Band 36
Cartwheel-Zyklus
Der SONNENHAMMER zeigt seine apokalyptische Macht
Thomas Rabenstein & Nils Hirseland
Was bisher geschah Wir schreiben Anfang des Jahres 1295 NGZ. In der Lokalen Gruppe folgen Milliarden Wesen dem Ruf der Entität DORGON und besiedeln die 500 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Cartwheel, um eine Bastion gegen die Armeen der finsteren Entität MODROR zu errichten. Währenddessen gehen in Saggittor unheimliche Dinge vor. Nicht nur, dass sich der charismatische saggittonische Kanzler Aurec in einer schlechten Verfassung befindet, die alte Barriere im Zentrum der Galaxis wird reaktiviert. Rodrom ist zurückgekehrt. Derweil wird Aurec von Geistern der Vergangenheit heimgesucht und seines Postens vorerst enthoben. Sato Ambush hat Saggittor erreicht und will SAGGITTORA helfen. Doch Rodrom will eine neue, furchtbare Waffe einsetzen. Es kommt zur FLUCHT AUS SAGGITTOR… |
Hauptpersonen Aurec – Der Prinz Saggittors befindet sich in einer Krise. Serakan – Aurecs Freund und Vertrauter. Perus – Ein gefährlicher Senator greift nach der Macht. Utzmuk – Der Holpigon will SAGGITTORA helfen. Serakan – Aurecs Freund in einer schweren Stunde. Sato Ambush – Er warnt vor der Gefahr. |
Buzzon starrte mit aufgerissenen Augen auf seinen Vater, der seit vier Jahren als verschollen galt und plötzlich vor ihm in der Küche saß!
Der Saggittone hatte bereits die Warnungen der Nachrichtensender gehört, ihnen aber keinen Glauben geschenkt.
Umso mehr war der junge Saggittone jetzt sprachlos und geschockt.
Buzzon starrte seinen Vater mit großen Augen an und zuckte merklich zusammen, als ihn sein Gegenüber auch noch ansprach.
»Was ist mit dir, Sohn?«
Buzzon musste sich setzen.
Er streckte die Hand aus und wollte seinen Vater berühren, dieser wich aber zurück.
»Vater? Du lebst?«
Der Angesprochene sah unsicher aus.
»Ich lebe? Ich weiß es nicht, mein Sohn. Seltsam, ich weiß es wirklich nicht. Das letzte, an das ich mich erinnern kann, ist die Explosion unseres Schiffes. Dann sah ich ein Licht...«
Buzzon sprang auf.
»Das gibt es nicht! Bin ich jetzt auch einer Massenhalluzination erlegen?«
Buzzons Vater wirkte leicht verärgert.
»Sohn, hör mir jetzt zu! Es wird etwas Furchtbares geschehen. Du musst auf der Hut sein! Rette dich und verlasse den Planeten, verlasse die Galaxis!«
Buzzon sah ungläubig zu seinem verstorbenen Vater hinüber.
»Wie bitte? Was erzählst du mir da? Ich kann den Planeten nicht einfach verlassen, geschweige denn die Galaxis!«
Buzzon glaubte plötzlich zu erkennen, dass sich der Körper seines Vaters langsam aufzulösen begann.
Er hörte noch einmal seine Stimme, die wie aus weiter Ferne klang: »Dann bist du verloren, mein Sohn...«
Danach war nichts mehr. Buzzon war wieder allein.
Mit aufgerissenen Augen starrte der Saggittone auf die Stelle, an der soeben sein verstorbener Vater erschienen war.
»Das ist Wahnsinn!«
Waskoch stand hoch aufgerichtet vor Perus und erstattete seinen Bericht.
»Serakan ist nicht aufzufinden. Wir vermuten, dass er sich momentan nicht auf Saggitton aufhält.«
Perus spielte sichtlich nervös mit einem Laser-Schreibgerät.
»Ihre Leute sind unfähig, Waskoch! Er ist wahrscheinlich untergetaucht.«
Waskoch schüttelte energisch den Kopf.
»Wir vermuten, dass er an Bord eines Schiffes namens ZESSEL den Planeten verlassen hat.«
Perus fuhr hoch.
»Mit welchem Ziel?«
Waskoch runzelte die Stirn.
»Dass wissen wir leider nicht. Wir glauben aber, dass ein Holpigon namens Utzmuk bei ihm ist.«
Perus verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
»Ein Holpigon? ... Was ist mit Aurec?«
Der Kommandant der SAGRITON wirkte unbewegt, als er antwortete:
»Aurec befindet sich in seinem Haus. Keine Besuche, keine Trivid-Verbindungen. Er hat sich quasi selbst isoliert.«
Waskoch machte eine kurze Pause und räusperte sich, worauf Perus ihn unhöflich drängte.
»Was gibt es noch?«
Waskoch senkte etwas den Blick.
»Was die seltsamen Erscheinungen betrifft, die unseren Planeten heimsuchen...«
Perus sah interessiert auf. »Ja?«
Waskoch war dieses Thema offensichtlich unangenehm.
»...sind wir keinen Schritt weiter gekommen. Meine Leute stehen vor einem Rätsel. Die Bevölkerung wird immer unruhiger und es kommt stellenweise zu Ausschreitungen. Man beginnt, die Regierung für die Erscheinungen verantwortlich zu machen.«
Perus sah Waskoch scharf an.
»Dann unterbinden Sie solche Zusammenrottungen! Verhängen Sie eine Ausgangssperre, greifen Sie durch und treiben Sie den Pöbel und die Aufrührer auseinander. Noch besser, ziehen Sie die Anführer aus dem Verkehr!«
»Das ist undemokratisch, Kanzler.«
»Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Das müssen Sie noch lernen, wenn Sie einmal mehr als nur ein Raumschiffkommandant sein wollen«, rügte der neue saggittonische Interimskanzler.
Waskoch zuckte mit den Schultern.
»Dies erfordert eine strengere Gesetzgebung und erweiterte Vollmachten für mich. Gebt mir die Möglichkeit die Leute von der Straße zu holen und ich garantiere Euch, dass bald wieder Ruhe einkehrt.«
Perus sah Waskoch nachdenklich an.
»Also gut, ich erteile Euch die absolute Befehlsgewalt und die Autorität, über eine Stadt oder Region den Ausnahmezustand auszurufen. Tun Sie, was zu tun ist, aber handeln Sie schnell. Ich will, dass innerhalb eines Tages wieder Ruhe einkehrt.«
Waskoch salutierte und verließ ohne ein weiteres Wort den Besprechungsraum.
Die Anspannung in der Zentrale der ZESSEL stieg merklich an, als der Schiffskonvoi etwa zwei Lichtminuten vor den Grenzen der Barriere halt machte.
Mulvok ließ das Schiff dichter aufschließen und wurde so Bestandteil der lockeren Formation.
Ich sah mir die Daten der fremden Schiffe genauer an, aber keine der Bauformen war mir geläufig.
In unserer Galaxis machten sich Kräfte breit, die unser Schicksal beeinflussten und nicht aus Saggittor stammten. Das missfiel mir immer mehr.
Eines der fremden Schiffe passierte uns in nur 2.000 Metern Abstand.
Ich zuckte zusammen.
»Wenn dort drüben jetzt jemand aus dem Fenster sieht...«
Ich ließ den Satz im Raum stehen.
»Dann sieht er nur die Sterne«, vollendete der Trötter.
»Ich sagte euch doch schon, der Ortungsschutz ist perfekt! Wäre er das, wenn man uns visuell wahrnehmen könnte?«
Ich lächelte und lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Barriere, die vor uns wie eine gigantische Wand aufwuchs.
Die Schiffe des Konvois blieben vorerst auf Warteposition.
Mulvok hob die SERT-Haube einen Moment lang ab und rieb sich die Ohren.
Dann gab er einen akustischen Befehl.
»Syntron! Laufende, akustische Statusinformation!«
Mulvok erhob sich kurz von seinem Kontursessel.
»Das kann jetzt etwas dauern. Manchmal erfolgt erst nach einigen Stunden eine Reaktion der Wächter. Ich bin aber sicher, dass man die kleine Flotte über einen Korridor durch die Barriere einschleusen wird. Dass ist dann unsere Chance.«
Ich nickte versonnen.
Ohne die ZESSEL wären wir niemals so weit gekommen.
Wir hatten uns ein paar Stunden Ruhe gegönnt, danach fühlte ich mich wieder kräftig und gestärkt.
Mein Körper hatte den kurzen aber tiefen Schlaf dankbar angenommen.
Sato Ambush saß meditierend in seinem Kontursessel und der Holpigon war für eine Weile in Starre verfallen.
Jeder erholte sich auf seine Weise.
Nur Mulvok verbrachte die ganze Zeit über vor den Holos und beobachtete das Geschehen außerhalb des Schiffes.
Nach einer endlos lang erscheinenden Zeit brachten uns Mulvoks Rufe in die Wirklichkeit zurück und wir wurden Zeuge eines unglaublichen Schauspiels.
Der Trötter kommentierte das Ganze auf seine eigene, trockene Art.
»Das Fest beginnt! Schnallt euch an!«
Ich sah staunend zu, wie sich an einem Punkt der Barriere ein rotglühender Ring bildete, der sich langsam vergrößerte und leuchtende Energieentladungen von den Rändern radial in alle Richtungen schleuderte.
»Eine Strukturöffnung entsteht!«
Der Trötter sprach meine eigenen Gedanken aus.
Das war es, worauf wir die ganze Zeit gewartet hatten!
Als die Öffnung in der Barriere gerade mal 600 Meter Durchmesser aufwies, begann sie fremde Objekte auszuspeien.
In dichter Folge kamen zehn schwere Kampfschiffe aus der Strukturöffnung, kurz darauf zog sich der Feuerring wieder zusammen.
Fasziniert sah ich mir die bulligen Schiffe etwas genauer an.
Die schweren Konstruktionen sahen gefährlich aus und verfügten mit Sicherheit über einen hohen Offensivwert.
Die dunklen, fast schwarzen Walzenraumer besaßen eine zerklüftete und vernarbte Oberfläche.
Antennen und Geschützöffnungen waren über die porige Oberfläche verteilt und jedes Schiff maß 500 Meter in der Länge sowie 100 Meter im Durchmesser.
Kein Zweifel, jedes dieser Schiffe war der ZESSEL tausendfach überlegen.
Unsere einzige Chance zu überleben war die Tarnungsvorrichtung.
Ich konnte nur hoffen, dass uns die Technik des Schiffes nicht im Stich ließ.
»Was passiert jetzt?«, fragte der Holpigon ängstlich.
»Sie beginnen mit der Einflugkontrolle«, antwortete der Trötter leise.
Nur autorisierte Schiffe werden für den Korridor freigegeben.
Die schwarzen Kampfraumer postierten sich um die angekommene Flotte und überschütteten die Schiffe mit einer Serie von aktiven und passiven Tasterstrahlen.
In manchen Fällen erkannten wir kleine Zubringerschiffe, die sich zwischen den Kampfraumern und den Versorgungseinheiten hin und her bewegten.
»Inspektoren«, kommentierte Mulvok leise.
Nach einer scheinbar endlos langen Wartezeit öffnete sich der Feuerring erneut und gab einen Einflugkorridor frei.
Die schwarzen Kampfraumer schirmten sofort den Raum »hinter« der kleinen Flotte ab, so dass niemand den Schiffen folgen konnte.
Mulvok hatte weise gehandelt, sich zuvor unter die fremden Schiffe zu mischen.
Der Konvoi nahm Fahrt auf und setzte Kurs auf die Strukturöffnung.
Der Trötter hatte längst die SERT-Haube aufgesetzt und beschleunigte ebenfalls.
Immer schneller schoss die ZESSEL auf die Öffnung zu.
Ich schüttelte den Kopf.
»So einfach kann es nicht sein!«
Ambush legte seine Hand auf meine Schulter.
»Meist sind es die einfachen Aktionen, die zum Erfolg führen.«
Ich nickte stumm und sah, wie um uns herum die Wände des Korridors in dunklem Rot glühten.
Nach einigen Minuten hatten wir den Korridor passiert und die Sterne des Zentrums leuchteten hell und klar.
Unglaublich! Wir hatten es tatsächlich geschafft!
Mulvok verankerte die Koordinaten des Durchgangs im Bordrechner und setzte sich langsam von der Versorgungsflotte ab.
Dann ließ er sein Schiff driften und seine Taster begannen mit ihrer hektischen Tätigkeit und sammelten Daten.
Steuerbord voraus schwebte eine jener Stationen im Raum, von denen Mulvok berichtet hatte und die für die Energieversorgung und Aufrechterhaltung der BARRIERE zuständig waren.
Ich besah mir staunend die zwei leuchtendweißen Energiebögen, mit denen die Projektoren und Speicherbänke ihren Energiebedarf aus einer nahen, blauen Sonne zapften.
Der Zapfstrahl war so hell, dass man Filter vorschalten musste, um nicht geblendet zu werden. Außerdem waren rot leuchtende Trichter sichtbar, die wahrscheinlich von Hypertropzapfern oder ähnlichen Geräten stammten und zusätzliche Energie aus dem Hyperraum für die Versorgung der Station lieferten.
Mir war klar, dass der Energiebedarf für die Barriere unglaublich hoch sein musste, doch was sich meinen Augen darbot, übertraf selbst meine kühnsten Vorstellungen.
In meinen Gedanken formte sich ein verwegener Plan.
Was wäre, wenn wir die Barriere durchdringen und mit saggittonischen Kampfschiffen die Plattformen angreifen?
Musste mit ihrer Vernichtung nicht konsequenterweise auch die Barriere fallen?
Ich revidierte meine Gedanken einige Sekunden später, als ich auf die schwer bewaffnete Flotte aufmerksam wurde, die im Ortungsschatten des blauen Riesensterns tief gestaffelt im Raum stand.
Allein diese Wachflotte war enorm schlagkräftig. Das waren nicht die Diskusraumschiffe der Kjollen. Das waren andere Raumschiffe. Unter ihnen schwebten wahre Giganten des Alls mit einem Durchmesser, welcher an die SAGRITON durchaus heran reichte.
Mein Hals wurde trocken als mir klar wurde, wie mächtig dieser Gegner war.
Und wir sahen nur eine von insgesamt acht Stationen! Wo kamen all diese Raumschiffe nur her? Mir wurde schlagartig bewusst, dass die Kjollen einst nur ein niederes Hilfsvolk dieses Rodroms gewesen sein müssen. Die wahre Macht sah ich vielleicht hier und jetzt. Raumschiffe aus einer fremden Galaxie, die mitten in Saggittor sich offenbar auf einen großen Krieg vorbereiteten.
»Was geht hier vor?«, flüsterte ich leise.
Mulvok drehte seinen Kopf in meine Richtung.
»Ich weiß es nicht, aber das ist noch gar nichts! Sieh' dir die neusten Ortungsergebnisse an!«
Ich sah ungläubig auf das Display des Energieorters.
Mulvok hechelte hektisch.
Ein Zeichen dafür, dass dem Trötter der Schweiß ausbrach.
Wenn ich die Zahlen richtig ablas, dann ballten sich Hunderttausende von Raumschiffen nahe dem Zentrums-Black-Hole.
Versorgungseinheiten flogen diese Koordinaten aus allen Richtungen an und lieferten einen kontinuierlichen Strom an Versorgungsgütern. Aus dem Sternenportal unweit des Zentrums-Black-Hole kamen weitere Walzenraumer. Offenbar beherrschten sie die Technologie der Sternenportale, denn sie hatten den Zugang vom zweiten Portal in Saggittor blockiert. Das Portal selbst funktionierte tadellos.
Mir lief es eiskalt den Rücken herunter.
Etwas Unglaubliches spielte sich hier ab!
Etwas, was sich bisher unseren Augen und selbst jetzt, wo wir es sahen, unserer Vorstellung entzog.
Mulvok knurrte drohend.
»Sie bauen an etwas!«
Der Holpigon zitterte am ganzen Körper.
»Aber was in SAGGITTORAs Namen braucht so viel Material und Energie?«
Ich schüttelte den Kopf und hatte keine Antwort.
Die ganze Zeit über hatten wir nicht auf Ambush geachtet, jetzt wurden wir durch sein Stöhnen aufmerksam.
Sato hatte sich in seinem Kontursessel zusammengekauert und schien mentalen Kontakt zu haben.
Feine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und der Atem des Terraners ging flach.
Ambush öffnete die Augen einen Spalt und flüsterte: »SAGGITTORA! Ich empfange ihre psionische Ausstrahlung.«
Der Holpigon war wie vom Blitz getroffen und fuhr seine Fühler so weit wie möglich aus, um Satos Worte zu verstehen.
»Du spürst die Gegenwart der Göttin?«, zirpte Utzmuk in höchsten Tönen.
Die Stimme des Priesters schien sich zu überschlagen.
Sato winkte schwach ab.
»Ja, ich spüre die Superintelligenz. Sie ist hier, innerhalb der Barriere!«
Ich fasste Sato sanft an den Schultern.
»Wo ist sie? Wohin müssen wir fliegen?«
Satos Augen flatterten leicht.
Dann gab er Mulvok einige Anweisungen.
»Nimm' Kurs auf den Zeptonis-Sternencluster!«
Mulvok knurrte bestätigend und aktivierte den Antrieb.
Die ZESSEL begann zu beschleunigen.
Der Kurs führte weg vom Zentrum, hinüber zur anderen Seite der Barriere.
Der Zeptonis-Cluster, ein offener Sternenhaufen mit durchweg alten, betagten Sonnen, war etwa 140 Lichtjahre vom Zentrum entfernt.
Zwanzig Sterne waren dem Cluster zuzurechnen, die durchschnittlich nur ein Lichtjahr voneinander entfernt waren.
Normalerweise galten solche Cluster als wenig vielversprechend für das Vorhandensein von warmen Sauerstoffwelten und wurden daher von Siedlungsprojekten oft gar nicht erst berücksichtigt.
Doch wir verließen uns in diesem Fall ganz auf die Informationen von Ambush.
Als wir in den Cluster eindrangen, wurden erste Daten auf die Holo-Projektion der Zentrale überspielt:
Zeptonis-Alpha, roter Zwerg mit zwei Planeten, beide Gasriesen und ohne Leben. Zeptonis-Beta, ebenfalls eine kleine, rote Sonne, mit einem Planeten von der Größe Saggittors, jedoch zu weit vom Zentralstern entfernt und mit Oberflächentemperaturen von Minus 140 Grad ein absolut unattraktiver Ort.
Ich begann mich zu fragen, was für eine Welt sich eine Superintelligenz als Residenz aussuchen mochte.
Ich entsann mich Berichten über die Superintelligenz ES, dem Hüter der Galaxis der Terraner.
Diese Superintelligenz hatte sich auf einem Kunstplaneten niedergelassen und es immer verstanden sich ungebetenen Besuchern zu entziehen.
Sato gab uns ein Zeichen.
Noch hatten wir nicht das richtige System erreicht.
Wir flogen weiter an planetenlosen Sonnen und eisigen Welten vorbei, von denen keine Leben trug.
Der Raum zwischen den Sonnen des Clusters war mit rot leuchtenden Plasmawolken durchsetzt.
Mit Sicherheit ein wunderbarer Anblick, doch wir hatten im Moment keine Augen für die Schönheit des Kosmos.
Zeptonis-Gamma, roter Zwergstern, fünf Planeten, davon zwei in Sonnennähe und drei Gasriesen auf einer weiten Umlaufbahn.
Ich wollte bereits das Zeichen zum Weiterflug geben, als mir Ambush ins Wort fiel.
»Nein! Ich spüre eine starke psionische Ausstrahlung! Wir sind am Ziel!«
Ich sah fragend zu Mulvok hinüber.
Der Trötter las die Anzeigen ab.
»Der zweite Planet hat einen Durchmesser von 13.000 Kilometer und einer Oberflächengravitation von 1,15 g. Wäre bestimmt ein schöner Ort, wenn die Sonne nicht so kalt wäre. Auf dem Planeten herrschen eisige Orkanwinde mit über 200 km/h vor. Kein schöner Platz zum Landen.«
Ich fragte unbeirrt:
»Sauerstoffatmosphäre?«
Mulvok schüttelte den Kopf.
»90% Kohlendioxid, 8% Stickstoff und Spuren von Edelgasen. Wir brauchen einen Schutzanzug um da unten spazieren zu gehen!«
Ich sah Mulvok förmlich an, dass sich all seine Haare gegen einen Ausflug auf dem Planeten sträubten.
Ambush lächelte versonnen.
»Das ist der richtige Planet! Ich spüre SAGGITTORA. Sie ist schwach, aber sie ist dort!«
»Zeptonis-Gamma-2«, ich rieb mir nachdenklich das Kinn.
»Aber warum eine so ungastliche Welt?«
Ambush schloss kurz die Augen, dann sagte er leise:
»Es ist nicht alles wie es scheint.«
Ich zuckte kurz zusammen, dann befahl ich.
»Landevorgang einleiten!«
Der Trötter knurrte mürrisch, steuerte aber die ZESSEL in einen Orbit und schließlich in eine Kreisbahn, die uns Stück für Stück näher an die Oberfläche brachte.
Als wir die äußeren Schichten der Atmosphäre durchstießen, ging ein leichter Ruck durch das Schiff.
Mulvok fuhr herum.
»Was war das?«
Ich hatte keine Antwort, stattdessen sah ich Utzmuk, der mit seinen lang ausgefahrenen Stielaugen auf die Bildschirme starrte.
»Seht!«
Ich traute meinen Augen nicht!
Die Werte der Taster hatten sich grundlegend verändert!
Mulvok las aufgeregt die Daten herunter:
»Oberflächentemperatur 30 Grad! Üppige Flora! Kleine Meere!« Und zuletzt: »Sauerstoffatmosphäre!«
Sato lächelte zufrieden.
Ich sah zu meinem alten Freund hinüber.
Ich hätte es mir denken können!
Natürlich würde SAGGITTORA kein Leuchtfeuer entfachen und jedem, der zufällig die Bahn ihres Planeten kreuzt, verkünden: Hier ist meine Residenz!
Superintelligenzen waren rätselhafte Wesen, die Wert auf eine zurückgezogene Lebensweise legten.
Sie agierten aus dem Hintergrund, bestimmten das Schicksal ganzer Völker und Galaxien, öffneten sich aber nur wenigen Besuchern.
Die ZESSEL hatte wohl eine Art Tarnschirm durchstoßen.
Nun war der Blick frei auf die wahre Natur des Planeten.
Wenn ich innerlich aufgewühlt war, dann war der Holpigon total aus dem Häuschen.
Utzmuk bewegte sich aufgeregt durch die Zentrale und konnte seine Stielaugen nicht von den Bildschirmen wenden.
»Wann landen wir endlich! Bring das Schiff runter!«
Mulvok aktivierte ein zweites Hologramm und deutete auf einen Koordinatenpunkt.
»Hier liegt eine starke psionische Quelle nahe dem Äquator. Genau im Zentrum des kleinen Kontinents.«
Utzmuk hatte Mühe ruhig zu bleiben.
»Das ist die Göttliche! Bring uns runter, schnell!«
Ich packte Utzmuk an einem seiner Fühler, der mir sofort aus der Hand glitt, als der Holpigon ihn erschrocken einzog.
»Utzmuk, nimm dich zusammen. Wir sind alle aufgeregt. Las uns die Landung vorbereiten und verhalte dich ruhig. Wir müssen noch immer auf der Hut sein und erst herausfinden, ob wir überhaupt willkommen sind. SAGGITTORA hat uns schließlich nicht eingeladen.«
Ambush zog die Augenbrauen in die Höhe.
»Indirekt hat sie es doch.«
Ich sah dem Terraner in die Augen und verstand, dass er in mentalem Kontakt zu SAGGITTORA stand.
»Es ist gut, wir können landen wo es uns beliebt.«
Ich gab Mulvok eine entsprechende Anweisung.
Wir waren auf einer weiten Lichtung gelandet.
Die hohen Bäume warfen skurrile Schatten über das niedrige Gras.
Der Himmel war in tiefes Rot getaucht, dominiert von der alten, sterbenden Sonne.
Ein düsterer und gleichzeitig faszinierender Ort.
Feiner Nebel hatte sich gebildet und hüllte die Umgebung ein.
Ich fühlte mich wie in der Sagenwelt eines Märchenromans, doch diese Umgebung war real!
Aus dem Nebel tauchten immer häufiger schemenhafte Erscheinungen auf, die sich manifestierten und kurz darauf wieder auflösten.
Ich spürte die ganze Zeit über einen mentalen Druck, der sich auf mein Gehirn gelegt hatte – ohne jedoch meine eigenen Gedanken zu unterdrücken.
Es war mehr ein vorsichtiges Tasten und Sondieren.
Mulvok war im Schiff geblieben und hielt die Triebwerke startbereit, um für alle Fälle gewappnet zu sein.
»Das sind Bewusstseinskomponenten SAGGITTORAs«, flüsterte Ambush kaum hörbar.
»Die Superintelligenz ist zu schwach, um sie im Kollektiv zu halten. Sie brechen aus und manifestieren sich teilweise auf unserer Existenzebene.«
Ich nickte kaum merklich und flüsterte:
»Saggitton! Die seltsamen Erscheinungen auf unserem Planeten! Sind das also Konzepte der Superintelligenz?«
Ambush nickte.
Der Holpigon stand neben uns und wirkte wie in Trance.
Er hatte einen leisen Dankesgesang angestimmt.
Für den Priester und Wissenschaftler war es das größte Glück seines Lebens, über den Planeten seiner Göttin zu wandern.
Ich sah mich um und bemerkte immer neue Konzepte, die geisterhaft durch den Nebel zogen.
»Und was geschieht jetzt?«, fragte ich leise.
Sato schloss andächtig die Augen.
»Jetzt? ... Jetzt wird sie sich uns offenbaren.«
Ich sah mich um.
Der Nebel wurde dichter und ballte sich zu einer leuchtenden Energiesphäre zusammen.
Der mentale Druck ließ etwas nach, im gleichen Maß nahm die Energiesphäre an Leuchtkraft zu.
Der Holpigon senkte ehrfurchtsvoll den Kopf und zog alle Fühler ein.
Wahrscheinlich eine Art Gebetshaltung.
»Ist das SAGGITTORA?«, fragte ich leise an Ambush gewandt.
Ambush sah mich an, wirkte aber trotzdem abwesend.
»Der ganze Planet ist SAGGITTORA. Die Superintelligenz möchte sich aber in einer Gestalt zeigen, um mit uns zu kommunizieren.«
Fasziniert betrachtete ich die schillernde Energieblase, dann glaubte ich eine mentale, weibliche Stimme zu vernehmen.
Erst fern, dann immer deutlicher.
Sie rief nach Ambush!
Ich erkenne dich, Terraner. Wir sind uns schon einmal begegnet.
Der Holpigon begann einen seltsamen Tanz, bei dem er den Oberkörper hin und her pendeln ließ.
Wahrscheinlich hörten wir in diesem Augenblick alle SAGGITTORAs Stimme in unseren Köpfen sprechen und Utzmuk befand sich bereits in religiöser Verzückung.
Sato Ambush öffnete die Augen.
Du bist schwach, ich spüre es. Was ist geschehen? Die mentale Stimme klang traurig.
»Ich benötige dringend Hilfe, aber ihr könnt sie mir nicht geben. Ich bin geschwächt und werde mich nicht mehr regenerieren.«
Der Holpigon erwachte schlagartig aus seiner Starre und bewegte sich auf die Energieblase zu.
Alle Extrapodien, Augen und Fühler waren ausgefahren und der Superintelligenz entgegengestreckt.
»Warum hast du dich nicht früher gemeldet? Warum hast du keinen Kontakt zu uns gesucht?«
Die Worte des Holpigon kamen flehend.
Ein langer, mentaler Seufzer war zu vernehmen und Unruhe kam in die geisterhaften Erscheinungen, welche die Energiesphäre umringten.
Dann vernahmen wir alle die Geschichte der Superintelligenz, die einer Traumsequenz gleich, in unseren Köpfen ablief.
Begleitet wurden die Bilder von einer sanften Stimme:
Vor vielen Millionen Jahren war ich ein Wanderer des Alls.
Ich durchstreifte das Universum und sah Wunder, von denen ihr normalsterblichen Wesen nicht einmal zu träumen wagt.
Ich besuchte viele Galaxien und sah Völker entstehen und vergehen.
Ich machte einen Reifeprozess durch, der viele Millionen Jahre dauerte, dann fühlte ich die Zeit gekommen mich sesshaft zu machen und eine Mächtigkeitsballung zu gründen.
Vor meinem geistigen Auge sah ich Bilder unbekannter Galaxien an mir vorbeiziehen.
Ich durchflog phantastische Dunkelnebel und sah den Leerraum zwischen den Galaxien.
Ich wanderte über die Oberfläche eines Pulsars und verharrte im Mahlstrom zwischen zwei kollidierten Galaxien.
Dann näherte ich mich Saggittor, meiner eigenen Galaxis, welche die Terraner mit M 64 bezeichneten.
Ein Seitenblick auf Sato und dem Holpigon zeigte mir, dass die beiden dasselbe wahrnahmen wie ich.
Die mental übermittelten Bilder waren so phantastisch und realistisch, dass meine Augen aus Ehrfurcht vor der Schönheit des Universums feucht wurden.
Ich sah die Schöpfung durch die Augen einer Superintelligenz.
Dann hörte ich wieder die Stimme:
Meine Wahl fiel auf diese Galaxis, die ihr Sterblichen heute Saggittor nennt.
Das ist bereits vor vielen Millionen Jahren geschehen und seither verfolgte ich die Entwicklung meiner Schutzbefohlenen Völker mit großem Interesse.
Die erste Zivilisation die ich zu meinem Hilfsvolk wählte, waren die Horworren.
Die Horworren bauten eine mächtige Zivilisation auf und machten die Galaxis zu einem Ort des Friedens und der Ordnung.
Ich war tief beeindruckt. Lange vor den Saggittonen hatte es eine Hochkultur gegeben, welche die Galaxis befriedet und geeint hatte.
Viele Jahrhunderte lenkten die Horworren die Geschicke der Galaxis und führten sie zu einem nicht enden wollenden Aufschwung, dann geschah die Katastrophe.
Aus dem Nichts und ohne Vorwarnung erschienen die Streitkräfte des Chaos. Obwohl sich die Horworren den Angreifern tapfer entgegen stellten, wurden sie restlos vernichtet.
Eine emotionelle Welle der Trauer brach völlig unvorbereitet über mich herein. Ich wurde bis ins tiefste meiner Seele erschüttert.
Es schien als ob ich für eine Sekunde den Schmerz eines ganzen Volkes teilte, dann verstand ich die ganze Wahrheit.
Es war SAGGITTORA, die diesen Schmerz verarbeitete!
Ich griff selbst in den Kampf ein, und stellte mich dem Führer der Chaos-Armeen, der Roten Entität!
Sie trug den Namen Rodrom und bezeichnete sich als Inkarnation seines Meisters MODROR. Er war mir fremd, obgleich ich das leise Wispern seines Namens in den Tiefen des Weltraums bereits gehört hatte. Nicht fassbar, unheimlich, chaotisch und doch anders. Eine Entität und nicht allein. Geboren aus einem Projekt, geformt durch Hass. Verschleiert durch die Hohen Mächte. Das war MODROR. Und Rodrom sein williger Vasall von der ersten Stunde an.
Dieses Wesen war mit erschreckender Macht ausgestattet und mit jeder Faser seiner Existenz dem Chaos verschrieben. Doch nicht unbedingt jenem Chaos der Chaotarchen. Ein todbringendes, gezieltes Chaos umgeben von einer zerstörerischen Ordnung.
Ich unterlag in diesem Kampf und wurde in ein Dimensionsgefängnis verbannt, während MODRORs Streitkräfte den letzten Widerstand der Völker in meiner Galaxis zerschlugen.
Voller Schmerz musste ich aus meinem Gefängnis mit ansehen, wie die Armeen des Chaos in meiner Galaxis wüteten.
Brennender Schmerz durchfuhr meine Brust und ließ mich in die Knie sinken. Sato neben mir stöhnte entsetzt und der Holpigon wimmerte wie ein kleines Kind.
Wir erlebten nicht nur die Erzählung und die Bilder sondern auch die Emotionen der Superintelligenz.
Den Schmerz, die Hoffnung und die Verzweiflung.
100.000 Jahre war ich gefangen in Untätigkeit, dann erschien ein neues Volk aus der Asche der Vernichtung und trat dem Chaos entgegen, die Saggittonen!
Die Saggittonen konnten die Mächte des Chaos zurückschlagen und ihre Galaxis einen. Nun wusste ich, dass ich mit den Saggittonen das auserwählte Volk gefunden hatte, doch noch immer war ich gefangen.
Ein Gefühl der Wärme und Zuneigung durchströmte meinen Körper.
Die Saggittonen waren ein auserwähltes Volk!
Ich unterdrückte meine Gedanken, welche die Wahrheit über meinen Heimatplaneten hinausschreien wollten.
Die Machtergreifung Perus und Waskochs.
Der Verlust meines Schiffes der SAGRITON.
Die Verzweiflung und Absetzung Aurecs...
Doch dann kam unerwartete Hilfe!
Ein Bruder eilte herbei um mich aus meinem Gefängnis zu befreien. Sein Name war ES, eine mir sehr verwandte Entität.
ES berichtete mir von der Gründung eines Thoregons und bestätigte die Wichtigkeit der Saggittonen im kosmischen Plan, dann zog sich die Superintelligenz wieder zurück.
Ich sah in das lächelnde Gesicht von Ambush.
SAGGITTORA hatte also früher Kontakt zu ES gehabt.
Nein, vielmehr noch, SAGGITTORA hatte ihre neue Freiheit dem Hüter der Mächtigkeitsballung der Terraner zu verdanken.
Mir wurde erneut klar, wie klein und unwichtig wir sterblichen Individuen vor dem Hintergrund der kosmischen Geschehnisse doch waren – und gleichzeitig, wie wichtig!
Aurec wird eine wichtige Rolle im Ringen der kosmischen Mächte spielen, doch bevor ich mich dem Saggittonen offenbaren konnte, kehrte die rote Entität zurück und holte zu einem zweiten Schlag aus. Ich stellte mich ihr nahe dem Zentrums-Black-Hole von Saggittor und unterlag in einem Kampf, der mehrere Wochen hin und her brandete...
Ich schluckte schwer.
Zweimal hatte SAGGITTORA ihre Galaxis verteidigt, zweimal war sie einem Übermächtigen Gegner unterlegen.
Erneut rann mir eine Träne über das Gesicht als mir klar wurde, mit welcher Aufopferung sich die Superintelligenz für ihre Galaxis und vor allem, für ihre Völker, einsetzte.
Nichts hätte SAGGITTORA daran hindern können die Galaxis zu verlassen und ihr Glück in den Weiten des Kosmos zu suchen.
Doch sie setzte für die Völker von Saggittor ihren wertvollsten Besitz ein, ihre Existenz!
Hört mich jetzt an!
Ich spürte wie der mentale Druck zunahm und die Stimme eindringlicher zu uns sprach. Mir wurde bewusst, dass jetzt eine äußerst wichtige Information folgte.
Ich konzentrierte mich mit jeder Faser meines Geistes auf die Bilder.
Ihr müsst die Völker Saggittors warnen! Die Rote Entität ist zurückgekehrt! Sie wird Saggittor mit einer entsetzlichen Waffe vernichten. Die Galaxis ist nicht mehr zu retten, aber ihr müsst die Völker meiner Sterneninsel vor diesem Schicksal bewahren! Geht zu Aurec, reißt ihn aus seiner Agonie und handelt schnell, denn sonst ist es für immer zu spät...
Die letzten Worte wurden immer leiser.
Ich fühlte, dass SAGGITTORA sich von uns zurückgezogen hatte.
Die glühende Kugel war erloschen und die Konzepte zerstoben im Nebel.
Ich faste mir an den Kopf und rieb meine Schläfen.
»Das ist ja entsetzlich! Unsere Galaxis hat keine Zukunft mehr!«
Ich war noch immer schwer benommen.
Eine große Verantwortung lastete auf unseren Schultern. Es hing einzig an uns, die Völker zu warnen und zu retten.
Mir wurde übel und ich musste mich übergeben. Ich hatte viel erwartet, aber nicht das!
Sato half mir wieder auf die Beine.
Sein Gesicht glich einer steinernen Maske, doch seine Augen zeigten, wie es wirklich in ihm aussah.
»Wir kamen her, um zu helfen, aber wir können das Ende der Superintelligenz nicht mehr verhindern.«
Ich rappelte mich auf.
»Wir müssen sofort nach Saggittor zurückkehren und die Völker der Galaxis warnen!«
Sato rüttelte mich an den Schultern.
»Und dann? Was glaubst du, wird dann geschehen? Denkst du, sie werden dir glauben? Denk an die neuen Machthaber, denk an Perus! Er wird nicht zulassen, dass du die Saggittonen aufrüttelst und seine Macht erschütterst!«
Ich war wie benommen.
Aurec, schoss es mir durch den Kopf. Aurec ist der Schlüssel!
»Aurec ist der Schlüssel«, bestätigte Sato langsam. »Aber zuerst müssen wir die Barriere erneut durchbrechen um zu deiner Heimat zurückzukehren.«
Ich wachte auf wie aus einem langen Traum.
»Die Barriere! Wir müssen zurück!«
Langsam gingen wir zum Schiff zurück, jeder vertieft in seine eigenen Gedanken.
Das Treffen mit einer Superintelligenz musste erst einmal verkraftet werden – besonders von sterblichen Individuen, wie wir es waren.
Utzmuk verließ als letzter den Planeten. Er sah sich ehrfürchtig um und dankte dem Kosmos, dass es ihm vergönnt war SAGGITTORA zu sehen. Doch die Göttin würde sterben. Ein Schock, den er nur schwer verkraften konnte. Freud und Leid wechselten in seiner Seele ständig die Oberhand.
Mulvok sah uns stumm entgegen.
Der Trötter sah völlig niedergeschlagen aus.
Bevor wir ihn ansprechen konnten, winkte er ab.
»Ich habe alles mitbekommen. Jedes Wort, jedes Bild...« Der Trötter machte eine kurze Pause. »...jedes Gefühl.«
Ich blickte noch einmal zurück auf die Oberfläche des Planeten, dann gab ich den Befehl zum Start.
Wir würden SAGGITTORA niemals wieder begegnen, aber vielleicht konnten wir der Superintelligenz in einer Form helfen, die wir uns nie hätten träumen lassen.
Wir sollten die Völker der Sterneninsel retten.
Außerdem waren wir gewarnt und wussten jetzt, wer hinter der Barriere sein Unwesen trieb.
Die Rote Entität!
Die Mächte des Chaos hatten nach meiner Galaxis gegriffen und nichts konnte sie aufhalten. Wobei mich die Beschreibung MODRORs verwirrte. Chaos in Form von Ordnung? Eine Entität – nicht allein? Wirren Angaben über dieses geheimnisvolle Wesen, welches offenbar selbst SAGGITTORA nicht genau kannte. Jedoch Rodrom. Und dieser schien schon auszureichen, um Saggittor in den Untergang zu führen.
Die ZESSEL beschleunigte und näherte sich erneut dem Zentrum innerhalb der Barriere.
Ich wandte mich an Mulvok.
»Und, wie sieht dein Plan aus? Wie bringst du uns wieder raus?«
Mulvok rutschte nervös auf seinem Kontursitz hin und her.
»Wir brauchen etwas Glück und Geduld, dann wird es ähnlich ablaufen wie beim ersten Mal. Wir müssen nur abwarten, bis erneut ein Konvoi eingelassen wird, dann schlüpfen wir durch.«
Ich sah mit brennenden Augen der großen Plasmascheibe nach, die sich in immer engeren Bahnen um das Schwarze Loch im Zentrum drehte.
Dort, wo jede Stunde eine Sonne hinter dem Ereignishorizont zermahlen wurde, spielten sich ungeheuerliche Dinge ab.
Was hatte die gewaltige Flottenansammlung zu bedeuten, was wurde nahe dem Schwarzen Loch gefertigt?
Ich sah kurz zu dem Holpigon hinüber.
Utzmuk tat mir leid.
Dem Priester war nun klar, dass seiner Göttin nicht mehr zu helfen war. Er litt unter den vergangenen Ereignissen und ich wusste nicht, wie wir ihm helfen konnten. Der Holpigon stand wimmernd in der Ecke der Zentrale und sprach kein Wort.
Auch Sato wirkte in seinen Gedanken versunken.
Ich wusste, dass er bis zuletzt daran geglaubt hatte, dass wir der Superintelligenz irgendwie helfen konnten.
Doch die Realität und grausame Wahrheit hat uns alle eingeholt.
Ich spürte wie meine Entschlusskraft teilweise zurückkehrte und ging langsam zu Mulvoks Pilotensitz.
Ich legte meine Hand auf Mulvoks Schulter.
»Wir müssen Vorsorge treffen. Dein Schiff besitzt einen außergewöhnlichen Ortungsschutz. Aber vielleicht ist selbst die beste Tarnung wertlos wenn wir einem Schiff der Chaoskräfte begegnen.«
»Worauf willst du hinaus, Saggittone?«
Der Trötter sah mich von der Seite aus an.
Ich entschloss mich, meine Gedanken offen zu legen.
»Bis jetzt kann nur ein Pilot die ZESSEL fliegen, du! Was soll geschehen, wenn wir in ein Gefecht verwickelt werden und du als Pilot ausfällst?«
Mulvok verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
»Ich stelle fest, dass du ähnliche Gedankengänge hast wie ich!«
Der Trötter stieß sein meckerndes Gelächter aus.
»Als ihr auf dem Rückweg zum Schiff ward, habe ich die Syntronik angewiesen, im Notfall auch deine Befehle für die Schiffssteuerung anzunehmen. Solltest du ausfallen, dann erhält der Terraner das Kommando. Allerdings kannst du das Schiff im Notfall nur manuell fliegen, die SERT-Steuerung ist nicht auf dich justiert.«
Ich atmete tief ein.
Der Trötter wurde mir immer sympathischer.
Ich brachte ein Lächeln zu Tage.
»Wenn wir hier rauskommen, dann hast du dir wirklich eine Extravergütung verdient!«
Mulvok deutete mit dem Finger auf meine Brust.
»Akzeptiert und somit vertragsbindend!«
Wir lachten beide laut und kräftig.
Dann deutete ich mit einem Kopfnicken zur Holo-Projektion hinüber.
»Übrigens, wo wir schon mal hier sind...« Ich dehnte den Satz in die Länge und Mulvoks Augen wurden dabei zu schmalen Schlitzen. »...sollten wir einmal nachsehen, was dort im Zentrum geschieht?« Ich blickte den Trötter entschlossen an. »Genau das! Und ich bete, dass wir uns auf deinen Ortungsschutz verlassen können.«
Der Trötter berührte einige Sensorfelder und sagte dann mit ruhiger Stimme:
»Neuer Kurs eingegeben, es geht zurück zum Zentrum!«
Die ZESSEL machte eine Drehung um 180° und beschleunigte.
Aurec sah der untergehenden Sonne entgegen. Er hatte die vergangenen Stunden mit Shel sehr genossen. Beide waren vor wenigen Minuten aus einem kurzen aber tiefen Schlaf erwacht.
Aurecs Geliebte lag ausgestreckt neben ihm und streichelte sanft seine nackte Brust.
Der Saggittone bemerkte, dass er sich am Strand auf der Südseite seines Hauses befand.
Der Wind streichelte die nackten Körper, die sich noch vor kurzem erhitzt und der Leidenschaft hingegeben hatten.
Die Wirkung des Merage hatte zwar nachgelassen, doch es gehörte mehr als ein kurzer Schlaf dazu, die Folgeerscheinungen abzuschütteln.
»Shel, meine geliebte Shel! Jetzt werden wir immer zusammen bleiben! Nichts kann uns mehr trennen.«
Aurec umarmte seine geliebte Freundin und schloss die Augen.
Hätte er die Macht besessen diesen Augenblick festzuhalten, er würde es tun!
Shels Küsse bedeckten sein Gesicht, doch dann zögerte die Terranerin.
Aurec suchte ihre Hand, doch sie entglitt ihm.
Blinzelnd richtete sich der ehemalige Kanzler auf.
Aurec vernahm zum ersten Mal bewusst Shels Stimme.
War es wirklich das erste Mal?
»Hör mir zu, Geliebter.«
Der Saggittone stutzte plötzlich.
Wie durch zähes Gummi bahnte sich die Erkenntnis ihren Weg, dass etwas an dieser Situation ganz und gar nicht stimmen konnte.
Aurec wollte nach der Flasche greifen um das beklemmende Gefühl wieder los zu werden, doch jemand zog sie aus seiner Reichweite.
»Shel Was tust du?«
Plötzlich spürte Aurec wieder ihre kühlen Hände auf seiner Stirn.
»Geliebter, sei ganz ruhig. Alles wird gut.«
Aurec spürte wie die kühlen Hände seinen Verstand klärten.
Was hatte er früher über ihre Hände gedacht? – Kühl wie Gletschereis!
Früher?
Ein neuer Gedanke stand plötzlich glasklar in seinem Bewusstsein und brannte sich wie eine glühende Nadel in seine Gedankengänge.
Shel war tot!
»Geliebter, ich bin nicht wirklich am Leben, aber ich wünschte es wäre so.«
Aurec schüttelte sich, doch die farbigen Ringe vor seinen Augen wollten nicht verschwinden.
»Shel, was soll...«
Aurec richtete sich sitzend auf und faste sich mit beiden Händen an den Kopf.
Sein Gedächtnis schien ein einziges Vakuum zu sein und sein Kopf ein Schwarzes Loch von der Größe dieser Galaxis.
»Shel! Was ist passiert, wie kannst du hier sein?«
Die schöne Terranerin schenkte ihm ein Lächeln.
»Ich wollte dich noch einmal spüren, dich noch einmal sehen, dich noch einmal lieben...«
Aurecs Gedanken wurden klarer.
Vielleicht versetzte ihm die Erkenntnis einen starken Adrenalinstoß, der die Wirkung der Droge milderte.
Der ehemalige Kanzler begriff plötzlich, dass er mit seiner toten Freundin sprach, sie vor wenigen Minuten noch geliebt hatte.
Aurec schloss die Augen und öffnete sie gleich wieder, doch Shel war noch immer da.
Er zuckte unter ihrer Berührung wie unter einem elektrischen Schlag zurück.
»Wie ist das möglich?«
Shel sah Aurec aus großen Augen an.
»Ich bin ein Teil SAGGITTORAs und bin gekommen, um dich zu warnen.«
Aurec verstand den Sinn der Worte nicht.
»Mich zu warnen? Wovor?«
Das Gesicht Shels veränderte sich und drückte plötzlich nackte Furcht aus.
»Vor Rodrom! Er ist wieder zurückgekehrt und wird diese Galaxis vernichten! Rette dich, Geliebter! Tue es für mich! Mich hat er schon getötet, erleide nicht dasselbe Schicksal wie ich einst auf der LONDON.«
Aurec fühlte Übelkeit aufsteigen.
»Shel, du bist ein Teil SAGGITTORAs? Was soll das heißen? Du bist nicht wirklich?«
Die Haare der Terranerin wehten im Wind.
»Ich bin ein manifestierter Bewusstseinssplitter SAGGITTORAs und ich bin hier, weil ich bei dir sein wollte. Ich habe einen großen Fehler gemacht, als ich dich verließ. Es kostete mein Leben. Doch du sollst leben.«
Aurec starrte sie fassungslos an.
Tränen liefen über dem bleichen Gesicht Shels.
»Solange du noch hier bist, haben wir eine gemeinsame Zukunft. Ein toter Körper ist noch lange kein Ende. Es... es gibt sicherlich Möglichkeiten, dein Bewusstseins in einen Körper zu transferieren«, versuchte Aurec sich und Shel einzureden.
Doch sie schüttelte den Kopf.
»Dafür ist es zu spät. SAGGITTORA vergeht in diesen Tagen und ich mit ihr. Rodrom hat ihr eine endgültige Niederlage beigefügt.«
Shels Körper wurde langsam transparent.
»Ich werde dich immer lieben. Rette jetzt dein Volk...«
Shels Erscheinung verblasste.
Aurec nahm alle Kraft zusammen und schrie gegen die Brandung des Meeres an.
»Nein! Geh nicht fort! Ich brauche dich!«
Ihre Stimme erreichte ihn wie aus weiter Ferne.
»Rette dein Volk und dich selbst...«
Dann war Shel verschwunden.
Aurec starrte einige Sekunden auf die Flasche Merage in seiner Hand, dann schleuderte er sie mit aller Kraft ins Meer.
Es war ein Fehler gewesen, zum Zentrum zurückzufliegen.
Das wurde mir sofort klar, als ich die riesige Flotte aus der Nähe sah.
Nahe dem Schwarzen Loch existierte eine gigantische Baustelle im All!
Etwas Ähnliches hatte ich niemals zuvor gesehen.
Zehntausende Schiffe tummelten sich auf engsten Raum und brachten mir ins Bewusstsein zurück, in welcher Gefahr wir alle schwebten.
»Bring' uns hier so schnell wie möglich raus, Mulvok!«
Der Trötter knurrte und zwang die ZESSEL abermals auf einen neuen Kurs, weg vom Zentrum, hin zu einer der Energiestationen in der Nähe der Barriere.
Um in den Metagravflug übergehen zu können, mussten wir erst wieder beschleunigen.
Als der neue Kurs anlag, zeigte mir Mulvok die Grafik eines Energiespektrums.
Ich sah mir interessiert die verschiedenen Spitzen des Hyperspektrums an.
»Was ist das?«
Der Trötter fletschte die Zähne.
»Das sind die Werte, die ich beim Durchflug des Korridors angemessen habe. Die Strukturlücke in der Barriere geht mit einigen charakteristischen Emissionen im Hyperspektrum einher.«
Ich sah abwechselnd zu Mulvok und dem Diagramm.
»Der rote Feuerring!«
Mulvok bestätigte.
»Wir können damit die Taster füttern und die Daten als Schablone verwenden. Mit anderen Worten: Geht irgendwo eine Tür auf, dann schlägt die Ortung Alarm.«
Ich schlug dem Trötter anerkennend auf die Schulter.
»Das ist ausgezeichnet, wir sollten...«
Ein rotes Warnsymbol leuchtete plötzlich auf und ließ Mulvok erschreckt zusammenzucken.
Ich wirbelte herum.
»Was hat das zu bedeuten?«
Mulvok bis die Zähne aufeinander.
»Jemand hat uns mit einem Ortungsstrahl unbekannter Struktur erfasst! Eigentlich völlig unmöglich!«
Meine Augen fixierten das Orterbild, welches einen Radius von einem Lichtjahr um die ZESSEL wiedergab.
Es zeigte nichts an.
Doch dann entstand plötzlich aus dem Nichts ein Ortungsreflex, nur fünf Lichtminuten von der ZESSEL entfernt.
»Ein fremdes Schiff!«, rief ich alarmierend.
Der Gegner musste über einen Ortungsschutz verfügen, der dem unseren zumindest ebenbürtig war.
Mulvok schlug mit der Hand auf die Notbeschleunigung des Impulsantriebes und die ZESSEL machte einen gewaltigen Sprung nach vorn.
»Wir müssen aus seinem Ortungsbereich entkommen und schnellstmöglich in den Hyperraum wechseln!«
Die Maschinen der ZESSEL waren überdimensioniert und verliehen dem Schiff eine unglaubliche Beschleunigung, trotzdem vergrößerte sich der Abstand zu der fremden Einheit nicht, sondern schmolz mit jeder Sekunde zusammen.
Mulvok stülpte die SERT-Haube über und schrie:
»Sie haben uns in der Ortung und sind schneller als wir! Jetzt hilft uns nur noch unsere bessere Manövrierbarkeit! In die Kontursessel!«
Ich rannte zu meinem Sitz und rief einen Befehl, während ich die Antigravgurte anlegte.
»Syntron! Bilde das fremde Schiff optisch ab! Ich möchte den Gegner sehen!«
Sofort flammte vor uns eine Holo-Darstellung auf, die ein wahres Monstrum zeigte.
Die ZESSEL wurde von einem riesigen Keilschiff verfolgt!
Die Oberfläche des Schiffes war nicht glatt und metallisch, sondern zerklüftet und rau.
Es ähnelte in seinem Aussehen mehr einen Asteroiden als einem Raumschiff, doch bei diesem Gegner hatte man es garantiert nicht mit einem Felsbrocken zu tun.
Ich bemerkte in aufsteigender Panik, dass der Abstand sich mehr und mehr verringerte.
»Mulvok!« schrie ich laut. »Ist das alles, was du aus dem Schiff rausholen kannst?«
Der Trötter war hoch konzentriert und ließ die ZESSEL einige wilde Kurswechsel vollführen, was uns Geschwindigkeit kostete und unseren Eintritt in den Hyperraum noch mehr verzögerte.
Das fremde Schiff ließ sich jedoch nicht abschütteln und kam näher und näher.
Mit Entsetzen sah ich auf dem Schirm, wie das fremde Schiff bei voller Beschleunigung Jäger ausschleuste, die sich von mehreren Seiten der ZESSEL näherten.
Der Holpigon zeigte erstmals eine Reaktion und kauerte sich ängstlich zusammen.
»Heilige SAGGITTORA, was ist das für ein Schiff?«
Sato Ambush beantwortete die Frage und ließ damit meine schlimmste Befürchtung zur Gewissheit werden.
»Das ist das Flaggschiff der Roten Entität, die WORDON! Wir sind verloren!«
Ich ruckte trotzig herum.
»Wir sind erst verloren, wenn wir tot sind!«
Mulvok stieß ein zustimmendes Heulen aus und riss das Schiff erneut aus dem Kurs.
Er entging damit nicht nur einem gezielten Energiestrahl, sondern brachte Verwirrung in die Jägerformation, indem er sie ebenfalls zur Kursänderung zwang.
»Ist irgend eine Tür offen?«, schrie ich laut zu Mulvok hinüber.
Mulvok begriff sofort und aktivierte die Energieortung.
Er erfasste alle acht Randstationen auf einmal und zeichnete jede Aktivität auf.
»Station Eins zeigt Aktivität, doch die erreichen wir niemals!«
Erneut entkamen wir einem Schuss durch Schlagen eines Hakens, dann wurden wir zum ersten Mal getroffen.
Die ZESSEL wurde wie ein Ball aus der Flugbahn geschleudert und die äußere Schirmstaffel brach unter hektischen Leuchterscheinungen zusammen.
Wir wurden hart in unsere Sitze gedrückt, eine Folge der kurzzeitig aussetzenden Andruckneutralisatoren.
Mulvok sah mich nur an, dann zog er die ZESSEL herum.
Wieder wurden wir getroffen.
Die Schirme flackerten kurz, dann traf uns noch ein Schuss.
Der Energiestrahl hüllte die schutzlose ZESSEL ein und schmolz alle Antennen und Projektoren der Außenhülle ab.
Damit war es auch vorbei mir dem Ortungsschutz.
Mulvok schrie grimmig auf.
»Jetzt kann uns jeder sehen! Das System ist ausgefallen!«
Ich vernahm seltsame Geräusche aus der Antriebssektion.
Wenn jetzt auch noch der Antrieb ausfiel, dann waren wir verloren.
»In den Hyperraum! Schnell!«, meine Stimme überschlug sich vor Panik.
Der Trötter saß hechelnd unter seiner SERT-Haube.
»Geht nicht, zu langsam!«
Erneut beschleunigte das Schiff mit höchsten Werten.
Mulvok verzichtete auf weitere Kurswechsel.
So kamen wir schneller auf die Mindestgeschwindigkeit, boten aber ein besseres Ziel für die Verfolger.
»Noch 30 Sekunden!«
Ich sah mit geweiteten Augen auf den Ortungsschirm.
Die Jäger formierten sich erneut.
Dann wurden wir von einem harten Schlag getroffen und die Beleuchtung der Zentrale fiel schlagartig aus.
Ein Energieblitz durchschlug die äußere Hülle und entlud sich im Innern des Schiffes.
Ich sah Mulvoks SERT-Haube kurz aufglühen und hörte die entsetzlichen Schreie des Trötters.
Ein furchtbarer Geruch stieg mir in die Nase, es roch nach verbranntem Fleisch!
»Mulvok«, kam es voller Panik über meine Lippen.
Dann sprang die Notbeleuchtung an.
Ich schnallte mich los und rannte zum Pilotensitz hinüber.
Mit einem Auge erfasste ich, dass die ZESSEL kurz nach dem Treffer in den Hyperraum gegangen war, dann sah ich Mulvok.
Der Trötter hing schlaff in seinem Sitz.
Sein Kopf und die SERT-Haube waren verbrannt.
Für den Trötter kam jede Hilfe zu spät.
Ich schloss entsetzt die Augen.
»Oh nein, nur das nicht!«
Ich spürte plötzlich Ambush an meiner Seite.
»Wir können ihm nicht mehr helfen, aber du kannst unser Leben retten! Übernehme die Steuerung! Schnell! Wir fallen in Kürze aus dem Hyperraum und jeder kann uns orten!«
Ich erwachte wie aus einem Albtraum.
Zusammen befreiten wir Mulvok von seinen Gurten und betteten ihn auf den Boden neben dem Kommandopult.
Dann nahm ich seine Position ein.
»Syntron! Manuelle Steuerung!«
Die Antwort erfolgte prompt.
»Manuelle Steuerung nicht möglich, Reparatureinheit X-10 ist bei der Behebung des Schadens.«
Ich fluchte laut und kräftig.
Hatte sich alles gegen uns verschworen?
»Wie lange bis zum Austritt aus dem Hyperraum?«
Der Syntron antwortete Monoton.
»Noch 24 Sekunden.«
Ich sah schnell zu Ambush hinüber, der Mulvoks Körper mit einem Tuch bedeckte.
Es tat mir sehr Leid um den Trötter.
»Warnung«, ertönte die Stimme des Syntrons. »Wir werden verfolgt.«
Ich fuhr herum und sah auf den Hyperorter.
Das fremde Schiff! Die WORDON!
Wir konnten es selbst im Hyperraum nicht abschütteln.
Dann stürzten wir übergangslos in den Normalraum zurück.
Die ZESSEL war noch fast lichtschnell und die manuelle Steuerung meldete sich mit einem Aufleuchten der Steuerelemente zurück.
»Manuelle Steuerung wiederhergestellt! Energieortung: Strukturlücke voraus! Feindschiffe in den Sektoren fünf, sechs und sieben. Zählung läuft.«
Ich fluchte.
»Vergiss die Zählung, Syntron! Ich weiß, dass es hier eine Wachflotte gibt.«
Die ZESSEL schoss fast mit Lichtgeschwindigkeit an der Energiestation vorbei, welche sofort das Abwehrfeuer eröffnete.
»Beschuss weit ab. Kein Treffer! Wachflotte nimmt Fahrt auf! Koordinaten der Strukturöffnung fixiert! Durchmesser abnehmend!«
Ambush schrie.
»Sie schließen die Öffnung! Schneller! Jetzt oder nie!«
Die ZESSEL schoss wie ein Phantom durch die Phalanx der Wachflotte.
Die schwarzen Wachschiffe waren viel zu langsam, um zu reagieren.
Ich knirschte mit den Zähnen.
Der rote Ring der Strukturlücke schloss sich langsam und wurde immer kleiner!
»200 Meter, 180, 150!«
Ich verkrampfte mich.
Einige ungezielte Schüsse gingen links und rechts an der ZESSEL vorbei und trafen ins Leere.
Dann war das rote Leuchten der Strukturlücke um uns herum!
»Der Korridor wird immer enger«, schrie der Holpigon entsetzt.
Ich schloss die Augen!
Entweder wir würden in wenigen Sekunden vergehen, oder wir stoßen durch!
Dann hörte ich die jubelnden Schreie Utzmuks!
»Wir sind durch!«
Ich öffnete die Augen und sah, wie sich die Lücke hinter uns schloss.
Ich atmete tief ein.
Wir hatten es geschafft!
Ich ließ die ZESSEL sofort wieder in den Metagravflug wechseln.
Erst nach über einer Stunde Flug tauchten wir in den Normalraum zurück und suchten den Ortungsschutz eines blauen Riesensterns auf.
Es gab keine Verfolger.
Wir hatten es tatsächlich geschafft!
Wir hatten Mulvoks Körper dem All übergeben.
Der Holpigon sprach ein Gebet und bat seine Göttin um die Übernahme von Mulvoks Bewusstsein in ihr Reich.
Wir alle wussten, dass dies nicht mehr möglich war, doch die Worte gaben uns Kraft.
Wir gedachten Mulvok noch einige Minuten in stiller Trauer und sahen dem provisorischen Sarkophag nach, der langsam der Anziehung der blauen Sonne erlag.
Das waren wir dem Trötter schuldig gewesen.
Ich wandte mich ab und sah einen Moment ins Leere.
Dann gesellten sich der Holpigon und Ambush zu mir.
Das Schiff war schwer beschädigt, der phantastische Antiortungsschirm zerstört.
Zu Hause warteten Perus und Waskoch und im Zentrum braute sich eine unglaubliche Gefahr zusammen.
»Probleme ohne Ende«, sagte ich leise.
Ambush fasste meine Schulter.
»Es gibt immer ein Licht am Horizont!«
Ich verstand die terranische Redewendung und nickte.
»Ja, es gibt immer Hoffnung. Erst wenn man die Hoffnung aufgibt, dann hat das Böse gesiegt!«
Wir programmierten den Kurs nach Saggitton und verbrachten den weiteren Flug allein mit unseren Gedanken.
Vielleicht der beste Weg, die vergangenen Geschehnisse zu verarbeiten.
Der Saggittone wanderte am Strand entlang, lauschte dem Rauschen der Wellen und beobachtete die funkelnden Sterne am Himmel. Sie wurden von Minute zu Minute blasser, denn die Sonne ging über dem Horizont auf und das blaurote Licht verdrängte den Schein der endlosen Planeten, Sonnen und Galaxien.
Aurec starrte ins Meer und dachte an Shel Norkat. So schnell und geheimnisvoll, wie sie gekommen war, so war sie auch wieder gegangen. Er konnte die Terranerin schon damals nicht verstehen, als sie noch am Leben war. Ihre Unlogik hatte sich auch nach ihrem Tode und als Konzept der Superintelligenz SAGGITTORA nicht geändert.
Seine Liebe war gegangen. Nun für immer. Nie wieder würde er in ihrer Nähe sein, niemals ihre sinnlichen Lippen oder ihren erotischen Körper spüren.
Shel gehörte der Vergangenheit an.
»Ruhe in Frieden«, sagte Aurec entschlossen. Er ermahnte sich selbst, mit Shel Norkat abzuschließen.
Schließe mit der Vergangenheit ab und nicht mit deinem Leben, sprach er zu sich selbst.
Seine innere Stimme hatte recht! Der Saggittone hatte eine andere Aufgabe. Shel und sein Vater waren ihm als Konzepte der Superintelligenz SAGGITTORA erschienen. Sie hatten ihn vor einer drohenden Gefahr und dem Untergang der gesamten Galaxis gewarnt.
Diese Aussagen durfte er nicht außer Acht lassen. Aurec spürte, dass die beiden einst geliebten Menschen glaubwürdig waren. All die seltsamen Ereignisse in den letzten Wochen mussten etwas mit der Reaktivierung der Barriere zu tun haben.
Aurec schoss ein Name durch den Kopf.
Rodrom!
Für einen Moment schloss er die Augen und dachte an die erste Begegnung mit der Roten Entität. Nach der brutalen Ermordung seiner Eltern war die LONDON in die Vergangenheit eines Paralleluniversums transferiert worden. Aurec hatte die Erde – die Heimat Perry Rhodans – in einer Zeit ohne Rhodan erlebt. Da hatte sich Rodrom ihnen in einem Restaurant in der Stadt New York offenbart:
»Eine Flucht nutzt dir nichts, Perry Rhodan!«, sprach die rote Gestalt. »Wir werden dich überall finden. Es gibt keinen Ausweg.«
Rhodan näherte sich dem roten Wesen bis auf drei Meter. Das Wesen war etwa zwei Meter groß und in einen roten Mantel gehüllt. Das Gesicht wurde von einem roten, ovalen Helm verdeckt. Aus einem schwarzen Schlitz in Augenhöhe des Helms leuchtete es gelb.
»Wer oder was bist du?«
»Dein Schicksal.«
»Ich verstehe nicht so ganz«, erklärte Rhodan zögerlich.
»Natürlich verstehst du nicht. Ihr niederen Wesen könnt doch nichts verstehen. Ich bin Rodrom, Abgesandter und Inkarnation des großen MODROR!«
»Ich nehme an, dass du uns auf diese Parallelerde gebracht hast?«
»Ich bin beeindruckt über deine Intuition«, spottete Rodrom.
»Du bist nicht die erste geltungssüchtige Entität, die mir begegnet. Aber was haben wir mit dir oder MODROR zu tun?«
»Ihr existiert. Dies allein ist schon Grund genug euch zu eliminieren. Aber der Hauptgrund bist du, Rhodan! Die Leute der LONDON sind unwichtige Kreaturen. Du jedoch musst sterben.«
»Warum? Was habe ich euch getan? Wir haben uns seit Jahrhunderten nicht in die Belange der Chaotarchen eingemischt!«
Rodrom lachte diabolisch.
»Es geht um Dinge, die du nicht verstehen kannst.«
»Die üblichen Phrasen von kosmischen Wesen«, knurrte Rhodan.
»Ich beabsichtige nicht, dich auf diesem Planeten dahinvegetieren zu lassen. Nein, du wirst gejagt und erlegt werden wie ein Tier!«
Rhodan hob beschwichtigend die Hände. »Ich sehe ein, dass du meinen Tod willst. Aber lass die anderen in Ruhe. Die Passagiere der LONDON und die Saggittonen haben nichts mit deinen Plänen zu tun. Du hast keine Beweggründe gegen sie vorzugehen.«
Rodrom machte eine Kopfbewegung nach oben.
»Du maßt dir an, die Beweggründe eines Wesens, das in der kosmischen Ordnung himmelweit über dir steht, nachvollziehen zu können? Das ist lächerlich. Oder erwartest du von einer Amöbe, einen Vortrag über 7D-Technologie?«
»Die Kreaturen in der Galaxis Saggittor, wie auch auf der LONDON sind unwichtig«, erklärte die rote Entität. »Ich habe die Saggittonen nur dazu benutzt, die LONDON in die Falle zu locken. Dolphus ist einer meiner Handlanger. Ich war es, der den Befehl zur Exekution der Kanzlerfamilie gab. Die Saggittonen und Passagiere der LONDON waren nichts weiter als Bauern auf einem Schachbrett.«
Er lachte einen Moment voller Hohn auf, bevor er noch bemerkte: »Nein, eigentlich stimmt mein Vergleich nicht, entschuldige, eigentlich sind sie Ameisen, die achtlos zertreten werden. Ein Bauer kann wenigstens, wenn er klug geführt wird, die Königin oder gar den König gefährden.«
Rhodan schwieg.
»Ich gebe dir aber noch eine faire Chance. Du musst gegen fünf meiner besten Kämpfer antreten. Sie werden dich auf diesem Planeten jagen, bis du oder sie tot sind. Da ich der festen Überzeugung bin, dass sie nicht versagen werden, glaube ich, dass dein Ende gekommen ist. All die Jahrhunderte konntest du immer wieder dem Tod ein Schnippchen schlagen, doch diesmal nicht. Du und deine Gefährten werden nun sterben.«
Rodrom löste sich wieder in Nebel auf. Zurück blieb eine verwüstete Bar.
Aurec öffnete wieder die Augen. Keine Silbe der Worte Rodroms hatte der Saggittone vergessen. Auch nicht nach zehn langen Jahren.
Bis dato war ihm nirgendwo ein solch diabolisches Wesen begegnet. Wenn es tatsächlich so etwas, wie »das Böse« gab, dann musste Rodrom ein direkter Abgesandter dieser Macht sein.
MODROR... Das war der Name seines Herren. Eine Entität. Es war ungewiss, was für eine Geistesform dieser MODROR war. Eine Superintelligenz vermutlich. Oder gar ein Chaotarch oder Kosmokrat? Doch was wollte er von den Saggittonen? Wieso war Saggittor solange Hort von Agenten dieses MODROR gewesen?
Aurec fasste sich an die Schläfe und versuchte Herr über die Kopfschmerzen und Nachfolgeerscheinungen seines Rausches zu werden.
Plötzlich erschien ihm vor seinem geistigen Auge das Bild Ulesias, jener wunderschönen Dorgonin, die er auf Anhieb geliebt hatte. Doch auch Ulesia war ihm gewaltsam entrissen worden.
Wieder war er allein. Doch war er das wirklich? Er hatte zwar keine Gefährtin, doch Freunde in vielen Galaxien und ein Volk, für das er verantwortlich war.
Er war somit bestimmt nicht das Paradebeispiel eines einsamen Wesens. Aurec wurde gebraucht und geliebt. Mit dieser Gewissheit sollte es ihm doch möglich sein, die nötige Kraft für den Kampf gegen Rodrom aufzubringen.
Aurec sank in die Knie und nahm etwas Sand auf. Langsam ließ er die Körner durch die Finger seiner Hände rieseln. Der kalte Wind fuhr ihm durch die Haare. Er besaß eine erfrischende Wirkung.
Langsam erhob sich Aurec wieder und atmete die frische Seeluft tief ein. Dann gab er sich einen innerlichen Impuls und verließ im forschen Gang den Strand.
Der Prinz Saggittors hatte neue Energien gewonnen. Er war wieder der Alte!
In der Stille des Alls deutete nichts auf die schicksalhaften Stunden für die Galaxis Saggittor hin, die kurz bevor standen.
Ein Jäger unterbrach diese Ruhe und steuerte mit enormer Geschwindigkeit auf das gigantische Objekt mitten im Leerraum zu.
Das fünfzehn Kilometer lange asteroidenähnliche Keilraumschiff war jedoch winzig gegenüber dem planetengroßen Gebilde, dass es umkreiste.
Die WORDON patrouillierte langsam um das 10.000 Kilometer große karoförmige Etwas herum, an dem fieberhaft gearbeitet wurde.
Tausende von Schiffen waren an der Außenhülle verteilt. Die Fertigstellung war nur noch eine Frage von Stunden gewesen.
Pestol, der Chefkonstrukteur dieses Monstrums, war ein achthundertjähriger Zievohne aus der Galaxis Barym.
Die Hälfte seines Lebens hatte er im Auftrage des großen MODROR an diesem vielleicht wohl größten künstlichen Gebilde des Universums gebaut.
Nun war es vollendet und stand kurz vor seiner Taufe. Ein Gefühl von Ehrfurcht überkam den Wissenschaftler, der eine fürstliche Entlohnung – die relative Unsterblichkeit – von seinem Auftraggeber bekommen hatte, um dieses Gebilde zu konstruieren.
Er nannte es den SONNENHAMMER.
Dieser Name klang gigantisch, doch er beschrieb die Eigenschaften des SONNENHAMMERs bis auf den Punkt.
Die Zievohnen waren 1,70 Meter große humanoide Wesen mit einer lederartigen braunen Haut. Sie erinnerten stark an die Hauris aus dem Roten Universum Tarkan. Auf andere Wesen wirkten die Zievohnen erschreckend und daher besaßen sie in der Galaxis Barym auch den Ruf als Dämonen des Chaos.
Ein Ruf der viel Respekt mit sich brachte. Im Grunde genommen waren sie auch Dämonen des Chaos, denn sie dienten einem der finstersten Mächte im Universum. Sie vollbrachten grauenvolle Taten für sie. Ja, sie hatten den Namen verdient.
Pestol war kein Krieger, so wie viele andere seiner Artgenossen, die in jungen Jahren ihre Heimat verließen, um in der »Verbotenen Zone« der Doppelgalaxie Barym ihre Kriegerweihe zu erhalten. Dort wurden sie konditioniert und kehrten als Elitesoldaten zurück. Sie waren ein Teil der gigantischen und unbesiegbaren Armee des Chaos.
Doch Pestol wollte keine Waffe in die Hand nehmen. Er verabscheute den Konflikt zwischen einzelnen Wesen. Nein, er wollte schnell und effektiv gewinnen.
Mit dem SONNENHAMMER hatte er dieses Ziel verwirklicht. Eine fliegende Festung, größer als ein Gasriese und mit einer Zerstörungskraft, die sich keiner vorstellen konnte. Niemand bis auf er selbst und seine Auftraggeber.
Pestol blickte auf sein Chronometer. Bald, sagte er sich im Gedanken, bald...
*
Er war wieder in die Galaxis Saggittor zurückgekehrt. Eigentlich war er nur einen Wimpernschlag lang weg gewesen, zumindest aus kosmischer Sicht.
Was waren schon zehn terranische Planetenjahre? Nichts! Für ihn war es allerdings subjektiv ein langer Wimpernschlag gewesen, denn er brannte auf Rache.
Endlich wollte er dieses aufmüpfige Volk, der Saggittonen, Holpigons und wie sie alle hießen, eine Lektion erteilen.
Sie sollten für ihre impertinente Einmischung bezahlen. Damals war er bereits mit der Überwachung des Baus des SONNENHAMMERs beschäftig gewesen, doch sein Meister hatte zu dieser Zeit einen Bericht über die Aktivitäten im Normaluniversum verlangt.
Rodrom hatte sich bereits damals nach einem geeigneten Testfeld für den SONNENHAMMER umgesehen. Eigentlich hätte er am liebsten diese Milchstraße als Ziel ausgewählt, doch aus unerfindlichen Gründen wollte MODROR das nicht. Stattdessen operierte bis dato immer wieder Cau Thon in diesem Bereich. MODROR war der Ansicht, die Galaktiker wären ein würdiges Hilfsvolk.
So hatte Rodrom die Galaxis Saggittor ausgewählt und ihre Geschichte studiert. Zur gleichen Zeit hatte er ebenfalls den anbahnenden Kampf zwischen Perry Rhodan und Shabazza verfolgt. Dieser Shabazza hatte sich letztendlich als Versager herausgestellt.
Sie hatten allerdings bereits vor mehr als 25 Jahren ein Trojanisches Pferd in Rhodans nächster Nähe gestellt. Während Shabazza noch bemüht war, Perry Rhodan zu schlagen, hatte ein anderer Diener seines Meisters bereits damit begonnen, eine Terrormacht zu errichten, die den Auftakt des Kampfes zwischen Rhodan und MODROR darstellte.
Rodrom dachte mit Genugtuung über die Ereignisse der letzten Jahre nach. Sein Meister war zufrieden, denn es hatte sich alles nach seinem Plan entwickelt. Natürlich hätte er lieber alle Gegner sofort vernichtet, aber Rodrom musste sich nun einmal dem Befehl MODRORs beugen und da dieser unbedingt die Terraner, Arkoniden und anderen Milchstraßenspezies als Verbündete wollte, musste er das Beste daraus machen.
Dazu hatte gehört, diese alten Terraner aus dem verschollenen Raumschiff der Casaro zu erwecken. Auch wenn es Cau Thon und diesem neuen Sohn des Chaos Goshkan nicht gelungen war, Gal’Arn und seine Begleiter zu vernichten, so schien sich auch hier alles in die erstrebte Richtung zu bewegen.
Doch noch immer grämte ihn die Niederlage durch Rhodan und die Saggittonen, die ihm vor zehn Jahren in dieser Galaxis zugefügt worden war.
Damals wollte er voller Ehrgeiz Rhodan jagen und zur Strecke bringen. Die besten Kämpfer seiner Söldnertruppe hatte er dafür auserkoren, doch alle hatten versagt und waren gestorben. Rhodan und Aurec war es gelungen, aus einer schier hoffnungslosen Situation zu entkommen und den MODROR-Stützpunkt im Zentrum Saggittors zu besetzen.
Rodroms Rache war grausam gewesen. Er hatte sein eigenes Hilfsvolk vernichtet, diese verhassten Galaktiker in eine tödliche Katastrophe geschickt und seither zusammen mit Cau Thon – wenngleich es Rodrom auch viel zu unblutig zuging – die Weichen für mehr Blutvergießen gestellt. Der SONNENHAMMER stand vor der Vollendung. Nun hatte Rodrom ein Ziel gefunden. Er würde sich an Aurec rächen. Und später würde vielleicht auch Perry Rhodan den Zorn Rodroms spüren.
Rodrom würde den SONNENHAMMER nur zu gerne in der Milchstraße einsetzen. Doch MODROR hatte andere Pläne. Noch… Würde der Meister erst einmal die Sinnlosigkeit seines Unterfangens einsehen, würde der SONNENHAMMER auch die Milchstraße anheim fallen. Doch zuerst war Saggittor dran. Diese infantilen Saggittonen hatten sich tatsächlich eingebildet, sie könnten MODROR trotzen. Wie lächerlich sie doch waren. Nun würden sie den Preis für ihr uneinsichtiges Verhalten zahlen.
Ein Skurit trat an Rodrom heran. Der Rote empfand die Skurits als eine seiner besten Schöpfungen. Das Exoskelett wirkte unheimlich und schützte den Körper des Kriegers zugleich.
»Herr, wir haben die Anwesenheit eines Eindringlings auf dem SONNENHAMMER lokalisiert.«
Ein Spion auf dem SONNENHAMMER? Das war ungewöhnlich. Wer würde es schaffen, all die Abwehrvorrichtungen auszutricksen? Und doch, er hatte es nicht ganz geschafft, sonst wäre es dem Wachpersonal nicht aufgefallen.
»Berichte mir mehr, Keshrer«, forderte Rodrom von dem Skurit.
»Wir haben seine Anwesenheit bei der regelmäßigen Abtastung bemerkt. Es handelt sich nach den Individualimpulsen und der Art der Tarnung um ein Wesen der Gattung Alysker.«
Rodrom wusste nicht, ob er lachen sollte oder vor Zorn diesen Keshrer in Feuer hüllen sollte. Ein Alysker! Trauten sich Eorthors Schergen endlich mal wieder aus dem Kreuz der Galaxien? Oder agierte dieser Alysker auf eigene Faust? Jedenfalls war die Anwesenheit eine Gefahr für den SONNENHAMMER. Niemals durfte jemand die Alysker und ihr uraltes Wissen unterschätzen.
»Keshrer, ich nehme mich dieses Alyskers persönlich an. Informiere Pestol über diese Neuigkeit.«
Rodrom störte sich nicht an dieser neuen Gefahr. Im Gegenteil, sie verlieh dieser Operation die nötige Prise Würze. Er freute sich sogar darauf, sich nach langer Zeit mit einem Alysker messen zu können.
Zur allgemeinen Verwunderung tauchte Aurec in den frühen Morgenstunden im Regierungsgebäude auf. Er war rasiert, gewaschen und trug eine schwarzrote Kombination mit einem Umhang.
Forschen Schrittes rannte er die Treppen hoch und sah von der Benutzung des Antigravschachtes ab. Ein Teil seiner Gedanken kreiste noch immer um Shel und Ulesia. Diese Erinnerungen füllten sein Herz weiterhin mit Wehmut, doch es galt jetzt, sofort zu handeln.
Wenn Rodrom zurückgekehrt war, musste er sofort Gegenmaßnahmen einleiten.
Im Plenarsaal hielt der Senator einer Varniderwelt gerade eine Rede. Er stoppte sofort, als er Aurec erkannte. Eine Geste der Freude und des Erstaunens spiegelte sich im Verhalten des Pflanzenwesens wieder. Der Varnider öffnete seine purpurnen Blüten weit. Das war ein Zeichen des Wohlgefallens.
Perus war weniger begeistert.
»Wachen! Schafft den Eindringling sofort hier heraus«, brüllte er.
Doch niemand wagte es, Aurec anzufassen. Der Saggittone trat vor Perus und bat ihn um ein persönliches Gespräch.
Der Kanzler willigte ein und verließ mit dem ehemaligen Kanzler den Saal. Sie ließen aufgeregt tuschelnde Senatoren zurück.
In einem Nebenraum angekommen, verlor Aurec auch keine Zeit. Ohne große Umschweife begann er sofort Perus zu berichten.
»Ich weiß, was hinter der Barriere steckt«, begann er warnend.
Sein Gegenüber musterte ihn misstrauisch. Perus merkte sofort, dass Aurec wieder gefasst und im Besitz seiner vollen Kräfte war.
»Rodrom ist zurückgekehrt. Er hat anscheinend den Plan, die Galaxis zu unterdrücken oder...« Der Saggittone stockte für einen Moment. »...oder sie sogar zu vernichten.«
Perus musste sich erst einmal setzen. Er dachte über Aurecs Worte nach. Dann nickte er verständnisvoll dem Prinzen Saggittors zu.
»Das sieht in der Tat schlimm aus. Wer hat Euch das verraten?«
»Einer der Geister«, antwortete Aurec.
»Geister?«, wiederholte Perus ungläubig.
»Die Erscheinungen. Sie sind Konzepte SAGGITTORAs, die tatsächlich eine Superintelligenz ist«, erklärte Aurec weiter.
Perus legte ein seltsames Lächeln auf. Er drückte auf einen Knopf. Sofort kamen vier Soldaten hereingestürmt, die von Waskoch angeführt wurden.
»Was soll das?«, wollte Aurec wissen.
Perus lehnte sich zurück und grinste überlegen. Aurec wäre am liebsten sofort über diesen arroganten und feisten Intriganten hergefallen, der den Ernst der Lage nicht zu begreifen schien.
»Sie sind offensichtlich geistesgestört. Im Interesse aller werden die Wachen Sie zu unserem Ärztestab eskortieren, der dann Ihre Unzurechnungsfähigkeit bescheinigen wird.«
Aurec schüttelte den Kopf.
»Lasst mich vor dem Senat sprechen. Wir sind alle in Gefahr!«
Perus schüttelte nur den Kopf und gab den Wachen ein Zeichen. Aurec wollte sich wehren, doch Waskoch nahm einen Gummiknüppel und stieß damit seinem Artgenossen in den Magen. Hustend brach Aurec zusammen und wurde von den Soldaten herausgeschliffen. Waskoch wandte sich an den amtierenden Kanzler Saggittors.
»Tragt dafür Sorge, dass Aurec nie wieder hier auftauchen wird«, befahl Perus.
Waskoch nickte zufrieden und folgte den Wachen. Perus erhob sich und faltete die Hände als er vor einem Fenster stand.
Er ignorierte die Warnungen Aurecs und glaubte auch nicht an dessen Worte. Die meisten Erscheinungen waren verschwunden und Perus würde es verstehen, Aurec als Wahnsinnigen vor dem Senat darzustellen.
Aurec letztes Kapitel wurde in seinen Augen geschrieben und Perus wollte den letzten Punkt darin setzen.
*
Die Aufmerksamkeit der Delegierten war auf den hereinkommenden Kanzler Perus gerichtet. Jeder wartete gespannt auf die Erklärung des Regierungsoberhauptes. Perus ignorierte die Blicke und lief zielstrebig zum Podium.
Dann ließ er aufreizend langsam seinen Blick über die Menge schweifen.
»Liebe Senatoren! Leider ist der ehemalige Kanzler noch kränker als vermutet. Er ist dem Schwachsinn anheim gefallen. Aurec behauptet allen Ernstes, dass der Geist seiner vor knapp zehn Jahren gestorbenen Geliebten zu ihm gesprochen hat«, sagte er mit geheuchelter Trauer.
Ein Raunen ging durch die Massen. Perus triumphierte innerlich.
»Sie sagte ihm, dass der böse Rodrom wieder da sei und uns alle an den Kragen will.«
Die Senatoren wirkten beunruhigt.
»Aber was ist, wenn er recht hat? In der ganzen Galaxis schreiben besorgte Bürger über die Kommunikationsmittel von geisterhaften Erscheinungen und seltsamen Vorgängen«, sagte ein anderer Saggittone mit weißem Haarkranz und einem langen, spitzen Bart, der bis zur Brust reichte.
»Ich sage Ihnen, dass Aurec zuviel Merage konsumiert hat und ihm seine Sinne einen Streich gespielt haben. Der ehemalige Kanzler war nicht in der Verfassung vor Ihnen zu sprechen. Deshalb habe ich im Einvernehmen mit dem Verteidigungsminister Waskoch, Aurec in Behandlung gegeben. Unsere besten Ärzte werden sich um ihn kümmern.«
Ein wildes Gemurmel brach aus. Einige mutmaßten, man wolle Aurec hintergehen, andere waren von dem desolaten Zustand des ehemaligen Kaisers so entsetzt, dass sie den Worten Perus Glauben schenkten.
»Unter diesen Umständen ist es das Beste, wenn wir Neuwahlen einberufen. Das Volk hat zu entscheiden. Und es wird sich richtig entscheiden! Aurecs Zeit ist abgelaufen. Ich, Perus, werde Saggittor neue Impulse verleihen und zu einer Macht ausbauen, der niemand in diesem Universum gewachsen sein wird. Auch ein Rodrom nicht!«
Als Perus seine Rede beendet hatte, wischte er sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Erschöpft stützte er sich am Rednerpult. Erst nur wenige, dann immer mehr der Senatoren spendeten ihm Beifall.
Perus grinste triumphierend. Der Sieg schien ihm sicher. Nun musste er nur noch Aurec beseitigen. Das würde Waskoch übernehmen, während die Delegierten zur nächsten Tagesordnung schritten.
*
Aurec lag vor Schmerzen gekrümmt in der Ecke eines Raumes. Zwei muskelbepackte Trötter fuchtelten bedrohlich mit ihren Schlagstöcken.
Waskoch stemmte die Arme in die Hüften und lief wie ein Tiger um Aurec umher.
»So, der große Aurec am Boden!«
Aurec konnte diese Aussage nur mit einem erschöpften Blick auf Waskoch erwidern.
»Einst waren Sie mein Vorbild, doch Ihre verweichlichte und naive Einstellung hat mich angewidert. Perus ist ein starker Mann!«
Aurec versuchte sich aufzurappeln, doch er sank wieder auf den Hosenboden. Er atmete schwer und versuchte die Schmerzen zu unterdrücken, die ihm die Wachen zugefügt hatten.
Waskoch spuckte Aurec an und trat wie ein Berserker gegen dessen Brust. Immer wieder und wieder, solange bis Aurec nichts mehr tun konnte, als hustend am Boden zu liegen.
»Ich werde Sie jetzt töten, Kanzler! Es wird mir das reinste Vergnügen sein, das Volk Saggittors von einem Parasiten zu befreien!«, fletschte Waskoch, der seine ganze Wut über Aurecs Ideologie ausließ.
Waskoch nahm einen Schlagstock und schlug mehrmals gegen ein Rohr damit, um zu verdeutlichen, wie sehr die Schläge Aurec wehtun würden.
Bevor er ausholen konnte, rappelte sich Aurec auf und fegte mit einem Tritt gegen die Beine Waskoch zu Boden.
Doch an den beiden Tröttern kam er nicht so schnell vorbei. Sie stellten sich demonstrativ vor die Tür und auch Waskoch rappelte sich wieder auf.
Aurec konnte dem neuen Verteidigungsminister den Strahler abnehmen und zielte auf die drei Gegner.
»Meine Herren, ich würde nur sehr ungern abdrücken, doch wenn sie mir keine andere Wahl lassen...«
Waskoch bebte vor Wut, doch ihm blieb nichts anderes übrig, als mit den beiden Tröttern zur Wand zu gehen.
»Wo wollen Sie denn noch hin, Aurec? Ihre Zeit ist abgelaufen. Sehen Sie das doch ein«, versuchte Waskoch sein Gegenüber einzuschüchtern.
»Oh, ich glaube, dass das Universum noch viel mit mir vor hat«, entgegnete Aurec mit einem Ansatz eines Lächelns.
Das Lächeln erstarb sofort.
»Und nun bitte ich Sie, sich umzudrehen und sich auszuziehen.«
»Was?«, rief Waskoch aufgeregt.
»Sie haben richtig gehört. Ausziehen!«
Widerwillig befolgten die Drei den Befehl und zogen sich bis auf die Unterwäsche aus. Waskoch lief beinahe rot an.
»Alles«, forderte Aurec.
»Sind Sie ein perverses Schwein?«, wollte Waskoch wissen.
»Nein, nur wird mich wohl keiner von Ihnen nackt verfolgen«, antwortete er schnippisch.
Waskoch verstand. Dann zog er auch seine Unterwäsche aus und stand mit den beiden Tröttern vor Aurec, wie sie geschaffen wurden.
Aurec packte die Sachen und warf sie in einen Konverter, der an der Wand eingebaut war. Waskoch beobachtete das Schauspiel und bis sich auf die Lippen.
»So, nun muss ich Sie alleine lassen«, verabschiedete sich Aurec und verließ hastig den Raum.
Das Schloss schmolz er mit Hilfe des Strahlers zusammen, so dass Waskoch und die beiden Trötter festsaßen.
Aurec kommentierte die unfreiwillig komische Szene mit dem Hochziehen einer Augenbraue und lief in Richtung Plenarsaal.
*
Perus langweilte die Debatte über eine neue Steuerreform. Einige Kolonien der Varnider beschwerten sich über die hohen Export- und Importsteuern, die ihre Administrationen nicht mehr tragen konnten.
Ein Aurec hätte sofort gefordert, die Steuern zu senken. Doch Perus Fraktion war eindeutig gegen eine Senkung.
Plötzlich öffnete sich die Tür und drei Gestalten betraten den Raum. Ein Raunen ging erneut durch den Saal. Perus drehte sich um und war unangenehm überrascht, als er Serakan in Begleitung eines Terraners und Holpigons erblickte.
»Wachen! Werft sie hinaus. Das sind Terroristen«, brüllte Perus aufgebracht.
»Lasst uns sprechen. Wir haben wichtige Neuigkeiten«, rief Serakan und stürmte zum Podium. Utzmuk und Sato Ambush folgten ihm.
Die Wachen rührten sich nicht, sie hatten viel zu viel Respekt vor Serakan. Sie glaubten nicht daran, dass er gegen die Interessen der Republik handelte.
Serakan ergriff sofort das Wort.
»Saggittonen, Varnider, Trötter, Multivons und Holpigons«, begann er. »Es ist wahr. Die Vermutungen haben sich bewahrheitet. Rodrom befindet sich hinter der Barriere und bereitet einen Schlag gegen die Galaxis vor!«
Diese Worte erschütterten die Delegierten. Serakan schenkten sie vorbehaltlos ihren Glauben, da er im Gegensatz zu Aurec nicht unangenehm aufgefallen war.
»Schwachsinn! Noch so ein Verrückter«, brüllte Perus. Er fürchtete um seine Machtposition. Dabei erkannte er nicht, dass die Gefahr durch Rodrom auch sein Ende bedeutete.
»Wir waren hinter der Barriere«, erklärte Serakan. »Der Theologe und Wissenschaftler Utzmuk befasste sich seit Jahren mit der Suche nach SAGGITTORA. Vor wenigen Tagen wurde er fündig! SAGGITTORA existierte wirklich! Sie war eine Superintelligenz und Schutzpatronin Saggittors.«
Niemand wagte es mehr die Ansprache zu stören. Alle Wesen im Saal hörten gebannt auf die Worte des Kommandanten der SAGRITON.
»SAGGITTORA befand sich im Kampf gegen Rodrom. Mehr als einmal! Doch den finalen Kampf hatte sie verloren. Wir trafen auf die Superintelligenz im Zentrum Saggittors. Sie stirbt! Sie hat unkontrolliert Konzepte entlassen, welche uns als Erscheinungen vor der Gefahr durch Rodrom warnten.«
Serakan machte eine Pause. Ihm wurde schwindelig. Seine Beine zitterten und die Gesichtsfarbe wurde weiß. Er taumelte, doch Sato Ambush ergriff die Initiative und stützte ihn.
Der Saggittone brauchte einige Momente, um sich wieder zu fassen. Der Gedanke an SAGGITTORAs Worte, die den Untergang Saggittors vorhersagten, war zuviel für den Kommandanten. Er war in den letzten Tagen bereits aus sich herausgewachsen, doch irgendwann waren seine Grenzen erreicht. Wenn er nur daran dachte, dass all das bald der Vergangenheit angehörte...
Sato Ambush geleitete Serakan zu Utzmuk und ergriff selbst das Wort.
»Ich bin Sato Ambush, Freund Aurecs und Perry Rhodans. Ich trat in direkten Kontakt mit der Entität SAGGITTORA, die sich in der Tat in einem großen Kampf gegen Rodrom befand, um Saggittor zu schützen.
Rodroms Kräfte waren überlegen und nichts kann das Ende SAGGITTORAs jetzt noch aufhalten. Ebenso wie das Ende der Galaxis. Ich schlage im Namen der Vernunft vor, sofort mit der Evakuierung zu beginnen, bevor es zu spät ist.«
Perus lachte schrill auf und applaudierte. Er war der einzige. Die anderen Wesen blieben ruhig und dachten über die Worte des Japaners nach.
»Eine sehr gelungene Darbietung. Braucht ihr noch mehr Beweise, dass Aurec und seine Kumpanen geisteskrank sind?«
Der Saal füllte sich mit lautem Gemurmel. Die Delegierten brüllten sich gegenseitig an und versuchten ihre Meinung kund zu tun.
Ambush wusste nicht, ob die Saggittonen schnell genug handelten. Jede Minute kostete wahrscheinlich viele Leben, die nicht mehr evakuiert werden konnten.
»Warum senden wir nicht eine Flotte zur Barriere und bekämpfen sie, wie wir es vor zehn Jahren getan haben?«, warf der Delegierte der Trötter ein.
Er erntete Applaus.
»Wenn SAGGITTORA sie nicht besiegen kann, können wir es in der kurzen Zeit auch nicht. Außerdem wird der Zugang blockiert. Mit viel Mühe konnten wir mit einem speziellen Raumschiff die Barriere überwinden. Technische Modifikationen an der saggittonischen Flotte würden Wochen dauern. Diese Zeit haben wir nicht«, wandte Ambush ein.
Perus schüttelte den Kopf. Er rief seine Leibwachen, die bedrohlich auf Ambush, Serakan und Utzmuk zuliefen. Sie waren zu allem bereit. Ihre Kombistrahler waren nicht auf Paralyse gestellt.
Perus wollte diese lästigen Feinde endlich loswerden!
»Wir sprechen dem Saggittonen, dem Terraner und unserem Bruder Utzmuk unser Vertrauen aus. Die Holpigons werden sofort mit der Evakuierung beginnen«, sprach plötzlich der Senator der Holpigons, Vochur.
Plötzlich kehrte wieder für kurze Zeit Ruhe in den Saal ein. Die Politiker blickten zu dem Abgeordneten der Moluskenwesen herüber.
»Die Ausführungen klingen logisch. Die Erscheinungen sind keine Trugbilder und auch keine von Aurec inszenierte Kampagne gegen Perus. Wir sollten sofort handeln und die Evakuierung aller Welten beginnen. Wir dürfen die Gefährlichkeit Rodroms nicht unterschätzen!«
Utzmuk war froh über die Entscheidung seines Artgenossen Vochur, Administrator der Welt Horww. Diese Eigenschaft machte ihn auch automatisch zum Stellvertreter des obersten Regenten der Holpigons.
Die anderen Völker hingegen zauderten. Die Varnider, Trötter und Multivons brauchten mehr Beweise, um so eine kostspielige und vielleicht völlig unnötige Aktion zu starten. Viele befürchteten auch eine Massenpanik der Bevölkerung.
Letztendlich war es nicht einfach, der Gesamtbevölkerung den Untergang der Galaxis anzukündigen.
Perus ergriff wieder die Initiative. Er sprach sich für eine erneute Tagung in zwei Tagen aus. Bis dahin wollte er mehr Informationen gewinnen. Ambush legte Widerspruch ein, da die Zeit drängte, doch der amtierende Kanzler machte dem Japaner unmissverständlich klar, dass ein Terraner sich nicht die Politik der Saggittonen einzumischen hatte.
Ambush wusste, dass es wenig Sinn hatte, gegen Perus vorzugehen. Sie brauchten Aurecs Hilfe.
Der Terraner wandte sich an Utzmuk und Serakan.
»Wir müssen zuerst Aurec finden. Wenn wir ihn wieder wachrütteln können, haben wir auch eine reale Möglichkeit den Senat zu überzeugen.«
Der Holpigon nickte zustimmend. Serakan war weniger davon überzeugt.
»Aurec ist am Ende. Es hat keinen Sinn mehr mit ihm zu sprechen«, wandte er ein. Er war tief enttäuscht von seinem Freund und Vorbild.
»Wir haben keine andere Wahl«, meinte Ambush und verließ den Saal.
Utzmuk und Serakan wechselten einen vielsagenden Blick und folgten dem Asiaterraner aus dem Regierungsgebäude.
Serakan aktivierte seinen Interkom, den er aus Sicherheitsgründen im Plenarsaal hatte deaktivieren müssen. Während der Zeit im Offline-Modus hatte der Interkom eine Nachricht empfangen und gespeichert.
Sie stammte von Aurec:
»Treuer Freund! Shel Norkat berichtete mir von SAGGITTORA und Rodroms gefährlichen Absichten. Wir müssen uns treffen. Da ich von Waskoch verfolgt werde, sollten wir uns in der Kneipe treffen, in der wir vor einer Woche den Abend verbracht haben.«
Serakan fühlte sich schuldig, als er die Nachricht las. Er hatte den Glauben an Aurec zu früh verloren. Nachdem er Ambush und Utzmuk die Nachricht vorgelesen hatte, machten sie sich umgehend auf den Weg zum Raumhafenlokal.
Nach einigen Frequenzstörungen aktivierte sich die Kamera und zeigte den Alysker. Er pochte auf die Brillenkamera und vergewisserte sich, dass sie funktionierte.
»Mein treuer Freund Sato Ambush. Mein Name ist Arondil vom Volk der Alysker. Wir sind ein sehr altes Volk und es ist unstrittig, dass unser Schicksal eng mit dem von DORGON und MODROR verknüpft ist. Ich hoffe, du wirst diese Aufzeichnungen erhalten. Ich befinde mich an Bord des SONNENHAMMERs. Dieser stählerne Gigant kann einer Galaxie den Tod bringen.«
Der Alysker setzte die Brille auf. Die Beobachter sah nun graumetallische Wände in einer spärlichen Beleuchtung. Die Wände wirkten feucht, waren mit einer klebrigen Flüssigkeit beschichtet. Die Luftfeuchtigkeit an Bord des Raumschiffes war sehr hoch. Der Alysker fühlte sich unwohl, denn er spürte die Präsenz Rodroms.
»Ich fürchte, es könnte ein Abschied auf ewig sein, lieber Sato Ambush. Es war mir eine Ehre, mit dir durch den Weltraum gereist zu sein. Doch ich muss versuchen, diesen monströsen SONNENHAMMER aufzuhalten. Irgendwie muss es mir gelingen«, sagte der Alysker zu sich selbst. Seine Worte wurden vom Mikrophon der Kamera aufgenommen.
»Mein Raumschiff ist unweit von mir entfernt. Ich…«
Weiter kam er nicht, denn eine schwarze Pranke schlug ihm ins Gesicht. Der Alysker fiel zu Boden. Ein Skurit! Jene verteufelten Wesen. Die gefürchteten Krieger aus Barym. Der Alysker wich zwei Tritten aus und sprang wieder auf. Doch da sah er unweit von ihm entfernt die rote Gestalt. Rodrom! Der Verräter Rodrom!
Das Spiel war vorbei. Er war enttarnt worden. Der Alysker drückte auf die Taste seines Fiktivtransmitters. Doch nichts geschah.
»Narr, meine Störfelder verhindern, dass du dich zurück auf den Schiff transportierst«, sprach Rodrom.
Der Skurit sprang hoch und trat den Alysker mitten ins Gesicht. Der Kiefer brach. Blutend sackte der Alysker zusammen. Mit einem mentalen Impuls an den Zentralrechner seines Schiffes, ordnete er dessen Zerstörung an. Dann fiel er auf den Boden und war dem Skurit ausgesetzt.
Der Skurit trat auf den Alysker immer wieder ein. Der Alysker sah den dreckigen Schuh mit dem geriffelten, metallischen Boden immer wieder auf sich zuschnellen. Blut floss über die Augen. Der Kopf hämmerte in tiefen Schmerzen. Rodrom trat näher.
»Nach all der Zeit seid ihr Alysker immer noch nicht reifer geworden. Eure Zeit ist seit der Geburt MODRORs abgelaufen. Eure finsteren Brüder hatten dies erkannt nur ihr benehmt euch wie eine alte Diva, die das Rampenlicht nicht verlassen kann«, sagte Rodrom. Er wirkte amüsiert. Der Alysker dachte nur an den Schmerz. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren und wusste, dass er versagt hatte. Im Grunde genommen hatte er das von Anfang an gewusst. Deshalb hatte er Sato Ambush fortgeschickt. Um ihn zu schützen.
Rodrom nahm die blutverschmierte Kamerabrille ab.
»Ein letzter Gruß an deine Kameraden?«
Rodrom zerdrückte die Brille und ließ sie auf den Boden fallen.
Wie eine wärmende Decke hüllte sich Rodrom um den Alysker. Dann wurde es immer wärmer und heißer. Der Alysker schrie auf, verbrannte äußerlich und innerlich. Es war vorbei. Er grämte sich nicht des Todes, denn er hatte länger als die meisten gelebt. Er freute sich sogar darauf. Er verdrängte die Sorge um die Zukunft der Saggittonen, Terraner und Alysker. Er dachte an die schönen Dinge aus seiner Jugend. Seiner ersten Liebe, seiner Familie. Doch all diese Erinnerungen verwehten in einem Meer aus Flammen – bis nichts mehr von dem Alysker Arondil übrig war.
Zwei Jäger brausten über die kraterförmige Außenhülle der WORDON hinweg und bahnten sich ihren Weg über der Kommandozentrale des gigantischen Schiffes.
Rodrom verfolgte die Manöver der beiden Raumjäger. Anschließend drehte er sich um und musterte die Besatzung seiner Kommandozentrale. Er war zufrieden mit dem Ableben des Alysker Arondil. Der törichte Versuch Arondils war in einem Debakel geendet. Rodrom war sich gewiss: Niemand vermochte den SONNENHAMMER aufzuhalten.
Zukthh, der langjährige Kommandant der WORDRON stand an den Kontrollen, die einen Statusbericht über den Bau des SONNENHAMMERs lieferten.
Zukthh war in eine graue Kutte gekleidet, unter der sich eine Rüstung verbarg. Auch er gehörte dem Volk der Zievohnen an und war ein ausgezeichneter Soldat und Pilot, der sich in vielen Schlachten hervorgetan hatte.
Die Hälfte seiner Crew bestand aus seinen Artgenossen. Die andere Hälfte stammte von verschiedenen Völkern, die aus vielen Galaxien stammten.
Darunter waren die schlangenartigen Lasaar, die Vogelwesen der Atusar und die dreibeinigen Rytar.
Die Raumlandetruppen bildeten die Legionen des Chaos. Sie bestanden aus den humanoiden Kreaturen, deren Exoskelett als organischer Panzer wirkte. Die Skurit waren das mächtigste Kriegervolk der Galaxie Barym.
Niemand der Barymer wusste genau, woher diese Soldaten stammten, wessen Volk sie angehörten. Pestol hatte einst die Vermutung geäußert, es seien die rekrutierten Zievohnen, die in den näheren Bereich MODRORs gebracht wurden, doch im Grund genommen, wusste es niemand außer MODROR selbst, Rodrom und die Söhne des Chaos.
Rodrom unterbrach die Überlegungen Zukthhs als er plötzlich direkt vor ihm stand. Der Kommandant erschreckte sich innerlich, zeigte seinem Herren jedoch nichts davon.
»Wie lange dauert es noch bis zur Fertigstellung des SONNENHAMMERs? «
Zukthh wirkte verlegen, da er Rodrom keine genaue Antwort geben konnte. Jedoch war das in seinen Augen Pestols Schuld.
»Der SONNENHAMMER ist zu 70 Prozent fertig gestellt. Die Bewaffnung ist jedoch bereits voll funktionsfähig, versicherte mir Pestol« erklärte der Kommandant der WORDON.
Rodrom wirkte jedoch wenig begeistert, sofern man irgendwie eine Gefühlsregung an diesem Wesen erkennen konnte.
»Stellen Sie mir unverzüglich eine Verbindung zu Pestol her!«, befahl die Rote Entität in einem wenig freundlichen Tonfall, der durch das Knochenmark Zykkths ging.
»Ja, mein Meister.«
Pestol arbeitete fieberhaft an den letzten Vorbereitungen für die große Feuertaufe. Es durfte ihm kein Fehler unterlaufen, sonst waren Jahrhunderte der Forschung umsonst und sein Leben war verwirkt.
Eine Projektion Rodroms erschien plötzlich und ohne Vorankündigung vor dem Zievohnen, der überrascht zurückwich.
»Was kann ich für Euch tun, Meister Rodrom?«
»Der SONNENHAMMER ist erst zu 70 Prozent fertig gestellt. Warum dauert das so unendlich lange?«
Pestol schwieg für einige Momente und überlegte sich seine Antwort sehr genau. Jedes falsche Wort konnte sein letztes gewesen sein.
Er versuchte Rodrom mit einem Lächeln zu beschwichtigen.
»Herr, bei einem Gebilde dieser unglaublichen Größe ist es unmöglich, den SONNENHAMMER bis zum angestrebten Testtermin fertig zu stellen. Ich versichere Ihnen jedoch, dass vom Antrieb über den Formenergieschutzschirm bis hin zu den Strahlungsprojektoren alles funktionstüchtig ist«, erklärte der dürre Humanoid aus der Galaxis Barym.
»Das hoffe ich für Sie! Sollte dieser Test fehlschlagen, werde ich persönlich Ihre Exekution übernehmen, Pestol!«
Mit diesen klaren Worten löste sich das Holobild Rodroms auf. Pestol fasste sich an die Stirn. Dort war kein Schweiß, denn die Zievohnen konnten nicht transpirieren. Ein heißkalter Schauer lief ihm über den Rücken. Dann riss er sich wieder zusammen und machte sich an die Arbeit.
In nur zwei saggittonischen Tagen musste alles einsatzbereit sein, sonst war er verloren.
Rodrom beobachtete die pulsierende rote Sonne. Vier Planeten kreisten um diese Welt nahe dem Schwarzen Loch im Zentrum. Unweit von hier befand sich einst das Heimatsystem der Kjollen, einem Hilfsvolk der Mächte des Chaos, die jedoch aufgrund ihrer Niederlage gegen die Saggittonen von Rodrom vollständig vernichtet wurden.
Die Inkarnation MODRORs war unnachgiebig. Versagen wurde auf der Stelle mit dem Tode bestraft.
Worte konnten die abgrundtiefe Bosheit dieses Wesens kaum beschreiben. Ein Mensch konnte es nicht begreifen, warum ein Wesen so viel Hass und negative Emotionen besaß wie Rodrom.
Die Rote Entität versank in eine Art Trance. Er »lauschte« in das Universum und nahm die sterbenden Impulse SAGGITTORAs wahr.
Die Superintelligenz war am Ende. Er spürte die Angst der Milliarden von Bewusstseinen, die in eine andere Dimension abdrifteten, ohne eine Möglichkeit der Rückkehr.
SAGGITTORA war dem mentalen Duell mit Rodrom nicht gewachsen gewesen. Er hatte sie im psionischen Kampf tödlich geschwächt. Nichts konnte ihre Auflösung mehr verhindern. Doch dies war nur der Anfang.
Plötzlich schreckte Rodrom hoch. Irgendetwas stimmte nicht! Er fühlte eine Präsenz, die von größter Gefährlichkeit war.
»Er ist hier«, sprach er zu sich selbst.
Beunruhigt wandte sich Rodrom wieder dem Kommandanten der WORDON zu, der durchaus fühlte, dass etwas mit Rodrom nicht stimmte.
»Kommandant, informieren Sie Pestol, dass der Test bereits in zehn Stunden saggittonischer Zeitrechnung durchgeführt werden muss. Sollte er versagen, wird er aus der Schleuse geworfen.«
Zukthh war irritiert. »Meister? Sind zehn...«
»Wagen Sie es nicht noch einmal, meine Befehle in Frage zu stellen, Kommandant!«, herrschte Rodrom den Zievohnen an.
Zukthh salutierte vor Rodrom und lief hastig zur nächsten Funkanlage, um Pestol die Neuigkeiten zu übermitteln.
Rodrom lief wieder völlig ruhig und gefasst zum Panoramafenster der Kommandostation. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und esperte in das All hinaus.
»Ich spüre dich«, sagte er in Gedanken, ohne eine Antwort zu erwarten. »Auch du wirst uns dieses Mal nicht aufhalten können. Das Schicksal der Galaxis Saggittor ist besiegelt!«
Aurec hatte sich umgezogen und in einem Hotel direkt neben der Kneipe, die als Treffpunkt fungieren sollte, ein Zimmer gemietet.
Dort harrte er der Dinge, bis er die drei Gestalten sah, die zum Lokal gingen. Es waren Sato Ambush, Utzmuk und Serakan.
Ein sehr seltsames Gespann, wie Aurec fand, doch er vertraute den drei skurrilen Wesen am meisten in dieser Galaxis.
Der Saggittone nahm einen Thermostrahler und steckte ihn in seine schwarze Montur. Den Umhang hatte er abgelegt. Aurec wollte auf keinen Fall das Risiko eingehen, erkannt zu werden. Er sah viel zu elegant mit dieser Kleidung für diese Gegend aus. Deshalb entschloss sich der Prinz Saggittors, die Kombination etwas dreckig zu machen und ebenfalls auf die Schulterstücke und die goldenen Knöpfe zu verzichten.
Es regnete. Trotz der wenigen Meter zum Eingang der Taverne wurde das Haar Aurecs völlig durchnässt.
Er stürzte sich in das Getümmel der Besucher, um möglichst unerkannt zu bleiben. Langsam, aber zielstrebig ging er auf Serakan, Ambush und den Holpigon zu, die an der Theke auf Aurec warteten.
»Benehmt euch ganz unauffällig«, forderte Aurec und stellte sich neben sie.
»Es freut mich dich wiederzusehen, Aurec«, begrüßte Sato Ambush seinen alten Freund.
Aurec erwiderte die freundliche Geste mit einem Lächeln. Dann wurde er sofort wieder ernst und begann von Shel Norkats Aussagen zu berichten.
»Auch wir haben dieselben Informationen von SAGGITTORA bekommen«, ergänzte Ambush Aurecs Ausführungen.
Aurec machte einen verdrossenen Eindruck.
»Das bedeutet, dass Saggittor in größter Gefahr ist. Wir müssen sofort die Barriere durchstoßen und Rodrom stoppen«, forderte der Prinz Saggittors.
Ambush schüttelte den Kopf.
»Unmöglich. Die WORDON und hunderttausende andere Schiffe haben sich im Zentrum versammelt und bauen an etwas Gigantischem!«
Es kehrte für einen Moment Stille ein. Niemand wusste weiter. Nur die laute Musik des Akustikautomaten war zu hören.
»Ich habe einen Vorschlag«, meldete sich Utzmuk zu Wort »Die Holpigons werden mit der Evakuierung der Völker beginnen, während ihr versucht, Rodrom zu schlagen.«
Aurec war erfreut über die Hilfsbereitschaft des Schneckenwesens. Doch die Lage war immer noch aussichtslos, solange nicht alle Völker mitzogen. Perus und Waskoch hatten die Kontrolle über die Armee und Regierung. Was konnte Aurec tun? Nichts! Nichts, außer...
»Wir kapern die SAGRITON«, schlug Aurec vor.
Serakan blickte seinen Freund entsetzt an.
»Wir können doch nicht einfach das größte Raumschiff in der Galaxis kapern. Wie sollen wir das anstellen?«
Aurec grinste.
»Ganz einfach. Die Holpigons werden uns unterstützen. Außerdem haben wir viele Anhänger, die mit Perus' Politik nicht einverstanden sind. Du, Serakan, wirst sie anwerben. Wir werden in fünf Stunden zuschlagen und haben dann ein Machtmittel, um die Barriere zu erforschen«, erklärte der Prinz Saggittors.
Den anderen, insbesondere Serakan, war nicht sonderlich wohl bei diesem Gedanken. Aurecs Plan war mehr als verwegen und obendrein sehr gefährlich.
»Wir haben noch einen weiteren Trumpf«, erzählte Aurec weiter. »Die SAGRITON besitzt eine Schaltung, mit der ich die Syntroniken aller anderen Schiffe und dazugehörigen Robotern kontrollieren kann.
Diese Schaltung wurde nach der Dolphus-Krise eingesetzt, um derartige Missbräuche zu verhindern. Sie hört nur auf drei Personen: mich selbst, dem Kommandanten der SAGRITON und dem amtierenden Kanzler. Es reichen jedoch die Stimmencodes von zwei der drei Autorisierten völlig aus.«
Sato Ambush nickte wohlwollend über den klug durchdachten Plan Aurecs. Er ergänzte, dass man somit die Möglichkeit hätte, genügend Raumschiffe für eine Evakuierung bereitzustellen. Aurec und Serakan konnten sich jedoch nicht mit dem Gedanken anfreunden, Saggittor aufzugeben. Diese Galaxis war ihre Heimat und über 30 Billionen Lebewesen bevölkerten die Sterneninsel.
Wie sollte man all diese retten? Selbst bei einer zusammengenommenen Kapazität von 500.000 Schlachtschiffen aller Völker konnte man vielleicht ein paar Milliarden retten, doch niemals Billionen. Das war unmöglich!
Sie hatten keine Zeit, großartig über diese Schwierigkeiten nachzudenken. Aurec gab das Zeichen, sofort loszulegen. Serakan brach auf, um in den Kasernen nach Verbündeten zu suchen. Utzmuk nahm sofort Kontakt mit dem Botschafter der Holpigons, Vendoch auf. Ambush und Aurec wollten verschiedene Politiker aufsuchen, um sie vor Perus und Rodrom zu warnen. Weit kamen sie jedoch nicht.
Als sie den Raum verlassen wollten, standen zwei Trötter und ein Saggittone vor ihnen. Aurec erkannte sie sofort.
»Oh, ich hätte euch angezogen beinahe nicht erkannt«, meinte er sarkastisch und versetzte, bevor Waskoch etwas entgegnen konnte, einem Trötter einen Tritt in den Magen. Dann packte er Ambush und lief durch die Menge zum nächsten Ausgang.
Waskoch verlor die Nerven und feuerte mit einem Thermogewehr auf die Flüchtigen. Dabei tötete er ein gutes Dutzend Unschuldige.
Aurec und Ambush konnten durch eine Hintertür fliehen. Der Japaner hatte jedoch Mühe, mit dem Tempo des Saggittonen mitzuhalten.
»Was ist, Sato? Hast du nicht mehr deine Fähigkeit, dich zu entmaterialisieren?«
Der kleine Asiate verneinte.
»Dies war eine Fähigkeit, die ich in den Ebenen der Multiversen besaß. SAGGITTORA hat mich wieder zu einem normalen Menschen gemacht... mit all seinen Schwächen«, keuchte der Pararealist.
Aurec dachte auch über Satos Zellaktivator nach, den er durch die Verschmelzung mit seinem Para-Ich Embuscade übernommen hatte. Besaß er diesen Zellaktivator noch? Doch jetzt war nicht die Zeit darüber nachzudenken, denn Waskoch und seine beiden Trötter-Killer waren den beiden schon dicht auf den Fersen.
Zwei Energieschüsse schlugen in einer Wand seitlich von Aurec ein. Er warf sich zu Boden und riss Ambush mit.
»Hätte ich doch bloß eine Waffe«, fluchte Aurec.
»Das Ki könnte eine Waffe sein«, erklärte Ambush.
Aurec schüttelte den Kopf und packte Ambush als er weiterlief. Sie rannten in eine kleine Gasse.
»Ihr beiden rennt um den Block. Wir nehmen sie in die Zange«, befahl Waskoch. Er feuerte drei Salven auf die Flüchtigen, verfehlte sie jedoch.
Die beiden Trötter teilten sich links und rechts auf. Sie bahnte sich ihren Weg durch die Passanten.
Aurec und Ambush hasteten durch den schmalen Weg. Waskoch war vielleicht einhundert bis zweihundert Meter hinter ihnen. Ein Zaun versperrte ihnen den Weg. Zu Aurecs Überraschung hüpfte Sato mit einem lauten Schrei an die obere Kante des Zauns und stieg mühelos herüber, während der Saggittone hochklettern musste.
Waskoch holte auf!
»Bleiben Sie stehen, Aurec. Ergeben Sie sich!«, brüllte der Offizier den beiden Flüchtigen hinterher. Natürlich machten weder Aurec noch Ambush Anstalten, die auf eine Aufgabe hindeuteten.
Brüllend stürzte sich Waskoch auf den Zaun und kletterte in zwei Sätzen herüber. Dann lief er, so schnell er konnte, hinter den beiden her, die gerade eine Straße überquerten.
Dabei wurde Aurec von einem der Trötter angesprungen. Er warf den Prinzen Saggittors zu Boden und beide rangen mitten auf der Straße. Gleiter zischten an ihnen vorbei. Aurec konnte dem Hundewesen zwei Faustschläge auf die Schnauze geben und stieß ihn weg. Der Trötter wollte sofort hinter dem weglaufenden Saggittonen her, doch ein Lastengleiter versperrte ihm den Weg.
Waskoch konnte nur noch zusehen, wie die beiden entkommen konnten. Der andere Trötter kam keuchend zu den beiden Offizieren und schüttelte nur den Kopf.
Waskoch blickte einen der Trötter vielsagend an. Dann nahm er seinen Thermostrahler und schoss ihn nieder.
»Das ist der Lohn für Versager«, knirschte er verächtlich zwischen seinen Zähnen hervor. Der andere Trötter war zutiefst geschockt.
»Sind Sie wahnsinnig? Er war mein Freund!«
Waskoch sah aus, als hätte ihm jemand gesagt, er war der größte Abschaum des Universums. Wütend richtete er die Waffe auf den anderen Trötter.
»Dann kannst du deinem Freund folgen!«, fletschte er und drückte ab. Zwei Passanten, welche die Schießerei mitverfolgt hatten, schüchterte Waskoch ein. Er ließ sich ihre ID-Karten zeigen und drohte, sie zu finden und zu töten, sollten sie irgendetwas der Polizei sagen. Die beiden Varnider versicherten, dass sie nichts weitersagen würden.
Waskoch grinste kurz, dann rannte er davon. All seine Prinzipien hatte er von Bord geworfen. Im Rausch der neuen Macht war er nun bereit alles zu tun. Sollte Rodrom tatsächlich angreifen, so war es eh gleichgültig. Milliarden würden sterben. Was kümmerte da schon der Tod weniger? Waskoch würde jedenfalls mit der SAGRITON seine Heimat verlassen, sollte es zu einem Angriff kommen. Vielleicht würde er eine neue, saggittonische Kolonie nach seinen Vorstellungen aufbauen. Und er selbst würde König von Waskochtorium werden. Ja, Waskochtorium war ein würdiger Name.
Er aktivierte sein Interkomgerät.
»Offizier, lokalisieren Sie mich und schicken Sie einen Gleiter zu mir«, befahl der Kommandant der SAGRITON und Verteidigungsminister.
»Ach ja«, fügte er noch hinzu. »Ich gebe Ihnen zwei ID-Codes durch. Finden Sie diese Leute und eliminieren Sie sie. Es sind Feinde des Volkes.«
Serakan war es in der Tat möglich gewesen, innerhalb von nur zwei Stunden über dreihundert Freiwillige zu finden, die ihr Leben für Aurec und die Freiheit Saggittors opfern würden. Aurec und Sato Ambush kamen völlig außer Atem am vereinbarten Treffpunkt an.
Der Prinz Saggittors hielt es für nötig, eine kleine Ansprache zu halten, um die Soldaten sowohl über die Gefährlichkeit als auch die Notwendigkeit ihrer Mission aufzuklären.
»Saggittonen! Noch nie war die Lage so ernst wie jetzt! Rodrom und die Mächte des Chaos sind wieder in der Galaxis und haben unsere Schutzpatronin, die Superintelligenz SAGGITTORA vernichtet!
Laut Aussage SAGGITTORAs wird Rodrom diese Galaxis vernichten. Deshalb müssen wir schnell handeln. Perus und Waskoch sehen nicht die Gefahr und denken nur an ihre eigene Macht.
Wir müssen schnell und konsequent die Raumschiffe in unsere Hand bringen. Zum einen müssen wir die Evakuierung der vielen Welten organisieren und zum anderen müssen wir Rodrom die Stirn bieten!«
Die entschlossene Ansprache beeindruckte die Soldaten Saggittors. Sie jubelten ihrem Kanzler zu, doch plötzlich waren die Soldaten in ein gleißendes Flutlicht gebadet. Space-Copter und Gleiter brausten über ihre Köpfe hinweg.
»Hier spricht der Verteidigungsminister Waskoch. Sie sind umstellt. Ergeben Sie sich oder Sie werden unverzüglich und ohne weitere Warnung erschossen!«
Die Soldaten waren bereit für Aurec zu sterben, doch der Prinz Saggittors wollte kein weiteres Blutvergießen riskieren.
Er signalisierte die Kapitulation. Irgendwie musste Waskoch von dieser Aktion erfahren haben. Wahrscheinlich hatte er Serakan beschattet.
Einige hundert Soldaten stürmten den Platz und nahmen die Soldaten, Serakan, Ambush und Aurec fest. Waskochs Spacecopter landete wenige Meter vor ihnen. Der arrogante Militär lief entschlossen auf Aurec zu.
In seinem Gesicht spiegelte sich Genugtuung wieder.
»Meuterei, Diebstahl und Aufwiegelung gegen die Regierung. Darauf wird neuerdings der Tod stehen. Es wird mir eine Freude sein, Sie selbst zu richten, Aurec«, sprach Waskoch kalt.
»Woher kommt dieser Hass, Waskoch? Es ist nicht lange her, da haben wir Seite an Seite in Dorgon gekämpft.«
Aurec blickte den Saggittonen verständnislos an. Er war maßlos enttäuscht und traurig über den Verlust ihrer Freundschaft.
»Wir hätten Dorgon erobern können, doch Saggittonen haben völlig sinnlos ihr Blut vergossen. Zurück in der Heimat haben wir das getan, was wir immer getan haben: Verwaltet! Wir haben vor uns hin gelebt, ohne die Zeichen der Zeit zu deuten«, sagte Waskoch aufgebracht.
Er packte Aurec am Kragen und zog ihn zu sich.
»Wir haben die Barriere und die Kjollen besiegt, wir haben die Dorgonen besiegt. Wir sind auserkoren, mehr Galaxien zu beherrschen, doch du hast dich lieber melancholisch verkrochen. Perus hat Visionen. Deshalb folge ich ihm.«
»Galaxien zu beherrschen? Du siehst doch, wie trügerisch das ist. Wir alle haben Rodrom unterschätzt. Er ist zurück und wir müssen geschlossen gegen ihn kämpfen und uns um die Zivilisten kümmern.«
Waskoch ließ Aurec los und blickte ihn abfällig an.
»Wenn das so ist, wird es eine natürliche Auslese der saggittonischen Völker geben. Vielleicht ist das nicht verkehrt.«
In diesem Moment fühlte Aurec kein Mitleid und Unverständnis mehr gegenüber Waskoch, sondern nur noch reine Abscheu und Verachtung.
Waskoch befahl seinen Wachen, die Gefangenen in den Spacecopter zu bringen.
Von dort aus wurden sie in den Palast von Perus gebracht. Waskoch lachte überlegen, jetzt hatte er sein Ziel erreicht.
Er wusste nicht, wie unwichtig dieser Sieg doch war.
Pestol wurde zu Rodrom zitiert. Der Zievohne lief eilenden Schrittes zur Kommandozentrale. Die große Tür öffnete sich und Zukthh warf einen Blick auf seinen Artgenossen, der jedoch wenig Angst vor Rodrom hatte. Denn er war im Besitz erfreulicher Neuigkeiten.
Pestol lief den langen Gang zum Panoramafenster entlang, bis er vor dem roten Wesen stand.
»Nun, Pestol?«
»Meister! Der SONNENHAMMER ist einsatzbereit. Wir können ihn sofort testen«, erklang die freudige Stimme Pestols, die sich überschlug.
Rodrom drehte sich zu dem Zievohnen herum und betrachtete ihn durchdringend. Keine Reaktion war zu erkennen, dann sprach er:
»Sehr gut, Baumeister! Bereiten Sie alles vor. Wir werden den SONNENHAMMER an der Sonne Zeptonis-Gamma anwenden!«
Nicht umsonst hatte Rodrom das Ungetüm aus Barym nach Saggittor schaffen lassen. Er hatte fest damit gerechnet, dass der SONNENHAMMER in Saggittor einsatzbereit sein würde. Was interessierten ihn die Defensiv- und Offensivbewaffnung, die Mannschaftsquartiere, hydroponischen Gärten oder Freizeiteinrichtungen. Die Funktionalität des SONNENHAMMERs war wichtig. Seine Offensivbewaffnung und ein Schutzschirm für die Sonnen. Der barymische Flotte würde die Saggittonen schon auf Distanz halten, sollte es ihnen gelingen, die Barriere zu durchbrechen, wonach es nicht aussah.
»Also, Kurs zum Zeptonis-Cluster«, wiederholte Rodrom seinen Befehl. Er war sogar ein wenig heiter. Einen Alysker getötet, SAGGITTORA besiegt und nun kam Saggittor an die Reihe. Doch Rodrom war damit noch nicht am Ende seines Meisterstücks.
MODROR hatte ihn gesegnet. Auch wenn Rodrom sich als Geisteswesen am wohlsten fühlte, so war er keine Superintelligenz. Wohlan war er es ihm möglich, die Bewusstseine von Existenzen in sich zu tragen. So hatte er Zechon entvölkert und diese herrlich negativen Wesen um Prinz Prosperoh erschaffen und erneut in sich aufgehen lassen. Die Ur-Bevölkerung von Zechon war längst mit den fiktiven Figuren verschmolzen und hatte ihre Rollen eingenommen. Ein ganzes, gepeinigtes Volk mit der Charakteristik eines melancholischen Horrorbuches barg jede Menge negative Energie. Rodrom gedachte, sie auch einzusetzen. Vielleicht sogar an diesem heutigen Tage gegen einen Widersacher, der zugegeben mächtiger als Rodrom war.
Was weder Pestol noch Zukthh wussten, war, dass auf Zeptonis-Gamma die Superintelligenz SAGGITTORA mit dem Tode rang.
Rodrom wusste es jedoch. Nun wollte er seinen Sieg über die Superintelligenz voll auskosten. Die WORDON nahm Kurs auf das System. Pestol salutierte vor dem Roten und verließ das Keilschiff, um auf den SONNENHAMMER zu wechseln.
Das gigantische 10.000 Kilometer durchmessende Gebilde setzte sich in Bewegung. Ein unglaubliches Bild bot sich den Beobachtern, als dieser planetengroße SONNENHAMMER der WORDON folgte.
Pestol hatte die Kommandozentrale erreicht und beobachtete das Schauspiel. Er war der Architekt dieses Wunderwerks des Universums.
»Lichtsprung vorbereiten«, befahl er.
Die Besatzung des SONNENHAMMERs bestand hauptsächlich aus den dreibeinigen Rytar, die ein außergewöhnliches Verständnis für Technik besaßen.
Der SONNENHAMMER bahnte sich seinen Weg durch das System. Er hüllte ganze Planeten in Dunkelheit. Pestol kamen beinahe die Tränen bei diesem Anblick. Er war stolz auf sich und sehnte den Moment der Machtdemonstration dieser größten Waffen des Universums entgegen.
Er hatte alle Tests abgeschlossen. Rein theoretisch funktionierte jedes Gerät an Bord des SONNENHAMMERs.
Sie gingen in den Hyperraum, um nur nach wenigen Minuten im Zeptonis-Gamma System zu sein. Da lag sie vor ihnen: Eine blaue Sonne mit einem Durchmesser von 478.899 Kilometern. Die Feuerkraft des SONNENHAMMERs hätte sie bereits vernichtet, doch das war nicht das Ziel des SONNENHAMMERs. Er sollte nicht eine Sonne vernichten, nein, er sollte die ganze Galaxis zerstören!
Rodrom setzte sich in den breiten Kommandosessel und beobachtete die blaue Sonne. Wenn er schon gezwungen war, in seiner stofflichen Form beizuwohnen, dann wollte er es wenigstens bequem haben. Zukthh musterte seinen Kommandanten und schien auf dessen Befehle zu warten.
Der SONNENHAMMER bahnte sich langsam seinen Weg zur Sonne. Er war nur noch drei Millionen Kilometer von ihr entfernt.
»Zukthh, halten Sie die WORDON jederzeit für einen Sprung in den Hyperraum bereit«, befahl Rodrom, der gespannt den Flug des SONNENHAMMERS zur Sonne beobachtete.
In diesem Moment erschien eine Holodarstellung von Pestol. Der Zievohne machte einen äußerst zufriedenen Eindruck.
»Meister, alles läuft nach Plan. Nur noch zwei Millionen Kilometer bis zum Kontakt«, erklärte er.
Rodrom nickte schwach.
»Handeln Sie nach Ihrem Ermessen, Baumeister.«
Pestol nickte unterwürfig. Er gab den Rytar die Anweisungen, den Formenergieschutzschirm auf 40 Prozent Leistung einzustellen. In seiner Überheblichkeit nahm Pestol an, dass diese Leistung zum Schutz vor den Sonnenenergien reichen müsste.
»Entfernung noch 1,5 Millionen Kilometer«, erklang die Stimme Pestols durch die Lautsprecher auf der WORDON.
Der SONNENHAMMER näherte sich unaufhaltsam der Sonne.
»Eine Million Kilometer.«
Pestol gab den Rytar Bescheid, die Generatoren für die Hyperstrahlung-Fusionsblocker-Transistenten zu aktivieren. Ein Ruck ging durch den SONNENHAMMER. Nun war er voll funktionsfähig.
800.000 Kilometer... 700.000 Kilometer... 600.000 Kilometer... 500.000 Kilometer.
»Formenergie auf 75 Prozent erhöhen«, forderte Pestol, um sicherzugehen, dass nichts passieren würde. Er wurde nun doch nervös. Ein Versagen würde ihm den Kopf kosten. Bestenfalls.
Rodrom saß immer noch bewegungslos auf dem Kommandosessel und beobachtete den gewaltigen SONNENHAMMER. Die Zeit lief ab. Es waren noch weniger als 100.000 Kilometer Entfernung zu der blauen Sonne.
Dann war es soweit. Der SONNENHAMMER tauchte in die Sonne ein und verschwand nach wenigen Sekunden.
Die visuelle Verbindung war erloschen. Auch die Audioverbindung war kollabiert. Rodrom stand von seinem Sessel auf und ging zum Panoramafenster.
Er senkte den Kopf leicht nach links und wartete auf eine Reaktion. Doch nichts geschah. Was war passiert? Hielt die Formenergie des SONNENHAMMERs nicht stand? War Pestol unfähig?
Doch plötzlich gab es eine Reaktion...
Pestol befand sich mit dem SONNENHAMMER mitten in der Sonne. Das gigantische Monstrum bahnte sich seinen Weg durch die Korona, die Chromosphäre, die Photosphäre ins Sonneninnere.
Könnte der Zievohne schwitzen, würde er es sicher tun.
»Bericht«, rief er.
»Sämtliche Werte in Ordnung. Wir nähern uns dem Sonnenkern«, erklärte ein Rytar.
Der SONNENHAMMER flog immer näher zum Sonnenkern. Als er ihn erreicht hatte, war es soweit.
Im Sonnenkern fanden die Kernfusionen statt, die die Energien der Sonnen freiließen. Ein immer wiederkehrender Prozess, der Zeptonis-Gamma 2 Licht und Wärme spendete. Pestol spielte Gott und wollte diesen Prozess unterbinden.
»Hyperstrahlungsprojektoren ausfahren«, befahl er.
In einer unglaublichen Hitze von knapp vierzehn Millionen Grad Celsius wurden sechs gigantische Antennen, geschützt von der speziellen Formenergie, ausgefahren.
Pestol beobachtete die Werte.
Dann aktivierte der die Hyperstrahlungsprojektoren. Sie entfalteten sofort ihre Wirkung und unterbanden die Fusionsprozesse im Sonneninneren.
Die Sonne würde durch den unerwartet fehlenden Fusionsdruck kollabieren und zu einer Supernova werden. Die Projektoren manipulierten die Hyperstrahlung der Sonne, die diese mit Überlichtgeschwindigkeit verließen. Die sogenannten Hyperfrequenten-Fusionsblocker Transistenten richteten die modifizierte Hyperstrahlung der Sonne auf die nahegelegenen Sonnen. Die Strahlung sorgte dafür, dass bei den beschossenen Sonnen die Fusionsprozesse ebenfalls zum Stillstand kamen.
Dieser Prozess würde sich bei allen betroffenen Sonnen wiederholen und zu einem Lawineneffekt in der Galaxis führen.
Die Hyperstrahlungsprojektoren taten ihren Dienst. Die freigewordene Energie trat in den Hyperraum ein und bahnte sich den Weg zur nächsten Sonne.
Die Sonne Zeptonis Gamma konnte den fehlenden Fusionsdruck nicht mehr kompensieren und kollabierte zu einer Supernova.
»Raus hier!«, brüllte Pestol.
Sofort beschleunigte der SONNENHAMMER und verließ innerhalb weniger Sekunden die immer größer werdende Sonne, die drohte, das gesamte Sonnensystem zu verschlingen.
Pestol blickte erregt hinter sich.
Es hat funktioniert! jubelte er in Gedanken. In diesem Moment fühlte er sich mächtig, denn er war im Besitz der mächtigsten Waffe im Universum.
Pestol dachte nicht an den Schaden, den er angerichtet hatte. Er dachte nicht an die vielen Billionen Lebewesen in Saggittor, die jetzt sterben mussten, sollte seine mutierte Hyperfrequentierte Fusionsblocker Transistenten tatsächlich die nächste Sonne erreichen und denselben Prozess wiederholen.
Rodrom ballte die Fäuste, als er die kollabierende Sonne sah. Der SONNENHAMMER schoss aus dem blauen Riesen hervor und trat sofort in den Hyperraum ein.
»Zukthh, kehren wir zum Zentrum zurück«, befahl Rodrom.
Innerhalb weniger Sekunden hatte auch die WORDON das sterbende System verlassen. SAGGITTORA hatte diesen Angriff nicht überlebt. Sie löste sich vollständig auf und war Geschichte.
Zwei Siege hatte Rodrom innerhalb von wenigen Momenten errungen. Es schien so, als funktionierte der SONNENHAMMER einwandfrei.
Das Hologramm von Pestol erschien.
»Sehr gut, Baumeister«, lobte Rodrom. »Doch ist die Waffe auch ausgereift?«
Pestol grinste. Er aktivierte ein weiteres Holo. Sie stellte das benachbarte System dar. Die Sonne schrumpfte kurzzeitig zusammen und verging als Supernova, die das ganze System mit sich riss.
Beweis genug für Rodrom, dass die mutierten Strahlungen die Sonnen ebenfalls zum kollabieren brachten.
»Es ist vollbracht. Zukkth, informieren Sie unsere Streitkräfte, dass wir Saggittor verlassen. In nur zwei Wochen wird die ganze Galaxis zerstört sein. Nicht einmal DORGON wird das verhindern können. Dafür trage ich im Moment Sorge...«
Die WORDON und der SONNENHAMMER verließen die sterbende Galaxis. Hunderttausende von Schiffen folgten ihnen und ließen Billionen Lebewesen ihrem Schicksal ausgeliefert zurück.
Perus saß in einer Liege und ließ sich die Füße massieren. Dabei las er die neuesten Entwicklungen auf dem Wirtschaftsmarkt. Es wurde Zeit, so dachte er, dass man die Wirtschaft wesentlich freier aber auch härter gestalten sollte.
Er wurde in seinen Überlegungen von Waskoch gestört, der die große Holztür unsanft aufstieß und auf seinen Kanzler zulief.
»Ich will hoffen, Sie haben einen guten Grund für Ihr Benehmen«, sprach Perus verdrossen.
Der oberste Militär lächelte zufrieden.
»Ich habe Aurec wiedergefunden«, erklärte er stolz. »Noch viel besser ist die Tatsache, dass mir ebenfalls Serakan, dieser Terraner und über dreihundert Rebellen mit ihm in die Netze gegangen sind!«
Perus nickte wohlwollend.
»Sehr gut. Bereite die Hinrichtung Aurecs vor«, befahl der skrupellose Kanzler. »Sie soll im Geheimen stattfinden und nicht an die Öffentlichkeit dringen. Den Medien sagen wir, dass Aurec bei einem Fluchtversuch getötet wurde. Die anderen dreihundert werden ein Militärverfahren über sich ergehen lassen müssen.«
Waskoch salutierte und verließ den Raum so stürmisch, wie er ihn betreten hatte. Perus faltete die Hände ineinander und dachte eine Weile über alles nach.
Für einen kleinen Moment kam es ihm so vor, als würde er eine Stimme hören, die zu ihm sagte:
Weiche von diesem Kurs, mein Bruder. Die Galaxis ist dem Untergang geweiht. Rette sie und hilf nicht den Mächten des Chaos, die Katastrophe zu verschlimmern.
Was war das? Sein Gewissen?
Perus schüttelte verächtlich den Kopf. Irgendwelche Hirngespinste trieben ihn zu solchen Halluzinationen. Er musste dringend mit seinem Psychiater sprechen. Wenn Aurec tot war, würde Perus erst einmal einen ausgedehnten Urlaub auf der Welt Sivirkus machen. Dort gab es den besten Wein der Galaxis.
*
Aurec lief mit gefesselten Händen durch die dunklen Kellerkorridore. Es war ihm klar, wo er enden würde. Der Galgen stand in einem großen Raum. Dort sollte sein Leben nun ein Ende finden.
Waskoch lief neben dem Prinzen Saggittors und verzog keine Miene. Sie erreichten den Raum!
Aurec wurde unsanft auf das Podest gebracht. Der Strick wurde um seinen Hals gelegt.
So also starb der schillernde Regent Saggittors.
»Gibt es keine Anklage? Keinen letzten Wunsch?«, wollte Aurec wissen.
Waskoch spuckte Aurec als Antwort ins Gesicht. Dann gab er das Zeichen. Der Henker umfasste den Hebel. Doch er zögerte. Seine Hände fingen an zu zittern. Dann setzte er wieder ab.
»Ich kann es nicht. Aurec ist ein Held. Wir sind alle Mörder!«, brüllte der Henker und sank auf die Knie.
Waskoch schüttelte erbost den Kopf und schoss den Henker mit seinem Nadlerstrahler nieder. Aurec versuchte, sich zu befreien. Waskoch stürmte auf den Podest, doch Aurec stieß ihn mit den Beinen herunter.
Die anderen beiden Wachen zogen ihre Energiestrahler, zögerten jedoch auf den Prinzen Saggittors zu schießen.
Der Versuch, sich von dem Strick zu befreien, schlug fehl. Während Waskoch noch benommen auf dem Boden lag, richtete sich der angeschossene Henker auf und schnitt die Fesseln an Aurecs Händen durch, bevor er leblos zusammenbrach.
Aurec stürzte sich auf Waskoch und schlug ihn nieder. Die beiden Wachen standen unsicher an der Tür und wollten weder auf Aurec noch auf Waskoch schießen. Aurec nahm dessen Strahler und paralysierte die beiden Wächter, bevor sie sich zu einer Entscheidung durchringen konnten. Er lief durch den Korridor und konnte sich an den anderen Wachen vorbei schleichen.
Aurecs Ziel war klar: Der Senat. Dort wollte er vorsprechen und alle Delegierten vor der Gefahr Rodroms warnen. Doch hinter sich hörte er bereits die Schritte und das Brüllen von Waskoch.
Aurec rannte durch die Korridore, bis er einen Ausgang erreicht hatte. Inzwischen heulten die Alarmsirenen auf. Er überwältigte einen heranstürmenden Saggittonen und kletterte auf eine Notleiter, die zum Dach führte. Das Regierungsgebäude lag direkt daneben.
Waskoch verfolgte ihn und traf Aurec mit einem gezielten Schuss an der rechten Schulter. Mit aller Mühe erreichte Aurec die vorletzte Sprosse bis zum Dach, da packte Waskoch ihn am Bein.
»Sie werden noch hier und heute sterben«, brüllte der Offizier.
Aurec versuchte Waskoch mit Schlägen und Tritten loszuwerden, doch es funktionierte nicht. Mit aller Kraft zog er sich hoch und gelangte auf das Dach. Doch Waskoch konnte ebenfalls das Dach erreichen und griff Aurec unverzüglich an.
Die beiden rangen um den Energiestrahler, doch Waskoch konnte die Oberhand gewinnen. Er trat Aurec in den Solarplexus und schnappte sich den Strahler, den er nun auf den erschöpften ehemaligen Kanzler richtete.
»Nun ist es aus!«
In dem Moment brauste ein Gleiter über das Dach. Ein Strahlenschuss löste sich.
»Nun hat es eingeschlagen«, sagte Waskoch zufrieden.
Aurec tastete sich ab und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er knapp.
Dann sah er das verschmorte Loch an Waskochs Brust. Aurec stand gelassen auf und deutete auf die Wunde, die Waskoch noch nicht richtig realisiert hatte.
»Es hat bei Ihnen eingeschlagen.«
Waskoch bemerkte nun auch die Wunde und den Schmerz. Der Schock ließ nach und so spürte er physisch die Verletzung. Waskoch zitterte. Es gelang ihm nicht, die Waffe gerade auf Aurec zu richten. Nein, er schaffte es nicht einmal, den Abzug zu betätigen.
Er verdrehte die Augen und wollte noch etwas sagen, doch er brach zusammen und blieb leblos auf dem Boden liegen. Aurec blickte zum Gleiter. Serakan gab ihm ein Zeichen.
Aurec machte eine Geste des Dankes. Dann landete der Gleiter auf dem Dach und Serakan kam hastig herangeeilt.
»Im Zentrum ist die Hölle los. Die Sonnen im Zentrum vergehen plötzlich zu Supernovae und der Durchmesser der Zerstörung wird immer größer. Die Barriere ist erloschen, ein Sonnensystem nach dem anderen geht in den Untergang«, erklärte Serakan betroffen.
Aurec fasste sich kurz an die Schläfe und massierte diese. Der Kopf brummte und schmerzte. Diese Nachricht verbesserte seinen Gesundheitszustand nicht. Er musste mit einer Situation klar kommen, mit der wohl kaum jemand konfrontiert wird: Dem unwiderruflichen Untergang der eigenen Galaxis. Aurec dachte an die Billionen Lebewesen. Und damit meinte er nur die raumfahrenden Intelligenzvölker und ihre Kolonisten. Es gab sicher ebenso viele primitive Existenzen, die trotzdem das Recht auf Leben hatten. Wie sollte er die alle retten? Das war unmöglich!
Saggittor würde untergehen. Er wusste es. Er spürte, dass es kein Zurück mehr gab. Bei SAGGITTORA, seine Heimat würde untergehen. Wie lange durfte er noch in die gelbe Sonne Saggit sehen? Wann würde sie vergehen und Saggitton in den Tod mitreißen. Die Hauptstadt Nooran mit ihren rotgelben Kuppelbauten, ihren prächtigen Bögen und Marktplätzen würde zu Asche zerfallen. Die dichten, üppigen Wälder würden im Feuer verwehen.
Der Palast mit seinen im Dreieck angeordneten Rundbauten würde aufhören zu existieren. Hier war Aurec aufgewachsen. Hier hatte er sein Leben verbracht und hier war seine Familie bestattet worden. Doch Aurec durfte sich nicht mit den Toten aufhalten, noch mit leblosen Gebäuden. So sehr es auch schmerzte. Es gab allein 374 besiedelte Systeme mit Saggittonen. Mehr als das dreifache kam an Sonnensystemen der Holpigons, Varnider, Trötter und Multivon dazu. Dazu kamen weitaus mehr Systeme mit bewohnten Planeten, deren Zivilisationen jedoch keine Raumfahrt betrieben. Wie sollte man sie evakuieren, wenn sie doch gar nicht wussten, dass sie nicht die einzigen im Universum waren?
Die Bevölkerung der knapp 1.500 Systeme bekannter, raumfahrender Völker umfasste schon knapp 20 Billionen Lebewesen.
Aurec sprach mehr zu sich selbst, als zu den anderen. So als ob er das Unfassbare noch einmal bestätigen wollte: »SAGGITTORA und Shel hatten recht behalten. Der Untergang Saggittors ist unaufhaltsam. Wir müssen mit dem Rat sprechen.«
Aurecs Rede war kurz und knapp. Der Rat hatte keinerlei Zweifel an der Wahrheit der Worte. Die Völker waren in Panik. Evakuierungen der zentrumsnahen Systeme wurden sofort veranlasst. Die Holpigons gingen dabei mit einem guten Beispiel voran und hatten schon vor Stunden viele Raumschiffe für die Evakuierung vorbereitet.
Perus ließ sich im Senat nicht blicken. Er war auch nicht in seiner Residenz. Es war, als hätte sich der Kanzler bereits abgesetzt.
Aurec wurde seine Macht zurückgegeben. Auf diese Würden hätte er auch gerne verzichtet, wenn damit Saggittor gerettet würde.
Sato Ambush trat während der Rede an die Delegierten heran.
»Wissenschaftler aus allen Völkern haben mit Hilfe meiner Wenigkeit die Dauer der Vernichtung Saggittors berechnet. Wenn sich der Lawineneffekt in dieser Geschwindigkeit fortführt, dann wird die ganze Galaxis innerhalb von zwei Wochen keine Sonne mehr besitzen. Das entspricht 33 Diats eurer Zeitrechnung«, erklärte Ambush.
Panik brach nun auch bei den Senatoren und Abgeordneten aus. Sie waren ratlos. Hätten sie auf Aurec gehört, hätte man ein paar Tage mehr für die Rettung der Lebewesen gehabt. Jeder war sich im Klaren, dass viele Billionen ihr Leben lassen würden.
Aurec wirkte niedergeschlagen. Serakan, Utzmuk und Ambush kümmerten sich um die Evakuierung der Hauptwelten. Doch was sollte mit den anderen Welten passieren? Man konnte sie doch nicht ihrem Schicksal überlassen!
Aurec ballte die Fäuste zusammen und biss sich auf die Lippe. Der Schmerz, der dabei entstand, war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den er in seinem Herzen fühlte. Seine Heimat würde untergehen.
Die Schuld daran trug Rodrom. Doch hinter Rodrom steckte noch jemand anderes. Aurec kannte den Namen; MODROR.
Warum wollte dieses Wesen den Untergang aller Zivilisationen? Was hatten sie ihm getan? Wie konnte ein Wesen nur so abgrundtief diabolisch sein? Warum halfen ihnen die Kosmokraten nicht bei dieser Katastrophe?
»Befreie deine Gedanken von diesen Fragen. Die Antwort wirst du eines Tages finden«, hörte Aurec eine ihm nicht unbekannte Stimme. Er fühlte eine positive Aura voller Reinheit, Güte und Gerechtigkeit.
Neben ihm stand ein Mann mit einem langen grauen Bart und langen Haaren in derselben Farbe. Er war in einem schlichten weißen Gewand gekleidet und von einer leuchtenden Aura umgeben.
»DORGON!«, sagte Aurec fast erschrocken.
Der Mann lächelte gütig.
»Hab keine Angst um die Zukunft der Bewohner dieser Galaxis, Aurec. Ich werde mich ihrer annehmen«, erklärte die Entität.
Aurec brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was überhaupt vor sich ging. Er stand auf und stellte sich direkt vor DORGON.
»Wie kannst du ihnen helfen? Kannst du dieses Desaster stoppen?«
DORGON senkte sein Haupt bedächtig.
»Mein Freund, ich bin kein Magier. Ich kann den Prozess nicht aufhalten, aber ich kann dein Volk retten. Höre mir gut zu.
Brich mit 500.000 Schiffen ausgewählter Saggittonen, Trötter, Varnider, Holpigons und Multivons auf und fliege zum Sternenportal. Ihr habt 22 Diats Zeit, ehe eine Supernova auch das System des Portals zerstören wird. Die restlichen Raumschiffe müssen den langen Weg zur Lokalen Gruppe antreten, um von dort aus durch das Sternenportal zu gehen.
Ich übermittele euch die Koordinaten der Galaxis Cartwheel. Sie ist weit, weit entfernt. Dort wird eure neue Heimat sein. Zusammen mit etwa 50 anderen Völkern, darunter auch die Terraner und Dorgonen, werdet ihr Cartwheel neues Leben schenken und zu einer Festung gegen MODRORs Armeen der Finsternis ausbauen.«
Aurec brachte beinahe keine Silbe mehr heraus. Er brauchte eine Weile, um das zu begreifen. Wusste DORGON etwa vorher von dem Untergang Saggittors. Wieso die Terraner. Ihm kam ein schrecklicher Verdacht.
»Wurde die Milchstraße auch vernichtet?«
»Oh, nein, nein. Nur Saggittor ist betroffen.«
DORGON seufzte.
»Ich wollte zu euch, um euch für dieses kosmische Projekt zu gewinnen. Die Besiedelung Cartwheels, um ein Bollwerk gegen MODROR zu schaffen. Ich bedaure, dass ihr eure Reise unter diesen umständen antreten müsst. Die Terraner und anderen Völker haben Pioniere nach Cartwheel geschickt, um sie zu kolonisieren. Nun wird es zwangsläufig eure neue Heimat.«
Aurec verstand. Er stand irgendwie unter Schock. Diese vielen Ereignisse zu verarbeiten, war schwer. Die alte Heimat starb und eine neue wartete auf sie. Sicherlich würde es für die Überlebenden ein Segen sein, auf bewohnte Welten zu kommen und nicht ihr Dasein in Raumschiffen zu fristen. Doch…
»Und... und was wird aus den anderen?«
»Wie die verlorenen Konzepte SAGGITTORAs werde ich sie in mich aufnehmen. Dort werden sie solange ein Teil von mir sein, bis sie eine neue Bestimmung bekommen werden. Sei unbesorgt, sie werden es bei mir gut haben«, erklärte DORGON.
Aurec wusste nicht, was er davon halten sollte. Waren sie dann tot? Jedenfalls würden sie in einer anderen Existenzform weiter leben. Waren es dann noch Saggittonen? Aurec wollte darüber jetzt nicht nachdenken. Er klammerte sich an die Hoffnung, dass es ihnen besser gehen würde. Doch es würde schmerzliche Abschiede geben. Es musste schnell entschieden werden, wer mitreisen durfte und wer zurück blieb. Aurec beneidete die Administratoren nicht. Und er selbst musste diese Entscheidung auf Saggitton treffen. Aurec hob den Finger.
»Einen kleinen Moment«, bat er DORGON.
Der Kanzler ging an den Interkom und stellte eine Verbindung mit allen Evakuierungsleitern her.
»Meine Herren und Damen, wir wissen, dass wir …« Aurec hielt inne und wandte sich DORGON zu.
»In welchem Zustand werden die neuen Welten sein?«
»Wie Saggittor, wie Horww und die anderen Planeten. Es ist für alles gesorgt. Ich habe Jahrtausende investiert, um die Infrastruktur in Cartwheel bauen zu lassen. Ihr werdet Häuser im Stil der Saggittonen und Nahrung vorfinden.«
Aurec war wieder überrascht. Er brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Dann fiel ihm wieder ein, dass er die Einsatzleiter ja noch an der Strippe hatte.
»Wir haben erfahren, dass wir durch das Sternenportal in eine neue Heimat fliegen werden. Rauoch, ich übermittle dir die Koordinaten der Galaxis Cartwheel. Sorge dafür, dass jedes Raumschiff sie erhält. Da die Reise kurz sein wird und in unserer neuen Heimat laut der Entität DORGON Häuser und Nahrung bereit sein wird, verzichtet darauf, Lebensmittel für mehr als zehn Diat mitzunehmen. Dann haben wir mehr Platz für Lebewesen. Wir müssen uns nicht auf ein langes Vagabundendasein einstellen. Rettet die Leben zuerst.«
Aurec wusste, wie schmerzlich dieser Befehl war. Denn zum einen hatten auch die Raumschiffkommandanten und ihre Crew große Angst, dass mit zu vielen Passagieren die Lebensmittel knapp werden würden. Zum anderen musste so viel zurück gelassen werden. Kunstschätze, Bauten, die Kultur der Galaxis, die nicht digital archiviert werden konnte. All das blieb zurück und wurde vernichtet. Doch Aurec schöpfte Hoffnung. Sie würden eine neue Kultur in diesem Cartwheel aufbauen. Sie würden es schaffen. Deshalb galt es, so viele Leben wie möglich zu retten.
In diesem Moment betrat Utzmuk den Raum. Er wirkte nicht überrascht, als er DORGON sah – im Gegenteil, er kroch auf die Entität zu.
»Ich habe bereits mit Utzmuk gesprochen. Ich habe viel Vertrauen in den klugen Holpigon. Er soll die Saggittonen in mir führen, während du mit Serakan und Ambush nach Cartwheel aufbrichst.«
Aurec war das nicht recht.
»Ich will bei dem Großteil meines Volkes sein. Ich bin für sie verantwortlich«, wandte er ein.
DORGON nickte verständnisvoll.
»Du sprichst mit reinem Herzen, mein Freund. Doch dein Schicksal ist es, gegen MODROR und seine apokalyptischen Höllenhunde zu kämpfen. Du und Perry Rhodan, ihr seid vielleicht die letzte Hoffnung für das Universum.
Du hast gesehen, zu was MODROR in der Lage ist. Sollen alle Galaxien dieses Schicksal erleiden und MODROR in der Lage sein, ein Universum nach seinen Vorstellungen zu schaffen? Das wäre das Ende aller Ordnung, allen Friedens, aller Freiheit und aller Liebe.«
DORGON war etwas Besonderes. Das fühlte Aurec. So sprach vermutlich kein Kosmokrat und keine Superintelligenz. Welche Entität kümmerte sich schon um Liebe? Das wichtigste und höchste Gut im Universum.
»DORGON, was für ein Geisteswesen bist du? Du wirkst anders als eine Superintelligenz oder ein Kosmokrat«, forschte Aurec nach.
DORGON lächelte wieder gütig. Ein Lächeln, welches Aurec selbst in dieser schlimmen Situation ein Gefühl der Geborgenheit gab.
»Eines Tages wirst du es erfahren. Doch dafür ist noch nicht die Zeit gekommen. Machen wir uns jetzt an die Arbeit.
Utzmuk? Bist du bereit?«
Der Holpigon verneigte sich als Zeichen der Bereitschaft. In diesem Moment begann er sich aufzulösen. DORGONs Aura weitete sich aus und umhüllte den Holpigon.
»Aurec, es ist die Zeit des Abschieds. Ich werde jetzt die Bevölkerung vieler Welten aufnehmen. Nur die Wesen nahe der Welten Saggitton, Horww, Varnid, Trott und Mulvok bleiben in Saggittor. Diese Planeten und die umliegenden Systeme könnt ihr evakuieren. Für die anderen wäre es zu spät. Du musst diese Wesen zur Insel Cartwheel bringen. Dort wirst du alles weitere erfahren. Bevor ich gehe, möchte dir noch jemand auf wiedersehen sagen...«
Eine Gestalt trat aus dem Licht heraus. Es war Shel Norkat. Aurec hatte mit den Tränen zu kämpfen. Shel ergriff seine Hand. Dieses Mal war sie warm.
»Shel, ich wünschte, ich hätte dich damals nicht zurück auf der LONDON gelassen«, gestand Aurec.
Shel lächelte.
»Es ist nun einmal passiert«, sagte sie. »Eines Tages werden wir uns vielleicht in einer anderen Welt wiedertreffen. Jetzt rette dein Volk und das Universum vor MODROR und Rodrom. Lebe Wohl...«
Mit diesen Worten verschwanden Shel Norkat und DORGON. Aurec blieb alleine im Raum zurück.
Er brauchte eine Weile, um sich wieder zu fassen. In tiefster Demut dachte er an das Wesen DORGON. Aurec wusste nicht, was DORGON darstellte. Eine Superintelligenz agierte zumeist in ihrer Mächtigkeitsballung. DORGON hingegen operierte über viele Millionen Lichtjahre. Für einen Kosmokraten oder Chaotarchen war er hingegen zu freundlich, zu aufgeschlossen. Was war DORGON?
Aurec musste später darüber nachdenken. Er eilte aus dem Raum und berichtete den Senatoren von der Botschaft DORGONs.
*
Ein Diat war vergangen. Die ersten Meldungen von entvölkerten Planeten erreichten den Kanzler einer sterbenden Galaxis. DORGON hielt Wort. Er begann damit, die Bevölkerung diverser Planeten vor ihrem sicheren Ende zu retten.
Den Saggittonen blieben nun 27 bewohnte Welten zur Evakuierung übrig. Das war ein großes Unterfangen. Knapp 50 Milliarden Saggittonen, Holpigon, Varnider, Trötter und Multivon mussten verschifft und zum Sternenportal gebracht werden.
*
In den nächsten 18 Diats wurden alle 27 Welten evakuiert. Insgesamt fünfzig Milliarden Wesen wurden auf 500.000 Raumschiffen aller Größen einquartiert.
Aurec befand sich auf der SAGRITON. Neben ihm beobachteten Sato Ambush und Serakan den Untergang der Sonne Saggit.
Es gab keinen Saggittonen, der bei diesem traurigen Anblick keine Träne vergoss. Niemand nahm diese offene Trauer übel.
Die Sonne Saggit blähte sich auf und verhüllte alle Welten. Auch Saggitton blieb nicht verschont. Die einstige Prachtstätte der Galaxis existierte nicht mehr.
Aurec wandte sich an Serakan.
»Haben wir alle evakuiert?«
Serakan nickte traurig.
»Es gab nur eine Handvoll arme Seelen, die in ihrer Heimat sterben wollten«, erklärte der Kommandant der SAGRITON. »Perus haben wir tot in seiner Residenz aufgefunden. Er hat sich vergiftet.«
Aurec nahm diese Meldung mit unbewegter Miene zur Kenntnis.
Sato Ambush trat an den Prinzen Saggittors heran. Der Japaner wirkte wie immer ruhig und ausgeglichen.
»Perus hat das ihm vorbestimmte Schicksal erlitten. Dir und deinem Volk ist eine andere Bestimmung vorhergesehen. DORGON hat uns den Weg gewiesen.«
Aurec lächelte schwach.
»Ein seltsamer Weg. Fünfzig Milliarden heimatlose Lebewesen, in 500.000 Raumschiffe gepfercht, sollen zu einer Insel fliegen. Und dort? Wir müssen ganz von vorn anfangen...«
Ambush machte eine Geste der Geduld.
»DORGON hat für alles gesorgt. Vertraue mir. Ich und der Alysker waren über das Projekt informiert. Es ist gewaltig. Aber für die Saggittonen ist es die Rettung.
Ich werde ab jetzt an deiner Seite sein, Aurec.«
Aurec war leicht verwundert.
»Das bedeutet, du bleibst in diesem Universum?«
Der Pararealist nickte.
Aurec war darüber höchst erfreut.
»Meine Zeit bei dem Alysker ist vorbei. Ich fürchte, er ist gestorben. Vermutlich hat er versucht, Rodrom aufzuhalten.«
»Das tut mir leid«, sagte Aurec.
Viel hatte er von dem Alysker nicht gehört. Außer, dass Ambush ihn hier und da mal erwähnte. Doch einmal war ihm dieses Wesen begegnet. Damals auf der LONDON, als Aurec einen Hinweis von Ambush und diesem Wesen mit den großen Augen und spitzen Ohren über ein Bild erhalten hatte. Das war das einzige Mal, dass er dieses Wesen gesehen hatte. Wenn Ambush recht hatte, so blieb es auch dabei. Immerhin hatte Ambush in den letzten zehn Jahren dieses Wesen begleitet. Für ihn musste es ein schwerer Abschied sein. Und trotzdem, nun war Ambush frei und konnte wieder zu seinem Volk zurückkehren.
Aurec ging ein paar Schritte durch die Kommandostation und betrachtete die Offiziere, Techniker und Arbeiter an den Kontrollen.
In seinem Herzen nahm er Abschied von M 64, dem Schwarzen Auge Saggittor. Er warf einen letzten Blick auf die durch die Supernovae erhellte Galaxis.
Im nächsten Moment wandte er sich wieder an Serakan.
»Lasst uns aufbrechen. Kurs auf das Sternenportal«, sprach Aurec. »Ich hoffe, wir finden in Cartwheel wirklich eine neue Heimat für uns...«
Serakan leitete die Befehle weiter. Von der SAGRITON angeführt setzte sich ein gewaltiger Pulk von über 500.000 Raumschiffen mit heimatlosen Saggittonen an Bord in Bewegung. Ihr Ziel war für sie ungewiss. Sie wussten nur zwei Dinge: Terraner und Dorgonen schienen dort zu leben und den Namen: Die Insel Cartwheel...
ENDE
Der SONNENHAMMER hat die Galaxis Saggittor ins Verderben gerissen. Aurec ist mit 20 Milliarden Wesen zur geheimnisvollen Insel aufgebrochen. Doch nicht nur er macht sich auf den Weg dorthin.
Die Ankunft in Cartwheel schildern Dominik Hauber und Nils Hirseland im nächsten Heft mit dem Titel: »REISE ZUR STERNENINSEL«
Reif für die INSEL
Nun ist es also heraus – die ominöse »Göttin« SAGGITTORA existiert tatsächlich; sie ist tatsächlich eine Superintelligenz und sie lebt tatsächlich im Zentrum von Saggittor.
Die schlechte Nachricht ist nun allerdings – das Volk von Saggittor wird mit dieser frohen Botschaft wenig anfangen können, denn SAGGITTORA stirbt. In den Zentrumsregionen tobt ein Krieg, der Krieg zwischen SAGGITORA und den Mächten des Chaos, allen voran der früher schon einmal erwähnten Roten Entität.
Dieser Begriff lässt natürlich eine Menge Raum für Spekulationen, und ich bin mir sicher, ich bin nicht der einzige Leser, auf den die spontane Assoziation mit Dauerfiesling Cau Thon schon wie das sprichwörtliche rote Tuch wirkt... Allerdings ist allein durch die Erwähnung des Wortes »rot« noch lange nicht gesagt, dass es sich tatsächlich um unsere bekannte Rothaut handelt. Ganz im Gegenteil, das Multiversum ist voll von roten Wesenheiten, Orten und Konzepten... Und es ist noch lange nicht sicher, dass die Bezeichnung dieser Entität tatsächlich auf ihrer äußerlich sichtbaren Farbe basiert. Schließlich sind solche höheren Wesen für gewöhnlich fünf- oder mehrdimensional, so dass auch die Wahrnehmung unserer beschränkten dreieinhalb Dimensionen für sie leicht bis mittelschwer verzerrt sein kann.
Trotzdem werde ich den Verdacht nicht los, dass wir bald ein Wiedersehen mit Cau Thon erleben werden...
Nun wird der Konflikt also akut...
Die Mächte des Chaos, die bisher im Zentrum der Galaxis Saggittor ihr Süppchen gebraut und ihre Pläne geschmiedet haben, werden aktiv – und richten mit diesem Auftakt eine ganze Galaxis zugrunde.
Tatsächlich war man die ganze Zeit alles andere als untätig... und während um sie herum die Galaxis blühte und gedieh, arbeitete das Chaos an einer Superwaffe, einem Schiff von Planetengröße, dem SONNENHAMMER, der in einem einzigen Einsatz ein Sonnensystem komplett auslöscht und in den Nachwirkungen eine komplette Galaxis ins Verderben reißt.
Nun ist Saggittor also vernichtet, alle, die noch können, fliehen – und der gute alte DORGON bietet sich natürlich liebevoll an, um jene, die sterben oder nicht mehr zu retten sind, in sich aufzunehmen, während er dem Rest bei der Evakuierung in Richtung INSEL hilft. Eigentlich doch rührend, wie freundlich der Alte den Leidtragenden unter die Arme greift... oder?
Natürlich, die Sterbenden werden von DORGON in sich aufgenommen, damit sie dem Tod entgehen und in ihm das ewige Leben finden... aber was hat DORGON davon? Klar doch, die Macht einer Superintelligenz wächst mit der Anzahl an Bewusstseinsinhalten, die sie in sich trägt. Und was sagen wohl jene dazu, die er in sich aufgenommen hat? Wurden sie überhaupt gefragt?
Dann die Evakuierung – schön, dass der Zufall in Form einer zerstörten Galaxis DORGON so weit unterstützt, dass er die Saggittonen, Holpigons und wie sie auch heißen mögen genau dorthin schicken kann, wo er sie haben will – auf die INSEL. Zufall...?
Auch das Argument, dass jeder in DORGONs Nähe sich gut und glücklich fühlt, überzeugt mich nicht vollständig... was wäre eine Superintelligenz, wenn sie nicht ihre tatsächlichen Auswirkungen auf niedere Sterbliche verschleiern könnte...
Vielleicht bin ich aber auch einfach bloß zu misstrauisch.
Martin Schuster
Perus ist ein Bilderbuchpolitiker. Er studierte lange und machte einen Doktortitel in Marktwirtschaft und ging dann in die Politik. Er schloss sich der politischen Gruppierung »Saggittor« an, die ziemlich konservative Ansichten vertrat.
Perus machte sich durch unzählige Erfolge in kleineren Regionen einen Namen und fordert seit vielen Jahren, Reformen in der Wirtschaftspolitik. Er will das eingesessene Prinzip der Republik kippen und dafür eine härtere Marktwirtschaft einführen, um den Wert des Geldes zu steigern und einen richtigen Wettbewerb zu schaffen.
Dass bei diesen Bestrebungen die Gefahr von Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit vom Geld als Nebenwirkung eintreten könnte, interessierte ihn nicht.
Schon oft hat Perus Aurec offen kritisiert und will für die nächsten Wahlen kandidieren, obwohl bis jetzt niemand eine Chance gegen den Volkshelden Aurec gehabt hat, doch Perus ist bereit über Leichen zu gehen. Und tatsächlich kann Perus die mentale Schwäche von Aurec während des Erscheinens des Konzepts von Shel Norkat ausnutzen, um ihn zu stürzen. Doch die Regierung Perus dauert nicht lange, da er mit der Gefahr durch Rodrom nicht fertig wird. Aurec kommt wieder an die Macht und Perus begeht Selbstmord nachdem der Untergang Saggittors und auch seiner politischen Laufbahn feststeht.
Steckbrief
Geboren: 1212 NGZ
Gestorben: 1296 NGZ
Geburtsort: Saggittor M64
Größe: 1,68 Meter
Gewicht: 89 kg
Augenfarbe: grün
Haarfarbe: grau
Bemerkungen: Korpulent, unfreundliche Ausstrahlung, faltiges und feistes Gesicht. Charaktereigenschaften: machthungrig, intrigant, lügnerisch und stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht.
Schiff des Trötters Mulvok. Der Schiffsrumpf ist eine würfelförmige Konstruktion mit einer Kantenlänge von 50 Metern. Die Aussenhülle ist mit zahlreichen Aufbauten gespickt und lässt das Schiff etwa 20 Meter größer erscheinen, als es eigentlich ist.
Die ZESSEL verfügt über einen verhältnismäßig starken Metagrav-Antrieb und einen ausgezeichneten Ortungsschutz, der es für konventionelle Taster unsichtbar macht. Offensivsysteme sind jedoch kaum vorhanden und beschränken sich auf ein kleines, leistungsschwaches Geschütz.
Nach Aussagen des Trötters Mulvok ist die ZESSEL ein Fundstück, das er vor Jahren bei seinen Streifzügen in der Nähe des galaktischen Zentrums entdeckte. Dort fand der Trötter eine fast vollkommen zerstörte, im freien Weltraum schwebende Plattform.
Über 90% der 5-Eckigen Plattform waren zerstört.
Bei seiner Erkundung fand er in einem ausgebrannten Hangar die ZESSEL.
Das kleine Schiff erwies sich als flugfähig und in Takt.
Mulvok konnte das Schiff noch bergen, bevor die Station der Gravitation einer nahen Sonne unterlag und in der Chronosphäre verglühte.
Mit Hilfe des Bord-Syntrons erlernte der Trötter die Bedienung und Steuerung des Schiffes und nutzte seine Eigenschaften fortan um riskante und vor allem gut bezahlte Einsätze zu fliegen. Sato Ambush äußert die Vermutung, dass die ZESSEL Teil einer Station der alten Saggittonen gewesen sein könnte, die durch den Angriff der Chaosmächte zerstört wurde. Es gibt jedoch keine offizielle Bestätigung für diese Vermutung.
Der SONNENHAMMERS hat die Form einer langgezogen Doppelpyramide. Die Außenhaut besteht aus einem silbernen unbekannten Material. Die Seitenlänge einer Pyramide beträgt 5.000 Kilometer, so dass der SONNENHAMMER insgesamt eine Länge von etwa 10.000 Kilometern hat.
Er wurde von dem Zievohnen Pestol innerhalb von 800 Jahren konstruiert. Das erste Mal wird der SONNENHAMMER im Jahre 1296 NGZ in Saggittor getestet. Zu diesem Zeitpunkt ist er nur zu 70 Prozent fertiggestellt, jedoch funktionieren Antrieb, Navigation, Schutzschirm und Waffensysteme einwandfrei.
Der SONNENHAMMER ist in der Lage in den Kern einer Sonne einzudringen, in dem ständig Kernfusionen stattfinden, die für die Energie und Wärme einer Sonne sorgen. Er wird dabei von einer speziellen Formenergie geschützt. Sechs Hyperstrahlungsprojektoren unterbinden mit Hilfe von einer bestimmten Hyperstrahlung die Fusionsprozesse in dieser Sonne. Die Sonne würde durch den fehlenden Fusionsdruck kollabieren und zu einer Supernova werden. Die Projektoren manipulierten die Hyperstrahlung der Sonne, die diese mit Überlichtgeschwindigkeit verließen. Die sogenannten Hyperfrequenten-Fusionsblocker Transistenten richteten die modifizierte Hyperstrahlung der Sonne auf die nahegelegenen Sonnen. Die Strahlung sorgte dafür, dass bei den beschossenen Sonnen die Fusionsprozesse ebenfalls zum Stillstand kamen. Dieser Prozess würde sich bei allen betroffenen Sonnen wiederholen und zu einem Lawineneffekt in der Galaxis führen.
Pestol ist ein Wissenschaftler aus dem Volk der Zievohnen. Er hatte das Amt des Forschungsministers inne als Cau Thon ihn für den Bau des SONNENHAMMERs anwarb und ihm Zellduschen verlieh. Pestol ist ein Idealist, doch mit der Zeit sind seine ethischen Grundsätze abgestorben und er sehnt sich nach Macht und ewigem Leben, welches ihm mit Fertigstellung des SONNENHAMMERS versprochen wird.
Nach Vollendung des SONNENHAMMERs führt Pestol in Rodroms Auftrag die Zerstörung von Saggittor durch.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2015
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 36, veröffentlicht am 04.09.2015 —
Titelillustration: Heiko Popp • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Digitale Formate: Jürgen Seel