Band 60

Osiris-Zyklus

 

Entscheidung in Dorgon

Droht der Bürgerkrieg in M100?

 

Ralf König

 

Was bisher geschah

Die Jahreswende 1298/1299 NGZ hat einige Wendungen gebracht. In der Milchstraße bangen die Terraner vor der Schlagkraft von 445.000 Schlachtschiffen der Kemeten unter dem Befehl des Seth.

In Cartwheel hat eine Welle des Terrors durch den Hauri Afu-At-Tarkan für Schrecken gesorgt. Doch dieser Terror wird vom Bund der Vier genutzt, um ihre Macht zu stärken und den amtierenden General-Sekretär des Paxus-Rates in Misskredit zu bringen.

In Dorgon ist Kaiser Uleman von seinem eigenen Schwiegersohn und Nachfolger Commanus auf Anweisung des Sohnes des Chaos Cau Thon ermordet worden. Commanus hat die Arbeit Ulemans zunichte gemacht und will an die thesasianische Dynastie anknüpfen. So droht M100 ein Bürgerkrieg. In den ersten Monaten des Jahres 1299 kommt es zur ENTSCHEIDUNG IN DORGON …

Hauptpersonen

Decrusian – Der nicht anerkannte Kaiser kämpft um die Freiheit Dorgons.

Saraah, Torrinos, Shenia Drenia und Waldron Tragonar – Decrusians Mitstreiter

Vesus – Der Oberbefehlshaber der Flotte hat eine undankbare Aufgabe.

Commanus – Kaiser Dorgons

Falcus und Carilla – Sie sind mit Vesus' humanem Feldzug nicht einverstanden.

 

 

 

 

Die Verschwörung

Der Regen verwehte. Langsam bahnte sich die Sonne ihren Weg durch die Wolken. So plötzlich, wie sie erschienen waren, verschwanden sie nun wieder. Ein Regenbogen, als wolle er ihn verhöhnen, erschien aus dem Nichts, glänzend in der neu erwachenden Sonne, unwirklich in der Frische, die zu dieser Tageszeit normalerweise niemals in der Nähe des Palastes auftrat. Die Wetterkontrolle würde das verhindern.

Commanus stöhnte, als ihm klar wurde, wie weit die Verschwörung gegen ihn schon reichen musste, wenn sie die Wetterkontrolle manipulieren konnten. Er warf Elgalar einen Seitenblick zu, der nicht zu der Rolle passte, die sein Bruder eigentlich im Palast spielte. Ein Anflug blanken Hasses flackerte in seinem Blick. Der langsam wieder Haare aufweisende Kopf des Carilla versperrte ihm nur ein klein wenig den Blick, als er auf den Gefangenen blickte, der plötzlich wie eine Erscheinung von einem Lichtschleier umhüllt war, nur für wenige Augenblicke, die aber unerbittlich von den Kameras in die ganze Galaxie übertragen wurden.

Langsam machte sich die Erkenntnis in ihm breit, dass dieser Moment der Anfang vom Ende sein konnte. Wenn die Bevölkerung all das, was hier geschehen war, verinnerlicht hatte, dann würde seine Macht schwinden, seine anfänglichen Erfolge würden verblassen, nichts würde davon übrig bleiben. Und ihm war durchaus klar, dass viele das nicht bedauern würden. Einen Nachfolger hatten sie schon, er kniete im Staub, hing an seinen Handgelenken mit schweren Ketten gefesselt, zwischen zwei Pfählen, in einer gedemütigten Haltung, die aber in dieser Kulisse nur umso imposanter wirkte. Wie ein Märtyrer, wie ein Symbol der Hoffnung würde er vielen erscheinen. Eine Niederlage konnte kaum vollkommener sein.

Commanus stützte den Kopf in die Hände und rieb sich die Augen. Dann öffnete er sie wieder und starrte über seinen Schreibtisch hinweg aus dem Fenster, hinter dem ein neuer strahlender Tag die anderen strahlenden Tage bereits wieder verblassen ließ. Hier zu leben bedeutete ihm eine Menge, wie er erkannte, er liebte das Leben im Luxus und in diesem Palast, er liebte die neue Macht, die ihm der rote Tod verschafft hatte. Und er genoss das Gefühl des Hasses, das seither in ihm gegenwärtig war, sich genauso gegen einen Elgalar wie gegen einen Carilla richtete – alles Menschen, deren er sich bediente, Wesen, die ihm Untertan waren. So, wie er es gern hatte. So, wie es einem Herrscher gebührte.

Und dann war dieser Emporkömmling, dieser adoptierte, falsche Sohn des Uleman dazwischen gekommen. Hätte er ihn doch besser gleich getötet!

Aber so etwas ließ sich nachholen. Aber erst einmal musste er verschwinden, das war in jedem Fall besser. An einem stillen Ort, unbedrängt von den Rebellen, wäre es ein Leichtes, eine Hinrichtung vorzubereiten und Decrusian zu vernichten. Damit wäre die Basis zerstört und die Aufnahmen der Hinrichtung wären das Ende der Revolution, bevor sie so richtig begonnen hatte. Natürlich wäre es besser, dabei Menschen einzuladen, die als Zeugen fungieren würden. Nach Möglichkeit Zeugen, die Commanus nicht wohlgesonnen waren. Solche ließen sich finden und an einem Ort, an dem für die Sicherheit alles getan wurde, an dem nur handverlesene Mitarbeiter, die voll und ganz auf seiner Seite standen, dafür sorgen würden, dass nicht noch einmal so etwas passieren konnte, wie im Hof des Pons Domus.

Commanus suchte einige Zeit, nachdem er seinen engsten Vertrauten klar gemacht hatte, dass es so nicht weitergehen konnte. Dann hatte er es gefunden – in den geheimen Archiven, die nur dem Kaiser zugänglich waren, war der Hinweis aufgetaucht. Eine Welt, die als Folterplanet noch vor 400 Jahren in reger Verwendung gewesen war, aber schon lange nicht mehr auf diese Weise verwendet wurde. Sarinaph war gefürchtet gewesen, konnte wieder eine Hölle sein.

Commanus ließ Decrusian mitten in der Nacht aus seiner Zelle entfernen, ließ ihn von Carilla persönlich in ein Raumschiff schleppen und sorgte dafür, dass die Hoffnung der Rebellion von Dorgon verschwand. Befriedigt rieb er sich die Hände. Wenigstens diesmal würde er triumphieren.

*

Arimad grübelte in ihren prunkvollen Gemächern im Südflügel des Pons Domus über Elgalar. Dieses Ding brachte Arimad eine unvorstellbare Abneigung entgegen. Was hatte sie dem Bruder Commanus getan? Doch viel schlimmer war, wenn er mit seinen Äußerungen Recht hatte, war ihr Ehemann der Mörder ihres Vaters.

Zum zweiten Mal schien sie mit einem Scheusaal verheiratet zu sein. Sie hatte Nersonos miterlebt. Commanus war offensichtlich nicht ganz so verkommen wie der berüchtigte Kaiser, doch Mord war Mord. Mord an ihrem Vater!

Was sollte sie jetzt tun? Arimad lief nachdenklich aus ihrem Zimmer und ging den fünfminütigen Weg in die große Küche des Palastes. Es war noch zu früh, als dass sie jemanden hier antreffen würde.

Und doch war da jemand. Nein, es waren sogar zwei.

Arimad versteckte sich an der Tür und lauschte. Sie hörte Schmatzen und Kichern. Vorsichtig lugte sie zu den beiden Dorgonen, die sich auf einem Küchentisch wälzten. Das feminine Stöhnen des Dorgonen, der unter dem Fleischberg lag, kannte sie. Elgalar. Wer der andere war, wusste sie nicht.

Arimad verging der Appetit, als plötzlich zur anderen Seite jemand hereinkam und nichts ahnend das Licht per Verbalbefehl aktivierte.

Die andere Frau erschrak und ihre Augen weiteten sich, als sie die beiden auf dem Küchentisch sah. Elgalar schrie pikiert auf.

»Trojus!«, stellte die andere Frau – es war die Tochter des Preconsus Falcus – irritiert fest.

»Oh! Ah. Autsch … Elenia … ähm. Ich …«, stotterte der dicke Dorgone.

Plötzlich fing Elenia an zu lachen.

Arimad musste schmunzeln. Sie dachte sich nichts dabei, als sie herzhaft über den tölpelhaften Diener ihres Vaters kicherte.

Elgalar störte es jedoch sehr. Er zog sich sein feines Kleid wieder an und wischte sich etwas vom Mund. Arimad wollte auch nicht genauer wissen, woher es stammte.

»Was ist daran so amüsant, du Schlampe?«, keifte Elgalar aufgebracht.

Elenia blickte ihn nicht ernstnehmend an und winkte ab. »Es ist nur so komisch. Verzeih mir, Elgalar. Aber ich war mir nie sicher, auf welche Typen Trojus eigentlich steht«, sagte sie zynisch.

»Es reicht!«, brüllte Elgalar. Am liebsten hätte er Elenia erwürgt.

Arimad betrat nun auch den Raum. Trojus Kopf lief rot an. Er packte hastig seine Sachen und rannte davon.

»Schwägerin, vielleicht solltest du deine Liebhaber ins Bett ziehen und nicht auf den Küchentisch. Du würdest wirklich ein prickelndes Bild einer Kaiserin abgeben.« Arimad grinste hämisch.

Wütend lief Elgalar aus der Küche.

Elenia blickte Arimad verständnislos an.

Arimad wusste, was die Dorgonin wissen wollte. »Wenn du hier länger wohnen willst, musst du dich an so etwas gewöhnen«, erklärte sie und verließ die Küche.

Elenia blickte Arimad noch eine Weile hinterher, dann ging auch sie. Auch ihr war der Durst vergangen.

Arimad überlegte eine Weile, ob dieser Elenia vielleicht zu trauen war. Eine Freundin könnte sie hier sicherlich gut gebrauchen.

Doch dafür musste sie Elenia besser kennen lernen.

 

Revolte gegen den Kaiser

Saraah öffnete verschlafen die Augen, als das Kommunikationsgerät summte. Es hatte leise begonnen, dann war es immer lauter geworden. Mittlerweile war es laut genug, einen auch aus dem tiefsten Schlaf zu erwecken und die junge Frau, die Senatorin und einstige Sklavin, blinzelte in das Licht, das vom Servo langsam heller gedimmt wurde.

»Wer stört mich?«

Sie richtete sich auf und versuchte, eine Bildverbindung herzustellen. Sie schwang die Beine aus dem Bett und richtete sich verschlafen auf.

»Es ist mitten in der Nacht«, murmelte sie. Die Mikrophone verstärkten die leise Stimme und sorgten so dafür, dass der Gesprächspartner sie auch verstehen würde.

»Ich weiß.« Er stellte sich nicht vor.

Saraah merkte langsam, mit wem sie es da zu tun hatte. Der Widerstand meldete sich.

»Was ist passiert?« Sie unterdrückte ein Gähnen. Wenn man sie mitten in der Nacht weckte, dann hatte das einen wichtigen Grund.

»Wir haben ihn verloren. Decrusian wurde aus Dorgon entfernt; er ist in der Galaxie verschollen. Wir haben keine Ahnung, wohin. Aber wir hoffen, eine Information zu erhalten. Vielleicht kriegen wir einen Hinweis aus dem Palast. Bis dahin ist der Widerstand in höchster Gefahr. Bitte sei vorsichtig.«

Das Licht, das eine bestehende Verbindung anzeigte, verlosch. Stille kehrte ein.

Die junge Frau saß wie erstarrt auf der Bettkante, dann erhob sie sich und ging in die Nasszelle. Kaltes Wasser massierte sie intensiv und brachte sie langsam in einen Zustand zurück, den man als wach bezeichnen konnte.

»Das durfte nicht passieren«, flüsterte sie. »Ich muss sofort zurück nach Jerrat.«

Sie kleidete sich an und ließ ein Raumschiff bereitstellen. Mit einem Gleiter trat sie eine regelrechte Flucht an und verließ Dom. Sie musste dringend mit einigen Menschen reden, um die künftige Politik festzulegen.

*

»Kannst du nicht aufpassen, du Narr?«

Der Mann im feinen Kleidungsstück schaute auf den anderen Mann nieder und schüttelte nur den Kopf. Dann erinnerte er sich an seine Rolle, die er seit Ulemans Tod spielte. Er war ein Consus, dazu eingesetzt, die Dorgonen auf dieser Welt in ihrer neuen Rolle zu unterweisen, als Untertanen eines neuen Kaisers. Dies war besonders in Hesophia ein Problem, weil die Menschen nicht so richtig an den Tod ihres Kaisers glauben konnten. Sie trauerten immer noch und heute war es anscheinend besonders schlimm. Das war nun schon der Dritte, der ihm in den Weg trat.

»Verzeihung, Herr.« Ganz im Gegensatz zu seinen Worten wirkte sein Grinsen ziemlich herausfordernd. Er trat einen Schritt zur Seite und bot ihm an, an ihm vorbeizugehen.

Jadrogus machte einen Schritt zur Seite, entschied sich dann aber zu einem Zweiten. Auch das nützte ihm nichts, er stolperte über das ausgestreckte Bein des Dorgonen.

»Oh, ich bitte um Verzeihung.« Der Kerl erdreistete sich auch noch, ihn anzufassen!

Jadrogus sprang hoch und hüpfte von einem Bein auf das andere, was bei seiner leicht untersetzten, eher kleinwüchsigen Gestalt nicht sonderlich überzeugend wirkte. Der Dorgone lachte, was den Würdenträger noch wütender machte.

»Wachen! Ergreift diesen Flegel und sperrt ihn sofort ein!«

Sofort umstanden zwei Männer den Dorgonen, ergriffen ihn an den Armen und wollten ihn mit sich zerren. Doch so leicht machte der Mann es ihnen nicht, er schüttelte sie ab und blickte bedauernd auf den Würdenträger hernieder.

»Sind wir schon wieder soweit? Eigentlich hatte ich gedacht, dass sich das geändert hätte. Aber anscheinend verliert seine Exzellenz Commanus keine Zeit, wieder in die alten Gewohnheiten zurückzufallen. Ich weigere mich in jedem Fall, mit diesen beiden zu gehen.«

Er verschränkte die Arme vor der Brust und genoss die zustimmenden Rufe der Menschen, die sie umstanden.

Jadrogus erkannte, dass das ein Problem werden konnte. Er trat einen Schritt zurück und nickte zustimmend. »Du hast recht, wir sollten das nicht so handhaben. Wachen, erschießt ihn.«

Ohne zu zögern, griffen die beiden Wachtposten nach ihren Waffen und schossen. Überraschung malte sich auf das Gesicht des Dorgonen, als er auf seine Brust niederblickte, die zwei verschmorte, haarfeine Löcher zierte. Eines dieser Löcher saß direkt über dem Herzen, das andere durchbohrte die Lunge. Die hinter ihm stehenden sahen, dass sich auch auf seinem Rücken zwei Löcher gebildet hatten.

Er stand wie erstarrt und sank dann langsam auf die Knie, fiel auf das Gesicht und regte sich nicht mehr.

Tödliches Schweigen machte sich breit. Dann bewegte sich jemand aus der Menge auf die beiden Wachen zu. Er ignorierte die Waffen, die sich auf ihn gerichtet hatten. Mehrere andere stellten sich demonstrativ an seine Seite, und plötzlich waren es so viele Männer, dass die beiden Wachen die Waffen unschlüssig senkten. Zusammen mit dem Würdenträger wichen sie zurück.

»Du bist der Stellvertreter eines Mörders. Und was machst du selbst? Auch du ermordest Menschen. Mitglieder deines eigenen Volkes. Das ist empörend. Du kannst kein Dorgone sein.«

Der Uniformierte war eindeutig ein Teil der örtlichen Ordnungsmacht. Er fixierte den Würdenträger, während er sich zusammen mit mehreren anderen Einwohnern dem ängstlich Zitternden näherte.

»Commanus ist kein Mörder«, sagte Jadrogus mit zitternder Stimme. Er wich einen weiteren Schritt zurück.

Die ersten hatten seine Wachen erreicht und rissen ihnen die Waffen aus den Händen. Mit bloßen Fäusten schlugen sie auf die beiden ein und drängten sie an den Rand eines Brunnens. Der Würdenträger platschte als Erstes in den Brunnen, gefolgt von den beiden anderen. Der Ordnungshüter rief einige seiner Kollegen zur Verstärkung und ließ alle drei wegen Mordes an einem friedlichen Bürger Hesophias verhaften.

Jadrogus sagte nichts mehr, ließ sich verängstigt abführen. Er war sicher, dass sie auf Dorgon davon erfahren würden. Dann würde sich hier einiges ändern, wenn endlich die Commanus treu ergebene Flotte hier scheinen würde, würden die Menschen dieser Welt erkennen, was es bedeutete, einen der Stellvertreter des Kaisers anzugreifen.

Dumpf brütete er vor sich hin. Sicher würde sich bald etwas ändern.

Bericht Torrinos

Ich kannte meinen Planeten nicht mehr. Dorgonen von allen Welten des Reiches, sie schienen sich nicht entscheiden zu können. Auf der einen Seite gab es da einen Kaiser, dem sie treu ergeben sein sollten, dem sie Treue schworen, dem Widerstand zu leisten durchaus tödlich sein konnte. Auf der anderen Seite gab es einen Stiefbruder der Kaiserin, der so etwas wie der legitime Thronfolger sein könnte, wenn da nicht ein Schwiegersohn gewesen wäre der im Verdacht stand, ein Mörder zu sein.

Einerseits gab es einen Beweis, der eindeutig auf Decrusian als den Mörder hinwies. Andererseits gab es ein Geständnis, ausgerechnet von einem Bruder des Kaisers, der auf Commanus als den eigentlichen Mörder hinwies.

Unterm Strich eine Situation, die nicht wirklich beruhigend war. Eine Situation, die unser Reich an eine Grenze drängte, einen sehr schmalen Grat. Auf der einen Seite lag die politische Stabilität, auf der anderen Seite lag etwas vollkommen anderes, ein Bürgerkrieg, der Millionen Dorgonen das Leben kosten konnte. Also eine bedrohliche Situation, die wie ein Damoklesschwert über dem Reich schwebte.

Und wir, als die maßgeblichen Leiter der Widerstandsorganisation, waren an dieser Entwicklung nicht unschuldig. Wir arbeiteten jeden Tag daran, so viele Menschen wie möglich davon zu überzeugen, was das Richtige war. Ihnen klar zu machen, dass sie an die Freiheit glauben mussten, alles für die Freiheit tun mussten, so wie auch wir bereit waren, alles für unsere persönliche Freiheit zu tun. So wie auch die Kaiserin bereit war, für die Freiheit der Dorgonen an der Seite des amtierenden Kaisers und Mörders Commanus auszuhalten.

Wenn man bedachte, dass dieser Kaiser, der zugleich ihr Mann war, im Verdacht stand, ihren Vater ermordet zu haben, dann war die Leistung dieser Frau noch ungleich höher einzuschätzen. Jeden Tag schaffte sie es, ihm vorzuspielen, dass es da Zuneigung gab. Jeden Tag aufs Neue musste sie ihre wahren Gefühle verleugnen, ihm vorzugaukeln, dass sie auf seiner Seite stand. Das war eine Leistung, für die man sie wirklich bewundern musste. Und das war uns allen bewusst.

Auch deshalb gab ich nicht auf, kämpfte jeden Tag weiter. Deshalb, und weil es auch für andere Völker, nicht nur dorgonische, durchaus sinnvoll erschien, weiter zu machen.

Auch die Goner hatten sich entschieden, an unserer Seite auszuharren, und dabei war noch nicht einmal etwas für sie zu gewinnen. Nach dem Tod des Thronfolgers war es für sie keine leichte Aufgabe, nach Hause zurückzukehren, ihrem Volk zu eröffnen, dass sie keinen Thronfolger präsentieren konnten. Auch dieses konnte zu einem Bürgerkrieg führen und letztendlich war es verständlich, dass sie diesen Augenblick so lange wie möglich hinauszögern wollten. Auch wenn es letztendlich vergebens sein würde, denn einfach wegbleiben würde nichts bringen.

Auch sie hatten also Probleme und trotzdem dachten sie nur daran, zunächst uns zu helfen.

Da musste man als Dorgone doch motiviert weitermachen. Und so hatte ich mich auf den Weg gemacht, wieder einmal – unterstützt durch meinen Anzug – heimlich in den Palast einzudringen. Diesmal gab es ein Problem zu lösen, das weniger anspruchsvoll aber genauso gefährlich war, wie Decrusian aus dem Palast zu befreien. Wir wollten herausfinden, wohin man ihn gebracht hatte.

Wie beim letzten Mal hatte ich mich entschlossen, offiziell in den Palast zu marschieren. Dazu mischte ich mich unter eine Gruppe von Menschen, die den Palast besichtigen wollte. In ihrer Mitte gelangte ich in den Palast, ohne von den Wachen aufgehalten zu werden. Das allein war allerdings noch nicht sonderlich anspruchsvoll. Der Teil des Palastes, in dem die Ausstellungen waren, war zwar durchaus auch bewacht, aber nicht so streng wie der eigentliche Palast. Trotzdem gab es natürlich Möglichkeiten, von einem Bereich in den anderen zu gelangen, und so suchte ich wieder nach einer Möglichkeit, überzuwechseln und unter der Tarnung, die der Anzug bot, in den eigentlichen Palast zu gelangen.

Zwischen einigen Ausstellungsstücken hindurch, gelangte ich in einen Durchgang. Für einen etwaigen Beobachter hätte es so ausgesehen, als würde ich plötzlich im Nichts verschwinden, aufgelöst, von einer Sekunde zur nächsten von allen Bildschirmen verschwunden. Auf Orterschirmen wäre nur eine leichte Störung zu erkennen, zu leicht jedenfalls, als dass eine Wache unseres Volkes Alarm geschlagen hätte.

Wie ein Phantom huschte ich durch die Gänge, verborgen hinter dem Schutz, den der Anzug mir verschaffte, abgekühlt auf ein Maß, dass ich nicht mehr Wärme abgab als die mich umgebende Luft. Das Ausatmen wurde kontrolliert, die Atemluft mit Sauerstoff angereichert an die umgebende Luft abgegeben, so dass kein erhöhter Kohlendioxidgehalt auffallen würde. Auf diese Weise war fast alles verhindert, was mich verraten konnte. Ich konnte nur hoffen, dass die Abschirmung dieser aufwendigen Antiortungsanlagen ausreichen würde. Bisher jedenfalls war es durchaus gelungen.

Und ich schaffte es, in einen gesicherten Bereich des Palastes einzusickern, durch eine Tür zu gleiten, die gerade geöffnet wurde. Dabei kam mir die Fähigkeit zugute, die mir die Ausbildung auf Gon verschaffte. Ich versetzte mich auf die vierte Stufe und konnte von dort aus fast ohne Anstrengung aus dem Stand heraus meinen Körper so beschleunigen, dass ich an den Wachen vorbei durch die Tür glitt, die nicht das Geringste bemerkten.

In diesen Bereich begab sich normalerweise nur der Kaiser selbst, der gerade allerdings nicht anwesend war. Er war außerhalb des Palastes, besuchte eine Sitzung des Forum Preconsus, bei der es um einen besonderen Punkt ging, den die Senatoren aufgebracht hatten. Sie wollten nicht, dass das Amt des Kommandanten über die Adlerflotte und des obersten Prettosgardisten von einer Person ausgeübt wurde. Und deshalb wollten sie versuchen, einen eigenen Kandidaten auf die Position als Oberbefehlshaber der Flotte zu setzen. Damit würden sie Commanus einen schweren Schlag versetzen, der sich plötzlich nicht mehr vollkommen auf die Flotte verlassen könnte.

Andererseits machte das nicht so viel aus, weil sich viele Soldaten noch nicht sicher waren, ob sie dem Kaiser wirklich treu ergeben waren. Eigentlich schworen sie ihren Eid auf das Amt des Kaisers, nicht aber auf die Person. Insofern fiel die Wahl nicht wirklich schwer. Andererseits waren sie aber nach den Jahren unter Vesus unsicher, ob sie einen Falken wirklich an ihrer Spitze dulden wollten.

Und außerdem war es immer noch so, dass ein Adlerflottenkommandant den Anordnungen des Kaisers Folge leisten musste. Insofern war es nicht wirklich eine Stärkung der Position der Senatoren, wenn sie einen eigenen Mann da sitzen haben würden.

Aber es war eine Machtfrage. Und unter Ulemans humaneren Gesetzen hatten die Senatoren mehr Macht als Commanus lieb war. Und diese Macht mussten sie immer wieder unter Beweis stellen. Ich wünschte ihnen in jedem Fall alles Gute. Und war fest entschlossen, diesen Umstand auszunutzen.

Ich lauschte auf die Einflüsterungen des Anzugs, dessen Rechner mir genaue Informationen darüber übermittelte, wer sich vor mir im Gang aufhielt. Außerdem zeigte er mir genau, wohin ich gehen musste. Eigentlich sagte er es mir, flüsterte mir alle Angaben so leise ins Ohr, dass nur ich ihn verstehen konnte. Und so gelangten wir in das Allerheiligste, den Thronsaal des Kaisers und in sein persönliches Arbeitszimmer.

Sein Terminal stand bereit, wartete nur darauf, dass ich Eingaben machen würde. Nach dem Tod des alten Kaisers waren alle Sicherungen zurückgesetzt und auf den neuen Kaiser einjustiert worden. Wirklich in den Rechner zu gelangen wäre fast unmöglich gewesen. Aber jegliche Art von Sicherung ließ sich ausheben – auch persönliche Sicherungen, die auf den jeweiligen Besitzer abgestimmt waren. Und so hatten einige unserer Helfer es auch geschafft, für einen kurzen Zeitraum, nur wenige Minuten, die Anlagen, die für die Sicherung gedacht waren, in einen passiven Modus zu schalten, in dem sie meine Eingaben akzeptieren würden.

Ich aktivierte das Terminal mit gemischten Gefühlen. Als ich von der freundlichen Stimme begrüßt wurde, die mich »Kaiser der Dorgonen« nannte und nach meinen Wünschen fragte, verspürte ich einen kurzen Schauer, der über meinen Rücken ran und mir ein Gefühl der Ehrfurcht vermittelte. Kaiser würde ich nicht werden, wollte ich auch gar nicht werden. Aber für einen Augenblick hatte ich den Zugriff auf alles, was der Kaiser wusste. Ich würde die Gelegenheit nutzen und nach allen Informationen über Decrusian suchen.

Und ich begann, Informationen von diesem Rechner in meinen Anzugrechner zu überspielen.

Nach wenigen Minuten erklärte der Rechner, dass er nun alles wusste, was nötig war, um Decrusian zu finden. Ich deaktivierte das Terminal und verließ den Raum. Ein letzter Rundblick zeigte, dass alles in Ordnung war, nichts war verändert, nichts würde dem Kaiser verraten, dass einige Zeit jemand in seinem persönlichen Arbeitszimmer gewesen war. Und das war gut so.

Den Palast zu verlassen war fast genauso einfach, wie hineinzukommen. Der Anzug der Goner war eine wahre Hilfe, ein Instrument, das unglaublich war, jedem Dorgonen Ehrfurcht einflößte und gerade einem Dorgonen mit der Ausbildung, die ich auf Gon genossen hatte, zeigte, wozu ein Einzelner in der Lage war.

Decrusian, wir werden dich bald finden. Das Reich wird bald wieder frei sein.

 

Zwischen Demokratie und Tyrannei

Vesus lehnte sich zurück, frustriert über das, was er hier immer wieder zu hören bekam. Im Forum Preconsus waren sie versammelt und besprachen wieder einmal, wie es mit dieser Welt, mit diesem Reich weitergehen sollte. Vesus erkannte immer mehr, dass Probleme für das, was sie hatten, eine schamlose Untertreibung war.

Da saß auf der einen Seite ein Kaiser, dessen Sorge um das Volk zumindest zweifelhaft war und der eindeutig die Absicht zu haben schien, die Linie längst vergangen geglaubter Kaiser weiter zu verfolgen. Ein Despot, der seine Absichten noch nicht offiziell verkündet und durchgesetzt hatte, der das Volk mit Geschenken bei Laune zu halten versuchte und der einen Decrusian, der der würdigere Nachfolger für Uleman zu sein schien, gefangen hielt, wenn er überhaupt noch am Leben war.

Auf der anderen Seite saß ein Forum Preconsus, der seine Stärke aus Gesetzen zog, die noch Uleman eingeführt hatte, die also kaiserlich waren und insofern konnte Commanus auch nicht das Geringste dagegen machen, dass das Forum Preconsus immer wieder seine eigenen Vorstellungen durchsetzte und den Kaiser vor das Problem stellte, wirkliche Überzeugungsarbeit leisten zu müssen.

Gesetze, die einmal bestanden, waren nun mal nicht so einfach wieder rückgängig zu machen. Es gab schon Möglichkeiten, die ein starker Kaiser nutzen konnte, vor allem über die Notstandsgesetzgebung. Aber diesen Notstand musste es erst einmal geben. Und derzeit war ein solcher noch nicht ersichtlich.

Das konnte sich allerdings ändern, wenn es zu einem Bürgerkrieg kommen sollte.

Im Augenblick war das noch kein großes Problem, denn der einzige glaubhafte Kandidat für einen Gegenkaiser, der an einen solchen Aufstand denken konnte, war verschwunden und niemand wusste wo er sich befand. Zumindest Vesus wusste es nicht und auch viele andere, auch Dorgonen aus dem Widerstand, hatten keine Ahnung.

Das war nicht schön für den Widerstand, aber durchaus angenehm für den Kaiser.

Bis auf die Tatsache, dass es ihm nicht erlaubte, über die Notstandsgesetze Veränderungen zu bewirken.

Elgalar, der Bruder des Kaisers, stand in der Loge direkt neben Commanus und flüsterte ihm immer wieder ins Ohr. Vermutlich gab er ihm Ratschläge, wie er sich bei der Sitzung verhalten sollte. Verächtlich verzog Vesus das Gesicht. Bis zu einem gewissen Grad konnte er schon verstehen, warum Commanus diesen Kerl, der eigentlich gar nicht wie ein Kerl wirkte, noch nicht in die Kerker verbannt hatte. Oder ihm gar den Kopf abgeschlagen hatte. Blut war doch dicker als Wasser, und so war neben Commanus auch dessen Bruder mit nichts anderem beschäftigt, als neue Ideen zu finden, wie man den Dorgonen neuerliches Leid bringen konnte.

Dies war nicht gut, denn es verkleinerte die Schar derer, die auf Seiten der alten Ideale des Uleman standen, im Umfeld des Kaisers. Eigentlich stand da nur eine Person ziemlich alleine, nämlich die Tochter des getöteten Kaisers. Und Vesus verstand nicht so recht, was sie noch an seiner Seite machte. Denn dass Commanus ein Mörder war, war mittlerweile zu einem Verdacht geworden, den man nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand äußerte. Sie musste es wissen und dass sie sich nicht gegen ihn auflehnte, nicht versuchte, aus dem Palast zu kommen, das war unverständlich.

Höchstens, sie hatte sich für den Widerstand dazu bereit erklärt, im Palast zu bleiben, um Informationen nach außen zu bringen.

Dies war aber ein mittlerweile doch eher zweifelhafter Verbündeter im Palast. Genau genommen war es wohl so, dass die Informationen, die von Arimad kamen, vorgefiltert waren, von Elgalar und anderen Getreuen des Kaisers ausgewählt und ihr zu Ohren gebracht, so dass der Widerstand falsche Informationen erhielt.

Aber Vesus war sich fast sicher, dass das auch dem Widerstand klar war. Offensichtlich hatten sie noch andere Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen und sicher war die Anwesenheit einer Verbündeten im Palast, die Mitgliedern des Widerstands auch mal Zugang verschaffen konnte, auch kein Fehler.

Inmitten des Senatsaals schwebte ein einsamer Mann, der stellvertretende Preconsus von Hesophia, Brakus, und hielt eine wichtige Rede, die dem Widerstand durchaus nützen konnte. Vesus folgte der Rede, nachdem er kurz abgeschweift war, nun wieder sehr gespannt. Ein Stichwort war gefallen, auf das er nur gewartet hatte.

»Eigentlich stört mich nur eines an dieser derzeitigen Konstellation, nämlich dass Carilla in einem Interessenkonflikt steckt.«

Vesus merkte auf, als der Name dieses Mannes fiel, den er persönlich für einen Verrückten hielt. Nun war es leider nicht so, dass Verrückte in Reihen der Kaiser eine Seltenheit waren. Oft waren selbst die Kaiser verrückt gewesen. Aber es war schon auffällig, dass sich der Kaiser mit lauter zwielichtigen Personen umgab, die Misstrauen erwecken mussten.

»Er ist nicht nur der beherrschende Mann im Geheimdienst, er ist außerdem der Chef der Prettosgarde und darüber hinaus noch in einer Position als Oberkommandierender der Flotte. Mit welcher Berechtigung vereinigt ein Charakter wie er eine solche Machtfülle auf sich? Das kann der Senat nicht länger zulassen. Deshalb beschwöre ich euch, Mitsenatorinnen und Mitsenatoren, stimmt meinem Antrag zu. Ich habe hier übrigens noch eine Reihe weiterer Informationen, die ich euch nicht vorenthalten möchte.«

Hesophias stellvertretender Preconsus Brakus atmete schwer, aktivierte einen Projektor und ließ Bilder erscheinen, Hologramme und ganze Sequenzen, die Carilla in seiner Rolle als Häftling zeigten. Es war noch nicht lange her, da hatte man Carilla auf Hesophia festgesetzt, ihn als Terroristen zusammen mit seinen Untergrundkämpfern nach Dorgon gebracht und in das Gefängnis befördert, aus dem er irgendwie entkommen war.

Carilla kniff die Lippen zusammen. Er schien etwas sagen zu wollen, wurde aber sowohl von Elgalar, als auch von Commanus, daran gehindert. Interessant, dachte Vesus. Sie fürchten wohl, dass er sie in einem schlechteren Licht erscheinen lassen könne, als sie ohnehin schon sind. Natürlich ist das vollkommen vergeblich.

Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Sie würden sich wundern.

»Unglaublich«, wetterte Brakus. »Einen Terroristen, einen Mörder, der eine so wichtige Position innehat. Er wollte offensichtlich den Tod des Kaisers Uleman und unser Kaiser wäre schon damals gestorben, wenn uns nicht tapfere Freunde von Terra beigestanden hätten. Und dieser Mann, dieser Mörder, hat eine solche Verantwortung. Das kann auch in einem Staatenbund wie Dorgon nicht geschehen. Senatoren, das können wir nicht zu lassen.«

Er wurde unterbrochen, als sich einer der Senatoren erhob.

Falcus schwebte auf seinem Podest neben Brakus, der immer noch fast in der Mitte des Saales schwebte und von dort aus von jedem gut gesehen werden konnte.

Falcus wurde verdächtigt, einen sehr guten Draht zum Kaiser zu pflegen. Vermutlich war er dabei, seinen Stellenwert innerhalb der Hierarchien im Reich zu verbessern.

Mit dem Einzug von Falcus und seiner Tochter in den Palast bestätigten sich die Vermutungen.

Charakterlich passte er auch sehr gut zu dieser Klientel.

»Das sind doch alles unbewiesene Behauptungen. Bilder kann man manipulieren, Beweise fälschen, eine Tatsache, die wir sehr gut auch bei dieser lächerlichen Vorführung gesehen haben, als Decrusian seine berechtigte Bestrafung erhielt. Willst du dich lächerlich machen?«

Es wirkte, als wolle er einen Scherz machen. Aber jeder beugte sich gespannt nach vorne, nachdem er ausgesprochen hatte. Das versprach doch einmal interessant zu werden.

Brakus grinste, nicht etwa unsicher, sondern so, als wisse er sehr genau, was er tue. Und Vesus, der in etwa wusste, was noch kommen sollte, konnte ihn da sehr gut verstehen.

»Nein, lächerlich machen möchte ich mich nicht. Ich nutze nur mein mir zustehendes Rederecht als Stellvertreter des Senators von Hesophia. Wenn du also gestattest, würde ich gerne noch etwas hinzufügen.«

Falcus nickte, überheblich grinsend, und schwebte langsam wieder in Richtung seines Sitzes.

»Laut den unverbrüchlichen Gesetzen des Reiches, ist eine solche Ämterhäufung auch bei Menschen reinen Charakters ausgeschlossen. In den Statuten zur Ausübung von Macht, erlassen zu Dom unter der Ägide des Weisen und Erhabenen Uleman, ist fixiert, dass bis auf weiteres ein Einzelner nur maximal zwei Ämter bekleiden darf. Es kann also schon einmal den unverbrüchlichen Gesetzen des Reiches folgend gar nicht sein, dass Carilla in dieser Weise Macht ausübt. Darüber hinaus ist es in den Statuten zur Regelung der Verhältnisse durch das Forum Preconsus, aus der gleichen Amtszeit, festgelegt, dass der Senat eine Korrektur der Ämtervergabe bestimmen kann. Dies allerdings nur auf Antrag eines Senators, wenn dieser Antrag von einem Preconsus einer anderen Welt gestellt wird.

Ich stelle also hiermit den Antrag, dass Carilla aus seinem Amt als Kommandant der Flotter abberufen wird.«

»Ich unterstütze den Antrag.«

Alle Augen richteten sich auf die junge Senatorin von Jerrat, die sich erhoben hatte und Brakus, dann auch dem Kaiser, fest ins Auge blickte. Sie war wieder zurück von ihrer Heimatwelt und bereit, Geschichte zu schreiben.

Commanus hielt den Kopf geneigt und lauschte den Einflüsterungen Elgalars. Vermutlich wollte er erst einmal wissen, ob diese angesprochenen Verordnungen in dieser Form auch existierten. Die Antwort schien in nicht zu freuen, er schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Throns.

Dann fixierte er Brakus und Saraah. »Ihr wollt also Carilla abberufen. Nun, wenn ihr euch so gut auskennt, dann wisst ihr doch sicher auch, dass ein solcher Antrag nicht möglich ist, ohne einen alternativen Kandidaten zu stellen, dem wir zustimmen müssen. Der Kaiser der Dorgonen, von der Gnade der Götter berufen, bestimmt, ob eine Alternative akzeptabel ist. Niemand sonst.«

Vesus war überrascht, bedeuteten die Worte des Kaisers doch, dass er die Abberufung eines seiner engsten Vertrauten aus dem Amt des Flottenkommandeurs zumindest nicht widersprechen würde. Aber vermutlich war er sich durchaus im Klaren, dass es gefährlich sein konnte, sich gegen das Forum zu stellen, solange der noch Macht besaß. Nichts konnte für einen Kaiser gefährlicher sein, als den Adel gegen sich zu haben.

»Ich bin mir dessen bewusst. Wir haben einen Kandidaten, dessen Eignung über jeden Zweifel erhaben ist. Er hat in der Vergangenheit bereits so manches Gefecht für die Dorgonen siegreich bestritten. Er ist der beste Kommandant, den die Flotte derzeit hat und völlig zu Unrecht in den Ruhestand versetzt worden. Ich nominiere Vesus.«

Seine Rechte mit dem beringten Finger zeigte auf Vesus, stellte ihn in einer Weise heraus, die der Konsul so nicht mehr gewohnt war. Er erhob sich langsam aus seinem bequemen Sitz in der Loge des theosophischen Senators und schwebte auf einem Antigravkissen in die Mitte des Raumes, neben Brakus, der ihn mit einem aufmunternden Nicken empfing.

»Ich unterstütze die Nominierung«, insistierte Saraah, die neben ihnen beiden schwebte und so auch die Unterstützung der Jerrer deutlich machte.

Commanus schien sprachlos, wollte dann aufspringen, ließ sich aber nicht provozieren. Seine Miene verwandelte sich in eine undurchdringliche Maske, während er den Kopf leicht schief legte. Elgalar klebte sofort an seiner Seite und flüsterte ihm ins Ohr, von der anderen Seite näherte sich ganz unverhohlen Falcus, der sich, auf den Wink des Kaisers, unterwürfig näherte und in das andere Ohr flüsterte.

»Das muss ernst sein, wenn er schon Stereo bequatscht wird.« Brakus Stimme war fast nicht zu vernehmen, nur Saraah und Vesus bekamen die Respektlosigkeit mit.

»Vermutlich ist sein Bruder eher dagegen und Falcus eher dafür. Elgalar mag zu dumm dafür sein, aber Falcus kann die Vorteile einer solchen Konstellation durchaus erkennen. Schließlich kann es Commanus in dieser Situation nur nützen, wenn er einen Flottenkommandanten ernennt, der die Sympathien von Senat und Volk genießt.«

Vesus nickte unmerklich. Auch Saraah schien der Einschätzung des Brakus zuzustimmen.

Carilla näherte sich unterwürfig, aber mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. Auch er wollte etwas flüstern, die unwillige Handbewegung des Kaisers zeigte allerdings deutlicher als alle Worte, dass er gerade von ihm nichts hören wollte.

Wenige Minuten verharrte der ganze Saal in Schweigen, dann nickte der Kaiser. Er schickte die beiden Berater weg und erhob sich.

»Vorbehaltlich der Zustimmung des Senats, erteile ich meine Zustimmung zu Vesus als Kommandant. Wenn das Forum Preconsus sich allerdings nicht darauf einigen kann, Vesus einzusetzen, werde ich einen eigenen Kandidaten präsentieren.«

Er setzte sich wieder und wartete ab, was bei der Abstimmung herauskommen würde.

Die Senatoren stimmten per Fingerabdruck ab und legten durch die Wahl der Fläche, auf der sie ihre Finger abscannen ließen, fest, ob sie für oder gegen den Kandidaten stimmten. Commanus' Miene war immer noch finster, als er die Anzeige verfolgte, die zeitgleich die Ergebnisse der Abstimmung anzeigte.

Dann nickte er. »Mit einer deutlichen Mehrheit hat der Senat seine Zustimmung erteilt. Vesus, ich erwarte dich in meinem Palast. Morgen um diese Zeit wirst du zum neuen Flottenkommandanten ernannt werden.«

Er erhob sich und rauschte aus dem Forum. Dass er gerade eine Niederlage erlitten hatte, war ihm durchaus klar. Und Carilla war offensichtlich äußerst ungehalten darüber, er warf Vesus einen wütenden Blick zu. Aber andererseits war es sicher von Vorteil, wenn die Sympathien von Volk und Senat auf Seiten wenigstens eines Mitglieds seines Stabes sein würden.

Hingegen machte Vesus keinen glücklichen Eindruck. Er nahm vor allem Saraahs und Brakus' Glückwünsche gerne entgegen, aber er war sich darüber im Klaren, dass er sich keine leichte Aufgabe herausgesucht hatte. Als Gegner des Kaisers und seines derzeitigen Kurses in einer solchen Position zu sein, war gefährlich. Was, wenn der Kaiser eines Tages befehlen würde, auf Freunde zu schießen? Konnte er es tun? Er musste, alles andere wäre Meuterei gewesen. Aber würde er wirklich in der Lage sein, gegen die Freunde, gegen seine eigenen Interessen und für die Ideen des Kaisers zu entscheiden?

Letzten Endes hatte er keine andere Wahl.

Aber das war leichter gedacht, als getan.

Nur die Zukunft würde diese Frage beantworten können.

Bericht Torrinos

Gute Kontakte zur Flotte waren manchmal nicht das Schlechteste. Wir hatten sie wieder einmal ausnutzen können und dabei festgestellt, wie wackelig dieser neue Herrscher eigentlich noch in seinem Sattel saß. Leider gab es aber trotzdem zu viele, die auf seiner Seite standen, auch unter den Senatoren, die eigene Interessen verfolgten. Deshalb war er immer noch Kaiser, deshalb war es immer noch fast unmöglich, an ihn heranzukommen und ein Zeichen zu setzen.

Fast, denn einige Erfolge hatten wir landen können. Und wir waren auf dem besten Weg, dieser Erfolgsserie noch einen weiteren hinzuzufügen.

Bei meinem Eindringen in den Palast war es mir gelungen, auch einen Datensatz zu finden. Dieser Datensatz wies auf ein Ziel hin, das weit von unserer Heimat entfernt war. Sarinaph war eine alte Welt, eigentlich nicht einmal das. Es war ein Mond, gelegen in einem System, das fast unbekannt war und dessen Koordinaten nur wenigen Eingeweihten bekannt war.

Viele von denen, die jemals dort gewesen waren, kannten die Koordinaten nicht, sie hatten auch niemals die Oberfläche dieser Welt gesehen. Spektakulär war sie wohl auch nicht. Ein atmosphäreloser Gesteinsbrocken, darauf ausgerichtet, die Insassen nicht entkommen zu lassen, einzusperren, auch dank einer nicht vorhandenen Atmosphäre eine Flucht von vorneherein zu vereiteln, das war Sarinaph. Eine dunkle, kalte und gefährliche Welt, allerdings nur für jene, die als Gefangene dorthin kamen.

Dort zu landen, kam einem Todesurteil gleich.

Nicht, dass mich das überraschte. Dass Decrusians Leben an einem seidenen Faden hing, war klar. Vermutlich würde seine Hinrichtung bereits vorbereitet sein, er selbst in einem bedauernswerten Zustand.

Wir waren nur zu zweit. Waldron und ich, als einzige Vertreter auf Dorgon, die derzeit in der Lage waren, die besonderen Fähigkeiten der Goner zu beherrschen, wollten das schier Unmögliche wagen. Nicht nur das Eindringen in diese Festung erschien uns fast unmöglich, auch mit einem Gefangenen wieder daraus zu entkommen, gehörte zu den Abenteuern, die man niemals unternehmen sollte, wenn man nicht genau wusste, was man tat.

Ich war mir nicht so sicher, ob das auf uns zutraf.

Shenia Drenia war nicht bei uns. Sie war zurückgeblieben, weil sie bereits einen Tag nach unserer Abreise in ihr dreitägiges Koma gefallen wäre. Nun war sie unter der Obhut der Gefährten, was wohl nur mich einigermaßen beruhigte. Waldron jedenfalls schien sich Sorgen zu machen. Ich konnte das verstehen; sie war seine Gefährtin. Vielleicht vermisst er auch schon wieder ihr Genörgel. Jedenfalls redete er womöglich noch weniger, als sonst.

Das Schiff brachte uns auf eine Welt, die nur wenige Lichtjahre von Sarinaph entfernt war. Auf dieser Welt gab es ein Raumschiff, das regelmäßig Pendelflüge nach Sarinaph unternahm. Eine unbedeutende Handelswelt, die die nötigen Handelswaren und Gütern, die man zur Versorgung benötigte, zur Verfügung stellen konnte, war mit einem kleinen Flottenstützpunkt versehen worden. Nur ein Schiff, mit einer handverlesenen Besatzung, hatte die Aufgabe, die Gefängniswelt zu beliefern. Unser geringstes Problem war noch, in dieses Schiff hineinzukommen. Sie würden nicht einmal merken, wenn wir an ihnen vorbeigingen. Anlagen, die unser Eindringen melden konnten, waren deaktiviert, dafür würde ein Kontaktmann sorgen, den Vesus in dieser Einheit hatte platzieren können. Wir sollten also bald auf dem Weg sein.

Von dem Boot aus auf den Planeten zu kommen, war dann das nächste Problem. Und wenn wir das überstanden hatten, dann war es noch immer nicht vorbei. Dann mussten wir mit Decrusian zusammen von dieser Welt fliehen. Wie wir das schaffen sollten, war mir noch nicht klar. Es würde schwierig werden, weil wir kein Schiff zur Verfügung hatten. Mit Decrusian zusammen würde der Trick mit dem Versteckspiel auf der Versorgungseinheit schwerlich funktionieren. Wir würden das Schiff also kapern und zum Rückflug zwingen müssen. Der Kontaktmann an Bord war dabei sicher eine Hilfe, aber eben nicht ausschließlich etwas, auf das ich mich verlassen würde.

Eher schon die Fähigkeiten der Goner, die auch meine waren.

Einziger Schwachpunkt bei der Rückkehr wäre somit der Dorgone, den wir befreien wollten.

Wahnsinn? Eigentlich schon. Aber ich freute mich darauf. Meine Fähigkeiten anwenden zu können, erfüllte mich immer wieder mit Befriedigung. Und wenn ich daran dachte, wie viele Menschen Opfer brachten, um uns alle in glücklichere Zeiten zu bringen, war mir klar, dass ich mich da nicht ausschließen durfte.

Gut gelaunt verließ ich das Raumschiff, mit dem wir Kanaros erreicht hatten. Die unbedeutende Welt würde nur eine Zwischenstation sein. Der nächste interessante Punkt würde der Anflug auf Sarinaph werden.

 

Ein Exempel

Jadrogus saß immer noch im Gefängnis. Falls er gehofft hatte, dass man ihn schnell wieder daraus befreien würde, dann sah er sich getäuscht. Frustriert blickte er vor sich auf den schmutzigen Boden. All sein Luxus, seine Titel, sein Geld, seine Ämter, sie nützten ihm hier unten nichts. Hesophia, diese kleine Provinzwelt, auf die ihn Commanus geschickt hatte, war stärker.

Er machte sich klar, was das für ihn bedeutete. Er war allein, seine Leibwächter waren in anderen Teilen des Gefängnisses untergebracht. Perfide hatten sie ihn zusammen mit Verbrechern von Hesophia eingesperrt, die ihn immer wieder spüren ließen, dass er ein Fremdkörper unter ihnen war und von ihnen keine Gnade zu erwarten hatte. Er war schon mehrfach verprügelt worden und einmal nur knapp einer Vergewaltigung entkommen. Es war nicht seine Welt. Und das Ungeziefer machte es nicht besser.

Lange würde es aber sicher nicht mehr dauern. Früher oder später mussten sie ihn herauslassen, mussten sie ihm die Chance geben, auf die Vorwürfe eine Erwiderung zu geben. Schließlich hatte er bloß einen Bürgerlichen erschossen, einen überheblichen, kleinen, unbedeutenden Sandfloh, der ihm im Weg war, zertreten. Wenn das schon strafbar war, wohin waren wir dann im neuen Dorgon gekommen!

Seufzend ließ er sich wieder auf das Lager niedersinken. Er hörte das Klappern von Schlüsseln, reagierte aber nicht darauf. Erst als eine barsche Stimme seinen Namen rief, kam er langsam auf die Beine. Nicht zu schnell, ermahnte er sich, immer der Würde deines Standes angemessen. Auch wenn das hier kaum einen beeindrucken wird.

Er ging gemessenen Schrittes auf die geöffnete Tür zu, vorbei an Menschen, die Dreck in den Gesichtern hatten und nicht glücklich wirkten. Trotzdem grinsten sie, einer leckte sich über die Lippen. Das würde sicher nicht angenehm werden.

Als er die Tür erreichte, schubste ihn der Wächter. Ein ungebührliches Verhalten, aber was sollte man schon gegen die Allgewalt des Pöbels machen? Dass Ordnungsmächte von Hesophia zu diesem Pöbel gehörten, war ihm vorübergehend entfallen. Er wähnte sich noch immer auf der Seite des Rechts. Hoffentlich würden sie ihn endlich vor wichtigere Leute führen, damit er sich über diesen Lümmel von einem Polizisten beschweren konnte.

Nun aktivierten sie auch noch Handfesseln. Energiefelder, die seine Handgelenke fixierten, zwangen seine Arme auf den Rücken. Er wollte schon protestieren, erkannte aber an Grinsen des Wächters, dass das nichts nützen würde. Sie waren offensichtlich alle glücklich darüber, dass sie einen Adligen gefunden hatten, den sie gebührend misshandeln konnten. Jadrogus war nicht glücklich.

Der Gerichtssaal war ein vertrauter Anblick. Normalerweise saß er allerdings auf der anderen Seite des Tisches, nicht als Angeklagter. Er klagte an, brachte Menschen in Gefängnisse und war so ein nützliches Mitglied der Gesellschaft. Auf der anderen Seite zu stehen, gefesselt, gedemütigt, das war seinem Stand nicht angemessen.

Auf einen Wink nahmen sie ihm die Fesseln ab.

Wenigstens das, dachte der Adlige. Er wollte sich seufzend niedersinken lassen, als ihm die wütenden Blicke auffielen, die man ihm zuwarf. Schnell erhob er sich wieder, als ihm klar wurde, dass diesmal er der Angeklagte war. Er würde nicht sitzen, bei der ganzen Verhandlung würde er vor dem ehrenwerten Gericht stehen müssen. Und das ihm!

Er fixierte grimmig den Richter, der ihn ignorierte. Die Anklage wurde verlesen, er wollte sich äußern, niemand nahm seine Worte zur Kenntnis. Sogar der Anwalt, den sie ihm zugeteilt hatten, sprach sich gegen ihn aus! Das war eindeutig ein Komplott, sie arbeiteten alle gegen ihn. Unglaublich! Wenn das Commanus erfahren würde.

Im Schnellverfahren wurde ihm das Urteil verkündet.

»Jadrogus, du hast dich des Mordes an einem Bürger dieser Welt schuldig gemacht. Wir werden dich dafür auspeitschen. Nach einhundert Hieben mit der Peitsche werden wir dich, wenn du noch am Leben sein solltest, töten. Deinen Kopf werden wir Commanus schicken.«

Der Richter verstummte, wandte sich von dem fassungslosen Adligen ab und verließ mit gemessenen Schritten den Raum.

Jadrogus sagte nichts mehr. Er war wachsbleich geworden. Dass er für sein Handeln tatsächlich würde büßen müssen, entsprach so wenig seinen Erwartungen, seinen Vorstellungen davon, wie es unter der weisen und gerechten Gesetzgebung des Kaisers Commanus zugehen musste, dass er kein Wort über die Lippen brachte, sich willig abführen ließ und erst zu schreien anfing, als er schon halb an die beiden Pfähle gekettet war, die ihn für die Auspeitschung fixieren sollten.

Er wehrte sich, kam aber nicht gegen die bärenstarken Wachen an.

Einer der großen, kräftigen Kerle trat vor ihn, zeigte ihm die Peitsche, ein großes, schweres Ding mit einer langen ledernen Schnur, die vorne eine großen, harten Knoten hatte, der seinen Rücken verwüsten würde. Jadrogus biss die Zähne zusammen. Er war ein Adliger, kein Soldat. Er war es nicht gewohnt, dass man ihn peitschte, er war es nicht gewohnt, Schmerzen zu unterdrücken. Er merkte sehr deutlich, dass das kein guter Tag war. Es war nämlich sein Letzter.

Nach dem dritten Schlag verlor er das Bewusstsein. Vom Rest der Bestrafung bekam er nichts mehr mit. Nach dem Dreißigsten hauchte er sein Leben aus. Niemand bemerkte es. Aber es machte auch nichts, denn genau dieses Ergebnis hatten sie beabsichtigt.

Der Preconsus von Hesophia stand hinter einer Scheibe, niemand konnte ihn sehen. Er beobachtete mit verkniffenen Lippen, was auf dem Platz vor dem Palast passierte. Es war ihm zuwider. Aber Commanus und das neue Reich waren ihm ebenfalls zuwider. Er würde seinen Auftritt im Senat haben.

Brakus würde aus Dom so schnell, wie möglich, verschwinden müssen.

Hesophia würde die erste Welt sein, die sich von Commanus lossagte. Er hatte Saraahs Zusage, dass Decrusian befreit werden würde. Sie würden ihn zum neuen Kaiser ausrufen.

Sie würden ihn zu ihrem Herrn machen.

*

»Raus mit euch.«

Der Herrscher von Dorgon war sehr ungnädig, winkte all seine Berater aus dem Raum und akzeptierte nur noch Mitglieder der Prettosgarde im Raum. Damit auch sie nichts von seiner Unterhaltung mitbekamen, projizierte er ein Feld, das ihre Unterhaltung abschirmen würde. Vesus stand entspannt vor ihm, machte mit seiner ganzen Körpersprache deutlich, dass er ihn nicht fürchtete.

Brakus hatte recht gehabt mit seiner Aussage über die Verdienste des Vesus. Er war ein Flottenkommandant, der so manches Gute für das Reich getan hatte, unter den verschiedensten Kaiser gedient hatte und immer wieder bewiesen hatte, dass er sich anpassen konnte. Nur als man Commanus berufen hatte, hatte der alternde Starrkopf bewiesen, dass er auch anders konnte. Er hatte sich von dem neuen Kaiser losgesagt und seinen Ruhestand vorgezogen.

Der Senat hatte ihn wieder reaktiviert und ihm diesen starken Charakter vor die Nase gesetzt. Nach dem Gesetz, das schon seit alters her existierte, musste Vesus jeden Befehl ausführen, den ihm der Kaiser geben würde, auch wenn dabei Freunde von ihm zu Schaden kamen. Commanus war sich nicht im Klaren über seinen neuen Flottenkommandeur. Würde er tun, was auch immer von ihm verlangt würde? Wenn nicht, was wären die Konsequenzen? Würden die Soldaten alle zu ihrem Kommandeur oder zu ihrem Kaiser halten?

Auch nach Uleman war der Kaiser immer noch die oberste Instanz. Auch sie würden ihm letztendlich gehorchen müssen. Aber so mancher Kaiser musste schon erkennen, dass nicht immer alles so ging, wie er das erwartet hatte. Einen Dolch oder einen Strahlschuss zwischen die Rippen zu bekommen, konnte schneller passieren, als man sich das allgemein so dachte.

»Kommandeur, steh bequem.«

Schweigen kehrte ein, das nur der Kaiser brechen konnte.

»Ich bin damit nicht glücklich, aber ich glaube, dass es für das Militär gut ist, ein bekanntes Gesicht als Kommandeur zu haben. Sie kennen dich, sie vertrauen dir. Nur ich kann mich nicht dazu durchringen, dir zu vertrauen.« Spontan hatte sich Commanus zu Ehrlichkeit entschlossen.

»Herr, ich versichere dir …« Er wurde von der Handbewegung des Kaisers unterbrochen.

»Schweig! Ich glaube, wir werden es nicht leicht haben. Ich muss die Entscheidung des Forums akzeptieren, zumindest vorläufig. Ich rate dir, meinen Anordnungen Folge zu leisten, nicht an Rebellion zu denken und dem Reich und seinem Kaiser immer treu zu dienen. Und nun verschwinde.«

Er hob das Feld auf und entließ seinen Kommandeur.

Schweigend verließ Vesus den Raum, drehte sich erst unter der Tür endgültig von seinem Kaiser weg und zeigte ihm mit allen Bewegungen die Verehrung, die er für das Amt des Kaisers empfand. Commanus hütete sich davor, ihn zu unterschätzen. Dass er das Amt respektierte, bedeutete noch lange nicht, dass er auch den Kaiser respektierte.

Nachdenklich blieb der Kaiser zurück.

*

»Was soll das denn?« Elgalar hüpfte auf eine höhere Stufe und versteckte sich hinter seinem Bruder, als die Tür sich öffnete und ein Bote eintrat. Der Bote hielt ein Paket in der Hand, trat vor den Kaiser und zog den Inhalt aus der Verpackung.

Blut tropfte von dem Stumpf des Halses, der aussah, als hätte man ihn mit einer stumpfen Säge durchtrennt.

»Jadrogus«, flüsterte Commanus.

Er war fassungslos, konnte nicht glauben, was er da sah. Er fixierte den Kopf des Toten, dessen Gesichtsausdruck eine auf ewig festgefrorene Grimasse des Schmerzes zeigte. Es zeigte ihm, dass man seinen Vertreter unter Qualen getötet hatte.

Commanus sprang auf und brüllte den Boten an. »Was soll das bedeuten? Was soll dieser Affront gegen mich?«

Der Bote wirkte ruhig, stellte den Kopf achtlos ab und zog ein Hologramm aus der Kiste, das den Preconsus Hesophias zeigte.

Commanus beruhigte sich, empfing die Botschaft des Senators im Stehen.

»Kaiser der Dorgonen, du bist nicht länger der Kaiser von Hesophia. Deinen Schergen haben wir dir wiedergebracht, auch wenn du sicher nicht zufrieden damit sein wirst, in welchem Zustand er sich befindet. Glaube mir, auch mir ist das zuwider.

Aber du hast meinen Amtsvorgänger getötet, den ehemaligen Senator von Hesophia, den ehemaligen Kaiser unseres Reiches. Und du sitzt auf seinem Thron, obwohl du sein Blut an den Händen kleben hast.

Decrusian ist der wahre Herrscher, hiermit anerkannt von Hesophia. Wage es nicht, deine Flotten in Marsch zu setzen. Die Heimatflotte Hesophias ist bereit. Wir werden entweder kämpfend untergehen und du hast diese Welt für immer verloren, oder wir bekommen einen neuen Kaiser.

Lang lebe Dorgon! Lang lebe Decrusian II!«

Das Hologramm erlosch. Es war totenstill in dem Raum, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Elgalar sagte nichts, er fürchtete die Reaktion seines Bruders. Carilla schwieg und stand wie eine Statue an der Wand, hinter dem Kaiser. Die Unterlippe des Kaisers zitterte. Er war sich darüber im Klaren, was das bedeutete. Letztendlich hatte er versagt, es war zu einem Bürgerkrieg gekommen. Die erste Welt war von Dorgon abgefallen, hatte sich einen Gegenkaiser gesucht. Ein Krieg war somit unvermeidlich.

Das war nicht das, was er wollte. Aber es wäre sicher ganz im Sinne des roten Todes gewesen. Er hätte Gefallen an diesem Spiel gefunden, das kein Spiel war. Commanus legte den Kopf in den Nacken und schrie, brüllte seine Wut gegen die Decke und richtete dann seine Augen auf den Boten, die wütend funkelten. Er wusste, dass der Mann nichts dafür konnte. Aber das machte nichts.

»Ergreift ihn, und dann schickt seinen Kopf auf die gleiche Weise zurück. Ich nehme die Herausforderung der Bürger von Hesophia an. Ab heute herrscht Krieg.«

*

Falcus stand unmittelbar neben dem Kaiser, herangewinkt durch den Monarchen, der mit einem gnädigen Nicken signalisiert hatte, dass er mit dem Senator nun reden würde. Ein Feld, das die beiden abschirmte, verhinderte, dass Elgalar oder einer der anderen etwas von dem Gespräch zu hören bekamen.

»Preconsus, du wolltest dich mit mir unterhalten?«

Falcus, der sich seit langem in der Politik bewegte und so ziemlich alle Tricks kannte, die in der Politik zählten, hatte sich seit der Machtübernahme durch Commanus große Chancen ausgerechnet, endlich das zu erreichen, was er schon lange anstrebte, nämlich seine Macht zu vergrößern.

Nach Möglichkeit wollte er nicht nur als Berater fungieren, sondern auch in die Regierung des Kaisers aufgenommen werden, aus diesem Grund drängte er sich immer wieder nach vorne, wenn der Kaiser Rat suchte.

Falcus den Palast beziehen zu lassen, war bereits ein erstes Geschenk des Kaisers. Doch Falcus durfte sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern musste seinen Einfluss festigen.

Carilla und Elgalar sahen das nicht allzu gerne, aber dem Grundsatz, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, folgend, tolerierten sie diese Anbiederung. Und so beobachteten sie auch nun den Senator sehr misstrauisch, schalteten sich aber nicht ein. Letztendlich musste der Kaiser selbst wissen, wen er an seiner Seite dulden wollte. Und es war sicher gefährlich, ihm zu widersprechen. Wenn er den Einflüsterungen von Falcus folgen wollte, dann war es mit großen persönlichen Risiken verbunden, ihm diese Idee ausreden zu wollen.

»Ja, Kaiser. Ich wollte darauf hinweisen, dass die Entwicklung langsam gefährlich wird. Nun, da Hesophia sich von dem Kaiserreich losgesagt hat, werden sicher auch andere folgen. Und sie gründen ihren Anspruch alle darauf, dass es einen anderen gibt, der für die Position des Kaisers in Frage kommt.«

Commanus zuckte zusammen und Falcus wurde mulmig, als er bemerkte, wie sehr den Kaiser diese Gedanken trafen. Schnell sprach er weiter.

»Daher halte ich es für ratsam, wenn der Kaiser in seiner unvergleichlichen Weisheit beschließen würde, dass dieser Verräter umgehend hingerichtet wird. Wenn er sofort sterben sollte, dann entzieht der Kaiser damit den Gegnern des Reiches jegliche Grundlage und somit wäre eine Rebellion ab sofort gegenstandslos.«

»Du willst doch damit nicht sagen, dass ich das schon längst hätte machen sollen?«

Die Stimme des Kaisers klang drohend. Falcus duckte sich leicht. Er hatte genau das gedacht, aber dem Kaiser damit zu kommen, würde ihn den Kopf kosten.

»Es liegt mir fern, die unermessliche Weisheit des Kaisers zu kritisieren. Niemals kann ein sterblicher wie ich die Gedankengänge eines göttlichen Kaisers erfassen und deshalb glaube ich, dass die Entscheidung des Kaisers vollkommen richtig war. Nur haben sich durch den Abfall der Hesophen die Verhältnisse umgedreht. Der Kaiser hat nun die Möglichkeit, eine Kettenreaktion mit einer schnellen Entscheidung zu verhindern.«

»Du hast nicht unrecht, Senator. Ich werde die Tötung dieses Verräters sofort befehlen.«

»Da wäre noch etwas, Kaiser. Ich erinnere mich, dass bei der letzten gerechten Bestrafung des Decrusian etwas Unangenehmes passiert ist, was die Tatsachen vollkommen falsch darstellte.«

Falcus spielte auf die Projektion an, die den Kaiser als Mörder bezeichnete und Decrusian zum wahren Kaiser der Dorgonen ausrief. Er traf einen wunden Punkt beim Kaiser und merkte das auch schnell daran, dass sich die Fäuste des Herrschers um seine Armlehnen krampften. Er sprach schnell weiter:

»Seither ist der Kaiser auf der Suche nach der Person, die auf der Projektion nicht kenntlich war.«

»In der Tat, Falcus, das würde mich sehr interessieren.«

Er sprach mit gepresster Stimme, kaum verständlich. Falcus erschauerte. Ein falsches Wort, und er würde Decrusian in den Tod folgen. Das war nicht seine Absicht. Angespannt sprach er weiter.

»Mir wurde zugetragen, dass es sich um die göttliche Kaiserin handelt, mit der Elgalar ein merkwürdiges Verhältnis verbindet. Er hasst sie und das deswegen, weil sie seine Fraulichkeit geleugnet hat. Deshalb hat er ihr von dem Mord berichtet, um sie zu quälen. Der Kaiser kann sich nicht auf seine Herrscherin verlassen«

Commanus drehte den Kopf und fixierte den Senator. »Schweig, wie wir das zu bewerten haben, das wissen wir selbst«

»Selbstverständlich, Kaiser der Dorgonen. Wie kann ich nur an eurer Göttlichkeit zweifeln«

»Ich sollte sie töten!«

»Wenn die kaiserliche Hoheit erlaubt … Ich bin sicher, dass dem Kaiser die Idee, ihr falsche Informationen zukommen zu lassen, wesentlich besser gefallen wird.«

Commanus warf ihm einen Seitenblick zu. »Manchmal bist du gar nicht so dämlich, Falcus. Und jetzt scher dich dahin, wo nie die Sonne scheint.«

Falcus trat katzbuckelnd einen Schritt zurück und senkte den Blick. Commanus entließ ihn aus dem Feld, das ihre Privatsphäre garantierte. Dann winkte er Elgalar zu sich. Flüsternd erteilte er Befehle.

Falcus war froh, dass er ignoriert wurde. Ein giftiger Blick traf ihn. Elgalar schickte ihn unter seinen langen Wimpern hervor und zeigte ihm damit seine Verachtung. Falcus wusste, dass weder Elgalar noch Carilla seine Freunde waren. Aber das war nicht wichtig.

Wichtig war nur, dass er dem Kaiser einen Dienst erwiesen hatte. Er würde sich daran erinnern. Ein Kaiser vergaß nicht.

Bericht Torrinos

Vor uns schwebte der Mond auf dem schwarzen Samtkissen, das das Weltall bildete. Wir waren verborgen in einem Lagerraum, der angefüllt war mit all den Waren, die ein Außenposten wie Sarinaph nun einmal brauchte. Bis unters Dach waren die Güter gestapelt. Lebensmittel, genauso wie Gegenstände des täglichen Bedarfs, Toilettenartikel und Sonstiges, das die Soldaten brauchten. Soweit ich eruieren konnte, war der einzige Gefangene, der sich auf Sarinaph befand, im Augenblick noch der Stiefbruder der Kaiserin. So einen Aufwand betrieben die Soldaten aber sicher nicht für einen Einzelnen, was bedeutete, dass diese Welt noch an Bedeutung gewinnen würde. Letztendlich war das verständlich, denn in Zeiten, in denen ein Kaiser der Gewalt regierte, benötigte man auch Gefängnisse, die abschreckend waren und wo man politische Gegner und Verbrecher sicher wegsperren konnte. Eine Welt, die Hoffnungslosigkeit versprach. Eine Hoffnungslosigkeit, die sicher im Augenblick auch der Anwärter auf den Kaiserthron zu spüren bekam.

Wenn er überhaupt noch lebte.

Nach wie vor hatten wir das Problem, dass Decrusian jederzeit hingerichtet werden konnte. Kurz vor unserer Abreise von Kanaros waren erste Bilder über die Videoleinwände geflimmert, die uns klar gemacht hatten, dass wir nicht mehr viel Zeit hatten. Die Hinrichtung des Decrusian war für den nächsten Tag angekündigt worden. Vielleicht würden sie aber auch eine Aufzeichnung senden und ihn schon vorher töten, nur um sicher zu gehen, dass alles glatt gehen würde. Wenn sie ihn schon heute töteten, dann hätten sie einen großen Vorteil, sie würden die Bilder digital nachbearbeiten können und dafür sorgen, dass sein Tod effektiv in Szene gesetzt wurde.

Während dieser Gedanken passierten wir die Tore, die uns ins Innere der Anlage brachten. Von außen war von ihr fast nichts zu erkennen gewesen, nur ein gewaltiges Tor, das plötzlich verschwand und somit den Blick in einen Hangar zu erkennen gab. Bevor das Tor verschwunden war, hatte man davon allerdings nichts erkannt. Vermutlich war es ein Prallfeld, das mit einer Projektion getarnt wurde, die eine natürliche Oberfläche vortäuschte. Sehen konnte man den Stützpunkt damit schon einmal nicht, höchstens Orten. Und wer sich solche Mühe gab, würde die Anlagen zur Ortung mit einiger Sicherheit nicht vergessen.

Das Schiff setzte mit einer kaum merklichen Erschütterung auf. Das Schott öffnete sich und bereits kurz nach der Landung schwebten erste Roboter in den Raum und begannen damit, die Ladung zu löschen. Sie würden uns schnell entdecken, deshalb machten wir uns auf den Weg.

Energetischer Ortungsschutz würde uns verraten, das war uns klar, deshalb hatten wir uns bereits kurz vor der Landung in die nötige Konzentration versetzt und glitten lautlos und fast unsichtbar an der Wand entlang aus dem Hangar des Schiffes in den Hangar der Station. Niemand entdeckte uns, wir bewegten uns mit flüssigen, unglaublich schnellen Schritten über den Boden des Hangars und verschwanden im Inneren der Station. Ab jetzt waren wir in ständiger Anspannung. Ich hielt meine Waffe umklammert, in diesem Fall einen Dolch, eine spezielle Anfertigung, die gut in der Hand lag und Öffnungen für die Finger, ähnlich wie ein Schlagring, hatte. Die Klinge selbst war rasiermesserscharf und ging vorne über die Knöchel der Hand, so dass ein Stich oder ein Fausthieb die gleiche üble Wirkung auf den Angreifer haben würde.

Wir orientierten uns an den Anzeigen, die uns den Weg in die Unterkünfte der Gefangenen wiesen. Wir mussten auch nicht lange suchen, denn in der ganzen Anlage war nur eine Zelle in Betrieb. Die aktiven Energiefelder wiesen uns den Weg. Aber wir kamen zu spät. Niemand war mehr in der Zelle.

Hoffentlich waren sie noch nicht dabei, ihn zu töten. Vielleicht bereiteten sie ihn auch nur auf den Tod vor, versetzten ihn in Angst und Schrecken und machten ihm die Ausweglosigkeit seiner Situation zum wiederholten Male klar. Wir mussten ihn finden, so schnell es ging. Wenn er nicht in seiner Zelle war, dann hatten wir ohnehin ein großes Problem. Schnell bewegten wir uns in einen anderen Teil des Gefängnisses. Wir folgten dabei den Anzeigen auf den Schirmen, die uns den Weg in die Bereiche wiesen, wo sich auch Dorgonen aufhielten. Ihre Abbilder waren auf den Anzeigen der Infrarotbildschirme in unseren Einsatzanzügen deutlich zu erkennen.

Hoffentlich würden wir schneller sein, als die Henker des Kaisers.

 

Rettung des Kaisers

Decrusian sprang auf, als ihn ein Stromstoß traf. Er war gerade dabei gewesen, einzuschlafen. Die Folterknechte des Kaisers waren genau im richtigen Augenblick zur Stelle gewesen und weckten ihn wieder auf. So ging das schon seit Tagen. Wirklich richtig geschlafen hatte er, seit er in dieser Zelle war, nicht mehr. Immer wieder weckten sie ihn auf, hin und wieder schlugen sie ihn auch, allgemein unterzogen sie ihn Folterungen, die er kaum noch ertrug.

Er wollte nur noch sterben.

Aber er bemerkte auch, dass das nicht mehr lange dauern würde. Dass sie ihn von Dom weggebracht hatten, war nur zu dem Zweck geschehen, seinen Tod in Ruhe vorbereiten zu können. Seine Hinrichtungsstätte kannte er schon, sie war auf einem Bildschirm gegenüber von seiner Zelle zu sehen. Sie hatten sich für ein Vibratorschwert entschieden, das an einen Holzblock gelehnt stand. Auf diesen Holzblock würden sie seinen Kopf betten und dann würde ein Dorgone kommen, der ihm den Kopf abschlagen würde. Und das würde das Ende seiner kurzen Regentschaft als der wahre Thronanwärter sein. Nur wenige Tage nach seiner letzten Auspeitschung, bei der die wundersame Projektion aufgetaucht war, würde er aus diesem Leben scheiden. Welche Ironie und welche Verschwendung das doch bedeuten würde.

Decrusian stand nun schon einige Minuten neben der metallenen Liege, auf der sie ihn immer wieder mit Elektroschocks folterten. Natürlich hatte er auch schon daran gedacht, sich auf den Boden zu legen. Es hatte nichts genützt. Auch dieser war aus Metall und natürlich konnten sie auch die gesamte Zelle unter Strom setzen. Sein Versuch hatte ihn fast umgebracht, denn sie deaktivierten den Strom für längere Zeit nicht. Einzig sicherer Ort war die Liege gewesen, die frei im Raum schwebte. Er war am Anfang gar nicht darauf gekommen und hilflos mit seinen nackten Füßen auf dem Boden umher getanzt, dann war ihm im rechten Augenblick die Idee gekommen, die ihn gerettet hatte und er war auf die Liege gesprungen. Dort hatte er sich längere Zeit aufhalten müssen, bis er sich schließlich wieder auf den Boden gewagt hatte. Seither blieb er lieber auf der Liege.

Seine Augen waren rot; er war vollkommen übermüdet. Manchmal ertappte er sich dabei, dass er im Stehen oder sitzen wegdämmerte. Aber lange konnte er nie schlafen, meist schreckte er gleich wieder erschrocken aus dem nie besonders tiefen Schlummer hoch, weil er insgeheim mit Stromschlägen rechnete. Sein Körper hatte sich so an die Bestrafungen gewöhnt, dass er jedes Mal zusammenzuckte, wenn er am Einschlafen war, weil meistens dann die Stromschläge kamen. Wie ein Pawlow'scher Hund reichte schon das Einnicken aus, um ihn sofort wieder zuckend aufzuwecken. Schlimmer konnte es nun kaum noch werden. Er blickte auf das Vibratorschwert und sehnte sich fast nach dem Gefühl, wenn die vibrierende Klinge ihn töten würde.

Und dann schien es so weit zu sein. Sie holten ihn ab, zerrten ihn aus der Zelle und brachten ihn in einen anderen Raum, in dem sie ihn festschnallten. Einer der Wachtposten baute sich vor ihm auf und grinste ihm ins Gesicht.

»Ich habe eine Überraschung für dich«, kicherte der Wächter. »Morgen wirst du sterben. Und niemand wird das noch verhindern können. Also gehen wir die Prozedur mal durch. Und komm nicht auf die Idee, dich nicht an das Protokoll zu halten.«

»Wieso, du Narr? Werdet ihr mich sonst verhauen?«

Decrusian grinste überheblich. Nichts konnte ihn nun mehr erschrecken. Er war sich darüber im Klaren, dass er seine Position nicht verbessern würde. Natürlich war das kaum zu erwarten, wenn sie ihn ohnehin töten würden. Und damit konnte er sich nun benehmen, wie er wollte. Sie hatten ihm schon genug Schlimmes angetan. Schlimmer konnte es kaum werden.

Das sah wohl auch der Wächter ein. Er hob die Hand, wie um ihn zu schlagen. Decrusian wich nicht einmal aus und musste das auch nicht, denn der Wächter vollendete den Schlag nie. Er fixierte den Gefangenen und trat dann einen Schritt zurück.

»Wir werden das mal durchgehen, dann kannst du dich ja immer noch zur Kooperation entscheiden. In diesem Fall werden wir es schnell und schmerzlos machen. Ansonsten wird es noch unangenehm werden. Wir werden uns da schon noch etwas einfallen lassen, keine Angst.«

Decrusian grinste. Er nickte und meinte: »Natürlich werde ich kooperieren. Was macht es schon aus? Es ist ohnehin völlig egal.«

Und damit ließ er die Rede des Wächters über sich ergehen. Gelangweilt lauschte er seinen Worten.

Bericht Torrinos

Der Pfad war leicht zu finden. Sie hatten ihn nicht weit von der Zelle entfernt in einen Raum gebracht, in dem sie ihn einem Verhör beziehungsweise einem genauen Briefing unterzogen. Perfide und den Schergen eines Mörders angemessen, erwarteten sie wohl tatsächlich noch, dass Decrusian bei seiner Hinrichtung eine aktive Rolle im Sinne des Kaisers spielen würde. Sie würden sich noch wundern.

Die gute Nachricht war, dass der Dorgone noch am Leben war. Die schlechte Nachricht war, dass er sich in einem bedenklichen Zustand befand. Er hatte wohl lange nicht mehr geschlafen, seine Augen wirkten jedenfalls sehr verquollen und insgesamt machte er einen Eindruck, als ginge ihn alles nichts an, als wäre er abwesend. Er war auf jeden Fall in einem Zustand, der seinen Abtransport aus dieser Station schwierig machen würde.

»Wir werden ihn getrennt hier rausbringen. Du wirst ihn dir über die Schulter werfen und zum Schiff tragen. Verwende dazu einen Weg, auf dem sie dich nicht finden können. Ich werde einen anderen Weg nehmen und versuchen, sie auf eine falsche Fährte zu locken. Dann komme ich so schnell ich kann nach.«

Waldron nickte. »Erst müssen wir ihn aber herausholen.«

»Diese beiden Mordbuben werden nicht mehr lange unter den Lebenden weilen.« Ich richtete mich auf und versetzte mich in die Konzentration, die der schnellere Bewegungsablauf unserer Kampftechniken erforderte. Mein Körper spannte sich langsam an, ich nahm die Hand mit dem Dolch hoch und richtete die Schneide auf die drei Gegner, die sich in dem Raum befanden. Dann nickte ich Waldron zu.

Der Goner öffnete die Tür. Drei Gesichter wandten sich mir zu, Decrusian reagierte kaum. Ich glitt wie ein Schemen in den Raum und bewegte mich so schnell, dass die drei Wachen nicht sahen, was ich wirklich machte. Der Erste war nicht einmal mehr in der Lage, etwas zu sagen. Mein Dolch glitt über seine Kehle und zerfetzte sie. Er sank gurgelnd zu Boden. Der Zweite blickte verblüfft auf seinen Kameraden, lag aber sogleich neben ihm. Der Dritte konnte durch Zufall noch meinen ersten Hieb abblocken und seinen Blaster ziehen. Er sah allerdings niemanden, auf den er ihn ausrichten konnte, ich war mittlerweile hinter ihn geglitten. Meine Klinge durchschnitt auch seine Kehle und sorgte so dafür, dass er keine Hilfe mehr herbeirufen konnte. In gespenstischer Lautlosigkeit sank er zu Boden.

Nur noch Decrusian und wir beide waren anwesend. Mein Körper kam zur Ruhe, ich versenkte den Dolch in einer der Taschen. Waldron betrat den Raum und stieg ungerührt über die drei toten Wachen hinweg.

Ich tastete über den Anzug. Während des Kampfes hatte ich die Wirkung des Anzugs zu spüren bekommen. Seine spezielle Konstruktion stützte meine Muskulatur nicht nur, sondern unterstützte auch die Bewegungen, die ich machte. Ich konnte auf diese Weise noch schneller auf alles reagieren, als es mir allein meine Fähigkeiten ermöglichten. Kein Wunder, dass der Kampf gegen Jarus so schwierig gewesen war. Selbst als Tragonar, der kaum schlechter als ich war, in den Kampf eingegriffen hatte, hatte es noch eine Weile gedauert, bis wir ihn gemeinsam besiegt hatten. Ich war mir ziemlich sicher, dass Carilla bis heute nicht wusste, welch wertvollen Helfer er verloren hatte.

Aber das war auch gut so. Wenn die Dorgonen zu viel über die Goner erfahren hätten, dann wäre das sicher nicht gut gewesen.

Ich warf Tragonar einen Seitenblick zu. Er hatte sich in den letzten Tagen verändert, genauso, wie Shenia. Beide waren ruhiger geworden, stritten sich lange nicht mehr so häufig, wie das in den Anfangszeiten der Fall gewesen war, als sie zu uns gestoßen waren. Sicher war dafür die Situation ihres Volkes verantwortlich, das auch einem Bürgerkrieg entgegensah. Aber Tragonar machte noch immer einen schlampigen Eindruck, daran würde sich wohl niemals etwas ändern.

Er warf sich Decrusian, der nichts mehr mitbekam, über die Schulter. Waldron nickte mir zu und verließ den Raum. Er wandte sich in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Ich nahm eine andere und verhielt mich dabei betont auffällig. Damit gelang es mir, die noch aktiven Wachen von Waldron abzulenken. Das würde mir allerdings zum Verhängnis werden, wenn ich nicht aufpasste. Aber ich hatte da meine eigenen Vorstellungen. Nebenan war ein großer Raum, eine Arena fast. In ihr würde ich mich mit einigen meiner Gegner beschäftigen.

 

Die Macht eines Kaisers

»Und so erklärt das Volk der Jerrer seinen Abfall vom Imperium von Dorgon. Lang lebe der Kaiser der Dorgonen, lang lebe Decrusian!«

Commanus ballte die Faust und knallte sie auf die Lehne. Er schlug nach hinten und erwischte Elgalar an einer empfindlichen Stelle. Pfeifend stieß der Transvestit die Luft aus. Er hatte es noch immer nicht verkraftet, dass die Traditionen des Volkes ihm nicht erlauben würden, eine andere zu werden und musste nun wieder einmal feststellen, dass dieser Körperteil, auch wenn er es nicht liebte, sehr empfindlich war.

Der Kaiser beachtete ihn nicht. Er sprang auf. »Vesus! Bringt mir diesen Taugenichts von einem Kommandeur sofort her! Wenn er in drei Minuten nicht vor mir kniet, dann vergesse ich mich!«

Sein Gesicht nahm eine Färbung an, die vom roten schon leicht ins Violette hinüber schimmerte. Er beruhigt sich nur mühsam, setzte sich dann und beherrschte sich. Er musste sich beherrschen, ein Wutausbruch würde nichts daran ändern.

Er winkte den noch immer keuchenden Elgalar zu sich. »Wieso habe ich noch keinen Vollzug, was diesen Decrusian betrifft? Ist der Kerl immer noch am Leben?«

»Bisher ist noch keine Meldung von Sarinaph eingetroffen. Aber auf dieser Welt wird nichts anderes passieren, als der Tod dieses anmaßenden Flegels.«

»Und da bist du dir sicher?« Commanus schien nicht überzeugt. Aber da er auch keine anderen Informationen hatte, beließ er es dabei. Er beobachtete, wie Vesus den Raum betrat und vor ihm auf die Knie fiel. Wenigstens hatte der ehemalige und neue Kommandant der Raumflotte noch so viel Anstand, seine Göttlichkeit anzuerkennen.

»Vesus, nachdem Hesophia bereits vom Kaiserreich abgefallen ist, hat sich auch der Planet Jerrat mit seiner rebellischen Senatorin von uns abgewandt. Jerrat und Hesophia gehören offiziell immer noch dem Imperium an. Du erarbeitest sofort eine Strategie, dass das auch in die Tat umgesetzt wird! Keine Rücksichtnahme ist hier erwünscht, wir brauchen ein einiges Reich. Wir können uns nicht erlauben, dass Dorgon in zwei Teile zerfällt und wir können uns auch einen Bürgerkrieg nicht erlauben.«

»Ja, Kaiser.«

Vesus stimmte den Kaiser der Dorgonen innerlich sogar zu. Aber unter anderen Vorzeichen wäre es besser und einfacher gewesen, dem Befehl zu gehorchen. Vesus kämpfte nur kurz mit sich. Er hatte dem Amt des Kaisers Treue geschworen und der Kaiser hatte ihm einen Befehl erteilt. Auch wenn er ihn nicht mochte, so war es doch besser, zu gehorchen.

Er erhob sich und verließ den Raum. Er würde eine Strategie empfehlen. Die Raumflotte stand schon bereit.

*

Elenia lief gelangweilt durch die Gärten des Palastes. Hektisch liefen einige Offiziere der Prettosgarde an ihr vorbei. Es herrschte große Aufregung nach der Befreiung Decrusians durch die rebellischen Demokraten. Ausgerechnet einer von ihnen, der Prettosgardist Torrinos, war Rädelsführer dieser Widerständler.

Nun schwang Decrusian Reden gegen den legitimen Kaiser Commanus. Er beschuldigte Commanus des Mordes an Uleman und forderte dessen Platz. Ein klassischer Zweikampf zweier Brüder um die Macht war entfacht. Nur schien dieser einen ebenso klassischen Bürgerkrieg mit sich zu ziehen, der Millionen von Opfer kosten würde.

Elenia erschauerte dieser Gedanke. In den nicht einmal dreißig Jahren ihres Lebens hatte sie schon einige Katastrophen miterlebt. So auch den Krieg gegen Ulemans Rebellen, den Saggittonen, Terranern und Estarten, den Fall des Diktators Nersonos.

Mit Uleman waren Beständigkeit, Sicherheit und Frieden eingekehrt. Unter Commanus waren die alten Machtkämpfe ausgebrochen. Ihr Vater befand sich in diesem Krieg der Macht an vorderster Front als einflussreicher Preconsus und persönlicher Berater von Commanus.

Das gefiel Elenia noch weniger. Sie hatte keinerlei politische Ambitionen. Es dürstete ihr auch nicht so sehr nach Karriere und Macht, wie andere. Vielmehr lockte sie das Abenteuer mehr als das Büro. Eine Einstellung, die ihr Vater nicht tolerierte.

Deshalb hielt er sie oftmals in einem goldenen Käfig, verbot ihr viele Dinge und versucht sie zu kontrollieren. Elenia war jedoch starrköpfig genug, um sich gegen den Willen ihres Vaters durchzusetzen.

Sie schlenderte weiter im Garten umher und erfreute sich an den exotischen Pflanzen. Ein Schluchzen ließ sie neugierig werden. Hinter einer Hecke saß die Kaiserin und weinte bitter.

Elenia wollte erst leise weitergehen, doch Arimad hatte sie inzwischen schon bemerkt. »Es tut mir leid, ich wollte nicht …«

»Schon gut«, flüsterte Arimad und blickte die Mesophin traurig an.

Elenia nahm dies als Möglichkeit an, Arimad näher kennen zu lernen. Sie setzte sich neben die Kaiserin und sah diese mit einer Mischung aus Neugier und Mitleid an.

Was mochte das Herz der mächtigsten Frau der Galaxie so traurig stimmen?

Arimad trocknete ihre Tränen und schaute verlegen auf den Boden. Sie schien sich zu schämen.

»Du musst von mir jetzt bestimmt seltsam denken.«

Elenia schüttelte den Kopf.

»Ich frage mich nur, was dich so traurig macht?«

Arimad blickte sie ernst an. Sie schien Elenia zu erforschen. War sie vertrauenswürdig?

»Du bist die Tochter des Senators Falcus. Verzeih mir, aber es geziemt sich nicht einer Kaiserin solch persönliche Fragen zu stellen. Ich möchte dich bitten, kein Wort darüber zu verlieren!«

Arimads Stimme klang nun beherrscht und kühl. Sie erhob sich und ging einfach weg.

Elenia blickte ihr verdutzt hinterher. Sie spürte, dass Arimad etwas verheimlichte. Jedoch traute sie Elenia nicht. Deshalb erzählte die Kaiserin nichts.

Die Tochter von Falcus musste Tag für Tag feststellen, dass die kaiserliche Familie eine sehr seltsame Brut war.

*

Ich griff in eine der Taschen und entnahm ihm ein Langmesser, das fast schon die Ausmaße eines Schwertes hatte. Es war aus einem Material, das kaum zu zerstören war, vergleichbar mit den Legierungen, die man im Raumschiffsbau verwendete. Es war von den Prettosgarden verwendet worden und wurde von den Gardisten zur Zierde zum Teil noch heute verwendet. Normalerwiese waren aber auch bei den Garden heute modernere Waffen angesagt.

Für diesen Zweck aber war sie optimal.

Ein kurzer Impuls von Tragonar zeigte mir, dass er das Transportschiff mittlerweile erreicht hatte. Die meisten der Wachen waren auf der Suche nach mir. Ich würde mich nicht lange mit ihnen beschäftigen. Ich würde sie hier in der Arena binden und ihnen das Fürchten lehren, Respekt vor den Gonern und ihren Kampfkünsten beibringen um dann, wie ein Schatten, zu verschwinden. Das war der Plan. Ich war mir sicher, dass er aufgehen würde.

Geräusche verrieten, dass sich die Wachen näherten. Ihre Stiefel waren kaum zu überhören. Ich aktivierte ein eng am Körper anliegendes Prallfeld, das Klingen von mir fern halten würde, aber wohl kaum geeignet war, Energiewaffen Paroli zu bieten. Gegen diese würde mir nur meine Schnelligkeit helfen. Ich konzentrierte mich und versetzte mich auf die siebte Stufe. Ich spreizte leicht die Beine, ging in die Knie und hob die Hände über den Kopf. Das Schwert war nun wie zum Schlag erhoben.

Ich musste nicht lange warten. Plötzlich war der Raum erfüllt mit meinen Gegnern. Ich spannte meine Muskeln leicht an und spürte, wie der Anzug mir dabei half, darauf zu warten schien, dass ich mich bewegte. Für meine Gegner würde es aussehen, als würde ich explodieren. Verletzen würde ich sie nicht ernsthaft, sie waren mit körpereigenen Schilden ausgestattet. Ich wollte nicht alle töten. Ich wollte nur abschrecken und ihnen die Möglichkeit lassen, von ihrem Versagen zu berichten.

Der erste betrat den Raum und riss seine Waffe hoch. Er feuerte. Ich drehte meine Hüfte zur Seite, wirbelte um die eigene Achse und schlug einen Salto. Hinter ihm erreichte ich den Boden wieder. Mit der flachen Seite der Klinge klopfte ich ihm auf den Hintern und sprang im gleichen Augenblick hoch. Er wirbelte herum, konnte aber niemanden erkennen. Fast lautlos erreichte ich auf der anderen Seite des Gegners wieder den Boden. Ein weiterer Wächter betrat den Saal.

Ich tippte den Wächter an, der wiederum herumwirbelte und mir verblüfft ins grinsende Gesicht starrte.

Dann glitt ich auf die Seite, drehte mich leicht und konnte aus den Augenwinkeln erkenne, dass der zweite Wächter auf mich feuerte. Ich konnte nicht ausweichen. Ich riss das Schwert hoch und lenkte den Strahl zur Seite. Wirkungslos schlug der Energieimpuls in die Wand.

Zwei weitere Energieimpulse lenkte ich ab, dann wirbelte ich blitzschnell, für das dorgonische Auge kaum sichtbar, durch den Raum und schlug ihm die Waffe aus der Hand. So wirbelte ich mehrere Minuten zwischen den Wächtern umher, die dem Schatten kaum folgen konnten. Nach wenigen Minuten lagen die meisten bewusstlos auf dem Boden. Ich verschwand durch eine der Türen und entfernte mich von dem Hangar, in dem das Raumschiff auf uns wartete. Sie folgten mir und ließen sich von dem Hangar fortlocken.

Einen Bogen schlagend, kehrte ich in die Nähe des Hangars zurück. Mein Orientierungssinn ließ mich den Gängen folgen, die ich noch nie gesehen hatte. Der in meinen Anzug eingebaute Rechner unterstützte mich bei der Orientierung. Es dauerte nicht lange und ich erreichte den Raum. Alle Schiffe hatten Startverbot. Nur unseres ließ sich vom Boden lösen. Dafür sorgte der Geheimcode, den ich in meinem Rechner gespeichert hatte. Es war ein Code, der im Rechner des Kaisers gespeichert war. Er setzte alle Sperren außer Gefecht und erlaubte, dass sich das Schiff vom Boden löste. Die Energieschleuse, die die Planetenoberfläche simulierte, verschwand. Wir schwebten aus dem Hangar.

Niemand in der Station würde sich trauen, dem Kaiser die Wahrheit zu berichten. Es würde noch einige Zeit dauern, bis der Kaiser von dieser Niederlage erfahren würde.

Ich warf einen Blick auf den Stiefbruder der Kaiserin. Decrusian schlief erschöpft. Er sollte die Augen lange nicht mehr öffnen. Bis dahin hatten wir Hesophia bereits erreicht.

*

Der Weltraum verschluckte alle Geräusche. Nur das Keuchen der Kameraden war durch die Funkanlagen zu hören, aber auch das nicht immer, nur dann, wenn die Feinde sowieso wussten, dass wir da waren. Ein Raumlandekommando hatte diesen Mond besetzt und der schwelende Bürgerkrieg zwischen Hesophia und dem Reich erreichte eine erste heiße Phase.

Der Soldat musterte seine Umgebung. Auf der Sichtscheibe seines Helmes konnte er eine schematische Zeichnung erkennen, die ihm die Standorte der eigenen und der fremden Truppen deutlich zeigte. Ein gegnerischer Trupp hatte die hesophischen Soldaten unter Feuer genommen und trieb sie auf den Rand des Kraters zu. Aus den Stationen waren sie schon längst vertrieben.

In dem Mondkrater bahnte sich ein Drama an.

Die Soldaten wurden in die Enge getrieben. Neben ihm brach eine Soldatin in die Knie, als ein Energieimpuls ihren Raumanzug traf. Ein Loch im Anzug verhinderte, dass er noch etwas von ihr hörte. Das Vakuum des Alls war schneller im Anzug, als die Soldatin reagieren konnte. Ein kurzer Blick nur auf das Visier zeigte ausdehnende Gesichtszüge, die dann aber von den Filtern, die die Umgebung des Kraters widerspiegelten, gnädig verdeckt wurden.

Neben ihm starben noch weitere Kameraden.

Seine Gruppe war eingekesselt, niemand konnte ihnen helfen. Er fing einen Soldaten auf, dessen Raumanzug gehalten hatte. Durch den Schuss war das Loch im Anzug wie verschweißt, die Verletzung aber musste sehr schmerzhaft sein.

»Einen Sanitäter!«, brüllte der Soldat.

Niemand reagierte. Niemand konnte reagieren, der Kessel der Gegner war zu dicht.

Er nahm den Verletzten in die Arme. »Du schaffst das!«, brüllte er.

Der Verletzte keuchte. Er nickte und lächelte verzerrt.

»Ich schaffe das«, konnte er eine dumpfe Stimme, die durch den Helm zu ihm drang, hören. »Ich schaffe das.«

Trotzig. Aber vergebens, wie der Soldat erkannte.

»Ich schaffe das …« Die Augen brachen, der Soldat bewegte sich nicht mehr. Niemand würde ihnen hier helfen können. Und in ihrer letzten Stunde waren sie alle allein.

Schweigen. Das Weltall schluckte alle Geräusche. Der Mond leerte sich langsam wieder, als die Soldaten abrückten. In den Felsen saß ein letzter Soldat, den sie am Leben gelassen hatten. Er umklammerte seine Beine und zitterte. Er murmelte irgendwelche Worte, die in sein Mikrophon drangen. Wenn die Schiffe nahe genug kommen würden, dann würden sie ihn verstehen. Er würde ihnen von dem Massaker berichten können.

Und dann würden sie merken, dass man sich mit der Macht des Kaisers nicht anlegte.

*

Vesus stand vor dem erhöhten Kommandosessel in der Zentrale des Adlerschiffes. Niemand sprach. Die Besatzung der Zentrale war über ihre Pulte gebeugt und ging ihrer Arbeit nach. Vesus war nicht stolz auf das, was sie getan hatten. Der Krieg war sinnlos. Hoffentlich würden die Menschen auf Hesophia, die Menschen um Decrusian, das einsehen.

Und hoffentlich würden Jerrat und Hesophia vernünftig werden, bevor es zu spät war.

Er ließ das Schiff aus dem Hoheitsgebiet der Hesophen fliegen. Sie sollten ihre Freunde ruhig finden.

Er beorderte den Unterhändler zu sich. Eine Chance sollten sie bekommen. Er beugte sich zu dem Mann nieder und instruierte ihn mit leiser, ruhiger Stimme.

*

Arimad kauerte vor dem Kaiser, der wie ein Berg über ihr stand.

Elgalar stand neben seinem Bruder und grinste. Er nickte der Kaiserin zu. »Ich hatte dir doch gesagt, dass ich die First Lady werde.«

Ein Blick aus den Augen seines Bruders brachte ihn zum Schweigen. »Was auch immer geschehen wird, du wirst den Palast nicht verlassen. Ich weiß mittlerweile, dass du mit den Rebellen unter einer Decke steckst. Und ich werde Hesophia vernichten lassen. Bleib in diesem Zimmer und zeige dich nur, wenn du von mir die Order dazu bekommst.«

Commanus drehte sich um und ließ seine Frau zurück, die die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Nicht einmal die Flucht stand ihr nun noch offen. Mit den Adlerschiffen des Reiches, immerhin eine Flotte von 290 000 Schiffen, würde ein Aufstand schnell niedergeschlagen sein. Warum Commanus noch zögerte, war ihr nicht ganz klar. Vermutlich war es ein Rest von Vernunft, sicher auch das Misstrauen, das er seinem Kommandanten Vesus entgegenbrachte. Der Kommandant war mit 50 000 Schiffen in das System Hesophia unterwegs, während weitere 25 000 Schiffe unter dem Kommando von Carilla nach Jerrat flogen. Die Schlinge des Kaisers zog sich immer enger um die aufständischen Welten. Weitere 37 000 Einheiten verteilten sich auf dreißig weitere Systeme, die sich mittlerweile der Rebellion angeschlossen hatten. Commanus hatte das Reich an den Rand eines Bürgerkriegs geführt.

Arimad verfolgte die Berichte auf den offiziellen Kanälen gebannt. Das Einzige, was noch fehlte, war ein Lebenszeichen von Decrusian. War er mittlerweile hingerichtet, oder würde er die Hoffnung werden, an die sie alle glaubten?

*

Decrusians Gesicht schwebte in der Holoprojektion, die einen von Hesophias Kanälen zeigten. Commanus war von seinen Getreuen informiert worden und folgte der Rede gebannt, die sein Gegenspieler über die öffentlichen Kanäle verbreiten ließ. Es musste sich allerdings um eine Fälschung handeln, denn Decrusian konnte nicht auf Hesophia sein. Er war immer noch auf Sarinaph eingekerkert. Auf jeden Fall hatte er nichts anderes von dieser Welt erfahren.

Elgalar näherte sich zögernd dem Thron. Wütend winkte ihn Commanus zu sich. Elgalar näherte sich nun schneller, aber es war deutlich zu sehen, dass er oder sie sich nicht wohl in seiner oder eher ihrer Haut fühlte. Elgalar beugte sich zu dem Herrscher und flüsterte ihm die niederschmetternden Worte ins Ohr. Wie betäubt saß der Kaiser auf seinem Thron. Also doch, Decrusian war befreit worden. Er befand sich irgendwo in der Galaxie M 100. Auf Hesophia oder sonst wo, das konnte Commanus nicht wissen. Aber das war auch nicht wichtig.

»Bringt mir mein Reich zurück.«

Commanus hatte leise gesprochen und sank auf seinem Thron zusammen. Nun lag alles in der Hand seines Kommandanten Vesus. Er würde sich auf den alten Krieger verlassen müssen.

*

Waldron hatte Hesophia sofort wieder verlassen, um mit einem Kurierschiff auf die Insel zu fliegen. Er wollte Titus Jusilus, den Oberbefehlshaber der Dorgonen auf der Insel, von der neuen Lage in Kenntnis setzen und im Auftrag von Decrusian und der Rebellen um Hilfe bitten. Auf jeden Fall würden sie so wertvolle Hilfe im Kampf um die Freiheit erhalten. Aber Tragonar hatte versagt. Sein Schiff war aufgebracht worden, als er gerade das System der Hesophen verlassen hatte. Nun stand er vor Vesus, der ihn schweigend und kühl musterte.

»Goner, ich weiß nicht, warum du dich auf diesen … Irrsinn eingelassen hast. Es war ein Fehler, einen solchen Krieg herbeizuführen, eine solche Entwicklung überhaupt zuzulassen. Ihr hättet mit Decrusian irgendwohin verschwinden sollen, wo wir euch nicht mehr gesehen hätten. Stattdessen habt ihr euch auf dieses Unternehmen eingelassen, nur mit den Flotten von einigen kleineren Kolonien wollt ihr euch gegen das Kaiserreich stellen. Es wäre weitaus besser gewesen, weiterhin aus dem Verborgenen heraus zu arbeiten.«

Tragonar schüttelte stumm den Kopf. »Für die Freiheit zu kämpfen, ist niemals verkehrt, Vesus. Das weißt du sehr gut. Und bisher warst du doch auf unserer Seite. Warum hast du dich dazu verleiten lassen, dich auf die Seite des Kaisers zu stellen?«

»Das habe ich nicht. Ich habe mich nur auf die Seite des Rechts gestellt. Commanus ist nun mal der rechtmäßig ernannte Kaiser und ich bin ihm Gehorsam schuldig, genauso, wie ihr, genauso, wie Decrusian und jeder andere Dorgone im Reich.«

»Es wäre Decrusians Tod, wenn er sich auf Dorgon blicken lässt, das weißt du sehr genau.«

»Du willst mich nicht verstehen. Ihr habt keine Chance gegen uns, begreife das. Und nun bitte ich dich, teile deinen Freunden mit, dass sie sich ergeben sollen. Die Rebellion ist beendet. Kehrt zurück in eure Häuser, ergebt euch dem Kaiser, schwört ihm neuerlich die Treue und stellt den Kampf ein. Und nun geh.«

Tragonar verließ das Adlerraumschiff und flog zurück nach Hesophia, um den Freunden das Ultimatum mitzuteilen. Drei Tage gab ihnen Vesus Zeit, dann sollten sie sich ergeben haben. Drei Tage nur, dann würde die Entscheidung gefallen sein.

*

Saraah verfolgte hilflos, wie die Adlerschiffe des Reiches Jerrat anflogen. Die schwache Heimatflotte hatte kaum eine Chance gegen die Angreifer und nach und nach vergingen die Schiffe im Feuer der Raumschiffe, die von Carilla kommandiert wurden. Es ging schneller, als sie es sich gedacht hatte und der Schlächter ließ ihnen keine Chance. Er reagierte nicht auf Funkanrufe, hatte bereits vor dem Angriff klar gemacht, dass er nur auf einen Anruf reagieren würde, nämlich die totale und bedingungslose Kapitulation. Es war klar, dass sie früher oder später kommen würde. Dieser Wahnsinnige würde sonst Jarrar dem Erdboden gleich machen.

Saraah atmete schneller, als ihr klar wurde, dass ihr Volk bald vernichtet sein würde, wenn sie nicht schnell entschied. Sie winkte ihren Stellvertreter heran.

»Ich werde mich absetzen und nach Hesophia fliehen. Dort ist Vesus, wenn wir überhaupt eine Chance haben, einen Stützpunkt länger zu halten, dann dort. Außerdem müssen sie es wissen.«

Der andere nickte und begleitete sie zu dem Transmitter. Sie stellten die Koordinaten der hesophischen Welt her.

»Wenn ich durch diesen Transmitter gegangen bin, wirst du ein Funkgerät aufsuchen und kapitulieren. Diese Welt darf nicht vernichtet werden. Wir haben verloren.«

Schweigend nickte er. Saraah wusste, dass er ihren Befehl befolgen und Jerrat so vor dem Untergang bewahren würde. Was dann kam, wusste niemand so recht. Sie alle hofften, dass Carilla vernünftig reagieren und ihnen allen das Leben lassen würde. Wenn das nicht geschah, dann hatten sie ohnehin alles verloren.

Saraah warf einen letzten Blick in die Runde und verabschiedete sich von ihrer Heimatwelt. Was auch immer geschah, vermutlich würde sie so bald nicht mehr nach Jerrat zurückkehren können. Dann machte sie den entscheidenden Schritt. Sie musste die Freunde informieren.

*

Vesus erhielt die Erfolgsmeldung von Carilla nur wenige Minuten, nachdem Saraah auf Hesophia angekommen war. Er senkte den Kopf. Er hoffte nur, dass es nicht zu viele Opfer gegeben hatte. Aber nun war nur noch eines wichtig. Hesophia wartete auf ihn, die Entscheidung würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.

 

Der Schrei der Freiheit

Dieser November 1298 NGZ, nach der Zeitrechnung ihrer terranischen Freunde, würde als ein Tag der Gewalt in die Geschichte Dorgons eingehen. Das Ende war gekommen und nichts konnte deutlicher machen, wie es um die Rebellion stand, als die Projektion, die vor den Anwesenden im Raum schwebte.

Hesophia als leuchtender Ball, der auf dem Hintergrund eines Samtkissens schwebte, wie ein Diamant. Um Hesophia massierten sich 50.000 Einheiten. Adlerschiffe jeder Größe, angeführt und kommandiert von Vesus, dem neuen und alten Kommandeur der Flotte. Carilla war über diese Wahl nicht glücklich gewesen. Aber bislang hatte Commanus diese Entscheidung des Forum Preconsus nicht zu bereuen gehabt. Vesus hatte sich als treuer Vertreter des Kaisers der Dorgonen erwiesen.

Aber er hatte nicht ganz das geleistet, was Carilla von ihm erwartete. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte sich diese Welt bereits in den Händen des Kaisers befunden. Die Hauptstadt wäre von Energiestrahlen verdampft worden und die meisten Einwohner dieser Welt wären entweder tot oder in Gefangenschaft.

Aber zum Glück ging es nicht nach dem Schlächter, der seinem Namen alle Ehre gemacht hatte, als es um die Welt Jerrat ging. Genaues wussten sie nicht, aber was sie von Saraah gehört hatten war Schlimm genug. Er hatte mit allem geschossen, was die Waffen hergaben, hatte Schiffe vernichtet und die Welt Jerrat beschossen, hatte Menschen ohne Rücksicht getötet und die Informationen, die sie derzeit hatten, waren auch nicht besser. Viele waren gestorben und zeigten deutlich, dass sie sich in einer Gefahr befanden, die so nicht kalkulierbar gewesen war.

Aber bei einer Rebellion war das wohl immer so.

Und da gab es außerdem noch ein Ultimatum, eine Drohung, die im Raum stand, deutlich machte, dass auch Vesus' Geduld nicht endlos sein würde. Drei Tage nur hatten sie bekommen, um sich zu ergeben. Drei Tage, von denen einer schon verstrichen war. Saraah hatte ihnen deutlich gemacht, was sie erwarten würde, wenn die drei Tage vergangen waren. Verständlich war, dass Commanus für klare Verhältnisse sorgen würde. Unangenehm war, dass sie die Leidtragenden sein würden.

Es würde nicht angenehm werden. Das bewiesen auch Berichte von einer atmosphärelosen Welt im System Hesophia, auf der die Soldaten Hesophias einen der ihren gefunden hatten, der der letzte Überlebende eines Massakers war. Ein Stützpunkt, in dem sich insgesamt vierzig Soldaten und zwanzig Mitglieder des wissenschaftlichen Personals befunden hatten, wobei die meisten der Soldaten auch aus wissenschaftlichen Gründen dort waren, war von den Soldaten des Vesus erstürmt worden. Übrig geblieben war ein Berg von neunundfünfzig Leichen, nur einer hatte das Massaker in seinem Raumanzug überlebt. Er hatte in wirren Worten darüber berichtet, wie sie aus dem Stützpunkt getrieben worden waren, sich in die Nähe des Kraterrandes begeben hatten und dabei immer unter Beschuss lagen. Letztendlich hatte er dabei zuschauen müssen, wie einer nach dem anderen starb und mit seinem Leben schon abgeschlossen. Er konnte es nicht glauben, als er, als letzter, ohne Deckung, vor den Feinden stand, ihre Strahlermündungen glühen sah und mit seinem Leben schon abgeschlossen hatte. Plötzlich waren die Mündungen erloschen, die Waffen hatten sich gesenkt. Er begriff, dass man ihn verschonen würde. Er brach auf die Knie, fiel gegen einen Felsen und lehnte sich dagegen, zog die Beine an und schlang die Arme darum. So hatten sie ihn dann später auch gefunden. Entsetzt sahen sie die Aufzeichnung seines Berichtes und fühlten seinen Schmerz nach, als er den Freunden in die Augen schaute, während sie starben. Am schlimmsten musste es für ihn sein, dass sie ihn am Leben gelassen hatten. Letzten Endes würde er sich fühlen, als habe er die Kameraden im Stich gelassen. Sie würden sich um ihn kümmern müssen, sonst würde er darüber niemals hinwegkommen.

Aber im Augenblick hatten sie andere Sorgen. Die Schlinge zog sich immer enger um ihren Hals. Nur noch zwei Tage, bis Vesus angreifen lassen würde. Nur noch zwei Tage, bis zum Ende der Rebellion. Länger würde es sicher kaum dauern.

Decrusian schlang die Arme um seinen Körper und senkte den Kopf. Er schloss die Augen und versuchte, alle Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen. Er schaffte es nicht. Bilder zuckten durch seinen Verstand. Da war Licht, da war Dunkelheit, da war Kälte, da war Hitze. Immer abwechselnd. Und dann begann es wieder von vorne. Viele Tage lang war das so gegangen. Immer wieder war er an Grenzen gelangt, war immer wieder an den Punkt geführt worden, an dem er alle Konzentration verlor und letzten Endes aufgeben musste. Aber er hatte nicht aufgegeben, das war das einzige, was zählte.

Trotzdem konnte er die letzten Tage nicht einfach so abschütteln. Zu lange war er gefangen gewesen und hatte sich von den Folterknechten des Kaisers misshandeln lassen müssen. Besonders demütigend waren die Auspeitschungen gewesen, die fast wöchentlich öffentlich stattgefunden hatten. Bis an den Rand des körperlichen Zusammenbruchs hatten sie ihn dabei gebracht. Jedes Mal, wenn er kurz vor seinem Tod gestanden hatte, hatten sie ihn wieder ins Leben zurückgeholt. Nicht aus Nächstenliebe. Nur um ihn wieder in einen Zustand zu bringen, in dem sie die Bestrafung wiederholen konnten. Damals wäre er gerne gestorben. Aber sie hatten ihn nicht gelassen.

Und heute war er froh darüber. Nicht dankbar, aber doch froh, dass er alles überstanden hatte. Dankbar war er aber Torrinos und den anderen der Gruppe, die immer daran geglaubt hatten, dass sie ihn befreien konnten. Die immer an sein Überleben geglaubt hatten und sich unter Einsatz ihres eigenen Lebens dazu entschlossen hatten, ihn aus Sarinaph zu befreien. Fast hätten sie ihr Leben dort verloren. Aber letztendlich hatte sich Torrinos als starker und gewandter Kämpfer erwiesen, der es fast mit einer Armee aufnehmen konnte. Fast, denn auch er war nicht unzerstörbar. Und in den nächsten Tagen würde er sicher oft in die Gefahr geraten, gegen die Soldaten des Kaisers zu verlieren. Er hoffte, dass sie alle die nächsten Tage überstehen würden. Aber die Chancen standen gar nicht gut.

Entschlossen trat er vor die Kamera, die ihn mit Dom verband und Commanus seine Worte direkt übermitteln würde. Er wusste, dass sein ungeliebter Schwager seine Worte nicht gerne hören würde. Aber er wusste auch, dass er nicht anders konnte. Er würde gegen die Ungerechtigkeit in dieser Welt ankämpfen, solange es ging. Und wenn das alles mit seinem Tod enden würde, dann wäre das zwar nicht sehr schön, aber es würde sich auch nicht ändern lassen.

Das Licht ging an. Der Aufnahmeleiter gab ihm das Zeichen und Decrusian begann mit seiner Rede. Es ging wie immer um das Gleiche. Freiheit, Mörder, Verrat und sonstiges. Decrusian war des Mordens und des Kampfes müde. Er wollte nicht mehr. Aber die Umstände ließen ihm keine andere Wahl. Der Stiefbruder Arimads nahm die Verantwortung an und stellte sich ihr.

Vesus stand vor seinem Kommandosessel, wie es seine Gewohnheit war. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte vor sich auf den Boden. Dann ließ er sich in den Sessel sinken und legte die Hand auf die Schalteinheiten, die in der rechten Armlehne eingearbeitet waren.

Die Zentrale verschwand und machte dem All Platz, zeigte die Sterne und Planeten, die im Hesophia-System zu finden waren. Unglaublich viele leuchtende Sterne waren auf der Rundumprojektion der Zentrale zu finden. Der Rechner markierte die Planeten des Systems und stellte sie deutlicher dar, als es in einer direkten Beobachtung der Fall gewesen wäre. Er stellte außerdem genau dar, wo sich die Schiffe der kaiserlichen Flotte befanden und wo die Rebellen ihre Schiffe verbargen. In diesem Sonnensystem gab es nicht mehr viele Möglichkeiten, Schiffe zu verstecken. Deutlich war die Flottenstärke des Gegners zu sehen, deutlich waren die Kontingente des Gegners markiert.

Für einen kurzen Augenblick schwebten seine Gedanken in die Vergangenheit. Vor vielen Jahren war er schon einmal mit seinem Flaggschiff DOMULUS hier gewesen, hatte Hesophia mit einer Flotte angegriffen. Die Verteidiger waren auch damals schon von einem Senator dieser Welt angeführt worden. Nur war dieser Senator damals auch gleich der Gegenkaiser gewesen. Uleman hatte in der Folge lange Jahre dem Imperium treu gedient und es in eine neue Epoche geführt. Er war ein weiser und friedliebender Kaiser gewesen, der nicht durch seine Grausamkeit, sondern durch seine guten und sinnvollen Innovationen aufgefallen war. Politisch gesehen war er ein wahrer Demokrat gewesen, ein Wort, das die Dorgonen vor dem Besuch der Terraner noch kaum gekannt hatten. Heute war es Bestandteil der dorgonischen Sprache und für sie alle von Bedeutung. Ohne die Segnungen der Demokratie wäre er unter einem Kaiser wie Commanus sicher nicht zu einem Kommandeur der Flotte bestellt worden. Nur die Senatoren hatten dafür gesorgt, dass er auf diese Position gelangen konnte.

Commanus mochte das genauso wenig gefallen, wie Carilla oder Falcus. Letzten Endes war er somit in eine Position gerückt, die es ihm erlauben würde, im rechten Augenblick einzugreifen, um Schlimmes zu verhindern. Das Volk der Dorgonen hatte eine Chance verdient, dessen war sich Vesus sicher. Er würde alles dafür tun, dass es diese Chance bekam. Wenn die Rebellen vernünftig waren und aufgaben, würde Hesophia diesmal unblutig in ihre Hände fallen, bis auf wenige Opfer, die nötig waren, um den Rebellen vor Augen zu führen, dass es ernst wurde. Wenige starben zum Wohle von vielen, eine Reihenfolge, die Vesus lieber war, als umgekehrt.

Schmerzlich blickte er auf die Berichte, die ihn von Jerrat erreichten. 4789 Schiffe der Rebellen waren im Orbit über Jerrat und einigen anderen Rebellenwelten vernichtet worden, während die Flotten, unter Carillas Befehl, diese Welten »befreiten«. Dazu kamen dreizehn Millionen Opfer unter der Zivilbevölkerung. Jerrat und die anderen Welten hatten einen hohen Preis für die Freiheit bezahlt – und sie doch verloren.

Über Hesophia würde das nicht passieren, das schwor sich Vesus. Selbst wenn die Flotten des Carilla siegreich in diesem System erscheinen würden, würden sie sich seinem Kommando unterwerfen müssen. Sie würden nicht die gleiche Gelegenheit erhalten, zu morden und unter den Dorgonen dieser Kolonie zu wüten. Dafür wollte er sorgen.

*

»Quinturus!«

Der Waffenmeister erhob sich aus seinem Sessel und folgte Vesus schweigend aus der Zentrale. Direkt neben dem großen Raum, von dem aus das Schiff und die gesamte Flotte gesteuert wurden, befand sich ein Raum, den man auch als »Sandkasten« bezeichnete. Einen Sandkasten würde man dort vergebens suchen, aber früher war es üblich gewesen, die Taktiken in Sandkästen nachzustellen und so eine Strategie zu entwickeln, wie man sich gegen die Feinde zur Wehr setzen würde.

Dieser »Sandkasten« war etwas anders aufgebaut. Ähnlich wie in der Zentrale waren auch hier die Wände, der Boden und die Decke wie eine rundum verschlossene Kammer, die allerdings als solche nicht zu erkennen war. Wenn entsprechende Kommandos erteilt wurden, dann bildete sich das umgebende Weltall oder jeglicher andere bekannte Bereich im All oder auf einem Planeten in diesem Raum ab und man hatte das Gefühl, mitten im All zu schweben oder auf einer Welt zu stehen. Darüber hinaus konnte der Rechner jede Aufstellung von Raumschiffen in dieser Projektion realisieren, jede Stellung von Soldaten darstellen, Boden- und Luftfahrzeuge anzeigen und so realistische Simulationen ermöglichen.

Vesus ließ das Hesophia-System projizieren und stellte sich in die Mitte des Raumes, an die Stelle, an der sein Flaggschiff dargestellt war. Sie schwebten nach oben und wurden zusammen an der Stelle gehalten, an der sich das genaue Zentrum des Raumes befand. Das System mit all seinen Planeten erschien hervorgehoben, die anderen Sterne, die für diesen Kampf nicht von Wichtigkeit waren, traten in den Hintergrund. Dafür bildeten sich die Flotten heraus, die Hesophia wie eine Kugel umgaben und die Flotten des Kaisers draußen zu halten versuchten.

Ein Missverhältnis konnte man das schon nennen. Wenige tausend Schiffe bildeten die Kugelschale, die natürlich wenig Schutzwirkung aufwies, wenn fünfzigtausend Schiffe angreifen würden. Vesus freute sich nicht auf die Ankunft der anderen Schiffe, die Carilla und Falcus an seine Seite bringen würden. Sie würden ihm nur vorwerfen, dass dieses System noch nicht in der Hand des Kaisers war.

»Quinturus, wir entwickeln eine Strategie, wie wir gegen diese Rebellen vorgehen können, ohne allzu viel Blut zu vergießen. Minimalinvasiv, sozusagen. Wir werden mit chirurgischer Präzision einen Durchgang in diese Kugel schaffen, die Welt Hesophia besetzen und möglichst ohne einen Strahlschuss und ohne Tote Hesophia wieder dem Reich angliedern. Wenn die Rebellen nicht vollkommen verrückt sind, dann werden sie sich darauf einlassen.«

Quinturus nickte zustimmend. Er ließ die Schiffe der angreifenden Flotte in der augenblicklich bestehenden Gruppierung erscheinen und bewegte einen Teil der riesigen Flotte auf einen Bereich der Kugelschale zu, der nicht so stark bewacht wurde, wie die anderen. An dieser Stelle war ein Meteoritengürtel, der einen Durchflug sehr erschwerte. Deshalb hatten die Hesophier ihre Schiffe lieber an Stellen zusammengezogen, an denen weniger natürliche Hindernisse zu finden waren.

Er bewegte die Schiffe vor den Meteoritengürtel und ließ sie zwischen die Steinbrocken fliegen.

»Gute Idee«, meinte Vesus. Er nickte nachdenklich und verringerte die Zahl der Schiffe auf zweihundert.

»Warum so wenige?« Quinturus blickte etwas ratlos.

»Nun, es wäre sinnvoll, wenn die Rebellen von unserem Einflug wenig mitbekommen würden. Deshalb möchte ich so unauffällig wie möglich in diesem System einsickern. Wenn sie erst einmal im Inneren sind, dann sind sie fast auf sich alleine gestellt. Wenn sie es aber bis Hesophia schaffen, dann können sie die Hauptstadt als Geisel nehmen. Ganz bestimmt wird Decrusian nicht so verrückt sein, das Leben der Bewohner dieser Stadt aufs Spiel zu setzen. Und wenn er schlau ist, wird er, sobald er merkt, dass er verloren hat, das System verlassen. Er könnte das auf demselben Weg machen, wie wir hineinkommen. Dann kann er mit seinen Freunden verschwinden.«

»Das würden Sie zulassen?«

»Selbstverständlich.«

Quinturus schwieg beeindruckt. Er war innerlich auf Seiten des Kommandeurs, wusste aber ebenso, dass sie einen schweren Stand gegen die Getreuen des Kaisers haben würden. Die Mehrzahl der Flotte aber stand immer noch auf der Seite des Kaisers und somit auf der Seite der Gerechtigkeit. Und die meisten hatten immer noch das Gefühl, dass Decrusian der bessere Kaiser wäre.

Vesus folgte der Flugbahn seiner Schiffe und dachte nach. So musste es funktionieren. Ein interplanetarer Kampf mit nur wenigen Schiffen. Vielleicht wäre das die Rettung für die Rebellen.

Vesus schmunzelte. Es war sicher das erste Mal in der Geschichte der Dorgonen, dass sich der Oberkommandierende des Kaisers Gedanken darüber machte, wie man die Rebellen nach Möglichkeit verschonen konnte. Aber es war das Richtige, Vesus spürte es.

»Kommandant auf die Brücke!«

Die Durchsage erinnerte ihn daran, dass noch etwas Unerfreuliches auf ihn wartete. Sicher waren sie eingetroffen. Carilla und Falcus waren das größte Problem.

 

Der Hauch des Todes

Erste Bilder trafen ein. Bilder, die von den Besatzern mit voller Absicht ausgestrahlt wurden. Sie stammten von Jerrat und den anderen Welten, die sich die Truppen des Kaisers mittlerweile wieder einverleibt hatten. Hesophia war definitiv die letzte Welt, die Widerstand leistete.

Torrinos verzog keine Miene. Er registrierte, wie Saraah um ihre Fassung rang. Die Schiffe nahmen keine Rücksicht. Eine Flotte von Adlern schwebte über der Hauptstadt von Jerrat und feuerte auf die Zivilbevölkerung. Menschen verglühten, lösten sich von einer Sekunde zur nächsten in einen feinen Ascheregen auf. Tiere rannten lautlos um ihr Leben, während die Kamera mit dem Schiff zusammen über die Stadt flog und gnadenlos zeigte, wie die Menschen starben. Wie die Tiere vergingen, wie alles Leben im Bereich des Strahles verging.

»Wir haben einen Fehler gemacht.« Noch wahrte Saraah eine gewisse Distanz, überdeckte der Schock den Schmerz, den sie verspürte. Trotzdem konnte Torrinos deutlich die Träne sehen, die sich aus dem Auge löste und eine Spur über die Wange der Frau zog. Er konnte sie verstehen. Jerrat war ihre Welt gewesen und nun musste sie mit ansehen, wie sie versagt hatte, schonungslos in seiner Deutlichkeit war ihre Niederlage deutlich zu erkennen.

Sie wandte sich ab, wollte es nicht mehr sehen.

Decrusian verzog das Gesicht. Sorge zeichnete sich darin ab. Er dachte weiter, stellte Überlegungen an, wie es mit Hesophia weitergehen sollte. Drei Tage hatten sie bekommen, von denen bereits zwei vergangen waren. Nur noch ein Tag und sie würden erleben, ob auch ihr Planet rücksichtslos vernichtet werden würde. Sich auf Vesus zu verlassen, erschien jedenfalls keine gute Idee zu sein.

»Ich fürchte, das ist das Ende.«

»Nur nicht zu pessimistisch. Noch ist es nicht zu spät.«

*

Der Hochenergietechniker legte langsam das Werkzeug aus der Hand. Er tastete nach seiner Tasche, griff nach dem Kommunikator und aktivierte eine Frequenz, die ihn auf einen der öffentlichen Kanäle bringen würde. Die Nachrichten berichteten kaum noch von etwas anderem. Es war auch nichts mehr wichtig, außer den Schiffen, die Hesophia umzingelt hatten und nur darauf warteten, endlich anzugreifen.

Surinal ging es nicht schnell genug. Noch vor wenigen Tagen hatte er über diesen Kanal mit ansehen müssen, wie Jadrogus zu Tode gepeitscht worden war. Hasserfüllt hatte er die Fäuste geballt, aber natürlich nichts dagegen machen können. Die meisten Einwohner von Hesophia waren auf der Seite der Rebellion. Wie sollte ein einzelner da in der Lage sein, für das Kaiserreich einzustehen? Letztendlich wäre es ihm vermutlich ebenso ergangen, wie Jadrogus. Und der kopflose Rumpf des kaiserlichen Abgesandten war ihm eine Warnung, besser eine Komödie zu spielen.

Jetzt war der Augenblick der Rache gekommen. Die Schiffe warteten nur darauf, endlich aktiv zu werden. Aber wieso warteten sie überhaupt? Sie hätten doch gleich angreifen und dem allem ein Ende machen können, das wäre wesentlich effektiver und würde vor allem die Verantwortlichen daran hindern, sich abzusetzen.

Ein Signal unterbrach die Sendung. Er empfing eine Sendung auf einem abgeschirmten Kanal. Es gab nicht viele, deren technisches Gerät solches erlaubte. Er grinste leicht, dann aber machte er sich klar, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Er nahm das Gespräch an und versicherte sich, dass er allein war.

Niemand war zu sehen.

Das Bild zeigte Carilla, der in einem der Schiffe über Hesophia stecken musste. Unwillkürlich nahm Surinal Haltung an und meldete sich vorschriftsmäßig.

»Klappe!«, schnarrte es aus dem Lautsprecher. »Plan 14 wird angewandt.«

Das Bild erlosch. Selbst wenn jemand diese Sendung abgehört hätte, wäre er wohl kaum in der Lage gewesen, daraus einen Sinn abzuleiten.

Surinal steckte den Kommunikator weg und machte sich auf den Weg zu den Umkleiden. Niemand hielt ihn auf, er hatte ohnehin Feierabend. Noch wussten seine Kollegen nichts davon, aber es war das letzte Mal, dass sie ihn sehen sollten.

Er aktivierte noch einmal den Kommunikator und wählte mehrere Nummern an. Er schickte eine Nachricht an die anderen Mitglieder der Gruppe, dann verschwand er aus dem Kraftwerk.

Greifen Sie endlich an!« Falcus bedrängte Vesus zum wiederholten Mal und war sich der Unterstützung durch Carilla sicher. »Das Ultimatum ist noch nicht abgelaufen. Wir werden erst mit dem Angriff beginnen, wenn der dritte Tag vergangen ist. Das Wort des Kaisers gilt. Und ich bin sein Vertreter in diesem System.«

»Nicht mehr lange, wenn Sie so weitermachen.«

Falcus nahm eine eindeutig drohende Haltung ein. Vesus war nicht beeindruckt. »Ich glaube nicht, dass der Kaiser mit einem übereilten Vorgehen einverstanden wäre. Wir haben die Möglichkeit, die Symbolfigur des Widerstands wieder in unsere Gewalt zu bekommen. Diese Möglichkeit werden wir nutzen.«

»Oder wir verlieren ihn endgültig. Wenn wir angreifen, dann haben wir die Chance, ihn zu töten und damit ein für alle Mal zu vernichten. Sie sollten endlich handeln!«

»Ich habe bereits gehandelt. Aber das ist meine Sache. Noch werde ich davon nichts verlauten lassen. Carilla!«

Der Schlächter trat neben den Sitz des Kommandanten. Es behagte ihm nicht, herumkommandiert zu werden, aber der Kommandeur der Truppe stand in diesem Fall über ihm. Er nahm die Befehle Vesus' entgegen.

»Zwanzig Einsatztruppen mit jeweils fünfzig Soldaten sollten eigentlich für einen ersten Vorstoß genügen. Wir wollen die Anführer der Revolution. Stürmen Sie den Palast und holen Sie mir die Leute. Aber bringen sie keinen von ihnen um! Nicht einmal in Notwehr! Haben Sie mich verstanden?«

Carilla hatte ihn verstanden, aber ihm gefiel nicht, was er zu hören bekam. Er wollte diskutieren, wurde aber von Vesus sofort unterbrochen.

»Keine Diskussion. Wir können auch in dieser Position warten, bis wir sie ausgehungert haben. Das dürfte eventuell einige Monate dauern. Aber letztendlich werden sie sich ergeben. Es dürfte ihnen auch nichts anderes übrig bleiben.«

»Vesus, ich gebe zu bedenken, dass Commanus eine schnelle Lösung der Krise wünscht. Er will Hesophia wieder im Reich und Decrusian tot sehen. Sie können nicht alle seine Pläne untergraben.«

»Und genau das tue ich auch nicht. Ich arbeite in seinem Sinne, wenn ich dafür sorge, dass die Bevölkerungen der kaisertreuen Planeten nichts von den Grausamkeiten mitbekommen, die Sie auf Jerrat und den anderen Rebellenwelten begangen haben! Ich halte diese für einen Fehler, weil sie das Volk erst recht gegen den Kaiser aufbringen. Decrusian gefangen zu nehmen und dann hinzurichten, zusammen mit den anderen Rädelsführern, erscheint mir als die beste aller Möglichkeiten, und wenn Sie endlich aufhören würden, mit mir zu diskutieren, wäre ich Ihnen sehr verbunden. Carilla, abtreten. Stellen Sie die Kommandos zusammen.«

Carilla nickte. So schlecht waren diese Aussichten nun auch wieder nicht. Ein sadistisches Grinsen, das Vesus nicht gefiel, zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Da boten sich einige interessante Möglichkeiten …

Vesus wollte das eigentlich nicht tun, aber es blieb ihn nichts anderes übrig. Wenn er zu offensichtlich gegen die anderen opponierte, dann würden sie misstrauisch werden. Und er würde sicher nicht gegen den Kaiser entscheiden, das erlaubte sein Amt nicht. Er konnte die Befehle nur so auslegen, wie es für die Rebellen am besten war. Wenn sie ihre Chance auf Flucht nicht ergriffen, dann wäre dies das Ende des Widerstands auf lange Sicht. Und das wollte Vesus nicht. Sie brauchten eine Alternative zu Commanus.

Er setzte sich in den Sessel und deaktiviere das Schall schluckende Feld, das die Diskussion zwischen den drei Kommandooffizieren von den Soldaten fern hielt. Mit einer Handbewegung forderte er Falcus auf, sich auf sein eigenes Schiff zurückzuziehen.

»Halten Sie sich bereit.«

Falcus musterte ihn einen Moment lang schweigend. Vesus bemerkte das sehr wohl, aber er tat dem Senator nicht den Gefallen, seinen Kopf zu drehen oder gar nervös zu reagieren.

»Sie machen einen Fehler. Der Kaiser wird das nicht auf sich beruhen lassen.«

Vesus schwieg. Schließlich wandte sich der Senator ab und verließ das Schiff. Der Oberkommandierende der Flotte hoffte nur, dass er nichts Unüberlegtes tun würde.

*

Fünf schweigende Gestalten trafen sich in einem stillgelegten Industriebetrieb, der etwas außerhalb der Hauptstadt gelegen war. Nacheinander trafen sie ein, Surinal war der erste, der die Industriebrache betrat. Schweigend nahmen sie Platz. Als alle fünf in dem ehemaligen Büro eingetroffen waren, schloss Surinal die Tür und vergewisserte sich, dass sie allein waren und auch keine technischen Möglichkeiten existierten, sie abzuhören. Er aktivierte sein Kommunikationsgerät und steuerte damit ein Aggregat, das ein schallisolierendes Feld errichtete. Nun konnte sie niemand mehr belauschen. Ob dieser Aufwand überhaupt noch nötig war, bezweifelte er zwar, aber auf der anderen Seite war es besser, übervorsichtig zu sein, als von den Hesophen aufgegriffen zu werden.

»Das Signal hat uns erreicht, und das in dieser Situation. Es hat uns dazu aufgefordert, einen Auftrag auszuführen, den wir schon vor längerer Zeit bekommen haben.«

Er schwieg für einen Moment, um die nachfolgenden Worte zu betonen.

»Wir haben den Auftrag erhalten, in den Palast einzudringen und die Anführer der Rebellion zu vernichten.«

Schweigen. Niemand sagte etwas nach dieser Eröffnung. Allen war klar, dass sie damit ihr eigenes Todesurteil erhalten hatten. Wenn der Sturm auf diese Welt beginnen sollte, waren sie vermutlich schon tot.

Schweigend trennten sie sich voneinander, ohne zu ahnen, dass der Angriff ohnehin kurz bevor stand. Schweigend verschwanden sie in unterschiedlichen Richtungen. Schweigend bereiteten sie sich auf ihren Einsatz vor.

 

Die letzte Nacht

Torrinos trat neben Saraah auf die Veranda des Palastes. Gemeinsam blickten sie in den Sternenhimmel, dessen samtiges Schwarz beruhigend erschien. Sterne, ewige Einsprengsel in den unendlichen Kosmos, erhellten die Nacht nur geringfügig. Der zweite Mond von Hesophia schon eher. Der erste war bereits untergegangen. Hesathan, eine Perle in dieser Galaxis, erwartete einen ihrer schwersten Tage. Die Hauptstadt des Planeten war in einer gespannten Erwartung. Alle wussten, was der neue Tag bringen würde. Olaneus, der Nachfolger von Uleman als Senator dieser Welt, war mindestens im selben Maße von den Ideen Ulemans beeindruckt, wie es der ehemalige Senator und Kaiser der Dorgonen gewesen war. Er ließ sein Volk teilhaben an allem, was sie erwartete.

Hesathan und Tiranus, die Unterwasserstadt, in den beiden Städten lebten die meisten Menschen auf Hesophia. Auf den vier Kontinenten waren fast eine Milliarde Dorgonen verstreut, von denen allein 36 Millionen in Hesathan lebten und weitere 7 Millionen waren in Tiranus zu finden. Allein diese beiden Städte anzugreifen, würde schon Millionen von Opfern fordern und ein deutliches Zeichen setzen, was im Kopf dieses Kaisers vorging. Und letztendlich waren sie verantwortlich. Rebellen gegen den Kaiser, Widerständler, die ein solches Ende sicher verdient hatten.

Der Palast des Senators lag leicht erhöht über der riesigen Stadt. Der Balkon war in einem der oberen Stockwerke und so behinderte kaum etwas die Sicht der beiden Menschen. Auch die Dunst- und Lichtglocke der Stadt war hier oben ausgeschlossen worden. Der Himmel, den sie erkennen konnten, war frei von den Beeinträchtigungen, die eine so große Stadt normalerweise bot. Ein Filter, der sie umgab, vermittelte den Eindruck einer klaren, kalten Nacht.

Torrinos warf einen Blick zur Seite und sah in das Gesicht der Senatorin von Jerrat, die nun gewissermaßen zu einer Vogelfreien geworden war. Ein verdächtiges Glitzern konnte er auf ihrer Wange erkennen. Er wusste, was ihnen bevorstehen würde, sollte der Kaiser sie alle in die Hand bekommen. Auf dem Raumhafen wartete ein Schiff auf sie, das eine wertvolle Fracht an Bord hatte. Ein Schiff, dessen Rechner mit den Codes der kaiserlichen Flotte gefüllt war. Dieses Schiff wartete nur auf seine Besatzung, die aus den Rebellen bestehen würde. Es würde sie sicher aus dem System bringen, wenn es denn nötig werden würde. Torrinos war sich fast sicher, dass sie das Schiff brauchen würden. Vesus würde nicht mehr lange warten können. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie schleunigst verschwunden wären. Aber noch konnten sie sich nicht dazu durchringen.

Er spähte wieder in die Dunkelheit, als er plötzlich eine Hand auf seinem Arm spürte. Er blickte wieder zu der Senatorin, die ihn nun direkt ansah und diesmal hatte er keine Schwierigkeiten, die Tränen zu erkennen, die über ihre Wangen gerollt waren. Ihre Augen waren verquollen. Sie musste viele Tränen geweint haben.

»Jerrat – all die Toten …« Sie verstummte, senkte den Kopf. Natürlich hatte sie es noch nicht überwunden, würde das vielleicht auch niemals schaffen.

Torrinos verstand und legte seine Arme um ihren schmächtigen Körper, zog sie sanft an sich. Sie gab ihm bereitwillig nach, hielt sich an ihm fest und presste ihr Gesicht gegen seine Brust. Er ließ sie bittere Tränen weinen, half ihr einfach nur mit seiner Präsenz und blickte dabei auf die Sterne. Immer wieder konnte er es aufblitzen sehen. Keine Sternschuppen waren es, die er dort sah, sondern die Schiffe des Feindes, auf denen sich die Strahlen der Sonne spiegelten, die harmlose Schüsse abfeuerten, um immer wieder ihre Präsenz zu verdeutlichen und die sich gegenseitig anstrahlten, um den Einwohnern des Planeten in dieser letzten Nacht ihre Stärke zu zeigen. Es waren viel mehr Schiffe, als Hesophia hatte. Sie würden keine Chance haben.

Ein leises Singen wurde langsam lauter. Torrinos beachtete es kaum, hatte die Geräusche der großen Stadt zu ihren Füßen fast völlig ausgeblendet. Er wollte diesen Augenblick der Ruhe genießen, auch wenn es eigentlich kein Genuss war.

Für Saraah ohnehin nicht. Vielleicht sehnte sie in diesem Augenblick ihren terranischen Freund herbei, der sie nach der letzten Expedition der Terraner von der Insel wieder verlassen hatte. Vielleicht bereute sie in diesem Augenblick, dass sie sich für die Einsamkeit ihres Amtes entschieden hatte und gegen die Gemeinsamkeit einer Familie. Sicher aber waren da viele verwirrte Gefühle wegen den Menschen, die durch ihre Verantwortung ihr Leben verloren hatten. Saraah war zwar schon längere Zeit Senatorin, aber eine solche Verantwortung hatte sie noch nie tragen müssen. Die Schattenseiten ihres hohen Amtes waren bisher immer an ihr vorbeigegangen. In diesem Augenblick verspürte sie womöglich zum ersten Mal, was es bedeutete, ein Volk zu regieren, auch wenn die Verantwortung einer Senatorin sicher weitaus weniger anspruchsvoll als die eines Kaisers war. Profan war es aber bestimmt nicht.

Immer noch hatte er das Singen in den Ohren und diesmal blickte er über die Schulter. Er ließ sich einfach nach vorne kippen, als er das Flirren erkannte, das dicht neben seinem Gesicht war. Durch die Filter, die den Himmel über Hesathan so klar erscheinen ließen, stach der Feuerstrahl, der ihrem Leben um ein Haar ein Ende gesetzt hätte. Ein Körper huschte vorbei, der in einen Anzug gehüllt war, den Torrinos nur zu gut kannte. Ein Spezialeinsatzanzug der Agenten von Dorgon, ein Tarnanzug, der vollkommen mit seiner Umgebung verschmelzen konnte und nicht einmal die Ortung eines Körpers erlaubte, der den Körper seines Trägers auf die Umgebungstemperatur abkühlte und ihn somit auch für einfache technische Geräte unsichtbar machte. Mit mehr musste er hier auch nicht rechnen.

Dies alles nahm er nur aus dem Augenwinkel war. Und das Gefährt, auf dem der Eindringling saß. Ein Gyrobike, ein schnelles, wendiges Gefährt für zwei Personen, das sich kaum den Erfordernissen des Flugverkehrs anpassen musste. Blitzschnell wälzte er sich zur Seite und entging zwei weiteren Angriffen, dann kam er hoch, verdeckte den Körper der Senatorin und vertraute auf die Fähigkeiten, die ihm sein Anzug und seine Ausbildung verliehen. Kurz konzentrierte er sich. Dann spannte er seinen Körper an.

Das Gyrobike verankerte sich selbstständig an der Andockbucht neben der Veranda, der Träger verließ es und glitt lautlos wie ein Schatten näher. Torrinos bewegte sich nicht, erwartete den Fremden, der die flirrende Vibratorklinge geschickt vor seinem Körper schwang. Torrinos war kaum beeindruckt. Er wich elegant aus, als die sirrende, von Energie erfüllte Klinge auf sein Gesicht zuraste. Er hörte sie, spürte aber nichts mehr davon. Sie grub sich in den Boden, hinterließ eine winzige Delle in dem Belag, der für Kämpfe nicht geschaffen war.

Er tauchte unter einem weiteren Hieb hindurch und sprang dann hoch, spürte die Klinge gefährlich nahe unter seinen Beinen und landete auf allen vieren, drehte sich wie eine Katze, schwang das rechte Bein nach vorne und fegte dem Gegner die Beine weg. Bevor er sich auf den Gegner stürzen konnte, federte der hoch und schlug sofort wieder zu. Die Klinge erwischte beinahe seinen Kopf. Er konnte sich in der letzten Sekunde zur Seite drehen, spürte die Energie ganz dicht neben seinem Gesicht und sah einige Locken zu Boden fallen. Ein Kratzer in seinem Gesicht sonderte Blut ab. Verblüfft wischte er über seine Wange und spürte, dass der Schnitt nur oberflächlich war. Ruhig entspannte er sich, nur für einen Sekunde, und erreichte eine höhere Stufe der Konzentration. Diesmal wirkten seine Bewegungen schneller. Er blockte den nächsten Hieb des Angreifers direkt am Handgelenk und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Mit bloßen Händen stürzte sich der Gegner auf ihn, schloss seine Hände um seinen Hals und drückte ihn gegen die Begrenzung der Veranda. Viele hundert Meter ging es in die Straßenschlucht hinunter, aber Torrinos fürchtete die Höhe nicht. Ein Prallfeld würde seinen Sturz verhindern. Nur ob er dann noch leben würde, das wagte er in diesem Augenblick zu bezweifeln.

Bevor er seine Arme unter die des Angreifers bringen konnte, hörte er wiederum ein Sirren, ganz dicht neben seinen Ohren. Die Hände lagen wie Schraubstöcke um seinen Hals. Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, dass sich aus den Ärmeln des speziellen Kampfanzuges zwei rotierende Scheiben lösten, die sich langsam seinem Gesicht näherten und es zerschneiden würden. Sie waren mit dem Anzug verbunden, aber das würde die Wirkung kaum beeinträchtigen.

Torrinos stieß sein Knie nach oben und nahm keine Rücksicht, was er treffen würde. Zunächst erzielte er keine Wirkung, dann aber hörte er ein Stöhnen. Er stieß sofort noch ein drittes Mal zu und diesmal lockerte sich der Griff der Hände. Der Dorgone holte tief Luft, spannte sich an und stemmte die Arme auseinander. Nur knapp neben den rotierenden Scheiben lagen sie gegen die Unterarme des Gegners gepresst. Ein Tritt vor die Brust des Angreifers, der Gegner taumelte zurück.

Das Gefühl der Schwäche, das Torrinos erfasste, war nur kurz zu spüren. Dann fühlte er, wie der Anzug die Bewegungen seiner Muskeln verstärkte. Leicht wie eine Feder glitt er neben den Gegner, trat gegen sein Gesicht und zertrümmerte ihm die Nase. Der lautlose, unheimliche Kampf näherte sich seinem Ende. Einen Augenblick warf der Unbekannte noch einen Blick auf Saraah, dann auf Torrinos, dann wirbelte er herum, sprang auf das Gyrobike und wollte verschwinden.

Als sich das Gefährt von dem Balkon löste, flog Torrinos über die Balustrade der Veranda und landete auf dem Sattel. Er klammerte sich an seinem Gegner fest und brach ihm fast den Hals dabei. Eine, zwei Sekunden, dann hatte er genügend Konzentration gesammelt. Er ließ den Gegner los, hielt ihn nur noch mit einer Hand fest und schlug dann mit der flachen Hand gegen seine Seite. Der Treffer wirkte nicht einmal sonderlich stark. Ein Beobachter hätte nicht verstanden, warum sich der Angreifer im Griff des Dorgonen vor Schmerzen wand. Ein inverser Treffer wirkte auf eine unheimliche Weise. Nur im Zustand höchster Konzentration war ein Kämpfer von Gon zu einem solchen in der Lage. Die Gestalt erschlaffte.

Im letzten Augenblick schaffte Torrinos es, das Gyrobike abzufangen. Er wendete es und flog zurück auf die Veranda, verankerte es an seinem alten Platz und zerrte den Angreifer in den Raum.

»Alarm für den Palast«, sagte Torrinos ruhig. Er atmete kaum schneller, als vorher.

Saraah wirkte nur für eine Sekunde verblüfft, dann wirbelte sie herum und aktivierte den zentralen Rechner des Palastes. In wenigen Augenblicken waren alle maßgeblichen Personen versammelt.

Ein Angreifer, der versucht, uns beide zu töten. Kann das ein Zufall sein?«

Shenia Drenia war über den Angreifer gebeugt und versorgte seine Wunden, die nicht schwer waren. Nur der inverse Treffer hatte ihm zugesetzt, hatte direkt unter der Haut für einen Bluterguss gesorgt. Die innere Blutung war aber bereits gestoppt. Sie versuchte, den Angreifer wieder aufzuwecken. Die dunkle Gestalt war gefesselt.

Torrinos blickte in die Augen des Senators. Olaneus war nach drei mehr oder weniger durchwachten Nächten nicht weniger übernächtigt als die anderen. Aber er wirkte trotzdem sehr konzentriert und folgte den Überlegungen des ehemaligen Kommandeurs der Prettosgarden.

»Es wirkte nicht, als würde er zufällig hier vorbeikommen. Er war auf der Seite des Palastes, die der Stadt zugekehrt ist. Auf der anderen Seite ist der Park, wenn er den überflogen hätte, dann hätte er sich Probleme bereitet, weil die Überwachungsanlagen angesprochen hätten. Er konnte sich auf diese Weise also nur von der Stadtseite her nähern. Dazu kam er mit einer Maschine, die darauf hinweist, dass er beweglich bleiben will. Und er hat ein optisches System dabei, mit dem er auch bei Dunkelheit und auf weite Entfernung noch erkennen kann, wen er vor sich hat. Er kam nicht zufällig vorbei. Dieser Mann hatte einen Auftrag.«

»Aber welchen?«

»Ich weiß es nicht. Er wollte sicher nicht einfach irgendjemanden töten. Aber er hat sich direkt an zwei Mitglieder des Widerstands gewandt, die dazu noch sehr bekannt sind. Er wurde auf uns angesetzt. Und damit meine ich alle Mitglieder des Widerstands, die man zu der Führung rechnen kann. Senator, Sie sind davon ebenso betroffen, wie ihr Stellvertreter, wie die Senatorin von Jerrat oder die beiden Goner. Und natürlich an erster Stelle Decrusian. Vielleicht will man ihn beseitigen, damit Vesus nicht mehr in der Lage ist, den rechtmäßigen Thronfolger lebend in die Gewalt zu bekommen.«

Schweigen kehrte ein, das nur von dem Stöhnen des Angreifers durchbrochen wurde. Alle starrten in seine Richtung.

»Lang lebe … der Kaiser«, stöhnte der Mann. Dann fixierte er Torrinos. »Du hast es erfasst, Verräter. Wir werden euch kriegen. Ich war nicht der letzte.«

Er grinste, dann drehte er seinen Kopf zur Seite. Speichel sabberte über seine Mundwinkel, sein Blick wirkte merkwürdig starr.

Shenia beugte sich über ihn und zog die Kapsel zwischen seinen Zähnen hervor.

»Ich weiß nicht, wo er sie versteckt hat. Aber er hat sich selbst getötet.« Sie schnupperte an der Kapsel und verzog angewidert das Gesicht. »Shirkal.«

Ein Gift, das sämtliche Muskeln lähmte und somit die Atmung und den Herzschlag fast im selben Augenblick stoppte. Nur wenige Sekunden dauerte es, bis dieses Gift wirkte. Es war eines der gefährlichsten in ganz Dorgon.

»Er hat keine Sekunde gezögert. Er muss vom Geheimdienst kommen und damit letztendlich von Carilla. Wir werden noch eine unerfreuliche Nacht vor uns haben.«

Eine Meldung erreichte sie: »Senator, wir haben zwei Personen im Palastgarten gestellt. Sie haben versucht, sich im Dunkel der Nacht in den Palast zu schleichen. Wir haben sie erschossen.«

»Das wären dann insgesamt drei.«

»Die anderen sind sicher schon im Palast. In Dom bin ich selbst schon mehrfach unberechtigt in den Palast eingedrungen, da ist es auch dank der Katakomben, die die Stadt vollkommen unterhöhlt haben, wesentlich einfacher als hier. Trotzdem ist es noch schwer genug. Wenn es aber da gelingt, dann wird es auch auf Hesophia gelingen.

Wir müssen vorsichtig sein. Keiner von uns darf in Zukunft alleine durch den Palast wandern. Ich selbst werde jeweils zwei Personen begleiten, Shenia und Waldron werden ebenfalls zwei Personen begleiten. Auf diese Weise sind immer in den gonischen Techniken ausgebildete Wachen bei zwei Personen. Wir müssen die Eindringlinge suchen. Oder besser, wir lassen sie uns finden.«

Er drängte sie dazu, sich in den Thronsaal zu begeben. Dort würden sie auf die Angreifer warten.

Sie kamen.

Lautlos wie Schatten näherten sie sich dem Thronsaal, folgten den geheimen Gängen, die es auch in diesem Palast der Dorgonen gab. Niemand bemerkte sie, niemand konnte ihre Spur aufnehmen.

Surinal war der eine von ihnen. Der andere ein ebenso lautloser Killer, abgerichtet in den Diensten Carillas, ein Verbündeter schon in den Tagen, als Carilla der letzte ernst zu nehmende Oppositionelle im Kaiserreich des Uleman gewesen war. Zwei seiner letzten Getreuen näherten sich langsam und lautlos dem Thronsaal.

Nur drei Personen konnten sie hören.

Torrinos kniete auf dem Boden, ihm gegenüber kniete Waldron. Shenia kniete zwischen ihnen und blickte beiden ins Gesicht.

Sie konzentrierten sich, blendeten langsam aber sicher alle Geräusche aus, die sie nur stören konnten. Dann nickten sie Brakus zu, der die Lichter im Palast verlöschen ließ. Damit behinderte er die Eindringlinge aber kaum, sie verfügten über Restlichtverstärker, die alles so hell wie am Tage machten.

Die Goner und Torrinos lauschten in die Dunkelheit und warteten auf die beiden Angreifer. Ein fast nicht zu hörendes Schleifen, das weit unterhalb jeglichen Geräusches lag und normalerweise nicht zu hören war, machte ihnen deutlich, dass es nicht mehr lange dauern würde. Im Gegensatz zu den beiden Eindringlingen brauchten sie auch in der Dunkelheit keine Restlichtverstärker. Sie wussten genau, wie der Raum beschaffen war, in dem sie sich befanden. Die Anwesenheit von Menschen konnten sie erspüren, riechen, auf eine Weise wahrnehmen, die nicht telepathisch, in keinster Weise psionisch war. Sie ließen einfach nur die Geräusche und Gerüche an ihre Sinne, die sie hören oder fühlen wollten. Alles andere blendeten sie aus, verlagerten sie auf eine Ebene, auf der sie nicht stören konnten.

Als sie den Raum betraten, konnten die Goner und Torrinos ihre Anwesenheit erspüren. Sie sahen sie fast, allerdings mit anderen Sinnen, als ihren Augen, erfassten ihre Aura, rochen ihren fremden, unvertrauten Geruch und erfühlten Schwingungen, die die beiden Fremden mit sich brachten.

Sie spürten, wie sich Waffen hoben und in ihre Richtung schwenkten. Torrinos aktivierte die Lichtgranate, die für einige Momente den Raum in gnadenlose, blendende Helligkeit tauchte. Die Restlichtverstärker der beiden Angreifer verstärkten auch diese Lichtflut noch. Einen Sekundenbruchteil bevor die Filter greifen konnten, war das Unheil für die beiden Angreifer schon angerichtet. Sie rissen die Brillen von ihren Augen und verloren damit den einzigen Vorteil, den sie noch gehabt hatten.

Die lautlosen Schatten, die plötzlich neben ihnen erschienen, konnten sie nicht abwehren. Schläge prasselten auf ihre ungeschützten Körper und schalteten sie in Sekundenbruchteilen aus. Sie sanken zu Boden und das Licht, das Brakus wieder aktivierte, zeigte deutlich ihre Niederlage. Sie krümmten sich auf der Erde, hatten ihre Waffen verloren und mussten sich nun von den anwesenden Wachen vollends entwaffnen lassen. Der Sturm war vorüber.

Das dürften alle gewesen sein.« Torrinos wirkte befriedigt.

»Sicher?« Decrusian war nicht überzeugt.

»Nein«, gestand der Dorgone in dem gonischen Anzug. Er lächelte. »Aber ich konnte sonst niemanden mehr spüren, den ich nicht kenne. Wenn es noch mehr gibt, dann sind sie nicht hier. Und bis sie im Palast des Senators sein werden, werden wir bereits andere Sorgen haben. Dann werden nämlich schon die Angreifer über Hesathan erschienen sein.«

Er wies zu einem der Fenster, das einen Schimmer des heraufdämmernden Morgens zeigte. Der letzte Tag war angebrochen.

 

Der letzte Tag

Quinturus kannte seinen obersten Kriegsherren schon sehr lange. Er hatte den ersten Angriff auf Hesophia auch schon mitgemacht, und damals war Vesus wesentlich ruhiger, kälter gewesen. Er war mittlerweile nicht nur älter geworden, er war auch geistig gereift. Der Waffenmeister respektierte die Abgeklärtheit, mit der sein Herr mittlerweile versehen war. Er bewunderte die Ruhe, mit der er seine Befehle erteilte und erkannte die Überlegenheit seiner Gedanken und seiner strategischen Fähigkeiten an.

Aber in diesem Augenblick merkte er deutlich, dass sein Herr diesen Befehl nicht geben wollte. Etwas in ihm sträubte sich dagegen und Quinturus wusste auch genau, was das war.

Die ehrlosen Verbrecher, mit denen der Kaiser sich umgab, würden diesen Tag nicht zu einem Triumph für den Kaiser werden lassen. Selbst wenn das Reich siegen sollte. Es würde ein blutiger, ein für einen ehrlichen dorgonischen Krieger unwürdiger Sieg werden.

Und Vesus wusste das.

Auch die Mannschaftsmitglieder in der Zentrale spürten, dass dieser Tag bedeutend sein würde.

Bilder aus der Hauptstadt zeigten, wie die Sonne aufging und damit der dritte und letzte Tag angebrochen war. Der Tag, an dem der Angriff erfolgen sollte, an dem das Ultimatum ablaufen würde.

Und die blutig rote Sonne schien ein böses Omen zu sein.

Und dass Vesus nicht wartete, bis auch die letzte Stunde erreicht war, zeigte Quinturus, dass Falcus und Carilla letzten Endes doch die Stärkeren waren.

Es begann.

Die Schiffe Carillas sammelten sich vor dem Asteroidenfeld, drangen langsam ein und umgingen damit den Sperrriegel, den die wenigen Schiffe der Hesophen errichtet hatten. Es dauerte einige Stunden, bevor das letzte der Schiffe die andere Seite erreicht hatte. Die Sonne stand schon hoch über Hesathan, als die Schiffe die andere Seite erreicht hatten. Der Anführer der Prettosgarde wirkte, vielleicht zum ersten Mal, seit er seine Position bekommen hatte, als würde er sich wohl fühlen. Er lächelte und sein Lächeln wirkte nicht verrückt. Über die letzten Monate hatte er immer wieder erfahren müssen, dass auch er an Grenzen stieß. Trotz seiner Fähigkeiten, die er ohne Zweifel besaß, waren seine Befugnisse beschnitten worden und er fühlte deutlich, dass selbst der Kaiser ihn insgeheim fürchtete. Wie ein Bösewicht wirkte er auf jeden, der mit ihm zu tun hatte. Nur der Prettosgardist selbst wusste, dass er mehr war, wesentlich mehr, ein Wesen mit einer Vergangenheit. Eine Persönlichkeit, die es im dorgonischen Volk weit bringen konnte, wenn er endlich dazu bereit wäre, sich einer psychohygienischen Behandlung zu unterziehen. Zwar gab es auch Personen, die solche Behandlungen kategorisch ablehnten, weil sie die Persönlichkeit veränderten. Aber in seinem Falle wäre es eine Erlösung gewesen. Nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine Umwelt. Die Soldaten in der kleinen Einheit, mit denen er zusammengepfercht darauf wartete, dass sie die Atmosphäre von Hesophia erreichen würden, duckten sich unter seinem stechenden Blick und warteten schweigend auf ihren Einsatz. Sie fürchteten ihn, das konnte er förmlich spüren.

Er lächelte zufrieden und wartete auf den großen Moment. Auf den Augenblick, an dem er Torrinos gegenüber stehen würde, dem ehemaligen Gardisten, seinem Vorgänger als Kommandeur der Leibgarde des Kaisers. Er würde seinem Leben ein schnelles, aber doch qualvolles Ende bereiten.

Die Schirme zeigten, wie die Welt Hesophia langsam näher rückte.

»Macht euch bereit«, kommandierte er. Nun wirkte er vollends ruhig, nichts in seinem Verhalten zeigte den Verrückten, unberechenbaren Carilla. Er schien vollkommen normal zu sein. Seine Soldaten ließen sich davon täuschen. Sie wandten ihm das Gesicht zu.

Und jubelten ihm zu.

Carilla war zufrieden.

Das Schott öffnete sich, der Landegleiter sank in die Atmosphäre. Lautlos schwebten sie durch das Weltall, erreichten die obersten Luftschichten. Das Donnern ihrer Überschallschnellen Flugeinheiten war deutlich zu hören.

Sie kamen.

Hesophia schien sich zu ducken wie ein Raubtier, das zum Sprung ansetzte.

Oder wie eine Katze, die die Schläge des Dompteurs fürchtete.

Saraah, Torrinos und Decrusian standen nebeneinander, während sie die Schweife der eintauchenden Gleiter verfolgten. Eigentlich war es ein erhebendes Schauspiel, wie ein Meteoritenschauer, der den Vormittag in Hesathan interessanter machte. Aber sie alle wussten, was dieser Meteoritenschauer mit sich brachte. Keine Sternschuppen, keine Wünsche. Keine Gnade. Nur eine Gruppe von Soldaten, die sich rücksichtslos durch die Hauptstadt dieser Welt kämpfen, Menschen töten, Lebewesen vernichten und viele Schäden anrichten würde.

Und die ihren Tod wollte.

Zwanzig verschiedene Stellen, rund um Hesathan, waren das Ziel der Gleiter. Fast gleichzeitig landeten sie, umzingelten gleichsam die Hauptstadt und spien die Soldaten aus, die sich sogleich gegen die Bevölkerung wandten, die, im Kampf unerfahren, sich gegen die Soldaten zu stellen versuchten.

Und von ihnen hinweggefegt wurden.

Die erste Welle der Verteidiger wurde von Granaten aus den Granatwerfen der Soldaten regelrecht zerrissen. Die Schilde verhinderten, dass die zwanzig Einsatzgruppen mit den jeweils zweihundert Soldaten in größere Schwierigkeiten gerieten.

»Wie haben sie es geschafft, an der Heimatflotte vorbei zu kommen?«

Lichtblitze in der Atmosphäre über Hesophia gaben die Antwort, die Adlerschiffe der Heimatflotte waren in einen gnadenlosen Kampf verwickelt. Ein einzelnes Schiff durch die Atmosphäre zu bekommen und die Landegleiter abzusetzen, war da gar nicht so schwer gewesen. Der Anfang vom Ende hatte begonnen.

Die Anzeigen, die sie in ihrem Kommandostand eben noch erhalten hatten, erloschen eine nach der anderen, als die Angreifer die Kommunikationssatelliten zerstörten. Hesophia war von der Galaxis abgeschnitten. Aber das machte nichts, denn helfen konnte ihnen nun ohnehin keiner mehr.

Carilla stand hinter seinen Männern und fixierte die Karte auf seinem Helmdisplay, die ihm die Stadt in ihren Einzelheiten zeigte. Sie würden in etwa fünfzig Kilometer zurücklegen müssen, um zu dem Palast zu kommen, in dem die Rädelsführer auf sie warteten. Der Kommandeur der Prettosgarden und des Geheimdienstes hatte noch immer die Befehle im Ohr, die ihm Vesus erteilt hatte. Lebend sollte er sie gefangen nehmen. Selbst in Notwehr sollte er sie nicht töten. Nun, man würde sehen.

Zunächst musste er sie einmal haben. Und wenn dann doch etwas schiefgehen sollte, Carilla war sicher, dass der Kaiser ihn decken würde. Kein Problem für einen Kerl wie ihn, der in seiner Bedeutung quasi gleich hinter Commanus kam. Oder vielleicht auch hinter Commanus und Elgalar. Nun, vielleicht sollte er auch Falcus etwas ernster nehmen …

Verdammt, wenn dieser Kampf vorbei war, würde er erst einmal aufräumen müssen. Schließlich war er der Kommandeur des Geheimdienstes, da ließ sich doch sicher etwas machen.

Er zuckte zusammen, als eine Granate dicht neben ihm einschlug. Nur sein Schutzanzug rettete ihm das Leben. Ein Spaziergang würde das nicht werden. Und das waren auch keine verzweifelten Bürger gewesen. Diesmal waren es Soldaten. Endlich richtige Gegner. Carilla freute sich schon auf sie.

*

Fast lautlos ging der Kampf vor sich. Jedenfalls kam ihm das so vor. Der Soldat presste die Hände auf die Ohren, versuchte, den Einschlag der Granate zu lokalisieren, schaffte das aber nicht. Die Trümmer verdeckten den Krater, den der fürchterliche Sprengkörper gerissen hatte. Eine Flüssigkeit sickerte an seiner Wange entlang nach unten. Das Schirmfeld hatte nur für einen Sekundenbruchteil versagt, aber die Trümmer waren trotzdem über sein Gesicht geschrammt, hatten ihn verunstaltet. Er bemerkte nichts davon. Der Lärm des Kampfes war so unendlich weit entfernt. Der Krater direkt vor ihm. Er sprang über die Trümmer, wunderte sich, dass er immer noch springen konnte und stolperte in den Krater, der die Stelle markierte, an der der Sprengkörper niedergegangen war.

Desorientiert wälzte er sich auf den Rücken und blickte verblüfft auf seinen Arm. Da war etwas nicht in Ordnung, erkannte er, diese Fäden waren nicht normal. Wo waren seine Finger, seine Hand? Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, als würde seine Seele den Körper schon verlassen haben und er neben sich stehen, seinen geschundenen Körper betrachten und verwundert feststellen, dass er verletzt war, dass der Arm vollkommen verschwunden war, bis auf einen letzten Rest des Knochens, der noch aus der Wunde ragte, Fetzen von Fleisch und Haut, die noch zu erkennen waren und ihn daran erinnerten, dass er Schmerzen haben sollte.

Aber er hatte keine Schmerzen. Der Augenblick war vorbei, wiederum lag er auf dem Rücken, blickte in den blauen Himmel und spürte immer noch keinen Schmerz, sah nur wie das Blut und damit sein Leben verrann, in dem Krater gleichsam versickerte und ihn in einen Zustand versetzte, den er nur schwer beschreiben konnte. Merkwürdig leicht fühlte er sich, als würde er schweben. Ein Gesicht über ihm, das er kaum noch erkennen konnte. Das war ein Freund, erkannte er, der seinen Körper packte, mit seinem eigenen Schirmfeld so nahe kam, dass er seines durchdringen und ihn somit auf die Beine zerren konnte. Er schleppte den Verwundeten aus der zweifelhaften Deckung des Kraters und zog ihn hinter einige Hochhäuser. Das bemerkte der Verwundete aber kaum. Er sank auf die Knie, zog den Kameraden mit sich auf die Erde. Die grobe Hand packte ihn um die Schulter, bettete ihn an die Schulter des Kameraden. Der andere war nahe, aber doch unendlich fern. Wie durch Watte hörte er die Stimme, ein Rauschen überlagerte sie fast. Das Rauschen war in seinen Ohren, erkannte er, aber es gehörte nicht zur Natur.

»Halte durch.«

Der Freund hielt ihn fest und zwang ihn dazu, die Augen zu öffnen. Dabei war er doch so müde. Er spürte ein Brennen, konnte es aber nicht einordnen. Er verstand aber, dass sie sich um seine Verwundung kümmerten. Sie verschweißten die Wunde und stoppten so die Blutung. Das Gefühl der Leichtigkeit aber blieb.

»Du schaffst es.« Die Stimme war schon etwas klarer.

Neuerliche Explosionen zeigten ihm, dass er noch lange nicht in Sicherheit war. Aber er war auch nicht sicher, ob er das wollte. Sein Körper schmerzte. Er fühlte sich nicht gut. Er wollte sterben. Aber er war noch nicht alleine. Andere waren da, die ihn wieder ins Bewusstsein zurückholten. Er war noch nicht so weit.

Eine Granate löschte seine Wahrnehmungen weitgehend aus. Zuerst war da dieses Pfeifen, dieses Zischen, dann der Knall und die Hitze, die über sie hinweg tobte, ihre Schirme an den Rand des Zusammenbruchs brachten. Sie verteidigten diesen Abschnitt, der nur noch wenige Kilometer vom Palast entfernt war, vehement. Aber es würde nicht mehr lange dauern. Unerschöpflicher Nachschub aus vielen Schiffen über Hesophia gegen ein Häuflein Verteidiger.

Taumelnd kam er auf die Beine, packte seine Waffe und löste sich von den Kameraden. Eine merkwürdige Kälte erfasste ihn, ausgehend von seinem verletzten Arm. Sie erfasste den ganzen Körper. Wie eine Maschine, wie ein Automat, taumelte er aus der Deckung. Im letzten Augenblick wollte ihn einer der Kameraden zurückreißen, aber er schaffte es nicht. Erste Stahlen schlugen in seinen Schirm, ließen ihn aufflackern. Blitze umzuckten ihn, als sich die Energien von Strahlenwaffen in seinen Schirm fraßen. Er registrierte, wie sich die Energien des Schirmes wieder stabilisierten, weitere Treffer erneuerten aber das Spiel der Blitze. Mit seinem unverletzten Arm, mit seiner verbliebenen Hand hielt er die Waffe umklammert und feuerte die Mini-Raks gegen die Angreifer, gefolgt von seinen Freunden, die ihn nicht mehr erreichten und nun ebenfalls feuerten. Die ersten Angreifer starben im Feuer der verzweifelt angreifenden Truppe, die ihrem verwundeten Kameraden folgte.

Der Soldat bemerkte das schon nicht mehr. Er erreichte einen Zustand, in dem er nicht mehr bewusst wahrnahm, was er eigentlich tat. Er feuerte, bis das Magazin leer war und schleuderte die Waffe dann auf die verzerrten Gesichter, die hinter den Stellungen zu erkennen waren. Aber das beeindruckte sie längst nicht mehr. Sie legten auf ihn an, entleerten ihre Magazine in seinen Schutzschirm. Er fühlte, wie die Energien versiegten, der Schirm erlosch, die Raketen in seinen Körper schlugen und ihn zum Erzittern brachten. Keine davon explodierte. Er spürte die Kälte, die nun endgültig von ihm Besitz ergriff. Und diesmal war er wirklich allein. Diesmal war niemand mehr bei ihm, der ihm helfen konnte.

Er starb, bevor die Raketen explodierten, stehend, in seinen Stiefeln, vollkommen allein. Dann zerrissen ihn die Explosionen. Er bekam nicht mehr mit, wie seine Kameraden die Angreifer in dieser Sektion zurückschlugen. Da war schon lange nur noch Dunkelheit …

*

Wir brechen durch!«

Torrinos animierte die Mitglieder seiner Mannschaft, sich in die Richtung in Marsch zu setzen, von wo die ersten Erfolge gegen die Angreifer gemeldet worden waren. Zusammen mit Decrusian, Saraah, Olaneus und Brakus sowie den Gonern machte er sich an der Spitze von mehreren ihrer Getreuen auf den Weg in die Stadt. Sie verließen den Palast auf der Stadtseite und drangen in die Straßenschluchten vor. Irgendwo vor ihnen konnten sie den Lärm eines Kampfes hören.

Ohne Feindberührung erreichten sie eine Stelle, von der aus sie, über einen freien Platz hinweg, eine Gruppe ihrer Soldaten erkennen konnten. Offensichtlich verwundet, kämpfte sich einer der Soldaten, nur mit einem Raketenwerfer bewaffnet, durch die feindlichen Linien. Sie sahen mehrere der Gegner zu Boden sinken.

Torrinos registrierte entsetzt, dass der Soldat nur noch einen Arm hatte. Die Schirme schützten ihn auch nur bedingt gegen die anstürmenden Feuerorkane, die von den Waffen der Angreifer erzeugt wurden. Bis dann schließlich der Schirm verwehte und die Raketen in den Soldaten schlugen, seinem Körper großflächige, hässliche Wundlöcher beibrachten. Wenige Augenblicke nur, dann konnte Torrinos nur noch den Feuerball erkennen, in dem der Soldat verging, wie eine Sternschnuppe verwehte und nur noch ein feiner, klebriger Ascheregen übrig blieb.

Angewidert verzog er das Gesicht und gesellte sich zu den Soldaten, die hinter ihrem gefallenen Kameraden in die Lücke der Angreifer stießen. Gemeinsam kämpften sie, Seite an Seite, die Angreifer nieder. Wütend zog Torrinos seine Waffen aus den verborgenen Holstern und feuerte mit der einen Hand Energiestrahlen ab, während in der anderen ein feiner Nadler spitze Geschosse auf die Reise schickte. Gemeinsam schafften sie es, jeden Schutzschirm zu durchdringen. Auch Prallfelder, die geschaltet wurden, konnten zumindest dem Feuer aus der Kombiwaffe keinen Widerstand leisten. Nach und nach wurde die Schar der Angreifer kleiner.

Torrinos war sich darüber im Klaren, dass diese Angreifer, die er hier dezimierte, nur ein Tropfen auf den heißen Stein waren. Viele mehr waren an anderen Stellen im Einsatz und versuchten, sich gegen die Verteidiger durchzusetzen. Es waren einfach zu viele. Auf Dauer würden sie sicher gewinnen, zumal von oben immer schlechtere Nachrichten kamen. Schiffe vergingen unter den Energiestrahlen der angreifenden kaiserlichen Flotte, der Sperrriegel wurde immer dünner, die letzten Schiffe zurückgedrängt auf die Welt Hesophia. Lange konnten sie nicht mehr Widerstand leisten. Lange würde es nicht mehr dauern, und die letzte der Rebellenwelten würde dem Kaiser wieder Treue schwören.

Der Anzug unterstützte die Bewegungen des Kämpfers und erlaubte so, dass sich Torrinos mit anmutiger Leichtigkeit über die Trümmer hinweg auf die Gegner stürzen konnte. Er wütete unter ihnen und langsam lichtete sich der Rauch, als die Angreifer weniger wurden. Die feinen Nebel der einstürzenden Gebäude verwehten, legten sich langsam und zeigten ein Bild des Grauens. Tote und Verwundete lagen in den Straßen, einige laut schreiend, einige wälzten sich, krümmten sich vor Schmerzen, krochen wimmernd durch die Straßen. Mitglieder einer neutralen Einheit, die sich in diesem Gefecht um die Verwundeten kümmerten, brachten die Verwundeten aus der Reichweite der Kämpfenden und versorgten sie. Wenigstens dazu ließ sich der erbarmungslose Angreifer herab. Eine Rettung für die Verwundeten. Keine Rettung für die Toten. Aber sie hatten ihre Erlösung gefunden.

Der Bürgerkrieg, den sie alle nicht gewollt hatten, war da. Sie mussten sich ergeben. Sonst würde dieser Wahnsinn niemals enden.

Entschlossen kämpfte sich Torrinos weiter. Neuerlicher Widerstand flackerte auf, Gegner wuchsen gleichsam aus dem Boden vor ihnen, schnitten ihnen den Weg ab. Wieder musste er feuern, registrierte, dass das Energiemagazin erschöpft war und zog eine vibrierende Klinge aus einer der Taschen. Mit der anderen Hand griff er sich eine weitere Kombiwaffe und feuerte weiter. Langsam drängten sie ihn ab, ohne dass er es merkte, wurde er von den anderen getrennt, die sich wieder rückwärts bewegten. Er war der letzte, der sich noch nach vorne bewegte, der die Gegner noch zurücktreiben konnte.

Bis er in einer Seitenstraße plötzlich vor einem Mann zu stehen kam, den er kannte. Niemand war da, der sie jetzt noch voneinander trennen würde.

»Torrinos«, flüsterte die raue Stimme des Mannes, dessen Strahler leicht glühte und damit anzeigte, dass er schon tausendfachen Tod über diese Welt gebracht hatte. Die Mündung war gesenkt.

Auch die Waffe des Rebellen glühte, in der linken Hand hielt er die Hiebwaffe, mit der er schon einige der Gegner getötet hatte. Blut klebte daran.

»Carilla«, flüsterte Torrinos tonlos.

Er wollte sich ihm nicht stellen und blickte sich um. Niemand war in dieser Seitengasse, himmelhoch ragten die Gebäude zu beiden Seiten auf, zeigten ihm, dass er dahin nicht entkommen würde. Hinter ihm waren zwar die Straßen im Augenblick frei, aber er konnte die Truppen hören, die da aufmarschierten. Dorthin würde er auch nicht entkommen.

Und vor ihm stand der Schlächter. Grinsend zog er eine altmodische Waffe. Das riesige Schwert in seinen Händen wirkte altertümlich in dieser Kulisse. Er ließ die Feuerwaffe fallen.

»Tu mir den Gefallen und lass auch deinen Strahler fallen.«

Torrinos warf einen Blick auf die Energieanzeige. Selbst wenn er gewollt hätte, er hätte nicht mehr schießen können. Er ließ die Waffe in einer der Taschen verschwinden, behielt die schlankte Hiebwaffe in der Linken und ergriff mit der rechten Hand eine lange, starre Klinge, die dem Schwert sicher Widerstand entgegensetzen konnte. Einen Kampf auf Leben und Tod würden sie bekommen, das schwor er sich. Carilla würde ihn in Erinnerung behalten.

Schweigend nahm er Grundstellung ein und erwartete den ersten Angriff. Sicher würde sein Gegner sich diese Chance nicht entgehen lassen.

Er zögerte nicht, holte aus und schlug zu. An der Stelle, an der Torrinos einen Sekundenbruchteil zuvor noch gestanden hatte, war der Rebell aber schon nicht mehr zu finden. Carilla wirbelte herum, suchte nach dem Gegner und fand ihn.

Torrinos erkannte, dass er gefährlich war, geschult und ebenso gut ausgebildet, dazu konnte er auch ein schweres Schwert führen wie das, das er in den Fäusten hielt. Er war ein Gegner, den er nur mit äußerster Konzentration besiegen konnte. Er schloss die Augen und zwang sich auf die höchste Stufe. Durch die geschlossenen Lider hindurch konnte er seinen Gegner erahnen, erspürte die Aura, beschnupperte die Gerüche, lokalisierte die Schwingungen, die seinen Gegner umgaben. Wenige Sekunden hatte er noch, aber die würden genügen.

Für einen Augenblick zuckte ein Bild in ihm auf, von einer Lichtung, in einem Wald auf einem weit entfernten Planeten. Shenia, eine jüngere Shenia, stand neben einem jüngeren Torrinos und unterwies ihn in der Kunst der Waffen, wie sie auf Gon gelehrt wurden. Mit ruhigen Worten erzählte sie ihm die Geschichte ihrer Traditionen, brachte ihm die Bedeutung der einzelnen Stufen nahe. Lehrte ihn, wie man diese Stufen erreichen konnte und ließ ihn zum ersten Mal diese elektrisierende Welt eines vielfach beschleunigten – oder verlangsamten – Bewegungsablaufes erleben. Für ihn kam es so vor, als würde die Welt, die Umgebung, sich langsamer bewegen, die Menschen, mit denen er zu tun bekam, sich so langsam bewegen, dass er immer schneller als sie agieren konnte. Das funktionierte bei den meisten, aber nicht bei allen Menschen. Manche vermochten ihm, in diese Welt der Geschwindigkeit zu folgen. Entweder, weil sie selbst in den Künsten der Goner bewandert waren, oder aber, weil sie seine Schwingungen aufnahmen und sich von ihnen in die gleiche Welt führen ließen. Probehalber bewegte sich Torrinos einen Schritt nach vorn, nachdem er die höchste Stufe erreicht hatte und registrierte, wie der Gegner fast im selben Augenblick reagierte. Carilla war in der Tat ein gefährlicher Gegner. Er konnte fast das, was Torrinos konnte, auch wenn er sich dessen wohl kaum bewusst war.

Torrinos ließ sich davon kaum stören. Der Kampf würde in jedem Fall zu seinen Gunsten ausgehen. Unerschütterlich glaubte er an sich und hob die Waffe, schlug sie gegen das Schwert des Gegners und …

… prallte verblüfft zurück, als er die Kraft des Carilla spürte, mit der er seinen Schlag nicht nur einfach abfing, sondern sogleich erwiderte. Die dünnere Klinge vibrierte, als der schwere Zweihänder seines Gegners ihn erwischte. Mochte die achtköpfige Kreatur der Unterwerfung wissen, wieso dieser Verrückte eine solche Waffe mit sich schleppte. Vielleicht wollte er absichtlich gegen Torrinos mit einer solchen ankämpfen. Um ihm zu zeigen, wer der stärkere ist. Torrinos wusste es nicht.

Er griff neuerlich an. Blitzschnell erfolgten nun Angriff und Gegenangriff, aber sein Gegner geriet kaum außer Atem. Torrinos schwitzte in dem Anzug, der ihm zwar jede Hilfe gab, aber auch nicht unüberwindlich war, wie er sehr wohl wusste. Schließlich hatte er schon einmal den Träger dieses Anzuges besiegt. Und auch wenn nun er der Träger war, so wäre der Glaube an die eigene Unverwundbarkeit doch eine Hybris gewesen, deren sich ein erfahrener Kämpfer niemals schuldig machte.

Schwitzend erwiderte er die Angriffe, parierte sie, ging zum Gegenangriff über und merkte, dass er immer mehr in die Defensive gedrängt wurde. Dieser Kampf war verwirrend und so gar nicht das, was Torrinos erwartet hatte.

Entsetzt sah er wie die Klinge seine Deckung durchbrach und ihn verwundete. Blut pulsierte sofort aus der Wunde, wurde aber schnell wieder gestillt, als der Anzug sich an dieser Stelle zusammenzog und so die Wundränder zusammenpresste. Er verschweißte sie sozusagen und versiegelte sich selbst an der Stelle wieder, an der es ihn getroffen hatte. Von einer Verwundung war nun nichts mehr zu sehen, aber Torrinos spürte, wie unter dem Anzug eine Flüssigkeit versickerte, sich in einem Auffangbehälter sammelte. Er war schwerer verwundet, als er geglaubt hatte und auch dieser Anzug wurde mit dieser Wunde nicht so schnell fertig. Er wirbelte herum, entledigte sich seines Angreifers und verschwand in den Häusern, rannte durch eine Empfangshalle und sprang in einen Aufzugschacht. Hinter sich konnte er das Keuchen seines Gegners hören. Aber Carilla schaffte es nicht mehr rechtzeitig. Er fuhr bis ganz nach oben und verließ den Aufzug. Er registrierte wenig verwundert, dass sein Gegner ihm folgte.

Mit dem Kommunikationsgerät seines Anzugs nahm er Verbindung mit den Kameraden auf.

»Wo seid ihr?«, brüllte er in das Mikrofon und erhielt sofort eine Antwort von Waldron.

»Im Palast. Sie haben uns zurückgeworfen. Wir haben keine Chance, hier auszubrechen. Aus dem Weltall greifen sie an, zweihundert Schiffe sind durchgekommen, haben sich auf Hesathan herabgesenkt und bedrohen die Stadt. Vesus verlangt die Kapitulation. Wir sind verloren.«

Torrinos antwortete nicht. Er lehnte sich an die Wand, verfolgte teilnahmslos, wie sich die Anzeige des Aufzuges immer mehr der Nummern näherte, die das Dachgeschoss symbolisierte. Dann spannte er sich an, rannte zum Rand des Daches und warf sich auf ein Gyrobike. Mit einem Vorrangcode, der Mitgliedern der Ordnungskräfte zugänglich war, entsperrte er das Gefährt und ließ es sich in die Luft erheben.

Carilla verließ den Aufzug und rannte brüllend auf den Dachrand zu. Er sprang einfach über die Brüstung, sackte einen Meter durch und wurde dann von einem Prallfeld sanft gestoppt. Er hatte das Bike nur um wenige Zentimeter verfehlt.

Wütend sicherte sich der Schlächter ein anderes Bike und folgte dem Rebellen. Er musste die Verfolgung aber schließlich abbrechen, als ihm Feuer aus dem Palast entgegenschlug, in dem die letzten Getreuen der Rebellion sich versammelt hatten.

Torrinos verankerte das Bike an derselben Terrasse, auf der er nur eine Nacht zuvor noch mit Saraah gestanden hatte und mit morbider Faszination in den nächtlichen Himmel geblickt hatte. Er rannte in den Palast und erreichte den Thronsaal auf dem schnellsten Weg.

Decrusian stand vor einem Bildschirm, auf dem Torrinos das Abbild des kaiserlichen Oberkommandierenden erkennen konnte. Er blieb wie angewurzelt stehen.

… und deshalb erkläre ich hiermit die Kapitulation der Welt Hesophia. Beendet das Blutvergießen und verschont die Zivilbevölkerung, sie hat mit dieser Angelegenheit nichts zu tun. Wir werden euch hier im Palast erwarten.«

Torrinos sagte kein Wort. Er verfolgte schweigend, wie Vesus nickte und die Kapitulation bestätigte. Er bestätigte allerdings mit keinem Wort, dass er die Bevölkerung zu verschonen gedachte. Allen anwesenden war klar, dass das vermutlich nicht in seiner alleinigen Entscheidungsgewalt lag.

Ratlos blickten sie sich an.

Quinturus stand schräg hinter seinem Kommandeur. In der Spiegelung einer Mattscheibe konnte er aber die Augen von Vesus erkennen. Deutlich zeigten sie, wie sehr er darunter litt, was die Hologramme anzeigten. Die Projektion des Weltraumes um die DOMULUS war schon längst durch das gewohnte Bild der Zentrale ersetzt worden.

Die Hologramme zeigten Aufnahmen aus der gewaltigen Stadt, die da unter ihnen lag. Explosionsherde waren teilweise schon ohne die Zuhilfenahme von vergrößernden Optiken zu erkennen. Detailliertere Bilder zeigten das Ausmaß der Verwüstungen und die Zahl der Opfer wurde beständig eingeblendet. Was Schiffe anging, waren schon wesentlich mehr vernichtet worden, als es Vesus lieb war. Immerhin waren die Gegner Dorgonen und jedes Schiff, das hier vernichtet wurde, musste mühsam wieder ersetzt werden. Das kostete auch Geld und schwächte die Kampfkraft der Dorgonen insgesamt. Schon aus dieser Position war ein Bürgerkrieg das Schlimmste, was einem Volk passieren konnte. Die Opfer, die die Dorgonen sich selbst zugefügt hatten, waren allerdings das weitaus Schlimmere.

Offensichtlich war es nicht möglich, selbst im eigenen Volk, in einem so großen Universum, friedlich zusammenzuleben, eine Erkenntnis, die Vesus nicht als erstes Wesen in diesem Universum machen musste. Er war kaum in der Lage, die nötigen Befehle zu erteilen, aber das war auch unnötig. Die Besatzung wusste, was sie zu tun hatte. Sie schwebte langsam auf Hesathan nieder und näherte sich dem Raumhafen, auf dem vereinzelt Schiffe starteten und landeten. Zumeist Schiffe der eigenen Einheiten.

Majestätisch langsam setzte das Schiff auf.

 

Carilla sprengte einfach die Tore und stürmte in den Palast, an der Spitze seiner Getreuen, die sich schnell über die Räume verteilten und alle wichtigen Positionen blitzschnell besetzt hatten.

Die Senatoren Olaneus und Brakus waren nirgends zu finden, aber das interessierte Carilla nicht. Er befahl, verstärkt nach den Rädelsführern Decrusian und Torrinos suchen zu lassen und schickte seine Männer aus, vor allem nach ihnen und den Gonern suchen zu lassen. Auch die verräterische Saraah wollte er gerne in die Hände bekommen. Auf Jerrat war sie ihm entkommen. Aber hier würde er ihr zeigen, was es bedeutete, sich mit dem Geheimdienst anzulegen. Er hatte nicht vergessen, dass sie zusammen mit diesem stellvertretenden Senator Brakus für seine Enthebung aus der Position des Flottenkommandanten verantwortlich war. Sie würde dafür büßen. Und sie war eine wahre Schönheit. Sicher würden ihm viele angenehme Möglichkeiten einfallen, wie er sie bestrafen konnte.

Er grinste und leckte genüsslich über seine Lippen. Befriedigung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er sich ausmalte, was mit ihr passieren würde.

Aber diese Befriedigung schwand mit jeder Meldung, die von Misserfolg kündete. Was war hier los? Niemand im Palast, jedenfalls niemand, der maßgeblich für die Politik dieser Welt war, nur untergeordnetes Personal?

Etwas stimmte hier nicht und Carilla verstand nicht, was.

Als Falcus und Vesus den Palast erreichten, sahen sie einen ratlosen Carilla vor sich, der immer noch nach den Gegnern des Kaisers fahnden ließ, sie aber nirgends finden konnte.

*

Keuchend rannten sie durch die Straßenschluchten, in den Schutzfeldern verborgen, und näherten sich immer mehr dem Gebäude, das ihre Rettung bedeuten konnte. Soldaten waren nun überall, aber die meisten dachten nicht mehr an Kampf, nachdem die Rebellen kapituliert hatten. So lange niemand Decrusian oder einen der Senatoren erkannte, war alles in Ordnung. Aber jede Sichtung würde bedeuten, dass es zu einem Kampf kommen würde und jeden Augenblick erwartete Torrinos, dass genau das passieren würde.

Aber es passierte nicht.

Und schließlich erreichten sie das Gebäude, verschwanden nacheinander darin und benutzten die Treppen, um Etage für Etage nach unten zu laufen.

Niemand war in diesem Gebäude anzutreffen, vor allem nicht in den unteren Etagen. Viele dieser Anlagen waren kaum bekannt, außer den Mitgliedern planetarer Geheimdienste und eventuell auch noch einigen, die in Dom stationiert waren. Aber es gab viele solcher Anlagen und wer würde ausgerechnet hier nach ihnen suchen? Sie begegneten niemandem, während sie sich schnellen Schrittes den Räumlichkeiten näherten, die weit unter der Erde waren.

Eine letzte Zuflucht, die wahrhaft letzte Bastion der Rebellion auf Hesophia. Und mit Sicherheit ein Platz, an dem man sie schnell finden würde, wenn sich die erste Aufregung erst einmal gelegt hatte und die verborgenen Nester eines nach dem anderen ausgehoben werden würden. Bis dahin wären sie aber schon längst verschwunden gewesen. So hofften sie zumindest.

Die Anlage war unberührt, niemand hatte sich an oder in ihr zu schaffen gemacht. Für wenige Augenblicke herrschte Leben in der Anlage, als die letzten Mitglieder der Rebellion sie betraten. Mit flinken Fingern betätigte Decrusian, der gescheiterte Anführer der Rebellion, die Steuerung. Das flimmernde Tor, das sich vor ihnen bildete, war ihr Weg in die Freiheit. Ein Kurzstreckentransmitter, der sie mit einem anderen Transmitter auf dieser Welt verband. An einen Langstreckentransmitter würden sie nicht mehr kommen, zumal diese alle auf Welten führten, die nun wieder in der Hand des Kaisers waren. In den Untergrund würden sie sich wieder begeben, aber zunächst einmal mussten sie aus dem Gesichtsfeld der Dorgonen vollständig verschwinden und sich von dieser Niederlage erholen.

Glücklicherweise hatte Torrinos es noch im letzten Augenblick geschafft, die anderen, die sich schon aufgegeben hatten, dazu zu animieren, mit ihm zu kommen. Er kannte diesen Stützpunkt noch aus seiner Zeit als oberster Prettosgardist. Und er war nicht bereit, aufzugeben. Noch waren sie nicht verloren. Schließlich waren sie ihm gefolgt, hatten sich an den letzten Strohhalm geklammert, den er ihnen bot. Wobei noch niemandem so richtig klar war, wie es nun weitergehen sollte oder was ein Kurzstreckentransmitter ihnen bringen würde.

Auf seinen Wink näherten sich die ersten Mitglieder der Gruppe dem schwarzen Feld, traten hindurch und verschwanden aus der Anlage. Bald waren nur noch Decrusian und Torrinos vor dem Feld. Torrinos schickte Decrusian hindurch und aktivierte einen Sprengkörper, der alle ihre Spuren verwischen würde. Dann verließ auch er den Raum. Hinter ihm deaktivierte sich der Transmitter selbst, die eingegebenen Einstellungen wurden gelöscht. Selbst wenn eine Rekonstruktion der vernichteten Anlage gelingen sollte, wären die Daten somit verloren. Wenige Momente später verging die Anlage in einer Explosion.

Niemand hielt sie auf, als sie das kleine Adlerschiff starteten und damit von Hesophia flüchteten. In den Rechnern waren die Codes der angreifenden Flotte gespeichert, und so wurden sie für ein Schiff der kaisertreuen Flotte gehalten. Niemand bemerkte, wie sich das kleine Schiff aus dem System verabschiedete und unmittelbar außerhalb der letzten Planetenbahn aus dem Standarduniversum verschwand. Wo auch immer es herauskam, niemand außer den Insassen wusste es.

Torrinos nickte Waldron zu, kurz bevor das Schiff verschwand. Der Goner hatte die Codes kurz nach seinem missglückten Ausflug mitgebracht, als er versucht hatte, mit einem Schiff auf die Insel zu kommen, aber von den Schiffen des Vesus aufgebracht und vor den Oberkommandierenden befohlen wurde. Als ihn Vesus wieder zurückschickte, übergab er ihm die Daten und überließ es ihnen, sich damit einen Plan zurechtzulegen. Und da Torrinos und die Goner mit dem schlimmsten rechneten, hatten sie ein Schiff bereitstellen lassen, eine Jacht, die sie von dieser Welt in Sicherheit bringen konnte, wenn es denn nötig werden sollte.

Und nun verschwand Hesophia langsam hinter ihnen, endete der Bürgerkrieg mit einem blutigen Schlusspunkt. Sie hatten das nicht gewollt, aber waren hineingetrieben worden, als würde alles einen höheren Plan folgen, als wären sie nur Schachfiguren in einem Spiel, das sie einfach nicht gewinnen konnten.

Torrinos verdrängte die Bilder aus seinem Kopf, die ihn immer wieder überfallen wollten und ihn daran erinnerten, welches Chaos sie auf Hesophia zurückließen. Hoffentlich würde Vesus das Schlimmste verhindern.

Wenigstens konnte er sich nun um seine Wunde kümmern, die mittlerweile aufgehört hatte, zu bluten.

 

Epilog

Der lautlose Schatten glitt durch die Räumlichkeiten, die ihm mittlerweile schon vertraut waren. Aus der Erinnerung heraus, hatte er keinerlei Schwierigkeiten, den Weg wiederzufinden, der ihn langsam aber sicher in die Nähe der kaiserlichen Suiten brachte. Niemand sah ihn und wer es doch tat, der verschloss die Augen und blickte schnell in eine andere Richtung, eine Handlungsweise, die normalerweise keine Wache ihr eigen nannte, aber in diesem Fall hätte selbst der göttliche Kaiser ein Einsehen gehabt.

Ein geisterhaft rotes Leuchten schwebte durch den Gang, in dessen Mitte die Gestalt nur schemenhaft zu erkennen war. Wenn tatsächlich einmal Dorgonen in den Gängen auftauchten, dann verschwand die Gestalt, verschmolz geradezu mit der Umgebung, und auch das Licht war nicht mehr wahrzunehmen, nur noch auf einer höheren, einer metaphysischen Ebene fühlbar. Wer auch immer dieses merkwürdige Gefühl zu spüren bekam, machte, dass er schnell weiterging und die Stelle passierte, ohne sich dort länger als nötig aufzuhalten.

Aber trotzdem wusste niemand, wem er dort eigentlich auswich.

Commanus stand hoch aufgerichtet vor seinem Thron und blickte der Reihe nach in die Gesichter seiner wichtigsten Mitarbeiter. Vesus, Falcus und Carilla standen nebeneinander vor seinem Thron, keiner sagte ein Wort.

Die Gedanken des Herrschers schweiften für einen Augenblick ab, er sah sich selbst in einem offenen Gleiter, wie ihm die Menschenmassen zujubelten. Das war nur wenige Stunden her, und obwohl die Menschenmassen mit einiger Sicherheit zu einem großen Teil aus Soldaten des Kaisers bestanden und viele aus der Zivilbevölkerung von Hesophia eher notgedrungen gejubelt hatten, war er doch zufrieden gewesen, die Liebe seines Volkes so deutlich gezeigt zu bekommen. Mehrere Stunden hatte der Triumphmarsch durch Hesathan gedauert, auch der Unterwasserstadt hatte er einen Besuch abgestattet und persönlich überwacht, wie viele der im Palast und während der Kämpfe gefangengesetzten Rebellen in mehrere Schiffe getrieben worden waren. Mit Befriedigung hatte er den Startbefehl nach Sarinaph gegeben. Nachschub für die Gefangenenwelt, und diesmal würden sie ihm nicht entkommen. Sie würden den Zorn und die ganze Macht des Kaisers zu spüren bekommen.

Nachdenklich verfolgte er die Prozessionen, die man zu seinen Ehren abhielt, genoss die Formationsflüge mehrerer Adlerschiffe und planetengestützter Gleiterflotten, mit denen man die Atmosphäre von Hesophia kurzfristig zum Erbeben brachte. Genüsslich verspürte er die Luftbewegungen, die von den Schiffen erzeugt wurden, während sie mit hoher Geschwindigkeit durch die Atmosphäre jagten. Er hatte sein Volk zurück und obwohl es viele Opfer gekostet hatte, so war doch noch alles in einem erträglichen Rahmen geblieben.

Schmunzelnd machte sich der Herrscher klar, dass er vorwiegend Menschen verloren hatte. Material ließ sich schließlich ersetzen und er hatte ein ganzes Volk, das willig für ihn tätig werden würde, um die entstandenen Schäden zu beheben. Mehrere Rebellenwelten würden sich da sicher gerne in den Vordergrund drängen, um ihren Fehler wieder gut zu machen.

Nicht dass ihn die Toten wirklich gestört hätten.

Es machte sich nur nicht so gut in den Chroniken, die man über ihn schreiben würde, wenn der Weg zum Thron mit Blut besudelt war. Es war zwar oft genug vorgekommen in der bewegten Geschichte der Dorgonen, aber letztendlich war es immer besser für den Kaiser gewesen, wenn er unblutig an die Macht gekommen war.

Und bis vor kurzem war immerhin das Volk noch der Meinung gewesen, dass er nur das Opfer war. Der Seitenblick in Elgalars Richtung war nicht sonderlich freundlich, und sein Bruder bemerkte das auch. Er duckte sich unter dem Blick der funkelnden Augen und blickte schnell auf die zwei Kommandeure und den Senator, die vor dem Thron noch immer auf eine Regung des Kaisers warteten.

»Vesus!« Commanus löste sich von seiner Position, schritt langsam, gemessenen Schrittes, die Stufen nach unten und baute sich vor dem Kommandeur der Flotte auf.

Er kniff ihm ins Ohrläppchen, ansonsten sagte er kein Wort. Unter den Dorgonen galt das als die höchste Auszeichnung, die ein Kaiser aussprechen konnte.

»Falcus!« Er trat vor den Senator, nickte einmal anerkennend und wandte sich von dem Mann ab, der trotzdem zufrieden wirkte. Auch wenn sie nicht so deutlich ausgefallen war, wie die für Vesus, war es doch klar zu erkennen, dass er seinem Ziel ganz nahe war.

»Carilla!«

Schweigend musterte Commanus den Schlächter, als er sich vor ihm aufbaute, dann klopfte er ihm nur kurz auf die Schulter, ein versteckter aber doch für jeden sichtbarer Tadel. Offensichtlich war er mit der Rolle, die sein Geheimdienstchef gespielt hatte, nicht wirklich zufrieden.

Er wandte sich von den dreien ab und nahm seine Position vor dem Thron, mehrere Stufen über den anderen, wieder ein.

»Soldaten des Imperiums! Ich bin durchaus zufrieden mit dem Verlauf der Kämpfe und vor allem natürlich mit dem Resultat. Trotz allem bleibt ein Tadel nicht erspart. Es darf nicht sein, dass die wichtigsten Köpfe der Rebellion einfach so verschwinden konnten! Das ist kein Versagen, das man der Flotte vorwerfen kann, aber es gibt schließlich Kreise mit großem Einfluss, die ihre Verantwortung eigentlich besser kennen sollten!«

Er warf Carilla nur einen kurzen Blick zu, der diesen natürlich richtig deutete und die Lippen fest zusammenpresste. Er sagte kein Wort.

»Wie auch immer, wir werden sie schon finden. Vesus und seine Flotten suchen nach Indizien für den Aufenthalt der Rebellen und wenn wir sie gefunden haben, dann werden wir sie schon aufbringen. Auf Dauer entkommen sie der Gewalt des Kaisers nicht! Und jetzt verschwindet!«

Damit war das unrühmliche Kapitel dieses unseligen Bürgerkrieges auch für den Kaiser abgeschlossen. Er drehte sich um und ließ sich auf den Thron niedersinken. Schweigend verfolgte er den Abgang der Vertrauten, und auch Elgalar verließ den Raum.

Als niemand mehr anwesend war, außer dem Kaiser und den Wachen, erhob sich auch Commanus. Nur noch seine Frau stand hinter ihm, ihr Gesicht erlaubte nicht, zu erkennen, was sie fühlte. Als er an ihr vorbeiging, streichelte er über ihre Wange, ihren Blick ignorierend.

Dann ging er weiter und verließ den Raum. Als letzte folgte ihm die Kaiserin, deren Blick leicht verschleiert war. Nur mühsam hielt sie die Tränen zurück.

Commanus wirbelte den Umhang von seiner Schulter und warf ihn sich über den Arm, hängte ihn dann fein säuberlich über einen Stuhl. Er schenkte sich einen Schluck des besten und erlesensten Rotweines ein und aktivierte mit einem Seitenblick die Anlage, die sofort sanfte, fast schon zärtlich anmutende Musik erzeugte. Genießerisch schloss der Kaiser die Augen, ließ die rote Flüssigkeit im Glas kreisen und nahm einen tiefen Schluck.

»Gut gemacht.«

Die Stimme war kaum zu vernehmen, wie ein verwehender Hauch drang sie an die Ohren des Kaisers, dessen Gesicht sich langsam verzog. Ein Grinsen, das jedem Beobachter einen kalten Schauer über den Rücken gejagt hätte, zeigte sich auf seinen markanten Gesichtszügen. Er stellte das Glas ab und blickte aus dem Fenster in die Nacht über Dom. Vieles war geschehen seit jener schicksalhaften Nacht vor einiger Zeit, in der sein Schwiegervater gestorben, von ihm persönlich seines Lebens beraubt worden war. Wie in jener Nacht, so hatte er auch heute das Gefühl, nicht allein zu sein. Er bewegte sich nicht, als er die Hand auf seiner Schulter verspürte. Das Licht verlosch, ein geisterhaft rotes Leuchten erhellte die Dunkelheit nur unvollkommen.

»Chaos ist in dieser Welteninsel eingekehrt, ein Chaos, das niemals so vollkommen gewesen wäre, ohne die Rebellen, die sich zu diesem sinnlosen Kampf aufgemacht haben. Es ist gut, dass sie entkommen sind. Das macht das Spiel noch interessanter.«

Der Kaiser regte sich nicht, aber seine Augen funkelten. Er hatte das Lob mitbekommen und er freute sich darüber. Nicht eine Sekunde lang machte er sich klar, dass er sich damit in eine Abhängigkeit von dem unbekannten begeben hatte, die er noch vor einiger Zeit vehement abgelehnt hatte. Aber nach dem Mord und nach der Hilfe des roten Todes hatte er keine Wahl gehabt.

»Die Schiffe, die Flotten, die Armeen, die du nach Cartwheel entsandt hast … ziehe sie ab, lass sie wieder in die Heimat zurückkommen. Die Schiffe, die du in diesen wunderbar unnötigen Kämpfen verloren hast, ersetze sie, so schnell es geht, erschaffe eine Armee, wie sie diese Welteninsel noch nie erlebt hat. Große Veränderungen stehen bevor.«

Cau Thon trat neben ihn, gemeinsam blickten sie auf die Dächer des nächtlichen Dom.

»Ich weiß, dass du von Macht träumst, von noch viel mehr Macht, als du sie jetzt bereits hast. Und ich kann sie dir bieten. Neue Verbündete werden nach Cartwheel kommen und eines Tages werden wir dreizehn Galaxien beherrschen. Du wirst sie beherrschen, als mein Consus.«

Das geisterhaft rote Leuchten, das bisher neben ihm zu sehen gewesen war, verblasste, war für wenige Augenblicke noch fühlbar, dann verschwand es ganz.

»Befolge meine Befehle …« Wie ein letzter, verwehender Hauch drang die Stimme an sein Ohr, dann war da nur noch Stille, nur noch Dunkelheit.

Wenige Augenblicke später aktivierte sich das Licht wieder. Commanus schüttelte den Kopf, wie ein Traum kam ihm das eben erlebte vor. Aber er wusste, dass es kein Traum war. Der Unbekannte war wieder da gewesen, hatte ihn zum zweiten Mal besucht und keinen Zweifel daran gelassen, was er wollte. Commanus würde gehorchen.

Cau Thon wusste das. Er schwebte durch den Palast und verschwand von dieser Welt genauso lautlos und unfassbar, wie er sie betreten hatte.

Die Dunkelheit auf Dorgon war vollkommen. Nur ein rotes Leuchten war für einen Augenblick zu sehen, wie ein Kometenschweif, der allerdings in die falsche Richtung unterwegs war. Wer auch immer es sah, wusste das schlechte Omen zu deuten.

Götterdämmerung …

ENDE

 

 

 

Dorgon scheint fest in der Hand von Kaiser Commanus zu sein. Im nächsten Band schildert Aki Alexandra Nofftz mehr über die Ereignisse der NIMH. »Barym« ist der Titel von Band 61.

 

 

 

DORGON-Kommentar

»Jede Einheit der Imperialen Flotte verursachte in Unterhalt und Wartung gewaltige Kosten. Die durch-schnittliche Steuerlast der Imperiumswelten lag bei einem Wert, der in den fernen Provinzen des Imperiums bereits sporadisch für Aufruhr sorgte. Mit einer halben Millionen Einheiten unter Waffen war das Huhany'Tussan im Jahr 1307 NGZ an der Grenze des ökonomisch und politisch Vertretbaren angelangt.

Bostich I. ließ veraltete und schlecht ausgerüstete Einheiten nach wie vor durch schwer bewaffnete, besser ausgerüstete Neubauten ersetzen. Doch die totale Anzahl blieb konstant. In Wartung und Unterhalt wurden flächendeckend Einsparungen erzielt.

Ähnlich, nur konsequenter verfuhr zur selben Zeit die LFT. Arkon mit vergleichbaren Flottenstärken Paroli zu bieten wurde von Rhodan nie zur Diskussion gestellt. Die Menschheit und ihre Verbündeten waren für eine kostenintensive Kriegswirtschaft nicht zu gewinnen. An die Stelle von Quantität traten deshalb verschärfte Qualitätskriterien.«

(Hoschpians Chroniken des 14. Jahrhunderts NGZ; Kapitel 2.21.1.: Ökonomische Voraussetzungen der Kriegswirtschaft)

Auch wenn diese Zukunft, die hier beschrieben wird, in der Dorgon-Serie erst in neun Jahren eintreten wird (in Dorgon schreibt man bekanntlich das Jahr 1298 NGZ, bei PR schon das Jahr 1307 NGZ), so steckt in diesen Wörtern doch mehr als nur ein Funken Wahrheit. Cau Thon fordert Commanus auf, aufzurüsten, wo es nur geht. Irgendwann soll Commanus der Herrscher über 13 Galaxien sein. Wenn man bedenkt, dass man keine Ahnung hat, welche Galaxien das sind, kann man nur noch den Kopf schütteln.

Machen wir einfach folgende Rechnung auf. Man benötigt vielleicht eine Millionen Raumschiffe, um eine Galaxis zu erobern und zu kontrollieren. Dann bräuchte man für 13 Galaxien …? Richtig – 13 Millionen Schiffe. Wenn nur die Hälfte dieser 13 Millionen Schiffe in die Dorgon-Klasse fallen (6500 Meter lang, 55.000 Mann Besatzung) würde, dann bräuchte man alleine dafür schon 357.500.000.000 (357 Milliarden 500 Millionen) Mann Besatzung. Und das waren erst die Besatzungen für 6,5 Millionen Schiffe. Es fehlen also immer noch 6,5 Millionen Schiffe.

Besitz Dorgon solche Kapazitäten? Oder ist der Streit in der Bevölkerung schon vorprogrammiert?

Björn P. Habben

 

 

 

GLOSSAR

Falcus

Geboren: 1251 NGZ

Geburtsort: Mesoph

Größe: 1,80 M

Gewicht: 70 KG

Augenfarbe: braun

Haarfarbe: braun

Bemerkungen: Von durchschnittlicher Erscheinung, schlank, dunkles Haar und dunkle Augen, markantes Kinn.

Falcus ist einst Angestellter einer Bank gewesen und unter seinem Befürworter Festatus in die Politik gegangen. Er ist zum zweitwichtigsten Mann im Protektorat Harrisch geworden.

Falcus ist unter der Uleman-Regentschaft Preconsus von Mesoph geworden. Nach Commanus Machtaufstieg im Jahre 1298 NGZ beginnt auch der verschlagene Politiker seinen rasanten Aufstieg. Es gelingt ihm, das Vertrauen von Commanus zu erringen. Fortan klettert Falcus die Karriereleiter als oberster Berater des Kaisers hoch.

Decrusian

Geboren: 1275 NGZ

Geburtsort: Dorgon, M100

Größe: 1,79 m

Gewicht: 72 kg

Augenfarbe: braun

Haarfarbe: schwarz

Bemerkungen: Schlank, sportlich, gerecht, loyal gegenüber Uleman.

Decrusian ist als Sohn reicher Eltern aufgewachsen, die jedoch in seiner frühen Kindheit gestorben sind. Sie sind gute Freunde von Uleman gewesen und er hat ihnen versprochen, sich dem Jungen anzunehmen. Decrusian hat eine gute Ausbildung auf Hesophia genossen, wurde jedoch weitestgehend von allen Rebellenaktivitäten heraus gehalten. Später versucht er sich politisch und will seinen Mentor und Freund Uleman unterstützen, der zu dem Zeitpunkt schon Kaiser ist. Arimad sieht in Decrusian einen Bruder und Uleman hält große Stücke auf Decrusian. Deshalb wird er Mitte 1298 NGZ von Uleman adoptiert und in die kaiserliche Familie aufgenommen. Für Decrusian ist das eine große Ehre. Jedoch sind bereits Konflikte mit seinem Schwager Commanus, dem Ehemann seiner neuen Schwester Arimad, vorprogrammiert, da beide als Anwärter für den Kaiserthron gelten, wenn Uleman eines Tages verstorben ist.

Elgalar

Geboren: 23.April 1275 NGZ

Geburtsort: Dorgon

Größe: 1,67 Meter

Gewicht: 59 kg

Augenfarbe: grün

Haarfarbe: braun

Bemerkungen: Feine, feministische Gesichtszüge, trägt meist weite Gewänder oder Damenmode, schminkt sich, sensibel, herrisch, launisch.

Elgalar ist der jüngere Bruder von Commanus. Er wuchs wohlbehütet in seiner Familie auf und wurde von allen Problemen ferngehalten. In jungen Jahren entdeckte er seinen Hang zum Feminismus. Elgalar begann die Kleidung und Schminke seiner ersten und einzigen Freundin zu tragen und entschied lieber eine Frau zu werden, da er die Ästhetik einer Frau so sehr bewundert, dass er selbst eine sein will. Seine Neigung zu gleichgeschichtlichen Partnern entwickelte sich ebenfalls in dieser Zeit.

Eine Geschlechtsumwandlung durfte er laut dorgonischer Ethik nicht durchführen, da die Dorgonen angeborenes, darunter auch Behinderungen, als Bestimmung DORGONS sehen und es daher strengstens verboten und verachtet ist, die angeborene Daseinsform zu verändern.

Elgalar leidet sehr darunter. Politisch ist er ein kleiner Preconsus einer Kolonialwelt. Sonst wird er besonders von seinem Bruder aus allen Dingen herausgehalten. Teils geschieht dies aus Scham, aber auch da Elgalar sehr sensibel und nicht stark belastbar ist.

Das alles ändert sich, als Commanus den Thron besteigt. Er kann Elgalar nicht mehr vor der Öffentlichkeit verbergen. Elgalar hat sich selbst zum Ziel gesetzt, Kaiserin von Dorgon zu werden und will seinen Bruder ehelichen. Natürlich steht ihm dabei Arimad im Weg. Er versucht alles, um sie loszuwerden.

Elenia

Dorgonin, sie ist die Tochter des Preconsus Falcus von Hesophia. Ca. 1,80 Meter groß, schlank, braunes Haar und dunkle Augen. Elenia ist ein Freigeist, sehr zum Leidwesen ihres Vaters. Sie schließt rasch Freundschaft mit der dorgonischen Kaiserin Arimad, als ihr Vater an Einfluss im Forum Preconsus gewinnt.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e.V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e.V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 60, veröffentlicht am 19.02.2016 —

Titelillustration: Heiko PoppLektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel