Band 39

Cartwheel-Zyklus

 

Die Stunde des Spaniers

Der Triumph des Marquês de la Siniestro

 

Jens Hirseland

 

Was bisher geschah

Wir schreiben Oktober des Jahres 1295 NGZ. Perry Rhodan ist Terranischer Resident und führt die Terraner unter der Liga Freier Terraner in ein hoffentlich besseres neues Jahrhundert. Die Gefahren durch die Mordred und des Reiches Dorgon sind beseitigt.

Doch MODROR und seine Armeen hängen wie ein Damokles-Schwert über der Milchstraße. So erscheint die Entität DORGON und überzeugt 50 sich untereinander bekannte Völker der Milchstraße, Hangay, Andromeda, der Thoregongalaxien, M 87, DaGlausch und Dorgon, die Galaxis Cartwheel zu besiedeln. Die vielen Milliarden Lebewesen sollen eine Festung gegen die Heerscharen des Chaos errichten.

Da ereilt Saggittor der erste Schlag von MODRORs Heerscharen. Die Galaxis wird vernichtet und die Saggittonen fliehen nach Cartwheel. Dort entsteht eine neue Galaxis zum Schutz gegen Cau Thon, Rodrom und deren Meister MODROR.

Doch es gibt Gruppen von Separatisten, die nur ihre eigene Habgier kennen. Diese versuchen die Insel für sich zu nutzen. Es gibt einen Mann der an Macht mehr und mehr gewinnt, ohne rücksichtslos vorzugehen. Es ist der Marquês von Siniestro. Seine Zeit ist gekommen, es ist DIE STUNDE DES SPANIERS ...

Hauptpersonen

Aurec, Sam und Don Philippe de la Siniestro – Die gewählten Regenten des Paxus-Rates.

Uwahn Jenmuhs – Das Ratsmitglied versucht seine Macht auszubauen.

Diabolo – Der neue Vertraute des Marquês.

Leticron – Der Überschwere feiert einen Sieg und plant Aurecs Tod.

Saron, Taka Kudon und Ab-e-Metul – Sie verbünden sich gegen die Regierung des Paxus.

Jan Scorbit, Will Dean und Gucky – Sie versuchen, Saron zu stoppen.

Kathy Scolar – Für die Tresenbedienung der BAMBUS beginnt ein Abenteuer.

Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek – Die zwei alten Terraner veranstalten die Jahrhundertparty.

Vendor – Koscha Dscherro, Koscha!

 

 

 

 

 

1. Nach der Wahl

Einige Tage nach der Wahl des Paxus-Rates waren die Stimmungen der Völker gemischt. Noch wusste niemand, was die einzelnen Repräsentanten für den kleinen Mann bringen würden. Während Aurec und Sam große Sympathien genossen, sahen es viele nichtarkonidische Völker als besorgniserregend an, den unberechenbaren Uwahn Jenmuhs im Paxus-Rat zu wissen. Die Rolle von Nor'Citel und dem Marquês von Siniestro war den meisten noch unklar.

Hochzufrieden mit sich und der Welt ging der Marquês in das Regierungsgebäude des neugewählten Paxus-Rates, dem er nun selbst angehörte. Mehr noch, als gewählter Repräsentant mit den meisten Stimmen war er auch Stellvertreter des Generalsekretärs Sruel Allok Mok, genannt Sam, und oberster Regent des Terra-Blocks.

Als erstes hatte Don Philippe Joaquin Manuel Cascal zu seinem Stellvertreter und zum Oberbefehlshaber der Terra-Block-Streitkräfte ernannt und ihn in den Rang eines Terra-Marschalls erhoben. Cascal war ihm von Julian Tifflor empfohlen worden, außerdem war er ihm durchaus sympathisch, da dessen Vorfahren auch einst Spanier waren.

Der alte Spanier war mit Sam verabredet, um ein Konsolidierungsgespräch zu führen. Außerdem sollten erste Gesetze auf den Weg gebracht werden.

Begleitet wurde Don Philippe von seinem neuen Berater, dem Posbi Diabolo. Der Marquês hatte den seltsamen Roboter so genannt, weil er sich dessen richtigen Namen, der nur aus Nummern und Buchstaben bestand, nicht merken konnte. Er war froh, dass er diesen Berater hatte, denn obwohl sich Don Philippe gut in der für ihn neuen Welt zurechtfand, war ihm vieles dennoch fremd.

Vor allem die Mentalität der außerirdischen Wesen war ihm oftmals fremd, darum konnte er einen Berater wie Diabolo, der sich bestens damit auskannte, sehr gut gebrauchen. Die Mentalität der Menschen hatte sich in den vergangenen Jahrtausenden eigentlich nur wenig geändert, wie der Spanier fand.

Noch immer gab es skrupellose, machtbesessene Leute, die ihre eigenen Interessen über jene des Gemeinwohls stellten. Allerdings war es heutzutage schwieriger. Es gab Regeln, an die sich auch ein Politiker halten musste.

Zu seiner Zeit, im ausgehenden 18. Jahrhundert, konnte man das Volk nach Belieben tyrannisieren und ausbeuten, heute musste man subtiler vorgehen und durfte sich keinen Gesetzesverstoß nachweisen lassen, sonst konnte die politische Karriere schnell zu Ende sein. Ansonsten war man als Politiker jedoch bestens versorgt und mit hervorragenden Privilegien ausgestattet.

»Diabolo, mein Freund, ich möchte ein rauschendes Fest zu Ehren meines Sieges geben. Du wirst das für mich organisieren.«

»Wie Sie wünschen, Marquês. Und wer, meinen Sie, wird zu diesem Fest kommen?«, fragte der Posbi.

Don Philippe meinte in Diabolos Tonfall Sarkasmus zu hören. Der Posbi war in der Lage, seine Stimme dementsprechend zu modulieren. Manchmal glaubte der Spanier, der Posbi würde ihn nicht ernst nehmen, war sich dessen aber nicht sicher. Zweifellos war der Roboter exzentrisch, vielleicht sogar ein wenig verrückt.

»Selbstverständlich alle diejenigen, welche Rang und Namen haben«, belehrte er Diabolo.

»Wie Sie wünschen.«

Als die beiden das Vorzimmer des Paxus-Generalsekretärs betraten, wurden sie von einem Somer höflich begrüßt und in Sams Amtszimmer geleitet.

»Der Generalsekretär erwartet Sie bereits, Paxus-Rat«, sagte der Somer.

Der Marquês entblößte seine gelben Zähne zu einem Lächeln. Dann kam ihnen Sam entgegen, um sie begrüßen.

»Die Zahnmedizin im 13 Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung hat große Fortschritte gemacht seit dem 18. Jahrhundert Ihrer Zeit«, meinte Diabolo nüchtern. Der Spanier tat, als überhörte er diese Kritik an seinen Zähnchen.

»Herzlich willkommen, Marquês. Ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen und gratuliere Ihnen zu Ihrer Wahl.«

Don Philippe machte eine salbungsvolle Geste mit der Hand und verneigte sich.

»Vielen Dank, Señor Generalsekretär. Auch Ihnen mein herzlichster Glückwunsch zu Ihrer Wahl.«

Der Spanier deutete auf Diabolo.

»Darf ich Ihnen Diabolo vorstellen? Er ist von nun an meine rechte Hand und mein Berater in allen Fragen.«

»Ich bin erfreut zu sehen, wie gut Sie schon mit anderen Spezies zusammenarbeiten, Marquês. Ich freue mich Sie kennenzulernen, Diabolo. Bitte nehmen Sie doch Platz.«

Sie setzten sich an Sams geräumigen Schreibtisch. Dem Spanier gefiel die Einrichtung. Sie war nicht so modern, wie die anderer. Bücher, Gemälde aus terranischen, arkonidischen und somerischen Epochen bestimmten den Raum. Die Möbel waren aus echtem Holz geschreinert und nicht aus einer leblosen, geruchslosen Formenergie.

»Wie beurteilen Sie den Ausgang der Wahl, Marquês?«, fragte Sam.

»Positiv, Herr Generalsekretär. Überaus positiv«, erwiderte Don Philippe.

Der Blick des Somers wurde streng.

»Ich leider nicht so sehr. Ich hätte lieber die Abgesandten der Haluter, Blues, Akonen oder der Dorgonen im Rat gesehen als diesen unberechenbaren, renitenten Uwahn Jenmuhs oder den schwer einzuschätzenden Überschweren. Nun, mit den Arkoniden mussten wir rechnen aber Nor'Citels Wahl kommt schon überraschend.«

»Sie haben Recht. Das habe ich in meiner Freude noch gar nicht bedacht«, gab sich Don Philippe zerknirscht, obwohl ihn das im Moment eher wenig kümmerte.

»Nun, ich hoffe, dass ich meinen sozialen Finanz- und Wirtschaftsplan dennoch durchsetzen kann. Aurec und ich haben ihn nach dem saggittonischen Vorbild ausgearbeitet. Ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung, denn der soziale Frieden und die Gerechtigkeit auf der Insel sind für das Zusammenleben aller Wesen von größter Bedeutung. Wir dürfen nicht zulassen, dass einige wenige die Mehrheit ausbeuten, wie das leider schon oft in der Vergangenheit der Fall war.«

Der Somer reichte Don Philippe und Diabolo einen Entwurf seines Finanzplans, den die beiden aufmerksam studierten. Er hatte folgenden Inhalt:

Der Staat versorgt alle Bürger mit einem Mindestentgelt, von dem sie problemlos leben können. Grundsatz ist, dass kein Wesen auf der Insel notleiden muss. Dazu gehört, dass jedes Wesen ausreichende Mengen an Nahrung, Bekleidung, eine Wohnung, Kommunikationsmittel und geistige Freiheit besitzt.

Von diesem Entgelt sind keinerlei Steuern, noch irgendwelche Abgaben zu zahlen. Die Finanzwirtschaft muss ihre Preise entsprechend ausrichten, um eine Inflation zu verhindern.

Darüber hinaus kann sich jedes Wesen um eine Arbeit bemühen, die ihn mit Freude und Kreativität ausfüllt. Sobald diese Arbeit angenommen wurde, gelten die üblichen tariflichen und gewerkschaftlichen Gesetze der sozialen Marktwirtschaft. Das Einkommen ist zu versteuern, Sozialabgaben sind zu entrichten.

Tätigkeiten, die nicht von Lebewesen wahrgenommen werden können, werden von Robotern ausgeübt. Sollte sich ein Wesen für diese Tätigkeit bewerben, so muss der Arbeitgeber ihn, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, annehmen und darf nicht die Maschine vorziehen. Ausnahmeregelungen gelten für Posbis, da diese als Lebewesen gelten.

Die Arbeitsverteilung für notwendige Maßnahmen auf der Insel, um den Plan DORGONs gerecht zu werden, übernimmt die Regierung. Die Bürger werden befragt und ihre Fähigkeiten sondiert. Dementsprechend werden sie – wenn sie damit einverstanden sind – für einen Beruf vorgeschlagen. Das soll dem Zweck dienen, dass Potential nicht ungenutzt bleiben soll und keine Unzufriedenheit aufgrund unpassender Arbeitsplätze entsteht.

Nun, was halten Sie davon, Marquês?«, fragte Sam.

»Das klingt sehr modern. Zu meiner Zeit waren wir leider noch nicht so fortschrittlich. Was sagst du dazu, Diabolo?«, gab Don Philippe die Frage an seinen Berater weiter.

»Ich halte den Plan für gut. Er sichert den sozialen Frieden. Die Lebewesen in Cartwheel sind einer Vision gefolgt. Es wird nur einen geringen Missbrauch geben. Es freut mich auch besonders, dass man an die Posbis gedacht hat. Sie sollten dem Plan zustimmen«, riet der Posbi.

Dem Spanier war viel an der Gunst des Generalsekretärs gelegen. Er hoffte so seinen Einfluss noch vergrößern zu können. Darum nahm er Diabolos Rat an, auch wenn ihm ein etwas weniger humaner Plan besser gefallen hätte.

»Gut, dann werde ich zustimmen.«

»Ich kann also auf Ihre Stimme zählen? Auch Aurec hat mir Unterstützung zugesagt. Ich befürchte, dass der machthungrige Jenmuhs einen weniger humanen Plan einbringen wird.«

»Natürlich können Sie auf mich zählen, Generalsekretär. Auch mir ist daran gelegen, dass es der Bevölkerung gut geht.«

Sam nickte.

»Das freut mich, Marquês. Ich habe diesbezüglich strenge moralische Ansichten. Nichts ist mir mehr zuwider als Machthunger und Geldgier. Das sind Geißeln der Vergangenheit, die uns jedoch immer wieder heimsuchen können. Wir sind gewählt worden, um dem Volk zu dienen und nicht das Volk uns. Ich werde jeden bekämpfen, der versucht, die Bevölkerung zu betrügen. Es hat schon zu viele verlogene Politiker gegeben, die nur darauf aus waren ihr Bankkonto zu füllen. Leider gibt es noch einen zweiten Plan, der das absolute Gegenteil von unserem ist. Er wurde von dem Industriellen Michael Shorne ausgearbeitet. Er wird sicherlich von Uwahn Jenmuhs und Nor'Citel unterstützt werden. Aber wenn Sie unserem Plan zustimmen, können wir ihn durchsetzen.«

Der Marquês nickte eifrig.

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich bin auf Ihrer Seite. Doch nun muss ich leider gehen. Dringende Termine erwarten mich.«

Die drei erhoben sich von ihren Plätzen.

»Das kann ich gut verstehen«, meinte Sam. »Es erwartet uns viel Arbeit und viele Probleme, die es zu lösen gilt.«

»Dennoch sollten wir die Freuden des Lebens nicht ganz außer Acht lassen. Ich möchte sie zu einem kleinen Fest einladen, das ich in einigen Tagen aus Anlass unserer Wahl geben werde«, lud der Marquês Sam ein.

»Einverstanden, ich komme gern.«

Als Don Philippe und Diabolo zurück zu ihrem Gleiter gingen, musterte der Posbi den alten Terraner aufdringlich.

»Was ist denn?«, fragte der Marquês ungehalten.

»Haben Sie wirklich ernst gemeint, was Sie dem Generalsekretär gesagt haben?«, fragte Diabolo mit skeptischem Unterton.

Der Marquês gab sich entrüstet.

»Selbstverständlich. Lass uns jetzt endlich gehen«, erwiderte der alte Spanier und ging weiter.

»Wer's glaubt«, sagte Diabolo zu sich selbst.

 

2. Unheilige Allianzen

Auch an anderer Stelle freute man sich über den Ausgang der Wahl. Leticron alias Nor'Citel traf sich mit den Anführer der Hauri, Ab-e-Metul, und dem Anführer der Dscherro, Taka Kudon, um in Leticrons Residenz auf New Paricza den Wahlsieg zu feiern. Der Anführer der Überschweren führte seine Gäste durch seine vor kurzem fertiggestellte Burg, ein düsteres Gemäuer, das einer waffenstarrenden Festung glich. Von außen ähnelte die Burg Leticrons alter Stahlfestung auf Titan während der Besatzungszeit der Laren und wirkte eher mittelalterlich antiquiert. Unterirdisch jedoch hatte Leticron modernste Gerätschaften und Techniken eingebaut sowie Hangars, Raketenabschussrampen, Waffenlager und geheime Fabriken angelegt. Ab-e-Metul zeigte sich beeindruckt, Taka Kudon ließ sich keine Reaktion anmerken.

»Sehr beeindruckend«, lobte der Hauri höflich.

»Das ist erst der Anfang«, sinnierte Leticron.

Taka Kudon gab einen lauten Rülpser von sich.

»Ich hoffe, das heißt in der Sprache der Dscherro, dass Sie beeindruckt sind, Taka«, sagte Nor'Citel ungehalten.

Der Dscherro schüttelte den Kopf.

»Das heißt, ich habe Hunger und Durst.«

Leticron verdrehte die Augen, sagte dann aber höflich: »Was bin ich doch für ein schlechter Gastgeber. Im großen Saal stehen Erfrischungen bereit. Folgen Sie mir!«

Der Überschwere führte seine Gäste in den Festsaal der Burg. Dort wurden ihnen Getränke serviert. Leticron hob seinen Becher.

»Auf unseren Wahlsieg«, sagte Leticron.

»Also ich tue das mit dieser Wahl alles nicht verstehen. Bei uns Dscherro gibt einen Kampf auf Leben und Tod, wenn einer der Anführer sein will. Wir Dscherro fürchten weder Kampf noch Tod! Koscha, Dscherro! Koscha!«, rief Taka Kudon in seiner primitiven Art.

Leticron hätte diesem Barbaren, den er verachtete, am liebsten zurechtgewiesen. Aber noch brauchte er die Dscherro für seine Pläne.

Er hatte mit den Dscherro und Hauris einen Handel getroffen. Einen inoffiziellen Pakt zum Vorteil aller drei Zivilisationen. Metul und Kudon schenkten Leticron ihre Stimmen. Inklusive den Footen hatte Leticron mit seiner eigenen Stimme vier Wähler gehabt, was ausreichte, um in die nächste Runde zu ziehen.

Seine Rechnung ging auf und er saß im Paxus-Rat. Natürlich hatte er seinen Alliierten bevorzugte Behandlung versprochen.

»Es wird bald neue Aufgaben für die Dscherro geben, Taka. Habt nur Geduld.«

»Geduld, pah! Geduld ist was für Memmen!« rief der Dscherro, der offenbar schon etwas zu viel getrunken hatte.

Leticron überging die Bemerkung des Takas.

»Es ist nun an der Zeit, meine Freunde, dass ich euch einen weiteren Verbündeten vorstelle, den ich für unsere geheime Allianz gewinnen konnte. Er hat uns bei der Wahl entscheidend unterstützt.«

Leticron erhob sich von seinem Stuhl und öffnete eine Tür. Herein kam eine riesige Gestalt, es war ein Pelewon. Die Pelewon waren wie Haluter sehr groß gebaut, besaßen vier Arme, zwei stämmige Beine und drei Augen.

Torsor war von solch einer wuchtigen Statur, dass selbst der kräftigste Pelewon gegen ihn erblasste. Mit 5,50 Meter und einer Schulterbreite von 3,50 war er ein wahrer Gigant, der seines gleichen suchte. Er trug einen blauen Kampfanzug. Die drei Augen leuchteten in einem Feuerrot.

»Torsor!«, rief Ab-e-Metul überrascht aus.

Taka Kudon grunzte nur.

»Ich grüße euch«, sagte der Pelewon.

»Sei uns willkommen, Torsor«, entgegnete Leticron.

Die Pelewons hatten sich einst im Dusty Queen-System vor den Konstrukteuren des Zentrums versteckt. Als es dort im Jahr 2436 alter terranischer Zeitrechnung zur Katastrophe gekommen war, hatten nur wenige der Pelewons überlebt. Sie hatten seither für die Beherrscher von M 87 keine Gefahr mehr dargestellt und waren im Jahr 1143 NGZ wieder auf rund 100 Millionen Individuen angewachsen, von denen ein Drittel auf Yanyok lebte, der Rest auf einem guten Dutzend von Kolonialwelten.

Die Nachkommen der Bestien waren eine Zeitlang in das Völkergemisch ihrer Galaxis integriert gewesen und hatten auch über dessen technischen Standard verfügt. Ihre Vermehrung war das Ergebnis einer Mutation, die aus den ursprünglich eingeschlechtlichen Wesen zweigeschlechtliche mit einer hohen Fortpflanzungsrate gemacht hatte. Der Herrscher der Hauptweit Yanyok bezeichnete sich als König, die Kolonien waren seine Liegenschaften, wie Fürstentümer.

Diese friedliche Politik hatte sich jedoch geändert, als bekannt geworden war, dass einige Mooghs und Pelewon sich in einem unbekannten System versteckt gehalten hatten. Diese noch eingeschlechtlichen Wesen waren direkte Nachfahren der Bestien und hatten offensichtliche Integrationsschwierigkeiten. Die Mooghs hatten immer wieder Aufstände angezettelt.

Im Jahre 1212 NGZ war es dann zu einem Angriff von Pelewon und Mooghs auf einen Planeten mit Dumfries gekommen, wobei auch zwei Okefenokees ihr Leben gelassen hatten. Aus Rache hatte der hohe Admiral Carjul ein Strafbataillon zusammenstellen lassen, welches Yanyok in Schutt und Asche gelegt hatte. Über 80 Millionen Pelewon hatten bei diesem Massaker den Tod gefunden.

Die Okefenokees waren anfangs über diese Untat entsetzt gewesen, jedoch war die Angst vor einer Wiederauferstehung der Bestien zu groß gewesen. Carjul hatte sich zu einem der obersten Konstrukteure des Zentrums aufgeschwungen und setzte seitdem alles daran, die Rechte der Bestien-Nachfahren zu beschneiden.

Die Pelewon wurden damals in ihr Reich eingepfercht, ihre Raumschiffe konfisziert und jegliche moderne Technik wurde ihnen bei Androhung der Todesstrafe verboten.

Die Unzufriedenheit unter den Bestien-Nachfahren war in dieser Zeit von Jahr zu Jahr gewachsen, insbesondere, da die zweigeschlechtlichen Pelewons nicht für den Überfall ihrer Artgenossen verantwortlich gemacht werden durften. Daher war der Hass auf die Dumfries und Okefenokees besonders groß, denn die 80 Millionen Pelewons waren schuldlos gestorben. Trotzdem waren Kriege zwischen den Bestien und den Pelewon entbrannt. Die alten Bestien hatten versucht, sich zu klonen, was ihnen jedoch nicht gelungen war. Nur ein Prototyp war fertiggestellt worden – der 5,50 Meter große Torsor, der an einen Uleb erinnerte. Skeptische Pelewon hatten die Klonversuche sabotiert und an die Konstrukteure verraten. So hatten sie alle Anlagen innerhalb kürzester Zeit zerstört – doch Torsor hatte überlebt. Und dieser eine schien auszureichen.

Torsor war hochintelligent und einigte das Volk. Er schürte den Hass auf die KdZ und ihren Hilfsvölkern.

Langsam hatten sie den Widerstand erneuert und wiederum begonnen, sich selbst heimlich zu klonen, da die KdZ strenge Auflagen auferlegt hatten, was die Fortpflanzung anbelangte. Die »normalen« Pelewons befanden sich in tiefer Melancholie und Trauer, da sie nun Ausgestoßene waren, doch Torsor gab ihnen Mut.

Im Jahre 1295 NGZ existierten durch den Einsatz des Klonens knapp 60 Millionen eingeschlechtliche Bestien-Nachfahren und rund 15 Millionen Pelewon, die immer noch unterdrückt und von den Dumfries bedroht wurden. Die Bestien-Nachfahren waren auch von DORGON gefragt worden, ob sie an dem Projekt teilnehmen wollten. Die KdZ hatten eingewilligt, damit man einen Großteil der Bestien nicht mehr in Druithora hatte. So befanden sich die Bestien nun in ihrer neuen Heimat. Torsor verfolgte den Plan, in Cartwheel ein neues Reich für die Pelewon zu errichten.

»Ich bin gekommen, um euch eine Allianz mit dem mächtigen Volk der Pelewon anzubieten«, verkündete Torsor. »Eure Feinde sollen auch unsere Feinde sein und unsere Feinde die euren!«

Nor'Citel lächelte.

»Ich nehme an, du meinst die Okefenokees und ihre Vasallen.«

»In der Tat! Die Pelewon haben es satt, in ständiger Furcht vor der Unterdrückung der Konstrukteure des Zentrums zu leben«, erklärte Torsor grimmig. »Hier auf der Insel bietet sich uns die Möglichkeit, ihr Joch abzuschütteln und ein neues, mächtiges Reich zu gründen. Werdet ihr uns dabei helfen?«

»Wir sind gern bereit, eine Allianz mit euch einzugehen. Nicht wahr, meine Freunde?«, fragte Leticron mit drohendem Unterton in Richtung Ab-e-Metul und Taka Kudon.

Der Dscherro sprang von seinem Sitz, trommelte sich mit beiden Fäusten auf die Brust und schrie:

»Koscha, Dscherro! Koscha! Koscha!«

»Das heißt wohl, er ist einverstanden«, erklärte Leticron.

»Was ist mit dir, Ab-e-Metul?«

Der Hauri erhob sich von seinem Sitz und entblößte das Gebiss.

»Auch ich bin einverstanden. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass das Volk der Hauri ebenfalls mächtige Verbündete auf seiner Seite hat.«

»So, und wen?« fragte Leticron erstaunt. Dieser Aspekt war ihm neu.

»Ich habe ein Bündnis mit dem Pterus Saron und seinen Anhängern geschlossen. Er wird uns von großem Nutzen sein.«

Leticron verzog spöttisch das Gesicht.

»Wie denn? Er hat seine Macht verloren und ist auf der Flucht.«

»Nicht mehr lange. Saron und ich haben den Plan gefasst, den gesamten Paxus-Rat zu töten. Die Vorbereitungen laufen bereits«, verkündete der Hauri voller Stolz.

Nor'Citels Miene verfinsterte sich.

»So, der gesamte Paxus-Rat also?«, fragte er kühl.

»Ja, der gesamte Rat soll mit einer gewaltigen Bombe vernichtet werden und mit ihm der halbe Planet.«

Leticron wurde wütend.

»Dann ist euch vielleicht entgangen, dass auch ich nun zum Paxus-Rat gehöre?!«

Ab-e-Metul wich entsetzt zurück.

»Aber an dich haben wir dabei doch gar nicht gedacht«, beeilte sich der Hauri zu versichern.

»Den Eindruck habe ich allerdings auch«, bemerkte der Überschwere zweideutig.

»Damit in Zukunft eines klar ist: Ich habe hier das Sagen und kein anderer! Nicht du und auch nicht Saron! Ich dulde keine eigenmächtigen Aktionen hinter meinem Rücken! Alle Aktionen müssen vorher mit mir abgesprochen und koordiniert werden – ist das klar?«

Drohend schritt Leticron auf den verängstigten Hauri zu, der zurückwich.

»Ja, Nor'Citel, vollkommen klar«, versicherte Ab-e-Metul kleinlaut. »Es steckte keine böse Absicht dahinter. Ich wollte dich nur überraschen.«

»Das ist dir auch gelungen«, spottete Leticron.

»Wenn ich dich dadurch verärgert haben sollte, bitte ich um Vergebung.«

Leticron beruhigte sich wieder.

»Nun gut, ich vergebe dir. Allerdings werden wir den Plan abändern. Anstatt den Rat zu vernichten, wird Saron ihn entführen. Ich, der als einziger nicht anwesend ist, werde dann den Rat durch geschickte Verhandlungen wieder befreien und dadurch große Popularität erlangen, was meinen weiteren Plänen sehr nützlich sein dürfte. Du, Ab-e-Metul, wirst Saron darüber informieren und ihn bei seinen Aktionen überwachen. Wehe ihm und wehe dir, Hauri, wenn er sich meinen Plänen widersetzt. Verstanden?«

»Ja, Nor'Citel, ich habe verstanden«, versicherte der Hauri.

»Gut, dann sei dir vergeben.«

Erleichtert ließ sich Ab-e-Metul in seinen Sessel sinken, während Leticron sich wieder Torsor zuwandte.

»Lasst uns nun unser neues Bündnis besiegeln. Mit vereinten Kräften werden wir unsere verhassten Feinde vernichten.«

 

3. Der Aufstieg des Spaniers

Unterdessen hatte Diabolo auf New Terrania einen PR-Feldzug gestartet, um den Marquês noch bekannter und beliebter zu machen. Der alte Spanier war Stammgast in allen namhaften Talk- und Unterhaltungsshows. Er stattete auch den Bewohnern eines Raumcontainers, die dort ein Jahr unter Beobachtung leben mussten und von denen einer nach dem anderen nominiert wurde und später ausschied bis nur der Sieger übrigblieb, einen Besuch ab.

Ein Angebot, beim internationalen Schlagerfestival aufzutreten, lehnte der Spanier auf Anraten Diabolos jedoch ab. Stattdessen spendete er große Summen für Kranke und Bedürftige und präsentierte sich als Beschützer des kleinen Mannes und volksnaher Politiker. So stieg die Popularität es Marquês auch bei den anderen Völkern mehr und mehr an.

Mitte Oktober 1295 NGZ veranstaltete Don Philippe ein rauschendes Fest, dass er ganz im alten spanischen Stil des 18. Jahrhunderts inszenierte, was seine Gäste durchaus begeisterte. Neben Sam und Aurec waren alle anderen befreundeten Politiker und Prominente gekommen.

Auch Michael Shorne hatte es sich nicht nehmen lassen zu erscheinen. Der Marquês begrüßte ihn freudig.

»Mein lieber Shorne. Wie schön, dass Sie Zeit hatten zu kommen.«

»Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Ihnen persönlich zu Ihrer Wahl zu gratulieren. Wie Sie sich erinnern, habe ich Ihren Wahlkampf massiv unterstützt«, sagte Shorne mit ironischem Unterton, was Diabolo nicht entging.

Der Posbi beschloss, Shorne aufmerksam zu beobachten. Schon immer hatten ihn die Terraner und ihre Geschichte fasziniert – besonders ihre Winkelzüge und Strategien, mit denen sie oft in der Vergangenheit ihre Kämpfe gewonnen, aber auch großen Schaden angerichtet hatten. Der Marquês bot Diabolo die Gelegenheit, von den Terranern zu lernen. Außerdem war der alte Spanier ein lebendes Denkmal, lebendige Geschichte sozusagen. Das alles reizte Diabolo.

»Für Ihre Hilfe bin ich Ihnen sehr verbunden. Ich werde mich bemühen, meinem Wählerauftrag gerecht zu werden«, versicherte Don Philippe freundlich.

Shorne blickte ihn kalt an.

»Das will ich hoffen. Sie haben mir ein Versprechen gegeben. Ich verlange, dass sie dieses jetzt einlösen.«

»Nun, ich will ihre Anregungen gerne prüfen.«

»Wenn Sie mit Ihrem Gefasel fertig sind, will ich mit Ihnen unter vier Augen sprechen. Ich habe meinen Wirtschaftsplan fertig ausgearbeitet und will ihn Ihnen vorlegen.«

Erschrocken über Shornes kalten Blick, gab Don Philippe nach.

»Nun gut, sehen wir uns mal an, was sie ausgearbeitet haben.«

Der Marquês und Shorne begaben sich in das rustikal eingerichtete Arbeitszimmer und setzten sich dort. Shorne übergab dem alten Spanier einen Entwurf seines Wirtschaftsplans, den dieser aufmerksam studierte.

Um eine freiheitliche, liberale und marktorientierte Gesellschaft zu gewährleisten, werden die planetaren und galaktischen Administrationen sich nur im Notfall in die Belange der Bevölkerung einmischen. Die Administrationen stellen die Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf der Ökonomie und der Börse – die Administrationen sorgen für die Instandhaltung und Bereitstellung der Infrastruktur.

Primäres Ziel ist es ein Wirtschaftswachstum zu erreichen, welches sich monatlich exponiert. Hierzu müssen Kostenfaktoren liquidiert werden. Das Mindesteinkommen wird gestrichen, die Grundversorgung soll als Motivation des Bürgers wieder selbst erwirtschaftet werden. Um den Anforderungen der Entität DORGON gerecht zu werden, wird die volle Einsatzkraft gefordert. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn die Bürger gefordert werden.

Fehlende Erwerbstätigkeit muss mit Sanktionen bestraft werden, solange ein Individuum auf Kosten der Gemeinschaft lebt. Das Schlagwort lautet: Eigenverantwortung.

Dazu gehört die Streichung von kostenloser Krankenbehandlung, Zahlung einer Rente, Solidarbeiträge für neue Kolonien und Erwerbslose.

Dadurch entstehen hohe Kosten. Diese müssen eingespart werden. Für die Krankenbehandlung und Zahlung einer Rente muss ein Bürger von Cartwheel in Vorleistung treten und einen monatlichen Betrag seines Einkommens an eine private Versicherung seiner Wahl entrichten.

Wer dies nicht tut, hat keinen Anspruch auf Krankenbehandlung oder der Zahlung einer Altersrente.

Die Administrationen dürfen Steuern bis zu einem Gehalt von 100.000 Galax per anno erheben. Leistungsträger mit einem Verdienst über dieser Summe sind steuerfrei zu behandeln. Aufgrund ihres Beitrages für die Gesellschaft sind Unternehmen ebenfalls von Steuern zu befreien. Ferner gilt dies auch für Vermögen, Transaktionen und Kapital in Form von Gebäuden, Raumschiffen und dergleichen.

Die Städte, Planeten und Systeme können von Unternehmern erworben und verwaltet werden. Als rechtliche Grundlage dieser Konzernreiche dienen die allgemeinen Geschäftsbedingungen der einzelnen Unternehmen.

Ferner werden Gewerkschaften und Verbände für Arbeitnehmer abgeschafft. Gesetzliche Regelung zu Arbeitszeiten, Urlaub und Entlohnung obliegen einzig und allein dem Arbeitgeber. Jeder Bürger hat das Recht, ein Angebot abzulehnen und die elementare Freiheit, einen anderen Beruf auszuüben.

Feiertage werden aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Interessen abgeschafft. Ausnahmen bilden kommerziell erfolgreiche Feiertage, wie das Weihnachtsfest.

Dem Paxus-Rat wird eine Cartwheel Aktiengesellschaft gleich gesetzt, die über die wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte einzig und allein die Entscheidungsgewalt hat.

Als der Marquês den Entwurf zu Ende gelesen hatte, musste er tief durchatmen. Shorne griff eiskalt nach der Macht über die Insel. Denn wer der mächtigste Unternehmer sein würde, der den Vorsitz über die Insel führen würde, war dem Spanier klar – Michael Shorne selbst. Zwar waren Shornes Vorschläge zu Zeiten des Marquês im alten Spanien durchaus normal gewesen – alle Macht gehörte damals dem Adel und das Volk wurde brutal ausgebeutet – doch ihm war klar, dass man heutzutage ganz andere Regeln geschaffen hatte, die Shorne für sich und sein Klientel wieder abschaffen wollte. Außerdem sollte die Regierung, welcher er ja auch selbst angehörte, in ihrer Macht beschnitten werden, das kam für den Marquês nicht in Frage.

»Nun?«, fragte Shorne nur.

»Mein lieber Freund, sosehr ich Ihren Plan auch schätze, muss ich ihn leider ablehnen. Ich habe bereits Generalsekretär Sruel Allok Mok und Ratsmitglied Aurec meine Zusage zu deren Wirtschaftsplan gegeben.«

Shorne sprang wütend auf.

»Ich muss sie wohl daran erinnern, dass ich es war, der Ihnen zu Ihrem Amt verholfen hat! Ohne meine Hilfe wäre Solder Brant jetzt an Ihrer Stelle!«

Der Marquês machte eine abwehrende Geste.

»Ich will nicht leugnen, dass Sie mir eine große Hilfe waren. Aber ein klein wenig haben meine Fähigkeiten und meine Ausstrahlung ja wohl auch dazu beigetragen«, wehrte sich der Spanier.

Shorne verzog spöttisch die Mundwinkel.

»Die Ausstrahlung einer Mumie. Wie dem auch sei. Sie vergessen, dass ich zwei Polizisten auf meiner Lohnliste habe. Sie erinnern sich vielleicht an Officer McSweet und Officer Rannigan?«

»Gewiss«, sagte Don Philippe betreten.

»Wenn Sie mich nicht unterstützen und sich als undankbar erweisen, werde ich die Solder Brant-Sache gegen Sie verwenden. Ich kann Sie genauso ausschalten wie diesen dämlichen Brant, wenn Sie nicht tun was ich will.«

»Sie brauchen mir nicht zu drohen. Es geht darum, dass ich dem Generalsekretär mein Wort gegeben habe.«

»Na und? Dann brechen Sie es eben wieder. Das ist Politik.«

Don Philippe überlegte krampfhaft, doch er fand keinen Ausweg. Shorne hatte ihn in der Hand. Wenn seine Verbindung an dem Brant-Skandal publik wurde, blieb ihm nur der Rücktritt.

»Schon gut, schon gut! Sie kriegen was sie wollen, Shorne. Ich stimme für Ihren Plan und werde sie dann zum Finanz und Wirtschaftsminister ernennen.«

Shorne war zufrieden. Er war überzeugt davon im Recht zu sein. Für ihn waren Geld und Macht die Grundpfeiler der Gesellschaft. Jeder hatte sich dem Wachstum und den Konjunkturdaten unterzuordnen, denn nur die Wirtschaft garantierte Wohlstand und Frieden. Leider hatte sich die Machtposition der Wirtschaft zu Ungunsten der Industriellen verschoben, seit Perry Rhodan Resident geworden war.

Rhodan wollte beiden Seiten gerecht werden, während unter der Regierung Paola Daschmagans die großen Konzerne bevorzugt behandelt worden waren. Für Shorne war das ein Rückschlag, zumal weder Rhodan noch der Erste Terraner korrumpierbar waren. Shorne traute niemanden, den man nicht mit Geld kaufen konnte.

Er hoffte, auf der Insel nun eine Politik betreiben zu können, die vollkommen auf die Wirtschaft und die Großunternehmen ausgerichtet war. Shorne war überzeugt, dass ihm das auch gelang. Selbst die Arkoniden würden irgendwann einsehen müssen, dass sie mit ihrer aggressiven Politik im Endeffekt dem Handel und damit letztendlich sich selbst schaden würden. Shorne war überzeugt, Uwahn Jenmuhs von seiner Ansicht überzeugen zu können, da er diesen praktischer und materieller einschätzte als den unberechenbaren Imperator Bostich, der von einem großarkonidischen Reich träumte.

Doch die Milchstraße war weit entfernt und die Insel war für Shorne eine Galaxis der unbegrenzten Möglichkeiten, wie seinerzeit Amerika für die Pioniere. Wenn sich einige Völker dagegen stellen sollten, würden sie eben enden wie die Indianer im alten Amerika.

»Sehen Sie, Don Philippe. Ich wusste doch, dass Sie vernünftig werden würden. Es wird zu Ihrem großen finanziellen Vorteil sein, das verspreche ich Ihnen.« Shorne warf einen Blick auf seinen Armbandchronometer. »Leider muss ich Ihre reizende Party nun verlassen, Marquês. Es gibt noch viel zu tun für mich. Auf Wiedersehen!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Shorne dann das Arbeitszimmer.

»Wiedersehen«, sagte Don Philippe lahm. »Und auf Wiedersehen, Sam und Aurec, auf Wiedersehen, Wähler, auf Wiedersehen Macht und Einfluss...«

Kurz darauf betrat Diabolo den Raum.

»Hast du alles mitbekommen?«, fragte ihn der alte Spanier.

»Ja, Marquês. Ich habe das Gespräch heimlich dank ihrer versteckten Kameras mit verfolgt.«

»Das nützt mir gar nichts.«

»Wer weiß...«

Der Marquês winkte klagend ab.

»Ach! Shorne hat mich in der Hand. Hätte ich mich doch bloß nicht auf die Sache mit Solder Brant eingelassen.«

»Erzählen Sie mir davon«, bat Diabolo.

Don Philippe berichtete, was es mit der Solder Brant-Affäre auf sich hatte und wie er darin verwickelt war.

»Die Idee war taktisch sicher richtig, wenn auch moralisch verwerflich. Sie haben den Fehler gemacht, sich von Shorne einspannen zu lassen. Andererseits hatten Sie nur eine passive Rolle dabei.«

»Das wird Generalsekretär Sam schon genügen. Er hat sehr strenge Ansichten, der reinste Moralapostel! Wenn das herauskommt, bin ich bei ihm unten durch, aber auch, wenn ich für Shorne stimme. Was für ein Dilemma!«, jammerte der Spanier. Schlurfend ging er zu seinem Sessel, ließ sich hineinfallen und stöhnte. »Mir wird nichts anderes übrig bleiben als für Shorne zu stimmen.«

 

4. Das Attentat

Am nächsten Tag hatte der Paxus-Rat seine konstituierende Sitzung einberufen. Dies war der Moment, in dem Saron zuschlagen wollte. Er hatte geplant, alle Ratsmitglieder und deren Stellvertreter auf einmal zu erwischen und somit die Insel ins Chaos zu stürzen.

Das daraus entstehende Machtvakuum wollte er für sich nutzen.

Den Zugang in das Regierungsgebäude sollte ihm Ab-e-Metul ermöglichen. Dann würde er mit zwanzig seiner besten Upanishad-Kämpfer dort mehrere Bomben deponieren und wieder verschwinden. Später dann würde Saron genüsslich den Knopf drücken, der die Bomben detonieren ließ und seinen Plan vollendete. Danach würde er sich Sam Tyler, Will Dean und Jan Scorbit ausgiebig widmen.

Mit Hilfe der haurischen Delegation war man bereits unerkannt nach Paxus gelangt. Nun wartete Saron auf Ab-e-Metul, der sie in das Regierungsgebäude bringen würde.

Im Moment befanden sich Saron und seine Anhänger in einem haurischen Schiff auf dem Raumhafen von Paxus. Alle Vorbereitungen waren getroffen, als sich ein Schott öffnete und Ab-e-Metul eintraf.

Saron erhob sich von seinem Sitz, um den Hauri zu begrüßen.

»Wie schön dich zu sehen, ehrwürdiger Ab-e-Metul. Wir warten bereits voller Ungeduld auf dich.«

Der Hauri wirkte betreten, was Saron sofort auffiel.

»Stimmt etwas nicht?«

»Ich hatte ein Treffen mit Nor'Citel, unserem wichtigsten Verbündeten«, berichtete Ab-e-Metul. »Er ist gegen eine Sprengung des Regierungsgebäudes, da er selbst zum Paxus-Rat gehört. Stattdessen wünscht er, dass die Ratsmitglieder entführt werden. Dann wird Nor'Citel sie gegen ein hohes Lösegeld austauschen.«

Saron glaubte, sich verhört zu haben.

»Was? Er wünscht! Was hat Nor'Citel schon zu wünschen? Ich bin Saron, Vollender des Permanenten Konflikts! Ich höre nicht auf einen korrupten Politiker!«, schrie er voller Wut.

Ab-e-Metul gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt.

»Mein lieber Freund, du unterschätzt Nor'Citel offenbar. Er hat die Pelewon und die Dscherro auf seiner Seite und auch die Hauri werden ihm folgen, denn nur eine Vereinte Allianz kann es gegen die terranischen und arkonidischen Bastarde aufnehmen. Wir dürfen Nor'Citel nicht verärgern. Er plant in großen Maßstäben. Wir müssen einen Schritt nach dem anderen gehen.«

Saron merkte, dass er Ab-e-Metul nicht würde umstimmen können. Die Furcht des Hauri vor dem Überschweren war deutlich zu spüren. Er beruhigte sich wieder.

»Selbstverständlich hatte ich nicht vor, Nor'Citel ebenfalls zu töten. Wir brauchen schließlich Verbündete. Du hast recht«, lenkte der Pterus ein.

Ab-e-Metul entblößte sein Gebiss zu einem Lächeln.

»Ich wusste, dass wir uns einigen werden. Nun erläutere ich dir den neuen Plan und dann schleuse ich dich und deine Männer in das Regierungsgebäude ein.«

Saron nickte, doch insgeheim nahm er sich vor, den ursprünglichen Plan durchzuführen. Er würde den Rat eben vorher entführen, dann das Lösegeld kassieren und danach die Politiker trotzdem töten. Nor'Citel würde dann statt als strahlender Held als Verlierer dastehen. Ab-e-Metul verriet er nichts von seinem Plan, denn er brauchte ihn, um ins Regierungsgebäude zu gelangen.

*

Währenddessen lief die Fahndung nach Saron weiterhin auf Hochtouren. Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler trafen sich in New Terrania mit dem Mausbiber Gucky, den sie bei der Jagd auf Saron um Hilfe bitten wollten. Nachdem sie ihm die Situation geschildert hatten, war er auch sofort mit dabei.

»Klar helfe ich euch. Ist doch Ehrensache. Das Universum ist voll mit Gräbern von Schurken, die sich mit dem Überallzugleichtöter angelegt haben«, lobte sich Gucky selbst.

»Das gefällt mir. Saron soll ein schönes, großes Grab bekommen«, sagte Tyler finster.

»Damit das ein für alle Mal klar ist, Tyler: Wir wollen Saron lebend haben!«, stellte Will Dean klar.

Tyler blickte ihn nur böse an.

»Dass wir uns an Recht und Gesetz halten, ist ja wohl klar«, fügte Jan Scorbit hinzu.

»Dann sind wir uns ja einig. Wann geht's los?«, wollte Gucky wissen.

»Wir haben Grund zu der Annahme, dass Saron mit den Hauris zusammenarbeitet«, erklärte Will Dean. »Unser ermordeter Freund Chris Japar hat beobachtet, dass Saron von einem haurischen Raumschiff nach Upanishad gebracht wurde. Dort hat er sich einige seiner Anhänger zu Hilfe geholt und ist mit unbekanntem Ziel verschwunden.«

»Dann ist er vielleicht auf Hauron«, mutmaßte Gucky.

»Das wäre natürlich möglich. Unsere Agenten dort arbeiten auf Hochtouren, konnten bislang aber keine Spur von ihm entdecken«, berichtete Jan. »Zu der Zeit, als Saron jedoch auf Upanishad gesichtet wurde, ist nur ein haurisches Raumschiff in Richtung Upanishad gestartet, ein Privatraumer von Ab-e-Metul!«

»Dem Anführer der Hauris?«, fragte Gucky.

»Ja.«

»Dann sollte man vielleicht den mal beobachten. Vielleicht führt er uns zu dem Gesuchten. Weiß man zufällig, wo sich das alte Klappergestell momentan befindet?«

»Ab-e-Metul befand sich bis gestern auf New Paricza, wo er Nor'Citel besuchte. Dann flog er nach Paxus, was keine Überraschung ist, weil die konstituierende Sitzung des Rates und des Parlaments bevorstehen«, sagte Will Dean.

Gucky lehnte sich zurück und dachte nach.

»Das riecht ja geradezu nach einer perfiden interplanetaren Verschwörung«, meinte der Mausbiber. Doch plötzlich wurde der Ilt ernst. »Was wäre, wenn Saron und Ab-e-Metul sich verbündet hätten und versuchen würden den Paxus-Rat auszuschalten? Alle Ratsmitglieder auf einen Haufen, da könnte man doch...«

Abrupt stand Gucky auf.

»Was meinst du, Gucky?«, wollte Dean wissen.

»Ich meine, dass wir sofort nach Paxus fliegen sollten.«

*

Gucky ahnte noch nicht, wie recht er hatte. Ab-e-Metul hatte Saron und seine Anhänger in das riesige Gebäude des Paxus-Parlaments geschmuggelt, was nicht weiter schwierig war. Da Ab-e-Metul diplomatische Immunität genoss, wurden seine Privaträume innerhalb des Gebäudes natürlich nicht durchsucht. So war es ein leichtes, einen tragbaren Transmitter dort unterzubringen, um dann Saron und seine Leute nach und nach einzuschleusen. Die Pterus gaben sich als Bedienstete aus. Zwar hatten die Pterus keinen Sitz im Parlament bekommen, aber einige arbeiteten dort für den Delegierten der Elfahder, der insgeheim mit Saron sympathisierte. In Ab-e-Metuls Raum bereiteten sich Saron und seine Männer auf die bevorstehende Aktion vor. Der Hauri erklärte Saron noch einmal Leticrons Plan.

»Der Rat müsste sich nun versammelt haben. Nor'Citel wird sich beim Generalsekretär entschuldigen lassen und ihm mitteilen, dass er später kommt. Natürlich wird man auf ihn warten. Sicher wird der dekadente Arkonide sich etwas zu essen bestellen. Dieses Essen werdet ihr liefern. Nachdem ihr die Wachen ausgeschaltet und den Rat in eure Gewalt gebracht habt, werdet ihr mit dem Transmitter auf eines meiner Schiffe gehen und in ein vorbereites Versteck fliegen, wo ihr dann die weiteren Befehle von Nor'Citel abwartet. Hast du das verstanden, Saron?«

Der Pterus nickte. »Sicher.«

»Unser elfahdischer Verbindungsmann wird dafür sorgen, dass die Kommunikation im Gebäude lahmgelegt wird.«

»Ausgezeichnet. Der Plan hat nur einen Schönheitsfehler«, meinte der Pterus mit seltsamem Unterton.

»Welchen?«, fragte Ab-e-Metul erstaunt.

»Saron empfängt keine Befehle, er gibt sie.«

Ohne die Antwort des Hauris abzuwarten, zog Saron einen Thermostrahler unter seiner Kombination hervor und schoss Ab-e-Metul nieder.

*

Währenddessen versammelten sich die Paxus-Räte zu ihrer konstituierenden Sitzung unter dem Vorsitz von Generalsekretär Sam. Einer jedoch fehlte – Nor'Citel.

Als sich Sam, Don Philippe, Aurec und Uwahn Jenmuhs an den Konferenztisch setzten, erhielt der Generalsekretär eine Nachricht von seinem Sekretär.

»Eine Nachricht von Rat Nor'Citel«, meldete dieser.

»Auf den Schirm, bitte«, bat Sam.

Kurz darauf erschien das Gesicht des Pariczaners.

»Wir warten bereits voller Ungeduld auf Sie, Rat Nor'Citel.«

»Ich muss mich leider entschuldigen, Herr Generalsekretär. Leider hat mein Schiff technische Probleme, daher verzögert sich die Landung um etwa eine halbe Stunde«, entschuldigte sich der Pariczaner. »Sowie ich gelandet bin, werde ich so schnell wie möglich zu Ihnen kommen. Am besten Sie fangen schon ohne mich an.«

»Wir werden selbstverständlich auf Sie warten, Nor'Citel. Eine halbe Stunde können wir überbrücken«, entschied Sam.

»Vielen Dank. Ich hoffe, bald bei Ihnen zu sein.«

Leticron lächelte. Sein Plan schien zu funktionieren. Er hoffte nur, dass Ab-e-Metul Saron Respekt beigebracht hatte.

Nun, meine Herren, die Ankunft von Nor'Citel verzögert sich um etwa eine halbe Stunde. Wir müssen also noch etwas warten«, erklärte Sam den drei Ratsmitgliedern.

»Das macht nichts«, versicherte Aurec.

»So etwas kann vorkommen«, meinte auch der Marquês.

»Das finde ich nicht. Jetzt müssen wir wegen diesem Halbwilden auch noch warten!«, beschwerte sich Uwahn Jenmuhs. »Na ja, während wir auf diesen Fettkloß warten, kann ich ja was essen. Ich bin halb verhungert!«

Aurec betrachtete seinen Sitznachbarn missmutig. Verhungert sah Jenmuhs gewiss nicht aus.

»Ich werde mir einen kleinen Snack bestellen. Am besten Spanferkel«, beschloss der übergewichtige Arkonide.

*

Gucky, Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler hatten sich bereits per Transmitter nach Paxus in das dortige Hauptquartier des TLD begeben.

Dean befahl dem Kommunikationstechniker, Verbindung mit Generalsekretär Sam oder Paxus-Rat Aurec herzustellen.

»Tut mir leid. Wir bekommen keine Verbindung. Scheint wohl eine Störung zu sein«, meinte der Techniker.

Will war darüber sehr beunruhigt.

»Da scheint irgendetwas nicht zu stimmen«, sagte er zu den anderen. »Ich werde die Sicherheitskräfte auf Paxus informieren.«

Sam Tyler nickte grimmig und streichelte zärtlich seinen Multifunktionsstrahler.

»Wir haben ihn. Bald fällt die Entscheidung.«

*

Jenmuhs gab seine Bestellung auf, die jedoch nicht vom Bedienservice entgegengenommen wurde, sondern von Saron.

»Es ist soweit. Bereitet euch vor, meine Krieger«, befahl er seinen zwanzig Kämpfern.

Der Pterus warf dem toten Ab-e-Metul, der auf dem Fußboden lag, einen verächtlichen Blick zu.

»Du elender Vasall, du hast es nicht besser verdient. Dein Nor'Citel wird sich noch wundern.«

Zur Tarnung hatte man sich mehrere Servierwagen kommen lassen, die man nun zum Konferenzraum schob. Zwei Sicherheitsbeamte, beides Terraner, standen vor dem Eingang, daneben saß eine Sekretärin an einem Schreibtisch.

»Wir bringen das Mahl für den erlauchten Uwahn Jenmuhs«, erklärte Saron den Beamten, die ungläubig auf die Servierwagen und die zwanzig begleitenden Kellner blickten.

»Meine Güte, das alles für den? Der lässt sich's aber gutgehen.«

»Das Servieren erfordert viel Aufwand«, erklärte Saron.

»Was gibt es denn?«, fragte der zweite Beamte, der ziemlich korpulent wirkte, neugierig.

Als die beiden Beamten abgelenkt waren, gab Saron seinen Kämpfern einen Wink. Daraufhin zogen vier von ihnen Messer hervor, mit denen sie die beiden Beamten blitzschnell töteten. Die anderen holten ihre Energiestrahler hervor und schossen auf die Sekretärin, die aufschrie und tot zusammenbrach. Mit gezückten Waffen stießen die Pterus die Tür auf und drangen in den Konferenzsaal ein.

»Keine Bewegung oder ihr seid des Todes!«, rief Saron den verblüfften Ratsmitgliedern zu.

»Was soll das, ihr Mistviecher! Wo bleibt mein Essen? Ich lasse euch auspeitschen, ihr Widerlinge!«, giftete Jenmuhs, der den Ernst der Lage offenbar noch nicht erkannt hatte.

Saron versetzte Jenmuhs einen Schlag in dessen korpulenten Unterleib. Jenmuhs brach schreiend zusammen.

»Bitte nicht schießen, Señores, wir ergeben uns!«, rief der Marquês ängstlich.

»Saron! Das wird Sie teuer zu stehen kommen«, sagte Sam unfreundlich.

Der Pterus fuchtelte wild mit seiner Waffe herum.

»Aber vorher verreckt ihr alle!«, drohte er und wandte sich an seine Leute.

»Fünf Mann bewachen diese Jammergestalten hier. Der Rest sichert den Ausgang. Wir bringen sie zum Transmitter.«

»Damit kommen Sie nicht durch, Saron. Sie kommen nie hier heraus«, meinte Aurec.

Saron sah ihn höhnisch an.

»So, meinst du? Ich bin ja auch hier reingekommen. Und auf demselben Weg kommen wir auch wieder hinaus.«

*

Gucky und die Agenten waren bereits auf dem Weg zum Parlamentsgebäude. Dean hatte das Kommando über die Sicherheitskräfte übernommen.

Auch Joak Cascal war verständigt worden und befand sich bereits auf dem Weg. Dean befahl dem Kommandanten der Sicherheitskräfte, sich sofort zum Konferenzsaal zu begeben.

*

»Los, wir gehen jetzt«, forderte Saron die Geiseln auf.

Uwahn Jenmuhs hatte sich wieder aufgerappelt und den Ernst der Lage erkannt. Händeringend ging er auf den Pterus zu.

»Bitte verschonen Sie mich, Saron! Nehmen Sie von mir aus die anderen, aber verschonen Sie mich!«, flehte er.

»Abgelehnt. Ihr kommt alle mit. Eigentlich wollte ich euch alle töten, aber das würde zu schnell gehen. Ich werde erst Lösegeld für euch kassieren und euch dann qualvoll töten«, sagte Saron voller Hass.

»Nein! Bitte nicht mich! Ich habe Geld, viel Geld! Ich bin noch zu jung, um zu sterben!«, schrie Jenmuhs.

Saron verpasste dem Arkoniden einen Tritt in den Unterleib, woraufhin Jenmuhs quiekend zusammenbrach.

Aurec und Sam sahen verächtlich auf den Politiker hinab.

»Wenn es um Geld geht, könnte man sich doch einigen«, unternahm der Marquês einen Versuch, doch der Pterus wies ihn barsch ab.

»Ihr Politiker glaubt, es ließe sich alles mit Geld regeln. Früher, als ihr Politiker noch Kriege angezettelt habt, wart ihr noch nützlich, denn ihr dientet damit dem Permanenten Konflikt. Jetzt seid ihr nur noch verweichlicht. Aber ich werde dafür sorgen, dass der Krieg wieder Vater aller Dinge sein wird. Dann wird endlich wieder nur der Stärkste überleben und das schwache Fleisch der Gesellschaft wird abgeschnitten.«

Der Marquês schüttelte den Kopf. Mit dem Pterus konnte man nicht diskutieren. Er war ein wahnsinniger Fanatiker.

»Steh auf, Jenmuhs!«, rief Saron dem jammernden Arkoniden zu.

»Nein, ich will nicht!«, schrie Jenmuhs weinerlich.

Saron befahl zwei seiner Leute den Arkoniden aufzuhelfen. Zappelnd und schreiend wurde er wieder auf die Füße gestellt.

»Los jetzt, wir haben genug Zeit verloren!«

Plötzlich ertönten Schüsse aus Richtung des Korridors. Einer von Sarons Leuten kam in den Konferenzsaal gerannt.

»Was ist, Brack?«

»Meister, die Sicherheitskräfte sind da! Sie versperren uns den Weg. Wir haben das Feuer eröffnet, aber es sind zu viele. Wir haben schon fünf Tote zu beklagen!«

»Ich werde zu ihnen sprechen. Der fette Arkonide wird uns Deckung geben«, befahl Saron.

Jenmuhs schrie nach Leibeskräften, doch die drohenden Waffen ließen ihn gehorchen.

Saron ließ Jenmuhs durch den Korridor vorangehen. Dort wurde geschossen. Mehrere Tote und Verletzte lagen herum. Zwei weitere Pterus waren gefallen.

»Feuer einstellen!«, rief Will Dean, als er Jenmuhs und Saron erkannte.

Gleich darauf hörte das Feuergefecht auf.

»Sehr vernünftig, Dean! Ich habe den Generalsekretär und die Paxus-Räte Aurec, Don Philippe de la Siniestro und diesen schleimigen Fettmolch hier in meiner Gewalt! Ich verlange eine Billiarde Galax Lösegeld und freies Geleit. Auf dem Dach des Gebäudes werdet ihr einen Gleiter für uns bereitstellen. Das alles innerhalb von zwei Stunden. Wenn nicht, wird nach Ablauf dieser Frist die erste Geisel erschossen. Weitere Verhandlungen sind sinnlos.«

»Wir werden tun, was Sie verlangen«, versicherte Dean.

Saron zog sich mit seinen Leuten wieder zum Vorzimmer zurück. Dean befahl seinen Leuten, sich keinesfalls weiter vorzuwagen. Dann ging er zu Gucky und den anderen. Inzwischen waren auch Joak Cascal und Nor'Citel eingetroffen.

»Wie konnte das nur passieren?«, fragte Cascal bestürzt.

»Wir haben Ab-e-Metul tot in seinem Raum gefunden. Wahrscheinlich hat Saron ihn benutzt, um hier hineinzugelangen«, erklärte Jan Scorbit. »Mit Hilfe eines tragbaren Transmitters wurden die Pterus hineingeschmuggelt – aber jetzt kommen sie nicht mehr heraus.«

»Was ist mit den Räten?«, wollte Cascal wissen.

»Saron hat sie und den Generalsekretär gefangengenommen«, berichtete Will Dean. »Sie leben, aber wenn wir nicht innerhalb von zwei Stunden Saron einen Fluchtgleiter mit einer Billiarde Galax übergeben, will er sie töten.«

»Saron wird sie so oder so töten«, mutmaßte Tyler.

»Das fürchte ich auch. Welch ein Glück, dass Sie nicht da waren, Nor'Citel. Sonst hätte er jetzt alle Räte als Geiseln«, meinte Joak Cascal.

»Ja, ein glücklicher Zufall. Wir hatten technische Probleme an Bord meines Schiffes. Ein paar Minuten eher und ich wäre auch in der Gewalt der Terroristen«, log Leticron. Innerlich schäumte der Überschwere. Saron hatte sich ihm in dreister Weise widersetzt und auch noch seinen wichtigen Verbündeten Ab-e-Metul getötet.

»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Cascal.

»Stürmen und die Geiseln heraushauen«, schlug Tyler vor.

»Das ist viel zu gefährlich. Saron hat noch dreizehn Leute. Die können wir nicht alle niederkämpfen, ohne dass einer von ihnen Gelegenheit hat, die Geiseln zu töten«, gab Jan zu Bedenken.

Tyler zuckte mit den Schultern.

»Berufsrisiko.«

»Blind zu stürmen, halte ich ebenfalls für zu gefährlich«, meinte Cascal.

»Ich finde, Tyler hat recht. Nur ein Sturmangriff kann die Geiseln noch retten«, schlug Leticron vor.

Dabei hatte er den Hintergedanken, dass Saron bei der Befreiungsaktion getötet wurde. Saron musste sterben, denn er wusste von Ab-e-Metul, dass Nor'Citel in die Verschwörung gegen den Paxus-Rat verwickelt war. Sollten dabei die Ratsmitglieder umkommen, war ihm das eigentlich ganz recht, denn mit den Stellvertretern würde Leticron leichter fertigwerden.

»Es muss doch einen anderen Ausweg geben«, meinte Cascal.

Gucky trat mit stolzgeschwellter Brust hervor.

»Den gibt es. Nämlich mich, den Superhelden schlechthin. Saron weiß nichts von meiner Anwesenheit hier. Das werde ich nutzen und ihn von hinten angreifen, während ihr frontal angreift.«

»Das ist die beste Idee. Ich bin dabei«, meinte Tyler.

»Es ist ziemlich gefährlich, Gucky«, überlegte Cascal. »Es könnte immer noch einer der Wachen übrigbleiben der dich erschießt oder die Geiseln.«

»Ohne Risiko geht es nun mal nicht. Außerdem läuft uns die Zeit davon«, fand Gucky.

»Also gut. Bereitet alles vor«, gab Cascal nach.

»Aber keine unnötigen Risiken! Das gilt besonders für dich, Gucky!«

»Bin ich schon jemals unnötige Risiken eingegangen?«, tat Gucky entrüstet.

Bevor Cascal antworten konnte, war Gucky schon verschwunden.

*

Im Konferenzsaal herrschte gespanntes Schweigen. Der Marquês machte noch einen Versuch, die Angelegenheit diplomatisch zu lösen. Wenn Saron schon keinen logischen Argumenten zugänglich war, dann vielleicht seine Leute.

»Verehrte Pterus, ich spreche zu euch als Paxus-Rat der Insel und damit im Namen aller Völker. Ich möchte euch bitten, die Waffen ruhen zu lassen und aufzugeben. Es hat schon genug Tote gegeben. Sollen denn eure Familien und euer ganzes Volk unter all dem leiden? Doch noch ist es nicht zu spät. Lasst uns gehen und ich verspreche, dass ich mich dafür einsetzen werde, dass das Volk der Pterus einen Sitz im Parlament erhält und gleichberechtigt in die Familie der Insel-Völker aufgenommen wird. Ebenso werde ich mich dafür einsetzen, dass eure Strafe milde ausfallen wird.«

Die fünf Wachen, welche die Geiseln bewachten, wurden hellhörig.

»Kannst du das machen, Terraner?«, fragte einer.

»Gewiss doch. Aber ihr müsst euch schnell entscheiden«, sagte der Marquês.

Die Pterus schienen mit sich zu kämpfen. Saron wurde aufmerksam.

»Geht auf eure Plätze! Hört nicht auf die Lügen dieser alten Vogelscheuche! Er ist Politiker, die versprechen alles, nur um an der Macht zu bleiben!«

»Immer noch besser als ein feiger Mörder«, gab der Marquês wütend zurück.

Doch er bereute seinen Ausspruch sogleich, denn er hatte den Pterus noch wütender gemacht.

»Jetzt reicht es mir. Die zwei Stunden sind ohnehin gleich um. Ich werde dich als ersten töten!«

Saron legte seinen Strahler auf den ängstlichen Spanier an. Der Marquês schloss mit seinem Leben ab. Sollte es nun so enden, nach alldem was er durchgemacht hatte? Das hatte er nicht verdient.

Doch als der Pterus abdrücken wollte, materialisierte eine kleine, pelzige Gestalt im Raum. Kurz darauf wurde Saron der Strahler aus der Hand gerissen. Der Strahler machte sich selbstständig und feuerte auf die völlig verwirrten Pterus. Einer wurde an der Schulter getroffen und ging zu Boden.

Die Sicherheitskräfte, angeführt von Sam Tyler, griffen an und paralysierten die Pterus. Die vier Pterus stürmten den Angreifern entgegen, doch Sam Tyler tötete die vier mit einer Salve. Tyler hatte als einziger auf Paralysestrahlung verzichtet.

Saron begriff, dass er verloren hatte. Gucky war inzwischen mit dem Marquês und Sam wegteleportiert, kam wieder zurück und wollte sich Aurec und Uwahn holen.

»Bring erst Jenmuhs in Sicherheit. Der wiegt das Doppelte. Ich bleibe hier«, rief Aurec, der sich inzwischen Sarons Strahler geholt hatte, Gucky zu.

»Ja, nimm mich! Nimm mich!«, forderte Jenmuhs.

»Was sind denn das für Angebote? Aber bitte, wenn's sein muss«, sagte der Ilt und nahm den Arkoniden an der Hand.

»Ich bin gleich zurück. Dann kommst du dran!«, rief Gucky dem Pterus noch zu, bevor er verschwand.

Saron öffnete die Tür zum Balkon und rannte hinaus, als Sam Tyler in den Raum stürmte und sofort auf den Pterus schoss, ihn aber verfehlte.

»Aus dir mache ich eine Handtasche!«, knirschte Tyler drohend und stürmte auf Saron zu.

Dieser hatte jedoch mit dem Angriff gerechnet und fing Tyler mit einem gezielten Tritt ab und entwaffnete ihn. Durch die Anwendung der Upanishad-Techniken war der Pterus dem Terraner überlegen und schwächte ich mit gezielten Schlägen und Tritten immer mehr. Aurec traute sich nicht auf Saron zu schießen, da er fürchtete Sam Tyler zu treffen. Tyler geriet mehr und mehr in die Defensive, wurde schließlich von Saron niedergeschlagen und blieb benommen am Boden liegen.

Nun wollte Aurec eingreifen und rannte zum Balkon, doch der Pterus hatte ihn erwartet und stürzte sich mit einem Sprung auf den Saggittonen. Mit zwei gezielten, harten Schlägen hatte er Aurec niedergerungen und ihm den Strahler abgenommen. Mit der Waffe in der Hand ging Saron auf Tyler zu.

»Jetzt habe ich dich endlich. Du bist der nächste, der sterben wird. Danach kommen Dean und Scorbit dran. Eigentlich wollte ich dich ja bis zum Schluss aufheben, aber was soll man machen? Es kommt wie es kommt. Siehst du nun endlich, wie überlegen Upanishad-Krieger euch allen sind? Wie viel besser wir kämpfen können? Das musst du zugeben. Ja, gib es zu!

Sage mir, dass ich dir überlegen bin, dann werde ich dich schnell und schmerzlos töten!«

Der Pterus schob den Regler des Thermostrahlers herunter, damit die Entladung von geringerer Energiemenge sein würde. Der Thermostrahler war in der Regel keine Präzisionswaffe, sondern hatte eine enorme Wirkung. Würde Saron Tyler aus nächster Nähe zersprengen, würde er ebenso umkommen. Doch der Regler klemmte. Er war defekt. Der Pterus musste Abstand zu Tyler gewinnen.

Saron stieg auf das breite Geländer des Balkons und richtete die Waffe auf den Terraner.

»Also, gibt du es zu?«

Tyler richtete sich etwas auf.

»Ich gebe zu, dass du ein verdammtes Arschloch bist.«

Saron war außer sich vor Wut. Er drückte ab, doch die Waffe löste nicht aus. Während der Pterus an den Reglern hantierte, sprang Tyler überraschend auf und versetzte dem Pterus einen harten Schlag. Saron verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Zur gleichen Zeit materialisierte Gucky auf dem Balkon neben Aurec, der alles mit angesehen hatte.

»Gucky, fang ihn ab! Schnell!«, rief der Saggittone.

Der Mausbiber reagierte sofort und fing den schreienden Pterus ab, bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte.

»Bist du sicher, dass ich ihn retten soll, Aurec?«, fragte der Ilt.

»Selbstverständlich. Die Gerichte sollen über ihn entscheiden«, erwiderte der Saggittone.

»Blödsinn! Lass ihn krepieren! Er hat's verdient!«, sagte Tyler.

Gucky hörte lieber auf Aurec und zog den Pterus telekinetisch empor. Inzwischen waren auch zwei bewaffnete Sicherheitsleute auf den Balkon gekommen, um Saron zu verhaften. Gucky ließ den Terroristen über das Geländer schweben und setzte ihn vorsichtig ab.

»Ihr Schwächlinge! Ihr werdet untergehen, wegen eurer schwachen, menschlichen Prinzipien«, höhnte Saron, der sich keineswegs dankbar erwies.

In diesem Augenblick entriss Sam Tyler einem der Polizisten seinen Strahler und feuerte ihn voller Inbrunst auf Saron ab, der von den Energiesalven tödlich getroffen wurde, nach hinten kippte und erneut herunter fiel. Gucky spürte keine Lebensimpulse in dem Pterus und ließ konsterniert die Leiche fallen.

Mit versteinerten Mienen beobachteten Aurec und Gucky das Geschehen. Tyler ließ die Waffe sinken und wurde widerstandslos von den beiden Polizisten überwältigt.

»Das war für Japar, Wichser«, flüsterte Tyler.

Aurec wandte sich dem Terraner zu.

»Bei allem Verständnis für Trauer um Ihren Freund, Tyler, verspreche ich Ihnen, dass Sie sich für diese Tat zu verantworten haben«, sagte der Saggittone kalt. Wieder keimte in Aurec die Abneigung gegenüber Tyler hoch, die er seit ihrem ersten Aufeinandertreffen im Kampf gegen die Mordred empfand.

Tyler grinste nur und wurde abgeführt.

Inzwischen waren auch Will Dean und Jan Scorbit dazugekommen und meldeten das erfolgreiche Ende der Aktion.

»Wir haben von den dreizehn Pterus neun paralysiert und gefangengenommen. Vier wurden allerdings von Tyler erschossen. Er hat, gegen den Befehl gehandelt, nur den Paralysator zu benutzen«, berichtete Will Dean.

»Ich verstehe nicht, dass ein Profi wie er so ausrasten kann«, meinte Jan Scorbit.

»Es ist nicht das erste Mal. Er wird sich dafür zu verantworten haben«, sagte Aurec mit finsterer Miene.

»Dir aber haben wir für unsere Befreiung zu danken, und das ohne große Verluste«, wandte er sich Gucky zu.

»Tja, was soll nur aus euch werden, wenn ich wieder weg muss. Ohne mich seid ihr doch vollkommen hilflos«, lobte sich Gucky.

»Da hast du recht«, lachte Will Dean.

»So ganz ohne Verluste ging es leider doch nicht«, schränkte Gucky ein.

»Was meinst du?«, fragte Aurec besorgt.

»Jenmuhs Hose ist draufgegangen. Die war nämlich voll.«

Jetzt musste auch Aurec lachen.

 

 

 

5. Wiedersehen macht Freude

Zwei Tage später wurde Jan Scorbit von seinem Bruder Remus und seiner Schwägerin Uthe zu einer Willkommensfeier eingeladen, an der auch deren Onkel Henry Portland, ihre Tante Rhoda Portland, Jonathan Andrews, Matthew Wallace, Aurec, sowie Anica und Jaquine teilnahmen. Die Stimmung war ausgelassen und man feierte das glückliche Ende des Geiseldramas.

Nachdem die Neue USO sich dem TLD und nach der Aktion auf Paxus auch zwangsläufig dem Terra-Block und Saggittor offenbarte, konnte Jan Scorbit die Masken fallen lassen und seine Familie wiedersehen.

Jan wurde sehr herzlich aufgenommen und schloss schnell Freundschaft mit Andrews und Wallace.

»Schade, dass ich nicht dabei war. Diesem Saron hätte ich es schon gezeigt«, meinte Jonathan.

»Sei froh darüber. Saron war ein äußerst unangenehmer Gegner«, entgegnete Jan.

»Das kann ich nur bestätigen«, fand auch Aurec, der sich dabei die noch schmerzenden Rippen hielt.

Rhoda Portland erfreute sich an den Cocktails und klagte über ihr Leid. Die Friseure auf Mankind seien alle Nieten, die Modegeschäfte würden nur alten Plunder verkaufen, der allenfalls einem Springerpatriarch stehen würde und gesellschaftliche Anlässe gäbe es ja ohnehin kaum. Henry Portland hingegen versuchte mehr über neue United Stars Organisation herauszufinden, doch Jan blockte ab. Er wusste nur zu gut, dass sein Onkel sogleich einen Kurier nach Terra zu Perry Rhodan schicken würde. Jan bat darum, dass man ihm keine Fragen zur USO stellen dürfe. Ausgerechnet Gucky pflichtete ihm bei und sagte nur: »Wir können einer Organisation mit so einem historischen und würdevollen Namen vertrauen. Ganz besonders, wenn der gute Jan im Auftrag von Homer G. Adams und Monkey handelt.«

Damit war das Thema erledigt. Flak Portland konzentrierte sich nun mehr darauf, Remus zu überreden, endlich eine Ausbildung in der terranischen Raumfahrtakademie zu beginnen.

Da läutete es an der Tür.

»Nanu? Wer kann das sein? Wir haben doch niemanden mehr eingeladen?«, wunderte sich Remus.

»Hoffentlich nicht wieder dein grässlicher Freund Henner von Herkner. Den schmeiße ich sofort wieder raus«, drohte Uthe und ging an die Tür.

Als sie öffnete, war sie sehr überrascht. Vor ihr stand Yasmin Weydner. Neben ihr stand eine junge Frau und hinter dieser – Uthe konnte es kaum fassen – Ottilie und Karl-Adolf Braunhauer in Begleitung einer älteren Frau.

»Yasmin, welch eine Überraschung!«

Uthe wusste nicht recht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte.

»Ja, ich bin's wirklich. Darf ich dir meine Freundin Ivon Abrinsky vorstellen?«

»Tag«, sagte die blonde untersetzte Frau.

»Wir sind heute in New Terrania angekommen. Wir kommen direkt von Old Terra und dachten wir überraschen euch einfach, bevor wir unsere Unterkünfte aufsuchen«, erklärte Yasmin.

»Na, die Überraschung ist euch gelungen«, sagte Uthe in Anspielung auf die Braunhauers.

»Achja, die Braunhauers kennst du ja bestens. Sie waren mit uns auf demselben Raumschiff und wollten es sich nicht nehmen lassen, euch ebenfalls zu begrüßen.«

»Guten Tag, Ulrike«, sagte Frau Braunhauer.

»Uthe, Frau Braunhauer, Uthe!«

»Achso, na ja, was soll's.«

»Können wir nicht endlich mal reingehen?«, fragte Karl-Adolf Braunhauer ungehalten.

Der Terraner machte ein unglückliches Gesicht und fasste sich an sein Herz.

»Natürlich, Vatichen. Vatichen geht es heute wieder sehr schlecht«, erklärte Ottilie.

»Eigentlich ging es ihm während der Reise jeden Tag schlecht«, seufzte Yasmin.

Uthe konnte sich denken, was sie die letzte Zeit durchgemacht hatte.

»Nun sei mal nicht so keck! Vatichen war schließlich im Krieg gegen Momo und hat sich da viele Krankheiten geholt. Jetzt muss er dringend aufs Klo wegen seinem Blasenleiden. Vatichen muss unbedingt seine Windeln wechseln«, verkündete Frau Braunhauer in einer Lautstärke, dass man es durch den ganzen Hausflur hören konnte.

Mit hochrotem Kopf betrat Karl-Adolf die Wohnung der Scorbits und begab sich sogleich in das Bad. Uthe blieb nichts anderes übrig als alle hereinzubitten. Die Frau, die mit den Braunhauers gekommen war, musterte Uthe misstrauisch.

»Willst du mich nicht mal vorstellen, Ottilie?«, fragte sie unfreundlich.

»Achja natürlich. Das hätte ich ja fast vergessen. Das ist Vatichens Cousine Inge Bohmar. Sie ist nicht gesund und darum begleiten wir sie hierher nach, nach... Dings. Inge besitzt eine große Firma, die Vatichen jetzt für sie leitet, weil sie doch krank ist. Deshalb kann Vatichen auch zeitlich keine Blasenoperation jetzt durchführen. Er ist ja inktrontent oder wie das heißt«, erklärte Ottilie Braunhauer umständlich.

»Du hast Werner und Bandit vergessen, Ottilie!«, protestierte Inge Bohmar energisch und wandte sich dann Uthe zu. »Das hier ist mein Mann Werner Bohmar und das ist unser Hund Bandit. Sitz, Bandit, sei ruhig!«

Uthe registrierte fassungslos, dass die Frau mit jemandem redete, der gar nicht vorhanden war. Sie sah weder einen Mann noch einen Hund. Dennoch tat die Frau so, als wären diese vorhanden. Uthe fragte gar nicht erst, woran Inge Bohmar litt – sie konnte es sich denken.

Als Karl-Adolf seinen Toilettengang beendet hatte, ging Uthe mit den zahlreichen neuen Gästen ins Wohnzimmer, wo sie sich den entsetzten Blick von Remus und Jonathan Andrews ausgesetzt sah.

»Nein, nicht die schon wieder!«, jammerte Remus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

Plötzlich fiel Ottilie Braunhauer zu Boden.

»Ich bin gestürzt! Ich bin gestürzt!«, schrie sie.

»Bandit, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht immer allen Leuten vor die Füße laufen!«, meckerte Inge Bohmar ihren imaginären Hund an.

Ich fürchte, dieser Abend ist gelaufen, dachte Uthe konsterniert.

 

6. Eine Gewissensentscheidung

Auch der Marquês verlebte keinen erfreulichen Abend. Am nächsten Morgen stand die Abstimmung über das zukünftige Wirtschaftskonzept der Insel bevor. Von Shorne wusste er, dass dieser auf die Stimmen von Uwahn Jenmuhs und Nor'Citel zählen konnte. Aurec und Sam würden natürlich für ihr Konzept stimmen. Also hing die Entscheidung allein von ihm ab, und beide Seiten rechneten fest mit ihm.

Die Taktik des Marquês war klar gewesen, eine bürgernahe, gerechte, soziale Politik hatte er auf seinen Publicity-Veranstaltungen immer wieder versprochen. Im neugegründeten Cartwheel-Net und auf dem Inselnet wurden eben diese Kampagnen mit viel Zuspruch von den Nutzern quittiert.

Doch Shorne hatte ihn in der Hand. Egal, wie er auch stimmte, seine gerade erst begonnene politische Karriere schien schon wieder beendet zu sein.

Don Philippe saß gedankenverloren in seinem antiken Sessel vor einem altmodischen Kamin und suchte nach einem Ausweg, doch er fand keinen.

Nach einer unruhigen Nacht begab sich der Marquês zusammen mit Diabolo zum Regierungsgebäude. Durch das Geiseldrama hatte Don Philippe zwei Tage Zeit gewonnen, doch nun schlug die Stunde der Wahrheit.

»Ach, Diabolo, was soll ich nur tun?«, fragte er seinen Berater ohne wirklich einen Ausweg zu erwarten.

»Das kann ich Ihnen sagen. Stimmen Sie für Sam, so wie Sie es ihm versprochen haben«, riet ihm der Posbi.

»Dann bin ich erledigt. Shorne wird meine Mitwisserschaft an der Brant-Affäre schonungslos aufdecken.«

»Abwarten, Marquês. Das ist auch für ihn riskant. Vertrauen Sie mir. Ich weiß, was richtig für Sie ist«, sagte Diabolo geheimnisvoll.

»Na gut, dann will ich eben untergehen, wie es sich für einen spanischen Edelmann geziemt«, gab der Marquês nach.

»Sehr gut. Ich habe noch etwas zu erledigen. Aber keine Sorge, ich werde im rechten Moment wieder da sein.«

Diabolo verabschiedete sich und schwebte mit unbekanntem Ziel davon.

Don Philippe begab sich in den Konferenzsaal, in dem sich schon Sam, Aurec, Jenmuhs und Nor'Citel versammelt hatten. Als der Spanier Platz genommen hatte, erhob sich Sam.

»Verehrte Mitglieder des Paxus-Rates, ich begrüße Sie zu unserer ersten Sitzung und hoffe auf gute Zusammenarbeit«, erklärte der Generalsekretär des Paxus-Rates. »Unsere erste Entscheidung gilt der Ausrichtung der Wirtschaft innerhalb der Insel. Wie Sie wissen, stehen zwei verschiedene Modelle zur Disposition. Zum einen ein Konzept, das von mir und Aurec entwickelt wurde, zum anderen das Modell, welches von dem Industriemagnaten Michael Shorne ausgearbeitet wurde. Ich habe Mister Shorne hierher gebeten, damit er vor der Abstimmung noch einmal zu Ihnen sprechen kann.«

»Sehr schön«, freute sich Uwahn Jenmuhs.

Für den Arkoniden war der Fall klar. Shorne hatte ihm große finanzielle Entschädigungen versprochen, wenn er für ihn stimmte, außerdem hielt er den Plan des Somer und des Saggittonen für zu verweichlicht.

Kurz darauf trat Michael Shorne ein. Der Marquês musterte den Industriellen mit Unbehagen.

»Sehr geehrte Ratsmitglieder. Ich will nicht viele Worte machen. Sie alle haben das von mir und anderen führenden Unternehmern ausgearbeitete Wirtschafts- und Finanzkonzept erhalten und studieren können. Ich halte die Zustimmung zu diesem Konzept für unumgänglich. Wenn die Insel wettbewerbsfähig mit anderen Galaxien sein soll, sie sogar übertreffen will, müssen alle Anstrengungen auf das Wachstum gelegt werden. Dazu müssen eben von allen Bürgern Opfer gebracht werden. Wer sich nicht anpassen kann, muss die Insel eben wieder verlassen. Nur mit einem radikalen Wirtschaftskurs können wir der Insel Wohlstand und damit Frieden bringen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«

Shorne war sichtlich gut gelaunt. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Der Marquês kämpfte mit sich. Sollte er nicht doch lieber Shorne nachgeben? Er hätte es sich dann zwar mit Sam und Aurec verscherzt, dafür hatte er jedoch die mächtige Wirtschaftslobby auf seiner Seite. Don Philippe wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als sich Sam wieder erhob.

»Vielen Dank, Mister Shorne. Leider kann ich Ihren Standpunkt nicht teilen. Nicht alle Kulturen huldigen der Marktwirtschaft mit solchem Enthusiasmus wie manche Terraner. Ich halte das saggittonische Konzept für ein Konzept, aus dem geistige Reife und nicht nackte Habgier spricht. Wenn wir ein System einführen, in dem es Sieger und Besiegte gibt, werden wir nie zu einem friedlichen Miteinander finden und DORGONs Aufgabe erfüllen können. Und um die Erfüllung dieser Aufgabe, die uns gestellt wurde, geht es. Darum sind wir hier und nicht um eine zweifelhafte Wettbewerbsfähigkeit rein materieller Natur zu erreichen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, verehrte Ratsmitglieder.

Kommen wir nun zur Abstimmung. Mister Shorne, nehmen Sie solange draußen Platz. Ich lasse Sie rufen, wenn das Ergebnis der Abstimmung bekannt gegeben wird.«

Shorne verließ den Konferenzraum und der Rat begann mit der Abstimmung.

»Ich stimme für den saggittonischen Plan«, begann Sam.

»Ich ebenso«, sagte Aurec.

»Wie überraschend!«, höhnte Jenmuhs. »Ich aber nicht. Ich stimme für Shorne.«

»Und Sie, Nor'Citel?« fragte der Generalsekretär.

»Ich stimme ebenfalls für Shorne«, antwortete Leticron.

»Nun kommt es auf Sie an, Marquês.«

Don Philippe zögerte.

»Marquês, wir benötigen Ihre Stimme«, erinnerte ihn Sam.

»Ich stimme für den Vorschlag von Sam und Aurec«, brachte der alte Spanier mühsam hervor.

Jenmuhs wirkte enttäuscht. Nor'Citel blieb regungslos. Sam und Aurec waren zufrieden.

»Ich stelle also fest, dass der saggittonische Wirtschaftsplan mit 3:2 Stimmen angenommen wurde«, sagte der Generalsekretär.

Kurz darauf wurde Michael Shorne herbeigerufen. Mit ihm betrat auch Diabolo den Konferenzraum. Don Philippe saß wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl. Jeden Moment erwarte er das Ende seiner politischen Laufbahn.

»Mister Shorne, ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihr Plan mit 3:2 Stimmen abgelehnt wurde. Der saggittonische Wirtschaftsplan wird auf der Insel eingeführt«, teilte Sam dem Wirtschaftsmagnaten mit.

Shorne reagierte wütend. »Seid ihr wahnsinnig? Das ist der Untergang der Insel!« Shornes Blick traf den Marquês. »Sie haben gegen mich gestimmt, Sie Dummkopf! Das werden Sie bereuen! Ich werde sie fertigmachen!«

»Mit solchen Drohungen sollten Sie lieber vorsichtig sein, Shorne«, sagte Diabolo. »Sie schrecken vor nichts zurück, um ihre Machtpläne zu verwirklichen. Sie wollten den Marquês erpressen, damit er für Ihren Plan stimmt. Aber der Marquês hat Courage bewiesen, denn im Gegensatz zu Ihnen liegt ihm das Wohl des Volkes am Herzen.«

»Das ist wahr! Shorne hat versucht mich zu erpressen und mich bedroht«, warf Don Philippe ein.

»Das ist ja lächerlich«, wehrte sich Shorne. »Sie haben Solder Brant Drogen untergeschoben, um ihn auszuschalten.«

»Damit wollten Sie den Marquês erpressen, weil Sie dachten, er würde einen Skandal vermeiden wollen«, sagte Diabolo. »In Wirklichkeit waren Sie derjenige, der Brant ruiniert hat. Und das kann ich beweisen. Sie haben es nämlich selbst zugegeben!«

Der Posbi holte einen Datenträger hervor und steckte ihn in ein Abspielgerät. Ein Bild von Shorne erschien. Es war aus dem Gespräch, das Shorne vor einigen Tagen mit Don Philippe geführt hatte.

»Ich kann sie genauso ausschalten wie diesen dämlichen Brant, wenn Sie nicht tun was ich will«, hörte man Michael Shorne sagen.

»Das ist nur die Spitze des Eisberges«, erklärte Diabolo. »Michael Shorne ist durch und durch korrupt und würde alles tun, um an die Macht zu gelangen. Ich habe auch diverse Aussagen ehemaliger Mitarbeiter gesammelt, die belegen, wie gefährlich Shorne ist.«

»Das ist alles gelogen! Ihr werdet das alle noch bereuen!«, rief Shorne.

»Seien Sie lieber still, Shorne. Ich bin empört über Ihr Verhalten. Hier liegt offensichtlich ein Erpressungsversuch gegen einen Paxus-Rat vor. Das genügt, um eine Untersuchung gegen Sie einzuleiten«, sagte Sam.

Da öffnete sich die Tür und zwei Männer, die sich als Polizeibeamte auswiesen, traten ein.

Der Marquês erstarre. Es waren die Officers McSweet und Rannigan, die für Shorne arbeiteten. Dieser lächelte triumphierend, doch das Lachen verging ihm, als McSweet zu sprechen begann.

»Meine Herren, entschuldigen Sie bitte unser Eindringen, aber es liegt ein Haftbefehl gegen Michael Shorne vor. Bei einer Hausdurchsuchung hat man belastendes Material sichergestellt. Shorne wird beschuldigt, mit Drogen zu handeln.«

»Das ist ja wohl ein Witz!«, schrie Shorne.

Allerdings konnte er nichts gegen die beiden vorbringen, ohne sich selbst zu belasten.

»Es ist genug, Shorne. Wesen wie Sie machen mich krank. Officers, tun Sie Ihre Pflicht.«

Unter den erstaunten Blicken des Marquês wurde Michael Shorne verhaftet und abgeführt. Voller Hass sah er den Marquês an.

»Wir sprechen uns noch«, drohte er, bevor er den Raum verließ.

»Ein grässlicher Mensch«, sagte Don Philippe.

»Ich bin froh, dass er Sie nicht erpressen konnte. Das zeugt von einem starken Charakter, Marquês«, lobte Sam.

Don Philippe lächelte geschmeichelt. Sam ahnte ja nicht, wie kurz der Marquês davor stand, für Shornes Plan zu stimmen.

»Eine alte Tugend meiner Familie. Ich wollte nichts publik werden lassen, um zu vermeiden, dass der Rat in einen Skandal hineingezogen wird«, log der Spanier.

Nun ergriff Nor'Citel das Wort.

»Unter diesen Umständen beantrage ich eine neue Abstimmung, da ich keinesfalls für den Plan dieses Verbrechers stimmen möchte.«

»Sind alle damit einverstanden?«, fragte Sam.

Bis auf Uwahn Jenmuhs waren alle einverstanden.

»Der Antrag wurde mit 4:1 Stimmen angenommen. Wir stimmen also noch mal ab«, stellte der Generalsekretär fest.

Die neue Abstimmung endete mit 4:1 Stimmen für den saggittonischen Wirtschaftsplan. Nur Uwahn Jenmuhs hielt trotzig an seiner Meinung fest. Damit waren die Weichen für die Zukunft gestellt.

*

Wütend reiste Leticron wieder nach Paricza in seine Burg zurück. Durch die Dummheit seiner sogenannten Verbündeten war er keinen Schritt weitergekommen. Saron hatte durch dessen Eigenmächtigkeit seinen Plan zunichte gemacht, an Popularität und Einfluss zu gewinnen. Stattdessen waren nun Aurec und der Marquês angesehener denn je. Außerdem hatte er durch den Tod Ab-e-Metuls die Hauris als Verbündete vorerst verloren, denn er wusste nicht wer Metuls Nachfolger werden würde und wie dieser zu Nor'Citel stehen würde. Der Anführer der Pariczaner wurde von seinem Adjutanten Poleycra empfangen.

»Hatten Sie Erfolg, Corun?«, fragte er.

»Nein, Shornes Plan ist gescheitert, weil dieser geldgeile Idiot über seine eigenen Intrigen gestolpert ist. Ab-e-Metul wiederum wurde das Opfer seiner Dummheit und Saron das Opfer seiner Eitelkeit. Mit solch wertvollen Verbündeten werden wir es weit bringen, Poleycra!«, meinte Nor'Citel voller Sarkasmus.

»Aber wir haben noch die Dscherro und die Pelewon, Corun.«

»Die Dscherro? Das sind wilde Tiere, nichts weiter. Die sind nur für einfachste Aufgaben zu gebrauchen. Auf die Pelewon setzte ich hingegen große Hoffnung. Ich muss versuchen mit diesem elenden Fettsack Uwahn Jenmuhs ein Bündnis abzuschließen. Doch das wird nicht einfach sein, denn er ist genauso dumm und arrogant wie er fett ist.«

»Wenn es einem gelingt, dann Ihnen, Corun«, glaubte Poleycra voller Zuversicht.

»Zunächst muss ich versuchen mich beliebt zu machen, denn solange man mir im Rat misstraut, komme ich nicht weiter. Ich werde mir einen guten Plan überlegen.«

Leticron war guten Mutes, dass sich die Lage doch noch entscheidend zu seinen Gunsten verändern würde.

*

Don Phillipe und Diabolo waren ebenfalls wieder nach Hause zurückgekehrt. Gutgelaunt standen sie auf dem Balkon von Don Philippes prachtvoller Villa.

»Ich muss schon sagen, Diabolo, du bist noch ausgekochter als ich gedacht habe. Du hast also mein Gespräch mit Shorne aufgezeichnet?«, fragte er seinen Berater.

»Wie Sie sehen, war es angebracht. Dank Shornes unvorsichtiger Bemerkung war es ein leichtes, ihn bloßzustellen.«

»Aber wie hast du das mit den beiden Polizisten gedreht? McSweet und Rannigan standen doch auf Shornes Gehaltsliste.«

»Richtig, sie standen. Jetzt stehen sie auf Ihrer. Sie haben sich Shornes Methoden bedient, um ihn auszuschalten. Das wird Sie allerdings ein ordentliches Sümmchen kosten, Marquês. McSweet wünscht sich eine eigene Villa und Rannigan ein eigenes Raumschiff«, erklärte Diabolo dem verdutzten Marquês.

»Das wird mich ein Vermögen kosten!«, jammerte dieser.

»Sie können ja ablehnen, dann wird Shorne Ihnen bald wieder zusetzen.«

Don Philippe schüttelte den Kopf. Er wusste, dass Diabolo ihm die Haut gerettet hatte. Er konnte zufrieden sein.

»Immerhin haben wir Shorne mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Es wird ihm schwerfallen, sich da wieder hinaus zu winden. Außerdem kann man korrupte Polizisten gut gebrauchen...«

»Wir dürften jetzt eine Weile Ruhe vor ihm haben. Selbst wenn man sich gütlich mit ihm einigt, um wenig Aufsehen zu erregen, so hat Shorne begriffen, dass wir nicht seine Lakaien sind. Eigentlich sind wir doch ein gutes Team, finden Sie nicht?«, meinte der Posbi. »Ich habe schon einiges an Verschlagenheit gelernt. Die Terraner sind darin wahre Meister.«

Don Philippe hob den rechten Arm und zeigte auf den Sternenhimmel.

»Da hast du recht, mein Freund. Und das ist erst der Anfang. Eines Tages wird all dies da draußen mir gehören.«

 

7. Einige Stunden zuvor

Katschmarek und Niesewitz saßen gelangweilt am Tresen und stierten auf ihr Bier. Sie wussten nichts mit sich anzufangen, seitdem sie auf der Insel waren.

Zwar hatte ihn der Marquês von Siniestro Arbeit angeboten, doch er schien sie vergessen zu haben, nachdem er mit den meisten Stimmen in den Paxus-Rat gewählt wurde. Der alte Spanier war ein gemachter Mann, doch die beiden Deutschen aus dem 20 Jahrhundert blieben mehr oder weniger auf der Strecke.

Zwar hatten sie genügend Geld, denn nicht umsonst hatten sie sich auf dem Schloss des satanischen Fürsten Prosperoh bereichert, doch sie wussten nichts damit anzufangen.

Niesewitz wollte nicht auf der faulen Haut liegen. Er wollte mit dem Vermögen arbeiten und etwas Macht erlangen.

Katschmarek hingegen war eigentlich mit der derzeitigen Situation zufrieden. Er verprasste das Geld für Frauen, Kleidung und Schnaps.

Der heutige Tag bildete da keine Ausnahme. Niesewitz und er saßen in der Kneipe »Der Raumwolf«. Sie war eine Spelunke in der eher zwielichtige Subjekte verkehrten. Es war eine Absteige für all diejenigen, die weniger dem Ruf DORGONs nach Cartwheel gefolgt waren, als mehr auf die Chance gehofft hatten, einen Vorteil aus dem Projekt zu erlangen.

Hier saßen nun auch Reinhard Katschmarek und Werner Niesewitz. Katschmarek nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier und rülpste anschließend herzhaft.

»Das musste mal gesagt werden«, kommentierte er sein schlechtes Benehmen.

Niesewitz blickte auf seine Uhr.

»Wo bleiben die denn?« murmelte er kaum verständlich.

Schon nach wenigen Minuten wurde seine Frage beantwortet – Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer betraten die Gaststätte.

Die beiden alten Rentner hatten das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzogen und schlurften langsam in Richtung Niesewitz und Katschmarek. Ottilie wankte dabei verdächtig von einer Seite zur anderen. Man musste kein Doktor sein, um zu wissen, dass sie sternenhagelvoll war.

»Huhu Wernerchen und Reinichen«, begrüßte sie die beiden alten Deutschen mit einem dicken Schmatzer auf den Mund.

Dabei wäre sie nicht nur beinahe hingefallen sondern hätte auch Niesewitz mit dem Alkoholgestank ihres Atems noch erstickt.

»Jetzt muss ich mich erst einmal setzen«, murmelte sie und ließ sich auf den Stuhl fallen, der sich automatisch an ihr Gewicht und ihren Körperbau anpasste, um der alten Frau auf dieser Weise die bequemste Sitzposition zu ermöglichen.

Eine Bedienung kam und fragte nach den Wünschen der Braunhauers. Sowohl Niesewitz und Katschmarek als auch Karl-Adolf Braunhauer waren von dieser Art der Bedienung sehr angetan.

»Ein Bier«, bestellte Braunhauer.

»Ach Quatsch, gleich einen ganzen Kasten und dazu noch zwei Flaschen Vurguzz«, mischte sich Reinhard Katschmarek ein.

Die Bedienung nickte und machte sich an die Arbeit. Sie ging wieder zum Tresen und wurde von einem bärtigen dicken Plophoser festgehalten.

Er machte keinen sonderlich sympathischen Eindruck und blickte sie grimmig an. Dann bekam er einen leidenschaftlichen Kuss von ihr und war zufrieden.

Die vier Terraner beachteten den Aufseher der Kneipe gar nicht, sondern erzählten sich Anekdoten aus längst vergangenen Epochen.

Nachdem die Tresenbedienung das Bier gebracht hatte, konnte der gemütliche Abend erst so richtig losgehen. Katschmarek hielt die Bedienung am Arm fest und fragte nach ihrem Namen.

»Mein Name ist Haggy«, antwortete die Terranerin mit einem Lächeln.

»Gut, Haggy! Dann trink mit uns einen Vurguzz. Nur einen kleinen, bitte!«, bettelte Reinhard Katschmarek und fasste ihr um die Hüfte.

Der Barkeeper, ein Plophoser mit Namen Reiko sah es gar nicht gerne, wenn Gäste mit seiner Lebensgefährtin Haggy flirteten.

Er ließ von der Gruppe ab und richtete sein Augenmerk auf den neuen Gast, der gerade zur Tür hereinkam. Er hatte einen grauen Schnurrbart und graue Haare. Sein Erscheinungsbild war gepflegt und wirkte fast schon elegant.

Irgendwie passte er nicht in diese Kneipe. Doch solange er gut zahlte, war hier jeder herzlich willkommen.

Der Terraner im mittleren Alter ging auf Reiko zu und begrüßte ihn freundlich.

»Ich hätte gerne einen doppelten Vurguzz.«

»Kommt sofort«, brummte Reiko und füllte ein Glas mit dem grünen Getränk.

Der Terraner nahm das Glas und setzte an. Dann fiel sein Augenmerk auf die illustre Runde am anderen Ende des Raumes.

»Gute Stimmung scheint hier wohl garantiert zu sein«, sprach er und fing an breit zu grinsen.

»Hey, die Alte auf dem Schoß von dem Knacker hat aber dicke Dinger«, meinte der Terraner lüstern und zeigte Reiko damit, dass diese feine Schale nur Fassade war.

Reiko blickte ihn nur mürrisch an und machte sich daran, ein paar Gläser abzuwaschen. Der Terraner beschloss, sich zu der Runde zu gesellen.

»Ach komm schon Haggy, einen noch. Auf fünf Beinen kann man doch nicht stehen«, lallte Katschmarek und versuchte die hübsche Terranerin immer noch zu verführen.

»Du wirst auch auf 100 Beinen nicht mehr stehen können, soviel wie du getrunken hast«, erklärte sie mit einem frivolen Grinsen und ging wieder an den Tresen.

Reinhard wollte noch etwas erwidern, da kam der andere Terraner an den Tisch.

»Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Peter Roehk, Makler von Beruf.«

»Tag«, sagte Niesewitz und beachtete den Mann nicht weiter.

»Oh, welch wundervolle Blume doch in diesem Raum ist«, schmeichelte Roehk Ottilie Braunhauer und küsste ihre Hand.

Die alte Frau war sehr angetan von dem netten Mann und bat ihn, sich mit an den Tisch zu setzen. Ihr Mann und Reinhard Katschmarek unterhielten sich unterdessen über den Verfall der Moral durch den Einfluss von außerirdischem Abschaum und leerten dabei ein Bier nach dem anderen.

»Zu Monos Zeiten war das alles noch anders...«, jammerte Karl-Adolf und flößte sich den nächsten Vurguzz ein. Grüner Speichel rann aus seinem Mundwinkel, da er das Gebräu offensichtlich nicht in einem Zug herunterschlucken konnte.

»Du hast da was, Vatichen«, lallte Ottilie und nahm ein Tuch, womit sie ihm den Speichel abwischte.

»Lass das, du dumme Kuh!«, meckerte er sie an und verzog das Gesicht wieder zu einer Leidensmiene.

»Herr Braunhauer, sehen Sie mal. Ist das nicht ein kunstvolles Gemälde? Es heißt ›Hemmungslos‹.«

Peter Roehk setzte sich zu Karl-Adolf und Reinhard Katschmarek, um ihnen das Bild auf seinem Pikopad zu zeigen. Es stellte zwei weibliche Terranerinnen beim Geschlechtsakt dar.

Katschmarek und Braunhauer grinsten über beide Ohren als sie das Bild sahen.

»Wahrhaftig, ein kunstvolles Portrait«, meinte Karl-Adolf.

»Jo, echt toll«, kommentierte Reini das Bild.

»Du bist mir sympathisch, Peter!«, stellte der Deutsche fest und goss drei Vurguzz nach und stieß mit Roehk und Braunhauer an, während Ottilie Braunhauer mal wieder die Geschichte erzählte, warum sie denn überhaupt nach Cartwheel gezogen sind.

»Es ist ja alles wegen Vatichens Cousine Inge. Die liebe, gute Inge Bohmar. Sie hat doch so viel Geld und Aktien und wollte in Cartwheel eine... eine... eine... na, wie heißt das Ding, wo man die Dinger für die Dinger herstellt?«

Niesewitz blickte sie verwirrt an und wusste überhaupt nicht, wovon sie sprach.

»Raumschiffteile, Ottilie!«, brüllte Karl-Adolf und stieß dabei auf.

»Mahlzeit!«, entgegnete ihm seine Frau und nahm einen kräftigen Schluck aus der Vurguzzflasche.

»Genau, also eine Fabrik zur Erstellung von... von... von...«

»Raumschiffteilen«, ergänzte Niesewitz.

»Genau, diese Dinger eben. Doch da wurde sie auf einmal geisteskrank. Die Ärzte meinen, die Luft bekommt ihr hier nicht. Sie glaubt doch tatsächlich, dass ihr Mann Werner und ihr Hund Bandit noch leben. Doch... die... die... sind... schon seit Jahren tot.«

»Das ist übel«, kommentierte Niesewitz die Story.

»Und weshalb kümmert ihr euch um sie?«, wollte er wissen.

»Na, Inge und ich waren ja immer gute Freunde gewesen und Vatichen ist ihr letzter Verwandter. Irgendjemand muss ja die Firma leiten. Das macht Vatichen und ich kümmere mich um meine gute Freundin Inge«, erklärte Ottilie.

Niesewitz grinste. Er wusste genau, dass nicht die Fürsorge Motivation für die weite Reise in die Galaxis Cartwheel war, sondern die Habgier. Die Braunhauers rechneten sich gute Chancen aus, sollte Inge Bohmar für unzurechnungsfähig erklärt werden.

Da Karl-Adolf ihr einziger Verwandter war, konnte er in der Tat die Kontrolle über ihre Aktien und ihre Firma bekommen. Damit waren die Braunhauers gemachte Leute. Ein sehr kluger Schachzug der beiden, den Niesewitz ihnen gar nicht zugetraut hatte.

»Was machst du denn überhaupt hier?«, wollte Katschmarek von Peter Roehk wissen, der sich sehr gut mit den vier Artgenossen verstand.

Roehk lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

»Ich bin Makler. Ich vermittele Unternehmern alles, was sie brauchen. Gute Ideen, Raumschiffe und Immobilien aller Art.«

Katschmarek nickte wohlwollend. Karl-Adolf Braunhauer saß regungslos auf dem Stuhl und starrte vor sich hin. Nur das Scharren seines rechten Fußes gab den Anwesenden die Gewissheit, dass der alte Terraner noch lebte.

Der Alkohol zeigte langsam bei allen Beteiligten seine Wirkung. Ottilie lallte nur noch vor sich hin und bekam nicht mehr viel mit.

»Peter, wir haben viel Geld, wissen aber nichts damit anzufangen. Hast du vielleicht eine gute Idee?«, wollte Niesewitz wissen.

Er glaubte eigentlich nicht daran, dass Roehk ihm und Katschmarek weiterhelfen konnte.

»Wir haben hier drei Gruppen von Wesen auf der Insel«, begann Roehk. »Einmal die Wesen, die dem Ruf DORGONs gefolgt sind, dann die Leute, die dem Ruf der Habgier gefolgt sind, zu denen wohl wir gehören und zuletzt ihre Familie, Männer, Frauen und Kinder. Und wonach sehnen sich diese?«

Katschmarek und Niesewitz sahen sich verdutzt an.

»Woher sollen wir denn wissen, was diese Lausbuben interessiert?«, mischte sich nun auch Karl-Adolf ein.

»Feiern, Trinken und Sex. Das ist schon immer so gewesen. Die Jugendlichen brauchen Zerstreuung und wollen ihre Jugend genießen.«

»Kneipen gibt es viele«, wandte nun Reiko plötzlich ein, der hellhörig geworden war.

Roehk grinste überlegen. »Das mag sein, aber es gibt keine fliegende Diskothek. Es gibt kein Raumschiff, das durch die Insel fliegt und nur Party macht!«

»Worauf willst du hinaus?«, wollte Niesewitz wissen.

»Ganz einfach. Ich bin im Besitz eines 500 Meter Kugelraumers, ihr habt das Geld und die Braunhauers haben eine Ersatzteilfabrik. Damit haben wir alles, um aus dem Kahn einen Luxusliner zu machen, quasi eine fliegende Disko. Damit locken wir eine Menge Leute an, da es so etwas hier noch nicht gibt.«

Katschmarek und Niesewitz dachten kurz darüber nach, dann grinste Werner Niesewitz und schüttelte die Hand von Peter Roehk.

»Die Idee klingt gut. Wir sind die Kapitalgeber und du der Geschäftsführer«, schlug der alte Deutsche vor.

Roehk war damit einverstanden.

»Und was machen wir?« ,wollte Ottilie wissen.

»Das was ihr schon immer am besten konntet; verwalten! Karl-Adolf wird sozusagen der Raumschiffmeister und Oberbefehlshaber der Sicherheitsleute.«

»Das klingt gut«, blubberte Karl-Adolf Braunhauer.

Katschmarek nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Flasche, bevor er nach einem Geschäftsführer und Personal für die Disko selbst, die Sicherheit und das Raumschiff fragte.

»Ich kenne da einen gewissen Ferby Shyko«, meinte Roehk. »Der Typ ist ein bekannter Drogenhändler. Nebenbei ist er noch Discjockey auf Terra gewesen. Doch er hat das Drogengeschäft vorgezogen. Vielleicht könnten wir mit ihm ins Geschäft kommen.«

Die anderen stimmten zu. Plötzlich räusperte sich Reiko. Die anderen blickten ihn abfällig an, als er verlegen grinste.

»Ich... ich kenne da ein paar Leute, die die Bewirtschaftung übernehmen würden. Ich und Haggy und ein paar andere...«

Katschmarek hatte nichts dagegen und auch Niesewitz fand die Idee einwandfrei.

»Um das Personal kümmere ich mich«, erklärte Roehk.

»Damit werden wir einen Haufen Geld verdienen«, frohlockte Niesewitz und stieß mit den anderen an.

Reiko fing nun richtig an zu lachen, da er glaubte, er hätte eine Chance bekommen.

Ottilie rappelte sich auf und versuchte sich hinzustellen. »Ich muss mal...«

Zwei, drei Schritte schaffte sie noch, dann fiel sie platschend zu Boden. Karl-Adolf verzog das Gesicht zu einer gequälten Fratze.

»Reiko! Dein erster Dienst für uns. Setze Frau Braunhauer wieder in den Sessel!«, kommandierte Katschmarek.

»Ich weiß auch nicht, warum immer mir das passieren muss. Mir ist wieder so schwindelig geworden«, jammerte die alte Frau.

Reiko zögerte etwas und hätte am liebsten auf sie eingetreten, doch er wollte den Job haben und half ihr darum wieder in den Sessel.

Danach ging die Feier noch bis in die frühen Morgenstunden. Solange bis die Flaschen leer und die Feiernden sternhagelvoll waren.

 

8. Vergnügen

Die elektronischen Töne wummerten aus den Boxen und gaben den Zuhörern das Gefühl, als würden sie von allen Seiten beschallt werden. Doch die drei Terraner konzentrierten sich weniger auf das rhythmische Gehämmer, welches entfernt an Takte von Marschmusik erinnerte. Sie starrten auf den auf und ab zuckenden knackigen Hintern in den silbernen knappen Pants der GoGo-Tänzerin.

Je schneller die Musik im Stakkato donnerte, desto heftiger wurden ihre Bewegungen. Sie wirbelte mit einer Mischung aus wilder Ekstase und sexueller Ästhetik um die grün schimmernde Stange in der Mitte ihrer Tanzfläche umher. Vibrierend rutschte sie an der Stange auf und ab, rekelte sich mit gespreizten Beinen vor den Beobachtern. Das lange blaue Haar der dunkelhäutigen Schönheit mit den rötlich leuchtenden Tätowierungen auf den Armen, Rücken und Busen wirbelten umher.

Leidenschaftlich wippten ihre Brüste im Takt der Elektromusik umher. Die Unterhaltungssyntronik projizierte die Tänzerin in vierfacher, vergrößerter Ausführung nun von allen Seiten um die drei Besucher herum, die nicht wussten, wohin sie zuerst starren sollten.

Sie schrie ihre Begeisterung heraus und klatschte in die Hände. Ein gelber Nebelschwall zog über die Bühne. Es roch süßlich, angenehm und wirkte belebend auf die drei Terraner und die exotische Tänzerin. Der aromatisierende Duft trug den Namen »Happyness« und war ein gängiges Mittel, um Diskotheken- und Clubbesucher in die rechte Stimmung zu bringen. Aus dem Nebel hüpften nun kleinere Ausgaben der Tänzerin im Takt und schienen wie kleine Engel durch den Raum zu schweben. Psychedelische Farbkombinationen ließen zumindest zwei der drei Terraner in andere Welten abgleiten.

Der kleinste von ihnen stand auf. Er war alt, grauhaarig und von drahtiger Statur.

»Genug«, rief er.

Die Musik verstummte. Der Raum erhellte und die Lüftung flutete den Saal mit frischer, reiner Luft.

»Jetzt schon?«, fragte Reinhard Katschmarek enttäuscht. »Immer musst du ein Spielverderber sein, Werner!«

Werner Niesewitz schüttelte verächtlich den Kopf über seinen Kameraden aus dem 20. Jahrhundert. Der Dritte im Bunde war Peter Roehk, der sich mit Immobiliengeschäften einen Namen in Cartwheel gemacht hatte.

»Wir haben uns von der Ware überzeugt. Die BAMBUS wird der Partyraumer des Jahrhunderts.«

Ferby Shyko nickte. Der verlebte Mann mit der zu großen Sonnenbrille, dem Hängebauch in dem zu kleinen Hemd und den vielen Kettchen um das Handgelenk gab seiner Crew ein wohlwollendes Zeichen. Der renommierte Discjockey, Partyguru und Drogendealer Shyko würde sich um die Inneneinrichtung des 500 Meter Raumers von Roehk kümmern. Er würde einen Partyraumer daraus machen.

»Wie lange brauchst du?«

»Drei Monate«, sagte Ferby Shyko knapp.

Niesewitz witterte ein lukratives Geschäft. Noch vor kurzem wusste er nichts mit sich anzufangen, doch ein glücklicher Zufall bescherte ihm nun vermutlich viele Galax.

Peter Roehk war ein weltmännischer Geschäftsmann und kannte alle Tricks, denn zur Freude von Niesewitz und Katschmarek handelte er einen Bonus mit dem neuen Geschäftspartner aus. Die Tänzerinnen standen den drei zum privaten Vergnügen die ganze Nacht zur Verfügung.

 

9. Cartwheel im Februar 1296 NGZ

Die blau schimmernde Galaxis Cartwheel war seit fast einem Jahr die Heimat von Milliarden Vertretern aus fünfzig verschiedenen Völkern geworden.

Sie alle waren dem Ruf DORGONs gefolgt. Es herrschte eine gewisse friedliche Atmosphäre seit dem Herbst. Die Wahlen hatten für Stabilität gesorgt und der Terrorist Saron hatte die neue, wackelige Galaxis nicht ins Chaos stürzen können. In den letzten Monaten hatten sich die Beamten, Politiker, Militärs, Unternehmer, Arbeitnehmer und all die anderen darauf konzentriert, Cartwheel die nötige Struktur zu verleihen. Mit Erfolg. Die Völkerschaften lebten sich schneller in Cartwheel ein, als man es zunächst hatte vermuten können.

Auch ich fühlte mich doch recht wohl auf Mankind. Nataly besuchte mich regelmäßig. Ihre Arbeit im Pressebüro wurde ihr langsam langweilig. Tja, so war die Jugend eben. Erst im Alter lernte man die Vorzüge der Beständigkeit kennen.

Der gierige Unternehmer Michael Shorne, welcher schon des Öfteren in meiner Chronik Erwähnung fand, kam mit einem blauen Auge davon. Der Paxus-Rat erstattete keine Anzeige wegen Erpressung. Es hieß, der Spanier Don Philippe de la Siniestro hatte die anderen davon überzeugen können. Im Gegenzug spendete Shorne viele Millionen in wohltätigen Zwecken, unterstützte offiziell den saggittonischen Wirtschaftsplan und ließ eine große Geldsumme an Solder Brant auszahlen, der jedoch danach wieder in Richtung Milchstraße zog.

Dem Paxus-Rat war klar, dass er, solange kein Leben bedroht war, auch Allianzen mit ungeliebten Wesen eingehen musste. Shorne war so einer. Der Wirtschaftsmagnat war mächtig und der Abzug seiner Firmenmacht hätte Cartwheel vor wirtschaftliche Probleme gestellt. Doch auch wenn Shorne sich hatte herauswinden können – er wusste nun, dass er dem Paxus-Rat nicht auf der Nase herumtreten konnte.

Im März 1296 NGZ war der Flug eines 500 Meter Raumschiffes mit dem eigentümlichen Namen BAMBUS angekündigt worden. Dieses Partyraumschiff sollte eine Reise durch Cartwheel antreten. Während des Fluges wurde die ganze Zeit gefeiert. Es hieß, dass sogar Aurec daran teilnehmen würde. Nun, ich würde es nicht tun. Ein alter Mann saß dann doch lieber auf dem Balkon seiner Terrasse, ließ sich den kühlen Wind ins Gesicht blasen, während er diese Zeilen schrieb. Die frische Brise vom unweiten Ozean aus dem Norden war verlockender als die von Rauch und Schweiß geschwängerte Luft auf dem Partyraumschiff BAMBUS.

Während der Partyvorbereitungen zu dieser Jubiläumsparty – ein Jahr Cartwheel – auf Hochtouren liefen und die Werbemaschinerie rollte, schienen sich auch neue Allianzen zu bilden.

Die Dscherro, Pelewon und Moogh hielten gemeinsame Übungen ab, während sich eine Feliden-Allianz zwischen Kartanin und Gurrads bildete. Die Akonen unter dem sympathischen Mirus Traban gaben sich moderat und suchten einen Dialog mit den Saggittonen. Die Arkoniden hingegen gingen plump vor und provozierten, wo es nur ging. Zu aller Überraschung bot der intelligente, ja vielleicht sogar verschlagene Spanier de la Siniestro dem arkonidischen Gouverneur Uwahn Jenmuhs Paroli. Der Posbi Diabolo wich de la Siniestro nie von der Seite. Ein interessantes Duo.

Im Moment sah es jedenfalls friedlich aus.

Die wichtigste Frage jedoch war, ob sich all diese Völker auch wirklich konfliktlos miteinander verstehen konnten. War die Vernunft, auf die DORGON setzte, wirklich in jedem Wesen stark genug?

Die Zukunft würde es klären...

Aus »Die Reise eines Linguiden« von Jaaron Jargon, 02. Februar 1296 NGZ

 

10. Pariczas Castle

Der düstere und karge Raum erinnerte den Terraner an das Mittelalter auf der Erde. Eine dunkle Epoche der Menschheit, voll von Grausamkeiten im Namen Gottes und vielen Kriegen.

In der Tat war der große Thronsaal Leticrons dem Terranischen Mittelalter nachempfunden. Eine Zeit, die den Überschweren faszinierte. Vor allem die Ritterturniere hatten sein Interesse geweckt.

Einst, als er auf der Stahlfestung Titan herrschte, ließ er Gladiatorenkämpfe abhalten und der Sohn des Chaos hatte die Absicht, diese Turniere wieder zu seiner Zerstreuung einzuführen.

Ein untersetzter Terraner lief langsam durch den mit Fackeln erhellten Raum. Links und rechts hingen Wandteppiche, deren Muster wohl aus Paricza stammen mussten. Seine Schritte hallten durch den ganzen Saal.

Einige Meter vor dem pompösen Thron blieb er stehen und verneigte sich.

»Edler Nor'Citel!«, begann er, nichtsahnend, dass Leticron vor ihm saß. »Auf Euren Befehl hin haben wir mit dem Bau einer Fabrik begonnen, deren Aufgabe es ist, Klone herzustellen. Die dafür erforderlichen Genmaterialien erhalte ich von Ihnen. Mein Preis liegt hoch, doch ich denke, dass ein Staatsoberhaupt es sich leisten kann.«

Der Terraner lachte hüstelnd. Er war Mitte sechzig und hatte eine Halbglatze. Sein Name war Tukk Forster, ein Wissenschaftler mit dem Spezialgebiet Gentechnik.

Für Leticron war er ein Niemand! Nur ein Mittel zum Zweck, das es zu beseitigen galt, war die Produktion erst einmal abgeschlossen.

Forster gehörte zu den korrupten Wissenschaftlern, die nicht im Interesse aller Intelligenzwesen arbeiteten, sondern nur zu ihrem eigenen Vorteil. Für Geld würde Tukk Forster alles tun, sogar einen Krieg in Cartwheel anzetteln.

Doch darüber machte sich der dicke Terraner überhaupt keine Gedanken. Er hatte bloß seine Traumvilla, Nobelgleiter und bezahlte Frauen vor Augen. Ein Traum den er sich nach diesem Auftrag ermöglichen konnte.

Leticron hatte andere Pläne mit ihm, doch davon wusste Forster natürlich nichts und würde es auch erst erfahren, wenn es für ihn zu spät war.

Leticron war die Idee gekommen, eine gigantische Armee aus pariczanischen Klonen aufzubauen, um damit zu einer starken Macht in Cartwheel heranzuwachsen.

Das war das vordringlichste Ziel für den Zellaktivatorträger! Seine Aufgabe bestand darin, DORGONs Projekt zu sabotieren und zum Scheitern zu verurteilen.

Leticron gab sich, wie immer, sehr selbstsicher. Er zweifelte nicht an dem Erfolg seiner Mission.

Ruhig und entspannt lehnte er sich in seinen Thron, dessen Lehnen mit goldenen Mustern verziert war und über dessen rotes Polster weiche Felle hingen. Diese Felle stammten von Tieren, die Leticron während einer Jagd erlegt hatte.

»Nun gut. Solltest du deine Arbeit anstandslos verrichten, so verspreche ich dir eine fürstliche Belohnung«, sagte der Sohn des Chaos.

Forster verneigte sich.

»Wann kann ich mit den ersten Erfolgen rechnen?«, wollte der ehemalige Erste Hetran der Milchstraße wissen.

»In bereits sechs Monaten werden wir den ersten Prototypen fertiggestellt haben«, erklärte der terranische Wissenschaftler. »Sollte er allen Anforderungen entsprechen, können wir ihn in Serie geben. Die Produktionsstätte hat eine Kapazität von 10.000 Klonen pro Tag, das wären 3.650.000 Klone im Jahr, die für Euch kämpfen können!«

Leticron lächelte überlegen. Gut dreieinhalb Millionen neue Soldaten in jedem Jahr war eine beträchtliche Anzahl. Die genetisch konditionierten Wesen sollten nach ihrer Herstellung ein einjähriges Training bekommen, in denen Geist und Körper nur für die Aufgabe des Kampfes konditioniert wurden. Zu mehr sollten sie nicht dienen.

Der Genetiker veränderte den DNA-Kode so, dass ihnen kreative Eigenschaften von Geburt an fehlen würden. Sie sollten nur Kreativität im Kampf zeigen. Weitere von Leticron erwünschte Eigenschaften sollten Loyalität gegenüber Paricza, Hass gegenüber allen Feinden, kein Mitleid und blinder Gehorsam sein.

So stellte sich der Zellaktivatorträger seine perfekten Kampfmaschinen vor. Mit solch einer großen und konditionierten Armee würde er Cartwheel in Atem halten.

»Du kannst dich entfernen«, befahl er nun dem terranischen Wissenschaftler, der sich abermals verneigte und mit hallenden Schritten die gewaltige Halle verließ.

Leticron lachte laut. Er fühlte sich mächtig und unbesiegbar!

 

11. Verteilung von Cartwheel

Die Saggittonen hatten insgesamt 12 Systeme besiedelt. Ihre Hauptwelt nannte sie nach ihrer alten Heimatgalaxis Saggittor. Sie war Sitz aller Völker. Zudem gab es noch in den anderen Systemen Welten die für die einzelnen Völker angepasst waren. Auch dort hatte DORGON eine komplette Infrastruktur geschaffen.

Es überraschte viele Wesen, da sie nichts von diesen Planeten mitbekommen hatten. Der Paxus-Rat hielt eine Debatte über die Anschaffung einer Explorerflotte, um die gesamte Galaxis untersuchen zu können.

Zu diesem Treffen waren neben dem fünfköpfigen Rat noch Joak Cascal als Terramarschall, Xavier Jeamour als Flottenadmiral sowie der arkonidische Militär Terz von Eskor eingeladen. Sie berieten über das Vorgehen einer Erkundung der Galaxis und über eine sinnvolle Aufteilung der entdeckten Welten zum Wohle aller Beteiligten.

»Ich bin für einen fairen Wettbewerb«, erklärte Jenmuhs überzeugt. »Wer zuerst einen entdeckten Planeten erforscht, nimmt ihn in Besitz. Eine ganz normale Kolonisierung wie vor vielen Tausend Jahren in der Milchstraße.«

Sam dachte eine Weile über diesen Vorschlag nach. Sicherlich war er auf eine Weise gerecht, doch auf den zweiten Blick würde es das Mächteverhältnis deutlich verändern. Wer wusste den schon, wie viele Kolonien Arkon auf diese Art errichten würde? Schnell könnte so eine Macht heranwachsen. Auf der anderen Seite konnten sie sich auch übernehmen und auf eine Krise zusteuern.

»Die Vorgehensweise muss wohl überlegt sein, meine Herren«, sprach der Somer.

Cascal stimmte dem zu. »Wir müssen wissen, was uns dort erwartet. Ich schlage vor, dass wir eine gemeinsame Explorerflotte aufbauen.«

»Ach ja?«, rief Jenmuhs grimmig. »Unter wessen Führung? Ihrer, Cascal?«

Cascal machte einen ratlosen Eindruck, dann nickte er und sagte: »Ja, zum Beispiel.«

Jenmuhs gestikulierte wild. Terz von Eskor versuchte das Staatsoberhaupt der Arkoniden vergeblich zu beruhigen.

»Arkonidische Soldaten werden nicht unter Terranern dienen! Auf keinen Fall!«, brüllte der fettwanstige Aristokrat.

»Die Arkoniden sollen auch keine Soldaten schicken, sondern Forscher«, wandte Xavier Jeamour ein.

Eine Weile herrschte Stille. Dann schlug Sam vor: »Ich denke, wir sollten dieses Thema mit den anderen Regenten besprechen und für nächste Woche eine Debatte zu dem Thema Explorerflotte einberufen.«

Die anderen waren damit einverstanden. Cascal und Jeamour warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Die beiden terranischen Offiziere wussten genau, dass die Arkoniden ihnen noch Kopfzerbrechen bereiten würden. Sie würden versuchen, so viele Kolonien wie möglich in ihren Besitz zu bringen, um an Macht zu gewinnen.

»Kommen wir zum nächsten Thema«, meinte der Somer und Generalsekretär.

»Die Pterus stellen nach dem Tod von Saron einen Antrag auf Rehabilitierung und Einzug in das Paxus-Parlament.«

Jenmuhs machte eine abfällige Geste.

»Ich schlage vor, wir besetzen den Planeten Upanishad und zeigen diesen Eierlegern, wo es langgeht!«

Aurec war von dieser Aussage angewidert. Jenmuhs hatte während seiner Mitgliedszeit beim Paxus-Rat keinen einzigen konstruktiven Vorschlag gebracht. Immerhin wurde Upanishad durch eine Raumblockade isoliert, die nur Nahrungsmittel und Medizin durchließ. So fristeten die Pterus seit einigen Monaten bereits ihr Dasein. Das ganzen Volk für die Taten ihrer Anführer zu bestrafen, davon hielt Aurec nicht viel.

»Ich denke, wir sollten die Blockade beenden und den Pterus eine Bewährungsfrist von sechs Monaten auferlegen. Wenn sie sich in dieser Zeit friedlich benehmen, steht nichts im Wege, sie als vollwertige Mitglieder anzusehen«, sprach der Saggittone.

Bis auf den Arkoniden Jenmuhs waren alle mit seinem Vorschlag einverstanden. Selbst Nor'Citel hatte nichts dagegen. Der Corun von Paricza arbeitete an seinen eigenen Plänen.

Während die Sitzung der Ratsmitglieder weiterging, verließen Joak Cascal, Xavier Jeamour und Terz von Eskor den Sitzungssaal. Die drei Soldaten schwiegen. Erst Jeamour brach das Schweigen.

»Bedauerlich, dass wir so viele Differenzen haben.«

Terz von Eskor fühlte sich angesprochen. Der hochgewachsene Mascant blickte Cascal und Jeamour an.

»Das lässt sich nicht ändern. Wir sind dazu da, um mögliche Konflikte zu verhindern, oder, wenn sie denn eskalieren, schnell eine Entscheidung herbeizuführen.

Ich persönlich wäre ganz froh, wenn wir einem Wettstreit im Kolonisieren organisieren würden. Es würde zeigen, wer der Bessere ist.«

Cascal konnte nicht verstehen, warum die Arkoniden so desinteressiert an einer friedlichen Koexistenz waren. Warum waren sie nach Cartwheel gekommen? Nur um das große Kristallimperium weiter auszudehnen? Hatten sie denn wirklich kein Interesse, am Projekt von DORGON mitzuwirken, welches letztendlich auch zu ihrem Schutz war?

Cascal ließ die Aussage von Eskor unkommentiert und verabschiedete sich höflich von dem obersten arkonidischen Militär auf der Insel.

Jeamour und er liefen in die Sektion des Terra-Blocks. Das gesamte Regierungsgebäude war in verschiedene Bereiche untergeteilt. Für jedes Volk eine eigene Etage. Natürlich lagen die Bereiche für alle Terra-Block-Völker zusammen. Dort arbeiteten etliche Beamte, die zur Betreuung der Delegierten notwendig waren.

Joak Cascal begegnete Henry Portland, der einige Unterlagen und Datenträger in der Armbeuge trug.

»Ah, Flak. Gut, dass ich Sie treffe. Haben Sie kurz Zeit?«, wollte Cascal wissen.

»Natürlich, Sir!«

Die beiden setzten sich in einen Besprechungsraum. Auch Jeamour setzte sich hinzu. Es ging um die Aufrüstung der Flotte des Terra-Blocks. Joak Cascal wollte die Ultraschlachtschiffe wieder einführen. Er hatte vorgesehen eine neue schlagkräftige Raumflotte von mindestens fünftausend 1.000 Meter Kugelraumer und fünfzig 2.500 Meter Raumschiffen in Dienst zu stellen, die die herkömmlichen 500 und 800 Meter Raumschiff unterstützen sollten.

»Der Marquês will uns einen großen Etat dafür geben. Jetzt müssen wir aber geeignete Raumwerften finden und Personal für die Schlachtschiffe«, erklärte Joak Cascal.

Portland sah ihn fragend an. Cascal musste schmunzeln. Dieser Portland war ein überkorrekter aber sehr fähiger Offizier.

»Ich möchte, dass Sie den Auftrag übernehmen. Unter Ihrer Anleitung sollen 1500 Ultraschlachtschiffe gebaut werden.«

Portland stieß einen Pfiff aus.

»Das ist ein großer Auftrag und eine ebenso große Ehre. Ich nehme den Auftrag gerne an, Sir!«

Cascal hatte nichts anderes erwartet. Doch er hatte noch mehr Vorschläge. Der Marquês und er waren zu dem Ergebnis gekommen, fünf Raumschiffe herzustellen, deren Größe und Kampfkapazität einmalig in Cartwheel sein sollte. Damit wollten sie Jenmuhs einen Hinweis geben und gewappnet für einen Konflikt mit MODRORs Armeen sein.

 

12. Vorbereitungen für die Party des Jahrhunderts

An einem sonnigen Tag fuhren Roehk, Katschmarek, Niesewitz und Reiko mit einem Gleiter zum Raumhafen der Hauptstadt Mankinds, New Terrania. Dort thronte die BAMBUS, welche einen grünen Anstrich verpasst bekam. Der grüne Kugelraumer sonderte sich von den anderen Schiffen ab. Zudem arbeiteten die Techniker daran, tausende Lichter außen anzubringen. Die Vorbereitungen für die Crew liefen ebenfalls. Man kümmerte sich dabei weniger um einen fähigen Kapitän und eine Raumfahrercrew – das Hauptaugenmerk wurde auf knackige, schlanke, vollbusige Tresenbedienungen, Animierdamen, Tänzerinnen und Escort-Frauen gelegt.

Reiko hatte seine ehemaligen Kollegen zu einer Besprechung in den Raumwolf eingeladen. Auch Ferby Shyko, dessen Assistent Dykkar und Peter Roehk waren anwesend.

Niesewitz und Katschmarek blieben der Besprechung fern. Sie hatten sich vorgenommen, den Status der unantastbaren Auftraggeber zu erlangen.

Bienya Scolar und ihre jüngere Schwester Kathy waren als erstes im Raumwolf. Sie begrüßten Haggy freundlich, doch für Reiko hatte zumindest Kathy wenig übrig. Ihre Schwester Bienya hingegen mochte den grimmigen und unfreundlichen Plophoser immer noch sehr gerne.

Bienya war schlank und hochgewachsen, hatte kurze blonde Haare und braune Augen. Ihre Schwester Kathy war auch schlank und hochgewachsen und trug ihr brünettes Haar bis zur Schulter. Ihre braunen Augen und ihre großen, weißen Zähne bestimmten das freundliche Gesicht. Verunsichert begrüßte Kathy die anderen. Sie war sich eigentlich nicht sicher, was sie hier sollte – oder wollte. Irgendwie hatte Kathy sich ihren Umzug nach Cartwheel anders vorgestellt.

Ihre ältere Schwester wirkte verbraucht, war aber ebenfalls attraktiv. Wenngleich sie auch ziemlich launisch und sehr scharfzüngig war.

Genauso wie Haggy und die anderen hatten die Scolar-Schwestern früher in der Terrania City Diskothek ARAKO gearbeitet und waren Reikos Idee gefolgt, die jedoch gründlich danebengegangen war. Statt zu Ruhm und viel Geld in Cartwheel zu gelangen, waren alle arbeitslos geworden, weil Reiko seine Kneipe nicht etablieren konnte. So gesehen war der Auftrag auf der BAMBUS ein Segen für die Ziellosen dieser Runde. Kathy hatte sich überlegt, einen seriösen Job anzunehmen, doch dieser hatte durchaus seine Vorzüge: Party ohne Ende, viel Trinken, das eine oder andere Bewusstsein erweiternde Mittelchen und wenn ihr ein scharfer Typ übern Weg lief, war noch eine heiße Nummer oder Nacht im Vollrausch drin. Kathy war jung und wollte mit den anderen das Leben auf Lichtgeschwindigkeit führen, wie man im Volksmund sagte.

Als nächstes kamen Stony und Krizoff. Stony stammte von Terra und Krizoff von Olymp. Beide hatten auch im ARAKO als Tresenbedienung gearbeitet. Stony legte ab und zu auch als DJ auf.

Krizoff hatte eine hohe Stirn und ein feistes Gesicht. Er sah immer etwas wehleidig und verbraucht aus, doch auch er war von freundlicher Natur.

Stony war auch ein netter Kerl, der wie Krizoff, keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte. Im Gegensatz zu Darvos und seiner Truppe, welche eben gerade das Lokal betraten.

Darvos Mannschaft, bestehend aus Epsaler und Ertruser, hatte an Bord die einfache Aufgabe, erst zuzuschlagen und dann Fragen zu stellen.

Als letztes kamen zwei Terraner, die wie das Komikerpärchen Dick und Doof wirkten. Der eine war ein hochgewachsener blonder Terraner, der allerdings den Eindruck machte, als könnte er nicht bis drei zählen. Der andere war ein mittelgroßer dicker Terraner mit Brille und für sein junges Alter bereits stark schütterem Haar.

Der Große hieß Vekner, der Dicke trug den Namen Yan Cruze. Er hatte bereits unter Ferby Shyko als Leiter des Tresenservice gedient. Vekner war ein Faktotum zur besonderen Verwendung. Meistens zur Beschaffung von Genussmitteln. Er diente auch als Lagerist und Hausmeister. Vekner war für seine Prahlerei und seinen Frauenverschleiß bekannt.

Nachdem die Beteiligten versammelt waren, stellte Peter Roehk sich vor. Er gab einen kurzen Umriss über den geplanten Flug der BAMBUS und stellte Ferby Shyko als ausführendes Organ vor, der im Auftrage der drei Teilhaber handelte.

Ferby kannte die meisten bereits und hatte sie als gutes Personal in Erinnerung behalten. Jeder von ihnen wurde für die BAMBUS eingestellt.

Abschließend hatte Roehk noch einige Bemerkungen.

»Ziel dieses ganzen Unternehmens ist es nicht, nur etwas Geld zu machen und die Besucher zu unterhalten, sondern die Nummer Eins in Cartwheel zu werden. Jeder soll die BAMBUS kennen und lieben«, erklärte er.

»Lassen wir Bienya oben ohne servieren, dann wird bestimmt jeder die BAMBUS lieben«, scherzte Dykkar.

Bienya warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, konnte sich das Grinsen aber auch nicht verkneifen.

»Dafür, dass sie seit 100 Jahren ihren 18 Geburtstag feiert, sind ihre Möpse noch straff«, sagte Ferby und fuhr mit der Zunge über die Lippen.

»Möpse«, wiederholte Yan Cruze stumpf und starrte auf das pralle Dekolletee von Bienya.

»Wir werden Einladungen an Aurec, Nor'Citel, den Marquês, Sam und Uwahn Jenmuhs verschicken«, betonte Roehk.

Stony hob die Hand.

»Ja?«

»Wer sind diese Typen denn? DJs? Sportler?«

Roehk schüttelte nur den Kopf. Ferby erklärte, dass diese Leute die wichtigsten Männer in Cartwheel waren und zu absoluten Ehrengästen zählen würden, die mit besonderer Höflichkeit behandelt werden sollten.

Von Ferbys Nebenverdienst mit Drogen und Prostitution erwähnte er den Angestellten gegenüber nichts. Nur Reiko und Dykkar, sowie einige eingeweihte Sicherheitsleute, zu denen Darvos nicht gehörte, wussten Bescheid.

»Also gut!« Ferby schlug in die Hände und rieb sie sich. »In zwei Wochen soll es losgehen, dann geht die Party des Jahrhunderts ab!«

 

13. Die BAMBUS

Das gesellschaftliche Interesse richtete sich in jenen Märztagen auf der Insel nicht mehr auf die Politik oder auf die Theorien, was der finstere Cau Thon als nächstes planen würde, sondern auf das 500 Meter durchmessende Schiff BAMBUS.

Die Umbaumaßnahmen am ehemaligen LFT-Schiff waren abgeschlossen. Nun war es ein riesiger Disko-Raumer. Offiziell wurde die BAMBUS als Vergnügungsliner bezeichnet.

Und dort sollte die längste Party des Jahrhunderts steigen. Am 17. März 1296 NGZ sollte die BAMBUS zu einer fünftägigen Reise quer durch Cartwheel aufbrechen. Mit 5.000 Gästen an Bord, sowie vielen bekannten Musikern und Ehrengästen sollte die Feier die Reise über nicht unterbrochen werden.

Das war für viele natürlich eine Attraktion. Besonders junge Bürger der Insel rissen sich um die Tickets und binnen weniger Stunden nach dem Start des Verkaufs waren alle Karten ausverkauft.

Der biedere Peter Roehk, der verschlagene Werner Niesewitz und der Prolet Reini Katschmarek versprachen sich einen riesigen Gewinn aus dieser Aktion.

Die beiden Gleiter eilten auf den Raumhafen zu. Regentropfen plätscherten auf das Dach und das Sichtfenster des Gefährts.

Reinhard Katschmarek saß auf dem Rücksitz und bohrte in seiner Nase. Als er gefunden hatte, was er suchte, steckte er das grüne Gebilde in den Mund und zerkaute es.

Werner Niesewitz saß auf dem Beifahrersitz und starrte aus dem Fenster. Er dachte flüchtig an seinen alten Kameraden Eberhard Wieber, der einen grausamen Tod auf Prosperohs Burg gestorben war.

Doch er und Reini hatten den Mörder selbst hingerichtet. Überheblich sinnierte Werner über seine Stärke und Unfehlbarkeit. Er kicherte leise vor sich hin. Der Fahrer, ein dunkelhäutiger Terraner, blickte ungläubig den kleinwüchsigen Mann an.

»Ist was? Konzentriere dich gefälligst auf das Fliegen, Bimbo!«, fauchte Niesewitz den Afroterraner an, der mit dem Begriff Bimbo nichts anfangen konnte.

Solche rassistischen Bemerkungen gab es auf der Erde und deren Kolonien nicht mehr. Rassismus spiegelte sich heute im Verhalten der Völker untereinander wieder, doch es gab seit Jahrtausenden keinerlei Probleme zwischen Terranern unter sich mehr. Es gab seltene Ausnahmen auf Kolonien, doch diese waren mehr nationalistischer Natur. Die Hautfarbe spielte auf zivilisierten Welten keine Rolle, allenfalls bei den unterschiedlichen Geschmäckern auf Partnersuche.

Doch Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek, der blubbernd lachte, kamen aus einer anderen Epoche.

Dieses Ziel erhofften sie mit dem Disko-Raumer zu erreichen. Und da lag er vor ihnen. Im Regen schien der grüne Kugelraumer eher dunkel und trist.

Dennoch wirkte er imposant auf Werner Niesewitz. Der Altterraner dachte darüber nach, wie wundervoll es wäre, tausende solcher fliegenden Festungen zu besitzen, und sie einzusetzen. Der Terra-Block könnte doch ganz Cartwheel beherrschen. Dazu waren nur viele Soldaten, Raumschiffe, der Siegeswille und ein großer Feldherr nötig. Niesewitz sah in sich selbst allerdings keinen General. Er hatte andere Interessen und ging lieber viel subtiler vor, als ein plumper Militarist.

Die Gleiter hielten nahe der BAMBUS. Das Raumschiff wurde von Darvos Sicherheitsteam bewacht. Keiner der kahlgeschorenen Muskelpakete machte einen sympathischen Eindruck. Grimmig drehten sie um den Hangar ihre Runden.

Zwei von ihnen rannten mit Regenschirmen zu den Gleitern und begrüßten die drei Terraner.

Ihr Anführer war Darvos. Der 2,50 Meter große Ertruser war ein wahrer Gigant. Das kantige Gesicht des Umweltangepaßten strahlte keine Freundlichkeit aus. Er begrüßte kurz und knapp seine Arbeitgeber und eskortierte sie zu dem Schiff. Aus dem anderen Gleiter stiegen Ferby Shyko und Dykkar aus.

»Darvos, pass auf, dass bei dem Regen deine Frisur nicht kaputtgeht«, meinte Dykkar neckisch und grinste vor sich hin.

Selbst der Ertruser konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er ermahnte sich, da er darauf geschult wurde, nicht freundlich zu sein. In seinem Job musste man jederzeit den harten Kerl spielen.

Yan Cruze kam heraus gestürmt. Er sollte zusammen mit Vekner für die persönliche Betreuung von den Inhabern und Geschäftsführern zuständig sein.

Cruze war völlig außer Atem, als er die beiden Gleiter erreicht hatte. Darvos drückte ihm gleich den Regenschirm in die Hand.

»Können wir keine Formenergie von den Gleitern bis zu dem Eingang spannen?«, fragte Cruze unwirsch.

Darvos blickte ihn an und sagte: »Das Wasser tut dir gut, Dickerchen!«

»Wer ist hier dick? Höchstens wohl genährt«, protestierte Cruze und stampfte mit dem Fuß auf den Boden.

Shyko begrüßte seine drei Auftraggeber mit einem Handschlag. Dann blickten sie auf die BAMBUS.

»Ein prächtiges Schiffchen«, sinnierte Peter Roehk lächelnd.

»Wir können ja ein paar nackte Frauen auf die Außenhülle malen«, schlug Reini Katschmarek allen Ernstes vor.

»He, Reini, langsam sprichst du meine Sprache«, sagte Dykkar fröhlich.

Die fünf Terraner lachten lauthals und betraten über der Einstiegsbrücke den Kugelraumer. Sie gelangten in eine luxuriöse Halle, die an einen Palast erinnerte. Dort kamen ihnen zwei Freunde entgegen.

Es waren Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer. Karl-Adolf Braunhauer schlurfte mit tapsigen Schritten auf die drei Terraner zu. Er wirkte sichtlich müde und angegriffen. Neben ihm ging hüstelnd seine Frau, die ein Schnapsglas in der Hand hielt.

Erst als die Braunhauers kurz vor Niesewitz, Katschmarek und Roehk stehenblieben, setzte Karl-Adolf ein Lächeln auf.

»Hallo, hallo, Freunde«, begrüßte er sie ausgelassen.

Braunhauer sollte den Posten des Hausmeisters und Verwalters der BAMBUS übernehmen. Reini, Werner und Peter hatten ihrem Freund das Angebot in jener Nacht im Raumwolf offeriert. Ihm zur Seite wurde Vekner gestellt. Der blonde Terraner war wenig erbaut darüber, denn Karl-Adolf Braunhauer triezte ihn wie einen Sklaven.

Jedoch schien sich Karl-Adolf Braunhauer nicht so sehr von seiner letzten Feier erholt zu haben, denn die Augen in seinem faltigen Gesicht strahlten kaum mehr Lebensenergie aus.

Doch taten sie das eigentlich fast nie.

Ottilie Braunhauer wandte sich an Darvos. »Junger Mann, Sie könnten mal den blauen Sack nachher in den... den... den, na das Dings da, was den Müll wegmacht...«

»Konverter«, stellte Darvos unfreundlich fest.

»Ja, so ein Dings da eben. Sie könnten mal den blauen Sack mit den Windeln meines Mannes da hineinwerfen. Mein Mann leidet ja inkognito. Nein, das hieß anders... einen Moment, ich kommt gleich darauf... inkotigenz... nein, inkontilenz glaube ich«, stammelte die alte Terranerin.

Der Umweltangepaßte starrte auf einen blauen Sack in der Ecke.

»Aber vorsichtig, Sie wissen ja nicht, wie schwer Pusche sein kann«, erklärte Ottilie Braunhauer weiter.

Grimmig lief Darvos zu dem blauen Sack und nahm ihn hoch. Der Gestank drang in seine Nase, die er rümpfte. Er rief Vekner herbei, der dann die Ehre hatte die Exkremente von Karl-Adolf Braunhauer zu entsorgen.

Zu Darvos Bedauern waren die Braunhauers seine Vorgesetzten. Wäre dem nicht so, hätte er anstelle der Windeln, die beiden alten Leute in den Konverter geworfen.

Karl-Adolf wirkte geistesabwesend. Plötzlich sagte er zu Werner: »Hans, ich muss jetzt noch meinen Rundgang machen.«

Niesewitz nickte nur. Er verzichtete darauf, Braunhauer zu korrigieren, da er es wahrscheinlich sowieso nicht begriffen hätte. Stoisch schlurfte der alte Terraner zu einem Antigrav, in den er langsam einstieg und zur nächste Etage schwebte.

Seine Frau hingegen war bereits in einer der großen Hallen, wo sie am Tresen stand und einige Gläser Vurguzz in sich hineinschüttete.

Das dritte Familienmitglied im Bunde war Inge Bohmar, um die sich Ottilie kümmerte.

Da sie Inge Bohmar nicht unbeaufsichtigt lassen wollten, hatte Ottilie beschlossen, sie auf die BAMBUS mitzunehmen.

Die drei Deutschen gingen weiter und musterten einige Mitarbeiter. Zwei hochgewachsene, schlanke Frauen standen an einer Ecke und rauchten eine Zigarette. Eine von ihnen hatte kurze blonde Haare, die andere war brünett. Beide hatten einen einmaligen Körperbau, wie Katschmarek fand.

Es waren Bienya und Kathy Scolar.

»Hallo Mädels«, grüßte er sie in seinem ganzen nicht vorhandenen Charme.

Die beiden Terranerinnen sahen sich verdutzt an. Die Brünette lächelte kurz. Die Blonde lächelte erst, als sie Peter Roehk sah.

Reini war nicht sonderlich begeistert davon. »Nun hört mal zu, ihr beiden Schnepfen. Ich bin einer von den beiden zwei Geldgebern der BAMBUS. Also etwas mehr Respekt tue ich von euch verlangen tun!«, brüllte Reinhard Katschmarek in seinem falschen Interkosmo.

Beinahe hätten die beiden Frauen losgelacht, doch der Tonfall in Reinis Stimme verängstigte sie etwas.

»Entschuldigung, ich bin Bienya und das ist meine kleine Schwester Kathy«, erklärte die Blonde Terranerin.

»Ah, so ist das doch gleich viel besser«, meinte Reini und betatschte Bienyas Oberschenkel. Seine Mundwinkel zuckten vor Erregung. »Vielleicht Lust auf eine kleine Extrazulage?«

»Nur wenn du eine Million Jahre jünger wärst.«

Niesewitz und Roehk mussten nach dieser Bemerkung lachen. Reini warf der Blonden jedoch einen giftigen Blick zu, bevor er mit den anderen beiden weiterging.

»Dem hast du es aber gegeben«, lobte Kathy ihre ältere Schwester, die nur abfällig den drei alten Terranern hinterher blickte und weiter an ihrer Zigarette zog.

Ferby stellte sich kurz zu ihr.

»Schatz, der Typ zahlt dein Gehalt, also sei etwas netter«, ermahnte er sie.

Bienya nickte verlegen. Am liebsten hätte sie etwas entgegnet, doch in dieser Situation war es besser gewesen zu schweigen. Sie wollte den Job nicht verlieren.

Ferby war zufrieden und gab ihr einen Kuss auf die Wange und ging mit den anderen weiter.

Reiko war schon vorgegangen, um nachzusehen, ob alles erledigt wurde.

Reini murmelte noch etwas in seinen Bart, was jedoch niemand verstand. Plötzlich stand ihm ein grimmiger Ertruser im Weg.

»Ah, der Kommandant, Ervos Wilbur «, erklärte Peter Roehk laut und deutete auf einen Epsaler.

Der Kommandant der BAMBUS begrüßte Roehk, Niesewitz, Ferby und Katschmarek unwirsch.

»Meine Herren, ich stehe zu Ihren Diensten. Das ist meine Crew«, sagte der Epsaler und deutete auf ein zwölfköpfiges Team, bestehend aus Blues, Topsidern, Peepsies und Springern.

»Die sehen nett aus«, fand Reinhard Katschmarek.

»Ein bisschen wenig, oder?« wollte Niesewitz wissen.

Roehk schüttelte mit dem Kopf. »Die BAMBUS wird hauptsächlich von einem positronisch-syntronischen Rechenverbund gesteuert. Da reichen die zwölf Gestalten für Navigation, Ortung, Funk und Maschinenraum. Die Wartung wird von Robotern übernommen und die Betreuung der Gäste von unseren gut bestückten Hostessen«, erklärte Peter Roehk und strahlte lüstern bei seinem letzten Satz.

Niesewitz nickte nur unmerklich. Einige des knapp dreihundert Mann starken Servicepersonals waren bereits bei der Arbeit, putzten, füllten die Tresen mit Getränken oder arbeiteten an der gewaltigen Soundanlage.

Eine von den Damen kam Niesewitz sehr bekannt vor. Die große blonde Terranerin stand an einem Tresen und sortierte die Gläser und Getränke.

»Sieh mal an! Wen haben wir denn da?«, rief der kleine Terraner laut durch den Raum.

Jezzica Tazum drehte sich überrascht um und öffnete den Mund weit, als sie Katschmarek und Niesewitz erblickte.

»Was macht ihr zwei komischen Vögel denn hier? Darvos, hier sind zwei Typen, die du besser rauswirfst«, meinte sie zu dem Ertruser, der sie böse ansah.

Niesewitz, Roehk und Katschmarek lachten laut.

Jezzica stemmte die Arme in die Hüften und wusste nicht, was sie sagen sollte. Peter Roehk kannte sie, denn er hatte die Terranerin eingestellt.

Nach ihren Abenteuern auf der TERSAL hatte Jezzica sich auf Terra durchgeschlagen und war dem Ruf DORGONs gefolgt. Relativ planlos hatte sie das erste Jahr auf der Insel verbracht und vom Grundgehalt gelebt, als sie das Jobangebot der BAMBUS gefunden und sich erfolgreich beworben hatte.

Mit der BAMBUS war ein Traum für die Partygängerin in Erfüllung gegangen. Der Job auf der THEBEN hatte ihr zwar auch Spaß bereitet, doch gegen die BAMBUS war die THEBEN ein alter Kahn.

»Peter, was hast du mit denen zu schaffen?«, wollte sie nun wissen.

»Mein Kindchen«, begann er und tätschelte an ihren Schenkeln. »Das sind meine beiden Geschäftspartner und damit deine Arbeitgeber und Vorgesetzten. Jeder Wunsch von ihnen ist dir ein Befehl!«

Jezzica atmete tief durch. Warum musste sie ausgerechnet diese beiden Gestalten wieder treffen? Die Vorfälle auf der TERSAL waren ihr noch in bester Erinnerung. Doch wenn sie den Job behalten wollte, musste sie sich den Wünschen der drei beugen.

»Ich erledige allerdings nur die Arbeiten, die in meinem Vertrag stehen. Sonst nichts!«, stellte die junge Terranerin klar, als sie die lüsternen Blicke der drei Kreaturen bemerkte.

»Schade, schade, schade...«

Peter Roehk nahm Jezzica in den Arm und blickte ihr in den Ausschnitt. Seine Mundwinkel zuckten vor Erregung. Jezzica schob ihn mit der Ausrede, sie hätte noch zu arbeiten, sanft beiseite.

Roehk stellte noch andere Mitarbeiter vor; den Olymper Krizoff, den Terraner Stony und den Discjockey Abfallhaufen. DJ Abfallhaufen, natürlich war dies nur sein Künstlername, sorgte für die Musik. Er war nicht sonderlich groß, trug eine syntronische Designerbrille und stets ein Cappy.

Niesewitz, Katschmarek und Roehk verabschiedeten sich von der Gruppe, um ihre Besichtigungstour fortzuführen. Sie stolzierten durch ihr Schiff und gaben den Arbeitern noch verschiedene Anweisungen. Anschließend führte sie ihr Weg wieder zu Jezzica Tazums Tresen und sie bestellten Vurguzz.

Die drei Terraner hoben die Gläser.

»Auf die BAMBUS, viel Geld und unseren Wohlstand!«, sprach Roehk.

»Auf uns!«, wiederholten die anderen beiden und stießen an. Ferby, Reinhard Katschmarek und Peter Roehk dachten nur an das Geld und die hübschen Frauen, während Werner Niesewitz andere Ziele verfolgte. Die BAMBUS sollte nur ein Sprungbrett zur Macht sein.

 

14. Das neue IMPERIUM ALPHA

Joak Cascal hatte eine Besprechung im neuen IMPERIUM ALPHA einberufen. Nicht nur der Name des Regierungssitzes war neu, sondern auch einige technische Einzelheiten. So war IMPERIUM ALPHA ein 900 Meter durchmessendes und 500 Meter hohes großes, versorgungstechnisch autarkes Objekt, welches sogar einen eigenen Schutzschirm für den Notfall besaß. Die Wissenschaftler unter Timo Zoltan arbeiteten zurzeit an einem eigenen Antrieb für IMPERIUM ALPHA.

Es schien so, als wollte Joak Cascal eine zweite Solare Residenz in einem bescheidenen Maßstab errichten. Vielleicht wollte er auch nur auf Nummer sicher gehen.

In einem der Besprechungszimmer fanden sich Cascal, der Marquês von Siniestro, Gal'Arn, Remus und Uthe Scorbit sowie Jonathan Andrews und Timo Zoltan ein.

»Guten Morgen, meine Herren«, begrüßte Cascal seine Kollegen und Freunde, denen er vollends vertraute.

Er holte sich eine Tasse Kaffee und nahm einen Schluck von der schwarzen Brühe. Dann ging er zur Tagesordnung über.

Uthe berichtete als erstes darüber, dass Jenmuhs der Zechonin Anica nachstellte und deshalb schon mehrmals Uthe in ihrem Büro auf Paxus aufgesucht hatte, wenn sie dort verweilte. Jenmuhs hatte sogar vorgeschlagen, Anica solle inoffizielle Kommunikationsassistentin werden, um die Beziehungen zwischen dem Terrablock und dem Arkonblock zu verbessern.

Die anderen hörten genau zu. Cascal kratzte sich am Hinterkopf und blickte zum Marquês von Siniestro und Gal'Arn.

»Was sollen wir tun?«

»Das ist doch offensichtlich. Dieses perverse Schwein – Entschuldigung – ist scharf auf die naive Anica. Wir sollten sie keiner unnötigen Gefahr aussetzen und zum Spielball der Politik machen«, wandte Jonathan Andrews ein.

Gal'Arn nickte zustimmend seinem Schützling zu. »Ich würde es mit anderen Worten ausdrücken, aber Jonathan hat recht. Die Ambitionen Jenmuhs sind uns bekannt. Sollte er wie sein Bruder sein, würden wir Anica einer permanenten Gefahr aussetzen, wenn sie regelmäßig mit ihm zu tun hat. Außerdem bezweifle ich, dass sie einen positiven Einfluss auf Jenmuhs haben wird oder sich die politische Beziehung wirklich verbessern würde.«

Diesen Argumenten konnte keiner der Anwesenden widersprechen. Jeder war sich über die wahren Beweggründe Uwahn Jenmuhs im Klaren.

»Dann sehen wir das Thema als erledigt an. Ich werde Botschafter Lester Slote anweisen, sich bei Jenmuhs in aller Form zu bedanken, aber abzulehnen«, fasste Cascal zusammen.

Er blickte zum Marquês, der mit einem Nicken seine Zustimmung signalisierte.

»Das zweite Thema hat weniger etwas mit Politik zu tun als mit gesellschaftlichem Interesse«, begann der Marquês nun. »Wir haben eine Einladung von unseren guten Freunden Werner Niesewitz und Peter Roehk bekommen. Sie laden uns zu einer fünftägigen Reise mit dem Discoliner BAMBUS ein. Zweifelsohne eine gute Idee, denn es sorgt für Zerstreuung bei den jüngeren Bewohnern Cartwheels, doch ich werde bestimmt nicht daran teilnehmen.«

»Natürlich nicht«, kommentierte Diabolo die Aussage seines Herren. Der Posbi hatte soeben den Raum betreten und bewegte sich auf den Marquês zu.

»Wir sollten aber vielleicht jemanden des Terra-Blocks entsenden«, schlug Cascal vor, lehnte selbst aber ebenfalls ab. Das war nichts für ihn.

»Ich habe Lust«, meldete sich Jonathan Andrews.

Auch Remus und Uthe Scorbit bekundeten ihr Interesse. Die jüngeren Repräsentanten des Terra-Blocks hatten sicherlich einen besseren Bezug zu den Gepflogenheiten bei Partys als die Repräsentanten über 1000.

»Was ist mit dir, Meister?«, wollte Andrews wissen.

Gal'Arn lächelte verlegen.

»Ich bezweifle, dass ich mich für so etwas begeistern kann. Geh du ruhig, ich werde auf Mankind bleiben.«

Andrews wirkte etwas enttäuscht, obwohl er wusste, dass sich Gal'Arn wenig aus Zelebrationen machte. Deshalb unterließ er weitere Versuche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

»Nun, dann wünsche ich euch drei eine gute Reise«, erklärte Cascal und beendete damit die Unterredung.

*

IMPERIUM ALPHA war so ausgelegt worden, dass die meisten Bediensteten des Gebäudes eine Unterkunft besaßen. Für diesen Zweck waren drei Etagen des großen Komplexes als luxuriöse Appartements mit großem Balkon eingerichtet.

Jonathan Andrews hatte Marya und sich selbst ein großes Appartement in IMPERIUM ALPHA einrichten lassen. Er kam damit ihrem Wunsch nach einer eigenen Wohnung mit ihrem Freund nach.

Zu ihrem Bedauern waren Gal'Arn, sein Orbiter Jaktar sowie das Scorbit Ehepaar in derselben Etage einquartiert. Auch Mathew Wallace, Irwan Dove und Lorif bewohnten dieselbe Etage.

Andrews ging nach der Unterredung zu sich nach Hause. Marya lag auf der Couch, lackierte sich die Fingernägel und schaute Nachrichten. Sie machte einen gelangweilten Eindruck. Jonathan begrüßte seine Freundin mit einem Kuss auf die Wange.

»Nie sind wir in den Nachrichten. Ich dachte, du bist ein Star, Johnny«, seufzte Marya.

»Laut Gal'Arn dürstet es einen Ritter der Tiefe nicht nach Ruhm. Wir tun unsere Pflicht und erwarten keinen Dank, denn wir wissen, dass es richtig ist, was wir tun«, erklärte er seiner Freundin, die wenig Verständnis dafür hatte.

»So ein Quatsch. Ruhm und Anerkennung sind wichtig. Nur so wirst du etwas in dieser Galaxis«, sagte sie voller Überzeugung. Sie stand auf und umarmte ihren Freund. Sie huschte mit ihren Lippen über die seinen. »Stell dir das nur vor. Wir beide im Fernsehen, geben endlose Partys und schwimmen im Geld. Wäre das nichts?«

Andrews sah sie ernst an.

»Es gibt wichtigeres. Freunde, eine Aufgabe und eine liebenswerte Frau. Ich habe alles das, warum mehr?«

Marya konnte und wollte diese Einstellung nicht teilen. Immerhin erweichte es ihr Herz, dass sie die Frau war, die er liebte. Sie schmiegte sich eng an seinen Körper und küsste ihn innig.

»Ich habe etwas für dich«, flüsterte Jonathan.

»Was?«, wollte sie wissen.

»Eine fünftägige Reise auf der BAMBUS, diesem neuen Luxusraumer, der andauernd in der Presse ist. Wir sind Ehrengäste und vertreten den Terra-Block. Gefällt dir das?«

Marya konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie hüpfte vor Freude auf der Stelle und umarmte Andrews innig.

»Wann fliegen wir?«

»Am 17. März. Es geht also bald los!«

»Dann haben wir ja noch etwas Zeit...«, sprach Marya zweideutig und knöpfte sich die Bluse auf.

*

Remus und Uthe Scorbit saßen auf dem großen Balkon und blickten über die Stadt. Sowohl Uthe als auch Remus hatten ein schlechtes Gewissen, weil sie sich beide gegenüber nicht sonderlich gut benommen hatten.

Keiner der beiden sagte etwas. Schließlich war es Remus, der doch den ersten Schritt machte und sich bei Uthe für sein schlechtes Verhalten und seine nächtlichen Eskapaden mit Henner von Herkner entschuldigte.

Auch Uthe entschuldigte sich für ihr schroffes Verhalten und ihrer Uneinsichtigkeit gegenüber Jenmuhs. Die beiden versöhnten sich und beobachteten den Sonnenuntergang über New Terrania City.

Sie freuten sich bereits auf die Kreuzfahrt der BAMBUS, obwohl sie keine Ahnung hatten, was auf sie zukommen würde.

 

15. Pariczas Castle, New Paricza

Leticron hatte gestern das erste Mal bewusst in den Nachrichten von der BAMBUS gehört. Er hatte die Ankündigung der fünftägigen Partytour durch die Insel mit keinem großen Interesse verfolgt.

Vielmehr wartete er auf Ergebnisse aus seiner Klonfabrik. Das war sein Langzeitplan, auf den sicher auch Cau Thon stolz gewesen wäre. Innerhalb von nur wenigen Jahren hätte sich Leticron eine mächtige Armee aufgebaut, mit der er Cartwheel beherrschen konnte.

Damit würde die Festung gegen MODRORs Armeen fallen und das Schicksal der Milchstraße, wie auch Rhodans besiegelt sein.

Der Corun von Paricza dachte nun doch wieder an die BAMBUS, denn er hatte eine persönliche Einladung bekommen. Natürlich wollte er ablehnen. Uwahn Jenmuhs und Sam hatten bereits wenige Stunden nach Erhalt der Einladung abgesagt. Keiner von ihnen konnte sich für diese Art von Zerstreuung begeistern.

Auch der Marquês musste aus »arbeitstechnischen Gründen« absagen. Er war im Moment der gefragteste Mann der Insel und auf seinen Schultern lastete das Vertrauen aller Wesen in Cartwheel.

Sie vertrauten dem alten Terraner ihre Zukunft an. Deshalb gab es viel für Don Philippe zu tun. Das wiederum erlaubte ihm nicht die Zeit für die BAMBUS zu vergeuden.

Für Leticron war der alte Spanier schwer einzuschätzen. Eine seltsame Ausstrahlung ging von ihm aus, doch wie es aussah, war der Marquês loyal gegenüber Perry Rhodan eingestellt und hoch motiviert, DORGONs Projekt zum Erfolg zu führen.

Auf terranischer Seite hatten die jungen und in Leticrons Augen sehr gefährlichen Terraner Jonathan Andrews, Remus, Uthe Scorbit und Mathew Wallace zugesagt.

Auch Aurec hatte zugesagt. Natürlich, dachte sich Leticron. Der junge charmante und charismatische Prinz Saggittors musste sich selbstverständlich der Menge zeigen. Leticron verabscheute Aurec. Er war ähnlich wie Perry Rhodan, so unbeschreiblich edel, ehrenwert und ohne moralischen Fehl und Tadel.

»Und aus diesem Grund müssen wir ihn vernichten«, hörte Leticron eine Stimme sagen. Sie war rau und heiser.

Überrascht drehte er sich um und sah Cau Thon.

»Wie kommst du hierher?«

»Es gibt wichtige Dinge zu besprechen, mein Bruder.«

Cau Thon trug sein schwarzes Gewand. Die Kapuze hatte er abgenommen und sein roter, kahler Schädel mit den drei Sechsen auf der Stirn war sichtbar.

Er wanderte durch den Raum und musterte die Inneneinrichtung. Die rustikale Einrichtung schien nach seinem Geschmack. Leticron saß auf seinem Thron und beobachtete den Sohn des Chaos genau. Noch immer war er schwer einzuschätzen.

Doch Leticron wusste genau, dass sie auf derselben Seite standen.

»Was gibt es für wichtige Dinge?«, wollte der Pariczaner jetzt wissen.

Cau Thon bemerkte die Einladung der BAMBUS und ergriff sie mit einem vielsagenden Schmunzeln.

»Die BAMBUS«, sprach Cau Thon bedeutungsvoll.

»Was soll mit diesem Kahn sein? Ein Schiff voller Verrückter«, stellte Leticron abfällig fest.

Cau Thon schüttelte unmerklich mit dem Kopf.

»Ein Haufen voller verrückter Kinder sowie Aurec, Jonathan Andrews, Mathew Wallace, den Scorbits und einigen anderen bekannten Figuren Cartwheels«, entgegnete Thon kühl.

Leticron verstand immer noch nicht, was sein Bruder des Chaos damit bezweckte. Er stand auf und nahm die Einladung. Der Corun war im Begriff, diese zu zerreißen, doch Cau Thon entriss sie ihm.

»Du wirst dich auf das Schiff begeben«, erklärte er.

»Warum?«

»Damit du zu den Opfern zählst«, deutete Cau Thon an.

»Opfern? Es muss immer etwas passieren, damit es Opfer...«

Jetzt verstand Leticron. Cau Thon hatte den Entschluss gefasst, dass die BAMBUS vernichtet werden sollte, doch Leticron sah in der BAMBUS kein bedeutendes Raumschiff.

»Warum ausgerechnet die BAMBUS?«, fragte er.

»Dein Auftrag wird es sein, die BAMBUS zu entführen und zu den Koordinaten auf diesem Memowürfel zu bringen.«

Cau Thon holte aus einer Tasche einen kleinen Datenspeicher hervor und legte ihn auf einen Tisch.

»Bediene dich anderer Subjekte, damit kein Verdacht auf dich fällt. Nach der Entführung wirst du als Opfer dastehen und vielleicht als Retter der BAMBUS. Aurec und weitere wichtige Honoratioren sollen mir auf dem Planeten Xamour übergeben werden.«

»Ich verstehe.«

Der Sohn des Chaos nickte zufrieden. Cartwheel würde stark geschwächt sein, wenn Aurec und die Helden aus Shagor und der IVANHOE nicht mehr am Leben wären. Außerdem würde es großen politischen Aufruhr geben, wenn der Nachwuchs der Pioniere in Cartwheel entführt würde.

Nach dem Tod Aurecs würde Saggittor nicht mehr so gefährlich sein wie vorher.

»Aurec ist normalerweise gut abgeschirmt in Cartwheel. In diesem Raumschiff jedoch ist er angreifbar. Mit wenig Aufwand können wir einen unserer gefährlichsten Widersacher loswerden«, meinte Leticron, der mehr und mehr von dem Plan Cau Thons angetan war.

»So ist es geplant. Rodrom will Aurec sehen. Alte Rechnungen sind noch zu begleichen. Aus diesem Grund soll mir Aurec lebend übergeben werden.«

Leticron nickte.

Cau Thon setzte sich wieder in Bewegung.

»Du weißt, was du zu tun hast, mein Bruder. Unsere Wege kreuzen sich auf Xamour wieder.« Mit diesen Worten verließ Cau Thon den Raum.

Leticron blickte ihm eine Weile nach, dann nahm er die Einladung und gebot seinem Diener, unverzüglich eine Zusage an Roehk zu übermitteln.

Der Corun von Paricza grübelte eine Weile über die Details des Planes. Es wäre sicherlich besser gewesen, wenn Sam und der Marquês auch auf der BAMBUS wären, doch Aurec und dieser arrogante Emporkömmling Jonathan Andrews, sowie das gefährliche Trio der IVANHOE galt es auch zu beseitigen.

Selbst Sam, der Marquês, Gal'Arn und Joak Cascal konnten sich nicht so schnell von diesem Schlag erholen.

Leticron grinste überlegen. Die Dinge entwickelten sich prächtig. Alles was er jetzt noch brauchte, waren Werkzeuge.

Er dachte einen kurzen Moment nach, dann betätigte er den Schalter für sein Interkomgerät.

»Stellt eine Verbindung mit Taka Kudon her.«

Die Holographie des Gehörnten erschien Lebensgroß vor dem Thron Leticrons. Der Dscherro wirkte leicht verwundert.

Leticron sprach: »Taka Kudon, für Ihre Dscherro wird es Zeit, zu kämpfen!«

 

16. Gedanken vor dem Abflug

Es waren nur noch wenige Tage bis zum Start der BAMBUS. Die Angestellten hatten inzwischen ihre Kabinen im Raumschiff bezogen.

Das Gelände war noch immer bestens von Darvos Sicherheitskräften abgeriegelt und bewacht. Die Putzkolonnen arbeiteten Tag und Nacht in der BAMBUS. Alles sollte sauber sein und sehr pompös wirken.

Es war bereits spät und die meisten Angestellten hatten sich schon schlafen gelegt. In einem Zimmer saßen allerdings noch die Tresenbedienungen und Servicemitglieder. Es waren Bienya, Krizoff, Kathy, Haggy, Stony, Yan Cruze, Vekner und DJ Abfallhaufen.

Sie tranken einige Gläser Bier und lauschten der elektronischen Musik, die DJ Abfallhaufen selbst komponiert hatte, wenn man es so nennen konnte.

»Ist meine Musik nicht cool?«, stellte er fragend in den Raum.

»So cool wie du es bist«, meinte Bienya strahlend.

DJ Abfallhaufen, der mit wahrem Namen Khrizan Zhmitt hieß, fühlte sich in seiner Arbeit bestätigt. Er war schon früher auf der ARAKO sehr beliebt gewesen. Zhmitt war ein persönlicher Freund von Ferby Shyko, was ihm einen besonderen Status in diesen Kreisen verlieh.

Yan Cruze interessierte das weniger. Er sagte sowieso zu allen Vorgesetzten immer »ja«, damit er keine Schwierigkeiten bekam. Er stopfte sich gerade ein paar Burger einer bekannten Fast-Food-Kette, die auf Terra ihren Ursprung hatte, in den Rachen.

Vekner starrte in den Ausschnitt von Kathy Scolar und überlegte, wie er sie davon überzeugen konnte, mit ihm zu schlafen.

Kathy machte jedoch einen nachdenklichen Eindruck.

»Vermisst ihr nicht auch die Erde?«, fragte die am 15. April 1271 NGZ geborene Terranerin.

»Etwas...«, meinte Krizoff.

DJ Abfallhaufen winkte ab. »Quatsch! Hier können wir 'ne Menge Kohle machen und richtig prominent werden. Na gut, ich bin's schon, aber vielleicht bekommt ihr mal eine Chance.«

Eine Weile schwiegen die Leute.

Krizoff nahm ein paar Pillen zu sich, die ihn aufputschten. Seine Augen glänzten danach und in seinem Gesicht entstand ein permanentes Grinsen.

»Krizoff ist jetzt schon in Partystimmung«, meinte Stony lachend. Der kleine Terraner schlug dem Olymper freundschaftlich auf die Schulter.

Krizoff bewegte sich rhythmisch zu der Musik und grinste über beide Ohren. Die anderen mussten lachen.

Diese jungen Terraner standen vor ihrem größten Abenteuer. Das ahnte jedoch keiner von ihnen. Niemand wusste, dass die BAMBUS in diesen Momenten zum Hauptbestandteil einer kosmischen Verschwörung werden sollte und sie nichts weiter als kleine unbedeutende Schachfiguren in dem Kampf zwischen MODROR und DORGON waren.

Kathy fröstelte es etwas. Sie fuhr sich durch die Haare, dann steckte sie sich eine Zigarette an. Krizoff lächelte sie charmant an.

»Irgendwie möchte ich ins Bett«, meinte er zweideutig.

»Oh ja, ich komme mit«, sagte Stony scherzhaft.

Krizoff zog die Augenbraue hoch und gab Stony einen Luftkuss, der nur den Kopf schüttelte. Abfallhaufen stand auf und reckte sich.

»Jungs und Mädels, morgen ist wieder ein langer Tag. Ich muss noch Soundchecks machen. Die Technosongs der Blues sind so schrill, dass ich da immer erst einmal herum probieren muss, damit sich das nicht übertönt«, erklärte er und wünschte den anderen eine gute Nacht.

»Na gut, dann gehe ich eben alleine ins Bett«, murmelte Krizoff und sah Kathy enttäuscht an, die ihn nur anlächelte.

»Du wirst es überleben«, meinte sie und gab dem terranischen Kolonisten einen Kuss auf die Wange.

Sie spielte ein wenig mit ihm. Außerdem war sie nicht in der richtigen Stimmung dafür. Vielleicht während der Feier. Es wäre nicht das erste Mal mit dem Olymper.

»Vielleicht bevorzugst du ja mich?«, mischte sich Cruze scherzhaft ein. Dabei platschte etwas von seinem Burger aus seinem Mund auf sein Hemd.

»Ups«, machte er nur und wischte sich die Essensreste verlegen von der Brust.

Kathy schüttelte nur lächelnd den Kopf.

»Konzentriere du dich lieber auf deinen Tresenservice. Ich will, dass alles reibungslos klappt, sonst beschwere ich mich bei Reiko. Die Penner sollen arbeiten, bis sie umfallen«, wechselte Bienya Scolar das Thema, die 27 Jahre älter war, als ihre Schwester.

Cruze war dies etwas unangenehm. Doch er versicherte Bienya, dass seine Leute alles tun würden, was sie verlangte. Er hatte nicht genügend Courage, um sich mit dem blonden Gift, wie er sie still bezeichnete, anzulegen.

Kathy Scolar stand auf und verließ den Raum. Sie lief durch die Gänge und Korridore, welche um diese Uhrzeit nur von schwachem Licht erhellt wurden. Einige Lampen funktionierten noch nicht. Das gefiel der jungen Terranerin nicht sonderlich, denn ihr wurde etwas mulmig in der Dunkelheit. Sie hoffte, dass Vekner ihr nicht gefolgt war und auf dumme Gedanken kommen würde.

Sie mochte den Terraner zwar, fand ihn jedoch auf der anderen Seite ziemlich unattraktiv und naiv. Außerdem hatte er es schon mit Bienya und Haggy getrieben. Wenn Reiko und Dykkar davon wüssten, würde Vekner vermutlich in der Schleuse landen.

Plötzlich hörte sie Schritte.

»Wer ist da?«, rief sie in die Dunkelheit.

»Hier!«, hörte sie nur.

»Wer ist da?«, wiederholte die 172 Zentimeter große Brünette.

»Hier! Ich sagte Hiiier! Hörst du wohl? Hier! Hiiiiiiiiiiieeeeerr!«

»Ich bin ja da«, murmelte Kathy.

Kathy atmete tief durch und beschloss, weiterzugehen. Wieder hörte sie Geräusche. Es war kein Widerhall ihrer Schritte, sondern eindeutig die eines anderen.

»Hallo?«

Wieder kam keine Antwort.

Langsam ging sie weiter. Plötzlich wurde das Licht hell und jemand stand vor ihr. Kathy schrie laut und voller Entsetzen auf. Sie brauchte einige Sekunden, um sich zu beruhigen.

Der Person vor ihr war eine alte Frau mit offenen blondweißen Haaren, einem feisten, aufgedunsenen Gesicht und starren Augen, in denen der Wahnsinn stand.

Kathy wich ein paar Schritte zurück und versuchte sich von dem Schock zu erholen. Die andere Frau trug ein sehr antiquiertes Nachthemd.

In ihrer Hand hielt sie eine Hundeleine. Am Ende der Leine hing ein Halsband, doch der Hund dazu fehlte.

»Suchen Sie Ihren Hund?«, fragte Kathy letztlich.

»Nein, meinen Mann. Mein Hund ist doch hier. Mach Platz Bandit. Aus!«

Kathy starrte mit geöffnetem Mund auf die Frau, die an der Leine zerrte und Befehle an den nicht vorhandenen Vierbeiner gab.

Gott, die ist Irre!, dachte die junge Terranerin.

»Na, dann. Viel Spaß beim suchen«, wünschte Kathy und ging an ihr vorbei.

Doch die alte Frau packte Kathy am Arm.

»Du weißt wo er ist. Du hast ihn verführt, gib es zu!«, schrie die Wahnsinnige.

Kathy stieß sie von sich.

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Wer sind Sie überhaupt? Da ist kein Hund und Sie haben wahrscheinlich auch keinen Mann«, brüllte Kathy wütend zurück.

In diesem Moment schrie die alte Frau hysterisch auf und stürzte sich auf Kathy Scolar. Die junge Terranerin war von den Kräften der Frau überrascht und wurde zu Boden geworfen. Die alte Hexe würgte Kathy und schrie unverständliches Zeug.

Plötzlich wurde sie losgerissen.

»Inge! Es ist jetzt gut«, rief Ottilie Braunhauer.

Katschmarek und Roehk zerrten sie von der erschöpften Terranerin herunter.

Kathy war sichtlich aufgelöst und brauchte eine Weile, um sich wieder zu fassen. Sie zitterte am ganzen Körper.

Darvos eilte herbei und half ihr hoch.

»Alles in Ordnung?«, fragte er. Es klang beinahe besorgt.

Kathy nickte schwach und fasste sich an die Kehle.

»Sie hat Werner verführt und muss bestraft werden«, keifte Inge Bohmar.

Ottilie lachte herzlich.

»Nun beruhige dich doch mal wieder. Es ist ja alles gut. Das böse Mädchen wird dich nicht mehr belästigen«, erklärte Ottilie und brachte Inge wieder in ihr Zimmer.

Das war also die besagte Cousine von Karl-Adolf Braunhauer. Kathy schüttelte den Kopf und wurde von Darvos in ihr Zimmer begleitet.

Erschöpft legte sie sich hin und schlief tief und fest ein.

*

Am nächsten Morgen regte sich Kathy Scolar noch über den Vorfall mit Inge Bohmar auf. Sie beschwerte sich bei Peter Roehk und Ferby.

Doch die beiden versprachen ihr nur eine kleine, finanzielle Entschädigung für die Attacke. Damit war die Terranerin nicht sonderlich zufrieden und meckerte weiter herum, bis Niesewitz ihr klar und deutlich zu verstehen gab, dass Inge Bohmar wichtiger sei als sie!

Kathy verstand die Drohung und beschloss, den Vorfall auf sich beruhen zu lassen.

Sie saß in der Cafeteria und trank einen Kaffee. Ihre Schwester bestückte bereits die Tresen, denn der Start der BAMBUS war in drei Tagen.

Dabei keifte sie wieder die Tresenbedienungen an.

»Was soll das?«, meckerte sie. »Warum trägt jeder alleine einen Kasten? Könnt ihr nicht mehr schleppen? Habt ihr keinen Antigrav? Das kostet alles Zeit!«

Die Tresenbedienungen, welche das Ziel des verbalen Angriffs gewesen waren, wechselten vielsagende Blicke miteinander und murmelten einige Verwünschungen über Bienya Scolar.

Yan Cruze kam angerannt oder versuchte zumindest in einem für ihn schnellen Tempo den Tresen zu erreichen.

»Ja ja, Bienya. Wir machen alles, was du sagst«, sagte er laut, um die ältere Scolar zufriedenzustellen.

»Die Alte hat bestimmt wieder ihre Tage«, flüsterte er zu dem im am nächsten stehenden Kollegen, der nur bestätigend lächelte.

Krizoff setzte sich zu Kathy Scolar und fragte sie nach gestern aus, doch Kathy schwieg lieber. Sie wollte ihre Stelle nicht gleich verlieren.

»Es ist alles in Ordnung. Wir müssen Mitleid und Verständnis mit der armen Irren haben, hat Ferby gesagt«, erklärte sie verdrossen.

Krizoff verzog seine Miene.

»Das kann ja wohl nicht sein, dass eine Geisteskranke uns noch angreift.«

Kathy nickte nur zustimmend.

Dann rückte der Olymper näher an die Terranerin heran und flüsterte: »Die Typen sind hier sowieso seltsam. Dieser Niesewitz und sein Freund Katschmarek, genauso wie die Braunhauers. Die haben entweder einen Totalschaden oder verbergen etwas.«

Kathy wusste nicht, was sie sagen sollte. Misstrauisch blickte sie sich um. Es kam aber nur Jezzica Tazum in den Raum, die sich zu den beiden setzte.

»Alles wieder in Ordnung bei dir?«, erkundigte sie sich besorgt.

»Ja, danke...«

Jezzica nahm auch einen kräftigen Schluck Kaffee. Sie zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück.

»Ich kann es immer noch nicht fassen! Da habe ich Jonathan erklärt, dass ich kein Abenteuer erleben will und denke hier ist meine neue Zukunft und nun sind wir schon wieder unter diesen Behämmerten.

Wo die sind, gibt es bestimmt Ärger!«

Kathy wusste inzwischen von Jezzicas Abenteuern. Irgendwie beneidete sie die Blondine ein wenig. Sie stellte sich solche Abenteuer schrecklich aufregend vor. Aber Kathy hätte viel zu viel Angst, ständig in Lebensgefahr zu schweben und Verantwortung für andere zu übernehmen. Das behagte ihr nicht sonderlich. Sie wusste nicht, ob sie jemals den Mut für so etwas aufbringen konnte. Schon in der Schule hatten die Lehrer und Klassenkameraden sie als Angsthase und Nichtsnutz bezeichnet. Trotz ihres gesegneten Körperbaus hatte sie nie viel Sport gemacht und sich beim Teamsport immer vor der Verantwortung gedrückt. Viel zu zaghaft hatte sie versucht, sich einen Job zu suchen, weil sie nicht in eine Position gedrängt werden wollte, in der sie Entscheidungen treffen sollte. Was war, wenn sie die falschen Entscheidungen traf? Sie hatte immer wieder Bedenken, ja sogar Furcht, vor den Konsequenzen. Ihre Unsicherheit kompensierte sie natürlich zum Teil mit ihrer Schönheit, was ihr einen Bonus einbrachte. Alkohol und die eine oder andere Droge lockerten ihr Gemüt und brachten ihr Selbstsicherheit. Das genoss sie. Hier im Schutz ihrer älteren Schwester mit Kumpels, Liebhabern und kecken Freundinnen war alles in Ordnung. Das ganze Leben war eine unbeschwerte Party. Natürlich waren Leute wie Ferby Shyko oder Reiko mit Vorsicht zu genießen, doch als Tresenbedienung konnte Kathy nicht viel passieren.

Allerdings schien sich das vielleicht auf der BAMBUS zu ändern. Diese ganzen alten Leute waren ihr nicht geheuer und schienen mehr Ansprüche zu stellen. Und die Tatsache, dass eine große Prominenz sich auf der BAMBUS tummeln würde war aufregend und beunruhigend zugleich. Was war, wenn sie jemand vor den Kopf stießen? Vielleicht diesem Aurec? Oder wenn Nor‘Citel sich an sie erinnerte? Es war vielleicht eineinhalb Jahre her gewesen, als dieser Überschwere in eine terranische Kneipe gekommen war und vor ihr auf den Tresen gekotzt hatte, nachdem sie ihn wiederholt nach seinem Getränkewunsch gefragt hatte. Kathy hatte den Überschweren nicht vergessen, denn das ganze Szenario war grotesk gewesen. Sie hatte ihn im Trivid wieder erkannt. Aus dem sensiblen Jungen war ein selbstbewusster Herrscher geworden.

Hoffentlich erinnerte er sich nicht an den Vorfall und gab ihr die Schuld für seinen schlechten Kreislauf. Sie seufzte.

»Tolle Perspektiven«, meinte Krizoff ärgerlich.

In diesem Moment kamen Niesewitz und Katschmarek gefolgt von den Braunhauers und Inge Bohmar in den Raum. Kathy wollte aufstehen und weggehen, doch Jezzica hielt sie fest und schüttelte leicht mit dem Kopf.

Inge bemerkte Kathy sofort und ging zu ihr.

»Liebe Frau Scolar, es tut mir leid. Werner hat mir erklärt, dass alles ein Missverständnis war«, sagte sie aufrichtig.

»Ich verstehe...«, entgegnete Kathy leise.

Es herrschte für eine Weile Stille.

Dann wurde Inge Bohmar wieder ungehalten. »Warum antworten Sie Werner nicht?«

Kathy verstand nicht. Es war kein anderer da. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und blickte hilfesuchend zu Jezzica, die aufstand und Inge Bohmar zu den Braunhauers brachte. Sie entschuldigte sich für Kathys Verhalten und erklärte, dass die junge Terranerin etwas verwirrt sei.

Inge verstand das und akzeptierte die Entschuldigung. Sie setzte sich zu Ottilie, die wie immer laut von ihrem Leid klagte.

Karl-Adolf hingegen hatte sich Vekner geschnappt und befahl ihm, die Kantine sauber zu machen. Unter den Anweisungen des fähigsten Hausmeisters diesseits der Materiequellen musste der Terraner mit einem Besen den Raum ausfegen.

Er verfluchte Braunhauer, doch niemand wagte es, etwas gegen den persönlichen Freund der Teilhaber zu sagen.

»So ein Leben als Abenteurerin ist doch gar nicht so schlecht. Und außerdem scheint dieser Jonathan Andrews ein netter Kerl zu sein nach deinen Schilderungen«, meinte Kathy zu Jezzica Tazum.

Die lächelte nur kurz und stierte auf ihren Kaffee.

»Es ist eben kein Leben für mich. Du musst zu viele Entbehrungen in Kauf nehmen. Ich will auch feiern können, trinken und Spaß haben. Jonathan ist von dem Wunsch besessen Ritter der Tiefe zu werden. Wenn sich der Dickkopf etwas vorgenommen hat, dann zieht er es auch durch. Ich glaube nicht, dass das mit ihm und mir klappen würde.«

»Du solltest es zumindest versuchen«, riet Kathy.

Jezzica schüttelte mit dem Kopf.

»Er hat schon eine andere«, wehrte sie ab. »Und wie ich schon sagte, das wäre nicht mein Leben. Ich muss feiern können. Das gefällt mir. Das Leben ist so kurz. Man muss es in vollen Zügen genießen...«

Kathy gab es auf und sah lieber zu, wie Krizoff von Karl-Adolf Braunhauer durch den Raum gescheucht wurde.

*

Ferby saß zusammen mit Roehk im Büro und ging die Gästeliste durch.

»Sowohl Aurec als auch Nor'Citel haben zugesagt. Damit sind zwei Typen vom Paxus-Rat auf der Reise. Das nenne ich eine fette Bilanz«, meinte Ferby grinsend.

Er glaubte, dass es dadurch noch mehr Rummel um die BAMBUS und seine Person geben würde. Diese Idee war doch besser als der langweilige Drogenhandel, der sowieso nicht mehr sonderlich florierte, denn die wenigsten in Cartwheel waren drogensüchtig.

Jedoch konnte er sein altes Geschäft mit dem Neuen verbinden, denn viele Wesen brauchten auf Partys stimulierende Mittel. Auf diese Weise konnte Ferby einen netten Nebenverdienst einstecken.

Roehk nickte zufrieden.

»Auch Jonathan Andrews – Orbiter von Gal'Arn –, Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Remus und Uthe Scorbit haben sich angemeldet. Das sind schon einige Persönlichkeiten, die bestimmt auch für die Aufmerksamkeit der Presse sorgen werden«, erklärte der Inhaber der BAMBUS stolz.

»Gut, dass dieses stinkende, zeckenzerfressene Vieh Gucky nicht mitgekommen ist. Er ist wohl in der Milchstraße und kehrt erst in wenigen Tagen zurück. Da sind wir schon weg«, sagte Ferby mit voller Abscheu vor dem niedlichen Mausbiber.

Roehk lachte gepresst.

»Dieser Schnüffler hätte uns noch gefehlt«, stimmte er zu und widmete sich danach wieder seiner Arbeit.

»Wir haben auch ein paar Spitzen-DJs eingeladen«, murmelte Ferby.

Irgendwie störte es ihn fast, denn er wollte der größte Star sein. Noch mehr störte es aber DJ Abfallhaufen, denn gegen die Gast-DJs war er ein Weisenknabe. Einmal hatte Abfallhaufen sogar zu Ferby gesagt, er würde aussteigen, doch Khrizan Zhmitt wusste genau, dass damit seine Karriere beendet war.

Er musste sich eben damit abfinden, dass er nicht die Nummer Eins war.

Die Weichen waren gestellt. 5.000 Passagiere aus allen Teilen Cartwheels. Ob Terraner, Arkoniden, Akonen, Springer, Blues, Topsider, Tefroder, Galornen, Zentrifaal, Gurrads, Kartanin, Tefroder, Ertruser, Somer oder Pariczaner – alle wollten auf die BAMBUS, um etwas zu erleben, um sich zu amüsieren und vielleicht das eine oder andere Abenteuer zu erleben.

Sie wollten abschalten und für eine Weile nicht an die drohende Gefahr durch MODROR denken. Sie wollten einfach feiern und ihr Leben genießen.

Ferby wollte ihnen diese Möglichkeit geben. Sie sollten sich hemmungslos der Feier hingeben, vorausgesetzt sie hatten genügend Geld.

Die Party des Jahrhunderts konnte beginnen!

 

17. In den Wäldern Saggittors

Bäume, soweit das Auge reichte. Prächtige Nadelbäume und ebenso beeindruckende Laubbäume erstreckten sich über das hügelige Land.

Aurec genoss dieses grandiose Panorama des neuen Saggittors in Cartwheel. Seit fast einem Jahr schon bot dieser Planet eine neue Heimat für knapp zweieinhalb Milliarden Saggittonen. Die anderen Milliarden Saggittonen, Holpigons, Trötter, Varnider und Multivons waren auf die restlichen zwölf Systeme mit insgesamt 17 bewohnbaren Welten verteilt.

Auf dem neuen Planeten Saggittor sollten neben der Hauptstadt Saggittora und den Städten Doroc, Saggitton und Conceta nur kleine Siedlungen aufgebaut werden. Platz genug hatte man auf der 13.890 Kilometer durchmessenden Welt.

Saggittora war ein Ballungsgebiet mit 400 Millionen Einwohnern, an das die Raumhäfen und Abwehranlagen grenzten.

Die restlichen Bewohner des Planeten waren auf den fünf Kontinenten in einhundert Kleinstädten und Siedlungen verteilt. Sonst gab es nur noch Freizeit- und Erholungszentren sowie medizinische Einrichtungen. Der Rest des Planeten war freie, grüne Natur.

Und gerade dieses Bild genoss der Kanzler der Saggittonen. Vor einigen Wochen hatte Aurec sich eine kleine Hütte in den Bergen eingerichtet. Von dort überblickte er ein großes und bewaldetes Tal.

Irgendwo hinter den Bergen lag Saggittora. Nicht zu weit entfernt, um im Notfall schnell zum Regierungsgebäude zu gelangen, aber auch nicht zu nahe gelegen, damit er wirklich abschalten konnte.

Die Sonne ging langsam unter und spendete ein rotes Licht. Entspannt saß Aurec auf der Veranda in einem Schaukelstuhl und genoss das Szenario. Nur das Zirpen der Grillen und die Laute einiger Tiere erfüllten die Ruhe mit Leben.

Allein die Tatsache, dass er ohne Begleitung hier saß, trübte ihn etwas. Unfreiwillig musste er in diesen Momenten an Shel Norkat und Ulesia denken. Beide waren tot, Shel Norkat vielleicht sogar zweimal gestorben.

Innerlich sehnte er sich jedoch sehr nach der Wärme einer Frau. Doch wie es den Anschein hatte, würde er noch lange darauf verzichten müssen. Aurec hatte nur vor wenigen Dingen Angst. Für ihn stand es außer Frage, sein Leben für andere zu geben, sich in jedes Abenteuer zu stürzen und heldenhaft für Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen.

Das Herz einer Frau zu erobern, war für ihn jedoch ein wesentlich schwierigeres Unterfangen. Außer Shel Norkat und Ulesia hatte es nur sehr wenige Frauen in seinem Leben gegeben. Sicher war der Prinz Saggittors, wie er früher genannt wurde, sehr begehrt, doch er selbst setzte die Maßstäbe hoch.

Jede Frau musste sich darüber im Klaren sein, dass eine Beziehung mit Aurec keine normale sein würde. Er musste für das Wohl seines Volkes und anderer Völker kämpfen. Dazu war er moralisch verpflichtet.

Aurec ermahnte sich, an etwas anderes zu denken. Es gab wichtigere Dinge als seine persönlichen Gefühle.

Seine Gedanken streiften nun um Rodrom. Zwar hatte sich Cartwheel unter Sams und seiner Führung gut entwickelt, woran auch der Marquês von Siniestro einen beträchtlichen Anteil hatte, doch was würde Rodrom als nächstes tun?

DORGON hatte davon gesprochen, dass MODROR der Initiator all diesen Terrors sei. Der Sohn des Chaos Cau Thon sei einer seiner wichtigsten Handlanger. Doch auch Rodrom diente MODROR. Alles, was sie bisher wussten, war der Name. Was genau MODROR darstellte, wusste zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Vermutungen gingen in die Richtung, dass es sich um einen Chaotarchen handelte.

Der Saggittone schüttelte die Gedanken ab. Bei all den Problemen war es verständlich, wenn er sich nach der Wärme einer Frau sehnte, um auf andere Gedanken zu kommen und neue Kraft zu schöpfen.

Dabei fiel ihm etwas ein. Er suchte in seiner Brusttasche nach etwas und wurde auch fündig. Es war eine Einladung zur Party des Jahrhunderts auf dem Disko-Raumschiff BAMBUS.

Aurec lächelte kurz. Das Schiff würde wohl kaum der Platz sein, um eine würdige Gefährtin zu finden, trotzdem wollte er auf andere Gedanken kommen und sich in der Öffentlichkeit blicken lassen. So idyllisch seine Hütte und die Umgebung waren, so beklemmend wirkten sie auch auf ihn, denn er konnte diese romantische Atmosphäre mit niemandem teilen.

Also entschloss er sich, an der Reise teilzunehmen. Es war eine ruhige Zeit. Serakan konnte ebenso die Geschäfte führen.

Schnell stand er auf und begab sich in den Transmitter, der ihn direkt zu seiner Villa in Saggittora brachte.

*

Aurec hatte gerade seine Koffer für die fünftägige Reise gepackt, als ihn Serakan und Nataly Jargon besuchten. Aurec hieß die beiden Gäste willkommen und bot ihnen einen Platz an.

»Was führt euch zu mir?«, erkundigte er sich.

»Ich brauche noch ein paar Instruktionen während deiner Reise«, erklärte Serakan. »Deine Sekretärin Nataly habe ich gleich mitgebracht.«

Aurec verzog kurz das Gesicht, während er noch die letzten Sachen einpackte. »Sekretärin klingt so abwertend. Sie ist meine PR-Managerin und Assistentin.«

Die Terranerin mit linguidischen Vorfahren schmunzelte.

»Außerdem bin ich doch nur fünf Tage weg«, fuhr Aurec fort. »Du kannst also unbesorgt sein und alles so laufen lassen, wie es im Moment ist. Falls es zu unerwarteten Komplikationen kommt, bin ich auch auf der BAMBUS erreichbar.«

Serakan nickte kurz. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl. So als ob er Aurec nie wieder sehen würde. Er musste schon selbst über diesen Irrglauben lachen. Er benahm sich schon wie ein ängstliches Kind.

»Ach, Nataly...«, rief Aurec aus dem Nebenzimmer.

»Ja, Aurec?«

Der Saggittone kam mit einer kleinen Holzschachtel heraus. Daraus konnte Nataly ein leises Wimmern hören.

»Als ich in meinem Waldhaus war, musste ich feststellen, dass meine Hündin Rassori tatsächlich ein paar Welpen geworfen hat. Möchten Sie vielleicht eines der Tiere haben?«

Nataly schaute in den Karton und war sofort von dem kleinen schwarzen Wollknäuel hingerissen. Sie lächelte Aurec an und nickte.

»Es ist ein Weibchen«, erklärte er und gab Nataly Jargon behutsam die Schachtel, die sich für das Geschenk bedankte.

»Wie nennen Sie es?«

Jargon überlegte kurz. Dann sagte sie: »Tessa.«

Aurec sah sie fragend an.

»Das ist linguidisch und bedeutet süß«, erklärte sie.

Aurec grinste.

»Sie sind tessa!«

Nataly musste loslachen und auch Aurec grinste über beide Wangen aufgrund des Kompliments. Nur Serakan stand irgendwie unbeteiligt herum und überlegte, ob er die beiden bei ihrem Flirt nicht alleine lassen sollte.

Doch Aurec war bereits in Aufbruchsstimmung. Er verabschiedete sich von Nataly und seinem Stellvertreter und Freund Serakan.

Der Saggittone blickte Aurec eine Weile hinterher. Das ungute Gefühl hatte er immer noch. Doch er wollte seinen Gefühlen diesmal keinen Glauben schenken.

 

Epilog Entscheidung über Leben und Tod

Leticron saß auf seinem großen Thron und wartete auf die Ankunft des Dscherro Taka Kudon.

In den letzten Stunden hatte der Corun von Paricza viel über die BAMBUS nachgedacht. Er hatte inzwischen eine komplette Gästeliste erhalten und war hoch erfreut, dass einige wichtige Kämpfer Rhodans und Aurecs an Bord waren.

Gal'Arn hatte zwar abgesagt, doch noch immer waren Aurec selbst, Gal'Arns Orbiter und Ritterschüler Jonathan Andrews, Remus und Uthe Scorbit, Mathew Wallace, Lorif und Irwan Dove an Bord.

Sie würden alle – bis auf Aurec – sterben. Warum der Saggittone nun unbedingt dem Meister selbst vorgeführt werden musste, verstand Leticron nicht, doch es war gleichbedeutend mit dem Tod des Saggittonen.

5000 Gäste waren insgesamt an Bord. Hinzu kamen knapp 300 Mitarbeiter. Eine Entführung würde die einzelnen Planetenregierungen in Aufregung versetzen. Da zumeist Jugendliche an Bord waren, würden die Eltern auf die Barrikaden steigen.

Sicher würde sich jeder selbst die Schuld in die Schuhe schieben. Und dann kehrte die BAMBUS wieder zurück. Leticron sollte es dann zu verdanken sein, dass die meisten Wesen lebend zurückgebracht werden konnten.

Nun galt es nur noch die willigen Werkzeuge für diese Entführung zu finden. Das Werkzeug selbst durfte nicht zu intelligent sein und bereit, für Geld alles zu tun.

Leticron lachte als er dies gerade dachte und in demselben Moment Taka Kudon in den Saal herein marschiert kam.

Er war sein Werkzeug.

»Koscha!«, brüllte der dicke Gehörnte und schlug sich auf die Brust.

Leticron erhob kurz die Hand.

»Taka Kudon. Es wird Zeit, dass deine Kämpfer etwas zu tun bekommen. Es wird Zeit zu brandschatzen, zu rauben und zu morden...«

 

ENDE

 

 

Die Party des Jahrhunderts steigt auf der BAMBUS. Doch Leticron hat die Dscherro beauftragt, aus der Feier eine Tragödie werden zu lassen. Mehr darüber schildert Nils Hirseland in Band 40:

»In den Klauen der Dscherro«

 

 

 

 

Kommentar

Politik und so...

Nun ist man also auf der INSEL, hat sich einigermaßen eingelebt, es sich gemütlich gemacht – und schon geht's wieder genauso los, wie es in den heimatlichen Galaxien aufgehört hat.

Natürlich haben sich die beiden momentanen Milchstraßen-Streithähne – Arkoniden und Terraner – schon in der Wolle, da ist vermutlich auch die Wahl des Uwahn Jenmuhs als Vertreter des Kristallimperiums nicht ganz unschuldig daran. Außerdem versuchen Hauris und Pterus, das vorgeschlagene demokratische System durch veraltete, aber ihrer Ansicht nach »bessere« Modelle aus ihrer Geschichte zu ersetzen.

Hinzu kommen dann noch die ganzen alten und neuen Rachepläne – Leticron sinnt auf Rache an Perry Rhodan, Uwahn Jenmuhs will sich an Uthe Scorbit rächen, die Hauris tragen den Terranern die alten Tarkan-Geschichten nach und seit neuestem hegt der Pterus Sargon auch Rachegelüste an den Männern, die er für seine Verhaftung verantwortlich macht – und von denen ihm der erste bereits in die Fänge geraten ist.

Es sieht also ganz danach aus, als hätte DORGON bei all seinen ehrenwerten Plänen und utopischen Ideen doch nicht damit gerechnet, dass es eben nicht vollkommen in der Natur der von ihm »eingeladenen« Völker liegt, gut miteinander auszukommen und friedlich zusammenzuarbeiten... ganz im Gegenteil, das was sich da im Augenblick so alles an Intrigen und Machtkämpfen zusammenbraut, war sicherlich nicht im Sinne des Erfinders.

Oder etwa doch...?

Martin Schuster

 

 

 

GLOSSAR

Wirtschaftssystem in Cartwheel

1295 NGZ wurde vom Paxus-Rat mit einer Mehrheit von 4:1 ein Vorschlag zur Führung und Ausübung der wirtschaftlichen und finanziellen Belange in Cartwheel beschlossen. Der saggittonische-somerische Vorschlag fand hierbei am meisten Anklang.

Dieser besagt, dass den Bürgern von Cartwheel mit einem Grundeinkommen als auch medizinischer Versorgung die Voraussetzungen für ein annehmbares Leben auf der Insel geschaffen wird.

Darüber hinaus kann und sollte auch nach Möglichkeit ein Wesen eine Berufung annehmen, die seiner Qualifikation und Neigung entspricht. Hierfür gelten dann die Gesetze der Sozialen Marktwirtschaft.

Die Gesetzgeber gehen davon aus, dass die Pioniere, die ja freiwillig nach Cartwheel aufgebrochen sind, auch etwas bewerkstelligen möchten und daher gerne und bereitwillig Arbeit annehmen.

Der Ausbeutung wurde der Kampf angesagt. Die Dienste von Lebewesen sind denen von Robotern vorzuziehen. Durch das Grundeinkommen und die medizinische Versorgung sind die Bürger in der komfortablen Position, selbst zu entscheiden, ob sie einen Job annehmen oder sich nach einem anderen umschauen.

Die Wirtschaft kritisierte durchgehend dieses Gesetz und prophezeite das wirtschaftliche Ende Cartwheels innerhalb eines Jahres, obgleich die Anwendung solcher Gesetze ebenso in der LFT und selbst im Kristallimperium seit Jahrhunderten gängig ist. Jedoch hofften Unternehmer darauf, auf der »neuen Welteninsel« alte Unsitten wieder einführen zu können. Allerdings vergeblich.

Werner Niesewitz

Terraner, geboren im Jahre 1921 alter, terranischer Zeitrechnung. Niesewitz ist von kleiner, gebeugter Statur. Er hat weißes Haar. Charakterlich ist der Deutsche schwer einzuschätzen. Er ist einerseits auf seinen Vorteil besonnen, andererseits aber auch patriotisch und war in den 70er und 80er Jahren ein Anhänger der Dritten Macht.

Niesewitz wuchs in der Nähe von Berlin auf und begeisterte sich für das Dritte Reich und das Militär. Er diente bereits im Polenfeldzug und gehörte zu den Aufklärern im Unternehmen Barbarossa. Nach dem Einsatz an der Ostfront wurde Niesewitz nach Frankreich versetzt, wo er bis Kriegsende in einer Hafenfestung stationiert war. Er geriet in französische Gefangenschaft. Nachdem er wieder ein freier Mann war, kehrte er nach Deutschland zurück. In den 50er Jahren floh Niesewitz aus der DDR und zog nach Hamburg.

Dort arbeitete er als Prokurist bei einem bekannten Stahlwerk. Er heiratete Anfang der 60er Jahre. Damals traf er auch seinen alten Kriegskameraden und Cousin Reinhard Katschmarek wieder, der inzwischen reicher Bauunternehmer war.

In den 70er Jahren setzte sich Niesewitz für die Dritte Macht ein. So lieferte sein Unternehmen schon recht früh Material in die Wüste Gobi. Katschmarek konnte sich als Bauherr profilieren.

Im Jahre 1984 wurde Niesewitz zusammen mit Katschmarek und dem ehemaligen Wehrmachts- und Bundeswehrhauptmann Wieber von den Casaro entführt. Es passierte während eines rauschenden Festes mit reichlich Bier. So bemerkten sie zuerst die Entführung gar nicht.

Die drei Terraner aus dem 20. Jahrhundert wurden fast 3.000 Jahre in einem Stasefeld gehalten, in dem die Zeit langsamer verlief. Sie wurden zu Forschungszwecken beobachtet.

Als die VIVIER BONTAINER im Jahre 1290 NGZ den Ausbruch aus der Raumzeitfalte der Casaro wagte und diese zerstörte, wurde Niesewitz zusammen mit anderen Studienobjekten, darunter Don Philippe de la Siniestro, Katschmarek und Wieber auf ein Raumschiff gebracht, welches der Raumzeitfalte entkam.

Später wurde das Raumschiff entdeckt. Niesewitz wurde aus der Stase erweckt und schlitterte in das nächste Abenteuer. Er schloss sich der TERSAL an.

Auf dem Planeten Zerachon tötete Niesewitz zusammen mit Katschmarek den Zwerg Gwendo, nachdem dieser Wieber umgebracht hatte. Niesewitz und sein Cousin sammelten etwas Reichtum an.

1294 NGZ kehrte er auf der TERSAL zurück nach Terra. Dort schloss er sich wenig später zusammen mit Katschmarek dem Ruf DORGONs an und sah in Cartwheel neue Chancen.

Ende 1295 NGZ kaufte er auf Anraten des Kaufmannes Peter Roehk die BAMBUS.

Reinhard Katschmarek

Terraner, geboren 1932 in Berlin. Katschmarek ist von schlichter Natur. Als reicher Bauunternehmer frönte er dem Genuss von Alkohol und trauerte seiner Kindheit hinterher. Katschmarek wuchs während des Dritten Reiches auf. Diese Zeit prägte seine Ideologie.

Katschmarek diente mit Eifer in der Hitlerjugend. Bis zum Kriegsende war er ab 1945 im Volkssturm eingesetzt. Er wurde früh während der Schlacht um Berlin gefangen genommen und hatte Glück, dass sein Aufseher ihn noch als Kind betrachtete und nach dem Fall von Berlin wieder laufen ließ.

Katschmarek machte eine Ausbildung als Maurer und stieg in den 60er Jahren als Selbständiger in die Baubranche ein. Er fand ein paar Gönner und verdiente gut. In den 70er Jahren verdiente er noch mehr, da er – auf Anraten seines Cousins Werner Niesewitz – beim Bau von Terrania half.

1984 war Katschmarek ein gemachter Mann. Da wurde er zusammen mit Niesewitz und ihrem Freund Eberhard Wieber entführt. Fast 3.000 Jahre lang war Katschmarek Forschungsobjekt der Casaro und wurde in Stase gehalten. Während der Vernichtung der Forschungsbasis in der Raumzeitfalte wurden er und andere evakuiert.

Später wurde Katschmarek zusammen mit Niesewitz, Wieber und de la Siniestro befreit. Sie schlossen sich der TERSAL an.

Zusammen mit Niesewitz tötete Katschmarek den Zwerg Gwendo.

1294 kehrte er nach Terra zurück und schloss sich mit Niesewitz der Cartwheel-Bewegung 1295 NGZ an.

Kathy Scolar

Terranerin, geboren am 15. April 1271. Groß gewachsen, schlank, bildhübsch, brünettes Haar, braune Augen, ein herzliches Lächeln.

Sie ist klug, aber schüchtern und planlos im Leben. Sie will ihre Jugend genießen und ist Rauschmitteln nicht abgeneigt. Zwar ist Kathy innerlich durchaus offen für kosmische Abenteuer, doch sie befindet sich im Zwiespalt und es fehlt ihr an der nötigen Entschlossenheit.

Katherina Scolar wuchs in Terrania City auf. Sie eiferte ihrer älteren Schwester Kabynia, genannt Bienya, nach und geriet so trotz guter Schulnoten und Abschlüsse früh auf eine eher degenerierte Bahn. Sie hing mit ihren Kumpels ab, trank viel, nahm Drogen und genoss die Jugend.

Sie hätte durchaus zur Raumakademie gehen können, doch Kathy absolvierte eine medizinische Ausbildung und fing bei einem Arzt als Sprechstundenhilfe an. Nebenbei jobbte sie im ARAKO, einer Discothek.

1295 NGZ zieht Kathy zusammen mit ihrer Schwester Bienya und einigen Freunden nach Cartwheel. Dort hat sie jedoch Probleme, einen Job in ihrem Beruf zu finden, aber so rechte Lust hat sie auch nicht. So heuert Kathy als Tresenkraft bei Reikos Raumwolf an – natürlich zusammen mit ihrer Schwester.

Anfang 1296 NGZ wird Kathy für die BAMBUS als Servicebedienung rekrutiert.

Steckbrief

Geboren: 15. April 1271 NGZ

Geburtsort: Terrania City

Rasse: Terranerin

Größe: ca. 1,72 Meter

Gewicht: ca. 55 Kilogramm

Augenfarbe: grünbraun

Haarfarbe: schwarzbraun


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 39, veröffentlicht am 25.09.2015 —

Titelillustration: Roland WolfLektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel