODRORs Secret ist von einer Flotte aus Kriegsschiffen umgeben. Die Zahl muss in die Millionen gehen.«

»Und …? Seit wann kann man dieses … Problem nicht mehr durch einen kurzen Hyperraumflug umgehen?«

»Nun, vor allem im Sektor des Sternenportals wimmelt es nur so vor Raumschiffen.«

Das war in der Tat ein Problem, aber Vorschriften waren Vorschriften.

»Shumh, kennst du die Frosch-Taktik?«

»Frosch-Taktik?«

»Na, ganz einfach.« Posny legte die Zigarettenschachtel auf die linke Armlehne, dann streckte sie den linken Arm aus, während der rechte im rechten Winkel darauf zeigte. »Das rechts sind wir, das in der Mitte unsere Gegner. Wir führen einfach eine kurze Hyperraum-Etappe durch …« Sie führte die rechte Hand im hohen Bogen über ihren linken Arm. »… und kommen dann genau da raus, wo wir hin wollen.« Zielsicher landete die Hand auf der Zigarettenschachtel und fischte eine heraus.

Mick Shumh nickte. »Das klassische Kasom-Manöver.«

»Mir ist egal, wie ihr Piloten das nennt. Durchführung!«

*

»Sie versuchen die Heuschrecken-Taktik«, stellte der Oberst fest.

General Shul'Vedek gähnte ausgiebig. »Wie langweilig …«, meinte er geistesabwesend. »5D-Blocker! Aber schießt nicht zu heftig, wir haben noch etwas vor.«

Etwa fünf Sekunden vor Eintreffen am Ziel fand sich die NIMH übergangslos im Normalraum wieder – mitten in der gegnerischen Flotte. Sofort würde sie von allen Seiten beschossen. Die Schutzschirme glühten auf.

»Sie müssen so eine Art Barriere aufgebaut haben!«, schrie die Ortungsoffizierin Wiffen durch den Lärm der auf Überlast laufenden Maschinen.

»Shumh! Volle Beschleunigung, wir versuchen durchzubrechen!«, antwortete Posny.

»Kommandantin, bei allem Respekt, aber das ist Wahnsinn!«, sagte Lanson.

»Ruhe! Keine Diskussion. Meine Befehle werden ausgeführt.«

»Wir sind viel zu weit vom Sternenportal entfernt!«, widersprach der Erste Offizier ein weiteres Mal. »Wir werden das nicht überleben. Noch können wir tangential zur Barriere beschleunigen und in den Hyperraum fliehen.«

Posny stand kurz vor der Raserei. Wenn die Sicherheitsprallfelder sie nicht in ihrem Sitz gehalten hätten, wäre sie aufgestanden und hätte dem vermeintlichen Deserteur eine gescheuert. Als sie sehen musste, wie dieser Shumh sie anblickte und dieser dann tatsächlich nickte und floh, verlor sie in der Tat die Fassung. So laut sie konnte, schrie sie die Zentralbesatzung zusammen, doch niemand nahm Notiz. Erst als die NIMH in den Hyperraum wechselte und der Maschinenlärm urplötzlich verschwand, verstummte auch sie.

Lanson nutzte die kurze Pause. »Syntron, wie hoch war die Auslastung der Paratrons zuletzt?«

»Drei der fünf Staffeln ausgefallen, die letzten beiden um 348% überlastet.«

»Wie lange hätten sie noch standgehalten?«

»Eins-Komma-drei Sekunden.«

Zynisch blickte er die Kommandantin an, die böse zurück starrte. Dennoch musste sie zugeben, dass er richtig reagiert hatte.

»Dennoch müssen wir auf schnellsten Wege nach Cartwheel zurückkehren und die Informationen überbringen«, stellte sie unbeeindruckt fest. »Wenn nicht durch das Sternenfenster, dann eben auf konventionellem Wege.«

»Aber bei unserem Überlichtfaktor würde das Jahre dauern!«, gab Shumh zu bedenken.

»Nach Ihrer Meinung habe ich nicht gefragt, Herr Shumh«, stellte die Kommandantin klar. »Die Vorschriften besagen, dass wir nach Beendigung unserer Mission auf der Stelle nach Paxus zurückkehren sollen, und daran werde ich mich halten.«

»Die Vorschriften sagen aber auch, dass eine Entscheidung der Kommandantin durch ein einstimmiges Veto der Offiziere aufgehoben werden kann«, widersprach Ekkifred Lanson. »Und im Gegensatz zu dir bin ich der Meinung, dass unsere Mission noch nicht beendet ist, denn wir wissen immer noch nicht, was mit Aurec ist.«

Posny verdrehte die Augen. »Du hast doch auch Gal'Arns Bericht gehört. Aurec wurde von Goshkan aufgespießt. Kennst du die Aussagen von Jonathan Andrews bezüglich Goshkans Vorlieben? Ja? Na, dann wirst du ja wohl wissen, welche Überlebenschancen Aurec gehabt hat.«

»Da unsere Ansichten völlig unvereinbar sind, bitte ich um eine Abstimmung der Offiziere«, erklärte Lanson und hob bereits die Hand. »Servo, bitte zu Protokoll nehmen, wer für meinen Vorschlag stimmt.«

Die Ortungschefin Kyrsten Wiffen hob sofort die Hand, unmittelbar gefolgt von ihrem Mann Klavus Wiffen, der für die Maschinen an Bord zuständig war, und dem Piloten Mick Shumh. Der Feuerleitchef Emil Bromssen überlegte nur kurz und gab dann ebenfalls seine Zustimmung zu Lansons Plan. Auch die neu in den Offiziersrang aufgestiegene Funkleiterin Bugh gab ein positives Handzeichen.

Der ruhige Afroterraner Kulumbri Waspesi, der als Sicherheitsoffizier in letzter Zeit nicht viel zu tun gehabt hatte, tat sich mit seiner Entscheidung sichtlich schwer. Unsicher blickte er von einem zum nächsten. Erst als er den triumphierenden Blick der Kommandantin Nicola Posny begegnete, hob er ebenfalls die Hand.

»Ich stelle fest, dass die Entscheidung des Ersten Offiziers per Mehrheitsbeschluss nach Paragraph 47 angenommen wurde«, teilte der Bordsyntron völlig überflüssigerweise mit.

Posnys Miene gefror. Sie wirbelte herum und verließ die Zentrale.

Lanson stieß die aufgestaute Luft aus und ließ sich dann in den Kommandantensitz sinken. »Mick, bringe uns zum vereinbarten Treffpunkt«, sagte er mit schwerer Stimme.

Dann legte er den Kopf zwischen die Hände. Ihm war bewusst, dass sie es sich nun alle – und vor allem er – ein für alle Mal mit der Kommandantin verscherzt hatten. Von nun an würde sie ihren undurchdringlichen Eispanzer nur noch verstärken und auf den kleinsten Vergehen herumreiten. Aber andererseits – und darauf kam es wirklich an – hatten sie den wahnwitzigen Vorstoß zum Sternentor überlebt.

 

 

 

 

Rückkehr nach Barym

Als die NIMH das vereinbarte Sonnensystem erreichte, war die Kommandantin immer noch nicht in die Zentrale zurückgekehrt. Die Stimmung ruhte auf dem absoluten Tiefpunkt und niemand sprach ein Wort.

Mit einem lauten Seufzer aktivierte Ekkifred einen Funkkanal zur TERSAL. »NIMH an TERSAL, leider konnten wir nicht zum Sternentor durchbrechen und sind daher …«

Als das absolut entsetzte Gesicht Gal'Arns auf dem Panoramaschirm auftauchte, schwieg er überrascht.

»Habt ihr denn völlig den Verstand verloren?«, flüsterte der Ritter der Tiefe, sichtlich um Fassung bemüht.

»Ich verstehe nicht …«

Doch dann verstand der Erste Offizier, als Tausende von Larsaar-Schiffen im System der kleinen roten Sonne materialisierten und sofort das Feuer auf alles eröffneten, was sich bewegte.

Mit einem Auge sah er, wie die TERSAL Koordinaten eines Treffpunktes übermittelte, mit dem anderen beobachtete er Mick Shumh, der verzweifelt Ausweichmanöver flog.

Dann flog eine Gießkanne über ihn und er wurde unsanft aus dem Sitz gestoßen.

Mit einem Blick erfasste Nicola Posny die Situation. Immer noch in »Freizeitkleidung« warf sie sich in ihrem Sitz. »Shumh, großer Bogen um den Asteroiden dort, Deckung nutzen! Emil Bromssen, alle Geschütze auf das Schiff in Sektor 3/7!«

Die beiden bestätigten und führten die Befehle aus, als wäre vor einigen Stunden nie etwas geschehen. Kurze Kommandos und Bestätigungen wurden durch die Zentrale gerufen, und keine ganze Minute später war ein Feindschiff zerstört und die NIMH im sicheren Hyperraum.

Jetzt erst wandte sich die Kommandantin an Lanson, der schluckte. »Ort-ungs-schutz! Weg ver-schlei-ern!«, bläute sie ihm die Begriffe silbenweise ein, als wäre er in der 1. Klasse.

Dann sah sie aber völlig untypisch doch von einer längeren Standpauke ab und wandte sich stattdessen an Shumh. »Wir machen das genauso wie bei der Flucht vor General Raktor.«

»Jawohl.«

»Diesmal müssen wir aber unsere Spur besser verschleiern. Fliege möglichst nahe an Hyperstrahlern wie Sonnen, H II-Wolken und Schwarzen Löchern vorbei. Wiffen!«

Die Angesprochene reagierte sofort. »Hier in der Nähe gibt es eine große Wasserstoff-Zwei-Wolke …«

»Koordinaten an Bordsyntron übermitteln, Autopilot.«

Erleichtert nahm Mick die Hände von den Kontrollen und massierte die Handgelenke. Die nächsten Überlicht-Etappen waren nun nicht mehr seine Aufgabe.

Gespannt verfolgte die Besatzung, wie die NIMH einige Male scheinbar unmotiviert die Hyperetappe beendete und dann in einer anderen Richtung fortsetzte. Dann füllte übergangslos ein tiefes Rot die Außenbildschirme.

»Irgend eine Sternentstehungszone in unserer Umgebung?«

»Zwei Lichtsekunden voraus«, meldete Kyrsten.

»Auf geht's!«

Mick griff nach den Kontrollen und steuerte den Forschungsraumer genau in das angewiesene Gebiet.

»Außentemperatur?«, fragte Posny kurz.

»Dreißigtausend Kelvin.«

»Das hält die Außenhülle aus«, stellte Posny fest. »Alles abschalten!«

Übergangslos befanden sich die Besatzungsmitglieder in völliger Dunkelheit.

»Jetzt heißt es warten«, stellte Kyrsten Wiffen fest.

Niemand antwortete.

*

General Shul'Vedek tobte. Vor einem Moment hatte er sich noch an der militärischen Spitze Baryms gesehen, und nun schien sich sein Traum in Luft aufzulösen. Er stützte sich mit den muskulösen Armen ab und umschlang mit seinem Schwanz den Hals seines Assistenten. Unbarmherzig drückte er zu.

»Ihr habt sie schon wieder entkommen lassen!«, schrie er außer sich.

Der Oberst rang verzweifelt nach Luft. Dazu krächzte er etwas. Kurz bevor er ohnmächtig werden konnte, ließ der General ihn los. Keuchend holte er Luft und rieb sich den Hals.

»W – wir …«, keuchte er.

»Was?«, zischte Shul'Vedek.

»Spur … H II-Wolke …«

»Ach, so ist das«, stellte Shul'Vedek fest. »Ihr habt ihre Spur in einen Wasserstoff-Nebel verfolgt?«

Der Assistent nickte und atmete rasselnd.

Shul'Vedek klopfte ihn aufmunternd auf die Schulter. »Na, wenn das so ist, ist ja alles halb so schlimm!«

Nur wenige Minuten später erreichte das Flaggschiff Shul'Vedek den betreffenden Emissionsnebel. Zufrieden stellte er fest, dass seine Flotte das Gebiet bereits umzingelt hatte.

»Und sie sind ganz sicher dort drin?«, erkundigte er sich.

Der Oberst hatte sich von der Attacke immer noch nicht völlig erholt, daher beschränkte er seine Antwort auf ein schlichtes Nicken.

»Gut …« Zufrieden rieb der General seine Hände. »Feuer aus dem Thermogeschützen!«

Sofort setzte ein Strahlengewitter auf die Wolke ein. Zunächst beobachtete Shul'Vedek begeistert das Feuer, dann wurde er jedoch zusehends ungeduldiger.

»Wieso explodiert sie nicht?«, schrie er seinen Assistenten an, als würde er ihn persönlich dafür verantwortlich machen.

»General?«, fragte dieser verwundert zurück und bekam das Wort sogar einigermaßen heraus.

Shul'Vedek ruderte wild mit den Armen und der Schwanzspitze. »Diese ganze Wolke besteht doch aus Wasserstoff!«

»Ja«, musste der Oberst zugeben.

»Wasserstoff ist brennbar!«

»Damit Wasserstoff brennen kann, muss aber Sauerstoff vorhanden sein«, erklärte der Assistent seinem Vorgesetzten, »und den gibt es im freien Weltall nicht.«

General Shul'Vedek hielt übergangslos in seinen Bewegungen inne. »Wirklich?«

»Ja.«

»Das wusste ich natürlich«, erklärte der General laut und fragte dann leise seinen Adjutanten: »Aber eine Möglichkeit muss es doch geben.«

Der Oberst hob die Hände. »Diese Wolken ballen sich zusammen und bilden Sterne. Das entspricht in nächster Nähe etwa der Wirkung einer gigantischen Wasserstoff-Bombe.«

»Dann ballt diesen verdammten Nebel eben zusammen!«, zischte Shul'Vedek gefährlich leise.

»Das … das …«, stammelte der Oberst ängstlich. »Das können wir nicht. Selbst all unsere Gravitationsbomben würden bei dieser Größe von mehreren Lichtjahren Durchmesser nichts bringen. Viel zu groß!«

Shul'Vedek fixierte seinen Assistenten mit einem gefährlichen Blick und ließ wie beiläufig seinen Schwanz näher an ihn heran gleiten.

Im Gesicht des Obersts arbeitete es. Fieberhaft arbeitete er an einer Lösung.

»Ballungszonen!«, rief er dann erleichtert, als sich der Schwanz Shul'Vedeks schon fast wieder um seinen Hals gelegt hatte.

Der General zog ihn zurück. »Ballungszonen?«

»Ballungszonen sind Gebiete, in denen sich das Gas zusammenballt und neue Sterne bildet«, sprudelte das Wissen aus dem Oberst heraus. »Wenn wir dort unsere Gravitationsbomben platzieren, könnte es klappen.«

»Könnte?«, fragte Shul'Vedek scharf.

»Ganz sicher«, beeilte sich der Assistent zu versichern.

»Dann los!«

Der Oberst glitt davon. Als Kommandant des Schiffes gab er die benötigten Befehle. Er beorderte die großen Kriegsschiffe, die als einzige mit Gravitationsbomben ausgestattet waren, in das geeignete Gebiet und ließ dann alle gleichzeitig ihre Waffen abfeuern. Anschließend brachte er die Schiffe aus der Gefahrenzone.

Gespannt warteten alle ab. Zunächst tat sich nichts, doch nach einigen Minuten – als Shul'Vedek gerade ungeduldig zu werden begann – entstand in der Wolke plötzlich ein helles Leuchten, das sehr schnell an Größe und Intensität gewann.

Rund eine Stunde später änderte sich an der Größe nichts mehr.

»War dies alles?«, erkundigte sich der General wie beiläufig.

»Wir können dies in den anderen geeigneten Zonen wiederholen.«

»Auf geht's!«

*

Einen halben Tag später waren alle potenziellen Ballungszonen künstlich zu Sonnen gemacht worden, doch wütend stellte Shul'Vedek fest, dass immer noch der größte Teil der Wolke davon unbeeinflusst war.

»Was, wenn sie sich dort aufhalten und sich die ganze Zeit ins Fäustchen lachen?«, tobte er.

»Wir haben die Gebiete gescannt.«

Der General wollte sich nicht beruhigen. »Ich weiß genauso wie du, dass unsere Masse-Taster bei dieser gigantischen Menge an Wasserstoff unmöglich ein kleines Raumschiff orten können!«

»Schon, aber Hyperstrahlung ist zwar immer schon schwer, aber schon viel einfacher zu orten. Da wir nichts angemessen haben, heißt dies, dass sie alle Aggregate oder zumindest die Schutzschirme abgeschaltet haben.«

Shul'Vedek wurde wieder hellhörig. »Demnach müsste sie die Sternentstehung ganz schön erwischt haben.«

Sein Assistent nickte. »Entweder hat es sie schon erwischt, oder sie sind schwer angeschlagen. So schwer angeschlagen, dass die Gravitation der Sonnen sie früher oder später anziehen und hinein stürzen lassen wird. Wir können jetzt in aller Ruhe den Nebel durchkämmen und nach ihnen oder ihren Überresten suchen.«

Auf einen Wink des Generals hin setzte sich die Flotte in Bewegung.

*

Mit aller Technik war natürlich auch die künstliche Schwerkraft abgeschaltet worden, so war jeder an Bord der NIMH damit beschäftigt, möglich in seinem Sitz zu bleiben. Dazu war die Anspannung so groß, dass sich keiner ein Wort zu reden traute.

Plötzlich flammte eine kleine rote Lampe inmitten der absolut finsteren Zentrale auf. Sofort wollen alle Blicke wie magisch von der Kontrollleuchte angezogen.

»Was hat das zu bedeuten?«, erkundigte sich Posny.

Kyrsten Wiffen, die am nächsten dran war, hangelte sich im Dunkeln zu der Konsole und entzifferte mühsam die Beschriftung neben dem Licht.

»Höllibatzung«, las sie laut vor.

»Bitte was?«

»Ich kann das hier im Dunkeln praktisch nicht lesen«, schimpfte die Ortungsoffizierin. »Tut mir Leid.«

Man hörte ein Seufzen, dann ein Rumpeln. Schließlich flammte vom Kommandantensitz aus eine Taschenlampe auf.

»Ich wusste, dass ich sie eines Tages brauchen würde«, murmelte Posny und leuchte in Richtung des Lämpchens.

»Ja, jetzt geht es«, stellte Wiffen freudig fest. »Hüllenüberhitzung.«

»Was?«

»Hüllenüberhitzung«, wiederholte Wiffen lachend. »Ich kann es jetzt wunderbar lesen … Oh!«

»›Oh‹ ist wohl etwas untertrieben«, stellte Lanson zynisch fest.

In diesem Moment aktivierte sich eine weitere Lampe, diesmal in leuchtendem Gelb.

»Gammastrahlung«, las Wiffen vor.

Posny fluchte und aktivierte per Tastendruck die Notsysteme. »Passivortung!«

Wiffen stieß sich ab und schwebte für ihren fülligen Körper grazil zu ihrem Platz zurück.

»Um uns herum verdichtet sich der Wasserstoff rapide«, stellte sie wenig später fest. »Die Temperatur und Strahlung steigen sehr schnell an. Die Gammastrahlung wird momentan noch von der Außenhülle absorbiert. Momentane Außentemperatur … 90.000 Kelvin!«

»Das ist viel zu hoch!«, rief Posny. »Wir haben doch keine Ynkelonium-Panzerung!«

Kurz entschlossen aktivierte sie die Aggregate und hüllte die NIMH in einen HÜ-Schirm. »Schäden? Ortungsgefahr?«

»Beides negativ«, teilte Wiffen mit. »Noch einmal Glück gehabt, denn die neu entstehende Sonne schirmt uns hypertechnisch einigermaßen ab.«

»Neu entstehende Sonne?« Posny glaubte, sich verhört zu haben.

»Ich weiß nicht, wie die Larsaar das geschafft haben, aber der Wasserstoff um uns herum kollabiert und wir werden genau in das Zentrum der neuen Sonne gezogen.«

»Das würden wir sogar mit Paratron nicht überstehen!«

»Exakt.«

Nicola Posny hasste solche Situationen. »Reicht der Ortungsschutz dieser Baby-Sonne, wenn wir genau aufs Zentrum beschleunigen und dann in den Metagrav gehen?«

Von allen Seiten wurde sie entsetzt angestarrt.

Schließlich antwortete der Computer: »Nur wenn in den letzten Sekunden der Paratron aktiviert wird, um die enorme Hitze und Strahlung aufzuhalten.«

»Ortungsgefahr?«

»Möglich.«

Daraufhin lernte die Zentralbesatzung wieder einige neue Begriffe aus dem schier unerschöpflichen Schimpfwort-Repertoire ihrer Kommandantin kennen.

»Syntron, NIMH in Autosteuerung übernehmen. Bitte lege die komplette Besatzung in Tiefschlaf, damit es trotz abgeschalteter Andruckabsorber nicht zu Schäden kommt. Alle Crew-Mitglieder werden notfalls per Prallfelder geschützt.«

»Verstanden«, hörte man den Computer noch, dann erklang ein Zischen in der Zentrale und alle gaben den plötzlich unwiderstehlichen Wunsch nach Schlaf nach.

 

Der Funkspruch

»Wir haben soeben einen Paratron-Schirm geortet!«

»Wo?«, fragte General Shul'Vedek sofort.

»Genau im Inneren der zuletzt gezündeten Sonne.«

Der General schlug auf seine Armlehne. »Also sind sie uns wieder entkommen!«

»Da wäre ich nicht so sicher«, widersprach sein Assistent. »Wir konnten zwar kurzzeitig den Paratron anmessen, aber das war genau im Inneren der Sonne. Außerdem haben wir keinerlei Hinweise auf ein Hyperraum-Triebwerk finden können.«

»Also hat's sie erwischt?«

Der Oberst nickte.

Da glaubte Shul'Vedek, dass dies doch noch sein Glückstag werden könnte, und malte sich aus, wie es als oberster Feldherr Baryms sein könnte.

Doch er konnte seinen Gedanken nicht lange nachgehen.

»General«, wurde er gestört. »Soeben erreicht uns ein Funkspruch aus dem Entrison-System. Ihre Anwesenheit ist sofort erforderlich!«

*

Zwei Tage wartete die TERSAL, dann gab man die Hoffnung auf. Im Schutze des Ortungsfeldes war es dem Ritterschiff gelungen, problemlos vor dem Larsaar-Schiffen zu fliehen, und auch überraschend viele Rebellenschiffe waren an dem Notfall-Treffpunkt erschienen.

Nur keine NIMH.

Traurig blickte Gal'Arn zu den anderen Mitgliedern seiner Besatzung. Vor allem Tania Walerty, Ben Strout, Sandal Tolk und Juff Ikudolf schien der Tod ihrer ehemaligen Besatzungsmitglieder verständlicherweise mehr als zu schaffen zu machen.

»Das Leben muss weitergehen«, sagte Gal'Arn mit belegter Zunge und ärgerte sich unmittelbar danach für diesen dummen Spruch. »Länger können wir nicht mehr warten. Unsere Suche nach Aurec ist wichtiger.«

Schweren Herzens nickten die anderen.

Ihre sprichwörtliche Grabesstille wurde nur wenige Minuten unterbrochen, als die TERSAL einen Funkspruch auffing, der sie die NIMH beinahe vergessen ließ – beinahe.

Sofort machte sich das Ritterschiff auf den Weg ins Entrison-System, wo sich große Ereignisse anzubahnen schienen.

ENDE

 

Gal’Arn und Jaktar sind am Leben. Sie wissen, dass Aurec und Kathy Scolar ebenfalls noch am Leben sind. Dass sie jedoch Gefangene auf Entrison sind, ahnen sie noch nicht. Mehr darüber berichten Aki Alexandra Nofftz und Tobias Schäfer in Band 62 »Geheimnisse von Barym«.

 

 

 

DORGON-Kommentar

NGC 1409 / NGC 1410

Beide Galaxien sind im Sternbild Stier zu finden und 300 Millionen Lichtjahre entfernt. Die Galaxie NGC 1409 zieht ständig Materie von NGC 1410 ab. Die Wissenschaftler glauben, dass der Zusammenstoß der beiden Galaxien vor ca. 100 Millionen Jahren der Auslöser für den Materiefluss war. Unklar ist, warum gerade NGC 1409 die Materie aufnimmt.

Ein dunkles Band aus Materie, das bei der Galaxie NGC 1410 beginnt, schlängelt sich 20.000 Lichtjahr hinüber zu NGC 1409 und umläuft deren Zentrum wie ein Geschenkband. Mit Hilfe von Hubble konnte bestätigt werden, dass es sich tatsächlich um einen kontinuierlichen Materiefluss zwischen den beiden Galaxien handelt – eine intergalaktische Pipeline also.

Die Astronomen gehen davon aus, dass dieser Materiestrom durch die Kollision der beiden Galaxien entstanden ist, sind sich aber nicht sicher, wo diese Pipeline genau beginnt und warum gerade NGC 1409 Materie von der anderen Galaxie abzieht. Außerdem scheint NGC 1409 gar nicht zu merken, dass neues Material zuströmt: Normalerweise führt dies nämlich zu einer heftigen Sternentstehungsphase, von der allerdings nichts zu sehen ist. Eventuell, so ein Erklärungsversuch der Wissenschaftler, ist das einströmende Gas zu heiß, um Sterne bilden zu können.

Vielleicht ist aber auch die Pipeline selbst an dem Fehlen von heftiger Sternentstehung Schuld: Das dünne, nur 500 Lichtjahre breite Band transportiert nur rund zwei Hundertstel der Masse unserer Sonne pro Jahr. NGC 1409 sollte dadurch rund eine Millionen Sonnenmassen an Gas im Laufe der Zeit erhalten haben – eventuell nicht genug um eine heftige Sternentstehungsphase einzuleiten.

Die Kollision selbst hat allerdings zu Sternentstehungsaktivität geführt: Zu sehen ist dies beispielsweise an den hellen, bläulichen Spiralarmen in der Galaxie NGC 1410. Und das Schauspiel dürfte noch weitergehen: Noch viele Male werden sich die beiden Galaxien, die durch ihre Gravitationskraft verbunden sind, mit einer Geschwindigkeit von einer Millionen Kilometern pro Stunde umkreisen und teilweise durchdringen. Ihre Zentren sind nur rund 23.000 Lichtjahre voneinander entfernt – das ist weniger als die Entfernung der Erde zum Zentrum unserer Milchstraße. In rund 200 Millionen Jahren dürften die beiden Galaxien vollkommen verschmolzen sein.

Björn P. Habben

 

 

 

GLOSSAR

Tania Walerty

Geboren: 12. April 1268 NGZ

Geburtsort: Minnesota, USA, Terra

Größe: 1,57 Meter

Gewicht: 51 kg

Augenfarbe: grün

Haarfarbe: schwarz

Bemerkungen: Schlank, niedliches Gesicht, wohl proportioniert, oft dickköpfig und hält sich nicht an die Vorschriften.

Tania Walerty wuchs in einer behüteten Familie in Minnesota auf, die später nach Terrania zog. Sie besuchte zusammen mit Jennifer Taylor, der Bordärztin der IVANHOE, die Raumflottenakademie und beide wurden gute Freundinnen. Während Taylor nach Camelot wechselt, bleibt Tania bei der LFT und wird Assistentin auf diversen Raumschiffen. Sie hat hervorragende Fähigkeiten, die sie jedoch selbst nur bedingt nutzt. Ebenfalls hat sie ein Problem mit der Disziplin und den Vorschriften, was ihr oft Rückschläge bereitet hat. Nachdem Perry Rhodan Terranischer Resident ist und die IVANHOE offiziell zur LFT gehört, hat Jennifer Taylor ihre Freundin wiedergetroffen und sie überredet nach Cartwheel mitzukommen.

Dort hat sie einen Posten auf dem Forschungsschiff GERONDIA bekommen, wo sie sich vorbildlich benommen hat. Sie wird befördert und kommt zum 500 Meter Forschungsschiff NIMH. Dort hat sie allerdings eine Abneigung gegen die exzentrische Kommandantin, was ihr einige Probleme bereitet.

In einer Parallelwelt hatte sie eine kurze Affäre mit Peter III. de la Siniestro, der dort allerdings nur ein schmuddeliger Müßiggänger war. Seitdem träumt sie davon Peter im »richtigen« Universum kennen zu lernen und eine längere Beziehung anzufangen.

Ben Strout

Geburtsort: Montana, Terra

Größe: ca. 1,81 Meter

Augenfarbe: braun

Haarfarbe: braun

Bemerkungen: Schlank, Schnellmerker, besitzt gute Kombinationsfähigkeit.

Ben Strout ist ein sog. Ezialist, d.h. ein Allroundwissenschaftler. Er hat Doktortitel in Paläontologie, Anthropologie, Geschichte, Kosmopsychologie und ist ein anerkannter Lebewesenkundler im kosmischen Bereich und in der Tierwelt. Strout arbeitete früher für die Liga Freier Terraner und untersuchte die Milchstraße nach allen möglichen Artefakten von Kulturen. Danach siedelte er zur Insel um, da er hoffte, dort neue und interessante Artefakte von alten Kulturen und neue Spezies von Tieren zu entdecken.

Larsaar

Die Larsaar sind ein Intelligenzvolk aus der Galaxis Barym. Sie werden bis zu zwei Meter groß und sind schlangenähnlich, wobei sie von humanoider Gestalt sind. Die listigen aber ebenso brutalen Lasaar bilden große Teile des Militärs in Barym und unterdrücken primitivere Völker.

Nur wenige Larsaar kommen jedoch über den Rang eines Offiziers heraus. Nur durch herausragende Leistungen werden sie Raumschiffkommandanten oder gar mehr.

Beispiellos ist die Karriere des Gul'Adar, der es inzwischen zum obersten Herrscher in Barym geschafft hat. Zusammen mit dem Obersten Zievohnen und dem obersten Rytar regiert er auf Lehr Ar'Modror. Sein Vasall und fähiger Diener ist General Shul'Vedek.

Die Heimatwelt der Larsaar ist Larsaar.

Zievohnen

Volk humanoider Intelligenzwesen aus der Doppelgalaxie Barym (NGC 1409). Die Zievohnen werden bis zu 180 Zentimetern groß und haben einen meist mit Pocken und Warzen übersäten Körper. Die Hautfarbe ist grau. Die Augenfarbe ist meist braun oder schwarz. Die Haare zumeist weiß.

Sie sind das führende Volk in der Galaxis Barym und absolute Diener von MODROR. Sie bildeten früher ausschließlich die Führerkaste im Militär, in der Wissenschaft und in der Politik. Ihre bekanntesten Vertreter sind der Kommandant der WORDON, Zukkth, und der Erbauer des SONNENHAMMERS, Pestol. Im Laufe der Zeit jedoch wurden ihnen die anderen Völker überlegen und die Zievohnen mussten viel Macht an die Larsaar abtreten, die sogar die Regierung bilden.

Ihr Heimatplanet ist Zievohn, der dritte Planet der blauen Sonne Siri.

Zur Geschichte der Zievohnen ist wenig bekannt. Irgendwann erlangten sie die Raumfahrt und wurden zusammen mit der ganzen Galaxis im Bann von MODROR geschlagen und als Diener missbraucht.

Ein großes Geheimnis ist das Verschwinden von Zwei Millionen männlichen Zievohnen jährlich in die Verbotene Zone. Doch niemand wagt es, diesem Geheimnis nachzugehen.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e.V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e.V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 61, veröffentlicht am 26.02.2016 —

Titelillustration: Lothar BauerInnenillustrationen: Roland Wolf

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel