Band 40

Cartwheel-Zyklus

 

In den Klauen der Dscherro

Der Partyraumer BAMBUS wird entführt

 

Nils Hirseland

 

Was bisher geschah

Im März des Jahres 1296 NGZ ist die Galaxis Cartwheel seit etwas mehr als einem Jahr von Galaktikern, Saggittonen, Estarten, Cappins, Dorgonen, Tefrodern, Kartanin, Galornen, Völkern aus Druithora und vielen anderen Spezies besiedelt.

Das Projekt DORGONs scheint nach Anlaufschwierigkeiten zu funktionieren. Die Terroristen des Pterus Saron sind geschlagen und versprengt. USO, Helfer Ijarkors und andere Geheimdienste jagen die letzten Terroristen.

Die Saggittonen haben in Cartwheel eine neue Heimat gefunden, nachdem Rodroms SONNENHAMMER ganz Saggittor zerstörte. Es ist Zeit etwas durchzuatmen. So lud eine illustre Gruppe zu einer Jahrhundertparty auf dem Raumschiff BAMBUS ein. Doch der Schein trügt, denn schon bald werden alle Passagiere IN DEN KLAUEN DER DSCHERRO sein ...

 

Hauptpersonen

Aurec – Der Saggittone muss sich an die terranische Art des Feierns gewöhnen.

Leticron – Der vierte Sohn des Chaos plant Aurecs Tod.

Kathy Scolar – Für die Tresenbedienung der BAMBUS beginnt ein Abenteuer.

Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek – Die zwei alten Terraner veranstalten die Jahrhundertparty.

Vendor – Koscha Dscherro, Koscha!

Jonathan Andrews, Remus Scorbit und Uthe Scorbit – Die drei »Veteranen« aus Zechon wollen sich die Party des Jahrtausends nicht entgehen lassen.

Mathew Wallace, Lorif und Irwan Dove – Die drei von der IVANHOE machen einen Kurzurlaub.

Cau Thon – Der Sohn des Chaos schmiedet finstere Pläne.

Jezzica Tazum – Die junge Terranerin ist Bardame auf der BAMBUS.

Peter Roehk – Der Inhaber der BAMBUS.

Ferby Shyko, Reiko, Dykkar, Darvos, DJ Abfallhaufen, Stony, Krizoff, Bienya Scolar, Vekner, Yan Cruze und Haggy – Illustres Personal der BAMBUS.

Anya Guuze, Neve Prometh, Krizan Bulrich, Sylke Stabum und Roppert Nakkhole – Kadetten, die auf die Party wollen.

 

 

 

1. Die Party des Jahrhunderts

Die Sonne glühte an jenem Mittag des 17. März 1296 über dem Raumhafen von New Terrania. Das grüngelbe Metall des Raumschiffes schimmerte im hellen Licht. Zwischen den Teleskopstelzen des 500 Meter durchmessenden Kugelraumers tobte das Leben. Zu wummernder Musik zuckten halbnackte, verschwitzte Frauen in bunten Tops und knappen Shorts. Jubelnd, grölend, anfeuernd – denn die Party des Jahrhunderts stand bevor. Eine Schlange von mehr als 5.000 Wesen aus ganz Cartwheel schob sich langsam zur BAMBUS. Es waren die Gäste für die bevorstehende, fünftägige Reise des Disko-Raumers.

Es hätten noch mehr sein können, doch es gab behördliche Auflagen und Beschränkungen für die BAMBUS.

Yan Cruze stand an der Rampe und stopfte sich einen Hamburger in den Rachen. Dabei kleckerte er und sah aus wie ein kleines Ferkel.

»Hey, du! Geh gefälligst vorsichtig mit dem Gepäck um. Das sind die Klamotten von Aurec, dem Prinzen Saggittors. Wenn der eine Falte in seiner Socke hat, kriege ich wieder eins mit der groben Kelle über den Kopf«, meckerte er einen der Kofferträger an.

Reiko kam hinzu und blickte in den Himmel. Er sagte keinen Ton. Die Ertruser Francy und Vel-Ali bewachten den Transport. Sie gehörten zum Sicherheitspersonal von Darvos.

»Schönes Wetter. Würde lieber am Strand liegen und meinen Wanst bräunen«, erklärte Cruze.

Reiko sah ihn mürrisch an. »Ich kann dir gerne deine Papiere geben, dann kannst du Fettwanst dich in der Sonne aalen.«

Cruze blickte seinen Vorgesetzten entsetzt an. »So war das nicht gemeint, Chef!«

»Gut!«

Cruze nickte verlegen und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Am liebsten hätte er Reiko mal so richtig die Meinung gesagt, doch dazu hatte er nicht genügend Courage. Yan Cruze war ein Mitläufer, ein Mann, der sich nicht gegenüber Ranghöheren durchsetzen konnte.

Vekner kam ihm entgegen. Der große blonde Terraner hielt eine Flasche Bier in der Hand und machte einen vergnügten Eindruck.

»Wo warst du? Muss ich hier alles alleine machen?«, zeterte Cruze.

»Sorry, Dicker! Der alte Braunhauer hatte mich zum Fegen verdonnert. Danach habe ich erst mal ein Bier getrunken und eine hübsche Stewardess in einer der Kabinen vernascht.«

Der Edel-Diskjockey und Drogendealer Ferby Shyko und seine rechte Hand Dykkar kamen auf die Beiden zugelaufen, während Reiko schon wieder in dem Hauptsaal war und letzte Vorbereitungen für die Eröffnungsshow traf.

Ferby trug ein weißes Hemd, halb geöffnet, mit einem Drachen auf der Brust. Eine Sonnenbrille schützte seine empfindlichen Augen.

»So, Leute! Es geht los. Die VIPs kommen«, erklärte Shyko und grinste, da er sich schon auf die Party freute.

Die Party konnte beginnen!

*

Und du bist sicher, dass du nicht mitkommen willst?«

Die Stimme von Jonathan Andrews klang etwas enttäuscht.

»Ganz sicher, mein junger Freund. Ich mache mir nicht viel aus diesen Feiern. Meine Kraft ziehe ich aus Meditation und Ruhe«, erklärte der Ritter der Tiefe Gal'Arn.

Gal'Arn betrachtete den Raumer. In leuchtenden Buchstaben stand BAMBUS auf dem Schiff.

»Ich wünsche euch eine angenehme Feier«, sagte Gal'Arn.

Damit meinte er nicht nur Jonathan Andrews, sondern auch dessen Freundin Marya Jost, Remus und Uthe Scorbit, Jaquine, Anica, Yasmin Weydner und deren Freundin Ivon Abrinsky.

»Dennoch, seid wachsam. Ich fühle gefährliche Schwingungen. Gebt auf euch acht«, fügte er ernst hinzu.

Andrews nickte leicht. Er glaubte, dass sein Mentor diesmal etwas übertrieb. Was sollte hier schon passieren?

»Komm! Lasst uns jetzt endlich auf das Schiff gehen«, drängelte Marya. Die junge Terranerin trug eine weiße Kombination aus einem rückenfreien Top und einem weißen, sehr knappen Rock. Sie trug schwarze Stiefel und bot mit diesem Outfit einen sehr attraktiven Eindruck.

Gal'Arn verabschiedete sich von seinen Freunden und Gefährten. Als er sich umdrehte, kam ihm ein wankender Blue entgegen, der Gal'Arn an den Schultern packte und schüttelte.

»Party Alarm! Party, Party, Party!«, brüllte der zappelnde Jülziisch mit schriller Stimme dem Ritter der Tiefe ins Gesicht.

Gal'Arn stieß ihn von sich und schüttelte den Kopf.

»Nehmt euch an dem kein Beispiel«, ermahnte er sie noch und verließ den Festplatz sehr schnell.

Die anderen schauten ihm noch eine Weile hinterher. Uthe seufzte leise, denn diese Musik gefiel ihr auch nicht sonderlich. Sie wechselte mit Remus einen vielsagenden Blick und vergewisserte sich so, dass auch ihr Mann nicht auf diese Art von Klängen stand, zumindest nicht wenn er nüchtern war.

Die Gruppe wurde wenig höflich von der Security empfangen.

»Ausweise, Einladungen und Leibesvisitation!«, brummte Vel-Ali, der die Ehrengäste nicht erkannte.

Er ging zu Uthe Scorbit und tastete ihren ganzen Körper ab, wobei er sich an gewissen Stellen viel Zeit ließ. Remus wollte sich das nicht gefallen lassen und stupste den Wachmann an.

»Würden Sie sofort aufhören, meine Frau so zu begrabschen!«, forderte er.

Ein weiterer Ertruser kam hinzu, zog einen Schlagstock und schwang ihn bedrohlich vor Remus Nase.

»So sind die Vorschriften. Wenn es dir nicht passt, dann nimm deine Alte und verzieh' dich.«

Remus warf ihm einen bösen Blick zu.

»Wissen Sie den nicht, wen Sie vor sich haben?«, hörte er eine Stimme hinter sich fragen. Sie gehörte Aurec. Schon stand der Saggittone neben ihnen. Er nahm Uthes Hand und küsste auf den Handrücken. Die anderen begrüßte er auch herzlich, bevor er sich dem Umweltangepaßten zuwandte.

»Wir sind Ehrengäste. Wenn Sie nicht in Zukunft die Mülltransporte zu einem einsamen Asteroiden fliegen wollen, sollten Sie uns mit etwas mehr Respekt behandeln. Nein, das ist keine Bitte, sondern eine Warnung«, sprach Aurec und ging mit den anderen einfach weiter.

Die beiden Sicherheitsmänner wagten es nicht, den Saggittonen aufzuhalten.

»Danke«, sagte Uthe. »Das war wirklich in letzter Sekunde. Wenn dieses Personal weiter so unfreundlich ist, steige ich beim ersten Zwischenstopp aus und fliege nach Hause!«

Remus nahm sie in den Arm und versuchte sie wieder etwas aufzumuntern.

Unweit von ihnen entdeckten sie drei wohl bekannte Crewmitglieder der IVANHOE: Irwan Dove, Mathew Wallace und Lorif.

»Sir, wie schön, dass Sie auch hier sind«, sagte der Posbi. »Ich persönlich weiß nicht genau, was ich hier soll, außer die Verhaltensweisen der Menschen und Extraterrestrier in ihrer Freizeit zu studieren. Mathew und Irwan jedoch, wollen sich hier vergnügen. Wobei das nicht so ganz gelungen ist, denn dieser rüpelhafte Wachmann am Eingang hatte eine Meinungsverschiedenheit mit uns, die Irwan jedoch sehr überzeugend zu seinen Gunsten entscheiden konnte...«

Aurec und die anderen sahen den breit grinsenden Oxtorner fragend an, der nur mit den Schultern zuckte.

»Na ja, ich habe ihn zu Boden geworfen und gezeigt, wie man richtig kämpft.«

Mathew Wallace begrüßte die anderen herzlich. Sein Augenmerk fiel besonders auf Jaquine und Yasmin Weydner. Seit Saraah hatte er an keine andere Frau mehr gedacht, doch diese beiden Mädchen gefielen ihm sehr. Es war wohl Zeit, nach vorne zu blicken. Saraah lebte wieder in Dorgon und wollte ihrem Volk politisch und gesellschaftlich weiterhelfen. Sie hatte auf Terra Heimweh gehabt und Mathew war auf diversen Missionen mit der IVANHOE unterwegs gewesen. So hatten sich beide auseinander gelebt und keiner hatte seine Passion aufgeben wollen.

»Nun, dann sind wir ja vollzählig. Am besten wir suchen direkt unsere Quartiere auf«, meinte Aurec und deutete in Richtung Antigrav.

Auf dem Weg zum Antigrav wurde er unsanft von einem hageren Terraner angestoßen, der sich nicht einmal entschuldigte. Neben ihm lief eine wunderschöne Terranerin mit langen blonden Haar und tiefblauen Augen, die Aurec in einer unbeschreiblichen Weise faszinierten. Dennoch beschloss er, den jungen Mann zu maßregeln, in dem er ihn am Arm festhielt und auf sich aufmerksam machte.

»Es gehört zu den guten Manieren der Terraner sich zu entschuldigen«, sagte Aurec leicht gereizt.

Der Terraner und seine weibliche Begleitung drehten sich um. Aurec schien für einen kurzen Moment in den wundervollen Augen der blonden Frau zu versinken. Für wenige Sekunden trat Unsicherheit in der Haltung des Saggittonen auf, doch er riss sich wieder zusammen und legte eine strenge Miene auf.

»Nun?«

Der Terraner machte einen genervten Eindruck. »Wofür soll ich mich entschuldigen, Alter?«

»Dafür, dass Sie mich angerempelt haben. Ohne Zweifel ein Versehen. Dennoch gebietet es die Höflichkeit, sich zu entschuldigen«, erklärte Aurec.

Sein Gegenüber schüttelte den Kopf und stellte sich provokativ vor den Saggittonen, der sich jedoch nicht einschüchtern ließ.

»Ey, Mann! Ich bin Krizan Bulrich! Und ich entschuldige mich nicht bei dir, okay? Und nun zieh' Leine!«

Seine Freundin schien mit den Worten des rüpelhaften Terraners nicht einverstanden zu sein. Beschämt blickte sie auf den Boden.

»Soll ich ihm eine Lektion erteilen?«, erkundigte sich Irwan Dove ungehalten.

Aurec winkte jedoch ab. »Nein, danke! Mit dem werde ich auch alleine fertig.«

Bulrich stemmte die Arme in die Hüften. Er schien grenzenloses Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten zu haben oder konnte gut bluffen.

»Nun entschuldige dich doch bei ihm. Was ist denn schon dabei?«, drängte seine Freundin.

»Habe ich dich gefragt? Mädchen halten die Klappe, wenn sich erwachsene Männer unterhalten, verstanden?«

Nun wurde Aurec noch ungehaltener.

»Anscheinend besitzen Sie außer schlechten Manieren auch keinen Respekt vor einer Dame«, stellte er fest.

»Oh Mann, jetzt sind wieder alle gegen mich«, stöhnte Bulrich.

»Ist ja auch kein Wunder, wie du dich wieder benimmst, Krizan«, rügte ihn seine Freundin.

»Oh, Aurec! Welche Ehre dich hier bei uns vorzufinden tun«, hörten die Gruppe eine Stimme in falschem Interkosmo sagen. Sie gehörte Reinhard Katschmarek. Hinter ihm kamen Werner Niesewitz, Peter Roehk, Reiko, Dykkar und Ferby Shyko, die den Ehrengast begrüßen wollten.

»Aurec?«, fragte Krizan Bulrich kleinlaut.

Der Saggittone grinste nur und nickte.

Der junge Terraner lief rot an und auch seine Freundin machte einen peinlich berührten Eindruck. Selbst Krizan Bulrich wusste, wer Aurec war.

Bulrich stotterte etwas zusammen, woraus Aurec jedoch nicht sonderlich schlau wurde.

Seine Freundin ergriff das Wort. »Das tut uns sehr leid, Sir, Mister Aurec, Majestät oder wie man Sie nennen soll.«

»Meine Freunde nennen mich Aurec«, entgegnete der Saggittone freundlich.

»Gehöre ich denn zu Ihren Freunden?«, wollte sie wissen.

»Es wäre mir eine Ehre, eine so bezaubernde Dame zu meinen Freunden zählen zu dürfen«, sagte Aurec charmant.

»Übrigens, mein Name ist Anya Guuze.«

Anya lächelte. Ein bezauberndes Lächeln, wie Aurec fand. Sein Herz schlug höher und für einen kleinen Moment schien er all die Sorgen und Probleme vergessen zu haben. Doch ein neues Problem machte gleich auf sich aufmerksam.

»Hey, also das tut mir leid, aber meine Freundin wird in Ruhe gelassen, verstanden?«, meinte Bulrich kleinlaut. »Vielleicht können wir uns ja mal bei einem Gläschen über Gleiter oder so unterhalten? Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen günstig ein neues Gefährt besorgen. Ich kann Ihnen auch ein paar Rentenfonds anbieten...«

»Gewiss nicht«, meinte Aurec und verabschiedete sich von Anya Guuze mit einem Lächeln. Dann wandte er sich, während die beiden in den Antigrav stiegen, den drei Inhabern und den beiden Geschäftsführern der BAMBUS zu.

»Welche Ehre, dass du dich zu uns gesellst. Ach, und auch die Kameraden der TERSAL sind hier. Sehr schön«, fand Werner Niesewitz in einem seltsamen Unterton.

Weder Aurec, noch Andrews oder Wallace trauten diesem kleinen Burschen. Besonders Jonathan Andrews und die Scorbits hatten bereits unangenehme Erfahrungen mit ihm gemacht.

Doch Aurec blieb trotz seiner persönlichen Abneigungen gegen diese drei Terraner höflich und korrekt.

»Vielen Dank, meine Herren. Wir möchten nun zu unseren Quartieren«, erklärte Aurec.

»Natürlich«, entgegnete Roehk und rief zwei Roboter für das Gepäck herbei.

»Wer sind die anderen drei?«, wollte Aurec noch wissen.

»Ferby Shyko«, antwortete der stille, hochgewachsene Terraner selbst. Er musterte Aurec und schien ihn nicht sonderlich zu mögen.

»Das ist einer unsere beiden Geschäftsführer. Ferby Shyko und seine rechte Hand Dykkar. Sie kommen aus der Szene. Der andere ist unser Organisator Reiko«, erklärte Niesewitz.

Nachdem die Roboter Aurecs Gepäck trugen und die anderen stehen ließen, wurde Andrews ungehalten und wandte sich an zwei Sicherheitsleute.

Einer von ihnen, ein muskelbepackte Ertruser mit einem markanten Kinn stellte sich direkt vor Andrews. Provozierend sah er den Orbiter und Anwärter auf den inoffiziellen Ritterstatus an.

»Was?«, fragte Andrews genervt.

»Kannst du Verlierer deinen Koffer nicht alleine tragen?«

»Nicht, solange es einen noch größeren Verlierer, wie du es einer bist, gibt«, konterte Andrews.

Der Ertruser verzog keine Miene, dann fing er plötzlich an zu lachen und schlug Andrews in Freundschaft auf die Schulter.

»Du hast Mut, Kleiner! Ich bin Francy. Wenn du Hilfe brauchst, rufe mich«, sagte er und nahm den Koffer.

Andrews merkte sich den Namen und bedankte sich für das Angebot. Sie machten sich auf den Weg in Richtung Antigravlift.

Bevor sie jedoch dazu kamen, den Antigrav zu betreten, vernahm Aurec eine unangenehme Stimme hinter sich.

»Sucht der Prinz Saggittors ebenfalls Zerstreuung?«

Es war die Stimme Nor'Citels. Aurec drehte sich um.

Nor'Citel grinste überlegen und reichte Aurec die Hand, die der Saggittone zögernd annahm. Er misstraute diesem Corun, der sich quasi aus dem Nichts an die Spitze des Volkes der Pariczaner geschwungen hatte. Es hieß, er sei ein Angestellter von Michael Shorne gewesen. Das war kein guter Leumund.

»Was führt denn den ehrenwerten Corun von Paricza hierher?«, erkundigte sich Aurec interessiert.

»Ich habe die Einladung dieses gesellschaftlichen Ereignisses gerne angenommen und werde mich den Völkern Cartwheels auf diese Art als einen offenen und netten Corun präsentieren. Wie ich sehe, hegen Sie die gleiche Absicht.«

Nor'Citel, alias Leticron, schritt langsam auf Aurec zu. Mit seinen knapp zwei Metern war er eine eindrucksvolle Erscheinung, die Aurec um fast anderthalb Köpfe überragte.

Für einen kurzen Moment herrschte eine gespenstische Stille.

»Dykkar, kümmere dich um Nor'Citel«, brach Ferby die Ruhe, der selbst in die Haupthalle ging, um die letzten Soundchecks von DJ Abfallhaufen zu überwachen.

»Klaro, Ferby. Na, dann komm mal mit, mein Großer«, sagte Dykkar. Dykkar redete den ganzen Weg über und versuchte mit ein paar Bemerkungen über die knapp bekleideten Hostessen Nor'Citel zum Lachen zu bringen.

*

Reinhard Katschmarek, Werner Niesewitz und Peter Roehk führten nun die anderen Ehrengäste in ihre luxuriösen Suiten, wo sie bis zum Abend auch verweilten.

Dann begann die Party des Jahrhunderts.

Langsam versammelten sich die Gäste in den vielen Sälen. Die Ehrengäste wurden natürlich in den Hauptsaal eingeladen. Yan Cruze, zuständig für die Bewirtung der Ehrengäste, hatte ein kaltes Buffet und unzählige Flaschen Sekt für den Empfang vorbereitet.

Vekner torkelte bereits durch den Raum und baggerte jede terranische Frau an. Reiko gab dem Tresenpersonal letzte Instruktionen und Bienya Scolar, die das Sagen über die Barbedienungen hatte, kontrollierte alle Tresen.

DJ Abfallhaufen stand an einem Tresen und trank ein Glas Sekt. Er reckte die Nase in die Höhe und fühlte sich wie ein Star. Ein paar Teenager baten ihn um ein Autogramm von Ferby. Doch Junk schickte sie zornig weg. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand besser oder beliebter war als er.

Peter Roehk betrat den Raum und ging zu einem Podium. Neben ihm Shyko, Dykkar, Reiner Katschmarek und Werner Niesewitz. Das war das Zeichen für den Beginn der Jahrhundertparty.

»Ehrenwerte Gäste«, hallte es durch die Lautsprecher. Es war die Stimme von Peter Roehk, die überall auf der BAMBUS zu hören war. »Es ist soweit! Wir begrüßen euch zur Party des Jahrhunderts auf der BAMBUS. In zwanzig Areas werden euch Discjockeys, sexy Stripperinnen, freundliche Bedienungen, reichlich Alkohol und tolle Musik erwarten.

Des Weiteren stehen euch zehn Ruhezonen und fünf Restaurants zur Verfügung. Für euer Wohl ist also bestens gesorgt.

Deshalb bleibt mir auch nur noch eines zu wünschen übrig: Habt Spaß, kippt euch was gewaltig hinter die Binden, treibt es was das Zeug hält und lasst viel Geld hier zurück!«

Unter dem Jubel der Partygänger beendete Roehk seine Rede. Dann ergriff Ferby Shyko das Wort.

»Grüße an alle BAMBUS-Freaks. Meine Freaks! Ich will nur eines von euch; saufen, rauchen, raven, und poppen wie ein Haluter auf Drangwäsche!«, rief der seltsame Terraner in das Mikrophon.

Die Besucher applaudierten und jubelten ihm zu.

Damit war der Startschuss zu Feier gefallen.

Im Hauptsaal, der für etwa 500 Wesen ausgelegt war, lief die Eröffnungszeremonie an. Die Massen stürmten laut grölend in die einzelnen Räume. Eine ausgelassene Stimmung herrschte schon jetzt.

*

Auch Jonathan Andrews und seine Freundin Marya Jost stürzten sich in das Getümmel. Ihnen folgten Remus und Uthe Scorbit, Anica, Jaquine und Aurec selbst.

Der Saggittone sah sich in der dunklen Halle um. In der Mitte befand sich die Tanzfläche, an der Decke direkt darüber hingen vier Käfige, in denen sehr leicht bekleidete humanoide Frauen tanzten.

Uthe Scorbit empfand dies als Erniedrigung für das weibliche Geschlecht, doch sie gehörte bedauerlicherweise zu den wenigen Menschen, die diese Tatsache aufregte.

Hinter der Tanzfläche stand die Konsole für die Musiker, der Arbeitsplatz der DJs. Von dort aus produzierten sie mit Hilfe diverser Tonträger Musik. Ferby und DJ Abfallhaufen hüpften wild herum und sorgten für Stimmung.

Die Anlage war sehr laut und brachte den gesamten Saal zum Beben.

Auch Reinhard Katschmarek stand hinter dem Pult und trug ein altertümliches Baseball-Cape auf dem Kopf. Er trug es so, dass der Schirm nach hinten zeigte. In lächerlich anmutenden Bewegungen tanzte er zu der Musik und schwenkte dabei seine Bierflasche hin und her.

Aurec fragte sich für einige Sekunden, ob er zu spießig oder schon zu alt für solche Feiern war, da in ihm noch keine rechte Stimmung aufkam. Der Saggittone wusste diese Frage nicht genau zu beantworten.

Aurec war die seltsamen Feiern der Terraner bereits gewöhnt. Lorif jedoch weniger. Der Posbi lief langsam durch den Saal und blieb vor Aurec stehen. Er musterte die jungen Terraner und Galaktiker die wild zu der Technomusik tanzten.

»Poppen wie ein Haluter auf Drangwäsche? Eine inakzeptable und überdies inkorrekte Metapher. Sehr seltsame Feier, Sir.«

»Na ja, typisch galaktisch würde ich sagen«, erwiderte Aurec.

Lorif stimmte dem nicht ganz zu.

»Eher terranisch, Sir«, erklärte er. »Im Laufe der Jahrtausende der menschlichen Evolution hatten sich viele Formen von Zelebrationen angesammelt. Je nach Interesse der Besucher wurde eine dieser Formen gewählt.«

Aurec seufzte innerlich, denn wenn Lorif erst einmal damit begann zu erzählen, wurden es sehr langwierige Analysen.

»Es gab sehr würdevolle und disziplinierte Veranstaltungen, es gab welche, die auf die Betrachter steif wirkten und es gab andere die sehr ausgelassenen praktiziert wurden. Doch auch dabei gab es einen Unterschied zwischen den fröhlich ausgelassenen Feiern und diesen, wo die Terraner einfach nur durchdrehten«, fuhr er fort. »In fast jedem dieser Fälle war jedoch Alkohol und das Werben um einen Partner ein wesentlicher Bestandteil. Ein typischer Ablauf ist, dass die Humanoiden sich betrinken, wie Geisteskranke tanzen, weitertrinken, sich ein Weibchen oder Männchen aussuchen, abermals weitertrinken, um in Stimmung zu sein, wenn sie mit dem Partner den Geschlechtsakt vollführen.«

Aurec blickte den Posbi geistesabwesend an. Zwar hatte Lorif mit seinen Ansichten vollkommen recht, doch irgendwie war Aurec auch nicht danach, sich das jetzt anzuhören. Zudem bereitete die wummernde Musik ihm Kopfschmerzen. Trotzdem lächelte er dem Posbi zu und bedankte sich höflich bei ihm, bevor er zu einem Tresen ging.

*

Jonathan Andrews war überrascht, als er Jezzica Tazum an einem Tresen erblickte.

Die Terranerin schien in ihrer Arbeit aufzugehen. Sie trug ein für sie typisches knappes und enganliegendes Kleid und wirkte traumhaft in Andrews Augen.

Jezzica tanzte rhythmisch zur Musik. Dieser Anblick versetzte Jonathan Andrews in den siebten Himmel. Jedoch nur solange, bis er die feuchten Lippen von Marya an seiner Wange spürte.

»Bestellst du mir jetzt was zu trinken?«, fragte sie mit ihrer hohen Stimme.

»Ja, kleinen Moment«, erwiderte Andrews.

Er wartete, bis Jezzica die anderen Gäste bedient hatte und sich zum ihm umdrehte. Für einen Moment blieb sie still stehen und wirkte sehr überrascht. Dann fing sie sich wieder ihm und schenkte dem Terraner ein warmes Lächeln. Tazum ging zu Andrews und küsste ihn auf die Wange.

Sie wechselte einen flüchtigen, wenig herzlichen Blick mit Marya.

»Was machst du denn hier?«, wollte Jezzica wissen.

»Das wollte ich eigentlich dich fragen? Wir wollen uns hier etwas erholen.«

Jezzica lächelte wieder. Dieses Lächeln ließ Andrews Herz höher schlagen, doch er ließ sich nichts anmerken, denn Marya stand neben ihm und machte keinen glücklichen Eindruck.

Jezzica steckte sich eine Zigarette an und erklärte: »Die bezahlen hier gutes Geld. Hier sind viele Besucher, man lernt neue Typen kennen, gute Musik wird gespielt und ständig ist Party. So stelle ich mir mein Leben vor.«

Jonathan Andrews musste lachen. Wenn Gal'Arn Jezzica gehört hätte, würde der Ritter der Tiefe sicher mit dem Kopf schütteln.

Gal'Arn war pflichtbewusst, stets wachsam und jederzeit bereit für Frieden und Gerechtigkeit zu kämpfen. Der Shagoer hatte stets gemahnt, das Leben nicht als eine einzige Feier anzusehen, sondern Verantwortungsbewusstsein, Toleranz und Weitblick zu zeigen.

Jezzica Tazum schien diesen Weitblick nicht zu haben. Zwar hatte sie sich recht gut auf der TERSAL und auch auf Zechon geschlagen, doch das abenteuerliche Leben mit all seinen Entbehrungen war nichts für sie.

Das war auch der Grund für das frühe Ende der Beziehung zwischen Tazum und Andrews gewesen.

Dennoch waren immer noch Gefühle im Spiel, zumindest bei Jonathan Andrews. Doch der junge Orbiter Gal'Arns ermahnte sich selbst, denn er hatte eine Freundin. Doch seine Gefühle für Marya Jost schwächten sich von Tag zu Tag ab.

Alles sollte sich um sie drehen, Andrews sollte, wenn möglich, jede Minute mit ihr verbringen oder ein Vorzeigehündchen sein, mit dem sie angeben konnte. Das behagte ihm nicht.

Er warf Jezzica wieder einen vielsagenden Blick zu, doch sie bemerkte ihn nicht, da sie damit beschäftigt war, Tabletten zu schlucken.

Aufputschmittel, wusste Andrews. Wofür Tazum schon immer eine Vorliebe gehabt hatte. Außerdem waren Mitarbeiter solcher Clubs und Diskotheken besonders anfällig für Drogen und Aufputschmittel.

*

Remus und Uthe Scorbit standen an einem Tresen und warteten auf die Bedienung. Es war der Tresen von Krizoff, der mit Ottilie Braunhauer auf ihr Wohl anstieß. Der Olymper stand ebenfalls unter Drogen, wie man unschwer erkennen konnte.

Er hüpfte zu der Musik herum und schwenkte heftig mit den Armen. Der Schweiß rann dem aufgedunsenen Kolonisten von der Stirn.

Freundlich begrüßte er Remus Scorbit und gab ihm gleich ein Getränk auf Kosten des Hauses aus. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und Remus fand die offene und freundliche Art des Olympers sehr erfrischend.

Uthe war gelangweilt.

Erst als Jaquine auftauchte, stieg auch Uthes Laune etwas. Remus bestellte sich ein Bier und trank es in einem Zug aus, um anschließend mit Krizoff einen Vurguzz in einem Zug zu trinken. Remus bedauerte, dass sein Zwillingsbruder Jan nicht dabei war. Doch der Chef der geheimnisvollen neuen United Stars Organisation jagte die letzten Anhänger des Pterus Saron.

»Überraschung!«

Uthe musste beinahe brechen.

Henner von Herkner stand vor dem Ehepaar und hob seine rechte Hand zu einem Gruß. Seine Augen leuchteten fanatisch, sein Atem stank nach Alkohol.

»Henner!«, rief Remus freudig.

Die beiden umarmten sich. Dann wandte sich von Herkner zu Uthe und wollte sie umarmen, doch die Terranerin streckte ihm nur die Hand entgegen.

Henner von Herkner hielt sich für unwiderstehlich. Er war der festen Überzeugung, dass Uthe eines Tages auch seinem Charme erlegen würde.

Henner von Herkner tanzte der Musik nach, zumindest versuchte er es.

»Warum bist du hier?«

»Einsatz war ausgefallen. Was wollen wir trinken?«, fragte er überschwänglich und fuchtelte mit den Armen umher.

Remus überlegte einen Moment, dann bestellte er bei Krizoff zwei doppelte Vurguzz.

Nachdem beide in einem Zug das grüne Getränk ausgetrunken hatten, gab von Herkner einen Laut des Wohlschmeckens aus.

»Mehr davon«, meinte er.

Dann legte er seinen Arm um Remus, dessen Laune auch stetig besser wurde.

Uthe sah auf die Tanzfläche.

Anica stand dort und hüpfte in kurzen Intervallen zu der Musik, blieb dann wieder stehen und begann erneut dem Rhythmus der Klänge zu folgen.

Jaquine blickte Uthe an und fächelte sich mit einem BAMBUS-Flyer Luft zu.

»Sieh mal den da«, meinte die Zechonin und deutete auf einen hochgewachsenen Terraner. Er trug weite Hosen, einen schlabberigen Pullover und die Haare standen steil nach oben. Alles in allem machte er auf Uthe Scorbit eher einen abschreckenden Eindruck, doch Jaquine schien er zu gefallen.

Jedoch war sie viel zu schüchtern, um ihn anzusprechen. So entschloss sie sich, ihn noch etwas länger zu beobachten.

Anica kam auch zu den anderen und stellte sich neben Remus Scorbit und Henner von Herkner, die sich inzwischen ein Bier bestellt hatten. Anica sah Remus nur an und lächelte kurz.

»Ich frage mich, wie du zu dieser Musik tanzen kannst«, meinte der Terraner.

»Häh?«, machte sie nur und strahlte ihn weiter an. Anscheinend bekam sie gar nicht mit, was er von ihr wollte. So winkte Scorbit nur ab und widmete sich seinem Bier.

Henner lachte gemein. »Mit dem Feger kann man bestimmt eine heiße Nacht verbringen!«

»Frag sie doch«, erwiderte Remus.

»Das werde ich auch. Dann steche ich mich richtig durch«, brüllte Henner laut.

Mit großem Entsetzen musste Remus allerdings feststellen, dass Karl-Adolf Braunhauer in der Halle war. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schlurfte er zu seiner Frau, die gerade den nächsten Vurguzz leerte.

Dann ereignete sich das, wovor Scorbit sich am meisten gefürchtet hatte. Die Braunhauers hatten ihn bemerkt und gingen auf ihn zu.

»Ach, Herr Schorbus«, begrüßte ihn Ottilie Braunhauer mit lallender Stimme.

Remus sagte nichts.

»Diese blöde Untermenschenmusik! Meine Ohren!«, seufzte Karl-Adolf und fasste sich abwechselnd an Herz, Rücken und Kopf, um demonstrativ zu zeigen, wie schlecht es ihm ging.

»Vatichen geht es ja wieder so schlecht, wissen Sie? Das sieht man ja, nicht? Oder? Nun sagen Sie doch auch mal was!«, forderte Ottilie giftig.

Remus nickte nur.

»Wir machen ja hier den... den, den Posten des Hausmeistermannes. Also, Vatichen macht das und ich unterstütze ihn. Wobei ja noch Böhmchen hier ist, um die wir uns kümmern. Wissen Sie, Böhmchen ist ja eine so gute Freundin von uns, aber so krank«, erklärte die alte Terranerin, ohne dass es Scorbit interessierte. »Kennen Sie eigentlich die Geschichte von Weihnachten mit dem Grünkohl?«

Innerlich schrie Remus Scorbit auf. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, begann sie bereits zu erzählen.

»Wisst ihr, Weihnachten im Jahre 1144 war ja alles ganz anders als heute. Damals lag die Erde ja in Trümmern, wegen diesem, diesem... Stereo oder wie der hieß, oder Monoton oder so in der Art. Na auf jeden Fall hatte Oma Ella damals die Idee, Grünkohl zu Weihnachten zu machen. Das müsst ihr euch mal vorstellen, Grünkohl zu Weihnachten! Also wirklich, Grünkohl zu... zu... na diesem Feiertag eben.«

Uthe bemerkte jetzt auch, dass die beiden alten Terraner anwesend waren. Entsetzt wandte sie sich wieder Jaquine zu. Henner hatte es auch verstanden, sich etwas weiter weg zu setzen, um sich mit Krizoff zu unterhalten.

»Na ja, dann kam die Inge Bohmar – unser Böhmchen, sehr fein angezogen, in diesem Kleid. Ich stand jedoch da in der Küchenschürze, weil Oma Ella ja Grünkohl kochen wollte. Mir war das ja so peinlich, das kann man sich gar nicht vorstellen! So etwas von peinlich!«, erzählte sie ungehemmt weiter, bis sie ihr Mann anstieß.

»Ach Ottilie, ich will jetzt raus hier. Ich kann diese Affenmusik nicht ertragen!«, brüllte Karl-Adolf und legte dabei seine übliche Leidensmine auf.

Ohne sich zu verabschieden, ging das Ehepaar Braunhauer aus der Halle, wobei Ottilie große Probleme hatte, geradeaus zu gehen.

Erschöpft ließ sich Remus auf den Tresen sinken. Aurec kam hinzu und schlug seinem Freund leicht auf die Schulter.

»Zum Glück waren die nicht auf der LONDON I«, sinnierte er mit einem sarkastischen Lächeln, das Remus nur mit einem genervten Kopfschütteln kommentierte und sich diesmal einen Vurguzz-Hyper bestellte. Hyper war ein blaues Energiegetränk, das in Mischung mit Vurguzz sehr gut schmeckte und den derben Geschmack des hochprozentigen Alkohols stark verbesserte.

»Hey, wer ist das denn?«, wollte Henner von Herkner wissen.

»Das ist Aurec. Der Aurec!«, erklärte Remus.

Henner stand stramm und salutierte.

»Es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen, Sir!«, brüllte er. »Mein Name ist Offiziersanwärter Henner von Herkner, 5. Raumschiffabwehrbatterie Mankind, 3. Regiment!«

Aurec reichte ihm die Hand.

»Wir sind hier in der Freizeit, wenn ich dich Henner nennen darf, lassen wir die Förmlichkeiten«, sagte Aurec freundlich.

Henner von Herkner grinste breit und spendierte Aurec und Remus wieder einen Vurguzz-Hyper.

Kathy Scolar kam in dem Moment an den Tresen. Sie wurde von Krizoff mit einem Kuss auf die Wange begrüßt.

Kaum war sie dort, tauchte auch schon Vekner auf, der heillos betrunken war. Er versuchte Kathy zu umarmen. Sie lächelte ihn an.

»Hey, hast du Lust auf eine Nummer in der Kühlkammer?«, lallte er.

Kathy lachte und überlegte kurz, dann lehnte sie das Angebot ab. Sie hatte eher etwas für Krizoff übrig und hoffte.

Dann sah sie Aurec und ihr Herz pochte höher. Da stand der Kanzler Saggittors an ihrem Tresen. Was war, wenn sie etwas aus Versehen falsch machte? Er sah so schick und smart aus. Ein Traummann. Der sich aber bestimmt nicht für eine planlose Tresenbedienung interessierte. Sie nahm ihren Mut zusammen.

»Hi«, sagte sie strahlend und fragte ihn, ob er etwas zu trinken haben wollte. Aurec war von dieser sympathischen Ausstrahlung angetan, lehnte jedoch ab, da er noch ein volles Glas hatte.

Henner von Herkner blickte Kathy tief in die Augen. Jedoch entzückte die Terranerin das Starren von Henners Glubschaugen wenig.

Sie lächelte zwar kurz freundlich, war jedoch schon nach wenigen Augenblicken von den Blicken Herkners genervt.

Er trank schnell seinen Vurguzz aus und bestellte einen neuen.

»Hey, Schnecke. Bring mir noch einen!«, forderte er Kathy auf, die zu Krizoff sah. Der Olymper verstand schnell und servierte Henner den Vurguzz selbst.

Ein Schrei ging durch die Massen, als ein bekanntes Lied gespielt wurde. Die Laserstrahlen wirbelten durch den Raum und Nebelschwaden wurden auf die Tanzfläche geschossen. Die Menschen und Extraterrestrier tanzten freudig durch die Gegend und feierten ausgelassen. Einige allerdings zu ausgelassen, wie Aurec fand.

Die einzigen in dem Raum, die keinerlei Emotionen zeigten, waren die Sicherheitsleute, welche ihre Runden zogen.

Yan Cruze machte kurz am Tresen halt und brachte einen Kübel mit neuem Eis für die Getränke. Dann holte er einen Hamburger aus seiner Tasche und stopfte sich genüsslich das Essen in den Mund.

Reiko hatte das bemerkt und lief zu dem dicken Terraner.

»Friss nicht, arbeite!«, brüllte er.

Cruze zuckte zusammen und lief sofort weiter, um ein paar leere Flaschen einzusammeln.

Aurec blickte sich um und entdeckte zu seiner Freude Anya Guuze, die ihre Hüften zu den Tönen dieses Songs schwang. Aurec blieb bei diesem Anblick beinahe die Spucke weg, denn die terranische Schönheit trug schwarze, kniehohe Stiefel, einen sehr knapp gehaltenen schwarzen Rock und ein bauch- und rückenfreies weißes Top, das ihre graziöse Figur noch mehr hervorhob.

Remus bemerkte, dass der Saggittone auf die junge Terranerin starrte und stieß ihn freundschaftlich an.

»Hey, sind wir etwas verliebt?«

Aurec lächelte verlegen.

»Nein, nicht wirklich«, antwortete er. »Aber sie beeindruckt mich. Irgendetwas geht von ihr aus, was mich fasziniert.«

Er trank schnell aus und bestellte neu. Kathy eilte herbei, um ihn zu bedienen. Auch der Anblick dieser terranischen Schönheit war nicht zu verachten. Aurec grinste frivol und fühlte sich richtig wohl.

Wie aufs Stichwort kam ein Mann zu Anya. Es war ihr Freund Krizan Bulrich der scheinbar ziemlich betrunken war.

Er sah Aurec und grüßte ihn. Wenige Sekunden später setzte er sich in Richtung Saggittone in Bewegung. Anja folgte ihm.

»Anscheinend hat er noch etwas auf dem Herzen, was den vorherigen Vorfall betrifft«, meinte Remus Scorbit.

»Was? Was will der Typ?«, rief Henner laut. Der Alkohol hatte seine Wirkung bei dem Unteroffiziersanwärter nicht verfehlt. »Wenn der Ärger macht, haue ich ihm eins aufs Maul!«

Aurec winkte ab.

»Hey, altes Haus. Na, alles gerade bei dir?«, begann Krizan und reichte Aurec die Hand, die er kurz ergriff. Er warf Anya einen Blick zu und grüßte sie kurz.

»Das ist der große Aurec, Leute!«, schrie Bulrich durch den Saal.

Er warf dabei einen kurzen Blick auf Kathy Scolar, die das Gespräch mitverfolgt hatte. Der Saggittone hätte jetzt gerne gewusst, was sie dachte. Gehörte sie auch zu dieser Sorte Frauen oder war sie, wie es Aurec bevorzugte, eine Dame?

Aurec beschloss zu gehen. Als er sich umdrehte, stand jedoch Nor'Citel direkt hinter ihm. Für einen kurzen Moment schreckte der Saggittone hoch.

Der Überschwere hingegen lächelte kühl.

Für eine Weile blickten sich die beiden Männer an, niemand wollte dieses Duell verlieren, aber Aurec war doch der erste, der verlegen woanders hinsah. Er misstraute diesem Überschweren. Etwas Geheimnisvolles und ebenso gefährliches ging von ihm aus.

»Siddus!«, rief Anya Guuze und lief zu ihm.

Nor'Citel alias Leticron drehte sich verdutzt um und erkannte die junge Terranerin, die einst in Siddus Schulklasse gewesen war.

»Was willst du?«, herrschte er sie an.

Anya erschrak, überwand jedoch die anfängliche Angst und entgegnete barsch: »Entschuldige, wenn ich dich begrüßen wollte, du Penner!«

Aurec hob verwundert die Augenbraue.

»Ihr kennt euch?«, wollte er wissen.

»Flüchtig. Aus einem anderen Leben, ehrenwerter Aurec, Sie wissen ja wie das ist. Überall um einen herum befindet sich ekliges Gewürm, das am Ruhm teilhaben möchte.«

Anya Guuze kochte innerlich, doch viel konnte sie nicht ausrichten. Sie hatte die Szenen von der damaligen Party, als sich Siddus seltsame Wandlung vollzogen hatte, gut in Erinnerung.

Dieses Verhalten hatte zum damaligen Zeitpunkt nicht zu dem Siddus gepasst, den sie kennengelernt hatte. Doch er hatte sich verändert.

Nor'Citel wandte sich von der Terranerin ab und sprach zu Aurec: »Genießen Sie diese Feier. Die Zeit läuft ab. Das fühle ich.«

Bevor Aurec etwas erwidern konnte, verließ Leticron die Halle. Verdutzt blickte der Saggittone ihm hinterher.

Anya sah Aurec vielsagend an. Ihr Schmollmund lud geradezu zu einem Kuss ein, doch der Prinz Saggittors wusste sich zu beherrschen.

Vielmehr interessierte ihn im Moment, was Anya Guuze über Nor'Citel wusste. So fragte er die hinreißende Terranerin.

»Er ging früher in unsere Berufsschulklasse«, berichtete sie. »Ebenso wie ich und die anderen hatte er Bürokommunikation studiert. Damals war er bei SHORNE INDUSTRY angestellt und galt als ein sehr ehrgeiziger Schüler.«

Aurec hatte Mühe, Anya bei dem Lärm zu verstehen. Doch es gab auf dem Schiff kaum ein ruhiges Eck.

»Man sieht ihm seinen Ehrgeiz an«, meinte Aurec.

Anya schüttelte den Kopf. »Früher war er allerdings nicht so. Im Gegenteil. Er war eigentlich ein absolutes Weichei. Er traute sich kaum, mich anzusprechen oder sich gegen meinen Freund oder andere durchzusetzen, wenn sie ihn ärgerten.«

Aurec sah sie ungläubig an.

»Das klingt nicht nach Nor'Citel.«

»Bis zu seiner seltsamen Wandlung vor gut zwei Jahren. Wir waren auf einer Party, da drehte er plötzlich durch. Er berührte mich unsittlich, verletzte meinen Freund und sprach wirres Zeug« erklärte sie weiter.

»Was für wirres Zeug?«, wollte Aurec wissen.

Sie gab zu, dass sie ihm nicht richtig zugehört hatte, wies den Saggittonen jedoch darauf hin, dass eine Klassenkameradin namens Neve Prometh näheres wüsste.

Zu Aurecs Erleichterung war auch sie an Bord der BAMBUS. Aurec verabschiedete sich schweren Herzens von Anya, die sich wieder ihrem betrunkenen Freund widmete und beschloss mehr über Siddus alias Nor'Citel in Erfahrung zu bringen.

*

Mathew Wallace saß am Tresen von Jezzica Tazum und schaute ihr bei der Arbeit zu. Sein Freund Jonathan war mit seiner Freundin beschäftigt und Lorif und Dove konnte er nirgends ausfindig machen.

So saß er alleine dort und musste wieder an Saraah denken.

Vielleicht hätte ich sie doch nach Dorgon begleiten sollen.

Yasmin Weydner und ihre Freundin Ivon Abrinsky unterbrachen den Schotten in seinen Gedankengängen.

»Hey«, machte Yasmin höflich und umarmte Wallace, dem das sehr gefiel. In den letzten Wochen, seit Yasmin Weydner in Cartwheel war, hatten sich die beiden sehr gut verstanden.

»Na, wie geht es meinen beiden neuen Freundinnen?«, fragte Wallace strahlend. Seine depressive Phase war von einer Sekunde zur anderen verloschen.

»Gut«, antworteten beide synchron und begannen zu lachen.

Wallace bestellte drei kleine Vurguzz und stieß mit den beiden jungen Terranerinnen an.

Wallace legte seinen Arm um Yasmin und sah ihr tief in die Augen. »Hast du eigentlich einen Freund?«

Diese Anmache kam ihm selbst etwas dumm vor, doch ihm viel nichts anderes ein. Zu seiner Freude kam ein »Nein« als Antwort.

Wieder strahlte Wallace. »Würdest du dann vielleicht einem Weltraumabenteurer wie mir eine Chance geben?«

»Nein.«

»Nein?«

»Nein!«

»Nein...«

Wallace sank für einen kurzen Moment in sich zusammen. Was hatte er wohl falsch gemacht? War er zu plump herangegangen?

Yasmin lächelte verständnisvoll und erklärte ihm, dass sie im Moment ungebunden sein wollte.

Trotzdem bot sie Mathew eine enge Freundschaft an, die er natürlich nicht ablehnte. Der Space-Jet-Kommandant seufzte laut und drehte sich um. Da viel ihm gleich Jaquine auf. Vielleicht der nächste Versuch? Zu seinem Bedauern kam jedoch ein junger Terraner hinzu. Er trug weite Hosen, einen schlabberigen Pullover, gestylte Haare und etliche Piercings in der Nase, am Mund, an den Ohren und an der Stirn.

Der Terraner umarmte Jaquine und küsste sie innig. Wallace sehnte er sich nach seiner Saraah zurück – besonders in tatenlosen Zeiten. Wenn er eine Aufgabe hatte, dann wusste er sich zu beschäftigen und hatte ein Ziel, doch in seiner Freizeit war er schrecklich einsam.

*

Der Kapitän saß gelangweilt in seinem Kommandosessel und schlurfte ein Glas Vurguzz. Nichts passierte. Die Systeme des Schiffes funktionierten einwandfrei und auch die Route war gut gewählt.

Plötzlich bekam er via Interkom die Anweisung von Niesewitz, den Kurs zu ändern. Die neuen Koordinaten lagen außerhalb von Cartwheel und der Ertruser wunderte sich, doch Niesewitz war der Chef.

So befolgte Ervos Wilbur die Befehle seines Chefs und steuerte die BAMBUS zu den befohlenen Koordinaten, die sie 472.000 Lichtjahre außerhalb Cartwheels, irgendwo ins Nichts führten.

*

Bienya Scolar war unzufrieden mit der Arbeit des Tresenservice. Ihrer Ansicht nach arbeitete er zu langsam und zu uneffektiv. Sie rief Reiko herbei.

Der Plophoser verzog keine Miene und hörte Bienya zu, als sie sich beschwerte: »Ich brauche Nachschub und die blöden Säcke kommen nicht hinterher.«

Reiko rief Cruze herbei. Der dicke Terraner rannte zum Tresen und wollte wissen, was los sei.

»Was ist wohl los? Deine Jungs arbeiten zu langsam«, meckerte die ältere der Scolar-Schwestern ungehalten.

»Hast du mal gesehen, was hier los ist? Wir kommen nicht hinterher. Vielleicht solltest du auch nicht für alle fünf Tage gleich bestellen«, warf Cruze mutig entgegen.

Bienya wurde sauer.

»Friss weniger, dann kannst du auch schneller laufen!«

Cruze wollte etwas entgegnen, doch Reiko mischte sich ein. »Sorge dafür, dass sie Nachschub bekommt, sonst fliegt ihr alle!«

Cruze bebte innerlich, doch natürlich stimmte er Reiko zu. Er verneigte sich und ließ seinen Frust an den anderen Tresenserviceleuten aus.

Leticron marschierte zu dem Tresen und musterte Reiko abfällig. Der Plophoser wagte es nicht, etwas zu sagen, da er keinesfalls den Corun von Paricza beleidigen wollte. Stattdessen verließ er den Tresen und wechselte zu dem von Jezzica Tazum und seiner Freundin Haggy.

»Was soll's sein?«, wollte Bienya wissen.

Leticron musterte auch sie. Er grinste leicht, dann bestellte er ein pariczanisches Getränk.

»Das haben wir hier nicht«, entgegnete Bienya und wandte sich anderen Gästen zu. Sie hatte keinerlei Respekt vor den Ehrengästen.

Leticron packte sie am Arm und zog sie zu sich. Er sah ihr tief in die Augen und schüchterte dadurch die Terranerin bereits ein.

»Dann einen terranischen Vurguzz, Barfrau!«

Bienya riss sich los und goss Leticron ein Glas Vurguzz ein. Sie warf ihm einen bösen Blick zu, der jedoch den Corun von Paricza wenig beeindruckte.

Stattdessen blickte er auf das Chronometer. Sein Plan hatte die erste Phase erreicht.

*

Uthe und Remus hatten sich in ein Restaurant gesetzt. Dort wollten sie versuchen, etwas abzuschalten, was jedoch schwer war, da auch in diesem Etablissement überlaute Musik gespielt wurde.

Das Ehepaar genoss es, eine Weile ungestört zu sein.

»Ich hole mir etwas zu essen«, sagte Uthe und stand auf.

Remus schrak zusammen, als die Braunhauers mit einer älteren Frau auf den Tisch zusteuerten.

Die Terranerin hatte dunkelblonde filzige Haare, ein aufgedunsenes Gesicht und viele Leberflecken auf der Haut. Ihre Augen waren seltsam. Sie starrten ins Leere.

»Ach, da ist ja Herr Scheunemann«, begann Ottilie freudig und schwankte langsam zum Tisch. Sie hauchte Remus an und der Atem stank widerlich nach Vurguzz und anderen alkoholischen Getränken.

Karl-Adolf setzte sich direkt neben Remus, wo vorher Uthe gesessen hatte. Die unbekannte Frau platzierte sich neben Ottilie und saß Karl-Adolf gegenüber.

»Das ist Böhmchen«, erklärte Ottilie.

»Aus! Sei ruhig!«, schrie Inge Bohmar auf und deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden.

Irritiert hob Remus die Tischdecke hoch und blickte auf den Boden, doch da war nichts.

»Bandit! Hör' endlich auf zu bellen. Du machst ja noch die ganzen Gäste sauer«, brüllte sie durch den Speissaal, so dass sich einige Leute in der Tat umdrehten und gestört fühlten.

Remus starrte sie verwirrt an.

»Mit wem reden Sie?«, wollte er wissen.

»Mit meinem Hund, junger Mann! Mit wem sonst?«

Remus nickte und lächelte schwach.

Die nächste Irre, dachte er.

Doch es kam noch schlimmer. Plötzlich fing Inge Bohmar, die Cousine von Karl-Adolf Braunhauer, an zu kichern. Dann streichelte sie über die Stuhllehne ihres leeren Nebenstuhls und umarmte ihn.

Remus hielt für einen Moment den Atem an, denn das glaubte er nun wirklich nicht. Sie spitzte ihre Lippen und küsste in die Luft. Ein inniger und leidenschaftlicher Kuss!

»Ach, mein kleiner Werner!«, kicherte sie und gab der Luft noch einmal einen Schmatzer. Fragend blickte Remus zu Karl-Adolf, der jedoch apathisch neben ihm saß und ins Leere starrte.

»Aber Ingechen, Werner ist doch schon seit zwanzig Jahren tot«, erzählte nun Ottilie. »Und Bandit ist seit fünfzehn Jahren tot.«

Nun verstand Scorbit langsam. Die Frau hatte einen imaginären Ehemann und Hund. Anscheinend war Geisteskrankheit eine Voraussetzung für die Familie der Braunhauers.

Inge Bohmar schien den letzten Satz von Ottilie Braunhauer überhört zu haben. Jedenfalls schimpfte sie weiter mit Bandit.

Zu Remus Erleichterung kam Uthe mit einem Salatteller in der rechten und einem Glas Wasser in der linken Hand wieder zurück. Unmerklich verdrehte sie die Augen, als sie die drei Gestalten sah, grüßte sie jedoch freundlich.

»Herr Braunhauer? Das war mein Platz. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie sich vielleicht neben ihre Frau oder die andere Person dort setzen würden?«

Karl-Adolf nickte leicht und stand auf. Er wirkte in letzter Zeit sehr erschöpft und geistesabwesend. Gut, das war er früher auch, jedoch jetzt noch viel schlimmer. Langsam schlurfte er zum Tischkopf.

Uthe stellte ihren Teller und ihr Getränk ab und setzte sich hin.

»Das Flittchen soll aufhören, Werner so anzugaffen, sonst schlitze ich ihre Kehle durch«, drohte Bohmar der Scorbit.

Uthe bebte innerlich.

»Das finde ich nicht witzig«, stellte sie zähneknirschend fest.

»Ach, nun stellen Sie sich nicht so an, junges Fräulein!« meckerte Ottilie Braunhauer giftig. »Böhmchen kann ja auch nichts dafür. Sie sollen eben woanders hin gucken! Seien Sie nicht so furchtbar egoistisch.«

Uthe warf ihr einen vielsagenden Blick zu, nahm den Salat und warf ihn Ottilie in Gesicht. Danach drehte sie sich um und verließ den Raum.

Remus lief ihr hinterher, zurück blieben die drei seltsamen Gestalten. Ottilie nahm einen kräftigen Schluck aus dem Wasserglas, um den Schock erst einmal zu überwinden, danach fing sie an zu schreien und stellte sich somit wieder in den Mittelpunkt.

Karl-Adolf Braunhauer ermahnte seine Frau, endlich ruhig zu sein, leider nur mit wenig Erfolg. Er hielt sich die Ohren zu und rief, dass er am liebsten gleich sterben würde.

Nur Inge Bohmar sah den Scorbits mit einem eiskalten Blick hinterher.

*

Aurec suchte Neve Prometh. Eine Aufgabe, die nicht sonderlich leicht zu bewerkstelligen war, angesichts der knapp 5.000 Passagiere, die ausgelassen in jeder Ecke des Raumers feierten. Aurec hatte Mühe, sich an den teilweise rücksichtslos tanzenden Wesen vorbeizuschieben.

Anya Guuze folgte ihm zusammen mit ihrem Freund Krizan. Sie war letztlich diejenige, die Neve ausfindig machte und Aurec vorstellte. Der Saggittone war auch von dieser Terranerin recht angetan.

Die Erde musste gute Jahre gehabt haben, als diese drei Frauen zur Welt kamen, dachte sich der Kanzler von Saggittor in Anspielung auf Anya Guuze, Neve Prometh sowie Kathy Scolar und lächelte charmant der brünetten Terranerin zu.

Als er jedoch an den Grund des Gesprächs denken musste, wurde er wieder von einem Moment zum anderen völlig ernst.

Er bat Neve Prometh, ihn in seine Kabine zu begleiten, wo er mehr über Siddus in Erfahrung bringen wollte. Zuerst zögerte die Terranerin, dann beschloss sie Aurec zu vertrauen und folgte ihm.

Kaum in der Kabine angekommen, musste Aurec erst einmal durchatmen und für einige Sekunden die Ruhe genießen. Er bot Neve Prometh einen Platz und etwas zu trinken an. Beides schlug sie nicht aus.

»Anya Guuze erzählte mir, dass Sie mehr über Siddus wissen«, begann Aurec ruhig aber zielstrebig.

»Viel weiß ich nicht über ihn«, erklärte Neve zu Aurecs Bedauern. »Ich kam sehr spät in diese Klasse. Zu der Zeit war Siddus ein sympathischer, aber sehr ängstlicher und verstörter Überschwerer. Das änderte sich jedoch schlagartig an einem Abend.«

Die letzten Worte sprach sie fast schon flüsternd.

Nun wurde Aurec hellhörig. »Berichten Sie mir von diesem Ereignis! Siddus ist Nor'Citel, der Anführer der Pariczaner in Cartwheel. Die Schilderungen von Siddus, die ich von Ihnen und Anya Guuze bekam, passen nicht zu dem selbstbewussten und starken Nor'Citel. Etwas muss vorgefallen sein, was ihn völlig veränderte. Anya meinte, Sie hätten eine Erklärung.«

Die beiden blickten sich tief in die Augen. Aurec empfand Neves Augen als sehr schön, aber ebenso unergründlich und geheimnisvoll. Er konnte diese Terranerin nicht richtig einschätzen. Einerseits faszinierte ihn das, auf der anderen Seite beunruhigte ihn diese Tatsache auch ein wenig.

Neve lächelte schwach. Mehr ein Ausdruck von Verlegenheit, als von Freude. In der Tat hatte sie bemerkt, dass sich Siddus während der Feier damals abnormal verhalten hatte, doch weiter waren ihre Beobachtungen auch nicht gegangen.

»Er verhielt sich anfangs normal, war zurückhaltend, schüchtern und wirkte irgendwie weltfremd. Dann hatte Anya Guuze eine ziemlich gemeine Bemerkung gemacht und Siddus lief weinend weg. Als er wiederkam, war er völlig verändert«, versuchte sich die junge Terranerin zu erinnern.

»Weiter«, forderte sie Aurec auf.

»Er wurde aggressiv, küsste Anya und berührte ihre Brüste.«

Aurec zog eine Augenbraue hoch. Neve ließ diese Regung unkommentiert und fuhr fort: »Dann verprügelte er Krizan Bulrich und wetterte gegen Perry Rhodan, was aber keinen auf der Party sonderlich zu interessieren schien.«

»Was hat er genau über Perry gesagt?«, wollte Aurec wissen. Er spürte, dass eine Gefahr von Nor'Citel ausging. Ebenfalls fühlte er, dass er der Lösung ein ganzes Stück näher gerückt war.

Neve Prometh konnte sich noch genau an die Worte Siddus erinnern, die er über Perry Rhodan sprach: »Soso, der große Perry Rhodan ist immer noch der Held des Universums und seiner Menschheit. Eines Tages wird jemand kommen, der Rhodan vor euren Augen zerbrechen wird! Das verspreche ich dir!«

Aurec blickte Neve mit versteinerter Miene an.

»Dann fragte ich, ob das ein Wunschtraum sei, doch er meinte, es wäre die Zukunft. Das war alles, was er gesagt hat.«

Für eine Weile herrschte Stille. Nor'Citel hatte es auf Rhodan abgesehen. Aber wieso?

Aurec wusste noch nicht so viel über die Pariczaner. Sie waren umweltangepaßte Mehandor, die schon oft für Unruhe gesorgt hatten. Schon in den Anfängen der Dritten Macht hatten sich die Terraner mit ihnen bekriegt. Über eintausend Jahre später waren Leticron und Maylpancer als Handlanger der Laren ein Inbegriff für Schrecken in der Milchstraße gewesen. Dann waren die Überschweren gemäßigter geworden.

Erst die wahnsinnige Paylaczer hatte die Überschweren wieder negativ ins Rampenlicht gestellt, als sie sich mit den linguidischen Friedensstiftern verbündet hatte und Rhodan das Leben schwer machte. Danach waren alle Überschweren aus der Milchstraße verbannt worden. Es hatte allerdings auch Ausnahmen gegeben – jene, die eben nicht auf der Welt Paricza gelebt hatten. Jedenfalls waren die Überschweren danach in der Bedeutungslosigkeit verfallen.

Nor'Citel hatte das schlagartig geändert.

*

Auf der BAMBUS gab es weder Tag noch Nacht. Rund um die Uhr waren die Tanzsäle, Restaurants, Spielhallen und Kneipen geöffnet.

Das Raumschiff und die an Bord befindlichen 5000 Passagiere hatten inzwischen knapp 37 Stunden »Party« hinter sich.

Aurec hatte sich zu einem kleinen Nickerchen hingelegt und auch die Scorbits hatten es vorgezogen, sich etwas auszuruhen.

In einigen Restaurants servierte man tatsächlich Frühstück. Remus hatte den Saggittonen gebeten, mit ihm und seiner Frau zu frühstücken.

Aurec hatte nichts dagegen und war sogar angenehm überrascht. Ein ruhiges Essen bei Brötchen, Ei und Tee würde ihm ganz gut tun.

Auch Henner von Herkner war anwesend. Er hing jedoch wie ein nasser Sack über dem Tisch und versuchte seine Innereien bei sich zu behalten.

»Was hast du eigentlich den ganzen Abend über gemacht, Aurec?«, wollte Remus Scorbit wissen.

»Oh, ich habe mich ein wenig über Nor'Citel erkundigt...«

Uthe und Remus blickten den Saggittonen fragend an, der mit einem silbernen Löffel die Eischale auf hämmerte.

»Die Informationen, die ich über Nor'Citel herausbekommen habe, waren äußerst aufschlussreich, aber auch sehr beunruhigend. Dieser Mann könnte eine große Gefahr werden«, erzählte der Prinz Saggittors weiter.

Kathy Scolar kam auch in die Cafeteria. Sie wurde von ihrer Schwester Bienya, ihrem Chef Ferby, dessen rechter Hand Dykkar und DJ Abfallhaufen begleitet.

Das Gespann setzte sich an denselben Tisch.

»Hey, Aurec, alles im Lot? Lachen Sie doch mal und haben etwas Spaß«, meinte Dykkar neckisch. Der Terraner hatte ein sehr loses Mundwerk.

»Wissen Sie, Dykkar. Selbst wenn alle anderen Feiern, muss ich arbeiten«, erklärte Aurec und wechselte einen flüchtigen Blick mit Kathy, die ihn anlächelte, doch seltsam abwesend wirkte.

Ihre Schwester Bienya machte einen weniger freundlichen Eindruck. Sie tuschelte etwas mit Ferby.

»Alle meine BAMBUS-Freaks müssen Party machen, auch hohe BAMBUS-Freaks«, meinte Ferby mit dem Ansatz eines Lächelns.

Aurec räusperte sich.

»Ich bezeichne mich nicht als Freak. Dieses Privileg überlasse ich Ihnen.«

Das Lächeln auf Ferbys Lippen erstarb. Er ließ jedoch Aurecs verbale Attacke unkommentiert und widmete sich lieber seinem Frühstück.

»Ein Krach ist das hier!«, hörte Aurec eine Stimme hinter sich laut brüllen. Sie gehörte niemand anderes als Karl-Adolf Braunhauer, der herrisch durch die Cafeteria lief, gefolgt von seiner hörigen Frau Ottilie und seiner Cousine Inge Bohmar, die ihren imaginären Hund an der Leine führte.

Braunhauer war gelb im Gesicht und an den Händen, was auf eine alte terranische Krankheit, der Hepatitis, zurückzuführen war. Eine sehr ungewöhnliche und seltene Krankheit in diesem Jahrhundert der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, doch Karl-Adolf Braunhauer war nicht mehr der Jüngste und im Alter konnten seltsame Krankheiten auftauchen.

Während Ottilie nach den ID-Karten suchte, herrschte Karl-Adolf zwei Jugendliche an, die verschwitzt und tanzend aus einem Saal kamen, um sich zu erfrischen. Braunhauer rief Vel-Ali und Franczy, die die beiden sehr schnell einschüchterte.

Keiner von beiden bemerkte Aurec oder die Scorbits. Nur Inge Bohmar warf Uthe einen bösen Blick zu und ging zu dem Tisch, an dem die drei saßen. Die gestörte Frau trug einen dicken Pelzmantel, eine Federboa, schwarze Handschuhe, die ihr bis zu den Ellenbogen reichten und hielt in der rechten Hand eine Leine, die schlaff zum Boden herunterhing.

Remus musste sich ein Lachen verkneifen, als er diese lächerliche Frau vor sich sah, die ihn jedoch gar nicht beachtete. Stattdessen stützte sie sich auf dem Tisch ab und beugte sich zu Uthe Scorbit.

»Ich weiß genau, was Sie wollen«, flüsterte sie leise.

Uthe blickte in ihre Augen, in der die geistige Verwirrtheit stand.

»Sie wollen meinen Mann Werner! Doch das wird Ihnen nicht gelingen, Sie dreckige Schlampe!«

Die Stimme von Inge überschlug sich und die übrigen Gäste der Cafeteria verstummten und blickten zum Tisch der Scorbits und Aurecs.

Kathy Scolar fühlte mit Uthe mit. Sie hatte vor wenigen Tagen schmerzhaft miterleben müssen, wie wahnsinnig diese Frau war, als Inge Bohmar glaubte, Kathy hätte ihren imaginären Mann Werner verführt. Die junge Terranerin hoffte, dass Bohmar sie nicht bemerkte.

»Sind Sie völlig hirnlos?«, fragte Uthe nur geschockt. »Ich bin glücklich mit Remus verheiratet und will bestimmt nicht Ihren Werner.«

Doch Inge glaubte ihr nicht.

»Sollten Sie sich noch einmal an Werner heranmachen, töte ich Sie!«, versprach sie eiskalt und ohne Skrupel.

Uthe erschrak, als sie in die dunklen Augen von Inge Bohmar sah, denn sie wusste, dass die Bohmar es ernst meinte.

Inge verließ den Tisch und zog ihren imaginären Hund Bandit hinterher. Bienya Scolar und DJ Abfallhaufen schienen sich sehr über diese Aktion zu freuen. Beide grinsten breit.

»Ich werde gleich nachher mit dem Arzt sprechen. Die Frau gehört in Quarantäne«, erklärte Aurec und wollte Scorbit beruhigen.

Uthe blickte ihr noch eine Weile nach. Es fröstelte ihr leicht angesichts dieser Drohung.

 

 

 

2. Party, Party, Party

Werner Niesewitz und Reini Katschmarek saßen zusammen mit Peter Roehk, Darvos und Reiko an ihrem Lieblingstresen. An diesem arbeitete Jezzica Tazum. Unterstützt wurde sie von der Freundin Reikos, Haggy, und dem Olymper Krizoff.

Ferby H und DJ Abfallhaufen standen wieder hinter dem DJ-Pult und sorgten für die laute Musik.

Auch Jonathan Andrews saß an dem Tresen und beobachtete Jezzica Tazum bei der Arbeit. Zu seiner Erleichterung hatte er seit einigen Stunden nichts mehr von seiner Freundin Marya Jost gesehen. Er war ganz froh über die kurze Erholungsphase, da sie furchtbar neidisch und eifersüchtig auf Jezzica reagierte.

Die beiden Deutschen und ihr neuer Freund Peter schunkelten und sangen ein uraltes Trinklied.

Krizoff tanzte zur Musik von DJ Abfallhaufen, der die Boxen der Musikanlage bis zum Äußersten reizte. Haggy arbeitete gewissenhaft, während Reiko, der Personalchef des BAMBUS, mürrisch am Tresen stand und sein Vurguzz trank.

Ein Mitarbeiter kam vorbei und machte eine Zigarettenpause. Reiko riss ihm die Zigarette aus dem Mund und warf sie auf den Boden.

»Du blöder Arsch, mach sofort, dass du wieder an die Arbeit kommst!«, herrschte er ihn an.

Verängstigt lief der junge Ferrone sofort zum nächsten Tresen und sammelte leere Gläser und Flaschen ein.

Reini und Werner lachten herzlich. »Dem hast du es aber gezeigt, Reiko!«, lobten sie ihren Mitarbeiter, der jetzt auch einmal grinste.

»Kotzbrocken«, flüsterte Jonathan Andrews Jezzica zu, die leicht nickte.

Sie beugte sich zu ihm.

»Sie sind alle Kotzbrocken. Katschmarek, Roehk, Niesewitz und Reiko sind eine gefährliche Mischung. Denen sollte man sich besser nicht in den Weg stellen«, flüsterte sie ihm zu.

Andrews Gerechtigkeitssinn und Stolz waren jedoch wie immer größer als seine Vernunft. Er wollte diesen Typen eine Lektion erteilen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kam Marya an und küsste ihn leidenschaftlich auf die Lippen. Jezzica wandte sich angeekelt ab und unterhielt sich mit Krizoff.

»Wo sind eigentlich unsere Ehrengäste?«, wollte Werner wissen.

»Wen tust du meinen?«, fragte Reini.

»Nor'Citel und Aurec«, antwortete Werner Niesewitz knapp und trank noch einen Vurguzz.

»Keine Ahnung. Ich glaube Aurec ist mit diesen Scorbits unterwegs. Nor'Citel habe ich nicht gesehen«, erklärte Peter Roehk.

»He, Werner«, rief Haggy. »Der Kapitän will dich sprechen.«

Sie reichte das Interkomgerät an den alten Hamburger weiter.

»Was wollen Sie?«

Wilbur machte einen gelangweilten Eindruck und kratzte sich am Kinn. »Wir sind jetzt 500.000 Lichtjahre von Cartwheel entfernt, wie Sie befohlen haben. Was nun?«

»Bist du besoffen, du Penner? Ich habe nichts befohlen«, meckerte Niesewitz den Kommandanten der BAMBUS an.

»Ich bin doch von Ihnen benachrichtigt worden, Sir. Wenn nicht Sie mir den Befehl erteilt haben, wer dann?«

Während Werner Niesewitz weiter mit dem Kommandanten darüber diskutierte, wollten Reini und Peter ihre Ehrengäste einmal durch den Hauptsaal führen.

In diesem Moment waren nur Jonathan Andrews und Nor'Citel anwesend. Roehk bat die beiden, sich ihm anzuschließen.

Krizoff folgte ihnen. Der untersetzte Olymper tanzte freudig durch die Gegend und lächelte Andrews an.

»Na, wie gefällt dir die Feier?«

»Recht gut, tolle Stimmung hier«, antwortete der Orbiter Gal'Arns ehrlich.

»Woher kennst du denn Jezzica?«, wollte Krizoff neugierig wissen.

Andrews hatte nichts dagegen, es dem freundlichen und sympathischen Kolonisten zu erzählen.

»Ich unterbreche nur zu gern diese stumpfsinnige Unterhaltung, doch frage ich mich, warum Gal'Arn nicht hier ist?«, unterbrach Leticron das Gespräch.

»He, wir unterhalten uns«, konterte Krizoff.

Leticron warf ihm einen vernichtenden Blick zu, der den Tresenmann sofort einschüchterte. Krizoff beschloss wieder zu seinem Tresen zu gehen.

Andrews antwortete: »Gal'Arn macht sich nichts aus diesen Feiern, deshalb ist er nicht hier.«

Nun wandte sich Peter Roehk an die beiden, als sie das DJ-Pult erreicht hatten.

»Wir haben fünf Tresen hier. Der eine wird von Jezzica bedient, wie du sicherlich mitbekommen hast, Jonathan. Die anderen von Krizoff, Bienya, ihrer jüngeren Schwester Kathy und dem smarten Stony, der die Cocktails mischt«, erklärte Peter Roehk und zeigte auf die jeweiligen Tresen.

Sie gingen direkt zu den DJs.

Abfallhaufen schwenkte seine Flasche Bier umher und schlug auf sein altertümliches CD-Laufwerk. Dadurch gab es immer wieder einen Sprung. Was in Leticrons Ohren grausam anzuhören war, nannte sich Springbeat und war eine absolut neue Musikrichtung, die bei der Jugend ankam.

Ferby begrüßte die beiden Ehrengäste mit einem Kopfnicken. Jonathan Andrews konnte er nicht sonderlich leiden, doch vor Nor'Citel hatte er Respekt.

»Das hier ist die Lichtanlage. Sonden und Laser, die eine tolle Show bieten«, erklärte Ferby stolz.

»Darf ich mal ran?«, erkundigte sich Andrews.

Ferby hatte nichts dagegen und der junge Terraner spielte etwas an den Lichteinstellungen herum und versuchte synchron zur Musik die Laser einzusetzen. Es machte ihm Spaß und war eine angenehme Abwechslung.

Ferby nickte wohlwollend.

»So gut bekommen das nicht mal Profis hin. Aber das macht uns jetzt nicht zu Freunden«, meinte Ferby.

Andrews nickte schwach. Er hatte sich so etwas schon gedacht.

»Diese kosmischen Ereignisse am Musikpulk haben mich durstig gemacht, gehen wir zur Theke«, sagte der sarkastische Leticron gelangweilt. Er blickte auf sein Chronometer.

Der Countdown lief...

Am Tresen angekommen, bestellte Leticron einen Vurguzz und leerte das Glas in einem Zug. Für einen Pariczaner war ein Glas Vurguzz leicht zu verdauen. Die Luft war stickig, geschwängert mit Rauch, Ausdünstungen, Parfüm und vermutlich jeder Menge Pheromonen. Leticron ließ den Blick über die zuckenden Partygänger schweifen. Zur ewig monoton donnerten Musik schwangen die Frauen ihre Hüften, griffen sich an ihre Brüste, die ohnehin schon aus ihrem eng anliegenden Klamotten zu springen drohten. Mann küsste Mann, Frau küsste Frau, Jülziisch küsste Kartanin. Leticron verachtete diese achtlose Gesellschaft. Unbeschwert feierten sie, als gäbe es keinen Morgen. Und damit hatten einige von ihnen sogar recht.

Bienya Scolar blickte Reini verächtlich an. Doch sie musste freundlich zu dem Deutschen sein, er zahlte schließlich ihr Gehalt.

Leticron war diese besonders unsympathische terranische Schlampe bereits zuvor aufgefallen.

»Du, Terranerin«, begann Leticron unhöflich.

»Was?«, entgegnete die kühle Blonde ebenso unfreundlich.

»Macht dir diese Aufgabe Spaß?«

»Ja, ist eine tolle Party«, erklärte sie und tanzte zu der Musik.

Leticron lächelte abfällig.

»Soso, ich dachte die Terraner würden lieber durch das Universum reisen, fremde Völker kennenlernen und die galaktische Feuerwehr spielen.«

Bienya verstand nicht so recht, was er meinte. Leticron blickte wieder auf seinen Chronometer. Es war Zeit, dass er sich in seine Kabine zurückzog.

»Entschuldigt mich. Ich bin müde und möchte mich vor dem großen Höhepunkt etwas ausruhen«, verabschiedete er sich.

Andrews, Roehk und Katschmarek gingen wieder zu Jezzica Tazums Tresen, während Leticron sich noch einmal an Bienya wandte.

»Leb wohl, Terranerin. Genieße dein Leben, solange du es noch kannst.«

Mit diesen Worten verließ er den Saal. Beinahe hätte er noch Kathy umgestoßen, die kurz mit ihrer Schwester reden wollte. Leticron blieb vor der eingeschüchterten Scolar stehen.

»Diesmal werde ich mich nicht auf deinem Tresen entleeren.«

»Du erinnerst dich? Ich sage niemand etwas«, meinte Scolar aufgeregt.

Leticron schmunzelte, dann wurde er ernst.

»Du hast keine Geschichten zum erzählen, denn du bist völlig bedeutungslos, Frau! Und nun: Aus dem Weg!«

Kathy Scolar schritt hastig zur Seite. Leticron drängte sich an den Menschenmassen vorbei und schubste einige unsanft zur Seite. Kathy blickte dem Pariczaner noch eine Weile hinterher, dann wandte sie sich an Bienya.

»Was wollte der denn?«, fragte sie nach.

»Ich weiß es nicht genau«, erklärte Bienya verunsichert. Nor´Citel war ihr unheimlich.

Kathy winkte ab. »Hast du was für mich bekommen?«

Bienya verstand zunächst nicht, doch dann nickte sie. »Ja klar, hier!«

Kathy nahm das Drogenstäbchen, drückte es sich an den Oberarm und betätigte den Injektionsknopf. Sie atmete tief durch. Das Herz pochte wild, der Kopf schwirrte. Dann verwandelte sich der Druck in ein wohliges Gefühl der Glückseligkeit. Sie spürte den Energieschub und drückte ihrer Schwester einen Kuss auf die Wange. Mit einem schrillen Jubelschrei tänzelte Kathy zurück zu ihrem Arbeitsplatz.

Das Faktotum Vekner war auch an diesem Abend betrunken. Er hockte an Bienyas Tresen, die sich immer noch über Nor'Citel aufregte. Sie war so wütend, dass sie Kathy gleich wieder zurück rief.

»Übernimm du mal. Ich brauche eine Pause. Dieser Überschwere hat mich echt aufgeregt.«

»Make love and not war«, kommentierte Kathy wenig geistreich.

Bienya verzog das Gesicht.

»Schätzchen, du sollst nicht zu viel von dem Zeug nehmen. Wenn Ferby oder Dykkar sehen, dass du bekifft bist, fliegst du raus oder musst ein paar Stunden im Escort arbeiten. Werd' wieder klar im Kopf!«

Bienya injizierte ihrer Schwester ein Gegenmittel. Dann verließ sie den Tresen.

Vekner starrte Kathy Scolar wieder an und rechnete sich immer noch Chancen aus. In dem Moment kamen Sylke Stabum und Sonya Morrat hinzu.

Morrat machte sich sofort an Vekner heran.

»Hey, Großer. Ist alles an dir so gewaltig?«

Vekner grinste.

»Soll ich es dir zeigen?«

»Ja!« Sonya Morrat freute sich, wieder einen Mann zu spüren. Sie küsste ihn leidenschaftlich und steckte ihre Zunge tief in seinen Mund.

Dann verließen sie engumschlungen die Halle. Sylke brauchte auch nicht lange, um sich einen neuen Mann zu angeln.

*

Derweil lief Bienya durch die Korridore und begegnete Leticron. Der Corun von Paricza betrachtete sie abfällig und stellte sich ihr in den Weg.

»Du versperrst mir den Weg«, bemerkte Bienya ungehalten.

»Dann gehe um mich herum«, forderte Leticron sie auf, doch die Terranerin erwiderte seine Bemerkung mit einer schallenden Ohrfeige.

Leticron wurde wütend und zog sie in eine leere Kabine. Dort warf er sie gegen die Wand. Bienya schrie laut auf und meckerte herum.

»Willst du mich bestrafen, oder was? Na los, ich war ein böses Miststück«, keifte Bienya.

Leticron war für einen kurzen Moment irritiert. Wollte diese Terranern sich jetzt mit ihm paaren? Das konnte nur ein schlechter Witz sein. Aber gut, er war reich und berühmt und manche Frauen standen auf schlechte Behandlung durch Prominenz. Doch Leticron dachte nicht daran, sich mit der Frau zu vereinigen. Sie nervte ihn nur an.

»Das schlimmste an dir ist dein loses Mundwerk«, erklärte Leticron.

Er zog die attraktive Terranerin an sich heran und fuhr mit seiner Zunge über ihre Lippen. Sie stöhnte erregt. Leticron lachte.

»Dieser Mangel an Selbstachtung ist beschämend. Wird Zeit, dass du endlich das Maul hältst!«

Er setzte seine Psi-Fähigkeit der Metabio-Gruppierung ein und verschmolz die beiden Lippen Bienya Scolars. Die Terranerin gab Laute des Schmerzes vor sich, doch wo vor einer Minute noch ihr Mund war, war nun eine zusammengeschmolzene Fleischmasse.

Tränenüberströmt lief die Terranerin aus dem Raum. Leticron verfolgte dieses Schauspiel mit Genugtuung. Wieder blickte er auf den Chronometer.

Nur noch wenige Minuten...

 

3. Liebe und Tod

Sonya Morrat torkelte völlig betrunken durch den Korridor. Sie wurde von Vekner gestützt. Plötzlich blieben beide in einer dunklen Ecke stehen und küssten sich wild.

»Diese Ecke ist dunkel und genau richtig für uns«, flüsterte Vekner.

Sie riss ihm das Hemd vom Körper und öffnete seine Hose. Im Gegenzug fuhr er mit seinen Händen unter ihre Bluse und massierte ihre Brüste. Sonya gab einen Laut der Wollust von sich.

Heißkalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Langsam öffnete Vekner ihre Bluse und entblößte ihre Brüste, die er mit der Zunge berührte. Er nuckelte an ihren erhärteten Brustwarzen und massierte sie zwischen dem Schritt.

Sonya klammerte sich fest an den Körper des Mannes und genoss jede einzelne Sekunde.

Sie küssten sich leidenschaftlich. Dann fuhr sie mit ihrer Zunge seine Brust hinunter bis zu seinen Genitalien. Vekner gab einen Laut der Lust von sich, während Sonya Morrat ihn befriedigte.

Dann riss er ihre Hose herunter und küsste ihren Intimbereich. Mit seinen Händen massierte er ihre Brüste und brachte Sonya in Ektase.

Er packte sie am Po und hob sie etwas hoch. Dann drang er in sie ein und schraubte ihre Gefühle mit heftigen Stößen höher.

Lustvoll schrie sie auf und presste ihre Schenkel um seine Hüften. Die Beine umschlagen seine Leiste und drückten seinen Körper fest an den ihren.

Schweiß rann über ihre Stirn und ihren Körper. Seine Brust berührte ihre harten Brustwarzen und gab ihr ein stimulierendes Gefühl. Sonya Morrat schrie laut auf und forderte ihn auf, heftiger zu stoßen.

Da spürte sie auf einmal nichts mehr. Ihr Partner erschlaffte, sein Kopf lag regungslos auf ihrer Schulter.

»Na toll! Dass ihr blöden Männer nicht abwarten könnt, bis wir Frauen fertig sind«, meckerte sie und wollte ihn wegstoßen.

Da erst bemerkte sie, dass sie blutverschmiert war. Doch es war nicht ihr Blut, sondern Vekners. Aus seinem Mund floss die rote Flüssigkeit auf ihren Körper. Schreiend stieß sie ihn zurück. Der Tote taumelte nach hinten und sackte in sich zusammen.

Nun sah Sonya den Mörder. Er stand mit einer großen Axt vor ihr und blickte ihr in die Augen. Die schwarzen Augen des grünhäutigen Wesens drangen durch sie hindurch. Sein 60 Zentimeter langes Horn blitzte im Schein der Lampen auf.

Sonya wagte nicht zu atmen, nicht zu schreien. Sie stand regungslos da und blickte dem Monster in die schwarzen Augen. Speichel rann aus den Lefzen des halb geöffneten Mauls. Dolchscharfe Eckzähne blitzten hervor. Der Gehörnte gab ein Knurren von sich.

Er hob die Axt, schwang sie durch die Luft und schlug der Terranerin ein Bein ab. Jetzt schrie Sonya laut auf. Sie bekam keine Luft mehr als sie ihr abgetrenntes Glied neben sich liegen sah. Ihr Blut spritzte überall hin. Es schien endlos gegen die Wand und gegen den Angreifer zu schießen.

Das Ungetüm hatte noch nicht genug. Mit seinem langen Horn stieß es in ihre Bauchdecke. Blut spritzte aus ihrem Leib und quoll aus dem Mund hervor.

Sonya schrie, dass es endlich vorbei sein sollte. Doch das Wesen kannte kein Erbarmen. Der Dscherro donnerte Sonya mehrmals gegen die Wand. Dann zog er sein Horn aus ihrem Torso.

Sonya sank blutverschmiert zu Boden, die Gedärme hingen aus der Bauchdecke. Der Dscherro schwang die Axt und spaltete mit einem Hieb ihren Schädel.

Da stand das grüne, 1,60 Meter große Wesen blutverschmiert auf und schrie wild: »Koscha Dscherro, Koscha!«

*

Wenige Momente vorher

Kapitän Ervos Wilbur ließ auf Befehl von Werner Niesewitz sofort das Schiff stoppen und blieb im Leerraum zwischen Cartwheel und den nächstgelegenen unbekannten Galaxien liegen.

Ein seltsames Gefühl beschlich den Kommandanten der BAMBUS. Zur Sicherheit wies er seinen Dritten Offizier an, einen Ortungsscan in einem Umkreis von 10 Lichtjahren durchzuführen. Der müde wirkende Topsider kratzte sich am Gesäß, nahm einen kräftigen Schluck Vurguzz, spuckte einen Teil des Getränkes auf den Boden und rülpste danach. Erst danach befolgte er den Befehl seines Kapitäns.

Es dauerte nicht lange, dann hatte er das gesamte Terrain abgetastet. Das Echsenwesen schob sich eine Zigarre zwischen die Zähne und brummelte: »Nichts besonderes, Zehn Schiffe sind etwa eine Million Kilometer von uns entfernt.«

»Was?«, brüllte Wilbur. Er rannte zu der Konsole, um sich selbst davon zu überzeugen. Zuerst verspürte er Erleichterung, als er die Schiffstypen sah. Der Syntron identifizierte sie eindeutig als Dscherro-Raumer.

Doch was machten diese Schiffe hier? Irgendetwas stimmte mit ihnen nicht, denn so weit von Cartwheel entfernt, hatte sich in den wenigen Monaten kein Schiff herausgetraut. Ein Gefühl von Angst überkam den Ertruser. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Die Dscherroschiffe näherten sich der BAMBUS.

Dann informierte er Werner Niesewitz über die Dscherro-Raumer.

»Fragen Sie die Dscherro, was sie so weit von Cartwheel entfernt machen. Aktivieren Sie den Schutzschirm und kehren Sie zu Ihrer ursprünglichen Route zurück«, befahl Niesewitz, der sichtlich ungehalten über die ganze Aktion war.

»Das wird noch ein Nachspiel haben, Wilbur!« drohte der kleine Terraner und beendete die Interkomverbindung.

Die Dscherro nahmen als erste Funkverbindung auf. Das Gesicht von Taka Kudon höchstpersönlich erschien auf dem großen Monitor der Kommandozentrale.

»Seid gegrüßt, Cartwheeler«, begann er ausgesprochen höflich.

»Ich bin Ervos Wilbur, Kommandant des Vergnügungsraumer BAMBUS. Wir... wir haben uns verirrt und wollen wissen, was ihr hier macht?«

Der Taka lachte schallend. »Wir sind hier, um euch zu töten!«

»Was?«

Wilbur wies seinen ersten Offizier an, sofort den Schutzschirm zu aktivieren, da wurde auch schon wie von Geisterhand der Transmitter aktiviert und vier Dscherro materialisierten in der Kommandozentrale. Sie machten kurzen Prozess mit der Besatzung und töteten sie schnell und erbarmungslos.

Nur Wilbur wehrte sich. Der kräftige Ertruser konnte einen Dscherro niederringen und brach ihm das Genick. Jedoch konnte er sich nicht lange über diesen Sieg erfreuen, denn der nächste Dscherro rammte Wilbur sein Horn in den Magen. Schnell zog er es wieder heraus und warf Wilbur zur Seite. Dann stieß der Grünhäutige mit einem lauten Schrei seine Krallen in den Hals des Ertrusers, der verzweifelt um sein Leben gekämpft, jedoch verloren hatte.

Als die Kraft aus den Armen von Wilbur wich und er schon längst tot war, schnaubte der Dscherro immer noch heftig und hatte die Krallen in der Halsschlagader seines Opfers gebohrt. Die dunklen Augen starrten auf die Leiche. Der Dscherro konnte sich von diesem Anblick nicht losreißen. Erst als ihn einer seiner Artgenossen darauf aufmerksam machte, ließ er ab.

»Vendor! Der Taka kommt«, ermahnte ihn ein Soldat.

Der junge Dscherro riss die Krallen aus dem Hals des Leblosen und salutierte vor Taka Kudon, der gerade durch den Transmitter kam.

Ohne eine Miene zu verziehen, musterte er die Leichen und seine Leute. Ein zufriedenes Lächeln huschte für wenige Hundertstelsekunden über seine Lippen, dann wandte er sich seinem Stellvertreter zu.

»Machmor, sorge dafür, dass das Schiff schnell übernommen wird. Zuerst der Hangar, damit unsere Fähren landen können, dann die Wachen ausschalten und zuletzt die Passagiere gefangen nehmen«, befahl er.

Unverzüglich machte sich der dicke Machmor auf den Weg.

Vendor begleitete ihn auf dem Weg zum Hangar. Dabei entdeckte er in einer dunklen Ecke zwei Terraner, die über sich herfielen und den Geschlechtsakt vollführten. Vendor überkam wieder ein Rausch und er stach den männlichen Terraner nieder. Das Weibchen murmelte erst etwas, schrie dann auf, als sie den Tod ihres Geliebten bemerkte. Ihr Atem stockte, als sie Vendor erblickte.

Der Dscherro genoss diesen Moment. Er hatte ihr Leben in der Hand, konnte sie töten, wann immer er wollte. Das war Macht! Sie hoffte, dass er sie verschonen würde. Fast amüsierte Vendor dieser Gedanke, dann spürte er, wie seine Adern dicker wurden, der Blutrausch ihn wieder überkam. Heißkalte Schauer jagten über seinen Rücken, dann schlug er ihr mit einem lauten Schrei ein Bein ab. Er genoss diesen Augenblick so sehr!

Doch sie lebte noch. Er rammte sein Horn in ihren Magen, doch sie atmete noch immer.

Sie musste so sehr leiden, dachte sich Vendor und erfreute sich dieser Tatsache. Dann schlug er ihr mit einem lauten Gebrüll seine Axt in ihren Kopf.

Jetzt war sie tot. Er hatte ein Leben vernichtet, er besaß Macht!

»Koscha Dscherro, Koscha!«, rief er berauscht.

Machmor riss ihn aus seiner Ektase.

»Reiß dich zusammen, junger Dscherro! Wir haben einen Auftrag!«, erinnerte er Vendor.

Machmor legte, genauso wie Taka Kudon, Wert auf Disziplin.

Die 20 Dscherro stürmten den Hangar und konnten das überraschte Wartungspersonal mühelos überwältigen. Wieder wurden keine Gefangenen gemacht. Fünf Galaktiker fanden den Tod, kein Dscherro verlor das eigene.

Dann öffneten sich die Schotts und neun Fähren landeten auf der BAMBUS. Je einhundert Dscherro pro Fähre, bis an die Zähne bewaffnet und zu allem entschlossen, stürmten aus dem Hangar, doch Machmor hielt sie für einen Moment zurück.

»Dscherro! Heute ist ein großer Tag, denn wir werden diesen arroganten und überheblichen Galaktikern zeigen, dass die Dscherro ein stolzes Kämpfervolk sind, die niemand besiegen kann«, rief er.

Anschließend brüllten die knapp tausend Gehörnten »Koscha Dscherro, Koscha« und marschierten los.

Ihre ersten Ziele waren die Tanzsäle.

 

 

*

»Partyalarm!«, brüllte ein jugendlicher Terraner durch die Gegend. Er war am ganzen Körper gepierct, trug weiße Handschuhe und einen leuchtendes Gebiss. Der Terraner hoppelte wie wild vor einem Notausgang und schrie den Text der elektronischen Musik.

Aurec lief ohne Begleitung durch den großen Saal und stellte sich an einen Tresen. Er musterte seine Gegenüber. Zwei Akonen mit nacktem Oberkörper unterhielten sich über ihre jüngsten Eroberungen, womit sie zwei Dorgoninnen meinten, die auf der Tanzfläche standen. Die Bedienung an diesem Tresen war Kathy. Sie lächelte Aurec freundlich an, als sie ihm nach seinem Wunschgetränk fragte.

Er bestellte einen Vurguzz-Cola und gab der hübschen Brünetten reichlich Trinkgeld. An einem anderen Tresen entdeckte er Jonathan Andrews, seine Freundin Marya, Niesewitz und die anderen.

Aurec beobachtete Kathy. Die Terraner waren schon ein seltsames Volk, dachte er bei sich. Sie waren so unterschiedlich in ihrem Benehmen und doch wieder gleich. Dieses Volk war ein einziger Widerspruch und doch folgten sie einer bestimmten Linie, die dem Wohle aller diente.

Stony und DJ Abfallhaufen kamen zum Tresen. Einer der Tresen-Service Leute rempelte dabei aus Versehen die Freundin von Zchmitt an. Sofort packte Abfallhaufen seinen Untergebenen.

»Du Penner hast meine Freundin angestoßen«, rief er aggressiv.

Der blonde Terraner mit der modischen Brille entschuldigte sich sofort, doch das war Abfallhaufen nicht genug. Er musste sich wieder in Szene setzen und allen zeigen, was für ein toller Kerl er doch war.

»Davon kriege ich so einen dicken Hals, mein Junge. Das nächste Mal fliegst du, und zwar aus der Schleuse!«, brüllte der kleine Terraner herum.

Der Tresen-Service nickte hastig und ging eilig davon.

Aurec schüttelte nur angewidert den Kopf. Er wandte sich zu Stony, der Kathy am Tresen etwas unterstützen sollte.

»Dieser DJ Abfallhaufen sorgt bestimmt für ein schlechtes Betriebsklima«, meinte der Saggittone sarkastisch.

Stony sah ihn verwundert an.

»Er ist in Ordnung. Manchmal vielleicht etwas exzentrisch, doch alles in allem ist Khrizan ein guter Kumpel und ein klasse DJ«, erklärte Stony.

Aurec nickte nur schwach und ließ diesen Satz unkommentiert. Stony verließ wieder den Tresen, um zu seinen eigenen zu gehen.

Auch Abfallhaufen musste wieder an die Arbeit. Dabei traf er auf Reiko und schilderte ihm die Sache von dem Tresen-Service.

Reiko griff sich den Terraner und schrie ihn vor aller Augen an.

Aurec wäre am liebsten zu diesem widerwärtigen Plophoser gegangen und hätte ihm einen Kinnhaken verpasst, doch das war wohl etwas unter der Würde eines Regenten.

Das Resultat war ein weinender junger Terraner, der gerade herausgeworfen wurde. Er bat Reiko förmlich auf Knien den Posten zu behalten, doch der bärtige Organisator ließ ihn von einer Security-Wache hinausschaffen.

Aurec wechselte einen kurzen Blick mit Kathy und schüttelte den Kopf. Er fand diese Party, wie auch das ganze Schiff, wenig anziehend.

Dann wurde er auf einen schreienden Terraner aufmerksam, der wie wild herumsprang. Der Schweiß rann ihm von der Stirn. Er fasste sich mit beiden Händen an den Schädel, so als ob er Kopfschmerzen hätte, doch das gehörte wohl zum Tanz.

Die Augen starrten ins Leere und das starre Lächeln deutete darauf hin, dass er nicht Herr seiner Sinne war.

An dem muss wohl die Evolution vorbeigegangen sein, dachte sich Aurec mit einem Schmunzeln.

Da brach die Tür plötzlich mit einem lauten Knall auf und die Musik verstummte unverzüglich. Der junge Terraner wurde von der aufspringenden Metalltür zerquetscht.

Energieblitze zischten durch den Raum, die Wesen fingen an zu schreien als sie die grünhäutigen Dscherro sahen, die brüllend durch den Saal rannten und wild in die Menge schossen.

Aurec sprang sofort hinter den Tresen und stieß Kathy zu Boden, womit er ihr das Leben rettete, denn ein Energiestrahl schlug dort ein, wo sie vorher gestanden hatten und durchtrennte eine Säule des Tresendaches.

»Hast du eine Waffe hier?«, wollte Aurec wissen.

»Was?«, fragte sie irritiert.

Er schüttelte mit dem Kopf. Wo waren die Sicherheitsmänner von Darvos? Einer rannte schreiend zum Ausgang, kam jedoch nicht weit, da ein Dscherro ihm seine Axt in den Rücken warf.

Bienya rannte zum Tresen. Sie stand unter Schock. Ihr Mund war zugewachsen. Ein Energiestrahl traf sie ins Gesicht, bevor sie ihre Schwester erreichen konnte. Bienya brach zusammen und blieb regungslos auf den Boden liegen.

Kathy begann zu schreien und zu weinen. Der Saggittone versuchte sie zu beruhigen, jedoch war er ebenfalls bemüht, irgendwoher eine Waffe zu organisieren.

Er robbte zum Ende des Tresens und packte Bienyas Hand. Er spürte keinen Puls. Sie war tot!

Am Tresen von Jezzica brach auch das Chaos aus. Dutzende von Energiesalven durchsiebten den Tresen.

Jezzica sprang geistesgegenwärtig rüber und suchte hinter einer Wand Deckung. Andrews packte Marya und warf sie zu Boden. Vor ihm lief einer der Sicherheitsbeamten, der seinen Schlagstock zog und auf einen Dscherro einprügelte. Der Ertruser gewann das Duell, wurde jedoch von drei anderen Dscherros regelrecht zerhackt.

Andrews zog derweil die Energiewaffe des toten Dscherros und schoss die anderen drei nieder.

»Lasst mich leben! Ich bin unschuldig!«, schrie Krizoff laut. Tränen liefen ihm über das Gesicht.

Jonathan Andrews packte ihn am Arm und zog ihn zu Jezzica, die zusammen mit Marya hinter der Wand Deckung gefunden hatte.

Auch Niesewitz, Katschmarek und Roehk verschanzten sich dort und flehten um ihr Leben. Roehk schrie laut und schrill, solange, bis es Jezzica reichte und die resolute Terranerin ihn einfach niederschlug.

Reiko rannte zu den anderen. Er packte Haggy und wollte sie mitziehen. Plötzlich tauchte ein Dscherro auf und schoss. Geistesgegenwärtig und nur auf sein eigenes Leben bedacht, zog Reiko seine Freundin Haggy zu sich, so dass sie die tödliche Salve abbekam. Sie brach leblos zusammen und Reiko rettete sich, indem er sich hinter einer Wand versteckte.

Innerhalb weniger Minuten hatten die Dscherro knapp vierzig Wesen grausam getötet und den Rest zusammengetrieben.

Einige Wachen leisteten noch Widerstand und auch einige Passagiere versuchten sich mit bloßen Fäusten gegen die Dscherro zu erwehren, doch die meisten waren wie paralysiert und standen unter Schock.

Vel-Ali wurde von zwei Dscherro niedergestochen. Franczy wollte ihm zu Hilfe eilen und überwältigte die beiden Gehörnten. Jede Hilfe kam jedoch für Vel-Ali zu spät.

Aurec hatte sich immer noch hinter dem Tresen verschanzt und versuchte die Terranerin Kathy zu beruhigen, die einen Schock erlitten hatte.

Einer der Sicherheitsleute fiel über den Tresen, krachte auf den Tisch mit den Getränken und blieb regungslos liegen. Kathy schrie auf, jedoch ging dieser Schrei in der Masse unter. Aurec entdeckte sofort den Nadlerstrahler und bewaffnete sich. Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren, packte er Kathy an der Hand und rannte aus dem Tresen.

Zwei Dscherro, die auf ihn feuern wollten, wurden von Aurec niedergeschossen. Es bot sich ihm ein Bild des Schreckens, als er sah, wie Hunderte von Wesen verzweifelt versuchten, sich gegen die brutalen Aggressoren zu wehren.

Der Saggittone versuchte angestrengt zu Jonathan Andrews zu gelangen, der sich mit ein paar anderen Leuten hinter einer Treppe verschanzt hatte. Auch Yan Cruze gehörte dazu. Er saß wimmernd in einer Ecke und hielt sich die Ohren zu.

Darvos kämpfte kurz vor Andrews mit einem Dscherro und konnte ihn erledigen, dann sprang er in Deckung und kroch auf Andrews zu.

Aurec und Kathy liefen zu ihnen hin, dabei wurde die Terranerin am Oberschenkel getroffen. Schreiend fiel sie zu Boden und ließ Aurecs Hand los. Sofort drehte sich der Saggittone um und blickte einem Dscherro in die Augen, der Aurec hart mit seiner Faust traf.

Andrews konnte nicht schießen, ohne zu riskieren, Aurec zu treffen.

»Darvos, hilf ihm!«, forderte der Orbiter Gal'Arns den grimmigen Anführer der Sicherheitsleute auf.

»Ich bin doch nicht blöd!«, schnauzte der ihn an.

»Verdammt!«, rief Andrews und versuchte auf den Dscherro zu zielen. Er schoss, traf dabei jedoch beinahe Aurec. Andrews verwünschte diese Aktion und überlegte weiter, wie er dem Saggittonen helfen konnte.

Kathy robbte langsam zu den anderen, jedoch stand sie immer noch unter Schock und schien nicht recht zu wissen, wo sie hin wollte. Jezzica beschloss, ihrer Freundin zu helfen und lief aus der sicheren Deckung. Die Dscherro bemerkten sie in dem Tumult nicht und so schnell sie konnte, rannte sie zu ihrer Freundin und Kollegin.

»Komm schnell!«

Im nächsten Moment sah sie die Faust eines Dscherro auf sie zu schnellen. Sie traf sie auf die Brust. Keuchend flog Tazum zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen.

Andrews war unterdessen zusammen mit Darvos und Krizoff damit beschäftigt, zwei Dscherro aus ihrem Versteck zu locken.

Marya beobachtete das Szenario um Jezzica und Kathy. Sie hielt einen Strahler in der Hand und hätte jederzeit den Dscherro erschießen oder paralysieren können. Doch sie unternahm nichts.

Gelassen und kalt sah sie zu, wie der Gehörnte auf Jezzica Tazum eintrat. Ein Lächeln huschte über die Lippen von Andrews Freundin, denn eine ungeliebte Rivalin wurde gerade ausgeschaltet.

Aurec hatte keine Chance mehr gegen den Dscherro und sank in die Knie. Der Gehörnte hob seine Axt und setzte zum tödlichen Schlag gegen den Saggittonen an.

Aurec schloss mit dem Leben ab!

*

Das Ungetüm nahm eine Axt und wollte Aurecs Kopf abschlagen, doch ein Energiestrahl trennte seine Hand ab. Ein zweiter Strahl traf den Dscherro in die Brust.

Aurec blickte sich verwundert um und erkannte Lorif, Wallace und Dove. Der Schuss kam von dem Schotten und hatte dem Saggittonen das Leben gerettet.

Dove reagierte blitzschnell und nahm den zweiten Dscherro in den Würgegriff. Wallace, Aurec und Lorif kümmerten sich um die beiden schwer mitgenommenen Frauen und trugen sie zu dem Versteck.

Jezzica blutete aus dem Mund und am Kopf. Geschockt lief Andrews zu ihr und streichelte behutsam ihr Haar.

Entsetzt und den Tränen nahe blickte er Aurec an. Jezzica war bewusstlos und atmete nur schwach.

Marya ging zu ihrem Freund und umarmte ihn. Sie konnte es nicht sehen, dass er sich um Jezzica sorgte. Andrews schob Marya jedoch behutsam weg und kümmerte sich weiter um Jezzica Tazum.

»Lorif, kümmere dich um die Verletzten!«, befahl Aurec.

Es hatte keinen Sinn mehr. Die Gruppe war zurückgetrieben worden und konnte gegen die bewaffneten Dscherro nichts ausrichten.

Langsam wurde es ruhiger in dem Saal. Man gab den Widerstand auf. Sie hatten eingesehen, dass sie chancenlos waren.

»Wir geben auf«, sprach Aurec mit gebrochener Stimme und warf die Waffe weg.

Andrews und die anderen überlegten kurz, dann taten sie es ihm gleich.

Das Licht erhellte sich und blendete zuerst in den Augen der meisten. Rauch stieg auf. Die Dscherro hatten die Passagiere in den Sälen zusammengetrieben.

*

Eine Kolonne Dscherro jagte durch die BAMBUS und durchsuchte jedes Zimmer. Auch Vendor leitete eine Gruppe. Er stürmte in das Zimmer der Scorbits, schlug Remus nieder und ließ beide sofort aus dem Zimmer zerren.

Remus und Uthe wussten gar nicht, wie ihnen geschah, da waren sie bereits im Hauptsaal und wurden zu den anderen gebracht.

Remus war benommen und hatte für einen kurzen Moment die Orientierung verloren. Uthe versuchte mit einem Taschentuch seine Kopfwunde provisorisch zu verbinden.

Sie drehte sich um und sah Anica und Jaquine. Uthe fiel ein Stein vom Herzen. Sie umarmte die beiden Zechoninnen, die völlig verstört waren. Beide weinten und standen unter einem Schock. Jaquines Freund Nikto war auch da. Er zitterte am ganzen Körper und war bleich im Gesicht.

»Alles in Ordnung?«, wollte Uthe besorgt von ihm wissen.

»Kümmere dich um deinen eigenen Dreck«, herrschte Nikto sie an.

Vendor kam zurück in den Saal und brachte etwa fünfzig weitere Galaktiker. Darunter waren auch Yasmin Weydner, Ivon Abrinsky, Inge Bohmar und die Braunhauers. Zu Remus und Uthes Erleichterung wurden die Braunhauers mit ihrer seltsamen Freundin, die immer wieder nach Werner schrie, in den gegenüberliegenden Teil des Saales gebracht.

Vendor stieß einige Leute zur Seite und schob sich so durch die Menge. Sein Blick fiel auf Jaquine, die ihn seiner Ansicht nach seltsam ansah.

Er packte sie an ihren Haaren und drückte ihr Gesicht an seine Brust.

»Du minderwertiges terranisches Häufchen Elend. Ich könnte dich jetzt ersticken«, flüsterte er. Schaum und Speichel rannen ihm aus dem Mund und tropften zum Teil auch auf Jaquines Kopf.

Uthe hielt den Atem an und sah entsetzt dem Schauspiel zu. Nikto zitterte noch immer und hüpfte von einer Seite zur anderen. Unfreiwillig machte er Vendor so auf sich aufmerksam, der Jaquine von sich stieß. Die Zechonin landete in Uthes Armen und weinte bitterlich.

»Was hampelst du hier herum, Milchstraßenabfall?«

»Ich brauche Stoff, Mann!«

Schweiß lief Nikto von der Stirn und er biss sich solange auf die Lippen, bis sie anfingen zu bluten.

Vendor verstand nicht. Er entblößte seine Zähne und fauchte wie ein Gorilla. Entsetzt wich Nikto zurück, doch auch hinter ihm stand ein Dscherro.

»Ich brauche Drogen, Alter.«

Jetzt verstand der Dscherro. Er hielt für einen Moment inne, dann grinste er breit und machte Nikto Platz.

»Hole es dir. Los, lauf los und suche dir deinen Stoff«, bot der Dscherro dem Terraner an.

Nikto wusste nicht, was er sagen sollte. Der Dscherro hinter ihm, stieß ihn an, doch Nikto stolperte über seine eigenen Beine und fiel zu Boden.

Langsam rappelte er sich auf und lief los. Zuerst zögerlich, dann immer schneller, bis er zum Schluss aus dem Saal rannte.

Vendor lachte diabolisch, gab zwei Dscherro ein Zeichen, dann liefen alle drei los und jagten den Terraner. Jaquine bat Uthe um Hilfe, doch Scorbit konnte nichts mehr für Nikto tun.

Die Dscherro hetzten ihn, solange bis er entkräftet zusammenbrach. Dann stopften sie ihn mit Medikamenten und Drogen voll, bis er daran erstickte.

Uthe verwünschte diese brutalen Bestien.

»Achtung!«, schrie ein anderer Dscherro und selbst Vendor nahm Haltung an.

Machmor und Taka Kudon betraten den Saal.

Vendor trat vor und erstattete Bericht.

»Wir haben jeden Raum durchsucht und die etwa 5.000 restlichen Geiseln in sieben Hallen untergebracht. 215 haben wir während des Kampfes getötet, 85 Verletzte haben wir nach dem Kampf in den Konverter geworfen«, erklärte er so laut, dass jeder es verstehen konnte. »Die BAMBUS ist in unserer Hand, großer Taka!«

Jonathan Andrews interessierte sich wenig für die Reden der Dscherro. Er kümmerte sich rührend um Jezzica Tazum, die inzwischen auch wieder bei Bewusstsein war. Die Terranerin hatte sich einige Rippen gebrochen und etliche Prellungen zugezogen.

»Hat es geklappt?«, fragte sie mit schwacher Stimme.

»Ja. Kathy hat zwar einen gegrillten Oberschenkel und einen schweren Schock, sonst geht es ihr aber gut«, flüsterte Jonathan mit einem leichten Lächeln.

Er wollte Jezzica aufheitern, was ihm auch für einen Moment lang gelang, jedoch war die Situation zu Ernst, um darüber Scherze zu machen. Das wusste Andrews nur zu genau und in diesem Moment wünschte er sich, dass Gal'Arn bei ihm wäre.

Aurec hörte den Dscherro genau zu. Er hatte bereits herausgefunden, dass der besonders brutale Gehörnte Vendor hieß. Sein Vorgesetzter Machmor und Taka Kudon selbst kannte er bereits von vielen politischen Treffen.

Nun hatten die Dscherro also ihr wahres Gesicht gezeigt und waren nicht das arg gebeutelte Volk, das um Wiedergutmachung kämpfte, sondern die grausamen Plünderer, die Taka Fellok und seinem Clan in nichts nachstanden.

Aurec musste sich jetzt um die 5.000 Lebewesen kümmern. An ihm lag es, mit Taka Kudon zu verhandeln. Er sagte Dove und Wallace Bescheid. Danach versuchte er sich durch die Masse zu kämpfen. Dabei traf er auf Anya Guuze, die ihn verängstigt ansah. Neben ihr standen Roppert Nakkhole und Sylke Stabum.

»Sie haben Sonya und Cattrin umgebracht!«, flüsterte Anya betroffen.

Aurec sprach ihnen sein Beileid aus und erklärte, dass er mit Taka Kudon sprechen wollte.

»Was wollen die von uns?«, wollte Anya wissen.

»Ich kann es noch nicht beantworten«, musste Aurec eingestehen.

»Toller Supermann bist du, Alter! Das könnte ich ja noch besser machen«, gab Krizan Bulrich von sich, wurde jedoch im nächsten Moment von Anya zum Schweigen gebracht.

Aurec beschloss, erst einmal weiterzugehen. Er fragte sich, wo Neve Prometh geblieben war. Hatte sie überlebt oder war sie unter den 300 Toten?

Auf dem Weg zu Kudon traf er auch die Scorbits und zeigte ihnen, wo Andrews und die anderen waren. Sofort machten sie sich auf den Weg. Aurec wollte seine Gefährten zusammen wissen. Dann war es leichter, einen Ausbruch zu starten und er musste sich keine unnötigen Sorgen um ihren Verbleib machen.

Als er endlich Taka Kudon erreicht hatte, stand bereits Nor'Citel mit dem Dscherroanführer zusammen. Die Dscherro erkannten den Kanzler Saggittors und brachten ihn zum Taka, der überlegen grinste.

»Ah, zwei einflussreiche Politiker stehen wie Bettler vor mir, und wollen um das Leben der Kreaturen winseln«, sprach er voller Hohn.

»Lasst sie gehen«, bat Nor'Citel.

Aurec glaubte für einen Moment, dass er sich in dem Pariczaner getäuscht hätte. Jetzt setzte er sich für die Geiseln ein. Trotzdem stimmte etwas nicht mit ihm.

»Nor'Citel hat recht. Was bezweckt Ihr mit dieser Aktion? Ihr wisst genau, dass die Dscherro aus Cartwheel verbannt werden, wenn das hier bekannt wird«, erklärte Aurec energisch.

Wieder lachte Taka Kudon.

»Wenn!«, betonte er. »Wir werden eine reiche Beute machen. Die Besucher haben Geld, Schmuck und der Lösegeldanteil dürfte beträchtlich sein. Natürlich wird die BAMBUS nach Zahlung des Lösegeldes explodieren.«

Ein Raunen ging durch die Halle. Eine Panik brach aus, doch die Dscherro hatten alles unter Kontrolle.

Aurec verstand den Sinn dieser Entführung nicht. »Warum? Welchen Vorteil kann diese Aktion den Dscherro schon bringen?«

Kudon spuckte dem Saggittonen ins Gesicht.

»Ihr Saggittonen seid bald aus Cartwheel vertilgt. Uns ist dieses ganze Kräftemessen zwischen DORGON und MODROR egal. Wir stehen auf der Seite desjenigen, der am besten bezahlt und das ist im Moment nicht DORGON.«

Langsam verstand Aurec. Die Dscherro handelten nicht aus eigener Motivation.

»Machmor, fliege jetzt die vereinbarten Koordinaten an, damit wir unseren Auftraggeber treffen können«, befahl der Taka.

Er machte keinerlei Anstalten, irgendetwas vor Aurec und Nor'Citel zu verheimlichen. Langsam wandte er sich wieder an den Saggittonen.

»Werft ein Auge auf ihn, denn mein Auftraggeber will ihn lebend haben«, erklärte Kudon seinen Untergebenen und blickte Vendor streng an, der am liebsten alle Geiseln sofort getötet hätte.

»Egal, was er geboten hat. Ich biete mehr! Eine Million Galax pro Geisel!«

Für einen Moment dachte Taka Kudon ernsthaft über dieses Angebot nach. Fünf Milliarden Galax waren eine ganze Menge. Dann blickte er zu Nor'Citel, der keine Miene verzog.

»Nein!«, entgegnete er nur und wies Vendor an, Aurec wieder zu den anderen zu bringen. Während Aurec zu der Gruppe gebracht wurde, packten drei Dscherro Nor'Citel. Aurec blieb überrascht stehen.

»Was soll das?«, wollte Nor'Citel wissen.

»Der Taka hat mit dir etwas Besonderes vor, Überschwerenschwein!«

Nor'Citel wehrte sich heftig, doch die Dscherro schienen stärker zu sein. Vendor trat gegen das Schienbein des Pariczaners, so dass er zusammenbrach. Dann schlugen die Dscherro solange auf ihn ein, bis er sich wehrlos davon schleifen ließ.

Aurec blickte besorgt hinter Citel her. Diesmal saßen sie im selben Boot und der Saggittone hoffte, dass dem Überschweren nichts passieren würde.

*

Die Dscherro warfen den Pariczaner auf den Boden, wo er sich langsam wieder aufrappelte. Taka Kudon, Machmor und Vendor stellten sich vor ihn.

Leticron stand auf und blickte die Dscherro wütend an. Im nächsten Moment packte er eine der Wachen und brach ihm den Arm. Der brüllende Dscherro wollte zur Waffe greifen, doch Leticron war schneller. Er brach ihm auch die Hand des anderen Armes.

Den zweiten Dscherro stieß er an die Wand und schlug mehrmals mit der Faust in dessen Magengegend. Der Gehörnte sank bewusstlos zusammen.

Die dritte Wache wirkte verunsichert und ging ein paar Schritte rückwärts. Der Pariczaner blickte ihn hasserfüllt an und stürzte sich wie ein Raubtier auf den Grünhäutigen. Er warf ihn mit einem Schulterwurf zu Boden und nahm ihn in den Schwitzkasten.

Leticron rammte den Schädel des Dscherro gegen die Wand. Sein Horn durchstieß das leichte Metall und der Dscherro blieb stecken. Leticron nahm all seine Kraft zusammen und schlug mit seinem Ellenbogen gegen das Horn, so dass es abbrach.

Taka Kudon, Machmor und Vendor sahen dem Schauspiel gelassen zu. Leticron stürmte auf Vendor zu und verpasste ihm einen rechten Kinnhaken. Der Dscherro taumelte zurück, zog seine Axt und wollte Leticron angreifen.

»Genug!«, fauchte Taka Kudon und sofort hielt Vendor inne.

Leticron machte jetzt wieder einen gefassten Eindruck und atmete tief durch.

»Ihr habt das Schauspiel zu realistisch aussehen lassen«, erklärte er zähneknirschend und stellte sich bedrohlich vor Vendor, der wild schnaubte.

»Verzeiht uns, Leticron«, entschuldigte sich Taka Kudon unterwürfig.

Vendor gefiel das nicht. Ein Dscherro entschuldigte sich bei niemandem! Doch auch er musste einsehen, dass Leticron ihr Auftraggeber war und ihnen eine Menge Geld bringen würde.

»Dreihundert Tote! Konntet ihr Bestien euch nicht etwas zurückhalten?«

»Aber Leticron! Wir sind Kämpfer. Ich und meine Leute konnten endlich wieder töten. Unser Leben hat wieder einen Sinn!«, sprach Kudon mit geschwellter Brust.

Der Sohn des Chaos schüttelte nur den Kopf.

»Diese Leben bedeuten mir nichts, aber ich wünsche als ihr Retter nach Cartwheel zurückzukehren, um von den Medien gefeiert zu werden«, erklärte er. Er grinste diabolisch. »Allerdings ohne Aurec und seine Brut...«

Leticron ging ein paar Schritte weiter. Taka Kudon folgte dem Unsterblichen, ebenso wie Machmor und Vendor, jedoch mit gebührendem Abstand.

»Fliegt die BAMBUS zu den von mir angegebenen Koordinaten. Dort werden euch zwei meiner Brüder erwarten. Ihnen übergebt ihr Aurec, die anderen Veteranen aus Dorgon und die Helden der TERSAL. Ohne diese lästigen Kreaturen können wir unsere Ziele in Cartwheel schneller erreichen.«

Taka Kudon nickte nur. Politik und Taktik waren nicht seine Stärken. Das erkannte auch Leticron. Die Dscherro waren nur dazu zu gebrauchen, mit brachialer Gewalt etwas zu erreichen. So auch diese Entführung.

Natürlich hätten der Pariczaner diese Sache auch selbst übernehmen können, doch niemand sollte im Falle eines Scheiterns auf die Idee kommen, dass Leticron für die Entführung verantwortlich zu machen war. Die Dscherro konnte man schnell und glaubwürdig zu Sündenböcken deklarieren.

Leticron hatte vor, Taka Kudon und seinen Mannen eine hohe Summe von 500 Milliarden Galax zu zahlen. Er sollte als großer Vermittler auftreten und die Dscherro davon überzeugen, die Geiseln wieder freizulassen. Leticron wollte die Entführung als einen Aufschrei der Dscherro darstellen, die so auf ihre wirtschaftliche Not aufmerksam machen wollten.

Der Tod von bis jetzt 300 Passagieren war hierbei wenig förderlich. Sollte es weiterhin Schwierigkeiten geben, würden sich die Völker Cartwheels sicher nicht mit dieser Ausrede zufrieden geben.

Sollte dieser Fall eintreten, mussten Taka Kudon und seine Vertrauten sterben, denn niemand durfte Leticrons wahre Identität und Motivation erfahren.

Was aus Kudon und den Dscherro wurde, war dem Sohn des Chaos völlig gleichgültig. Er wollte Aurec und seine Freunde loswerden.

Cau Thon hatte einen Planeten mit dem Namen Xamour gewählt, der weit abseits von Cartwheel lag. Dort würden Cau Thon und dessen Bruder des Chaos, der illustre Katrone Goshkan ihn erwarten.

Leticron würde Aurec und die anderen seinen Brüdern des Chaos übergeben und dann mit der BAMBUS unter dem Vorwand, er hätte Kudon zum Einlenken bewegt, zurück nach Cartwheel fliegen.

Ein klug durchdachter Plan, lobte sich der Zellaktivatorträger selbst. Leticron war der festen Überzeugung, dass er nichts von seiner Genialität verloren hatte.

*

Nach einer kurzen Ruhepause wurde Leticron von Vendor wieder zu den Gefangenen gebracht, doch diesmal wagte es der Dscherro nicht, Hand an Leticron zu legen.

Nor'Citel machte einen angegriffenen Eindruck. Niemand ahnte, dass er das nur vorheuchelte. Taumelnd begab er sich zu Aurec und ließ sich stöhnend auf den Boden nieder.

»Sie haben mich etwas aufgemischt, da ich nicht mit ihnen kooperieren wollte. Sie haben verlangt, ich soll ihnen Unterschlupf gewähren. Diese primitiven Bestien!«

Leticron spielte seine Rolle gut. Jedenfalls schenkte Aurec ihm Glauben.

»Ein Ausbruch scheint im Moment aussichtslos zu sein«, stellte Aurec bitter fest.

»In der Tat«, stimmte ihm Nor'Citel zu. »Ich bin erschöpft und brauche etwas Schlaf. Weckt mich wenn etwas passieren sollte.«

Er gähnte und schloss bereits im nächsten Moment die Augen.

Leticron konnte auch gelassen schlafen, denn ihm würde nichts passieren. Alles lief nach Plan – nach seinem Plan!

*

»Alles Mist!«, fluchte Reini Katschmarek. Niesewitz und Roehk pflichteten ihrem Freund und Teilhaber bei.

Auch Ferby und Reiko waren nicht sonderlich gut gelaunt. Ein Traum war zerstört worden. Die Party vorbei. Die Feier wurde zu einem Horror.

Die Entführung der BAMBUS würde sicher nicht zu ihrem Vorteil sein. Viele der Passagiere würden Schmerzensgeld verlangen, vielleicht unangenehme Fragen über den Mangel an Sicherheit stellen und die Angehörigen der Toten würden die Inhaber und Geschäftsführer vielleicht sogar verklagen.

»Wir brauchen gute Anwälte, die alles den Dscherro in die Schuhe schieben«, meinte Werner zu den beiden anderen.

»Ich kenne ein paar gerissene Leute«, sagte Ferby. »Das werden wir schon wieder hinbekommen. Vielleicht könnt ihr noch euren Freund, den Marquês von Siniestro um Hilfe bitten.«

Reini schüttelte nur den Kopf und fluchte weiter. Er ging zu dem Tresen, der nur noch ein einziges Trümmerfeld war. Doch ein Kühlschrank war noch unbeschädigt. Der Terraner holte fünf Bierflaschen heraus und stieß mit seinen Kumpanen erst einmal auf diese Misere an.

»Schuld an allem sind die Außerirdischen, sage ich euch«, fing er an zu erzählen und nahm einen kräftigen Schluck.

Die anderen beiden nickten nur zustimmend.

»Die Dscherro, die kapitalistischen Springer, diese Tellerköpfe der Blues«, schimpfte er weiter. »All diese schrecklichen Außerirdischen, die uns armen Terranern auf der Tasche liegen. Die werden doch viel besser behandelt als unsere Artgenossen.«

»Ja, Reini, du hast recht! Ich träume auch von einer Erde ohne diesen ganzen extraterrestrischen Abschaum. Aber es liegt nicht in unserer Macht, dies zu ändern«, meinte Werner Niesewitz.

»Vielleicht nicht auf der Erde, aber vielleicht auf der Insel?«, stellte Reini in den Raum.

Die beiden dachten kurz darüber nach. Es war so, als hätten sie eine gefährliche Vision gehabt. Sie prosteten sich zu und schienen wieder bei wesentlich besserer Laune zu sein als noch vor ein paar Minuten.

*

Jonathan Andrews hatte bei der Verteilung des Essens nur einen Teller bekommen, obwohl er für Jezzica Tazum auch einen haben wollte. Doch die Dscherro legten keinen Wert darauf, die Verletzten zu versorgen.

Die Notdurft musste ebenfalls in einer Ecke getätigt werden. Alle Versuche von Aurec, die Dscherro zu einer humaneren Behandlung der Gefangenen zu drängen, blieben fruchtlos. Bis jetzt waren sie fünf Stunden in Gefangenschaft und niemand wusste, wie lange es noch dauern würde.

Viele der jungen Geiseln waren mit den Nerven am Ende und mussten beruhigt werden. Doch wer sollte das übernehmen? Die Sicherheitsleute waren überfordert und mussten selbst mit ihren Ängsten kämpfen.

Niesewitz, Katschmarek und Roehk hatten keine Sicherheitsleute engagiert, sondern selbstherrliche Schläger, die sich nur gegen Unbewaffnete durchsetzen konnten.

Die Hälfte der Sicherheitskräfte hatte im Kampf gegen die Dscherro ihr Leben gelassen. Die andere hatte sich um Darvos versammelt.

Aurec, Andrews, die Scorbits, Wallace, Lorif und Dove waren nun gefragt. Sie mussten versuchen, Ruhe in die Masse zu bringen, was ihnen nicht leicht fiel. Doch die Waffenpräsenz der Dscherro und der Wille zu überleben, ließ die Wesen etwas besonnener reagieren. Man konnte auch sagen, dass die Angst sie lähmte.

Kathy kauerte in einer Ecke und beobachtete die drei Inhaber der BAMBUS, die ihr Bier tranken. In der jungen Terranerin sah es nicht so heiter aus. Sie trauerte um den Tod ihrer Schwester Bienya und litt unter starken Schmerzen, die durch ihre Wunde am Oberschenkel verursacht wurden.

Die Dscherro verweigerten jede medizinische Hilfe. Die meisten Verwundeten wurden einfach in den Konverter geworfen, doch Andrews hatte es verstanden, Kathy und Jezzica recht gesund aussehen zu lassen, zumindest für den kurzen Moment, als die Dscherro an ihnen vorbeikamen.

Inzwischen hatten die Dscherro ihre Einstellung auch etwas geändert, es wurden keine Verwundeten mehr getötet. Sie wurden aber nach wie vor nicht versorgt.

Kathy beobachtete Reiko, der ebenfalls Bier trank. Flüchtig warf er einen Blick in die Ecke, wo man die Leichen aufgebahrt hatte. Dort lag auch seine Haggy, doch der Plophoser schien nicht sonderlich um sie zu trauern.

Die junge Terranerin war angewidert und schloss die Augen. Sie musste erst mal versuchen, mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Jezzica Tazum blickte an die Decke und dachte über ihre Situation nach. Eigentlich wollte sie kein Abenteuer mehr erleben, sondern das Leben als einzige Party genießen. So langsam bekam sie allerdings Zweifel, ob das ihr Schicksal war. Vielleicht war sie von jemanden dazu ausersehen worden, diese Abenteuer zu erleben? Sie wusste es nicht. Im Moment war die junge Terranerin nur verwirrt und litt ebenfalls unter starken Schmerzen.

Ihr Blick fiel auf Marya. Jonathans Freundin musterte sie abfällig. Jezzica verstand diese Abneigung nicht, doch Marya war ihr nicht geheuer. Ihre Augen strahlten Kälte und Berechenbarkeit aus. Einerseits konnte sie das niedliche Mädchen von nebenan sein, im nächsten Moment eine gefährliche Furie.

Andrews kam zurück und stellte den Teller mit der Suppe neben Jezzica. Er half ihr behutsam hoch.

»Warte, ich helfe dir«, sagte Marya und stürmte heran. Sie spielte die Ungeschickte und stieß dabei den Teller mit der Suppe um, der zu Boden fiel und zerbrach.

»Du dumme Kuh«, fauchte Jezzica.

Auch Jonathan Andrews war nicht sonderlich begeistert.

»Was sollte das? Das war doch Absicht!«

»Ich würde so etwas Gemeines nie tun. Aber anscheinend hast du sowieso nur noch Augen für deine Jezzica«, schrie Marya und lief weinend davon. Eine Wache der Dscherro kommentierte die Szene mit einem verständnislosen Grunzen.

Andrews setzte sich genervt hin und vergrub das Gesicht zwischen den Händen. Dann sah er zu Jezzica.

»Lauf ihr hinterher«, sagte sie allen Ernstes.

Andrews sah sie entgeistert an.

»Sie ist deine Freundin und fühlt sich von dir alleingelassen. Sie braucht dich jetzt mehr als ich dich«, erklärte Tazum.

Andrews nickte schwach und folgte Marya. Sie stand in einer Ecke und weinte bitterlich. Er schloss sie in die Arme und tröstete. Und Jezzica konnte nicht glauben, dass sie das eben gesagt hatte.

*

Karl-Adolf Braunhauer lag erschöpft auf einer Couch und wirkte sichtlich angegriffen. Sein ganzer Körper war gelb und er hatte eine Herzattacke nach all der Aufregung bekommen. Medizinische Hilfe wäre wichtig für die Rettung seines Lebens gewesen, doch die Dscherro unternahmen nichts.

Ottilie Braunhauer weinte unentwegt. Sie war einem Nervenzusammenbruch nahe und nur eine Flasche Vurguzz konnte ihr weiterhelfen.

Inge Bohmar suchte immer noch nach ihrem Werner. Sie glaubte, ihn irgendwo in der Menge verloren zu haben.

Sie waren nur drei von 5.000 Gefangenen auf der BAMBUS, die auf ihr ungewisses Schicksal warteten.

Plötzlich brach unter den Dscherro ein Tumult aus. Hastig und aufgeregt diskutierten sie, dann betraten Vendor und Machmor den Raum. Sie bahnten sich ihren Weg durch die Menge und stießen die Wesen rücksichtslos zur Seite.

Als sie bei Aurec und Nor'Citel angekommen waren, forderten sie die beiden Vertreter des Paxus-Rates auf, mit ihnen zu kommen.

Vendor und Machmor brachten sie in die Kommandozentrale der BAMBUS. Auf dem Fußboden konnte Aurec noch die Blutspuren sehen, die offensichtlich von der Besatzung stammten.

Die BAMBUS war aus dem Hyperraum in den Leerraum eingetaucht. Die zehn Schlachtschiffe der Dscherro hatten sie begleitet.

Sie hatten ein seltsames Sonnensystem erreicht. Das System bestand aus einer blauen und einer roten Sonne. Sie wurden von zwei Planeten umkreist. Einer der Planeten war nur 700.000 Kilometer von ihrem jetzigen Standpunkt entfernt und wirkte auf den ersten Blick erdähnlich.

Aurec und Nor'Citel wurden jedoch auf eine andere Naturerscheinung aufmerksam. Sie musste einige Lichtjahre von ihnen entfernt sein, strahlte allerdings so hell, dass es einen gewaltigen Durchmesser haben musste.

Die helle runde Erscheinung kam Aurec bekannt vor. Schon oft hatte er darüber gelesen. Nach einer Weile fiel ihm auch ein, worum es sich dabei handeln könnte. Für eine Galaxis war es zu nahe, denn die Orter ergaben, dass dieses Gebilde nur 2,89 Lichtjahre von dem System entfernt war.

»Ein Kosmonukleotid«, stellte Aurec leise fest.

Nor'Citel blickte ihn fragend an. Auch er hatte durch seine Hypnoschulung von dem Moralischen Kode gehört.

»Sicher?«, fragte er.

»Nein, aber für eine Galaxis ist das Ding zu nahe dran. Die Abtastung ergab, dass es knapp ein Lichtjahr durchmessend ist. Alles spricht für ein Kosmonukleotid«, erklärte der Saggittone.

Die Dscherro standen teilnahmslos herum. Dieses Kosmonukleotid bereitete ihnen Angst. So etwas Gewaltiges hatten sie noch nie gesehen.

»Dieser Ort ist verhext«, meinte Machmor mit gebrochener Stimme.

Leticron verstand jetzt, warum Cau Thon sich unbedingt mit ihm bei diesen Koordinaten treffen wollte. Sicherlich sollte dieses Kosmonukleotid eine Rolle in den zukünftigen Plänen von MODROR spielen.

»Eine Meldung kommt herein«, rief einer der Dscherro.

»Sicherlich unser Auftraggeber«, sagte Taka Kudon überzeugt.

Der Funkspruch wurde auf die Lautsprecher gestellt. Die Stimme klang metallisch und sie war in einer fremden Sprache. Die Translatoren konnten sie jedoch als Sprache der Sieben Mächtigen identifizieren.

»Eindringlinge! Verlasst sofort das System, oder ihr werdet ohne weitere Vorwarnung vernichtet. Dies ist die letzte Warnung! Verlasst den Bereich von TRIICLE-3 oder sterbt!«

»Das war euer Auftraggeber?«, fragte Aurec zynisch.

Taka Kudon schüttelte mit dem Kopf. Er verstand das nicht. Auch Leticron schien beunruhigt zu sein. Diese Stimme gehörte nicht Cau Thon.

»Es ist besser, wir kehren um, Taka Kudon! Ich beschwöre euch«, sagte Aurec ernst. Taka Kudon wusste nicht, was er tun sollte.

Plötzlich explodierten zwei Dscherroraumer. Dann weitere zwei, gefolgt von einem fünften. Wie aus dem nichts, trat ein diskusförmiges Raumschiff in das System ein und schoss auf die übrigen Schiffe.

Taka Kudon versuchte von der BAMBUS aus, Befehle zu erteilen, doch wieder wurde ein Raumer zerstört. Panik brach unter den Besatzungen aus.

»Fliegt zum Planeten!«, befahl Leticron. »Vielleicht sind wir in seinem Orbit sicher.«

Kudon folgte dem Befehl. Als sie den Orbit erreicht hatten, hatten ihre zehn Begleitschiffe aufgehört zu existieren. Innerhalb von nur drei Minuten waren die zehn Raumschiffe der Dscherro vollständig vernichtet worden.

Plötzlich tauchte das fremde Schiff auch vor der BAMBUS auf. Die Energiestrahlen schwächten den Schutzschirm und nach vier Salven brach dieser zusammen. Die BAMBUS steuerte auf den Planeten zu, doch die Stabilisatoren und der Antrieb wurden schwer getroffen. Wie ein Stein schmierte die BAMBUS ab und schlug auf den Planeten auf.

Der fremde Raumer hatte seine Arbeit erledigt. Das kybernetische Wesen an Bord war zufrieden.

Evspor hatte alle Eindringlinge vernichtet.

 

4. Der Absturz

Der Planet Xamour war seit 27 Jahrtausenden verlassen. Kein zivilisiertes Intelligenzwesen wohnte auf der idyllischen Welt. Seit vielen Jahrtausenden schon nicht mehr.

Nur Ruinen in der Wüste zeugten von der Kultur, die einst diesen Himmelskörper bevölkerte.

Primitive Eingeborene und Tiere waren nun die Herrscher der Wüstenwelt, die mit vielen Oasen auf den 12 Kontinenten beschenkt wurde.

Affenähnliche Tiere schwangen sich von Ast zu Ast, auf der Suche nach ein paar Früchten, um ihren morgendlichen Hunger zu stillen.

Ein primitiver Jäger von humanoider Gestalt schlich durch ein Gebüsch und nahm die Fährte eines Gusur auf.

Gusuren waren antilopenähnliche Tiere mit sehr zartem Fleisch. Der Primat Qwert hatte die Witterung aufgenommen und suchte Deckung vor den Augen des Gusur. Er nahm sein Speer und zielte genau.

Innerlich freute er sich schon auf den wohlschmeckenden Braten und dem Respekt, den ihm sein Stamm entgegenbringen würde, wenn er die Beute ins Lager brachte.

Qwert war noch jung und unerfahren. Es war seine erste große Prüfung.

Das Gusur stand an einem Bach, um seinen Durst zu löschen. Plötzlich schreckte es hoch, denn die Erde fing an zu erzittern. Die Tiere am Bach wurden unruhig und liefen davon.

Qwert schrie vor Wut laut auf, denn das Gusur war ihm entkommen. Er kam aus seinem Versteck hervor und rannte ebenfalls los, denn er bekam Angst, dass er von einem umfallenden Baum erschlagen wurde.

Qwert blickte in den Himmel und schrie vor Angst. Die Sonne verfinsterte sich. Das riesige runde Monster fiel vom Himmel und brauste über ihn hinweg. Bei dem Anblick erstarrte Qwert in seiner Bewegung. War es ein Gott?

Der stählerne Gigant wurde für einen kurzen Moment langsamer, gewann wieder etwas an Höhe, dann schmierte er vollends ab. Auf dem Boden angekommen, rutschte die Kugel weiter und zog eine gewaltige Spur hinter sich.

Sie kam erst zum Stehen, als sie gegen einen Berg rammte. Eine Lawine aus Geröll und Schutt prasselte auf den stählernen Koloss.

Eine riesige Rauch- und Staubschwade erreichte das kleine Wäldchen und verursachte einen Sandsturm, der die Flora und Fauna des Planeten in Aufruhr versetzte.

Nur langsam kehrte wieder Ruhe auf den Planeten ein.

*

Die Minuten nach dem Absturz

Als Aurec die Augen öffnete, sah er einige Blitze, die aus einer offenen Energieleitung zuckten. Eine rote Notbeleuchtung war aktiviert und etliche Warnlampen blinkten auf den Schaltkonsolen und an der Kontrollwand.

Bei dem Versuch aufzustehen, verspürte der Saggittone einen stechenden Schmerz in der Brust. Wahrscheinlich hatte er sich einige Rippen gebrochen. Doch er konnte sich glücklich schätzen, dass sie überhaupt noch am Leben waren.

Nur durch das rechtzeitige Aktivieren der Antigravfelder, die den Aufprall gedämpft hatten, war der Tod der 5.000 Geiseln und 900 Dscherro an Bord verhindert worden.

Dennoch, wie viele den Tod gefunden hatten, vermochte Aurec nicht zu sagen. Zuerst blickte er sich in der Kommandozentrale um.

Nor'Citel kam gerade zu sich. Aurec kümmerte sich um den orientierungslos wirkenden Pariczaner, der jedoch schnell wieder wusste, wo er sich befand und was passiert war.

Taka Kudon blutete am Arm, war aber sonst unversehrt. Auch Vendor, der eine Wunde an der Schläfe hatte, war am Leben.

»Machmor?«, rief Kudon den Namen seines Stellvertreters in den Raum.

Doch er bekam keine Antwort. Machmor lag tot in einer Ecke. Sein Genick war gebrochen. Und er war nicht der einzige Verlust. Zwei weitere Dscherro hatten in der Kommandozentrale den Tod gefunden.

Sofort griff Vendor nach einem Strahler und zielte auf Aurec.

»Wir sollten uns jetzt nicht bekriegen, sondern zusammenarbeiten«, erklärte Aurec energisch. »Wir wissen nicht, wer uns angegriffen hat, doch eines steht fest! Der Angreifer hat zehn eurer Schiffe ausradiert und auch dieses Schiff attackiert. Er sieht in uns beiden Feinde.«

»Auch ich bin dafür, dass wir die Waffen niederlegen und zusammenarbeiten«, warf Nor'Citel ein.

»Du hast uns gar nichts zu sagen«, brüllte Vendor den Überschweren an.

Taka Kudon überlegte eine Weile. Er dachte nach, dies fiel dem Gehörnten nicht sonderlich leicht.

»Vendor, Aurec und Nor'Citel werden uns unterstützen«, sprach der Anführer der Dscherro bedacht. »Vorläufig müssen wir zusammenarbeiten, um zu überleben. Zuerst finden wir heraus, wer uns angegriffen hat, dann warten wir auf Cau Thon.«

Aurec registrierte, dass Cau Thon demnach der Auftraggeber der Dscherro war. Dieser geheimnisvolle Sohn des Chaos steckte also hinter der Entführung. Wer sonst? Cau Thon schien subtiler vorzugehen, als Rodrom, denn der hätte vermutlich gleich ganz Cartwheel angegriffen. Vielleicht besaß Rodrom jedoch für einen zweiten Schlag nicht die Macht. Möglich, dass MODROR auch andere Pläne mit Cartwheel hatte.

»Vendor, du suchst zuerst das Schiff nach Überlebenden ab. Mache jedoch den Galaktikern und anderen Völkern klar, dass sie uns unter dem Kommando der Dscherro zu helfen haben, verstanden?«

»Verstanden!«, rief Vendor seinem Taka zu. Die letzten Worte hatten den Dscherro wieder versöhnlicher gestimmt, denn er würde mit Freude den anderen Wesen zeigen, dass die Dscherro die Herren waren.

Vendor nahm vier Dscherro mit sich und verließ die Kommandozentrale. Aurec bat, mitkommen zu dürfen, Kudon gestattete es ihm und Leticron.

Der Taka selbst blieb in der Kommandozentrale und verabschiedete sich von seinem loyalen Freund Machmor.

*

Ein Loch war in der Decke, durch das Licht und Sauerstoff eindrangen. Immerhin wussten die Überlebenden nun, dass es eine Welt mit atembarer Atmosphäre war und eine blaue sowie eine rote Sonne besaß, die Licht spendeten.

Jonathan Andrews spürte einen leichten Schmerz im Knie. Ansonsten schienen seine restlichen Körperteile noch intakt zu sein. Erleichtert atmete er auf und versuchte aufzustehen. Neben ihm lag Marya und regte sich nicht. Besorgt beugte er sich über sie herüber und rüttelte sie wach. Die junge Terranerin war ziemlich benommen und blutete an der Stirn.

Behutsam half er ihr hoch und sah sich ihr Wunde an der Stirn an, die jedoch nicht gefährlich zu sein schien.

»Mathew, lebst du noch?«, hörte Andrews die Stimme des Posbis Lorif, der ebenfalls noch funktionierte.

»Ich kann so langsam diese blöde Frage von dir nicht mehr hören. Es ist doch nicht unser erster Absturz, oder?«, raunte Wallace den Posbi an, der eingeschnappt schwieg.

Auch Irwan Dove war wohl auf. Er hatte sich zwar einen Arm angebrochen, doch der Oxtorner war hart im Nehmen.

»Immerhin nicht dein Wrack, Mathew, sonst hättest du dir langsam den Spitznamen Wallace, der Bruchpilot verdient«, murmelte der Oxtorner.

Andrews sah sich um. Unzählige Leichen lagen zerschmettert in den Ecken oder unter Trümmern.

»Jezzica!«, rief er aufgeregt, als er sah, wie Kathy Scolar versuchte, einer blonde Terranerin hoch zu helfen. Es war in der Tat Jezzica. Sie war einige Meter weit gegen den Tresen geschleudert worden und fühlte sich dementsprechend.

Andrews lief zu ihr, legte ihren Arm um seine Schulter und half Tazum zum nächsten Sitzplatz.

Marya verschränkte die Arme und schüttelte nur mit dem Kopf. Lorif und Wallace stellten sich neben ihr.

»Ach, Mathew! Ich bin ja so froh, dass du lebst«, sagte sie überschwänglich und umarmte den Space-Jet Kommandanten, der gar nicht wusste, wie ihm geschah.

»Jonathan ist ein Mistkerl, oder?«, fragte sie ihn.

»Ähm, also, na ja...«, stotterte Wallace, der von dieser Frage ebenso überrascht war wie von der Umarmung.

»Seine Freundin, die er angeblich liebt, kann ja verrecken. Hauptsache dieses blonde Gift in ihren kurzen Klamotten«, fauchte die junge Terranerin eifersüchtig.

»Die beiden sind Freunde und er kümmert sich um alle Verletzten. Bei Jezzica macht er keine Ausnahme«, wandte Wallace zur Verteidigung seines Freundes ein.

»Doch, sie behandelt er bevorzugt. Ich würde sie am liebsten den Dscherro übergeben, damit sie sie in Stücke hacken«, zeterte Marya wütend und lief dann weg, da sie den Anblick ihres Freundes nicht mehr ertragen konnte.

Remus Scorbit erkundigte sich besorgt um das Wohlergehen seiner Frau. Ihr ging es soweit gut. Auch Yasmin Weydner, Jaquine und Anica waren noch am Leben. Jedoch kam jede Hilfe für Yasmins Freundin Ivon Abrinsky zu spät.

Die Terranerin war von der Lichtanlage erschlagen worden. Ein grausamer Anblick bot sich Yasmin, die weinend zusammenbrach.

Uthe kümmerte sich sofort um ihre Freundin.

Diese bedrückende Stimmung fand sich in der ganzen Halle.

Jeder hatte Angst und trauerte um die Toten. Die jugendlichen Partygänger mussten mit einem Schlag erwachsen werden und der Gefahr ins Auge blicken. Scorbit versuchte sich einen Überblick über die Verluste zu machen, doch das war schier unmöglich.

Alleine in dieser Halle waren die Verluste sehr hoch, er wusste nicht, wie viel Tote es auf dem ganzen Schiff gab.

»Vatichen«, schrie eine alte Frau aufgeregt.

Natürlich erkannte Remus die Stimme sofort. Neugierig blickte er zu den Braunhauers. Karl-Adolf lag auf einer Trage. Die Dscherro hatten den Galaktikern endlich gestattet, sich nun medizinisch zu versorgen.

Langsam ging Remus zu den Braunhauers. Auch Inge Bohmar war dort. Sie sprach mit ihrem imaginären Hund Bandit.

Scorbit erschrak, als er Karl-Adolf sah. Er war bleich im Gesicht und wirkte eingefallen und ausgemergelt. Seine Augen starrten an die Decke und sein Atem ging schwer. Braunhauer hatte zwar den Absturz überlebt, doch er war schwer verwundet. Die Verletzungen mussten schleunigst behandelt werden, was im Normalfall auch kein Problem darstellte, doch die medizinischen Voraussetzungen auf dem Wrack waren nicht sonderlich gut.

»Vatichen, was guckst du denn so dumm?«, wollte Ottilie wissen und spielte damit auf seinen starren Blick an.

Remus fand diese Bemerkung taktlos. Anscheinend bemerkte sie nicht, wie schlecht es ihrem Ehemann ging. Zwar konnte Remus die Braunhauers nicht sonderlich leiden, doch er hatte ihnen nie den Tod gewünscht. Zumindest nicht ernsthaft.

 

5. Was nun?

Nach etwa zwei Stunden ließ sich das Ausmaß der Katastrophe etwas genauer bestimmen. Aurec und Nor'Citel hatten sich um die Zählungen gekümmert.

Es war katastrophal. Zwei untere Decks waren förmlich weggesprengt. Dort fanden die Rettungsteams nur noch zerschmolzenes Metall und verkohlte Leichen.

Die Anzahl der Opfer musste bei 600 Passagieren und etwa 400 Dscherro liegen. Demnach lebten noch 4500 der Passagiere und knapp 500 Dscherro.

Ein ungleiches Verhältnis, doch die Dscherro hatten immer noch die Waffengewalt und zeigten deutlich, dass sie die Herren waren.

Aurec, Jonathan Andrews und Nor'Citel wurden als Sprecher für die Geiseln eingesetzt. Vendor wurde als neuer Stellvertreter von Taka Kudon ernannt.

Die fünf saßen in einem Besprechungsraum und debattierten über ihre weitere Vorgehensweise. Lorif wurde als technischer Berater eingeladen.

»Nun, abschließend möchte ich noch einmal zusammenfassend sagen, dass die BAMBUS unter keinen Umständen mehr starten kann. Der Metagravantrieb ist nicht mehr zu reparieren. Die Hyperfunkanlage ist noch zu benutzen, jedoch stellt sich die Frage, ob es ratsam ist, sie in Anbetracht eines unbekannten Gegners, der sich sicher immer noch in diesem System aufhält, zu benutzen.

Des Weiteren möchte ich Sie über den inneren Zustand des Schiffes informieren. Die einzige Medostation ist vollständig zerstört. Nur wenige Medikamente und Verbandsmittel konnten gerettet werden. Ein Großteil der Vorräte ist ebenfalls vernichtet.

Ich empfehle, die BAMBUS zu evakuiert, da defekte Schaltkreise noch immer zu Bränden führen könnten.

Danke, meine Herren!«

Jeder ließ die Worte Lorifs auf sich wirken. Vendor verstand sie sowieso nicht, dafür Leticron, der indirekt Taka Kudon lenkte.

»Danke Lorif«, begann Aurec. »Wir sollten ein Lager bauen. Ihre Erkundungstrupps, Taka, haben herausgefunden, dass hinter dem Gebirge ein Urwald ist. Dort könnten wir Nahrung und Wasser besorgen. Das Camp sollten wir zwischen dem Wrack der BAMBUS und dem Berg aufschlagen, es dürfte so einen guten Schutz bieten.«

Der Anführer der Dscherro blickte Leticron fragend an, der zustimmend nickte. Dann hielt er Augenkontakt zu Vendor, dessen Mundwinkel vor Erregung zuckten.

»Was meinst du, mein Stellvertreter?«, fragte Kudon unsicher nach.

»Ich halte nichts davon, dass Menschen uns Ratschläge oder Befehle erteilen. Doch ihre Worte sind nicht dumm. Wir sollten die restlichen 4.500 zum Bau des Lagers einsetzen, bewacht vom Großteil der Dscherro, während der Rest von uns auf die Jagd nach Fleisch geht.«

Kudon stimmte den Worten Vendors zu.

»Das heißt, die Dscherro drehen Däumchen, während die Geiseln schuften?«, wollte Andrews wütend wissen.

»Bitte bedenkt, dass von den überlebenden Passagieren etwa ein Drittel verletzt ist«, wandte Aurec ruhig ein.

Leticron hielt sich zurück. Die Kontrolle über ihre Situation war ihm etwas entglitten. Schuld war der unbekannte Angreifer. Sicherlich war dieser ominöse Aggressor nicht Cau Thon. Das machte die Situation gefährlicher. Die Terraner waren gute Kämpfer und zur Not musste sich Leticron des Saggittonen Aurec bedienen, um mit heiler Haut wieder nach Cartwheel zurückkehren zu können.

Taka Kudon dachte jedoch nicht soweit.

»Wer verletzt ist, verrichtet leicht Arbeiten. Der Aufbau des Lagers soll sofort beginnen«, erklang die kräftige Stimme des Takas.

»Vendor, du wirst die Dscherro auswählen, welche die Bewachung übernehmen«, befahl er. »Urucks wird die Aufsicht übernehmen, während du mit deinen Leuten auf die Jagd gehst.«

»Nein, Herr. Ich bin ein besserer Aufseher und würde lieber das Lager aufbauen, als harmlose Tiere zu jagen. Die Ungehörnten sind gefährlich, auch in Gefangenschaft! Man muss auf sie aufpassen, sonst werden sie uns vernichten«, erklärte Vendor und widersprach damit seinem Taka, der jedoch diese Anmaßung durchgehen ließ.

»So sei es!«, sprach er. Vendor machte sich sofort an die Arbeit. Zusammen mit Taka Kudon verließ er den Konferenzraum.

Aurec, Andrews und Nor'Citel blickten sich schweigend an. Jeder von ihnen wusste, dass sie sich in einer schwierigen Situation befanden.

Doch nur Leticron musste die Dscherro nicht fürchten und hatte die Hoffnung, dass Cau Thon bald erscheinen würde.

*

Die Dscherro scheuchten die Gefangenen wie Vieh aus den Hallen.

Auf die Verletzten wurde wenig Rücksicht genommen. Sie wurden mitgestoßen. Wer nicht spurte, bekam Schläge mit einer Energiepeitsche.

Vendor genoss die neue Macht, die er jetzt hatte. Er war der Herr über Leben und Tod. Ein wunderbares Gefühl.

»Herr, einige alte Menschen und Verwundete weigern sich«, sagte ein Soldat.

Der Gehörnte brachte seinen Vorgesetzten sofort zu der Stelle.

Dort standen Werner Niesewitz, Reinhard Katschmarek und Peter Roehk. Hinter ihnen Ferby Shyko, Reiko, Dykkar, Darvos, Krizoff und DJ Abfallhaufen.

»Wir protestieren!«, rief Werner Niesewitz und hob bedrohlich den Arm. Vendor musste bei dem Anblick lachen.

»Wir sind sehr wichtige Persönlichkeiten und die Besitzer dieses Raumschiffes. Wir verlangen eine bessere Behandlung, genauso wie Aurec«, forderte Peter Roehk.

Vendor sah sich die Gestalten an.

»Aurec wird auch mitarbeiten«, antwortete er knapp.

Dann blickte er Darvos an und war von dem Körperbau sehr angetan. Es würde sicherlich einer Herausforderung sein, gegen ihn anzutreten.

»Außerdem bin ich verwundet«, erklärte Dykkar und zeigte eine Fleischwunde am Arm.

Nun kamen auch Jezzica Tazum, Kathy, Yan Cruze, Francy und der Tresenmann Stony hinzu.

Auch Jonathan Andrews war nicht weit und beobachtete mit Interesse den Versuch des BAMBUS-Teams, sich vor der Arbeit zu drücken. Er hoffte, dass die Alten und Verwundeten wirklich verschont blieben.

»Hey Mann, es ist uncool zu arbeiten. Ich bin ein Spitzendiscjockey im Universum. Da kannst du fetter Eber nicht einfach so kommen und mir etwas sagen«, wandte DJ Abfallhaufen ein.

Vendor musterte ihn. Dann fing er an zu schreien. DJ Abfallhaufen hatte den Dscherro provoziert und damit einen schweren Fehler begangen.

Vendor packte Abfallhaufen am Hals und hob ihn hoch. Der Terraner strampelte wild mit den Beinen und versuchte sich aus der Umklammerung zu befreien. Darvos wollte eingreifen, doch die Dscherro richteten die Waffen auf ihn.

Schaum und Speichel lief aus Vendors Mund. Die Muskeln und Nerven zuckten auf dem angespannten Körper.

»Hey du Freak, lass unseren Kumpel los«, forderte Dykkar.

Er ging zu Vendor und legte seine Hand auf dessen Schulter.

»Junge, lass uns einen Trinken, eine Frau missbrauchen und unseren Spaß haben, okay?«, versuchte Dykkar den Gehörnten zu besänftigen, doch Vendor hielt Khrizan Zchmitt immer noch hoch und drückte ihm die Luft ab.

Dykkar lief der Schweiß von der Stirn.

»Okay, keine Frauen. Wie sieht es mit Kühen, toten Hunden oder Mistkäfern aus? Hey, egal mit wem du es machen willst, ich besorge es dir. Lass nur den Kleinen los...«

Endlich ließ Vendor den Terraner los.

Dykkar atmete erleichtert auf und schlug freundschaftlich auf Vendors Schulter, der wie ein wilder Stier schnaubte.

»Ich glaube, wir können noch Freunde werden, Junge«, sagte Dykkar freundlich und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

Doch plötzlich schwang der Dscherro seine Axt und schlug Dykkar den Arm ab.

Andrews konnte nicht fassen, was dort passierte. Er rannte zu dem schreienden Terraner und trat gegen Vendors Axt, als dieser ein zweites Mal ausholen wollte.

Ferby und Reiko taten nichts. Ihr eigenes Leben war ihnen offensichtlich wichtiger als das ihres Freundes Dykkar.

Darvos wollte wieder eingreifen, doch einige andere Dscherro machten ihm unmissverständlich klar, dass er sterben würde, sollte er sich einmischen.

Wütend schlug der Dscherro auf Andrews ein, der nach drei Hieben zusammenbrach. Jezzica stürmte zu ihm und warf sich schützend vor ihn.

Vendor ließ von Andrews und Jezzica ab. Stattdessen holte er erneut aus und enthauptete Dykkar. Er hob seinen Kopf hoch und schrie laut: »Koscha Dscherro!«

Wieder hatte er dieses Gefühl der Macht. Ein Adrenalinstoß durchschoss seinen Körper, der ihn in eine Ektase versetzte.

Er wollte mehr töten. Mehr Leben beherrschen. Jezzica Tazum und Andrews schenkte er das Leben, dafür tötete er Dykkar. Das war für Vendor Macht!

Kathy Scolar wurde bleich und musste sich übergeben.

Langsam beruhigte sich Vendor wieder.

Der Gehörnte schnaubte laut, Schweißperlen rannen ihm von der Stirn, und der Speichel lief dem Dscherro über das Kinn.

»So behandeln wir alle Verwundeten, die nicht arbeiten wollen«, sprach Vendor langsam und deutlich, so dass jeder es verstand.

Die schwarzen Augen des Dscherro starrten in die blauen Augen von Jonathan Andrews, der den sinnlosen Tod von Dykkar nicht fassen konnte. Mehr und mehr entwickelte sich diese Entführung zu einem der schlimmsten Horrortrips, gegen den selbst der Kampf gegen den Zweitkonditionierten auf der Asteroidenstation ein angenehmes Abenteuer gewesen war.

Vendor ging langsam wieder zu den anderen Dscherro und trieb die Passagiere nach draußen, um mit dem Bau des Lagers zu beginnen.

Katschmarek, Niesewitz und Roehk sahen sich entgeistert an und beschlossen, lieber den Befehlen der Dscherro Folge zu leisten, da sie nicht wie Dykkar enden wollten.

»Darvos, du bleibst immer in unserer Nähe, verstanden?«

»Ja, Werner.«

*

Neve Prometh kümmerte sich um den verletzten Roppert Nakkhole, der sich das Knie ausgerenkt hatte. Zusammen mit Anya Guuze, Krizan Bulrich und Sylke Stabum bildeten sie eine kleine Gruppe.

Sylke und Anya wurden von den Dscherro zum Kochen eingeteilt, während Neve die Krankenpflege übernahm.

»Ich verstehe das alles nicht, warum tun die das?«, wollte Roppert wissen.

»Leider weiß ich auch keine Antwort darauf«, gestand Neve ein.

Immer wieder versuchte sie, Aurec irgendwo zu entdecken. Allerdings waren ihre Bemühungen bisher vergeblich. Sie hatte Angst, dass ihm etwas zugestoßen war. So sehr hatte sie ihn während der kurzen Zeit bereits ins Herz geschlossen.

Aurec war in ihren Augen ein Ehrenmann, der tapfer, mutig, charmant, witzig, intelligent und dazu noch gutaussehend war.

Neve war sich gar nicht bewusst, wie sehr sie von dem Saggittonen schwärmte. Sie hörte nicht einmal mehr Roppert zu. Erst als sie glaubte das Wort Aurec zu hören, blickte sie fragend Nakkhole an.

»Hast du was von Aurec gesagt?«

»Ja, er ist da hinten«, erklärte Roppert Nakkhole und deutete auf eine kleine Traube von Menschen. Sie erkannte dort zwei Dscherro, Siddus und Aurec.

Er lebt, schoss es ihr erleichtert durch den Kopf.

»Warte hier«, sagte sie zu Roppert, der sowieso nicht weglaufen konnte und eilte zu dem Saggittonen.

Er stand vor Taka Kudon, hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt und verhandelte über eine bessere Behandlung der Arbeiter.

»Hallo«, sagte sie kleinlaut.

Die vier drehten sich um. Aurec schenkte Neve Prometh ein Lächeln. Leticron verzog keine Miene. Natürlich konnte er sich an Neve Prometh erinnern. Sie hatte ihm damals unangenehme Fragen gestellt.

»Neve, ich bin froh, dass es Ihnen gut geht«, sprach Aurec mit einem Lächeln, das Neves Herz höher schlagen ließ.

»Danke«, brachte sie nur hervor.

»Wir sind nicht hier, um einen Kaffeeklatsch abzuhalten. Was willst du?«, herrschte Leticron sie an.

»Wie immer sehr charmant, Siddus!«, konterte Neve. »Jedoch kannst du mich nicht einschüchtern. Wir sitzen alle im selben Boot. Auch du hast keine besseren Karten.«

Nor’Citel schwieg.

»Wo bist du untergebracht? Wirst du gut versorgt?«, wollte der Saggittone wissen.

Neve schüttelte den Kopf.

»Ich bin im Krankenlager. Die Zustände sind katastrophal. Wir haben quasi keine Medikamente und auch kaum Verbandsmaterial. Doch im Gegenzug gibt es knapp dreihundert Schwerverletzte, die dringend medizinische Versorgung benötigen.

Die Dscherro geben uns auch kaum Essen und Wasser. Nicht einmal Alkohol, um Wunden zu desinfizieren«, erklärte die Terranerin, die mit Medizin eigentlich wenig am Hut hatte, doch der gesunde Menschenverstand sagte ihr, was die Kranken dringend benötigten.

Fragend blickte Aurec Taka Kudon an.

»Verwundete sind keine Hilfe, sondern nur eine Belastung. Je eher sie sterben, desto besser«, antwortete er gleichgültig.

»Die Tatsache, dass Sie ein Mörder sind, scheint Ihnen wenig auszumachen«, konterte Aurec. »Jedoch lässt die Motivation der Geiseln nach, wenn ihre Angehörigen sterben. So haben wir keine Chance, zu überleben.«

»Die Motivation für die Arbeiter wird ihr Leben sein. Denn wer nicht arbeitet, wird erschossen!«, brüllte Taka Kudon aufgeregt.

»Und bei ihr fangen wir an«, fauchte Vendor und packte Neve Prometh am Arm, die schreiend versuchte, sich zu wehren.

Der Dscherro nahm einen Dolch und hielt ihn ihr an die Kehle.

Aurec warf sich auf den Dscherro, der den Dolch fallen ließ. Wütend schlug Vendor auf Aurec ein, bis Taka Kudon einschritt.

»Es reicht, macht euch wieder an die Arbeit«, befahl der Anführer der Dscherro und verließ den Ort des Geschehens.

Zurück blieb ein wütender Vendor.

»Dich werde ich auch noch töten«, sagte er zu Aurec, der benommen am Boden lag.

Neve beugte sich über ihn und nahm seinen Kopf auf ihren Schoß. Behutsam streichelte sie seinen Kopf. Tränen flossen ihr über das Gesicht, ihre Angst vor Vendor war unbeschreiblich.

»Ich töte euch! Ich töte euch alle! Habt ihr das gehört? Ihr seid alle tot! Tot!!!«, brüllte der Dscherro in die Menge.

Leticron schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, wie lange es noch dauern würde, bis diese tickende Dscherrobombe explodieren würde.

Vendor war für alle gefährlich, selbst für Leticron, denn dieser Dscherro hatte vor nichts und niemand Respekt. Er war eine einzige primitive Tötungsmaschine.

Verächtlich blickte Leticron zu Aurec, der von Neve versorgt wurde.

»So können sie die Dscherro wirklich beeindrucken, Aurec«, sprach Leticron voller Spott und blickte Neve Prometh kalt an.

»Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch einmal wiedertreffen. Wo ist denn Anya Guuze abgeblieben? Die große Flamme meines alten Egos?«

»In der Küche. Sie und Sylke sollen für die Dscherro kochen.«

»Schade, ich dachte, sie seien schon tot«, entgegnete Leticron kühl.

Aurec war noch immer benommen und bekam das Gespräch gar nicht richtig mit.

»Bist du immer noch darauf aus, Perry Rhodan zu vernichten?«, wollte Neve wissen.

Leticron lächelte.

»Aber, aber. Wann soll ich denn so etwas gesagt haben? Du musst auf der Feier betrunken gewesen sein und dir das eingebildet haben. Perry und ich sind alte Freunde. Sehr alte Freunde.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich Leticron von den beiden.

Neve fuhr sanft durch Aurecs Haare, der langsam wieder zu Besinnung kam. Ganz so unwohl fühlte er sich in der Position nicht, doch im Moment musste er sich um das Wohl der Geiseln kümmern.

Langsam rappelte er sich auf. Neve half ihm dabei so gut es ging. Als der Saggittone wieder fest mit beiden Beinen auf dem Boden stand, blickten die Zwei sich für einen Moment tief in die Augen.

»Danke«, sagte Aurec.

»Ich danke auch.«

Plötzlich brach ein Tumult aus. Die Dscherro starrten fassungslos in den Himmel und auch die Geiseln sahen staunend nach oben.

Ein Raumschiff! Es war diskusförmig und verschwand hinter dem Dschungel. Aurec erkannte das Raumschiff.

Es gehörte dem unbekannten Angreifer. So schnell er konnte, rannte er zu Taka Kudon. Plötzlich stoppte er und sah zu Neve zurück.

»Gehe zu Jonathan Andrews oder Mathew Wallace. Ich möchte, dass du nicht schutzlos hier bist«, bat er sie. Es war jedoch mehr ein Befehl als eine Bitte, denn der Saggittone war um das Wohlergehen der Terranerin besorgt.

*

»Habt Ihr das Schiff gesehen?«

Aurec war außer Atem. So schnell ihn seine Beine getragen hatten, war er zu Taka Kudon geeilt, der auch den Diskusraumer gesehen hatte.

»Ja, der Feind!«, stellte er bitter fest und brüllte: »Vendor! Die Jäger sollen ausschwärmen und nach dem Raumschiff suchen. Ich will den Feind tot sehen!«

Seiner rechten Hand war es ein Vergnügen, den Befehl auszuführen. Zweihundert Dscherro machten sich zu einer groß angelegten Suche bereit. Sie bewaffneten sich und nahm einige Geiseln als Köder für den Aggressor.

Aurec konnte nichts machen. Er flehte Taka Kudon an, sie zu verschonen, doch Gnade war dem habgierigen und brutalen Gehörnten ein Fremdwort.

Urucks hatte den Befehl über die Einheiten, die sich aufteilten, um den Dschungel zu durchkämmen.

Aurec atmete tief durch und bedauerte das Schicksal der 50 Terraner. Er hoffte, sie würden lebendig wieder in das Lager zurückkehren, das immer mehr Form annahm.

 

6. Das Lager

Die Errichtung des Lagers schritt gut voran. Die Dscherro gaben dem Wort Sklaventreiber eine neue Definition. Die gesunden Geiseln mussten Tag und Nacht schuften bis das Grundgerüst des Camps stand.

Das Wrack der BAMBUS wurde vollständig ausgeschlachtet, um das Lager zu errichten.

Ein Graben wurde ausgehoben und ein energetischer Zaun wurde um das knapp neunhundert Meter durchmessende Lager errichtet. Dann kamen sporadische Wachtürme, die Unterkünfte der Dscherros, Stromgeneratoren, Funkanlage, eine Medo- und Wissenschaftsstation und – nochmals eingezäunt – die Unterkünfte der Geiseln.

Aurec ging in die Wissenschaftsstation, um mit Lorif Kontakt aufzunehmen. Der Posbi saß mit Wallace und Dove unter Aufsicht der Dscherro an den Hyperkomanlagen und versuchte, sie zu reparieren.

»Erfolge?«, wollte der Saggittone wissen.

»Nein, die Hyperkomanlage ist vollständig zerstört. Ich habe mich geirrt, sie ist nicht mehr zu reparieren«, erläuterte der Posbi.

»Am liebsten würde ich Mankind eine Nachricht schicken, aber das ist unmöglich«, meinte Lorif und legte dabei den Kopf ruckartig in Schieflage. Er wiederholte diese komische Gestik mehrmals.

»Stimmt was nicht mit der Motorik?«, fragte Aurec verwirrt.

»Doch, doch alles in Ordnung, Sir. Das Hyperkomgerät ist defekt.«

»Das sagtest du schon.«

»Ich muss mal eine Rauchen. Komm mal bitte mit«, forderte Mathew Wallace den Saggittonen auf, der noch immer nicht ganz den Sinn von Lorifs Gebärden verstanden hatte.

An der frischen Luft waren sie ungestört und unbeobachtet.

»Lorif wollte dir ein Zeichen geben«, erklärte Wallace.

»Der Posbi hat wirklich einen Schaden«, meinte Aurec nur.

»Das Hyperkomgerät funktioniert. Wir wollen lediglich den Dscherro das Gegenteil einreden. Wir haben bereits einen Funkspruch mit unseren Koordinaten losgeschickt. Hoffentlich hört ihn jemand.«

Aurec nickte erleichtert. Dann begriff er, dass sie vielleicht einen Fehler gemacht hatten.

»Die Dscherro bringen uns noch alle um. Wir müssen etwas unternehmen. Die Chancen stehen nicht sonderlich gut. Wir müssen hoffen, dass unsere Freunde vor Kudons Auftraggeber hier sind. Bis dahin müssen wir uns vor den Dscherro und dem unbekannten Angreifer schützen.«

Wallace nahm einen kräftigen Zug an der Zigarette.

»Wenn es weiter nichts ist...«

*

Darvos erledigte die Arbeit für fünf Personen. Nicht nur seine eigene, sondern auch die von Roehk, Niesewitz, Ferby und Katschmarek, die so taten, als würden sie den Aufbau organisieren, die naiven Dscherro kauften ihnen das sogar ab.

Taka Kudon ernannte die drei ehemaligen Inhaber der BAMBUS neben Aurec zu den Organisatoren auf der Seite der Geiseln.

Als ihre Stellvertreter wurden Ferby und Reiko benannt.

Sie sollten für den ordentlichen Ablauf der Arbeit sowie für eine Motivation der Gefangenen sorgen.

Reiko scheuchte die Geiseln durch die Gegend und benahm sich besonders unfreundlich. Auf dieser Weise versuchte der Plophoser bei den Dscherros Eindruck zu schinden. Damit verband er die Hoffnung, von ihnen verschont zu werden.

»Nun mach' mal etwas schneller, Darvos!«, befahl Reini. »Sonst werden die Dscherro nicht mehr so gut auf uns zu sprechen sein.«

Yan Cruze war eine Art persönlicher Diener der drei Inhaber. Er begleitete sie auf Schritt und Tritt und erfüllte ihnen ihre Wünsche. Cruze hatte zunächst Probleme mit dem Essensmangel gehabt.

Dumm war Cruze jedoch nicht, denn bei der Nahrungsausgabe brachte er das Essen zu den Kranken. Dabei aß er von deren Rationen, so dass diese weniger hatten und er einen vollen Bauch.

Jetzt war er beschäftigt, Reini Katschmarek eine Flasche Bier zu öffnen. Katschmarek beobachtete Darvos beim Aufbauen der Hauswand.

»Ich bin schließlich Maurer und weiß, wie man so ein Lager bauen tut«, sagte er erklärend und nahm einen kräftigen Schluck von dem blonden Getränk. Anschließend rülpste er herzhaft und seufzte danach.

Peter Roehk war mehr damit beschäftigt, Kathy Scolar anzustarren. Die brütende Hitze des Planeten und die harte Arbeit brachten die junge Terranerin zum Schwitzen, so dass sie sich etwas frei machte. Genügend körperbetonte und knappe Sachen hatten die Tresendamen der BAMBUS ja gehabt, denn auch in den Hallen waren die Temperaturen sehr hoch gewesen.

Die rotblauen Sonnenstrahlen glühten regelrecht auf der Haut eines Menschen.

Peter Roehk starrte auf das Gesäß und die Brüste der Brünetten und stellte sich in seiner schmutzigen Phantasie eine heiße Nacht mit ihr vor.

Werner Niesewitz hingegen spielte wirklich den Aufseher und gab überall Anweisungen, um die Arbeit zu forcieren.

Kathy war noch reichlich angeschlagen, da ihr Oberschenkel aufgrund der Verbrennungen noch immer schmerzte. Die Dscherro hatten ihr gestattet, ein Schmerzmittel zu nehmen und immerhin war die Wunde desinfiziert, jedoch nicht fachgerecht behandelt worden. Sie hoffte, dass keine Narben zurückbleiben würden.

Peter ging zu Reini und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

»Hey, Kathy! Da unten liegt etwas«, rief er seiner ehemaligen Angestellten zu und deutete mit dem Finger auf den Boden. Sie bückte sich und wühlte im Sand nach dem, was Roehk meinte.

Dort war jedoch nichts. Vielmehr gewährte sie so unfreiwillig einen größeren Einblick in ihren Ausschnitt, sehr zur Freude von Reini Katschmarek und Peter Roehk, die amüsiert kicherten und ihre Biere leerten.

Kathy warf ihnen einen finsteren Blick zu, entschied sich jedoch nichts zu unternehmen, da sie kein Aufsehen erregen wollte.

Sie seufzte laut und machte sich wieder daran, ihren Teil des Zaunes fertig zu stellen. Plötzlich stand eine alte Frau mit aufgedunsenem Gesicht vor ihr. Kathy bekam einen Schreck und schrie kurz auf.

»Haben Sie Werner gesehen?,« fragte die Frau.

»Dort«, sagte Kathy und zeigte auf Niesewitz.

»Nicht der Werner. Mein Werner«, entgegnete die Frau giftig.

Kathy wusste nun, was Bohmar meinte.

Sie hatte den Vorfall kurz vor dem Start der BAMBUS nicht vergessen. Anscheinend hatte es Inge Bohmar selbst wohl vergessen, da sie ziemlich freundlich zu Kathy war.

»Ähm, nein. Ich habe ihren Werner nicht gesehen. Entschuldigung«, meinte Kathy und wollte weiter arbeiten.

Inge Bohmar packte sie an der Hand.

»Das tut weh«, beschwerte sich Kathy mit schmerzverzerrtem Gesicht. Die alte Terranerin war noch ziemlich rüstig.

»Junges Fräulein, ich war in der Mädchenjugend für die Herren der Straße«, fletschte Inge Bohmar. »Mit mir treibt man besser keine Späße. Du weißt doch wo Werner ist. Gibt es zu, du hast ihn verführt!«

Mist, sie hat es herausbekommen, dachte Kathy in einem Anflug von Ironie.

Langsam bekam die Terranerin es allerdings doch mit der Angst zu tun. Sie wusste nicht, wie sie mit der Geisteskranken umgehen sollte.

»Nein, habe ich nicht«, versuchte sie sich zu verteidigen.

Inge blickte ihr tief in die Augen. Kathy erkannte darin Wahnsinn und Bösartigkeit. Dann ließ die Terranerin plötzlich los und stapfte davon. Kathy sank geschockt auf den Boden und vergrub das Gesicht zwischen ihre Hände.

*

»Hunger... Hunger... Hunger...«

Das waren die schwachen Worte von Karl-Adolf Braunhauer, der im Feldlazarett auf einer Bahre lag und vor sich hin vegetierte. Die Gelbsucht hatte sich noch verschlimmert und sein körperlicher Zustand verschlechterte sich zusehends.

Lorif kümmerte sich um die Verwundeten. Es gab keinen Arzt auf der BAMBUS mehr. Der Posbi hatte Karl-Adolf untersucht und war zu einem unerfreulichen Befund gekommen.

Ottilie Braunhauer, Inge Bohmar, Reinhard Katschmarek und Werner Niesewitz hatten sich versammelt, um zu hören, was mit Karl-Adolf nicht stimmte.

»Na, was hat mein liebes Männlein denn?«, wollte Ottilie wissen.

»Halt die Klappe und lass den Doktor ausreden, du blöde Kuh«, herrschte Karl-Adolf, der trotz seiner Krankheit immer noch seinen spröden Charme besaß.

»Nun, es tut mir leid, aber ihr Mann leidet an Leberkrebs, Leberzirrhose, Hepatitis und Nierenkrebs. Zudem kommen zwei Herzattacken, diverse Knochenbrüche und ein Virus, den er sich hier eingefangen hat, hinzu. Bei den momentanen medizinischen Möglichkeiten, wird er wahrscheinlich innerhalb der nächsten Tage sterben.«

Ottilie Braunhauer fing an zu schreien. Auch Karl-Adolf konnte nicht glauben, was Lorif da eben gesagt hatte. Er fing bitterlich an zu weinen.

»Wie kannst du nur so schonungslos sein, du Blechhaufen«, herrschte Ottilie den Posbi an, der jedoch gelassen blieb.

»Die Eigenart der Menschen, um den heißen Brei zu reden, ändert nichts an der Tatsache«, erklärte Lorif. »In einem modernen Krankenhaus könnten wir sein Leben retten. In dieser Wildnis wird er sterben.«

»Ach Quatsch!« meinte Ottilie. »Er wird wieder gesund werden, nicht mein Vatichen?«

Die alte Terranerin nahm einen Monitor und streichelte ihn.

»Heile, heile Segen. Morgen gibt es Regen und der Vati wird nicht sterben, von wegen!«

Lorif starrte die Frau irritiert an.

»Okkulte Rituale werden ihn auch nicht wieder gesund machen. Bereiten sie ihn auf einen würdevollen Abgang vor und gestalten ihm die letzten Tage so angenehm wie möglich«, sagte der Posbi und verließ die Runde.

Karl-Adolf starrte ins Leere. Diese Nachricht hatte ihm die letzte Kraft geraubt. War er nun am Ende seines langen Weges? Er konnte es nicht glauben. Er war notwendig für das Universum. Karl-Adolf Braunhauer durfte nicht sterben. Es wäre ein zu großer Verlust für das zivilisierte Weltall gewesen.

Karl-Adolf schüttelte schwach den Kopf. Er musste sterben und solche Nichtsnutze wie Perry Rhodan durften leben. In seinen Augen stank diese Ungerechtigkeit zum Himmel.

»Los beeilt euch!«, schrie ein Dscherro und trieb die Gefangenen an. Etliche Baracken waren in den letzten vier Tagen errichtet worden.

Hinzu kamen eine Krankenstation, eine Forschungs- und Technikstation sowie etliche Wachtürme und Lagerhallen für Nahrungsmittel.

Auf den ersten Blick klang dies sehr gut, doch die Wahrheit war, dass das Lager eine heruntergekommene Befestigung aus Schlamm, Dreck, Holz und alten Metall war. Es gab so gut wie keine Waffen, außer denen, die die Dscherro bei sich trugen. Die Nahrungsmittel waren knapp und die Bezeichnung Forschungsstation war geschmeichelt, denn dort saß Lorif und versuchte, beschädigte Apparate der BAMBUS zu reparieren.

Die Medostation verdiente diesen Namen nicht, denn es gab dort kaum Medikamente und Instrumente für Operationen. Dieser Missstand war auch ein Versäumnis von Roehk, Niesewitz und Katschmarek, denn die drei Inhaber der BAMBUS hatten nur einen Arzt und zwei Sanitäter für die Reise eingestellt, die wiederum kaum Medikamente mitgenommen hatten, da man nicht davon ausgegangen war, dass es in den fünf Tagen zu ernsthaften Verletzungen kommen würde.

Weder der Arzt noch die Sanitäter hatten den Absturz überlebt und nur wenige Überlebende der BAMBUS besaßen eine Ausbildung als Sanitäter.

Diese Tatsachen kamen einem Todesurteil für viele der Schwerverletzten gleich. Einer von ihnen war Karl-Adolf Braunhauer.

Er lag immer noch auf seiner Liege und wurde zusehends schwächer. Das Essen, Trinken und Aufstehen fiel ihm immer schwerer.

Neve Prometh und Uthe Scorbit waren eingeteilt worden, um sich heute um die Kranken und Verwundeten zu kümmern.

Uthe überkam sogar etwas Mitleid, als sie Braunhauer dort liegen sah. Er war zwar immer ein unausstehlicher, spießiger und gefühlsloser Bürokrat gewesen, doch dieses Ende gönnte sie ihm auch nicht. Fern ab von jeder Zivilisation und fern ab von seinem Zuhause.

Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek hielten einen Besuch ab. Braunhauer registrierte sie kaum noch.

Er starrte nur in die Luft und schien auf sein Ende zu warten. Die Sanitäter konnten nichts mehr für ihn tun.

»Mensch, Karl-Adolf! Was machste bloß für Sachen. Vor ein paar Wochen haben wir doch noch gemeinsam einen gehoben«, meinte Reini traurig.

Jetzt kamen wieder langsam Regungen in den scheinbar absterbenden Körper des alten Terraners, der schon in der WIDDER gedient hatte. Sichtlich angestrengt versuchte er ein paar Worte zu sagen. Speichel lief ihm dabei aus den Mundwinkeln.

Misstrauisch blickte er zu Neve und Uthe, die das natürlich bemerkten und so taten, als würden sie ihm nicht zuhören.

»Ich werde sterben«, flüsterte er leise.

»Aber nicht doch, Karl-Adolf. Du wirst gesund werden und wir können wieder saufen«, versuchte Reini ihn aufzubauen. Niesewitz sagte nichts.

Karl-Adolf schüttelte den Kopf.

»Ich werde sterben. Nichts kann mich jetzt noch davor bewahren. Doch was soll jetzt aus dieser Welt werden, wenn ich nicht mehr da bin?«

Niesewitz wusste nicht, was er von dem Geschwätz des Sterbenden halten sollte.

»Was meinst du damit?«, wollte er nun wissen.

»Diese Welt ist schlecht. All dieser intergalaktische Abschaum, wie die Blues, Topsider, Maahks und Dscherro. Ich wünschte ich wäre in einer Welt gestorben, wo die Herrenrasse, der Mensch, über die Unterwesen regiert hätte.«

Ein Hustenanfall überkam Karl-Adolf. Schaum bildete sich vor seinem Mund.

Uthe und Neve eilten herbei, um dem alten Mann zu helfen. Erschöpft sank er wieder in sein Bett.

»Er braucht jetzt Ruhe, bitte geht!«, forderte Uthe Scorbit die beiden ungeliebten Besucher auf, doch keiner hörte auf sie.

Werner dachte über die Worte Karl-Adolfs nach. Und er pflichtete ihnen bei. Er war in einer Zeit aufgewachsen, als die vermeintliche Herrenrasse über Teile Terras regiert hatten. Schon oft hatte er den Gedanken gehabt, auch hier ähnliche Bestrebungen kund zu tun. Nicht zuletzt durch die Idee von Peter Roehk. Oder sollte man es vielmehr eine Vision nennen?

»Karl-Adolf, wir versprechen dir hoch und heilig, dass dein Wunsch erfüllt wird«, sagte Niesewitz in einem Tonfall, der Uthe erschrecken ließ.

Dann verließen beide das Krankenlager und ließen den schweratmenden Braunhauer zurück. Niesewitz und Katschmarek beschlich das Gefühl, ihn nie wieder lebendig zu sehen.

*

Taka Kudon, Vendor, Nor'Citel und Aurec saßen in einem Zelt und berieten über die Zukunft der Geiseln und der Dscherro.

Es regnete. Für viele eine angenehme Erholung nach den vier sehr heißen Tagen, die sie bereits auf dem Planeten waren.

»Das Schiff beunruhigt mich«, erklärte Leticron. Er wusste genau, dass es sich dabei nicht um die KARAN handelte.

»Vermutlich der fremde Angreifer«, meinte Aurec. Er hatte jedoch auch andere Probleme, die ihm auf dem Herzen lagen. »Was wird jetzt aus uns? Die BAMBUS ist ein Wrack. Wir müssen einen Funkspruch absenden und hoffen, dass er in Cartwheel gehört wird. Bis dahin sollten die Dscherro und die restlichen Intelligenzwesen zusammenarbeiten.«

»Nein!«, brüllte Taka Kudon. »Ihr seid nur Abschaum, der für uns arbeitet. Ihr werdet die BAMBUS reparieren. Noch heute fangt ihr damit an!«

»Das ist unmöglich«, sagte Aurec energisch.

»Ich werde jede Stunde 10 Geiseln erschießen lassen, solange bis es möglich sein wird!«

Aurec erkannte immer mehr, dass man mit den Dscherro nicht verhandeln konnte. Sie waren so einfältig, dass sie nicht einmal erkannten, wann es für sie gefährlich wurde. Sollte der fremde Aggressor wirklich angreifen, mussten sie zusammenhalten, doch Taka Kudon verstand dies scheinbar nicht.

»Ihr ladet die Toten aus und dürft sie auch begraben. Dann beginnt ihr mit der Reparatur der BAMBUS«, erklärte der Taka nun mit ruhiger Stimme.

Aurec wusste, dass Widerspruch nichts nützen würde. Er musste auf eine bessere Gelegenheit warten.

»Dieser fremde Feind wird uns nichts tun, seit Tagen hat er nichts getan«, meinte Vendor. »Urucks Leute sind heil wieder aus dem Dschungel gekommen. Ich glaube nicht, dass er uns angreifen wird.«

Aurec verkniff sich einen Kommentar. Er blickte zu Nor'Citel, der resignierend auf den Boden schaute. Auch er konnte nichts gegen die Sturheit der Dscherro ausrichten. Taka Kudon und Vendor wurden immer eigenwilliger, je länger Cau Thon auf sich warten ließ.

»Macht euch jetzt an die Arbeit«, befahl Kudon und stand auf. Er gab Vendor ein Zeichen und dieser brachte Aurec und Nor'Citel zum Ausgang der Zeltes.

Es regnete noch immer. Die Lichter wurden angeschaltet, Schreie waren zu hören und das Brüllen der Dscherro, die die Geiseln zusammentrieben.

Sie fingen an, Gräber auszuheben, während andere in das Wrack gingen, um die Leichen zu bergen, die seit vier Tagen dort lagen.

Aurec atmete tief durch, er brauchte jetzt alle Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte.

Ein übler Gestank drang in Aurecs Nase. Da nutzte auch das Mundtuch nicht viel. Durch die Hitze waren die Körper schon am Verwesen. Hiesige Tiere hatten sich bereits an den Leichen zu schaffen gemacht.

Aurec warf einen Blick auf Andrews, Wallace, Scorbit und Dove, die neben ihm standen. Mit einem schwachen Nicken signalisierte er, dass man beginnen sollte.

Dove nahm gleich mehrere Leichen. Je schneller sie diesen Horror hinter sich gebracht hatten, desto besser.

Aurec bemerkte, dass sich zwei der Geiseln übergaben. Offensichtlich hatte ihnen der Anblick zugesetzt.

Die Dscherro hätten sogar die Frauen hereingeschickt, doch Aurec konnte dies gerade noch verhindern. Sie mussten jedoch die Gräber ausheben. Eine Aufgabe, die ebenso unschön war.

Der Saggittone begab sich in die Halle und sah viele verstümmelte Leichen. Sie waren Opfer der Dscherro geworden. Die Brutalität, mit welcher diese Bestien vorgegangen waren, ließ Aurec erschaudern.

Er entdeckte einige Waffen der Dscherro und der toten Sicherheitsbeamten. Bevor er sie aufheben konnte, hielt jemand seinen Arm fest. Erschreckt blickte Aurec hoch.

Zu seiner Verwunderung stand dort Darvos. Die Ertruser mit der versteinerten Miene blickte ihn ernst an, dann sagte er: »Die kannst du nicht alleine tragen, lass dir helfen.«

Aurec nickte nur. Daraufhin sammelten sie die Waffen ein und versteckten sie gut in den Lagerräumen der BAMBUS.

Kurz danach machten die beiden sich wieder daran, die Leichen aus den Räumen zu schaffen. Aurec stand an dem Tresen, wo alles anfing. Als er dort stand, explodierte die Tür und die Gehörnten stürmten brüllend herein.

Dann fiel ihm wieder Kathy ein. Und ihre Schwester! Ihr toter Körper lag vor dem Tresen. Aurec wurde schlecht, als er in ihr Gesicht sah. Die Augen waren noch weit geöffnet. Wo einst der Mund war, befand sich ein verkohltes Loch. Er nahm alle Selbstbeherrschung zusammen und trug den Leichnam aus der BAMBUS, direkt bis zum Grab.

Der Regen fiel in Strömen und erschwerte die Arbeit. Alles war matschig und schlammig. Der Saggittone hatte Mühe, voran zu kommen.

Massengräber waren ausgehoben worden. Welch ein unwürdiger Abschied von den Toten. Er wollte die Leiche in ein Grab legen, da stand Kathy vor ihm. Für einen kurzen Moment erschrak er. Sie war, wie auch er, völlig durchnässt und er konnte nicht erkennen, ob ihr Regentropfen vom Gesicht perlten oder ob es Tränen waren.

Jonathan Andrews kam auch hinzu und legte die Leiche eines hageren Blues in das Grab. Mit traurigem Gesicht bemerkte er, dass Aurec die Leiche von Kathys Schwester auf dem Arm trug.

»Kümmere dich um Kathy«, sagte Aurec.

Andrews nickte und nahm Kathys Hand, die wie angewurzelt stehenblieb. Behutsam zog er sie weg. Sie sollte sich das nicht mit ansehen.

Aurec legte die Leiche so sanft wie möglich in das Grab. Dann blickte er auf die anderen Toten, welche schon dort lagen. Knapp sechshundert Wesen waren bei dem Angriff der Dscherro und dem Absturz gestorben. Junge Wesen, die ihre Familien nie wiedersehen würden.

Der Saggittone drehte sich um und suchte Kathy, die auf einem Stein saß und bitterlich weinte. Sie war nur eine von vielen, deren Leben zerstört war. Die Toten hatten es hinter sich gebracht, doch die Überlebenden mussten weiter durch die Hölle gehen und Aurec hoffte, dass er ihnen helfen konnte, heil aus diesem Schrecken herauszukommen. Er ging zu Kathy und legte seinen Arm um ihre Schulter.

Das war etwas, was Aurec eigentlich sehr selten machte. Doch die Menschen und Außerirdischen brauchten seine Hilfe. Er musste ihnen Mut und Hoffnung.

Kathy legte ihren Kopf an seine Schulter und weinte. Aurec blickte auf die Gräber und entdeckte Vendor, der an einem Grab stand und dort hinein urinierte.

Dafür werde ich dich töten, schwor sich Aurec.

 

 

 

 

7. Evspor, der Nesjorianer

Der Regen prasselte auf die Außenhülle des Diskusraumers. Nur ein kleines blinkendes Lämpchen in der Mitte deutete auf Leben in dem Raumschiff hin.

Eine kleine Luke öffnete sich und vier kugelförmige, fußballgroße Robotsonden flogen aus der Öffnungen. Sie hatten zum Ziel, nach Leben auf dem Planeten zu suchen. Leben, das nicht auf Xamour gehörte.

Im Inneren des Schiffes befand sich nur ein Lebewesen. Es war Kommandant und Besatzung zugleich.

Das Licht in dem spartanisch eingerichteten Raumer war grünlich und spendete eigentlich nur wenig Helligkeit. Doch das brauchte er nicht.

Der Name des Kommandanten war Evspor. Evspor, der letzte der Nesjorianer!

Evspor gab den Befehl an seine Sonden, das Gebiet um die Gebirge zu erkunden und Fallen im Dschungel aufzubauen.

Evspor hatte das Lager der Fremden schon bei seiner Landung entdeckt. Er wollte sie vorerst nur beobachten, um herauszufinden, was sie vorhatten. Waren die elf Raumschiffe nur eine Vorhut gewesen? Agierten sie im Auftrag der Chaotarchen oder waren es lediglich Piraten?

Diese Fragen wollte Evspor klären.

Der Nesjorianer, ein kybernetisches Geschöpf der Kosmokraten, war völlig schwarz und besaß anstelle von Füßen Wadenblöcke.

Ein spartanischer Helm mit zwei Augen und einer Sprachöffnung bildete sein Gesicht. Alles in allem wirkte das künstliche Wesen furchteinflößend.

Es hatte den Auftrag, das Kosmonukleotid TRIICLE-3 vor Eindringlingen zu schützen. Sein Befehl lautete, alles zu vernichten, was nicht auf der Seite der Kosmokraten stand.

Diese Wesen waren ihm unbekannt und wirkten auf ihn nicht wie ein Hilfsvolk seiner Herren und Meister.

Durch einen Fehler in der Steuerung seines Schiffes hatte er das elfte Schiff der Eindringlinge vor seinem Absturz nicht mehr zerstören können. Er hatte gehofft, dass die Besatzung des Schiffes den Absturz nicht überleben würde. Bedauerlicherweise war dies nicht geschehen.

Sie hatten auf Xamour landen können, der alten verbotenen Welt. Eine Welt, die Evspor eigentlich meiden sollte, denn sie beherbergte ein dunkles Kapitel der Kosmokraten, doch er hatte keine andere Wahl. Nur so konnte er die Eindringlinge und potentielle Feinde vernichten.

Selbst wenn sie keine Abgesandten des Chaos waren, so musste er sicher gehen, dass sie keine Gefahr darstellten. Und tote Wesen stellten keine Gefahr dar.

 

8. Die Jagd nach dem Unbekannten

»Los, los«, brüllten die Dscherro am frühen Morgen und trieben einige Terraner zusammen. Vendor und Urucks hatten den Oberbefehl über diese Aktion.

Die Dscherro wollten wieder auf die Jagd gehen. Sie wollten nicht nur Wild erlegen, sondern auch nach dem feindlichen Aggressor suchen.

Taka Kudon glaubte nun doch, dass der Feind bald zuschlagen würde. Fünf Tage waren sie jetzt auf diesem Planeten. Vor vier Tagen war das fremde Schiff tief im Dschungel gelandet. Kudon nahm an, dass sie beobachtet wurden, deshalb gab er den Befehl, den Fremden zu suchen und zu vernichten.

»Urucks, wir teilen uns in vier Gruppen auf«, erklärte Vendor. »Je fünfzig Dscherro und fünfzehn Geiseln als Schutzschild und Köder für die Fremden. Wir durchkämmen den Dschungel auf einer Linie mit jeweils zwei Kilometer Abstand zu den anderen Gruppen.«

Aurec bekam erst spät mit, dass wieder Geiseln für die Jagd missbraucht wurden. Die 60 Geiseln waren bereits ausgesucht und wurden mitgeschleppt. Wer sich weigerte, wurde zusammengeschlagen. Aurec fand Jonathan Andrews, der besorgt den Geiseln hinterher blickte.

»Was haben die vor?«, wollte der Saggittone wissen.

»Sie wollen nach dem Angreifer suchen und den gesamten Dschungel durchkämmen. Die Geiseln sollen ihnen als Schutzschilde und Köder dienen«, sagte er mit belegter Stimme.

»Wer?«

Andrews blickte Aurec ernst an

»Jugendliche, meist Terraner, drei oder vier Blues, zwei Topsider und...«

»Und?«

»Franczy, Stony und Kathy!«

*

Urucks hatte 50 Soldaten um sich gruppiert. Dazu kamen die fünfzehn Geiseln, die einige Meter vor den Dscherro liefen.

Drei weitere Gruppen von Dscherros hatten sich in einem Radius von fünf Kilometern verteilt und durchkämmten auf einer Linie den Dschungel.

Urucks war ein sehr schlanker Dscherro, der sein Horn bei einem Zweikampf verloren hatte. Und vor dem nächsten Daschkar würde auch kein Neues mehr wachsen.

Der Dschungel war dicht und es war schwer, sich durch die Büsche zu kämpfen. Die Dscherro besaßen lange Vibrationsschwerter mit denen man leicht das Geäst abholzen konnte, doch für die Terraner war es umso schwieriger, denn man hatte sie nicht mit Waffen ausgerüstet.

»Weiter!«, brüllte Urucks die Terraner an.

Kathy Scolar, Franczy und Stony waren in einer Gruppe. Immerhin eine kleine Erleichterung. Kathy hatte Vertrauen in den starken Franczy und hoffte, er konnte sie beschützen.

Stony hatte weniger Vertrauen in die Fähigkeiten des Ertrusers. Er wusste genau, dass er nichts gegen die Dscherro ausrichten konnte. Langsam gingen sie durch das Dickicht. Schweiß lief ihnen von der Stirn, das Herz schlug schneller und die Furcht war ihr ständiger Begleiter.

Kathy lief direkt hinter Franczy, der sich mühelos durch den dichten Dschungel vorkämpfen konnte. Stony lief direkt hinter ihr. Die Luft war feucht und die Temperatur hoch.

Kathy wurde schwindlig und wäre beinahe hingefallen, doch Stony hielt sie.

»Halte durch«, ermahnte er sie.

Die Terranerin riss sich zusammen und schleppte sich weiter. Stony war zufrieden, dass er ihr geholfen hatte, plötzlich packten ihn zwei Hände am Kopf und zogen ihn hoch. Er strampelte, schrie und versuchte sich zu wehren.

»Stony!«, hörte er Kathy schreien und die Dscherro schossen sofort auf ihn.

Die Schüsse galten jedoch vielmehr seinem Entführer. Dieser hatte ein Antigrav und schoss durch den dichten Dschungel, so dass die Dscherro ihn verfehlten. Dann landete er auf einem Baum und warf Stony auf einen Ast.

Der Terraner versuchte sofort, sich zu wehren, doch der Gegner brach Stony mit einem gezielten Schlag das Rückgrat.

Dann packte er ihn. »Sag mir, in wessen Auftrag seid ihr unterwegs?«

Stony verstand nicht, was der Nesjorianer meinte. Das war ihm auch relativ egal, denn die Schmerzen waren zu groß. Er verlor das Bewusstsein.

Wie Müll warf Evspor den Terraner vom Ast und besiegelte sein Schicksal. Plötzlich summte sein Sender auf.

Die Fremden bewegten sich auf sein Schiff zu!

*

»Sie müssen hier irgendwo sein«, kreischte Urucks und nahm Funkkontakt mit Vendor auf. Er informierte ihn über den Verlust des Terraners.

»Gebt acht, er muss hier irgendwo sein«, meinte Vendor und beendete die Funkverbindung. Urucks entsicherte sein Thermogewehr und trieb die restlichen Geiseln an.

Kathy hatte große Angst. Sie konnte den Tod von Stony nicht fassen. Es war für die Terranerin, als sei sie in einem Horrorfilm, der nicht enden wollte. Von Franczy konnte sie keine tröstenden Worte erwarten. Er konzentrierte sich vielmehr auf das, was noch kam.

Plötzlich zischte ein Energieblitz auf und durchbohrte Urucks. Er war sofort tot und brach zusammen.

Die anderen Dscherro waren verwirrt und schossen wild um sich. Weitere Energieblitze zischten aus dem Dickicht und jeder Schuss traf einen Dscherro.

Doch auch die Geiseln blieben nicht verschont. Franczy warf sich zu Boden und riss Kathy mit sich. Damit rettete der Ertruser ihr das Leben.

Die anderen Terraner, Arkoniden, Blues und Topsider wurden niedergemetzelt. Innerhalb weniger Minuten waren sie alle tot.

Die restlichen Dscherro flüchteten so schnell sie konnten. Hinter ihnen tauchten etwa fünf Zentimeter große Kugelsonden auf. Sie hefteten sich an die Körper der flüchtenden Gehörnten und explodierten.

*

Eine gewaltige Explosion ließ den Kosmokratendiener kurz aufhorchen. Er blickte auf sein Chronometer. Unzufrieden stellte er fest, dass die Sonden viel zu lange gebraucht hatten.

In seiner schweren Rüstung kam Evspor nur schwer voran, doch aufgrund seines gewaltigen Arsenals an technischen Waffen und Fortbewegungsmitteln war er ein behänder Gegner.

Er ging wieder zum Schiff und aktivierte den Orter. Knapp hundertachtzig Wesen trieben sich noch im Wald herum. Vorher waren es zweihundertdreißig gewesen!

Eine weitere Explosion ließ ihn aufhorchen. Sofort warf er einen Blick auf seinen Taster. Wieder fünfzig Gegner, stellte er zufrieden fest.

Die Übriggebliebenen zogen sich jedoch aus dem Dschungel zurück. Nun war es an der Zeit, dass Evspor selbst eingriff.

Auf seinem Rücken trug er einen Antigrav, den er startete. So schwebte der Nesjorianer über den Dschungel hinweg und suchte die Feinde.

Etwa zwanzig von ihnen entdeckte er auf einer Lichtung. Sofort entsicherte er seinen Thermostrahler und schoss mit sieben Schüssen acht der Feinde nieder.

Die anderen hatten sich schnell ins Dickicht geflüchtet, was sie jedoch nicht vor Evspors Taster schützte.

Er lokalisierte sie und warf eine Brandgranate in den Wald. Das Holz fing sofort Feuer und rasend schnell breitete sich das vernichtende Inferno aus. Die Fauna des Planeten flüchtete so schnell es ging, um den Flammen zu entgehen, doch nur die wenigsten schafften es.

Zusammen mit den feindlichen Eindringlingen starben sie einen qualvollen Tod. Das Ergebnis schien in Evspors Augen jedoch diese Gräueltat zu rechtfertigen. Nur ein Drittel der intergalaktischen Feinde konnte lebend den in Flammen stehenden Dschungel verlassen.

Eine gute Ausbeute, fand der Soldat der einstigen Kosmokratenflotte NESJOR, der wieder in seine Basis zurückkehrte, um sich dort auf einen Angriff auf das Lager vorzubereiten.

*

Vendor konnte nicht glauben, was eben passiert war. Knapp hundertfünfzig Dscherro wurden innerhalb weniger Minuten getötet!

Die Gehörnten hatten nicht den Hauch einer Chance gegen die fremden Angreifer gehabt. Urucks war tot, daran bestand kein Zweifel.

Der gesamte Dschungel stand in Flammen. Niemand konnte noch lebend aus diesem Flammenmeer entkommen sein.

Gebrochen kehrten die 50 Dscherro und fünf Terraner zur Station zurück. Taka Kudon erwartete seinen Stellvertreter und schlug ihm ins Gesicht.

»Was ist passiert, du Vollidiot?«, brüllte Taka Kudon aufgeregt.

Vendor schilderte die Lage.

Kudon war wütend und ängstlich zugleich. Er befahl, sofort die Wachen zu verstärken und sich auf einen Angriff des Feindes vorzubereiten.

Aurec rannte zu den Überlebenden und stellte mit Erschrecken fest, dass Kathy nicht dabei war. Auch Franczy und Stony waren nicht unter den Überlebenden.

Traurig blickte der Saggittone zu dem in Flammen stehenden Dschungel und nahm Abschied von der sympathischen Terranerin, die er doch unbedingt beschützen wollte. Er hatte es nicht geschafft!

Jonathan Andrews lag auf einem kleinen grünen Hügel und starrte in den Himmel. Neben ihm lag Marya.

»Liebst du mich?«, wollte sie wissen.

Er blickte Marya ernst an.

»Ich kann dir diese Frage nicht beantworten. In den letzten Tagen ist viel passiert. Ich habe Charaktereigenschaften an dir entdeckt, die mich erschreckt haben«, erklärte er ehrlich und direkt. Vielleicht zu direkt, überlegte er sich.

Marya stand auf und schlug Andrews ins Gesicht.

»Was fällt dir eigentlich ein? Du flirtest doch ständig mit diesem blonden Gift. Da soll ich mich nicht aufregen? Wir wurden von den Dscherro überfallen, sind auf diesem Planeten gestrandet und du bist mein einziger Bezugspunkt so weit weg von meiner Heimat. Hast du dir mal Gedanken gemacht, wie ich mich fühle? Ziemlich einsam!«

Marya fing an zu weinen. Das wollte Jonathan natürlich nicht. Er bekam ein schlechtes Gewissen und entschuldigte sich bei seiner Freundin.

*

An anderer Stelle saß Aurec auf einem Stein und beobachtete den Dschungel, der fast vollständig niedergebrannt war.

Er dachte an Kathy. Er hatte sie kaum gekannt. Sie hatte ihm jedoch auf der BAMBUS immer ein herzliches Lächeln geschenkt. Dann war eine Welt für sie zusammengebrochen, ihre Schwester war gestorben und sie war relativ allein. Aurec wollte sie beschützen und ihr helfen, doch er hatte versagt!

Der Saggittone machte sich schreckliche Vorwürfe und gab sich die Schuld für ihren Tod. Eine Leere überkam ihn. Fast den Tränen nahe versuchte er, sich abzulenken und sich nicht seinen Selbstvorwürfen hinzugeben.

 

9. Abschied von einem alten Mann

Ottilie Braunhauer torkelte durch die Gegend. Sie war wieder alkoholisiert. Inzwischen war es ein Dauerzustand für die Terranerin, da sie mit der Tatsache, dass ihr Mann bald sterben würde, nicht zurechtkam.

Uthe Scorbit und Neve Prometh hatten an diesem Morgen wieder Dienst. Sie unterhielten sich über den fremden Angreifer.

»Ich mache mir auch Sorgen um Aurec«, gestand Neve.

»Warum? Er ist unsere größte Hoffnung.«

»Mag sein, doch er macht sich Vorwürfe, weil so viele Gefangenen gestorben sind und noch immer sterben und er nichts dagegen tun kann.«

Plötzlich kam Ottilie Braunhauer in das Zelt und fiel beinahe hin. Neve und Uthe wussten sofort, dass sie völlig betrunken war.

»Ich will zu meinem Vatichen«, erklärte die alte Frau lallend und versuchte zu ihrem Mann zu gehen, musste jedoch von Neve gestützt werden.

Ottilie warf sich auf eine Liege, die neben der ihres Mannes stand, und fing an zu schluchzen. Neve sah Uthe bedrückt an, die jedoch immer weniger Mitleid für Ottilie empfinden konnte. Sie hatte ihre giftige und arrogante Art nicht vergessen.

Dennoch war sie kein Unmensch, ganz im Gegenteil. Sie setzte sich neben Ottilie und nahm sie in den Arm.

Karl-Adolf schlief noch.

»Wie kann er mir das antun? Dieser blöde Kerl! Was soll denn jetzt aus mir werden?«, schimpfte sie über ihren eigenen Mann.

Uthe überhörte diese Verwünschungen.

»Ach, Vatichen. Er war immer so ein gütiger und netter Mensch. Es ist so eine Ungerechtigkeit. Am liebsten würde ich mit ihm gehen. Wir beide wollen ja auf See beerdigt werden. Und zwar Zuhause auf der Erde. Nicht hier. Hier soll mein Vatichen nicht für immer ruhen...«

Neve und Uthe schwiegen. Karl-Adolf wurde wach. Wieder starrte er nur vor sich hin. Seit zwei Tagen hatte er nicht gesprochen. Seit sieben Tagen waren sie nun schon auf dieser Welt.

Plötzlich stand Ottilie auf und wühlte in den Taschen ihres Mannes. Sie durchstöberte seine Brieftasche und entdeckte einige hundert Galax.

»Oh, wie schön. Da habe ich noch etwas Geld. Das ist ja schön. Vatichen braucht die ja nicht mehr«, sagte sie freudestrahlend.

Neve und Uthe sahen sich ratlos an. Diese Frau war ihnen ein Rätsel. Erst bekam man mit ihr Mitleid, im nächsten Moment betrieb sie an den Sachen ihres Mannes Leichenfledderei, bevor dieser überhaupt tot war.

»Guck mal, Vatichen«, meinte sie.

Doch sie bekam keine Antwort. Der starre Blick von Karl-Adolf war auf seine Frau gerichtet. Die blauen Augen sahen sie leblos an.

»Was siehst du mich denn so blöde an?«, meckerte sie.

Uthe erschrak, als sie den Blick Braunhauers sah. Langsam ging sie zu Karl-Adolf Braunhauer hin. Seine Augen starrten ins Leere, sein Blick war glasig.

Sie fühlte seinen Puls, doch da war nichts mehr. Sein Herz schlug nicht mehr. Karl-Adolf Braunhauer war tot!

 

10. Eine Welt des Todes

Kathy und Francy hatten es rechtzeitig aus dem Dschungel geschafft. Sie waren in die entgegengesetzte Richtung gelaufen.

Völlig außer Atem erreichten sie eine Lichtung.

»Machen wir eine kurze Pause«, bat Kathy. Sie ließ sich auf einen Holzstamm nieder und atmete tief durch.

Die beiden waren seit Stunden unterwegs und hatten die Orientierung verloren. Hinter ihnen lag der rauchende Dschungel, vor ihnen eine schroffe Steinwüste. Ihr Ziel war jedoch das Gebirge, was auf der anderen Seite des brennenden Dschungels lag.

Sie mussten also einen Umweg machen, doch sie hatten sich in der Steinwüste verirrt. Jetzt hatten sie eine kleine Oase erreicht, mit einigen Bäumen und einem kleinen Bach.

Franczy lief unruhig umher und stellte sicher, dass sie alleine waren. Kathy beobachtete den Ertruser und sah in ihm immer noch eine Art Retter, der sie beschützen würde.

Dann fiel ihr Augenmerk auf etwas Schimmerndes hinter den Bäumen.

»Sieh mal«, sagte sie und deutete in die Richtung.

»Was?«, wollte Franczy wissen, da sah er auch, dass irgendetwas die Sonne reflektierte.

Der Umweltangepaßte war unbewaffnet. Eine Tatsache, die ihm nicht sonderlich gefiel. Er nahm einen dicken Ast und ging langsam zu den Bäumen um herauszufinden, was da die Sonne reflektierte.

Es war ein Raumschiff!

Kathy und Franczy beschlossen, sich das Raumschiff näher anzusehen. Es war hinter den Bäumen versteckt und besaß die Form eines Diskus.

»Wem gehört das Schiff?«, fragte sich Kathy.

Franczy schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht genau beantworten. Kathy beschlich ein komisches Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Kein Tier gab einen Laut von sich und die feuchte, stickige Luft machte ihr zu schaffen.

Franczy suchte eine Einstiegsluke, fand jedoch nichts.

»Lass uns lieber gehen und nach den anderen suchen«, schlug die Terranerin vor.

»Nein, ich will wissen, wessen Schiff das ist!«

Kathy schüttelte nur den Kopf und lief unruhig auf und ab. Sie traute sich nicht näher an das Schiff heran. Im Gegenteil, sie ging Schritt für Schritt zurück.

Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Entsetzt drehte sie sich um.

Aus dem Gebüsch kam eine schwarze Gestalt. Sie blieb für einen Moment stehen, als sie die beiden Eindringlinge sah.

Dann ging Evspor langsam auf Kathy zu, die jedoch weglief.

Franczy brach einen armdicken Ast vom Baum, rannte brüllend zu dem Kyberklon und schlug mit dem Ast auf ihn ein. Evspor wand Franczy den Ast aus den Händen und zerbrach ihn wie ein Streichholz.

Franczy stürzte sich auf die schwarze Kreatur und versuchte sie zu erwürgen. Ein sinnloses Unterfangen, denn der Kosmokratendiener war kräftiger als der auch nicht gerade schwache Ertruser. Er stieß ihn mühelos zu Boden.

Eine Hand des Schwarzen verformte sich zu einem Greifhaken. Mit diesem traf er den Sicherheitsmann im Rücken. Der Ertruser schrie laut auf und versuchte sich loszureißen. Es gelang ihm auch, doch Evspor setzte nach und schlug mit seinem Greifhaken in den Magen des Umweltangepaßten.

Dieser sackte zusammen und fiel auf die Knie. Blut floss aus seinem Mund, doch er richtete sich wieder auf und kämpfte weiter.

Kathy verfolgte entsetzt den Kampf. Evspor aktivierte seinen Antigrav und schwebte einen Meter über Franczy, der wie wild mit dem Greifhaken herumfuchtelte.

Langsam verließen ihn die Kräfte. Schweiß rann ihm über die Stirn und seine Verwundungen machten ihm schwer zu schaffen.

Evspor wartete auf seine Gelegenheit. Als Franczy einen Moment unaufmerksam war, schlug dieser zu. Er stürzte mit seinen Beinen auf den Ertruser und warf ihn zu Boden. Seine andere Hand verformte sich zu einer neuen Waffe, einen Vibrationsmesser. Er rammte es Franczy in die Brust und durchbohrte ihn damit. Der Ertruser hatte den Kampf verloren. Sein Leben wurde von dem Nesjorianer beendet.

Kathy sah entsetzt dem Schauspiel zu und versuchte davonzulaufen, doch Evspor war mit seinem Antigrav schneller. Er landete direkt vor der jungen Terranerin, die unsanft gegen ihn prallte und zu Boden fiel.

»Was willst du von mir? Lass mich in Ruhe. Ich habe dir doch nichts getan!«, schrie Kathy voller Angst.

»Gib mir Informationen über dein Volk und ich werde dich vielleicht verschonen«, entgegnete Evspor in Interkosmo. Er hatte inzwischen genügend Zeit gehabt, die Sprache zu studieren.

»Was willst du wissen?«, Kathy strömten die Tränen über das Gesicht. Sie hatte große Angst um ihr Leben und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen.

»Wessen Anhänger des Chaos dient ihr? Xpomol? Dem Dekalog der Elemente? Oder gar MODROR? Sprich!«

»Ich kenne keinen einzigen von den Typen«, antwortete Kathy wahrheitsgemäß.

»Wessen Allianz gehört ihr an? Rede!«, forderte Evspor barsch.

Kathy hatte große Angst und konnte sich kaum mehr beruhigen. Weinend und hastig atmend versuchte sie trotzdem, die Fragen des Kyberklon zu beantworten.

»Wir sind Terraner... und gehören der Koalition Thoregon an... Wir kamen in die Galaxis Cartwheel, um in Auftrag der Superintelligenz DORGON gegen die Armeen von Cau Thon und seinem Meister zu kämpfen«, berichtete sie. Sie war erleichtert, dass sie all das zusammenbekommen hatte.

Evspor schien für eine Weile zu überlegen.

»Cau Thon...«

Er legte eine seltsame Betonung in diesen Namen.

»Wir haben dir nichts getan. Lass uns doch endlich in Ruhe«, flüsterte sie und weinte bitterlich.

Evspor blieb jedoch unbarmherzig.

»Ihr Terraner seid in das Hoheitsgebiet des Kosmonukleotid TRIICLE-3 eingedrungen. Ihr habt meine Warnungen missachtet. Dafür werdet ihr den Zorn der Kosmokraten zu spüren bekommen.«

*

Einige Tage verstrichen. Seit zwölf Tagen nun verweilten die Gestrandeten auf der seltsamen Welt, die so unterschiedliche Kontraste bot.

Aurec lief unruhig an der Umzäunung für die Gefangenen entlang. Er gehörte zu den privilegierten Geiseln, die sich frei bewegen durften. Sie sollten wichtige Arbeiten für die Dscherro erledigen, die auf die Ankunft ihrer Artgenossen warteten.

Wo sollten die Terraner, Saggittonen und Galaktiker auch hin fliehen? Aurec beobachtete den Dschungel. Alles Leben war aus den Wäldern gewichen, doch der mysteriöse Angreifer hatte seit Tagen nichts mehr von sich hören oder sehen lassen.

Bis jetzt hatte ihn auch niemand zu Gesicht bekommen. Er tötete schnell und präzise.

Aurec fühlte sich seitdem leer. Er gestand es sich erst jetzt ein, doch die hübsche Terranerin Kathy Scolar hatte ihn in ihren Bann gezogen. Ihr sympathisches Lächeln, ihr attraktives Äußeres. Mehr hatte er kaum von ihr kennengelernt. Mehr Zeit war nicht gewesen.

Er hatte ihr versprochen, sich um sie zu kümmern, doch er hatte versagt. Nicht nur bei ihr, bei allen. Er hatte den Tod der unzähligen Cartwheelern nicht verhindern können.

Er gestand sich selbst ein, versagt zu haben. Hätte Perry Rhodan es anders gemacht? Was wäre ihm eingefallen, um sie zu retten?

Aurec zweifelte an sich selbst, denn er wusste nicht, ob das ganze Projekt auf der Insel nicht eine Nummer zu groß für ihn war. Er hatte auch die Vernichtung Saggittors nicht verhindern und nur einen Bruchteil seines Volkes mit nach Cartwheel nehmen können. Die Mehrzahl der Saggittonen war zurückgeblieben. Ihnen sollte von DORGON geholfen werden. Nur mit diesem Versprechen hatte Aurec sie zurück gelassen.

Er hatte gehofft, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Ein krachendes Geräusch ließ sie hochschrecken. Aurec blickte in den Himmel. Ein helles Licht wurde immer größer bis es eine Kontur annahm. Es war ein H-förmiges Raumschiff.

Jonathan Andrews kam, so schnell er konnte, angerannt und beobachtete ebenfalls das Raumschiff.

Aurec blickte ihn fragend an. Völlig außer Atem kam Andrews zum Stehen.

»Die KARAN.«

Er blickte Aurec ernst an.

»Cau Thons Schiff!«

 

11. Söhne des Chaos

Die KARAN machte keine großen Anstalten, unentdeckt zu bleiben. Das Schiff Cau Thons landete direkt vor dem Lager.

Die Dscherro stürmten aus ihren Zelten. Leticron ging zu Taka Kudon und informierte ihn, dass nun sein Auftraggeber angekommen war.

Leticron hielt sich zurück. Keiner der Anwesenden durfte vorzeitig herausfinden, dass er ebenfalls ein Sohn des Chaos war.

Die KARAN hatte ihr Landemanöver beendet. Als die Luke aufging, schien ein rotes Leuchten aus dem Schleusenraum des Raumers.

Zehn Kreaturen traten in zwei Reihen aus dem Raumschiff. Sie waren alle in eine schwarze Rüstung gekleidet und ihr Kopf glich dem Schädel eines Skeletts. Es war nicht festzustellen, ob es lediglich ein Helm oder tatsächlich der Kopf der Kreaturen war.

Sie bildeten eine Gasse und salutierten. Dann kamen die beiden Söhne des Chaos aus der KARAN.

Zuerst Goshkan. Bei seinem Anblick stieg die Wut in Andrews auf. Er hatte die schrecklichen Augenblicke in der Galaxis Zerachon nicht vergessen, an denen Goshkan die Schuld trug.

»War das nicht der Kerl, der dein Bauernmädchen umgelegt hat?«, erkundigte sich Marya taktlos.

Andrews wären beinahe die Tränen gekommen, denn er hatte die schrecklichen Bilder von Jerates Leichnam immer noch vor Augen.

Hinter Goshkan kam dann der Meister selbst – Cau Thon!

Langsam und bedrohlich schritt er den ausgefahrenen Laufsteg hinunter. Er trug seine schwarze Montur und hielt den Caritstab in der rechten Hand. Bei jedem zweiten Schritt stieß er damit auf den Boden auf, was ein hässliches Geräusch machte.

Er hielt vor Taka Kudon und Vendor an. Sein Blick schien die zwei Dscherro zu durchdringen. Eine Weile starrten sich beide Parteien nur an, dann endlich verbeugte sich Taka Kudon und zollte damit dem Sohn des Chaos den gebührenden Respekt.

»Berichte, Dscherro!«

»Wir haben etwa viertausendfünfhundert Gefangene, darunter auch zwei Mitglieder des Paxus-Rates – Nor'Citel und Aurec. Ebenfalls unter unseren Gefangenen sind Jonathan Andrews, Remus und Uthe Scorbit, Mathew Wallace, Irwan Dove und der Posbi Lorif.«

Taka Kudons Brust schwellte vor Stolz an.

Cau Thon blieb unbeeindruckt.

»Wo sind eure Schiffe und warum seid ihr hier gestrandet?«

Taka Kudon wusste nicht, was er sagen sollte. Er gab einen Grunzlaut von sich und redete etwas Unverständliches.

»Wir... wir wurden angegriffen.«

»Von wem?«

»Keine Ahnung.«

»Ist das Problem beseitigt?«

»Nein.«

Cau Thons Miene verfinsterte sich zusehends.

»Ihr scheint wenig zu wissen, ihr gehörnten Narren! Goshkan, du kümmerst dich um das Problem. Ich gehe in die Wüste und will ungestört bleiben. Berichte mir erst, wenn der Aggressor beseitigt ist.«

Goshkan bestätigte die Befehle seines Meisters und Bruders des Chaos, der sich umdrehte und einen einsitzigen Fluggleiter betrat. Cau Thon aktivierte die Triebwerke und flog mit einem ohrenbetäubenden Lärm davon.

*

Goshkan wandte sich den Dscherro und den Gefangenen zu. Er schien diesen Augenblick zu genießen.

Aurec musterte den Katronen. Bis jetzt kannte er Goshkan und Cau Thon nur vom Hörensagen. Nun stand er ihnen gegenüber. Der Sohn des Chaos war bisher sehr versteckt vorgegangen. Es hieß, er sei vor mehr als dreißig Jahren auf der Welt Neles gewesen, während der Geburt von Cauthon Despair.

Der rothäutige Sohn des Chaos hatte Aurec und die anderen nicht sonderlich beachtet. Ihn schien vielmehr etwas anderes zu interessieren. Irgendetwas auf diesem Planeten.

»Soso, Jonathan Andrews ist auch hier«, sprach Goshkan überlegen. Er stemmte seine kräftigen Hände in seine stark gebauten Hüften.

Andrews ermahnte sich selbst, die Ruhe zu bewahren. So hatte es Gal'Arn ihn in den wenigen Monaten gelehrt. Er war noch lange nicht reif, ein Ritter der Tiefe zu werden. Dessen war sich Jonathan durchaus bewusst, doch jetzt musste er zeigen, was in ihm steckte.

Goshkan ging langsam zu dem Orbiter Gal'Arns und musterte ihn abfällig von oben bis unten. Die spitzen Stoßzähne drangen beinahe in das Fleisch des Terraners ein und der üble Gestank von Goshkans Atem drang in Jonathans Nase.

»Sie hat fürchterlich geschrien. Weißt du, es ist manchmal ziemlich anstrengend, das Chaos zu vertreten. Viele Entbehrungen und Pflichten. Zuweilen jedoch ist es das reinste Vergnügen.«

Andrews bebte innerlich, doch er dachte immer wieder an Gal'Arn, der in dieser Situation bestimmt die Kontrolle über sich behalten würde.

Goshkan blickte nach links und rechts. Dort entdeckte er Marya und Jezzica. Der Katrone wandte sich ab und ging zu den zwei Frauen.

»Wer ist denn jetzt dein Weibchen? Sie?«

Marya zitterte vor Angst und traute sich nicht einmal zu atmen.

»Ich habe keine Freundin, Goshkan.«

Der Riese gab ein enttäuschtes, leises Tröten von sich. Er hielt Marya die Klinge an die Kehle. Andrews war sofort bereit dazwischen zu springen. Die Atmosphäre war geladen.

Tränen strömten über Maryas Gesicht. Sie hatte große Angst, jetzt zu sterben und machte einen verhängnisvollen Fehler.

»Jonathan, hilf mir doch. Ich will nicht sterben. Liebst du mich denn nicht?«

Goshkan lachte über die Naivität der jungen Terranerin.

»Keine Freundin? So? Dann wird es dir wohl nichts ausmachen, wenn ich ihre Kehle durchschneide?«

»Nein!«, rief Andrews und stellte sich schützend vor seine Freundin.

Jezzica beobachtete das Schauspiel ruhig. Im Gegensatz zu Marya wünschte sie ihrer Rivalin nicht den Tod.

Goshkan ließ von den beiden ab und lief zu Taka Kudon.

»Berichte über den fremden Feind.«

Taka Kudon erzählte, was er wusste, es war aber nicht sonderlich viel.

Goshkan zuckte vor Wut zusammen, als er hörte, dass die Dscherro bis jetzt zehn Raumschiffe und knapp zweihundert Mann auf diesem Planeten verloren hatten. Goshkan hatte nur etwa hundert Skurit-Soldaten auf der KARAN.

Er beschloss, den fremden Feind außer Acht zu lassen, und ging mit dem Anführer der Dscherro alleine durch das Lager.

»Ich will Aurec, Andrews, die Scorbits, Wallace, Lorif und Dove gesondert sehen. Sie stehen ab sofort unter strengster Bewachung. Cau Thon wird sich ihrer persönlich annehmen.«

Taka Kudon nickte unterwürfig.

»Was wird aus den restlichen Geiseln?«

»Zurück nach Cartwheel. Dort wird Nor'Citel als gefeierter Held die Rettung der Wesen bekanntgeben. Du wirst dich offiziell entschuldigen und von deinem Amt zurücktreten.«

Kudon war damit nicht einverstanden. »Aber was soll dann aus mir werden?«

»Du kannst ja weiterhin regieren. Jedoch lediglich aus der hinteren Reihe. Eine fürstliche Belohnung wartet ebenfalls auf dich und deine Artgenossen.«

Diesmal hatte Kudon nichts mehr einzuwenden. Er glaubte dem Sohn des Chaos.

Doch die Brüder des Chaos hatten andere Pläne mit Taka Kudon. Sowohl er als auch seine eingeweihten Untergebenen würden Cartwheel niemals lebend erreichen.

 

12. Evspors Angriff

Die Dscherro selektierten die Gefangenen. Sicherheitsbeamte, Besatzungsmitglieder der BAMBUS und die Helden aus Dorgon und Zerachon wurden in ein Extralager gesteckt, während die restlichen Geiseln weiterhin in den dafür vorgesehenen Baracken untergebracht waren.

Goshkan hatte alle Dscherro angewiesen, kein Blut mehr zu vergießen. In den letzten Monaten hatte Goshkan viel Disziplin und Selbstbeherrschung aufbringen müssen. Doch diese hinzugewonnenen Attribute machten ihn umso gefährlicher.

Vendor sollte die besonderen Gefangenen bewachen. Grimmig musterte er sie und hätte sie sofort getötet, doch er durfte sich nicht den Befehlen widersetzen.

Dove, Wallace und Lorif kauerten in einer Ecke und überlegten, wie sie entkommen konnten.

Jonathan Andrews tröstete Marya und Remus Scorbit kümmerte sich um seine Frau.

Jezzica Tazum saß mit Krizoff, Ferby, Abfallhaufen, Darvos, Katschmarek, Reiko, Roehk und Niesewitz am anderen Ende des Raumes.

Aurec lief unruhig umher und blickte auf den abgebrannten Dschungel. Noch immer loderten einzelne Brände, und schwarzer Rauch zog über den einstigen Hort des Lebens.

Plötzlich tauchte eine humanoide Gestalt aus dem Dschungel auf. Sie lief hastig in Richtung Camp.

»Seht mal«, rief Aurec.

Sofort rannten einige zum Fenster und entdeckten ebenso schnell die junge Frau, die immer näher kam. Sie trug eine weiße Flagge mit sich und hielt sie hoch. Damit symbolisierte sie, dass sie in Frieden kam.

»Kathy«, sagte Krizoff.

Aurec glaubte nicht daran. Doch es war tatsächlich Kathy Scolar. Sie lebte! Zuerst wollte er die Wachen rufen, doch als er Vendor sah, schwieg er lieber.

In diesem Moment brachte Goshkan, von zwei der mysteriösen Skelettsoldaten eskortiert, Nor'Citel von einem »Verhör« zurück. Tatsächlich hatten die beiden Söhne des Chaos ihre weitere Vorgehensweise besprochen.

Leticron spielte den Erschöpften und warf sich auf eine Liege, die beinahe unter dem Druck zusammenbrach.

»Goshkan!«, rief Taka Kudon aufgeregt und eilte zu dem Katronen.

»Was gibt es?«

»Eine Terranerin mit weißer Flagge ist aus dem Dschungel aufgetaucht. Sie sagt, sie kommt in Frieden und im Auftrag des fremden Angreifers«, erklärte der Dscherro hastig.

Goshkan musterte die Terranerin, die erschöpft auf den Boden sank und beinahe das Bewusstsein verlor.

»Bringt sie her!«, befahl er.

Zwei Dscherro packten Kathy und schleppten sie zum Zellentrakt. Aurec war erleichtert sie wiederzusehen. Für einen kurzen Moment wechselten sie einen Blick.

Krizoff versuchte, sie zu erreichen. »Kathy, alles in Ordnung?«

»Schweig!«, brüllte Vendor und schlug dem Olymper ins Gesicht.

Schreiend fiel Krizoff auf den Rücken und hielt sich die blutende Nase.

»Sprich«, forderte Goshkan Kathy auf, doch sie atmete nur schwer und versuchte die Erlebnisse zu verarbeiten.

»Rede!«, rief Goshkan lauter und trat sie zu Boden. Er zog einen Dolch und hielt ihn ihr an die Halsschlagader.

»Hör auf!«, forderte Aurec. Sofort ließ Goshkan Kathy los und packte den Saggittonen.

»So, der große Aurec hat das erste Mal mit mir gesprochen. Ich habe schon viel von dir gehört und es wäre mir eine Ehre, dich sofort zu töten«, schnaubte der Katrone.

Aurec blieb gelassen.

»Du benimmst dich wie ein Elefant im Porzellanladen. Lass mich mit ihr reden.«

Goshkan dachte kurz nach, dann wies er Vendor an, die Stahlgittertür zu öffnen. Der Dscherro tat dies nur widerwillig. Er bebte innerlich und konnte sich nicht mehr lange zurückhalten. Vendor war eine tickende Zeitbombe. Wann würde sie detonieren?

Aurec ging langsam aus der Zelle hinaus und beugte sich über Kathy. Behutsam streichelte er ihr über das braune Haar und half ihr auf. Sie weinte bitterlich.

»Ganz ruhig. Alles ist gut. Du bist jetzt wieder bei uns«, flüsterte Aurec beruhigend. Er setzte sich mit ihr auf eine Liege und hielt sie in den Armen.

Goshkan widerte dieses Bild an. Er verabscheute die Schwäche dieser Wesen. Sie nannten es Liebe, Freundschaft und Zuneigung. Goshkan kannte diese Tugenden nicht und war stolz darauf.

Als sich Kathy langsam beruhigt hatte, begann sie zu erzählen: »Stony und Francy sind tot. Dieser Evspor hat sie getötet.«

»Wer ist Evspor?«, forschte Aurec nach.

»Er ist der Angreifer. Ein künstliches Wesen in einer schwarzen Rüstung, soweit ich das sehen konnte. Ich soll euch folgende Nachricht von ihm ausrichten: Evspor ist der Wächter des Kosmonukleotids TRIICLE-3. Er fordert euch auf, sofort die Welt zu verlassen. Ansonsten wird euch der Tod ereilen«, gab sie mit belegter Stimme wieder.

Aurec blickte zu Goshkan, der überlegen lachte.

»Ein Wesen gegen eine Horde Dscherro und meine Elitesoldaten. Ein ungleicher Kampf. Hackt der Terranerin den Kopf ab und schreibt mit Blut ›nein‹ auf ihre Stirn«, befahl Goshkan.

»Niemals!«

»Du hast Mut, Aurec! Doch der wird dir auch nichts mehr nützen«, brüllte Goshkan und zog seinen Caritsäbel.

Bevor er jedoch zuschlagen konnte, erschien eine Holographie von Cau Thon direkt vor seinem Bruder des Chaos.

»Halt ein, Goshkan. Unser Meister wünscht Aurec lebendig zu besitzen. Das Weibchen kann leben. Bringe Aurec und die anderen zu der Ruinenstadt. Dort soll die KARAN auf mich warten«, sprach Cau Thon.

Es erschien eine Karte mit den Koordinaten der Stadt, dann wurde die Verbindung von Thon unterbrochen.

Goshkan steckte den Säbel wieder in seine Halterung und brummte unzufrieden. Er befahl Vendor Aurec und die anderen zur KARAN zu bringen.

Er nahm sich vor, dieser Kathy Scolar bei nächster Gelegenheit eigenhändig die Haut vom Körper abzuziehen.

Kathy wurde zu den anderen gebracht, während Aurec, die Scorbits, Weydner, Andrews, Wallace, Dove und Lorif von Vendor aus der Zelle gebracht wurden.

Der Saggittone wunderte sich, warum Nor'Citel nicht mitgenommen wurde. Der Pariczaner lag immer noch auf der Liege und tat so, als ob er schlief.

Vendor grunzte und schnaubte. Die Augen waren blutunterlaufen.

»Geht zur KARAN. Ich kümmere mich derweilen um die anderen«, sprach er und befahl zwei Dscherros die Geiseln zu Cau Thons Schiff zu bringen.

Als die Dscherro gegangen waren, zog er seine Axt und öffnete die Zellentür. Er ging zu Jezzica Tazum, die ängstlich aufschrie. Gerade, als er zuschlagen wollte, erschütterte eine Detonation das Gebäude.

Weitere Explosionen folgten. Aurec und die anderen nutzten die Gelegenheit, um die beiden Dscherro unschädlich zu machen.

Wallace blickte in den Himmel. Dort flog der Diskusraumer und bombardierte das Lager. Das musste Evspor sein. Anscheinend hatte er geahnt, dass die Dscherro nicht abziehen würden.

»Los, raus hier!«, rief Aurec den anderen in der Zelle zu.

Vendor drehte sich um und rannte schreiend auf den Saggittonen zu, der dem tödlichen Schlag mit der Axt auswich. Dann packten Darvos und Dove den wilden Dscherro und konnten der Bestie die Axt entreißen.

Sie schlugen ihn nieder und schlossen ihn in der Zelle ein. Vendor sprang auf und rüttelte wie ein wildgewordener Gorilla an den Stäben.

»Ihr kommt nicht weit. Ich finde euch und werde euch töten! Ihr seid tot. Tot! Tot! Tot!«

Aurec hörte dem Dscherro schon gar nicht mehr zu. Sie versuchten, irgendwo Schutz vor den Bomben des Raumers zu finden.

Die KARAN stieg auf und beschoss den Diskusraumer, der an Höhe gewann und den Angriff auf das Lager einstellte.

Goshkan und Evspor lieferten sich eine Verfolgungsjagd quer über den Planeten.

»Los jetzt«, rief Aurec und rannte mit den anderen zu den Baracken.

Sie erbeuteten ein paar Waffen von toten Dscherros. Dann stoppte Aurec und ging zu Darvos.

»Hol die Waffen aus dem Versteck in der BAMBUS.«

Der Ertruser nickte und lief mit Wallace, Dove und Lorif los.

Andrews und Aurec öffneten die Zellentüren. Drei Dscherro kamen angelaufen, doch der Terraner und der Saggittone waren schneller. Mit den erbeuteten Waffen schossen sie die drei Gehörnten nieder und befreiten dann die Geiseln.

»Lauft zur BAMBUS und bewaffnet euch«, befahl Aurec, doch da kamen bereits die Skelettsoldaten und umzingelten zusammen mit den Dscherro die Cartwheeler.

Aurec erkannte, dass die Lage für sie momentan aussichtslos war. Er ließ seine Waffe fallen, die anderen taten es ihm gleich. Der Ausbruchsversuch war fehlgeschlagen.

»Unsere Brüder!«, rief Taka Kudon. Plötzlich tauchten zwanzig Dscherroraumer im Orbit von Xamour auf.

Aurec senkte den Kopf. Die Schlacht war verloren. Nun hatten sie keine Chance mehr.

Vendor kam angerannt und stieß Aurec zu Boden. Er schlug wie wild auf ihn ein. Kathy warf sich dazwischen und versuchte die Bestie davon abzuhalten, doch sie wurde mit einem Schlag ebenfalls zu Boden geworfen.

Jetzt griff auch Andrews ein, doch die anderen Dscherro hielten ihn zurück. Vendor nahm seine Axt und hielt sie direkt über Aurecs Kopf.

»Jetzt stirbst du, du mieser dreckiger Saggittone. Stirb!«, brüllte Vendor. Seine Stimme überschlug sich, sein Körper vibrierte und Speichel rann über sein Kinn.

Aurecs sah sein Ende gekommen. Er blickte auf die spitze Klinge der Axt und schloss mit seinem Leben ab. Plötzlich explodierte eines der Dscherroraumer. Ein lautes Aufschreien ging durch die Massen. Was war nun passiert?

Ein Kugelraumer wurde sichtbar. Es war ein terranischer Raumer. Auf dem Ringwulst stand TAKVORIAN II.

Jubel ging durch die Reihen der Geiseln. Plötzlich tauchten immer mehr terranische Space-Jets und Raumer auf. Doch auch saggittonische Schiffe und Adlerschiffe der Dorgonen waren dabei. Sie jagten die Dscherroraumer im Orbit und lieferten sich eine Schlacht mit ihnen.

Die TERSAL und einige Space-Jets steuerten auf das Lager zu. Die Dscherro waren wie gelähmt. Einige Schourchten landeten ebenfalls und verstärkten die Truppen Taka Kudons.

»Sofort angreifen!«, rief der Taka. Er konnte nicht verstehen, was passiert war. Die Situation war seit dem Angriff Evspors außer Kontrolle geraten.

Zwei Space-Jets der Terraner und drei saggittonische und dorgonische Fähren landeten. Etliche Soldaten stürmten heraus und begannen sofort auf die Dscherro und Skeletteinheiten zu feuern.

Die TERSAL landete direkt neben dem Schlachtfeld. Gal'Arn, Jaktar, Gucky und Jan Scorbit stürmten hinaus. Einige Dscherro hielten auf sie zu, doch Gucky wischte sie mit einem telekinetischen Impuls einfach weg.

Gal'Arn zog sein Caritschwert und stürzte sich in das Getümmel. Andrews rannte zu ihm, wollte ihn umarmen, doch ein paar Dscherro störten die Begrüßung. Problemlos konnte Gal'Arn sie bezwingen.

»Ich freue mich, dich lebend wiederzusehen«, sagte Gal'Arn völlig außer Atem.

»Wie habt ihr uns gefunden?«, wollte Andrews wissen.

»Ein Leichtes. Der Nachschub der Dscherro war zu offensichtlich gewesen. Wir haben sie observiert und die Schiffe verfolgt, als sie Cartwheel verließen.«

Die Dscherro wurden aus dem Bereich des Lagers zurückgedrängt. So entstand für eine Weile eine Ruhepause.

Aurec zeigte sich erfreut, Gal'Arn und Gucky zu sehen. Der Mausbiber ging zu Kathy, da er spürte, wie angeschlagen sie war.

»Hey, Kleines! Aufgepasst, denn hier kommt nicht der Terminator, auch nicht der Herminator oder Nominator, sondern der Guckynator, der Retter des Universums, der Überall-Zugleich-Töter, kurzum Sonderoffizier Leutnant Guck meldet sich zu Stelle«, sagte Gucky und salutierte kurz.

Kathy musste lachen. Damit hatte der Ilt sein Ziel erreicht.

»Jetzt wo ich dich gerettet habe, kannst du mich ruhig etwas hinter den Ohren kraulen«, meinte der kleine pelzige Unsterbliche und setzte sich auf den Schoß der Terranerin. Kathy ließ sich dies nicht zweimal sagen.

Jan Scorbit begrüßte seinen Bruder und seine Schwägerin mit einer Umarmung.

Jan Scorbit und zwei Soldaten halfen den Passagieren in die Kreuzer und Space-Jets, darunter Anica, Jaquine, Ottilie Braunhauer, Yasmin Weydner und Inge Bohmar.

Plötzlich landeten weitere Fähren der Dscherro im Lager. Bis an die Zähne bewaffnete Soldaten stürmten heraus und verwandelten das Lager erneut in ein Schlachtfeld.

»Bringt die Geiseln in Sicherheit, ich werde Cau Thon suchen«, rief Aurec.

Er rannte zu einem Gleiter und stieg ein. Er kannte zwar die Koordinaten, doch der Saggittone wusste nicht, was ihn dort erwarten würde.

 

13. Die Schlacht um Xamour

Gal'Arn wies sofort an, die Geiseln in Gleiter und Space-Jets zu bringen.

»Einige der Leute sollen die Gleiter benutzen. Die TAKVORIAN wird hier landen und sie dann aufnehmen«, rief Gal'Arn.

Yan Cruze lief ihnen hinterher. Doch der schwergewichtige Terraner stolperte über seine eigenen Füße. Ein Dscherro flog auf ihn zu und Cruze schrie vor Angst. Gucky erkannte das und rettete den Mann in letzter Sekunde.

»Ich will nicht sterben!«, jammerte er.

»Wow. Ich kann Bully nicht länger Dicker nennen, wenn ich dich so sehe«, scherzte Gucky und richtete Cruze telekinetisch auf.

»Sehr witzig, du Maus!«, meckerte Cruze abfällig.

»Na warte! So was wird mit zwanzig Jahren Diät bestraft«, konterte Gucky.

Dann hob er Cruze hoch und schob ihn zur nächsten Space-Jet. Jedoch ließ er ihn direkt vor einem Schlammloch fallen. Völlig verdreckt rappelte sich Cruze hoch und stieg in das sichere Raumschiff. Dann machte sich der Ilt daran, so viele Menschen und Wesen wie möglich in die Space-Jets zu transportieren, während die Cartwheeler sich ein erbittertes Duell mit den Dscherro lieferten.

Remus Scorbit hatte sich mit Mathew Wallace und Jonathan Andrews hinter einer Ruine verschanzt. Einige Geiseln rannten in ihre Richtung. Remus geleitete sie zu einem der Raumer. Er erkannte unter den Geiseln auch Henner von Herkner.

»Gib mir eine Waffe«, forderte Henner. Remus kam dem Wunsch nach. Ein seltsames Leuchten bemerkte er in Henners Augen als er die Waffe entsicherte. Dann schoss er los und streckte drei Dscherro nieder.

»Ja!«, brüllte Herkner voller Freude.

Ferby und Reiko sicherten sich einen Gleiter. Sie riefen Krizoff, Kathy, Jezzica und DJ Abfallhaufen zu sich.

»In dem Ding sind wir sicher«, erklärte er.

Auch Darvos lief zu dem Gleiter. Damit war die verbliebe BAMBUS-Crew komplett. Doch viele ihrer Freunde hatten bereits ihr Leben gelassen. Kathys Schwester Bienya, Reikos Freundin Haggy, Stony, Francy und unzählige andere.

Sie waren alle mit großen Träumen zur BAMBUS gekommen. Jeder hatte eine unvergessliche Party, viel Geld und vielleicht ein sexuelles Abenteuer erwartet. Niemand hatte geahnt, dass sich der Flug der BAMBUS zu einem Höllentrip entwickeln würde. Und es war noch nicht vorbei.

Plötzlich stürmte Vendor in den Gleiter. Er schlug Krizoff bewusstlos und stach mit seinem Horn in Darvos Schulter. Danach bedrohte er sie mit einer Waffe.

»Folgt Aurecs Gleiter!«, befahl er.

Ferby hörte auf den wildgewordenen Dscherro. Jedes falsche Wort konnte das letzte sein. Er startete den Gleiter und nahm die Verfolgung auf. Vendor packte Kathy.

»Ich werde zuerst deinen geliebten Aurec umbringen und dich dann langsam zerstückeln«, versprach Vendor hasserfüllt.

*

Die Schlacht tobte weiter. Die TAKVORIAN II hatte jedoch alles unter Kontrolle. Die zweihundertzwanzig Dscherroschiffe hatten keine große Chance gegen die überlegene Technik der Terraner, Saggittonen und Dorgonen.

Die ersten zwanzig Schiffe der Dscherro, die Taka Kudon zu Hilfe kommen wollten, wurden auf Anhieb vernichtet.

Cascal stand gespannt auf der Kommandobrücke der TAKVORIAN II und beobachtete die Schlacht.

»Wir haben zwei Raumer verloren, Sir!«, meldete Coreene Quon, sein Erster Offizier. Die rotblonde Plophoserin war bereits auf der ersten TAKVORIAN dabei gewesen, wie der Großteil der Besatzung auch.

Dank Cascals rechtzeitiger Evakuierung beim Angriff der Adlerschiffe hatte er die Besatzung retten können. Deshalb dienten sie mit Stolz unter dem Veteran aus Zeiten des Solaren Imperium, der ein ausgezeichneter Kommandant war.

»Das sind jetzt sieben Schiffe, die wir verloren haben. Die Dscherro hingegen haben siebzig eingebüßt. Der Kampf dürfte nicht mehr lange dauern«, meinte Cascal.

Er lief zu Coreene Quon und lehnte sich an ihr Pult.

»Fragt die Dscherro erneut, ob sie kapitulieren wollen. Wir können dann endlich dieses sinnlose Morden beenden«, erklärte er.

Die arrogante Antwort der Dscherro war ein »Nein«. Sie kam von Taka Kudon persönlich, der inzwischen auf eines der Raumschiffe gewechselt war.

»Gut, dass sie ihre Burg nicht hier haben«, murmelte Cascal und studierte die Kontrollen. Auf dem Radar konnte er verfolgen, dass sich etwa zehn Dscherroraumer absetzten und wieder den Planeten anflogen.

»Sie wollen wieder Geiseln nehmen«, vermutete Cascal überrascht.

Er befahl Coreene Quon, die Schiffe sofort zu verfolgen. Serakan übernahm jetzt mit der SAGRITON das Kommando über die Streitkräfte.

Die Dscherro hatten die Schlacht verloren, doch sie wollten so viele Gegner wie möglich mit in den Tod nehmen.

 

14. Die alte Stadt

Aurec hatte die Ruinenstadt erreicht. Er hielt den Gleiter an und sah sich um. Eine gespenstische Stille beherrschte diesen Ort.

Die Trümmer lagen in einer schroffen Sandwüste. Die Bauten erinnerten den Saggittonen an terranische Architektur. Viele Hochhäuser und Wolkenkratzer, Transitbahnen und Pilzhäuser. Vielmehr ihre Ruinen.

Langsam stieg er aus und ging los. Das Laufen fiel ihm schwer, denn überall lag Geröll. Kaum Pflanzenbewuchs war zu sehen, nicht einmal Unkraut.

Die Ruinen zeugten von einer längst vergangenen Kultur. Was hatte Cau Thon damit zu tun? Warum wollte er unbedingt hierher?

Aurec nahm sich vor, es herausfinden. Doch dazu musste er erst einmal Cau Thon finden. Das dürfte sicherlich nicht einfach sein.

Aurec kam dieser Ort sehr unheimlich vor. Die blaue Sonne verschwand hinter dem Horizont und die rote Sonne beherrschte nun das Licht. Es wurde plötzlich ziemlich dunkel.

Für einen kurzen Moment hatte Aurec das Gefühl, als hätte er einen kalten Windzug gespürt, der an ihm vorbeihuschte. War das Cau Thon?

Ein Gleiter kam in Sichtweite. Er hielt auf Aurec zu und stoppte.

Kathy Scolar, Ferby Shyko, Reiko, Jezzica Tazum, DJ Abfallhaufen, dieser Krizoff und der verwunderte Darvos stiegen aus.

Aurec war misstrauisch.

Plötzlich sprang Vendor hinter der Gruppe hervor. Der Dscherro brüllte »Koscha« und rannte, seine Axt schwingend auf Aurec zu.

Aurec zog seinen Strahler und schoss damit auf den Dscherro, doch dieser wich gekonnt aus und zerrte Kathy zu sich.

Aurec schoss erneut, traf jedoch den Gleiter. Als er realisierte, dass er so Kathys Leben in Gefahr brachte, warf er die Waffe weg.

Vendor grinste breit. Er ließ die Terranerin los, so dass sie auf den Boden fiel und nahm seine Axt in beide Hände.

»Jetzt zerfetze ich dich«, schrie der wahnsinnige Dscherro und schwang die Waffe durch die Luft.

»Lauft weg«, rief Aurec zu den anderen, die sofort den Anweisungen folgten.

Ferby, Kathy, Jezzica, Abfallhaufen, Krizoff, Darvos und Reiko flohen in eine der Ruinen, während Aurec seiner bis dato größten physischen Herausforderung gegenüberstand.

*

Die TAKVORIAN II konnte einige der Raumer abfangen, die auf das Lager zusteuerten. Doch drei von ihnen brachen durch und flogen so tief, dass man sie nicht beschießen konnte, ohne die Geiseln zu gefährden.

Cascal nahm sofort Funkverbindung mit Gal'Arn auf.

»Wie viele sind noch unten?«

»Zu viele. Wir haben erst knapp die Hälfte evakuieren können«, erklärte der Ritter der Tiefe. »Ihr dürft unter keinen Umständen schießen. Die Lage hier unten ist soweit unter Kontrolle. Die Dscherro haben sich ergeben oder sind ins Gebirge geflohen. Die Skelettsoldaten Cau Thons kämpfen aber noch immer.«

»Wo ist Jezzica?«, fragte Jonathan Andrews an den Schotten Mathew Wallace gerichtet.

Wallace konnte ihm diese Frage auch nicht beantworten. »Keine Ahnung, die gesamte Crew der BAMBUS ist verschwunden.«

Besorgt blickte sich Andrews um.

»Was willst du denn mit der Zicke? Du hast doch mich«, zeterte Marya herum.

Andrews hatte jetzt genug.

»Falsch! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Du widerst mich mit deiner arroganten Art an.«

Damit hatte er einen Schlussstrich gezogen. Marya blickte ihm empört hinterher. Dann stieg sie in die wartende Space-Jet.

»Johnny!«, rief Gucky und teleportierte direkt neben den Terraner.

»Diese Jezzica Tazum ist wohl in der Ruinenstadt in der Wüste«, erklärte der Ilt. »Von dort empfange ich einige Impulse. Jedoch sehr vage.«

»Bringe mich dorthin«, forderte Andrews.

»Das geht nicht. Ich muss die Leute in Sicherheit bringen, bevor die Dscherro hier alles zusammenschießen«, antwortete Gucky.

Andrews machte sich selbst auf den Weg. Er nahm einen Gleiter und flog so schnell es ging zu den Koordinaten in der Wüste. Gal'Arn bemerkte das Verschwinden seines zweiten Orbiters und Ritterschülers Jonathan Andrews zu spät.

*

Die Gruppe folgte Ferby durch die dunklen Gänge. Jezzica rutschte auf dem Geröll aus und fiel unsanft auf den Boden.

Krizoff half ihr hoch.

»Wo sind wir hier?«, fragte Reiko. Langsam bekam er es mit der Angst zu tun. Warum war er überhaupt hier? Er wollte noch nicht sterben.

»Ich weiß es nicht, aber wir müssen Aurec helfen«, entgegnete Kathy.

»Du spinnst wohl! Ich riskiere nicht mein Leben für diesen Kerl«, antwortete Reiko barsch.

Es entbrannte eine unschöne Diskussion, da auch Darvos und Jezzica dafür waren, dem Saggittonen zu helfen.

»Seid ruhig«, forderte Ferby.

»Seht euch das an!«

Sie gingen eine Treppe hinunter und befanden sich in einer Gruft. Überall lagen Knochen und Totenschädel.

Kathy schrie entsetzt auf. Die etwas nervenstärkere Jezzica versuchte ihre Freundin zu beruhigen. Sie hoffte, dass Kathy nicht durchdrehte, nach all dem, was sie durchgemacht hatte. Jezzica belasteten diese Ereignisse zwar auch, doch so langsam bekam sie etwas Routine in der Angelegenheit.

Krizoff konnte sich das ebenso nicht mit ansehen. Ihm wurde übel und er erbrach sich. Danach zog er aus seiner Tasche eine Pille mit Drogen, um seine Nerven zu beruhigen. Er hatte diese Mittel seit der Entführung zu sich genommen, um den Horror ertragen zu können.

Ferby, Reiko und Zchmitt waren weniger zart besaitet.

»Eine Gruft mit lauter Gebeinen«, stellte Abfallhaufen fest.

»Cool«, meinte Ferby.

»Vielleicht kann man hier noch was wertvolles finden?«, überlegte Reiko.

Krizoff war das hier alles unheimlich. Er wollte lieber wieder an die frische Luft. Der muffige Gestank des Todes füllte diesen Raum.

»Dort steht ein besonders verzierter Sarg. Er sieht noch ziemlich neu aus«, stellte Ferby fest.

Langsam gingen sie auf die letzte Ruhestätte eines Toten zu.

»Der ist mit Edelmetallen verziert. Sieht ziemlich wertvoll aus.«

Sie starrten gierig auf den Schatz aus längst vergangenen Tagen. Ferby beschloss, den Sarg zu öffnen.

*

Joak Cascal waren die Hände gebunden. Er konnte die drei durchgebrochenen Dscherroschiffe nicht angreifen, solange noch Geiseln auf dem Planeten waren. Die Dscherro harrten der Dinge und wussten, dass sie nichts mehr zu verlieren hatten.

Insgesamt hundertdreißig Raumschiffe hatten die Dscherro bis jetzt verloren. Im Gegenzug hatten die Cartwheeler nur neun Raumschiffe Verlust. Die meisten waren Wracks und die Besatzungen konnten evakuiert werden. Die Anzahl an Toten hielt sich in Grenzen.

Dennoch musste das Töten ein Ende haben. Joak Cascal wies Coreene Quon an, eine Verbindung mit Taka Kudon herzustellen.

Das Hologramm des dicken Dscherro erschien. Schweiß rann von seiner Stirn. Ein direktes Anzeichen für seine Verunsicherung. Der Taka war am Ende. Er hatte verloren und war sich dessen bewusst.

»Kudon, Ihr habt keine Chance. Ergebt euch und stoppt das sinnlose Morden«, fordert Cascal ihn auf.

Für eine Weile schien der Dscherro tatsächlich darüber nachzudenken, doch dann schlug er sich auf die Brust und brüllte den Schlachtruf der Dscherro.

»Wir ergeben uns niemals. Eher sterben wir!«

»Also gut, Ihr habt gewonnen. Ich gewähre Euch freien Abzug. Fliegt mit Euren beiden Schiffen fort.«

Taka Kudon musterte Cascal misstrauisch.

»Einfach so?«, fragte er.

»Nein«, grinste der Terraner. »Nicht einfach so. Ihr lasst die Geiseln in Ruhe. Damit Ihr mir auch vertrauen könnt, werde ich mich mit einer Space-Jet in eure Obhut geben, nachdem beide Schiffe den Orbit verlassen haben und mit den anderen Schiffen wegfliegen. Ich bleibe in der Space-Jet bis ihr für einen Hyperraumsprung bereit seid, dann verlasse ich euer Schiff und Sie können hinfliegen, wo der Pfeffer wächst.«

Coreene Quon und die anderen Besatzungsmitglieder blickten Cascal ungläubig an. Es glich Selbstmord, was er da plante.

Kudon willigte ein.

»Einverstanden. Ich befehle, dass nicht mehr gefeuert wird.«

Sofort verstummten die Kanonen der Dscherroraumschiffe und auch die Saggittonen, Dorgonen und Cartwheeler taten es gleich.

»Also gut«, sagte Cascal und wartete gespannt auf den zweiten Teil der Abmachung.

Kudon nickte einem Soldaten zu. Kurz danach starteten die beiden Schiffe und verließen den Orbit. Sie schlossen sich dem Dscherroverband an und warteten.

»Jetzt seid ihr dran, Terraner«, forderte Kudon.

Cascal nickte nur kurz und verzog keine Miene. Er verließ die Kommandostation und ging in den Hangar.

Dort wartete bereits der Schiffsingenieur, Bernhard Kranigge auf ihn.

»Sir, die Space-Jet steht bereit. Mit den gewünschten Modifizierungen«, berichtete der hochgewachsene Terraner.

»Sehr gut, dann wollen wir mal...«

Joak Cascal bestieg die Space-Jet und aktivierte die Geräte. Kurz danach startete er den Antigravantrieb, ließ die Jet aus der Schleuse schweben und nahm Kurs auf das Schiff von Taka Kudon.

Langsam flog das kleine Schiff in den gewaltigen Hangar des Dscherroschiffes. Cascal aktivierte ein Terminal des Syntrons und studierte die Konstruktionspläne des Dscherroraumers, der in diesem Moment startete.

Langsam verließ das Schlachtschiff den Orbit Xamours. Die Space-Jet war weiterhin in Schwebeposition.

Einige Dscherro versammelten sich um das Schiff.

Cascal war erleichtert, dass Kudon bis jetzt sein Versprechen einhielt. Da plötzlich kehrte das Schiff zurück und machte die Waffen scharf.

Das Hologramm von Kudon erschien im kleinen Raum der Space-Jet. Der Dscherro grinste überlegen.

»Du Narr. Zuerst lege ich deine Geiseln um, dann verschwinde ich mit dir als Geisel und zu guter Letzt bist du dran!«

»Das hatte ich mir doch gedacht«, meinte Cascal und startete die Triebwerke. Die Flammen verbrannten in kürzester Zeit die herumstehenden Dscherro.

Cascal aktivierte ein paar Raketen und schoss sie in den hinteren Teil des Hangars. Laut Konstruktionsplänen befanden sich dort die Waffenlager und Hauptenergieleitungen. Eine gewaltige Explosion ließ das Schiff erzittern.

Cascal sah eine lodernde Flammenwelle auf sich zurasen. Er beschleunigte die Space-Jet und raste durch den Hangar. Die Flammen kamen immer näher. Laut Syntron war der Schutzschirm durch die inneren Schäden zusammengebrochen.

Jetzt musste er noch das Hangarschott wegschießen. Mit allem was er hatte, feuerte Cascal auf die Schotts, die verglühten. Die Flammen hatten ihn schon fast eingeholt, als er noch rechtzeitig aus dem Schiff kam.

Jubelnd blickte er zurück und sah wie der Dscherroraumer explodierte und Taka Kudon mit in den Tod nahm.

*

Ein Aufschrei ging durch die Massen auf Xamour. Die Dscherro legten sofort ihre Waffen nieder und ergaben sich.

Serakan teilte über Funk mit, dass die übriggebliebenen Dscherroschiffe die Flucht antraten. Die Gefahr war vorbei!

Erleichtert schlug Gal'Arn seinem Orbiter Jaktar auf die Schulter.

»Dieses Mal ging es noch gut aus«, meinte er.

»Das wird es immer. Aber wo ist Johnny?« wollte der Ghannakke wissen.

Verwundert blickte sich der Ritter der Tiefe um, konnte aber Andrews nirgendwo entdecken.

»Jan, weißt du, wo Andrews ist?«

Auch Jan Scorbit konnte keine Antwort geben. Der Spezialist der neuen USO versorgte einige Verwundete. Er besaß eine Sanitäter Ausbildung und war daher kompetent in diesen Sachen.

Henner von Herkner hatte sich im Kampf verwundet. Er berichtete jedoch stolz, dass er sieben Dscherro getötet hatte.

*

Der ungleiche Kampf zwischen dem Dscherro und dem Saggittonen dauerte noch immer an. Aurec versuchte verzweifelt Vendor abzuhängen, der mit einem unbeschreiblichen Fanatismus sein Opfer jagte.

Aurec kletterte eine Leiter hoch und gelangte auf das Dach eines Gebäudes. Er schoss einige Sprossen durch, doch Vendor konnte er damit nicht aufhalten.

Der Dscherro kletterte auch auf das Dach und stürzte sich auf den Saggittonen. Vendor schlug Aurec die Waffe aus der Hand. Der Schlag war so wuchtig, dass sie über die Kante rutschte und in den Abgrund fiel.

Vendor schlug Aurec mit beiden Fäusten ins Gesicht. Blut strömte aus der Nase des Saggittonen, der nicht mehr lange durchhalten konnte.

»Du wirst jetzt sterben. Und danach schlitze ich deine terranische Hure auf.«

Aurec nahm alle Kraft zusammen und konnte dem Dscherro einige Boxhiebe in die Rippen verpassen. Für einen kurzen Moment raubte es Vendor die Kraft und Aurec konnte sich losreißen.

Er wollte wieder herunterklettern, doch Vendor fuchtelte bereits mit der Axt umher. Er warf sie auf Aurec, doch der Saggittone wich aus, so dass das Beil ins Leere flog und dann in die Tiefe fiel.

»Meine Krallen werden mir den gleichen Dienst erweisen«, fauchte der Dscherro und rannte schreiend auf Aurec zu.

In dem Moment sausten die KARAN und Evspors Raumschiff über die Stadt hinweg. Der laute Schall und der Windzug ließen das Gebäude erzittern. Eine Spalte öffnete sich, in die Aurec beinahe hereingefallen wäre.

Die KARAN machte eine Drehung und gelangte hinter Evspors Schiff. Goshkan feuerte in das Heck seines gegnerischen Schiffes. Die nächste Salve ließ Evspors Schiff abschmieren und gegen ein Gebäude krachen.

Eine Flammenwelle brauste durch die toten Straßen und wieder erzitterte das Haus, auf dem Aurec und Vendor standen. Eine zweite Spalte öffnete sich und brachte Vendor aus dem Gleichgewicht. Er fiel nach hinten, konnte sich aber noch festhalten.

Aurec griff nach seiner Hand und zog ihn mit aller Kraft hoch. Da bohrte Vendor seine Krallen in Aurecs Bein.

»Ich töte dich! Ich töte euch alle!«

Aurec versuchte, die Schmerzen zu kontrollieren. Er griff in Vendors Ärmeltasche und holte ein Vibratormesser heraus. Damit schnitt er dem Dscherro die Hand ab.

Langsam rutschte Vendor ab.

»Du wirst langsam lästig!«, brachte Aurec unter Schmerzen hervor und verpasste dem Dscherro einen Tritt, der ihn in die Tiefe schickte. Vendor fiel in den Abgrund und fand sein Ende.

*

»Los, anheben«, riefen die drei gemeinsam und versuchten den schweren Deckel des Sarges zu öffnen.

»Hilf uns Darvos«, forderte Ferby seinen Sicherheitschef auf, doch der lehnte ab.

»Ich helfe nicht dabei, Gräber zu schänden.«

Krizoff blickte zu Jezzica und Kathy, die unruhig umher liefen. Beide wollten lieber nach Aurec suchen und waren entschlossen, sich von der Gruppe zu trennen.

Ferby und die anderen beiden hatten es geschafft, den Sarg zu öffnen. In ihm lag ein humanoides Skelett. Es war mumifiziert, braunrote Fleisch- und Hautreste waren noch deutlich zu sehen. Genauso wie schwarze, strohige Haare. Die Augenhöhlen waren leer und starrten an die Decke.

»Mir ist schlecht«, sagte Kathy und drehte sich um.

Jezzica schüttelte den Kopf als sie die grausige Leiche sah. Sie war mit viel Gold, Perlen und Edelsteinen geschmückt.

»Das nehmen wir mit«, erklärte Reiko und sammelte die Kostbarkeiten ein. Da fingen die drei sich an zu streiten.

»Hey, das war mein Diamant«, beschwerte sich DJ Abfallhaufen.

»Pech gehabt«, konterte Reiko.

Die beiden bekamen sich in die Haare und fingen beinahe an, sich zu prügeln, doch Ferby konnte schlichten.

»Leute, da ist genügend für uns alle da.«

Die beiden beruhigten sich wieder. Jezzica konnte das nicht mehr mit ansehen. Da summte plötzlich ihr Minikom auf. Jonathan Andrews war dran.

»Wo seid ihr?«, wollte er wissen.

»In dem Gebäude neben dem Gleiterwrack.«

Andrews fand die angegebene Stelle sehr schnell.

»Ich bin gleich da.«

Jezzica beendete die Verbindung und stellte sich wieder zu Krizoff und Kathy. Darvos sah gelangweilt den drei habgierigen Terranern zu, die in dem Brustkorb der Leiche wühlten, um noch einen Edelstein mehr zu ergattern.

»Das reicht jetzt. Wir müssen wieder zurück«, meinte Ferby und steckte sich ein Diadem in die Hosentasche.

Krizan Zchmitt alias DJ Abfallhaufen blickte sich die Leiche noch einmal genau an. Er nahm den Arm der Toten und fuchtelte damit hin und her.

»Hey, gebt mir meinen Schmuck wieder, sonst sehe ich so hässlich aus«, sagte er und spielte damit die Leiche.

Die anderen lachten.

»Du siehst auch so schon hässlich aus«, meinte Abfallhaufen und drückte das Gesicht des Skelettes ein, das wie Pappe war.

Plötzlich stand jemand am Eingang. Jezzica schrie erschreckt auf und wich sofort zurück, als sie die Gestalt Cau Thons erblickte.

Verzehrender Hass stand in seinen brennenden roten Augen. Er sah die Terraner verachtend an und zog seinen Caritstab.

Mit einem lauten Schrei stürzte er sich auf sie. Zuerst stellte sich Darvos ihn in dem Weg. Er versuchte Cau Thon niederzuschlagen, doch der Sohn des Chaos schlug dem Ertruser beide Hände ab. Dann stieß er mit seiner Caritwaffe in den Kiefer von Darvos, der leblos zusammenbrach.

Kathy und Jezzica versuchten zu entkommen, doch Thon schlug sie nieder. Krizoff bettelte um sein Leben.

»Ich habe mit denen nichts...«

Weiter kam er nicht, denn Cau Thon stieß dem Olymper mit dem Stab in den Magen. Blut floss aus Krizoffs Mund und spritzte aus seiner Bauchdecke. Schnell zog Cau Thon seine Waffe wieder heraus und überließ den Sterbenden sich selbst, der zusammensank und zuckte, bis er sein Leben verlor.

DJ Abfallhaufen hatte noch den Arm des Skelettes in seiner Hand. Cau Thon starrte wütend auf dieses Bild. Dann sprang er mit beiden Beinen voran, direkt gegen die Brust von Zchmitt. Der prallte gegen die Wand. Bevor er wusste, was los war, hatte Cau Thon schon einen Dolch gezogen und stach ihm nacheinander die Augen aus.

Dann ließ er von ihm ab. Er packte Reiko, der voller Panik schrie. Mit dem Dolch stieß Cau Thon mehrmals in Reikos Genick und durchbohrte sein Fleisch noch, als er schon längst tot war.

»Meine Augen!«, schrie DJ Abfallhaufen und tastete sich voran.

Ferby stieß ihn weg und wollte aus der Gruft rennen, doch Cau Thon hatte seinen Caritstab wieder an sich genommen und schleuderte ihn auf den Terraner. Die Klinge drang in den Rücken ein und kam vorne wieder heraus. Ferby schrie laut auf, sank auf die Knie und brach leblos zusammen.

Die Glieder zuckten noch etwas, bevor sie erschlafften.

Alles passierte sehr schnell. Jezzica rappelte sich wieder auf und versuchte Kathy wieder zu Bewusstsein zu bekommen.

Cau Thon trat ihr in die Hüften. Jezzica brach hustend zusammen. Dann packte er sie an der Kehle und zog sie nach oben. Tazum versuchte Luft zu bekommen. Er drückte sie an die Wand und zog einen anderen Dolch. Langsam fuhr er damit über ihre Kehle.

»Jezzica«, hörte er eine Stimme aus der Ferne. Es war Jonathan Andrews.

»Hilfe!«, röchelte Abfallhaufen und krabbelte auf dem Boden herum.

Cau Thon ließ Jezzica los, packte ihn und zog den Terraner hoch. Lässig warf er ihn gegen eine Wand. Abfallhaufen platsche zu Boden und tastete sich an der Wand entlang.

Der Sohn des Chaos betrachtete die entstellte Leiche. Er hielt einen kurzen Moment inne, dann packte er Zchmitt am Hinterkopf und schlug ihn mit der Nase gegen die Wand. Der Terraner schrie laut auf. Doch er lebte noch. Cau Thon schlug den Schädel des DJs immer wieder gegen die Mauer. Blut spritzte aus allen Öffnungen des Kopfes. Immer wieder und in schnelleren Intervallen ließ Cau Thon den Schädel gegen die Wand prallen, bis Gesicht und Stirn nur noch eine eingedrückte Masse aus Fleisch, Hirnmasse und Knochen waren. Das war das Ende von DJ Abfallhaufen alias Khrizan Zchmitt.

Nun waren nur noch Kathy und Jezzica am Leben.

Cau Thon wandte sich wieder Jezzica Tazum zu, die versuchte, sich wieder aufzurappeln. Kathy half ihr dabei, doch Thon packte sie und streckte sie mit einem Faustschlag ins Gesicht zu Boden. Er hob Kathy Scolar wieder hoch und schleuderte sie gegen die Wand. Völlig erschöpft blieb sie gegen die Wand gelehnt, doch Cau Thon trat ihr in die Magengrube. Hustend und schreiend brach sie zusammen. Thon zog an ihren Haaren. Dann umfasste er ihren Oberkörper, als sie nach vorne gebeugt war, hob sie hoch und schleuderte Kathy mit den Rücken voran auf den Boden.

Dann packte er wieder Tazum.

Jonathan Andrews rannte die Treppen entlang und erreichte die Gruft. Cau Thon wollte gerade die Kehle Jezzicas durchschneiden, da warf sich Andrews dazwischen.

Er lieferte sich ein kurzes Duell mit Cau Thon, doch der Sohn des Chaos war ihm überlegen. Er zog sein Caritstab aus der Leiche von Ferby heraus und verwundete Andrews an den Beinen und Armen.

Geschwächt brach er zusammen. Damit war der Kampf vorbei.

Cau Thon lief wie ein unruhiger Tiger umher und beobachtete seine drei Opfer.

Kathy weinte und hatte schreckliche Angst. Jezzica versuchte wieder zu Luft zu kommen und Andrews schaffte es nicht, sich aufzurappeln.

Cau Thon blickte die alte Leiche an und schüttelte den Kopf. Andrews glaubte Trauer bei dem Sohn des Chaos zu bemerken. Er beugte sich über das Grab und streichelte sanft über den eingedrückten Kopf der Toten.

Ohne ein Wort zu sagen, hatte er Ferby, Reiko, Zchmitt, Krizoff und Darvos hingerichtet. Nun sollten auch Andrews, Tazum und Scolar folgen.

Es gab keinen Ausweg mehr.

Cau Thon lief umher und musterte die drei Terraner. Er überlegte, wen er als erstes töten würde.

Er schnappte sich Jezzica und stach ihr mit dem Dolch in die Schulter. Die blonde Terranerin schrie auf. Er zog die Waffe wieder heraus und stach in die andere Schulter. Langsam drehte er das Messer und beobachtete genau, wie sehr Jezzica unter den Schmerzen litt.

Andrews schaffte es noch immer nicht, sich aufzurappeln, während Kathy gelähmt vor Angst war. Langsam kroch er zu Cau Thon, doch dieser trat ihn wie Abfall beiseite.

Er zog den Dolch aus der Schulter und schnitt ihr ins Gesicht. Tränen strömten Jezzica Tazum über das blutverschmierte Gesicht. Dann schnitt er ihr Wunden in die Brust und in den Bauch. Er wollte sie langsam und qualvoll sterben lassen.

Da plötzlich materialisierte Gucky mit Gal'Arn und Aurec in der Gruft. Cau Thon griff telekinetisch zu seinem Stab, um den Hieb des Ritters der Tiefe ausweichen zu können. Er parierte die Schläge, wurde jedoch in die Enge getrieben.

Gucky brachte noch Dove, Lorif, Wallace, Jan Scorbit und einige Soldaten in den Raum. Sie kümmerten sich sofort um Jezzica Tazum, Kathy Scolar und Jonathan Andrews.

Cau Thon war in die Ecke getrieben.

»Gib auf!«, forderte Gal'Arn.

Cau Thon stand direkt neben dem Grab. Er warf seinen Caritstab weg und holte aus seiner Tasche etwas hervor. Er ging ein paar Schritte zurück.

Gal'Arn beobachtete jede Bewegung. Die Soldaten hatten die Waffen auf den Sohn des Chaos gerichtet. Er saß in der Falle.

Cau Thon sprach: »Ancasuna, yer hebit ach dormon.«

Dann warf er eine Kapsel in den Sarg, der kurz aufflammte und desintegrierte.

»Nicht schießen!«, befahl Aurec.

Cau Thon beendete jeden Widerstand. Sie legten ihm Energiefesseln an und führten ihn heraus.

»Wow, wir haben diesen Cau Thon gefangen!«, jubelte Gucky.

Gal'Arn nickte zufrieden.

Aurec blickte sich um. Ein Bild des Schreckens bot sich ihm. Die Leichen waren übel zugerichtet.

»Warum hatte Cau Thon so einen Hass auf diese armen Teufel?«, fragte sich Aurec.

Gucky schüttelte auch nur den Kopf.

»Vielleicht hatte es irgendetwas mit dem Sarg dort zu tun.«

Die beiden blickten auf die Überreste des desintegrierten Sarges. Dann brachte einer der Soldaten die völlig verstörte Kathy Scolar zu Aurec.

Aurec schloss sie in die Arme und versuchte sie zu trösten. Doch die Erlebnisse waren einfach zu viel für sie gewesen.

»Kehren wir wieder zurück zum Lager«, meinte Aurec. Behutsam legte er seinen Arm um Kathy Scolar und versuchte ihr Wärme zu geben.

 

Epilog – Aus den Erzählungen Jaaron Jargons

Mit viel Blut und vielen Verlusten hatte man die Gefangennahme Cau Thons bezahlen müssen.

Es starben 939 Passagiere und Besatzungsmitglieder der BAMBUS, Tausende von Dscherro und 167 Soldaten aus Cartwheel während der Entführung und Befreiung der BAMBUS-Passagiere.

Einige Passagiere wurden sofort nach Cartwheel gebracht, während ein anderer Teil erst einmal auf den Schiffen im Orbit um die Welt Xamour blieb, da Aurec diese noch erforschen wollte.

Es gab kein Überlebenszeichen von dem geheimnisvollen Nesjorianer Evspor, dessen Schiff über der Ruinenstadt abstürzte. Die KARAN und Goshkan waren verschwunden. Taka Kudon tot, genauso wie sein Raubtier Vendor.

Nur Cau Thon war übrig. Doch dieser sagte nichts. Er schwieg einfach und schien abzuwarten.

Aurec kümmerte sich am nächsten Tag rührend um Kathy Scolar und gestand sich selbst langsam ein, etwas für sie zu empfinden.

Zwei Tage später brach Cau Thon während eines Gespräches mit Aurec und Gal'Arn sein Schweigen.

»Ihr wollt wissen, was besonders an diesem Planeten ist? Nun gut, ich will es euch sagen. Ich will euch die Geschichte vom Planeten Xamour und den Xamouri erzählen. Es ist keine schöne Geschichte und sie wird euch zeigen, wie brutal die Kosmokraten sein können...«

ENDE

 

 

Die BAMBUS wurde von den Dscherro entführt und dieser Terrorakt endete in einem Fiasko für alle Beteiligten, als die BAMBUS über dem Planeten Xamour, knapp 500.000 Lichtjahre von Cartwheel entfernt, abgeschossen wurde. Die Dscherro wurden besiegt und Cau Thon gefangen genommen. Diese Welt ist sein Heimatplanet. Mehr darüber schreibt Aki Alexandra Nofftz in Band 41 »Der Xamouri«.

 

 

 

 

Kommentar

Nun ist es also geschehen – die Falle ist zugeschnappt, und Leticron (beziehungsweise Nor'Citel) hat mit Hilfe der Dscherro die Kontrolle über die BAMBUS übernommen. Ganz entsprechend Cau Thons Auftrag an Leticron fliegt man also in das angegebene System, um dort die wichtigen Gefangenen zu übergeben... dann allerdings wendet sich das Blatt und die Ereignisse nehmen auf einmal einen äußerst seltsamen Gang.

Tatsächlich handelt es sich bei dem angegebenen Zielsystem nämlich um den Sitz eines Kosmonukleotids, TRIICLE-3. Und statt dem erwarteten Treffen mit Cau Thon wird die BAMBUS, samt ihren Dscherro Begleitschiffen, von den Wächtern des Kosmonukleotids angegriffen. Das Ergebnis ist verheerend – sämtliche Dscherro-Schiffe werden zerstört und die BAMBUS stürzt ab.

Das Schicksal der Passagiere, unter ihnen Aurec und einige wichtigen Vertreter des Terranischen Blocks ist halbwegs klar. Was allerdings mindestens genauso wichtig ist, ist die Frage, was für Pläne Cau Thon an TRIICLE-3 hatte.

Wir wissen ja bereits von der Existenz des SONNENHAMMERs, der Superwaffe MODRORs, der ganze Galaxien mit relativer Leichtigkeit verwüsten kann. Wozu dient nun das Kosmonukleotid in diesen undurchschaubaren Plänen? Oder hat Cau Thon die Begegnung mit TRIICLE-3 nicht eingeplant? Wenn ja, warum wählte er dann ausgerechnet dieses System für das Treffen aus?

Alles in allem, nach wie vor eine schwer durchschaubare Angelegenheit...

Martin Schuster

 

 

GLOSSAR

BAMBUS

Die BAMBUS war ein 500 Meter Raumschiff, welches im Jahre 1296 zu einer fliegenden Diskothek umgebaut wurde.

Die Bewaffnung beschränkte sich auf Defensivwaffen. Als Antrieb besaß die BAMBUS einen Metagravantrieb, der Schutzschirm war ein Paratron. Die Inhaber der BAMBUS waren Peter Roehk, welcher der eigentliche Besitzer war, sowie Reinhard Katschmarek und Werner Niesewitz, die als Geldgeber in Erscheinung traten. Unter der Geschäftsführung des dubiosen Star DJs Ferby Shyko fand 1296 NGZ auf der BAMBUS die Party des Jahrhunderts statt. Der riesige Erfolg wurde jedoch während der Feier durch die Entführung der Dscherro zu einem Ende gebracht.

Die Dscherro brachten das Schiff zur abgelegenen Welt Xamour, wo Aurec an Cau Thon ausgeliefert werden sollte, der sich ebenfalls an Bord befand.

Die BAMBUS stürzte auf der Welt Xamour ab, nachdem sie von dem Bewacher von TRIICLE-3, dem Nesjorianer Evspor, abgeschossen wurde.

Dscherro

Die Dscherro sind ein Intelligenzvolk aus der Galaxie DaGlausch. Ab dem Jahre 1295 NGZ leben Dscherro auch in Cartwheel.

Die Dscherro sind ein raues, materiell eingestelltes Kämpfervolk. Sie sind zwar Raumfahrer, jedoch moralisch und ethisch aber auch technologisch nur bedingt weit entwickelt.

Die Dscherro sind in Klans aufgeteilt. Diese ziehen marodierend durch DaGlausch und überfallen Planeten.

Mehr Informationen über dieses Volk in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Dscherro

Im Jahre 1295 NGZ werden ausgerechnet die Dscherro von DORGON für die Besiedelung Cartwheels gewonnen. Unter den Thoregonvölkern, allen voran den Terranern, lässt das keine große Begeisterung aufkommen.

Die Dscherro beweisen ein Jahr lang eine Einheit unter ihrem Taka Kudon. Im März 1296 entführen sie auf Geheiß Leticrons die BAMBUS und bringen sie nach Xamour, 500.000 Lichtjahre von Cartwheel entfernt.

Dort wird die BAMBUS von dem Nesjorianer Evspor abgeschossen. Viele Dscherro sterben. Auch Taka Kudon findet den Tod als die Flotte von Paxus aus Cartwheel eintrifft und die Gefangenen befreit.

Vendor

Vendor ist im Jahre 1296 NGZ ein brutaler Dscherro. Er untersteht dem Taka Kudon, welcher der Anführer der in Cartwheel lebenden Dscherro ist. Auf Befehl von Leticron entführt Taka Kudon die BAMBUS. Vendor geht dabei besonders brutal vor und lässt sich auch von Kudon kaum im Zaum halten. Vendor genießt es, seine Opfer zu foltern.

Nachdem die BAMBUS abgeschossen wurde und die Raumschiffe von Paxus eintreffen, um die Passagiere zu befreien, verfolgt Vendor den Saggittonen Aurec. Bei dem nachfolgenden Gefecht stirbt der Dscherro.

Metabio-Gruppierer

Aus der Perrypedia:

Ein Metabio-Gruppierer ist Kraft seines Geistes dazu in der Lage, die Zellen eines Lebewesens zu sehen und sie Kraft seines Willens umzugruppieren. Dabei kann die Parafähigkeit der Metabio-Gruppierung sowohl positiv wirken, also Krankheiten heilen, als auch Zellen negativ beeinflussen und dadurch Krebsgeschwüre und Ähnliches auslösen.

Die einzig bekannte Metabio-Gruppiererin der Lokalen Gruppe war Irmina Kotschistowa. Sie schaffte es dank ihrer Gabe, nach dem Diebstahl ihres Zellaktivators den explosiven Zellverfall in ihrem Körper zu verzögern und zunächst weiter am Leben zu bleiben, allerdings nur einige Jahre.

Anima besaß ebenfalls diese Fähigkeit, verlor sie aber später, als sie dabei mithalf, aus EVOLO die Superintelligenz BARQUASS zu schaffen.

Die Aeganer, ein Hilfsvolk ARCHETIMS, hatten ebenfalls die Fähigkeit der Metabio-Gruppierung, konnten diese aber nur instinktiv und nur auf den eigenen Körper bezogen einsetzen.

Das Volk der Druiden in Dommrath hat eine Parafähigkeit, die zumindest mit der Metabio-Gruppierung verwandt zu sein scheint.

Quelle: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Metabio-Gruppierer


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 40, veröffentlicht am 02.10.2015

Titelillustration: Stefan LechnerInnenillustrationen: Klaus G. Schimanski, Stefan Lechner und Gaby Hylla

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel