Band 35
Cartwheel-Zyklus
Die Barriere im Zentrum wird reaktiviert
Tobias Schäfer & Thomas Rabenstein
Was bisher geschah Wir schreiben Anfang des Jahres 1295 NGZ. In der Lokalen Gruppe folgen Milliarden Wesen dem Ruf der Entität DORGON und besiedeln die 500 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Cartwheel, um eine Bastion gegen die Armeen der finsteren Entität MODROR zu errichten. Währenddessen gehen in Saggittor unheimliche Dinge vor. Nicht nur, dass sich der charismatische saggittonische Kanzler Aurec in einer schlechten Verfassung befindet, die alte Barriere im Zentrum der Galaxis wird reaktiviert. Es sind WIRREN IN SAGGITTOR… |
Hauptpersonen Aurec – Der Prinz Saggittors befindet sich in einer Krise. Serakan – Aurecs Freund und Vertrauter. Perus – Ein gefährlicher Senator greift nach der Macht. Waskoch – Der Kommandant der SAGRITON ist ein Anhänger Perus. Eby Rylo und Quandt Dferon – Sie versuchen die Barriere zu erkunden. |
Besorgnis zeichnete das einprägsame Gesicht des leicht untersetzten Mannes. Mit einer achtlosen Geste wischte er sich die schwarzen Haare aus den Augen. Sein eleganter Anzug knisterte bei dieser leichten Bewegung.
Der Grund seiner Besorgnis stand wenige Meter entfernt hinter dem Schreibtisch und starrte mit ausdrucksloser Miene durch die formenergetischen Fensterfelder.
Formenergie – eine eindrucksvolle Technik, doch gedankenlos benutzt wie alle Einrichtungen einer hochstehenden Kultur.
Serakan, der Mann mit den graugrünen Augen und Vertrauter der Gestalt vor dem Fenster, schüttelte diese Gedanken von sich. Es gab jetzt wahrlich schwerwiegendere Probleme zu bewältigen! Dort drüben stand ein Mann, der sich langsam einer Krise näherte. Serakan wusste, woran das Regierungsoberhaupt Saggittors dachte.
Vier Jahre seit dem Zwischenfall in Dorgons Unterwelt – eine lange Zeit, doch zu kurz für die Seele eines Wesens um den Schmerz zu überwinden, den der Tod eines geliebten Menschen verursachte.
Vier Jahre seit der Rückkehr nach Saggittor – es waren vier lange und harte Jahre gewesen. Unter dem Einfluss des saggittonischen Regenten hatten sich die sozialpolitischen Zustände in der Galaxis weiterhin deutlich verbessert und gefestigt. In diesen vier Jahren war Serakan, ebenfalls Dorgon-Veteran und Kommandant der SAGRITON, zum Vertrauten Aurecs geworden.
Nach vier Jahren an der Seite seines Regenten war ihm eines klar: Aurec würde so schnell nicht über den Tod jener Dorgonin mit Namen Ulesia hinwegkommen.
Oft saß er vor archivierten Holo-Darstellungen, die vor etwas mehr als drei Jahren während der Widerstandskämpfe angefertigt wurden. Auch Serakan wusste, was diese Bilder zeigten – den Tod Ulesias, in den Rücken getroffen von einem Energieschuss.
Sodann die Reaktion Aurecs und des vermeintlichen Überläufers, der später höhnisch die Wahrheit offenbarte: Er hatte sie getötet. Er hatte damit den Anführer der Fremden, der sich Aurec nannte, treffen wollen. Und es war ihm gelungen. Trotz des erfolgreichen Ausgangs der Mission konnte Aurec nicht mehr aus der tiefen Trauer gerissen werden.
Serakan dachte an die Beurteilung durch die Psychologen. Demnach steigerte sich Aurecs Apathie und sein Schmerz ständig, je mehr er über Ulesia nachdachte.
Mit seinem letzten Wort setzte sich Senator Perus. Der korpulente Politiker mit der hohen Stirn musterte die Delegierten und spürte den Erfolg seiner Rede.
Perus war ein Bilderbuchpolitiker. Er hatte ein langes Studium absolviert, errang einen Doktortitel in Marktwirtschaft und ging dann in die Politik. Er schloss sich der Partei »Die Saggittonen« an, die ziemlich konservative Ansichten vertraten.
Perus machte sich durch unzählige Erfolge in kleineren Regionen einen Namen und forderte seit vielen Jahren Reformen in der Wirtschaftspolitik. Er wollte das etablierte Prinzip der Republik kippen und dafür eine härtere Marktwirtschaft einführen, um den Wert des Geldes zu steigern und einen richtigen Wettbewerb zu schaffen.
Dass bei diesen Bestrebungen die Gefahr von Arbeitslosigkeit und eine verstärkte Abhängigkeit vom Geld als Nebenwirkung eintreten würde, interessierte ihn nicht. Er fand seine Anhänger sogar in völlig entgegen gesetzten Lagern, nachdem er sich dafür aussprach, dass Frauen von ihrer Familienrolle nicht mehr behindert werden sollten, um am Arbeitsleben teilnehmen zu können. Das wiederum brachte ihm aber Kritik von den Konservativen ein, welche besonders Einflüsse aus der Lokalen Gruppe kritisierten. Perus war polarisierend und ein ernstzunehmender Gegenkandidat zu Aurec.
Schon oft hatte Perus Aurec offen kritisiert und wollte für die nächsten Wahlen kandidieren, obwohl bis jetzt niemand eine Chance gegen den Volkshelden Aurec gehabt hatte. Doch Perus war bereit über Leichen zu gehen.
Absolute Stille herrschte in dem Saal. Die Delegierten Saggittors saßen in dem arenaartigen Rund, in dessen Mitte ein sich drehendes Hologramm der Galaxis schwebte. Niemand sagte ein Wort, nicht einmal das Rascheln eines der hochwertigen Gewänder war zu vernehmen. Bewegungslosigkeit. Starre Gesichter überall auf den Rängen, hier Entsetzen und Ablehnung, dort Befriedigung.
Auf Perus' Gesicht lag ein Hauch von höchster Befriedigung. Entspannt lehnte er in seinem Energiefeld, das leise vibrierte und sein Wohlbehagen noch steigerte. Dieses Schweigen zeugte von größtem Respekt, den er bei seinen Zuhörern hinterlassen hatte. Dabei war es nicht von Belang, ob es hier und da Abgesandte gab, die mit seiner Handlungsweise und seinen Zielen nicht einverstanden waren. Selbst hartnäckige Gegner seiner Politik konnten sich dem Bann seiner Worte nicht entziehen.
Es war, als durchliefe die Gesellschaft eine Metamorphose – Mit jedem verstreichenden Tag wurde die Entwicklung zu seinen Gunsten beeinflusst. Ob es nun an seinen Aktivitäten allein lag, war ihm im Grunde relativ gleichgültig. Allerdings begrüßte er Aurecs Zurückhaltung mit Genugtuung, auch wenn er sie nicht verstand.
Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre eine Beeinflussung der Staatsführung in solch einem Maße nicht möglich gewesen. Damals hatte der saggittonische Kanzler tendenziell sehr schnell reagiert und seine Position fest im Griff gehabt. Warum dieser überaus kräftige Charakter seinen Einfluss immer mehr einbüßte, war dem Senator nur unvollständig bekannt. Man munkelte von ungeheuer strapaziösen Geschehnissen, die vor vier Jahren in Dorgon stattgefunden haben sollten. Damals soll Aurec seine Willenskraft verloren haben, so die Meinung der Psychologen.
Aber das interessierte Perus nicht sonderlich. Ihm kam diese Schwächephase entgegen, er nutzte sie aus und hatte beachtlichen Erfolg mit seiner Taktik.
Bevor er sich erhob, um die Ratsversammlung zu verlassen, ließ er noch einmal seinen Blick durch die Arena über die Menge gleiten.
Ja, dieses war sein Spielfeld, hier hatte Aurec ausgespielt!
Hinter seinem Rücken brach der Tumult stundenlanger Diskussionen los.
*
»Ey, d... du Schp... pinnaaaaah!« Aurec wurde angerempelt. Sein Nacken wurde plötzlich von einem eiskalten, nassen Schwall getroffen, der nach alkoholischen Vino stank. Gleichgültig drehte er sich um und erblickte einen Mann, dessen Gesicht enorm gerötet und offensichtlich vom Alkohol stark erhitzt war. Zusätzlich schwankte er mit zunehmender Frequenz hin- und her, bis ein Metallpfeiler seiner ungewöhnlichen Funktion als Stütze nachkam.
Der Mann röchelte kurz, spuckte Aurec vor die Füße und stammelte unverständliches Zeug.
Im gleichen Atemzug verabschiedete sich das arme Gemüt und Aurec konnte seinen Weg ungestört fortsetzen.
Dieser Zwischenfall hatte seine Stimmung nicht gehoben, so wie es früher der Fall gewesen wäre. Im Gegenteil, er war sich nun sicher, sein Ziel, das ihm von seinen Psychologen und vor allem von Serakan ans Herz gelegt wurde, nicht erreichen zu können.
Aurec sah vor sich die kleine Bar auftauchen, wo er sich mit Serakan verabredet hatte. Er blieb kurz stehen, seufzte stoßartig und betrat das gemütlich und trotzdem modern aussehende Ambiente.
Aus der dicken, rauchgeschwängerten Luft hörte er die amüsiert klingende Stimme des Kommandanten der SAGRITON. Entweder hatte er alte Bekannte getroffen oder, ähnlich der Gestalt aus Aurecs Erlebnis, einen über den Durst getrunken. Widerwillig bahnte sich der Kanzler einen Weg durch die Menschenmassen, bis er Serakan schließlich an der Bar sitzend fand, sich mit beiden Händen festhaltend, die eine an seiner Nachbarin, die andere am großformatigen Glas voller Sorfa-Bier.
»Komm her, Kollege, setz dich zu uns und erfrische deine Kehle mit dem kühlen Naß dieses begabten Kerls!« Der Dunst aus Serakans Mund hätte Aurecs Meinung nach auf die Dame abstoßend wirken müssen. Doch anscheinend befand sie sich in ähnlichem Zustand, denn sie lachte herzhaft und schlang einen Arm um den Kommandanten.
Aurec gab nach. Seine Bekannten und die neuen Bekanntschaften verfielen wieder ihren regen Unterhaltungen oder anderen Aktivitäten, Serakan begab sich sogar auf die Tanzfläche, gefolgt von jener attraktiven Dame, die kaum noch von seiner Seite wich. Aurec selbst verhielt sich zurückhaltend und ließ seine stumpfen Blicke langsam und ziellos durch die Menge gleiten. Es war lange her, seit er das letzte Mal ein derartiges Etablissement besucht hatte. Seine Funktion als Kanzler Saggittors hatte es ihm nicht gestattet – seit vielen Jahren nicht mehr. Ihm kam gar nicht zu Bewusstsein, dass er früher genauso wie Serakan gefeiert hatte, häufig bis an die Grenzen seiner körperlichen Belastbarkeit.
»Wir schaffen es nicht einmal, seine Aufmerksamkeit auf uns, geschweige denn auf die hübschen Damen hier zu lenken!« Resignation begleitete die Worte aus dem plötzlich klar artikulierenden Mund Serakans. Besorgte Blicke von ihm und der jungen Frau glitten ab und zu zwischen zwei kecken Hopsern hinüber zu der Bar, wo Aurec unbewegt saß und nicht das geringste Interesse an seiner Umgebung zeigte.
»Wir können uns nur weiter Mühe geben«, bemerkte die Frau. »Irgendwie muss er doch auf andere Gedanken gebracht werden können! Wenn er sie denn wenigstens bemerken würde! Ich glaube kaum, dass keine der anwesenden Mädchen jener Ulesia das Wasser reichen kann! Wieso ist er nicht aus seiner Lethargie zu reißen?«
Serakan zuckte zusammen. War Aurec wirklich lethargisch? Hatte Perus vielleicht recht? Aber nein, so schlimm konnte es noch nicht sein! Saggittor ging es besser denn je, in Staatsangelegenheiten ließ Aurec nach wie vor nichts anbrennen. Doch es konnte ebenso sein, dass ihn die Trauer überwältigte und in einen tiefen persönlichen Abgrund stürzte, aus dem es kein Zurück gab. Aurec musste Ulesia vergessen! Und was war dazu besser geeignet als eine gelungene Beziehung? Oder ging er, Serakan, den falschen Weg, musste Aurec nur einige Zeit ein wenig abschalten, um dann mit neuem Elan sein Schicksal zu meistern?
»Lassen wir es genug sein für heute!«
Schwankenden Ganges bewegten sich die beiden erneut auf ihren Kanzler zu und ließen sich von ihm nach Hause führen, ganz ihrer Rolle von sehr betrunkenen Partylöwen gerecht werdend.
Ein Schatten glitt an ihnen vorbei. Leise und geschmeidig wie eine Katze verschwand er in der tiefen Schwärze der Nacht.
»Woher kommst du? Wohin gehst du? Kommst du wieder? Wer bist du?« Die schweigsamen Augen Aurecs glänzten fiebrig, Serakan warf ihm wieder besorgte Blicke zu. Noch verstand er diese Worte nicht – Noch nicht.
*
...und es hilft keinem unserer Völker, von der verweichlichenden Politik des Kanzlers eingeschläfert zu werden! Jedes Volk braucht ein greifbares Ziel, es muss sich einer ständigen Anforderung gegenüber sehen. Es sind vielfältige Beispiele bekannt, in denen sich Völker in den Untergang steuerten, weil sie zu bequem waren, ihr Leben trotz der quasi perfekten Technik mit persönlicher Arbeit zu gestalten!
Diesen Weg will ich unseren Völkern ersparen, denn er führt in die falsche Richtung. Unser einstmals hochgeachteter Kanzler verfolgt, ob bewusst oder nicht spielt hier keine Rolle, einen politischen Weg, der unseren Einflussbereich langsam aber sicher in einen lethargischen Zustand führen muss. Und dann, wenn die Wesen geistig zu labil geworden sind um sich selbst für einen Neuanfang aufzuraffen, dann beginnt der schnelle Untergang der Kulturen.
Aurec ist nicht mehr in der Lage, die Entwicklung vorauszusehen. Er verfolgt ein utopisches Ziel mit seiner Sozialpolitik. Er ist handlungsunfähig. Es mag momentan so aussehen, als verwirkliche er den Traum vieler Generationen, doch fehlt ihm wie auch den Völkern der innere Ansporn, die Entwicklung voranzutreiben.
Aurec ist der Prototyp des Endes. Gleich ihm werden wir in tiefster Lethargie versinken, verursacht durch sekundäre Erlebnisse, denen unser schwacher Geist nicht mehr gewachsen sein wird und an ihnen zerbricht. Galaxisweite Lethargie ist das Endprodukt seiner Politik! Nur eine Wirtschafts- und Arbeitsreform kann die Bürger jetzt aus diesem eingelullten Zustand wecken. Das persönliche Engagement muss wieder Grundlage der eigenen Existenz sein!
Aus: »Umsturzbewegungen Saggittors« von Senator Perus
Es regnete in Strömen. Dunkelste Wolken bedeckten den Himmel, als habe die Wetterkontrollzentrale extra zu diesem inoffiziellen Anlass ihre unangenehmsten Programme gestartet.
Der starke, böige Wind blies den beiden stumm dastehenden Männern die dicken Regentropfen in die Gesichter. Unwillig wischte sich der eine mit der Hand über die Augen, während der zweite weiterhin reglos dastand und mit leerem Blick in die Ferne starrte. Von Trauer und Verzweiflung gebeugt, die Schultern kraftlos hängen lassend – das war der Kanzler des saggittonischen Reiches. Einst hatte ihn seine ungeheure Tatkraft ausgezeichnet, das nie erlöschende Feuer seiner Augen hatte ihm Respekt bei seinen Gegnern gebracht.
Der Tod hatte ihn gebrochen.
Wieder eine Windböe, die den zweiten Mann leicht wanken ließ. Ein leiser Fluch schlich sich über Serakans Lippen. Zum zehnten Mal in dieser Semor hatte er seinen Kanzler und Freund hierher begleitet, an den Ort der Letzten Ruhe seiner Familie.
Der Regen prasselte und trommelte auf die dichte und atmungsaktive Zweckbekleidung, die beide angelegt hatten. Vor ihnen hatte sich ein beachtlicher See gebildet, in dem die heiligen Symbole der Todesstätten verzerrt gespiegelt wurden.
Vor zehn Jahren hatten die Schergen der Inkarnation Rodrom ihr Ziel erreicht, den Tod der Kanzlerfamilie.
Serakan blickte auf, als ein Zittern den Körper Aurecs durchlief.
»Warum?«, flüsterte er undeutlich. »Ist das der Preis für die Freiheit? Hat jeder die größten Opfer zu bringen – für eine ungewisse Zeitspanne der Freiheit...?«
Ein blutverschmierter Tisch, eine alte Frau lag seltsam verkrümmt darauf: Seine Mutter, den Leib aufs brutalste aufgeschlitzt...
Das vor Schmerz verzerrte Gesicht seines Bruders: Rückgrat und Brustkorb zersplittert, wie von einem Schraubstock langsam zusammengequetscht...
Eine verkohlte Leiche im See, an der nichts mehr an die einstige strahlende Schönheit der Schwester erinnerte...
Vor Entsetzten weit aufgerissene Augen des gebrechlichen Kanzlers, seines Vaters Doroc: Er war an seiner Leidenschaft erstickt. Eine Fanzi, jenes entenähnliche Lebewesen, steckte in seinem Hals...
Verzweifelte Flucht vor den Militärfahrzeugen Dolphus' und die waghalsigen Rettungsmanöver des Somers Sam, der sie schließlich retten konnte...
Ein letztes Bild huschte durch seinen Geist – die Tränen und die verzweifelte Trauer auch in den grauen Augen des Terraners...
Abrupt drehte Aurec sich um und rannte durch die weitläufige Anlage der Heiligen Stätte zurück zum Transmitter. Krachend schlug der Blitz in den gewaltigen Baum, dessen Krone bereits vielfältige Zeichen der Naturgewalten aufwies. Dann lag der Platz wieder so verlassen da wie es einem heiligen Ort gebührte. Nur ein beunruhigter Mann durchschritt den Transmitter, seinem Kanzler nach.
*
»Ich kann Perry Rhodan keine Vorwürfe machen. Im Gegenteil, ich muss ihm sogar im Namen Saggittors dankbar sein für seine Taten.«
Psychoanalytische Abteilung des Kanzlers, Saggittor. Aurec saß zusammengesunken in einem angenehm bequemen Sessel und versuchte seine Gefühle zu ordnen. Der Arzt hatte ein Aufnahmegerät aktiviert und hörte gespannt zu. Es kam immer seltener vor, dass sich Aurec jemandem offenbarte. Wahrscheinlich vertraute er nur dem Arzt als solchem. Wie tief war sein seelisches Leid verankert?
»Perry hat uns mit seiner großen Erfahrung in Sachen Kosmosmächte geholfen – trotz der Missverständnisse in der Anfangsphase unserer Bekanntschaft, die zur Kaperung der LONDON geführt haben.« Seine Gedanken eilten in die Vergangenheit. »Sie war ein stolzes Schiff. Erbaut nach dem Vorbild eines altterranischen Luxusdampfers und nicht minder luxuriös.
Wir durchforschten damals Saggittors weitere Umgebung nach außersaggittonischem Leben, als der Notruf der LONDON uns anlockte. Eine Bande fanatischer Religiöser hatte das Schiff an sich gerissen und war auf dem Weg zu einer Materiequelle gewesen. Die Anhänger dieser Gemeinschaft, die Kinder der Materiequelle wollten den Schritt in eine höhere Daseinsform vollziehen. Einer dieser Wahnsinnigen gab jenen unglücklichen Schuss auf die SAGRITON ab, der uns zu kriegerischen Maßnahmen riet – wir kaperten die LONDON.«
Ein Schleier überzog Aurecs Augen, als er verstummte. Plötzlich sah er sie wieder vor sich. Schlank, wohlproportioniert... eine wunderbare Frau war sie gewesen. Im Endeffekt hatte sich Shel Norkat jedoch als Flittchen entpuppt, hatte mit...
Aurec zuckte zusammen. Dies war seine Angelegenheit. Er war hier, um den Tod seiner Familie zu überwinden!
»Meine Freundschaft zu den Galaktikern um Perry Rhodan scheint der Funke gewesen zu sein, der Dolphus' Wut endgültig entfachte. Die damaligen Ermittlungen ergaben, dass er sich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken der Machtübernahme beschäftigte. Mein Vater agierte ihm zu friedlich, er sah die Macht des Militärs schwinden.
Da muss ihm jenes Wesen, das sich als Inkarnation des Chaos bezeichnete, gerade recht gekommen sein. Von ihm stammte der Vorschlag des Kanzlermordes wie auch seine Ausführung.«
Aurec verstummte erneut. Die Erinnerungen an die brutale Hinrichtung seiner Familie übermannten ihn. Der Arzt beobachtete besorgt, wie sich Aurecs Hände in tiefster Wut ballten und verzweifelte Tränen in seinen Augen erschienen.
»Perry Rhodan hat mich damals gerettet. Ich wäre in mein Verderben gerannt. Und nur dem tollkühnen Einsatz Sams hatten wir schließlich unser Leben zu verdanken. Nein, die Terraner trifft keine Schuld.
Rodrom schickte die LONDON ins Verderben. Die Verbannung in jenes Paralleluniversum ist dabei eigentlich nebensächlich. Rhodan scheint überall seine Freunde zu haben. Wie Sato Ambush, den kleinen, begabten Terraner asiatischer Abstammung.
So schnell wie sie begonnen hatte, endete Dolphus' Diktatur auch wieder – bei seiner letzten Begegnung mit mir ist er auf der SAGRITON gestorben...
Rodrom manipulierte die LONDON, bis sie ortungstechnisch erledigt war. Doch anstatt sie direkt zu vernichten ließ er sie nur seinen Asteroiden streifen, so dass sie notlanden musste – auf einem Wasserplaneten. Sie versank und nahm den Großteil der Wesen mit in den nassen Tod.«
Shel! Warum hast du mich verlassen?
Der stumme Schrei verwehte haltlos in seinem Bewusstsein, eine schmerzliche Leere hinterlassend.
Wadoc lehnte gemütlich in seinem Sessel vor den Instrumenten und blätterte die Seite um. Er las gerne, was wohl mit seiner Tätigkeit an Bord der Ortungsstation OB-8 zusammenhing. Erst vor der letzten Periode hatte er eine Routineeintragung im Logbuch vorgenommen: »Keine besonderen Vorkommnisse.« Wie sollte es auch? Es gab keine Feinde mehr in Saggittor, die Wirtschaft blühte, die Sozialstrukturen waren gefestigt.
Wadoc seufzte. Das goldene Licht der Sterne ließ die alte Dunkelwolke in Zentrumsnähe verschwinden. Eine angenehme Stimmung durchdrang den Ortungstechniker. Vielleicht sollte er jetzt aufstehen, um den obligatorischen Rundgang durch OB-8 zu beginnen. Er streckte sich genüsslich und ließ die Sterne auf sich wirken. Ein Schauer höchster Zufriedenheit ließ den kleinen Mann erbeben. Diesen Moment wollte Wadoc mit seiner Frau teilen. Seine Frau. Wie lange hatte er sie nicht mehr gesehen? Es musste schon Monate her sein.
Abrupt richtete er sich auf und verließ die kleine Zentrale. Zu lange schon hatte er seine Pflichten vernachlässigt.
Der Gang verlief ringförmig um die Zentrale, Graviform-Zonen bildeten Durchgänge zu anschließenden Räumen: Unterkünfte, Analyse- und Auswertungskammern sowie Entwicklungslabors für besondere Aufgaben. Sie waren jeweils blattartig um die Zentralzelle geschmiegt, ihre Grundflächen gegen den freien Raum gerichtet.
Wadoc betrat die Analysekammer. Er bemerkte keine Veränderung der Gravitation, doch er wusste, dass er soeben in der Graviform-Zone gedreht worden war. Seine Körperachse stand jetzt senkrecht zum Stationsschwerpunkt. Hypnooptische Effekte suggerierten dem Passanten einen normalen Durchgang, obwohl er quasi eine Spirale lief – im Bruchteil einer Sekunde, nicht länger als der Schritt durch eine gewöhnliche Tür.
Der Techniker setzte sich in den formenergetischen Schalensessel. Sofort wurde eine mentale Verbindung zur Recheneinheit hergestellt. Wadoc ließ sich die Analysen der letzten Stunden durch den Kopf gehen. Eigentlich erwartete er nichts Besonderes, seine Konzentration war entsprechend schwach.
Nach der Studie blieb er noch einige Minuten sitzen. Unruhig knetete er seine Hände. Irgendwas war anders gewesen. Leider war diese Erkenntnis erst jetzt in sein Bewusstsein vorgedrungen. Einen kurzen Moment glaubte er, einen fremden Impuls wahrgenommen zu haben. Seufzend wiederholte er den ganzen Vorgang.
Mit zitternden Fingern aktivierte Wadoc die Endauswertung, bevor er sich setzte. Doch hielt es ihn nicht lange in dieser Stellung. Hektisch ging er durch den Raum und versuchte, mit irgendwelchen sinnlosen Schaltungen die Auswertung zu beschleunigen. Natürlich war er sich der Sinnlosigkeit seiner Aktionen bewusst, aber gab es überhaupt jemanden, der in einer solchen Situation absolut tatenlos dasitzen konnte, nicht mal versuchen musste, sich abzulenken?
Der Ortungstechniker hatte bisher niemanden über seine Entdeckung informiert. Erst wollte er selbst Gewissheit haben, bevor er andere diesem Stress aussetzte. Und es würde Stress geben, wenn seine Kollegen von der Sache erfuhren. Wenn seine Vermutungen allerdings zutrafen, kamen sie nicht daran vorbei.
War es möglich? Wadocs Gedanken beschäftigten sich mit dem merkwürdigen Phänomen, das vor gut 7,5 Nutos geortet worden war. Er hatte einen winzigen Reflex in einer der Standardmessungen gefunden, der nicht dorthinein passte. Und ausgerechnet aus dem Zentrum? Wadoc schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich eine Täuschung seiner Sinne. Die Rechenanlage würde die Ursache herausfinden, und er war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass seine Vermutung nur seiner ausgeprägten Fantasie entsprang.
Plötzlich wurden seine Nerven von einem langgezogenen Heulen malträtiert. Er zuckte zusammen. Warum um Saggittoras Willen gab die automatische Bewertungseinrichtung Katastrophenalarm?
Eine menschliche Männerstimme erklang in jedem Raum der Station:
»Die Barriere steht wieder! Unsere Messgeräte haben ihre Restabilisierung registriert! Eine automatische Meldung wurde laut Sicherheitsprogramm SAGGITTOR 1 direkt an den amtierenden Kanzler geschickt! Die Barriere steht wie...«
*
Aurec ging unruhig auf und ab, während er versuchte, die anerkannte Psychokur des Sich-Ausredens durchzuziehen. Dabei sollten alte Erinnerungen verarbeitet werden, indem sie ein weiteres Mal vor einem Zuhörer reflektiert wurden. Vor allem schmerzhafte Erlebnisse konnten so vielleicht leichter bewältigt werden. Aurec drehte sich um und blickte aus dem Fenster.
»Rhodan vermutete im Zentrum Saggittors die Station einer kosmischen Macht, eines Kosmokraten oder Chaotarchen. Die saggittonische Geschichte berichtete von den Vorfällen bei Zentrumsforschungen. Rhodan suchte die Konfrontation mit der Macht, um Saggittor zu helfen.
Die Zentrumsbarriere wurde mittels des Sternenportals überwunden. Tausende über Tausende von Anor war das Zentrum ein unheiliger Ort für uns gewesen. Doch dank der Galaktiker wurden wir von den Kjollen und Rodrom befreit.
Endlich standen wir den Fremden persönlich gegenüber! Der Gesandte eines mächtigen Wesens, wahrscheinlich eines Chaotarchen, Rodrom, erschien und drohte dem Terraner ein fürchterliches Ende an.
Mit unserer Flotte gelang uns jedoch der absolute Sieg über die Fremden, die Helfer der Inkarnation. Wir vernichteten die Station des Chaos und vertrieben Rodrom damit aus der Galaxis...«
Der Interkom meldete ein Gespräch, Vorrangcode. Aurec aktivierte den Akustikschutz und nahm das Gespräch entgegen. Der Arzt sah nur eine Regung im Gesicht des Kanzlers – er erblasste. Als er den Interkom deaktivierte, lag tiefste Besorgnis auf seinem von Schicksalsschlägen gezeichnetem Gesicht. Mit Erstaunen nahm der Arzt wahr, dass Aurecs trübe Gedanken verschwunden waren.
»Sie ist wieder aktiv...« flüsterte er.
Der Arzt benötigte nicht lange, um zu verstehen, was gemeint war. Dann nickte er langsam.
Wadoc starrte auf das Hologramm. Vor zwei Minuten hatte die Live-Reportage begonnen. Gerade konnte man die Dunkelwolke des Zentrums ins Bild wandern sehen. Ein schnelles Raumschiff bewegte sich auf die Wolke zu. Links erschien eine kleine Kugel im Holo, deren äußere Hülle wie Blätter aussah, die man an dem Grundgerüst befestigt hatte. OB-8! Dann war es auch schon vorbei.
Eine Frau erschien, vor die Dunkelwolke projiziert.
»Hallo Saggittor, mein Name ist Eby Rylo.
Die ungeheure Nachricht einer neu entstandenen Barriere im Zentrum unserer Insel traf nicht nur mich, sondern viele verschiedene Wesen wie ein Schlag. Wie konnte diese Reanimation geschehen? Ist es überhaupt die Barriere? Gibt es ein Durchkommen, eine Waffe? Was soll sie verbergen?
All diese Fragen müssen uns beschäftigen. Noch viel zu frisch ist die Erinnerung an die verhängnisvolle Entwicklung vor zehn Jahren!
Deshalb sind wir hier, am Ort des Geschehens. In meiner Begleitung befindet sich der Wissenschaftler Quandt Dferon, der sich zum Ziel gesetzt hat, unsere Fragen aufzuklären. Wir werden alles Mögliche versuchen, die Natur der Barriere zu ergründen, und das Live vor Ort! Alle Völker Saggittors werden gleichzeitig und exklusiv aus erster Hand erfahren, was es mit der neuen Barriere auf sich hat. Stellt sie eine Gefahr dar? Können wir ihr begegnen?
Bleiben Sie dran! Eby Rylo, An der Barriere.«
Wadoc atmete tief. Er befand sich quasi direkt in Schusslinie, wenn sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sollten und die Barriere gleich der ersten den Bezirk einer Chaosmacht definierte.
Die Zentrumsbarriere hatte tausende von Anor den Kern Saggittors vom Rest der Galaxis isoliert. Die Saggittonen hatten über unzählige Generationen diese Barriere gefürchtet, denn immer wenn man sie erforschen wollte, waren finstere Wesen erschienen und hatten sie vernichtet.
Doch vor 33 Anor hatten die Galaktiker und Aurec gemeinsam diese Barriere überwunden und den Schrecken aus Saggittor verbannt.
Bis heute.
Nun war er wieder da.
Er wünschte sich weit weg, nach Hause, um seine Frau in diesen bewegten Zeiten nicht aus den Augen zu verlieren. Doch was dachte er überhaupt? Dieses war sein Arbeitsplatz, hier hatte er die Verpflichtung übernommen, Saggittor zu dienen. Also galt es ausharren und die gesamte Aufmerksamkeit auf die Barriere richten, um Veränderungen sofort feststellen zu können.
Auf den eigenen Schirmen konnte Wadoc das kleine Schiff der Journalistin erkennen. Zielstrebig bewegte es sich auf die Barriere zu. Da erschien der Charakterkopf eines energisch aussehenden Mannes im Nachrichtenholo.
»Laut den Informationen des Terraners Perry Rhodan, der uns von der ersten Besetzung durch die Chaosmächte befreite, besteht diese Barriere als selbstversorgende Hohlkugel, die das gesamte Zentrum einschließt.
Selbstversorgend bedeutet, das Energiefeld entnimmt entweder der direkten Umgebung die Energie, die ihren Bestand garantiert, oder zapft den Hyperraum an, wenn ungenügende Energiemengen vorhanden sind. Zur Errichtung eines derartigen Feldes wird die beschleunigende Energie eines schwarzen Loches benötigt.
An einem Punkt, den die spätere Peripherie des Feldes schneiden soll, wird mit uns unbekannter Technik ein Katalysatorfeld errichtet, das mit dem Effekt einer Kettenreaktion die Gravo-Energie des Schwarzen Loches umstrukturiert. Dieser Vorgang läuft mit Überlichtgeschwindigkeit ab, so dass im Moment der Katalyse das Feld bereits steht. Unaufhörlich umläuft die Reaktion den Schirm, eine erneute Zündung ist nicht mehr nötig.«
Wadoc staunte nur noch. Wie war der Mann an dieses Wissen gekommen? Der Kanzler persönlich musste ihn eingeweiht haben. Er hatte den engsten Kontakt zu diesem Terraner gehabt.
»In wieweit die fremden Mächte ihr Feld modifiziert haben, und wie oder ob man es überhaupt vernichten kann, das herauszufinden, ist das Ziel meines Einsatzes!«
Wadoc hörte nicht weiter zu. Seine Gedanken beschäftigten sich immer noch mit der physikalischen Struktur des Feldes. Er fragte sich, ob die saggittonische Flotte nach dem ersten Schock einen Versuch über das Sternenportal im Zentrum wagen würde?
In Gedanken versunken kontrollierte Wadoc seine Instrumente.
Das Forschungsschiff näherte sich weiter der Barriere, plötzlich stark beschleunigend.
»Nein! Sofort abdrehen!«, hörte Wadoc sich in den Kom schreien. Ein seltsames Echo vervielfältigte seine Worte – die Rückkopplung mit dem Nachrichtenholo. Keiner konnte mehr reagieren, Wadoc schrie immer noch, als der seltsame Energiefinger das Schiff in die Barriere riss – und mit ihm verschwand.
*
»Nein! Sofort abdrehen!«
Der Schrei hallte noch ewige Sekunden in Aurecs Ohren nach, obwohl die Verbindung zum Schiff schon nicht mehr existierte. Der Schock hatte sämtliche Anwesenden gelähmt, niemand war zu einem Wort, geschweige denn zu einer Handlung fähig.
Langsam wich die Starre von Aurec. Er ballte die Hände zu Fäusten, um ihr Zittern zu verstecken.
»Sofort Generalalarm auslösen!« Sein lauter Befehl wurde vom Zimmerservo aufgenommen und weitergeleitet. Sekunden später heulte überall in Saggittor eine langgezogene schrille Sirene, wie damals, als Aurec aufgebrochen war, das Chaos aus dem Zentrum zu vertreiben.
Die Militärs stürmten auf ihre Posten, Schiffe strebten in den Raum und nahmen vorprogrammierte Positionen ein, Saggittor verwandelte sich in ein schlagkräftiges, wachsames Wesen.
Die Senatoren sowie Wissenschaftler und hohen Militärs bestürmten den Kanzler mit Fragen und Vorschlägen, bis seine Nerven aufs höchste strapaziert waren.
Zuerst wurde ein Versuch unternommen, das zweite Sternenportal im Zentrum von Saggittor anzusteuern. Doch das schlug fehl. Die Raumschiffe materialisierten wieder beim ersten Portal. Die Wissenschaftler waren ratlos.
Und dann die nächste Überraschung. Senator Perus nutzte die augenblickliche Lage für eine kritisierende Live-Sendung. Aurec glaubte, seinen Sinnen nicht mehr trauen zu können, als er die Stimme aus dem Hologramm des Senators sprechen hörte.
Was Perus ihm vorwarf, gehörte zu den Standardanklagen, die in jeder Republik von der Opposition hervorgebracht wurden. Man war meistens und in erster Linie einfach nur dagegen.
»Und deshalb fordere ich stellvertretend für viele Saggittonen eine sofortige militärische Aktion gegen das Zentrum! Wenn unser Kanzler dazu nicht fähig ist, wäre es für die Galaxis besser, sich einen neuen zu suchen!«
*
»Nein!! Sofort abdrehen!«
Quandt Dferon blickte verwundert auf den Sekundärschirm, auf dem das entsetzte Gesicht eines Technikers erschienen war. Als er endlich registrierte was eigentlich geschah war es bereits zu spät. Ein greller Blitz löschte seine Gedanken aus.
Nichts.
Dann ein gigantisches Netzwerk undefinierbarer Elemente, Energieverbindungen und absurder Farben. Stille, Bewegungslosigkeit. Körperlos. Nicht schwebend, hängend, stehend oder schwimmend, kein Zustand hatte Gültigkeit. Keine Individualität, keine Gefühle, keine Gedanken.
Das gesamte Gebilde war gleichzeitig, durchschaubar und klar. Wieder herrschten Farben vor.
Erste Reaktion: kaltes, gefühllos strahlendes Blau entstand. Silbern glühend die feinen Strukturen. Irgendwo entstand eine unruhige Bewegung, die sich wellenförmig in alle Richtungen ausbreitete. Schließlich wogte das gesamte Element, wie ein zornig schäumendes Meer.
Das Glühen nahm rasch zu und verschluckte endlich alle anderen Strukturen und Farben – bis ein gewaltiger Impuls die Fremdenergie des Saggittonen abstieß.
Schreie klangen aus der Nachrichtenzentrale zu ihm herüber. Gellende Schreie eines gepeinigten Wesens. Eby!
Schmerzhaft durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass er sich vorerst nicht bewegen konnte. Zwar schien er sich wieder in seinem Forschungsschiff zu befinden, doch war er wirklich? Oder sein Schiff? Irgendetwas war anders, nur konnte er es noch nicht erkennen.
Wenn er nur Eby Rylo helfen könnte! Was hinderte ihn an der Bewegung? Er musste sich konzentrieren. Er stellte sich seine Hände vor, wie der Puls Energie hineintrieb und sie erwärmte. Und dann konnte er sie plötzlich wieder fühlen. Das Pochen, die Hitze, das Leben.
Ballen!
Unter den spitzen Impulsen seiner Willenskraft erlangte er tatsächlich langsam die Beweglichkeit zurück. Zwar stürzte er schwer auf den Boden, doch was war das gegen die markerschütternden Schreie der Frau? Stöhnend schob er sich einen weiteren Meter nach vorne.
Er musste immer wieder innehalten und sich ausruhen. Dabei betrachtete er aufmerksam die Umgebung. Ja, dies war die Zentrale des kleinen Schiffes. Aber – wo kam der permanente matte Glanz her, der plötzlich über den Instrumenten und jedem Gegenstand lag? Quandt starrte prüfend vor sich auf den Boden.
Im nächsten Moment wälzte er sich ebenfalls in unkontrollierten Zuckungen und schrie und brüllte gequält.
Nun offenbarte sich ihm das ganze Ausmaß ihrer Lage. Verständnislos registrierten seine Augen die Umgebung – ein energetisches Wallen und Flackern, Bänder aus unbekanntem Material und verknotete Gallertsäcke, einer ständigen Veränderung unterworfen.
Im nächsten Moment eisige Kälte und weißblaues Feuer überall. Schließlich und endlich eine rötlich schimmernde Grundstruktur des scheinbar so bekannten Raumschiffes. Eine unbeschreiblich hyperfrequente Schwingung brachte seit dem Augenblick der Erkenntnis jedes Molekül seines Körpers zum Vibrieren, er hatte völlig die Kontrolle verloren. Röchelnd brachen die Laute ab, als sich die gnädige Dunkelheit der Ohnmacht über seine Augen senkte.
Eby Rylo kam als erstes wieder zu sich. Gehetzt blickte sie sich um und spannte ihre Sehnen in der Erwartung, bald wieder schreien zu müssen. Doch die hyperfrequenten Energien ließen sie in Ruhe!
Eby drängte sich keuchend in eine Ecke und versuchte sich zu beruhigen. Ihr scharfer Geist versuchte bereits, die Lage zu analysieren und ihren Zustand zu erklären. Die Schreckensbilder existierten nicht mehr. Einbildung, übersensible Nerven... Es gab hunderte Erklärungen. Doch das zählte jetzt nicht. Wo waren sie? Kurz vor der Ohnmacht hatte sie noch eine andere Stimme gehört. Das musste Quandt gewesen sein. Wo war er?
Die Wände des Raumes waren von einer beruhigenden Farbe, schienen auf gewisse Weise durchsichtig zu sein. Trotzdem konnte sie nicht sehen, was hinter ihnen lag. In ihrer Erinnerung tauchte ein entsprechendes Bild auf. Diese Form hatte der Raum bereits kurz vor ihrer Bewusstlosigkeit angenommen.
Zögernd stand sie auf und versuchte einige Schritte. Als sie vorhin mit den Händen über den Boden gestrichen hatte, war das ein Gefühl wie auf Kunstfaserboden gewesen. Jetzt war der Boden weich, wie ein dicker, teurer Teppich, immer noch und so wie alles hier von undefinierbarer Farbe.
Ein Stöhnen erklang. Hastig ging sie in die Richtung, wo vor dem Unfall ein Schott gewesen war. Sie ertastete eine Öffnung in der Wand, durchschritt sie und befand sich in einem Raum gleicher Beschaffenheit wie der vorherige. Nur hatte er die Ausmaße der Zentrale. Sie mussten sich also noch an Bord ihres Schiffes befinden! Auch wenn es sich in der Zeit der Bewusstlosigkeit enorm verändert hatte.
Auf dem Boden lag der Wissenschaftler. Gerade richtete er sich auf, betrachtete die Umgebung.
»Wie in meinem Traum«, sagte er mit einer Fistelstimme, die ihm nicht zu Eigen war. Erschrocken legte er die Hand vor den Mund.
»Ist doch nicht verwunderlich, bei dieser merkwürdigen Umgebung!« Dafür hatte Eby jetzt eine brummige, sehr tiefe Stimme. Das reizte sie zum Lachen und Quandt stimmte zögernd ein.
Abrupt wandte er sich um und starrte in die leere Fläche, wo einst das Kommandopult gewesen war.
»Wenn das im ganzen Schiff so aussieht, sollten wir sehen, wie wir hier wegkommen. Wo auch immer wir sind!«
Und es schien tatsächlich so, als sei nur die Rohstruktur des Raumers verblieben. So sehr sie auch suchten, nirgends war etwas zu finden, was vorher zum Standard gehört hatte. Sie waren allein in einem Schiff, ohne die Möglichkeit, das Schiff zu verlassen oder auch nur ihre Umgebung zu betrachten. Alle Öffnungen waren verschwunden, wie auch die Geräte. Außerdem hatten sie das Gefühl, als breite sich die Fläche eines jeden Zimmers allmählich aus. Mit jeder Stunde die verging, rückten die Wände weiter auseinander, fließend, eigentlich unmerklich.
»Eby, wir müssen ab jetzt zusammen bleiben«, redete Quandt auf sie ein, als sie sich anschickte, den Raum zu verlassen. »Wenn wir uns in getrennten Zimmern aufhalten, kann es vielleicht passieren, das wir uns nicht wiederfinden und ganz verlieren!«
Sie drehte sich um und starrte ihn an. Wie er dort stand, verwirrter Blick, zerraufte Haare, hängende Schultern. Er machte nicht mehr ganz den Eindruck eines energischen Mannes, als den sie ihn kennengelernt hatte.
»Du hast Recht. Besser, wir sterben hier gemeinsam als irgendwo getrennt, ohne die Gewissheit, das der andere auch verendet!« Traurig lächelnd ging sie zurück zu ihm und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Dann nahm sie seine Hand und zog ihn mit sich, um durch die verlassenen Räume zu schlendern.
»Na ja, ein wirkliches durch-die-Räume-schlendern ist das ja nicht gerade!«
Sie hatten es geschafft, den einen Raum zu verlassen, gingen nun aber bereits einige Stunden durch den nächsten, ohne sein Ende zu erreichen.
»Las uns etwas ruhen, dieser Platz ist genauso gut wie jeder andere. Vielleicht kommen die Wände ja morgen wieder!« Quandt zog sie zu sich herab und legte einen Arm um sie. Sekunden später waren sie eingeschlafen.
Quandt rutschte wieder ein Stück nach unten. Vor ihm erstreckte sich die Weite der ehemaligen Ortungszentrale bis weit in den Horizont hinein. Sie hatten vor einem Tag diese Wand erreicht und saßen seither an sie gelehnt da, mutlos und gleichgültig.
Quandt betrachtete aus den Augenwinkeln heraus die ausgemergelte Frau neben sich. Vor zwei Tagen hatte sie noch toll ausgesehen, jetzt konnte man ihre Schönheit nur noch erahnen. Kein Essen, kein Trinken. Das hinterließ auf die Dauer Spuren. Er wusste, dass er nicht besser aussah. Fünf Tage, so schätzte er, befanden sie sich nun bereits in diesem ausweglosen Gefüge.
Schwach grinste er sie an. Am zweiten Tag ihrer Gefangenschaft hatten sie mit dem Leben abgeschlossen und versucht, die letzten Stunden zu genießen. Oh ja, sie war eine gute Liebhaberin!
Eby grinste zurück. Quandt zuckte zusammen. Wenn er sie auch mit dieser Totenfratze angestarrt hatte, musste sie immer noch eine eiserne Selbstbeherrschung haben.
Sie hatten versucht, die Umgebung zu analysieren – vergebens. Stundenlang waren sie durch die endlosen Räume gegangen, ohne eine Veränderung festzustellen. Immer wieder hatten sie den Boden untersucht. Und als sie endlich eine Wand erreicht hatten, waren sie zu schwach gewesen um weiterzumachen. Beide wussten, dass jede Aktion sinnlos war, dass sie ihr Ende nur beschleunigen würde. Sie hatten alles aufgegeben. Sie hatten gewusst, dass es kein Entrinnen gab, dass sie hier gemeinsam sterben würden.
»Ich liebe dich, Eby!« Mehr als ein raues Hauchen bekam er nicht mehr heraus, doch er wusste, dass sie ihn verstand. Und sie erwiderte seine Gefühle! Ihre Augen sprachen eine deutliche Sprache. Noch einmal neigte er sich hinüber, um sie innig zu küssen, als...
...er plötzlich wie aus einem bösen Traum erwachte. Er befand sich an Bord seines Schiffes, lag im Bett, war satt, kräftig, ausgeschlafen. Neben sich entdeckte er den schlanken Körper von Eby – und strich sanft über ihren nackten Rücken.
Wie elektrisiert ruckte er hoch und sprang aus dem Bett. War dies der Traum? Konnten sie der Hölle entkommen sein? Oder waren es nur Wahnvorstellungen, die das baldige Ende ankündigten?
Der Wissenschaftler zog sich leise an und verließ die Kabine.
Aus dem Holowürfel blickte ein verändertes Gesicht auf die Zuschauer herab. Es schien, als habe der Mann in den letzten fünf Tagen unvorstellbares erlebt. Neue Linien zogen sich um Mund und Augen, der Mann musste dicht am Rand des Wahnsinns gestanden haben.
Aurec schauderte. Der Wissenschaftler und die Journalistin waren offensichtlich von der Barriere eingefangen und irgendwohin ausgelagert worden, bis ihre Fremdenergie angeglichen wurde. Die Angleichung musste mit jener Phase der strukturellen Veränderung des Schiffes in Verbindung stehen. Eine andere Erklärung konnte bisher nicht gefunden werden.
Nun befanden sie sich nach eigenen Angaben innerhalb des von der Barriere umschlossenen Hohlraumes und steuerten weiter auf das Zentrum zu, wo sie ungewöhnliche Vorgänge geortet hatten. Die Funkverbindung war wieder zustande gekommen, kurz nachdem das Schiff erschienen war. Nun sollte der weitere Verlauf der Aktion auch live gesendet werden.
»Da Eby Rylo sich momentan in der Reaktivierungskammer befindet, möchte ich Ihnen mitteilen, wie unser weiteres Vorgehen aussieht.
Nach dem Durchbruch der Barriere haben wir höchstwahrscheinlich keine Möglichkeit mehr, in den freien Raum außerhalb des Zentrums zurückzukehren.
Wir sind energetisch angepasst, einen rückläufigen Vorgang halte ich für unwahrscheinlich, da die Barriere sonst ihren Sinn verfehlen würde. Aber vielleicht soll ein einmal eingefangenes Schiff ja gar nicht wieder freigelassen werden, und unsere Erfahrung war nur Zufall, eine kleine Unregelmäßigkeit im Aufbau, dann wäre von vornherein keine Möglichkeit zu einer Wiederholung des Experiments vorhanden.
Wie dem auch sei, Eby und ich werden uns dem Bereich der ehemaligen Station der Kjollen nähern, von wo wir eigenartige Impulse ausmachen. Ein gewaltiges Gebilde scheint sich von dort in Richtung des Schwarzen Loches zu bewegen, wir sollten herausfinden, um was es sich handelt.«
Quandt Dferon schwieg und blendete einige Ortungsdaten sowie Live-Aufnahmen der Umgebung ein.
Aurec gewahrte schon beim ersten Blick das mächtige Objekt, das sich verschwommen in den Orterschirmen abzeichnete und offensichtlich unaufhaltsam dem Kern zustrebte. Es erschien dem Kanzler wie ein Lebewesen, er bildete sich ein, lange Tentakel und einen metamorphen Körper zu erkennen. Die verschwommene Darstellung täuschte hoffentlich nur seine Sinne. Ein fremdes Wesen von diesen Ausmaßen und im Dienste der Chaotarchen, wie er vermuten musste, konnte er jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Aurec nahm an, dass es sich um feste Materie, vielleicht einen Mond oder Planetoiden handelte.
Was dort allerdings tatsächlich geschah war noch nicht einmal zu erahnen.
»Wir gehen jetzt auf Kurs! In wenigen Minuten tauchen wir kurzzeitig in den Überlichtraum ein. Wir wollen versuchen, in sicherer Entfernung aber doch möglichst nah... Was ist das?«
Ein Asteroid, den sie vorher gar nicht beachtet hatten, hatte sich plötzlich in die Bahn des Schiffes geschoben.
Aurec knirschte erregt mit den Zähnen. Der Körper besaß die Form eines Keils!
»Sofort verschwinden, Dferon!« Verzweifelt brüllte der Kanzler gegen das Feldmikro, dabei war ihm bereits klar, dass es kein Entkommen gab. »Schutzschirm aktivieren, volle Beschleunigung und nichts wie weg! Das ist ein Raumschiff!«
Noch während er schrie löste sich ein Blitz aus dem Rumpf des Asteroiden. Wie in Zeitlupe strebte er auf das Schiff zu, so kam es Aurec vor. Dferon hatte keine Zeit mehr zu irgendeiner Reaktion.
Ein Meter und achtundneunzig Zentimeter. Braune, stechende Augen, die Autorität versprühten. Schwarze Haare und eine scharfrückige Nase vervollständigten das Bild des hageren Mannes, der sich ebenso gut unscheinbar im Hintergrund halten wie auch arrogant im Mittelpunkt stehen konnte, wie im Augenblick.
Endlich war sein Ziel erreicht, er befehligte allein das Flaggschiff der saggittonischen Flotte und damit auch einen großen Teil der Flotte selbst, die sich auf dem Weg ins Zentrum befand. Aurec hatte endlich den Befehl gegeben, militärische Aufklärung im Raum der Barriere durchzuführen. Verächtlich zuckten die Mundwinkel des Kommandanten. Das hätte er schon sehr viel früher angeordnet.
Der Kommandant war eigentlich nur Stellvertretender Kommandant. Ihm vorgesetzt war noch Serakan, der inzwischen ein Vertrauter des Kanzlers, quasi der Vertraute geworden war. Also hatte er zu diesem Zeitpunkt das Kommando und da Serakan mehr und mehr in die Politik wechselte, würde es wohl auch so bleiben. Und es stand ihm schon lange zu. Schließlich konnte er auf eine steile Karriere blicken, vom einfachen Infanteristen über Stabsoffizier Dienste an vielen Schiffen bis zum Offizier an Bord der SAGRITON, das konnte sich sehen lassen.
Waskoch, war ein Soldat aus Überzeugung. Er lehnte Aurec und seine Politik inzwischen ab. Nach der Rückkehr aus M100 hatte es einen Bruch gegeben. Aurec war zu einem melancholischen Schatten seiner selbst geworden, während Serakan versuchte, seinen Freund zu beschützen. Saggittor war schwach geworden. Das störte Waskoch, doch jeder hielt an Aurec blind fest. Zwar wünschte sich Waskoch, dass der Kanzler wieder zu altem Glanz finden würde, doch er zweifelte daran stark. Auch glaubte er, dass Aurec völlig überfordert mit der neuen Situation war.
Waskoch genoss es, nun das alleinige Kommando über die SAGRITON zu haben. Zwar hatte er sich gut mit Serakan verstanden, während ihrer Einsätze, doch es konnte nun einmal nur einen Kommandanten geben. Trotz der Freude über das Kommando, besorgten ihn die Bilder zutiefst. Die Barriere hatte das Zentrum erneut isoliert. Das keilförmige Raumschiff mit der schroffen Oberfläche kannte Waskoch nur zu gut. Es war die WORDON – das Raumschiff Rodroms. Der Rote Tod war zurückgekehrt.
»Kommandant, wir nähern uns der Barriere!«
Von der Seite hatte sich ein Navigationsoffizier genähert und Haltung angenommen, bevor er seine Meldung machte.
Waskoch reagierte mit einer knappen Kopfbewegung, die dem anderen Bedeutete, dass er seine Meldung vernommen hatte.
Der Mann grüßte exakt, drehte sich auf der Stelle um und ging steif an seinen Platz zurück.
Diese armseligen Leute! dachte Waskoch ironisch. Sie haben eine Heidenangst vor mir! Hm.
Er verließ seinen Platz vor dem Frontschirm und ließ sich auf dem leicht erhöht stehenden Kommandantensessel im Mittelpunkt der Zentrale nieder.
»Funkzentrale, Kommandoschaltung zu allen Einheiten!« Er sprach arrogant leise, seine Untergebenen sollten merken, dass er sich für etwas Höheres hielt. Den Kuschelkurs von Serakan wollte er jedenfalls nicht beibehalten.
Als die Leitung stand, wandte sich Waskoch dem großen Frontschirm zu, auf dem die Flotte zu sehen war.
»Saggittonen und Mitstreiter! Dies ist ein historischer Tag. Nicht nur, dass wir das Geheimnis der Barriere lösen werden, nein! Uns wird das Glück vergönnt sein, dem Zentrum seine Unnahbarkeit für immer zu nehmen! Wir werden die fremden Mächte vernichtend schlagen, so dass es ihnen nicht einfallen wird, hier jemals wieder aufzutauchen. Wir werden die Republik Saggittor vor einer großen Gefahr schützen, noch ehe sie richtig akut geworden ist!«
Er atmete tief ein und sah befriedigt, dass die Zentralbesatzung gebannt an seinen Lippen hing.
»Die IQATA wird schon bald die erste Nahaufklärung fliegen. Einzelheiten hierzu werden noch gegeben. Sobald sie zurück ist, wird der erste Schritt getan sein.
Für Saggittor!«
Die Verbindung wurde unterbrochen. Dafür erschien der Kommandant der IQATA in einem kleinen Holowürfel.
»Kommandant, Ihr wisst, was Ihr zu tun habt?«
»Sir, ich bin mir nicht ganz sicher...«
»Ich habe Euch nicht verstanden. Würdet Ihr das wiederholen?« Ein gefährliches Funkeln in den Augen warnte den Kommandanten.
»Sir, wir werden aus dem Verband ausscheren und die Barriere anfliegen. Offensichtlich als einziges Schiff. Das Gros der Flotte wird hier warten. Wir werden alle möglichen Messungen durchführen, um die Natur der Barriere zu erkennen!«
Befriedigt nickte Waskoch.
»Sir, genauere Aufgaben könnten unseren Spezialisten dienlich sein, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf!«
»Dürft Ihr nicht. Und jetzt los!« Waskoch unterbrach die Verbindung.
Unbehagliches Schweigen herrschte nach dem Gespräch in der Zentrale der IQATA. Waskoch hatte mal wieder seine Autorität in den Vordergrund gestellt.
»Mist!«
Mit diesem Fluch hakte der Kommandant das Thema ab.
»Leutnant, verständigen Sie die Rechenspezialisten! Sie sollen ein Verfahrensschema entwerfen. In spätestens einer Stunde sollte es fertig sein!«
Während der Leutnant los hetzte und der Kommandant in tiefe Grübeleien versunken war, beschleunigten die Piloten das Schiff und steuerten es Richtung Barriere. In dieser Situation hatte niemand einen Sinn für die atemberaubende Schönheit der Sternenfülle. Vielleicht bedeutete Waskochs Befehl den Untergang des Schiffes. Dann nutzten auch die schönsten Sterne nichts.
An einer abgelegenen Stelle der Barriere lag das Ziel eines zweiten Erkundungsraumers, den Waskoch zur Überprüfung der Daten geschickt hatte. Kommandant der UMIGOY war ein eher unauffälliger Mann, der sich gerne anderen unterordnete, wenn es um politische Dinge ging. Er akzeptierte militärische Vorgesetzte ausnahmslos, auch wenn sie in ihrer politischen Einstellung vielleicht etwas merkwürdig waren.
Die UMIGOY steuerte einen Punkt an, den sie nur wenig nach der IQATA erreichen würde. So konnten an zwei Stellen unabhängig voneinander Versuche unternommen werden, die später für ein lückenloses Bild sorgen sollten.
»Los, jetzt fliegt schon näher ran! Ich habe Euch nicht geschickt, damit Ihr trotzdem Fernortung betreibt. Das können wir auch von hier aus!«
Der Kommandant der IQATA blickte Waskoch unbewegt an. Er wusste, dass er sich nicht auflehnen konnte, und die Sache musste den Oberkommandierenden bewegen, wenn er seine Stimme erhob.
»Ja, Sir!«
Das Konzept seiner Logiker hatte anders ausgesehen. Sie wollten in sicherer Entfernung stoppen und erst einmal Sonden aussenden. Nach dessen Ergebnissen konnte man sich dann richten. Dann sollte es immer noch möglich sein, das eigene Schiff näher heranzubringen.
Solchen Argumenten war Waskoch noch nie zugänglich gewesen. Er hatte sich seine eigenen Gedanken gemacht und verlangte nun unbedingte Ausführung.
Ohne Waskoch weiter zu beachten machte sich der Kommandant daran, sein Schiff zu beschleunigen. Erst als das Holo erlosch, löste sich seine erstarrte Miene.
»Männer, macht euch auf was gefasst. Ihr habt selbst gehört was von uns verlangt wird! Also alle Sicherheitsmaßnahmen treffen, Beiboote klar, Schutzschirme aktivieren und dann ab! Wollen wir hoffen, dass nichts passiert.«
Es schien tatsächlich so, als sollte Waskoch recht behalten. Sie waren bereits auf sieben Millionen Kilometer heran, und die Barriere blieb unverändert.
Erleichtert atmeten die Männer auf. Der Kommandant blieb misstrauisch. Noch waren sie nicht wieder weg, noch konnte alles geschehen.
»So, das sollte jetzt aber reichen. Bringt das Schiff zur Ruhe... Achtung!«
Auf dem Bildschirm sahen sie eine riesige Beule auf sich zukommen, doch eine Reaktion war nicht möglich. Ein gewaltiger Schlag ließ das Schiff erdröhnen, ein kreischender Ton, durch das Zerreißen der Hülle erzeugt, war das Letzte, was auf der IQATA vernommen wurde.
*
»Abbruch! Abbruch!« brüllte Waskochs Stimme durch die Zentrale. »Bringt die Schiffe zurück! Mensch, seid ihr blind?«
Betretenes Schweigen herrschte in der Zentrale der SAGRITON. Schockiert beobachteten sie das Ende der beiden Schiffe. Die IQATA und die UMIGOY. Auf der IQATA konnte man nicht mehr allzu viel miterlebt haben. Dazu kam ihr Ende zu überraschend. Die UMIGOY dagegen hatte noch versucht den Kurs zu ändern, doch auch für sie war es schon zu spät gewesen. Waskoch tobte, beschuldigte die versammelten Offiziere und drohte fürchterliche Strafen an. Ein beherzter Offizier meldete sich zu Wort.
»Sir, wir sollten uns vorerst zurückziehen. Wenn die Flotte hierbleibt, kann sie immer noch schnell genug zuschlagen, auch wenn wir uns nicht unter ihr befinden. Sir, wir müssen Aurec persönlich berichten. Für Saggittors Freiheit!«
Waskoch verstummte bei diesen Worten. Eine steile Ader erschien auf seiner Stirn. Dann drehte er sich um und verließ die Zentrale.
»Zurück nach Saggitton!«, rief er noch, bevor das Schott hinter ihm zuschlug.
Der Raum war einfach, fast kahl eingerichtet. Einige Sitzgelegenheiten, der Projektor eines formenergetischen Tisches, der bei Bedarf aktiviert werden konnte. Zwei grüne Zimmerpflanzen, indirektes Licht. Eine große Fensterwand, das war es. Zwei Personen befanden sich hier. Serakan stand am Fenster und blickte ausdruckslos nach draußen. Aurec lief unruhig durch das Zimmer und murmelte vor sich hin.
Serakan stieß sich vom Fenster ab und ging langsam zu einem der Sitze. Dann entschied er sich anders und drehte sich zu Aurec um.
»Es wird nicht einfach werden.«
»Zweitausend Leben.« Aurecs Murmeln wurde lauter. »Zweitausend Leben grundlos in den Tod geschickt! Dieser verantwortungslose Narr! Wieso hat Waskoch das getan?«
Er ließ sich in den Sessel fallen. Wieder versanken beide in trübes Brüten.
Serakan ahnte, was auf ihn zukommen würde. Aurec würde zweifellos eine Umgruppierung vornehmen. Waskoch hatte sich ungeeignet gezeigt für die Rolle des Flottenführers nach Aurecs Vorstellungen. Wer derart achtlos über Menschenleben entschied, der gehörte nicht an die Spitze eines solchen Instruments.
Dabei gehörte Waskoch seit mehr als 40 Anor zu ihren Begleitern. Zwar war der Kommandant der SAGRITON auch Dolphus lange Zeit loyal ergeben gewesen, doch letztlich hatte er sich gegen ihn gewandt und sich gerade in Dorgon als verlässlicher Kommandant erwiesen. Doch die Zeiten hatten sich geändert.
»Serakan, alter Freund. Ich möchte nicht gegen deinen Willen entscheiden. Aber du weißt ebenso gut wie ich, dass wir hier eine Entscheidung fällen müssen, die sowohl in unsere Politik passt wie auch mit unserer Moral und unserem Gewissen harmoniert. Waskoch ist ungeeignet!« Aurec stieß diesen letzten Satz förmlich heraus.
»Ich werde mein Bestes geben, Freund. Ich werde versuchen, das Phänomen der Barriere aufzuklären, ohne unsere Schiffe in Gefahr zu bringen. Wenn es mir gelingt, werde ich die Gefahr beseitigen. Ich bin allerdings nicht allzu optimistisch. Wir werden vorsichtig agieren müssen, und da ist es nicht ausgeschlossen, dass wir versagen. Ich werde jedoch auf keinen Fall weitere Opfer zulassen!«
Aurec legte ihm die Hand auf die Schulter und blickte ihn ernst an. Serakan konnte die tiefe Besorgnis in seinen Augen lesen. Nicht nur um Saggittor, sondern vor allem um ihn. Da drehte er sich abrupt um und rannte aus dem Raum.
*
Wutschnaubend rannte Perus um den Tisch, an dem Waskoch Platz genommen hatte.
»Sie hätten sich zurückhalten sollen! Sie an der Spitze der Flotte hätte ein starkes Plus für unsere Sache bedeutet!«
»Was hätten Sie denn gemacht, wenn Sie diese Sache aufklären wollten? Etwa gewartet, bis der Gegner aktiv wird? Ich habe keine Lust, doch noch den Mächten des Chaos anheim zu fallen!« Waskoch reagierte mindestens genauso zornig wie der Senator. »Verdammt, ich hatte doch nicht geplant, die beiden Schiffe zu opfern! Aber wir sind weiter gekommen!«
»So?«, höhnte Perus. »Sie wissen jetzt, dass man sich von der Barriere fernhalten sollte! Großartig!«
Beide schwiegen verbissen. Perus drehte seine Runden, bis Waskoch plötzlich mit der Hand auf den Tisch schlug.
»Sie machen mich nervös! Vielleicht überlegen Sie lieber, wie wir weiter vorgehen sollen! Haben Ihre Reden Erfolg gezeigt?«
»Selbstverständlich. Wenn auch noch nicht so wie erwartet. Ich werde noch heute eine weitere Ansprache halten, und dann wird es Aurec leid tun, Sie von diesem Auftrag entbunden zu haben!«
»Senatoren, Ratsmitglieder! Bürger Saggittors!
Vor zwei Tagen konnten Sie alle verfolgen, wie zwei unserer Schiffe von der Barriere vernichtet wurden. Ein schreckliches Schicksal für die Mannschaften. Legen Sie mit mir eine Minute der Trauer ein, die Toten zu ehren, die für Saggittors Freiheit ihr Leben ließen!«
Aurec erstarrte. Diese Worte hatte er vorbringen wollen. Ein wenig anders wollte er sie verpacken, das Wohl der Individuen in den Vordergrund stellen und die Unsinnigkeit ihres Todes aufzeigen. Und nun nahm ihm der gerissene Senator das Wort aus dem Mund. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als mit den anderen Ratsmitgliedern aufzustehen und andächtig in die Luft zu starren.
Wiederum ergriff Perus das Wort, um seine begonnene Rede fortzusetzen.
»Wir waren uns von Anfang an klar darüber, dass die Erneuerung der Barriere eine akute Gefahr für Saggittor darstellt. Es drängte uns nach Aufklärung, und es drängt uns noch immer danach. Unser Kanzler aber verzögerte die Maßnahmen, erschien unentschlossen. Allzu lange behielt er die Informationen des Terraners Perry Rhodan für sich. Perry Rhodan hat die Barriere einmal vernichtet. Ein weiteres Mal werden wir ihn nicht benötigen, doch werden wir auch seine Fehler und die unseres Kanzlers nicht wiederholen«.
»Es mag seine Gründe gehabt haben, dass Aurec solange schwieg. Es mag auch plausible Gründe für die unvollständige Ablenkung der Gefahr aus dem Zentrum gegeben haben. Doch vor dem Hintergrund einer erneuten Bedrohung«, er machte eine bedeutungsvolle Pause, »durch die Mächte des Chaos und ihrer Kreaturen erscheint es unsinnig und gefährlich, die Gegenmaßnahmen hinaus zu zögern. Damals, vor 33 Anor hatten wir die Gelegenheit, die Gefahr ein für alle Mal zu beseitigen. Was wurde dagegen unternommen? Aurec, unser Kanzler, verhielt sich unbegreiflich nachgiebig seinen Gegnern gegenüber. Er nennt es Humanität, ich nenne es Inkompetenz!«
Das aufbrausende Raunen in den Reihen der Senatoren bildete eine gelungene Kulisse hinter Perus' herausfordernden Worten.
»Heute, wo offensichtlich die Gefahr besteht, dass sich die Geschehnisse wiederholen, dass die Jahrtausende währende Unterdrückung durch die Mächte des Chaos wiederholt, heute verschließt sich unser Kanzler den besorgten Argumenten vieler Berater, Senatoren und Militärs.
Er verlangsamt alle Entwicklungen, behindert die militärisch notwendigen Aktionen und fördert die Verweichlichung unserer Bürger durch zu große Freiheiten, die er Toleranz und Sozialpolitik nennt.
Aurec zögerte unverständlich lange mit der Entsendung einer großen Flotte, die bei früherem Einsatz vielleicht die vollständige Stabilisierung der Barriere hätte verhindern können.
Der zweite Oberkommandierende der Flotte, Waskoch, geriet durch diese Verzögerung derartig unter Zugzwang, dass er nicht herkömmliche Vorgehensweisen zur Grundlage seiner Handlungen heranziehen konnte.
Die Zeit läuft uns davon! Rodrom taucht wieder auf! Nur konsequentes Zuschlagen kann die Gefahr beseitigen. Waskoch erkannte dies und suchte nach einer Möglichkeit, die Barriere zu durchdringen. Die beiden Schiffe wurden Opfer des durch Aurec verzögerten Einsatzes, Waskoch trifft keine Schuld! Zum Wohle aller Völker handelte er zielstrebig und schnell, musste so handeln.
Natürlich versucht Aurec die Schuld von sich zu weisen, Waskoch wurde bereits von seinem Auftrag entbunden.
Um Rodrom aufzuhalten müssen wir schnell handeln, und das ist eine Fähigkeit, die Aurec nicht mehr beherrscht. Unbestritten sind seine Leistungen zu Beginn seiner Amtszeit, doch welche Situation rechtfertigt die Lethargie, mit der er sich seit einiger Zeit umgibt?
Zum Wohle der Galaxis und ihrer Völker und um der neuen Gefahr durch Rodrom Herr zu werden halte ich es für notwendig, einen neuen Kanzler zu bestimmen.«
Überraschtes Schweigen folgte seinen harten Worten. Perus setzte sich. Nachdenkliche Gesichter registrierte er überall, seine Worte hatten den beabsichtigten Eindruck hinterlassen.
Eigentlich wunderte sich Aurec nicht über diesen Verlauf der Rede. Er wusste, dass Perus schon lange auf eine Gelegenheit gewartet hatte, ihn und seine Politik durch den Schmutz zu zerren, um Neuwahlen fordern zu können. Sollte es zu diesen kommen, stand mit einiger Sicherheit fest, das Perus der Favorit in diesem Spiel war.
Aurec wurde sich der Blicke bewusst, die auf ihm lagen. Man erwartete eine Erwiderung von ihm, und er wusste, dass er sie bringen musste. Also erhob er sich langsam und blickte ernst in die Runde. Saggittonen, Holpigons, Varnider, Trötter und Multivons blickten ihn erwartungsvoll an.
Ruhig trat er einen Schritt vor, bis seine Hände die kühle, stählerne Sicherheitsbegrenzung berührten.
»Sie alle erwarten eine Rechtfertigung von mir. Doch ich will Ihnen etwas sagen. Wenn man die kriegerische und aggressive Einstellung unseres verehrten Senators Perus kennt und dagegen die bekannte Einstellung, die meiner Politik zugrunde liegt, werden die Vorwürfe des Senators vielleicht ein wenig verständlicher.
Damit habe ich nicht gesagt, dass ich sie gutheiße.
Im Gegenteil, unsere Republik baut auf die gegenseitige Achtung und das Wohl des Individuums ebenso wie auf das Wohl der Gemeinschaft. Die Handlungsweise des Kommodore Waskoch konnte und kann ich deshalb nicht akzeptieren.
Es war unverantwortlich, diese Schiffe auf die Barriere zu hetzen. Jeder von Ihnen wird sich erinnern, was mit dem Forschungsschiff des Quandt Dferon geschah. Damals war die Barriere noch nicht von der jetzigen Qualität. Es war vorhersehbar, dass sie bei einem weiteren Angriff mit Vernichtung reagieren würde.
Ich muss dem Senator leider zugestehen, dass ich in jüngster Vergangenheit etwas abgeschottet gelebt habe. Darunter hat meine Entschlusskraft jedoch nicht gelitten.
Kein Vorschlag zur Situation erreichte mich vor meinem Entschluss, die Barriere einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, um Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Die einzige Verzögerung trat durch den tragischen Unfall auf, der zweitausend Männern und Frauen das Leben kostete.
Der Oberkommandierende Serakan ist bereits auf dem Weg, um die Untersuchung fortzuführen. Wenn es möglich ist, die Natur der Barriere zu enträtseln, wird es ihm gelingen. Und zweifeln Sie nicht an meiner Bereitschaft, sofort mit allen verfügbaren Einheiten gegen die Chaosmächte und Rodrom vorzugehen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich weiß vielleicht besser als jeder andere, was es bedeutet, mit dieser Macht konfrontiert zu sein.
Ich kann nicht erklären, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte, doch ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um Rodrom zu schlagen und die Gefahr für Saggittor zu beseitigen.«
*
Wir befanden uns in einer äußerst prekären Situation. Wochenlang konnten keine neuen Ergebnisse gewonnen werden. Alle Versuche waren nutzlos geblieben. Die einzigen Meldungen, die wir regelmäßig machen konnten, klangen mittlerweile monoton und hatten einen deprimierenden Beigeschmack:
Keine Reaktion. Wir hatten es mit allen möglichen Spielarten von Raumtorpedos ebenso versucht wie mit normalen Energiestrahlen oder Schockimpulse emittierenden Granaten. Wir hatten Sonden geschickt, unbemannte Raumschiffe und so weiter. Jede Materie wurde ab einer Grenze von höchstens zehn Millionen Kilometer von der Barriere absorbiert oder zerschmettert.
Wir waren nicht weitergekommen. Damit verschlechterte sich Aurecs Position im Rat von Saggittor erheblich. Mit jedem verstreichenden Tag schwanden sowohl sein Einfluss wie auch seine Glaubwürdigkeit, von seinem Selbstbewusstsein will ich gar nicht sprechen.
Langsam nähert er sich einer neuen Krise. Unsere Hoffnung, mit der Gefahr seine Lethargie zu besiegen, verrinnt allmählich im Sande. Aurec zeigt immer seltener sein Kämpferherz. Er überlässt bereits einen Großteil der Aktion dem aggressiven Senator. Er zieht sich wieder zurück, gibt sich seinen Depressionen hin.
Doch es gibt Menschen, die noch immer an ihn glauben. Und ich gehöre wohl als wichtigster dazu. Ich bin der einzige, der Aurec hier und da mal aus seiner düsteren Nachdenklichkeit reißen kann. Dann versuche ich ihn zu animieren, den Kampf nicht aufzugeben.
Mit Aurec werde ich zugrunde gehen, Gefangen in der Intoleranz einer hochmütigen Gesellschaft, die uns hervorgebracht hat und die zu stärken unser ganzes Bestreben galt. Sie wird uns verstoßen, beeinflusst von machthungrigen Menschen wie Perus und Waskoch. Nun ja, der wird es wohl kaum erwarten können, mich ans Messer zu liefern und meine Position einzunehmen...
Aus: »Leben und Bedrohungen Saggittors, ›Die Barriere‹ – Persönliche Logbucheintragungen Kommodore Serakan, 1295 NGZ«
Wieder ein verschenkter Tag. Aurec verfiel immer stärker den Selbstvorwürfen. Er kapselte sich ab, überließ die Regierung soweit es möglich war dem Senat und gab sich dem zerreißenden Selbstmitleid hin. Die einzige Aktion des Tages war der Anruf Serakans gewesen, der die übliche Statusmeldung machte. Er war machtlos, genau wie alle Saggittonen, genau wie Aurec. Die Barriere widerstand allen denkbaren Maßnahmen, sie schirmte die Zentrumsregion beharrlich gegen saggittonische Zugriffe ab.
Langsam und gleichgültig begab sich der Kanzler in die Nasszelle. Er ließ sich duschen, massieren, rasieren, kneten, das ganze Programm. Es brachte ihn weder zur Besinnung noch spürte er Erleichterung oder Entspannung. Normalerweise begann um diese Zeit sein Nachtleben, seine vielen Bekannten hatten sich gern um ihn versammelt und waren mit ihm in Raumhafenkneipen oder andere Clubs gegangen. Sie warteten seit einiger Zeit vergebens auf ihn.
Gedankenverloren verließ er die Zelle, die Routine vieler Jahre lenkte seine Schritte in den Ruheraum. Hier hatte er in den letzten Wochen die meiste Zeit verbracht, hatte meditiert, geschlafen, gedöst und einfach nur dagelegen und gegen die Decke gestarrt. Dieser Abend unterschied sich von keinem der vorherigen. Aurec sank erschöpft in die Kissen...
...und schreckte mit einem lauten Schrei wieder hoch. Vor dem schwach schimmernden Hintergrund des Durchgangs hob sich eine Gestalt ab.
»Wer ist das?« Bei dem hysterischen Klang seiner Stimme drückte es wie eine riesige Hand auf seinen Brustkorb. So hatte er noch nie gesprochen!
»Wie kommst du herein, wer bist du? Sag endlich was!«
»Aurec.«
Er zuckte abermals zusammen. Die Sanfte, alt klingende Stimme ging ihm durch Mark und Bein.
»Das kann nicht sein! Du bist doch ge...« Seine Stimme versagte ihm.
»Aurec, beruhige dich. Du weißt, wer ich bin.«
Aurec stöhnte gequält.
»Vater!«
Doroc trat einige Schritte vor und verharrte im bleichen Schein der Sterne. Er sah erschöpft aus, hatte hervorquellende Augen und röchelte leise beim Sprechen.
»Ja mein Sohn. Ich bin es.«
»Nein! Du bist es nicht! Ich habe deine Leiche gesehen und begraben! Du kannst es nicht sein!«
Verzweifelt suchte der Kanzler einen Halt, fand ihn nicht und setzte sich unsanft wieder hin.
»Ich komme, um dich zu warnen.«
»Du bist eine Halluzination! Verschwinde und lass mich in Ruhe!«
»Hör mir zu! Rodrom ist zurückgekehrt! Der Galaxis droht eine furchtbare Gefahr! Hör auf mich, solange noch Zeit ist. Verschwinde, fliehe, nur weg aus Saggittor!«
Doroc versuchte Aurec an den Schultern zu fassen, doch der zuckte wie vor einer giftigen Schlange zurück.
»Ich bin verrückt! Es muss so sein, ich habe Wahnvorstellungen! Verschwinde endlich. Fass mich bloß nicht an!«
»Ich meine es ernst, mein Junge. Nimm es dir zu Herzen!«
Schweißgebadet erwachte er. Hastig blickte er sich um. Tatsächlich war niemand zu entdecken.
Aufatmend ließ er sich zurücksinken. Also doch nur ein Traum.
Wie von der Tarantel gestochen fuhr er hoch und sprang aus dem Bett. Er stöhnte unterdrückt. Vor sich erkannte er eine Gestalt. Ein weißes Hemd mit tiefem Ausschnitt spannte sich über üppigen Brüsten. Zu allem Überfluss war es vollkommen durchnässt, so dass es mehr enthüllte als verdeckte. Eine ebenfalls triefende Hose klebte an schlanken, wohlgeformten Beinen, die perfekt proportioniert in die Hüfte übergingen. Die Arme hingen kraftlos am Körper hinab, das blonde Haar klebte wirr im totenbleichen Gesicht und auf den Schultern der Frau.
»Shel!«
Mit einer hilflosen Geste bewegte sich Shel Norkat auf Aurec zu.
Aufschreiend sprang er zurück, stolperte über das Bett und blieb rücklings darin liegen. Unaufhaltsam kam Shel Norkat, die schöne Terranerin, näher und ließ sich vor dem Bett auf die Knie sinken.
»Sie ist tot! Ertrunken auf der LONDON! Sie ist tot!« Immer wieder stammelte der Saggittone die Worte, zweifelte an seinem Verstand. Er glaubte den Wahnsinn schon zu spüren, wie er mit kaltem Griff sein Gehirn umklammerte.
Shel Norkat streckte die bleiche Hand aus und berührte seinen Fuß. Ein Schrei, er zuckte zusammen und blieb zitternd liegen, die Hände an den Kopf gepresst.
»Nein... Hör auf..«
Immer leiser wurde sein Schluchzen, während Shel sich neben ihn setzte und ihm sanft den Schweiß von der Stirn strich. Sie beugte sich zu ihm herab und hauchte einen Kuss auf seine Stirn.
»Ich liebe dich!«
»Nein...«, flüsterte der gequälte Mann.
»Ich will für immer bei dir bleiben...«
Der Holpigon Utzmuk verbeugte sich tief vor der Statue auf dem weißen Altar aus Marmor und verharrte einige Momente in dieser Position. Ein schmatzendes Geräusch erklang bei jeder Bewegung des Mollusken. Die Fühler zitterten und gaben ein dumpfes Summen von sich.
Es war vollkommen still. Nur das Rauschen der grünen Blätter und das Zwitschern der Sumora-Vögel ließ dieses Bild mit Leben erfüllen.
Dann erhob er sich langsam wieder und gab einen Impuls in seinen Unterleib, um sich ein paar Meter über den Rasen nach vorne zu bewegen.
Er bekroch den weißen Boden des etwa vier Meter durchmessenden Altars und bewegte sich auf einen Sims vor der Statue einer Frau zu.
Das Schneckenwesen zündete drei darauf stehende Kerzen an und sprach einige Worte in einer schon längst vergessenen Sprache des alten Volkes der Horworren.
Es war ein tägliches Ritual, welches der Holpigon vollzog. Damit huldigte er seine Vorfahren und die Göttin SAGGITTORA.
Utzmuk war Theologe und Wissenschaftler. Er entstammte dem Volk der Holpigons. Sie gehörten zu den wichtigsten Existenzen in der Galaxis Saggittor und galten als Nachfolger der Horworren, die einst Saggittor vor vielen Jahrtausenden beherrschten.
Der Legende nach regierten sie eine lange Zeit und waren geistig weit fortgeschritten. So weit, dass sich die Göttin ihnen offenbarte und zu ihrem Hilfsvolk machte.
Zusammen bevölkerten sie die Galaxis, brachten Ruhe und Frieden in das Schwarze Auge. So lange, bis die dunkle Zeit anbrach...
Utzmuk verband zwei unterschiedliche Ansichten miteinander. Zum einen war er als Wissenschaftler bemüht, den Fakten und geschichtlichen Tatsachen zu folgen. Doch auf der anderen Seite war sein Glauben an die Göttin SAGGITTORA stark.
Er war felsenfest davon überzeugt, dass es ein überirdisches Wesen SAGGITTORA gab und immer noch existierte. Denn immerhin hatte vor 35 Anor ein Wesen sich als SAGGITTORA bezeichnet, nachdem es den Saggittonen die Koordinaten des Sternenportals gegeben hatte. Auch hier gab es zwei Möglichkeiten: Es war tatsächlich SAGGITTOR oder eine andere Entität hatte sich den Glauben der Saggittonen zu nutze gemacht, um Vertrauen zu gewinnen.
Der Holpigon hatte es sich zum Ziel gesetzt – zu seiner Lebensaufgabe gemacht – das Wesen SAGGITTOR zu finden oder zumindest mehr über den Mythos in Erfahrung zu bringen.
Die Holpigons hatten in der Galaxis den Status des Priestervolkes. Sie waren moralisch hochstehend und überaus friedfertig. Oft waren es Politiker der Holpigons, die Konflikte im Senat Saggittors beilegten.
Die bis zu 2 Meter langen und bis zu 1,60 m hohen Wesen waren meist sehr schwer und hatten gelbe, rote und grüne Hautfarbe. In Utzmuk Falle war sie gelb. Die zweitstärkste Macht in Saggittor besiedelte knapp 2000 Sternensysteme. Ihr Heimatsystem war das Horw-System mit dem roten Riesen Horw. Ihren Heimatplanet nennen sie Horworron, in Anlehnung auf ihre Vorfahren, die Horworren, von denen sie direkt abstammen.
Ihr Ansehen in der Galaxis war so groß, wie jenes der Saggittonen selbst. Während man an den Saggittonen jedoch ihre Tatkräftigkeit, Zielstrebigkeit und Ehrlichkeit bewunderte, so waren die Holpigons eher der Ruhepol, ein stets bedacht und überlegt handelndes Volk in der Galaxis Saggittor.
Für Utzmuk war es ein Tag wie jeder andere. Er begann ihn mit dem Gebet an SAGGITTORA. Danach begab er sich schleichend in seinen Wohnblock. Die Holpigons hatten natürlich einen völlig anderen Einrichtungsstiel als humanoide Wesen.
Eine riesige Wanne mit Schlamm stellte zum Beispiel sein Bett dar. Ein Trog mit Gemüse und Obst bot dem Molluskenwesen einen appetitlichen Anblick. Sofort machte er sich über sein Frühstück her und verschlang es genüsslich, bevor er beschloss sich noch etwas hinzulegen.
Der Schlamm war gut für seine Haut und hielt sie feucht. Utzmuk gab einen Laut des Wohlwollens von sich und wälzte sich in der Lache hin und her.
Plötzlich summte der Interkom auf. Utzmuk grunzte unwillig, kroch aus der Wanne heraus und ließ sich von seiner Nasszelle säubern.
Langsam bewegte er sich zu dem Monitor an der Wand. Er hinterließ dabei eine feuchte Spur auf seinem grauen Boden.
Mit einem seiner Tentakel drückte der Holpigon einen Knopf und aktivierte den Interkom. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines seiner Artgenossen.
Es war der Wissenschaftler Ochmar.
Ochmar war ein dürrer Holpigon mit einer ledrigen Haut. Das Aussehen deutete auf sein hohes Alter hin, denn das Molluskenwesen war bereits 1581 Anor alt und überschritt die Lebenserwartung der Holpigon um einige Jahrzehnte.
Die Fühler hingen schlaff über den Kopf und zuckten in einem bestimmen Intervall schlagartig auf.
Utzmuk verneigte sich und begrüßte seinen Artgenossen.
»Ehrenwerter Ochmar, darf ich den Grund Eures Anrufs wissen?«
Ochmar nickte schwach. Er war ein angesehener Wissenschaftler und Leiter der größten Forschungszentrale auf dem Planeten Horworren.
»Es geht um Eure theologische Arbeit, die Ihr den Studenten in zwei Tagen vortragen wollt«, erklärte Ochmar ohne große Umschweife.
Utzmuk schockierte und begeistere diese Direktheit seines Gegenübers zugleich.
»Was ist mit der Rede? Gefällt sie Euch nicht?«, forschte der Holpigon intuitiv nach.
»In der Tat sagt sie mir nicht zu! SAGGITTORA als göttliche Superintelligenz zu beschreiben ist in meinen Augen Ketzerei. Sie werden damit sowohl die Gläubigen als auch die Wissenschaftler vor die Fühler stoßen!«
Utzmuk zog die Fühler ein und rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her.
»Ich möchte Sie auffordern, die Rede zu ändern«, sprach Ochmar in einem Befehlston, den Utzmuk gar nicht leiden konnte.
»Ich verleugne nicht meine eigenen Arbeiten, Ochmar. Das können Sie bei allem Respekt nicht von mir verlangen«, warf Utzmuk entgegen.
Ochmar flatterte unruhig mit den Fühlern und kroch einige Zentimeter näher an den Bildschirm heran.
»Wenn das so ist, werde ich einen anderen für den Vortrag auserwählen«, erklärte er gereizt.
»Das können Sie nicht machen! Meine Theorien sind zwar gewagt, aber viele interessieren sich dafür«, konterte Utzmuk.
»SAGGITTORA ist eine Gottheit. Götter sind Legenden und Mythen. Wäre SAGGITTORA eine Superintelligenz, dann hätte sie sich schon lange gemeldet. Außerdem würde die tatsächliche Existenz vieles verändern. In meinen Augen sind Veränderungen jedoch schlecht!«
Utzmuk senkte beschämt den Kopf. Er schämte sich für seinen ignoranten Artgenossen, der anscheinend dem Altersschwachsinn anheim gefallen war.
Er wusste genau, dass er Ochmar nicht mehr umstimmen konnte. Deshalb startete er auch keinen erneuten Versuch.
»Dann ziehe ich die Rede zurück. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Vorlesung«, fauchte Utzmuk verbittert und beendete die Verbindung, bevor Ochmar irgendetwas entgegnen konnte.
Utzmuk hatte diese Demütigung nicht nötig. Der Holpigon gehörte zu den angesehensten Bürgern des Planeten. Er hatte bereits viele hochinteressante Belege für eine eventuelle Existenz SAGGITTORAs erbracht.
Vor vielen Jahren hatte er uralte Aufzeichnungen eines Horworren entdeckt, der von einer Begegnung mit der Entität SAGGITTORA sprach. Utzmuk sah dies als einen Beweis für die Existenz eines Überwesens an.
Durch die Terraner hatte man mehr über Superintelligenzen erfahren und der Holpigon war der festen Überzeugung, dass SAGGITTORA auch eine Superintelligenz war, die vor vielen Jahrtausenden die Galaxis Saggittor beherrschte und die Horworren als Hilfsvolk auserkoren hatten.
Aus noch ungeklärten Gründen musste sie Saggittor verlassen haben und die Horworren verloren den direkten Bezug zu der Entität. Sie degenerierten mit der Zeit und wurden dann von den Mächten des Chaos vernichtet.
Vielleicht waren auch die Mächte des Chaos schuld an dem Verschwinden der Superintelligenz, vermutete Utzmuk.
Doch warum hatte sich SAGGITTORA bislang nicht mehr gemeldet, seitdem sie die Koordinaten des Portals mitgeteilt hatte?
»Fragen über Fragen, mein Freund. Vielleicht kann ich dir einige Antworten liefern«, hörte Utzmuk eine ruhige Stimme.
Erschrocken drehte sich der Molluske um und glaubte nicht, wen er erblickte.
Utzmuk zog die Fühler erschrocken ein. Woher kam er? Was wollte er? Die anfängliche Panik wich jedoch relativ schnell.
Der Holpigon musterte den Eindringling oder vielmehr Besucher. Der Fremde war kleiner als der Molluske. Er war Humanoid – aber kein Saggittone. Sein Kopf war kahl, die Augen schmal und über seinen Lippen und unter dem Kinn trug er Haare.
Utzmuk wusste, dass die Saggittonen diesen Haarwuchs Bart nannten. Der Humanoide mit der gelblich braunen Haut trug ein langes rotschwarzes Gewand und wirkte auf den Holpigon passiv.
Die Hände waren vor dem Bauch gelegt. Der fremde Humanoide verharrte in seiner ruhigen und friedlichen Position.
»Wer... wer bist du?«, wollte Utzmuk wissen. Er bewegte sich dabei etwas nach vorne und fuhr neugierig die Fühler aus.
Der Fremde bewegte sich auch ein paar Schritte nach vorn. Instinktiv wich Utzmuk zurück und zog die Fühler ein. Ein Zeichen der Holpigons für Furcht und Schutzbedürftigkeit.
»Ich tue dir nichts. Ich bin dein Freund, Utzmuk«
»Du kennst meinen Namen?«, wunderte sich Utzmuk.
»Gewiss«, sagte sein Gegenüber mit einem milden Lächeln.
Langsam verlor Utzmuk seine Scheu und kroch wieder einen Meter auf den Besucher zu, der um den Holpigon herum ging und sich auf einen Sessel setzte, der für saggittonische Gäste vorgesehen war.
»Ich sehe die Verwunderung in deinem Gesicht. Lass mich erklären, wer ich bin und woher ich komme. Mein Name ist Sato Ambush. Ich bin von SAGGITTORA gesandt worden und benötige deine Hilfe.«
*
Die Raumfähre startete mit einem dröhnenden Krach. Schnell brauste sie gen Himmel und schon bald hatte das Raumschiff den Orbit von Horworren verlassen.
Utzmuk saß auf seinem Sitz und dachte über die letzten Stunden nach. Neben ihm hockte der Terraner Sato Ambush und meditierte.
Vor noch wenigen Stunden hatte Utzmuk mit sich selbst und Ochmar um die Existenz SAGGITTORAs gestritten. Nun war es wohl Faktum.
Der kleine asiatische Terraner in dem seltsamen Seidengewand, das er Kimono nannte, hatte erklärt, dass die Superintelligenz SAGGITTORA sich in einem Kampf gegen die Mächte des Chaos befand. Ambush musste dringend mit Aurec sprechen und den Kanzler Saggittors um Hilfe bitten.
Welche Rolle Utzmuk dabei spielte, wusste der Holpigon selbst noch nicht. Ambush hatte ihm nur gesagt, dass sein Schicksal sich bald erfüllen würde.
War Utzmuk ein Auserwählter SAGGITTORAs? Schon bei dem Gedanken bezeichnete er sich selbst als Ketzer.
Warum ausgerechnet er? Was hatte er, was andere nicht hatten.
Den festen Glauben an die Existenz des Geisteswesens, beantwortete seine innere Stimme die Frage.
Bedächtig schloss Utzmuk die Augen und senkte die Fühler, die das Sinnesorgan Nase ersetzten.
Es war, als befände er sich in einem Traum. Nur schwer konnte er die Dinge begreifen, die um ihn herum geschahen.
Doch eines wusste er: Sato Ambush log nicht. Er vertraute dem Terraner auf Anhieb. Die ruhige und positive Ausstrahlung des Japaners hatte Utzmuk beeindruckt.
Nun waren sie gemeinsam auf dem Weg nach Saggitton. Dort würden sie auf Aurec treffen und viele Fragen Utzmuks würden sicherlich beantwortet werden.
Serakan verließ langsam und nachdenklich das Regierungsgebäude. Ihm wurde die hinterhältige Methode des Senator Perus langsam zuwider. Er verstand nicht, warum sich die anderen Ratsmitglieder davon beeinflussen ließen. In all den Jahren seiner Amtszeit hatte sich Aurec nie etwas zu Schulden kommen lassen. War es die Angst vor dem Unbekannten, Gefährlichen, was sie zu diesen Handlungen veranlasste?
Er begab sich ins Foyer des Regierungsgebäudes. Ein Holpigon kam ihm in Begleitung eines kleinen Mannes entgegen. Serakan zog verwundert die linke Augenbraue hoch. Ein spitzes dünnes Bärtchen zierte das Gesicht des Mannes, die Wangenknochen lagen relativ hoch und waren ausgeprägt. Ovale, leicht schräg liegende Augen versandten ihre scharfen Blicke in seine Richtung.
Ein Terraner, durchzuckte es Serakan. Sato Ambush...?
Rasch trat er ihnen entgegen.
»Meine Herren, kann ich Ihnen helfen? Sie sehen so aus, als suchten Sie etwas bestimmtes.«
Überrascht verzog der kleine Mann sein Gesicht.
»Tatsächlich, Sie sind ein guter Beobachter«, erwiderte er. »Wir suchen den Kanzler Saggittors, Aurec!«
Serakan nickte.
»Folgen Sie mir bitte!«
Normalerweise würde er wohl kaum jemanden, der einfach nach Aurec verlangte, sofort zum Kanzler bringen, doch dieser Terraner ähnelte Sato Ambush gewaltig. Serakan war ein junger Offizier auf der SAGRITON gewesen und hatte die Gestalt des Japaners nicht vergessen.
Sie betraten den Antigrav, aus dem Serakan eben erschienen war. Er führte sie in einen kleinen Raum im Obergeschoß und forderte sie auf, Platz zu nehmen.
»Entschuldigen Sie bitte, aber der Kanzler ist momentan unabkömmlich. Wenn Sie solange mit mir vorlieb nehmen könnten...«
Die beiden unterschiedlichen Wesen blickten sich kurz an, dann wandte sich der kleine Mann an Serakan.
»Mit wem haben wir es denn zu tun, wenn ich fragen darf? Wir haben kein Interesse daran, von irgendeiner Bürokraft abgefertigt zu werden!«
»Ich bin der Kommandant der SAGRITON. Serakan ist mein Name. Ich bin der Vertraute des Kanzlers.«
Utzmuk war diese Tatsache bekannt, denn fast jeder kannte den populären Serakan. Sato Ambush nickte bedächtig und atmete tief durch.
»So, nun aber zu Ihnen. Was genau führt Sie hierher? Ich nehme an, Sie haben gewichtige Gründe?«
»So ist es. Mein Begleiter ist der holpigonsche Wissenschaftler Utzmuk, mein Name ist Sato Ambush.«
Etwas erstaunt registrierte Ambush wie sein Gegenüber befriedigt nickte. Hatte er ihn erwartet?
»Sie kennen mich? Wie ist das möglich, ich bin in Saggittor noch niemals in Erscheinung getreten!«
»Nun, Aurec erzählte mir von seinem Treffen mit Ihnen in einem Paralleluniversum, als Sie ihn und Perry Rhodan vor den Häschern des Rodrom erretteten und danach der LONDON den Weg in die Realwelt zeigten. Ihre Erscheinung ist mir daher bekannt, weshalb sie sich nicht mehr wundern sollten. Außerdem war ich auf der SAGRITON zu der Zeit ein junger Offizier.
Ich wusste sofort bei Ihrem Erscheinen, mit wem ich es zu tun hatte. Allerdings ging aus Aurecs Erzählung hervor, dass Ihnen die Rückkehr in das Standarduniversum verschlossen geblieben war.«
Sato nahm das als Aufforderung zur Erklärung seines Hierseins.
»Nachdem die LONDON in ihr Universum zurückgekehrt war, wurde ich von einer Entität zu einem Wesen geleitet, welches sich als Alysker bezeichnete. Ich verbrachte viele Jahre an Bord seines Raumschiffes. Wir unterstützten im Verborgenen die Terraner und ihre Verbündeten. Wir befinden uns im Krieg gegen Mächte des Chaos. Ihr kennt Rodrom. Er ist Teil davon. Die Entität DORGON hat mich zu euch geschickt. Ich habe Kontakt zur Superintelligenz SAGGITTORA aufgenommen, doch sie befindet sich in keinem guten Zustand. Rodrom nutzt die Macht der finsteren Entität MODROR, um eure Schutzpatronin zu schwächen. Saggittor schwebt in großer Gefahr.«
Utzmuks Körper vibrierte bei Ambush Erzählungen. Er hatte tatsächlich SAGGITTORA getroffen. Ein besonderer Tag war für den Holpigon angebrochen. Vielleicht der gedenkwürdigste seines Lebens.
Ambush fuhr fort: »Als ich ankam bot sich mir ein düsteres Bild. SAGGITTORA befand sich in einem Kampf mit der gefährlichen Entität, die sich Rodrom nennt. Sie bedroht diese Galaxis mit dem absoluten Untergang! SAGGITTORA musste sich ihm stellen. Eine fast aussichtslose Angelegenheit. Doch konnte sie ihn bisher an seinem Vorhaben hindern. Ich befinde mich hier, um Aurec als Kanzler und Freund zu warnen!
Auf Holpigon wendete ich mich an Utzmuk. Ich hatte erfahren, dass er sich mit SAGGITTORA beschäftigt und sie bereits als Superintelligenz klassifiziert hatte. Da er jedoch auf Unglauben gestoßen war, konnten wir uns zusammen tun und Saggitton anfliegen.«
»Ich hoffe, Informationen über das dorgonische Hypertakttriebwerk zu erhalten, die von Perry Rhodan freigegeben wurden. Mit dieser Technik bestände eventuell die Möglichkeit, die Barriere zu überwinden«, erklärte Utzmuk.
In Gedanken versunken, saß Serakan da und ließ die Worte Ambushs und Utzmuks auf sich wirken.
»Von welcher Gefahr sprechen Sie, Sato?« fragte er. »Dass Rodrom gefährlich ist, wissen wir bereits. Damit haben wir Erfahrungen sammeln können.«
»Kennen Sie seine wahren Absichten? Woher wollen Sie wissen, dass er nur vorhat, Saggittor in seinen Machtbereich einzugliedern, es zu erobern? Rodrom besitzt noch viele andere Möglichkeiten! Deshalb bin ich hier.
Ich war dabei, als SAGGITTORA ihren schweren Kampf ausfocht. Ich war kurzfristig ein Teil eurer Superintelligenz. Sie weiß, was Rodrom vorhat. Ich weiß es nun auch und muss euch warnen!
Rodrom will Saggittor vernichten!«
*
Eine gebeugt gehende, leicht schwankende Gestalt schlich schwerfällig durch die Gänge des Regierungsgebäudes. Einige Male blieb sie stehen, stützte sich an einer Wand ab und fuhr mit der Hand zum Kopf, um sich stöhnend die Schläfen zu massieren. Dann betrat sie durch eine schwere Tür den großen Sitzungssaal des Senats.
Die Augen der Anwesenden richteten sich prüfend auf die Gestalt, starrten sie an wie einen Exoten.
»Aurec, wie schön, dass Sie sich auch wieder in Ihrem Senat blicken lassen!«
Aurec wandte sich zum Sprecher und erkannte die hämisch grinsende Grimasse seines Gegners, Senator Perus. Er wollte sich abwenden und an seinen Platz begeben.
»Warten Sie noch einen Augenblick, Kanzler. Mir scheint, Ihnen geht es nicht sehr gut? Ihr Gang ist so schwankend, Ihre Augen verdunkelt und von Ringen und Falten geziert. In Ihrem Zustand sollten Sie lieber zu Hause bleiben!«
Aurec zuckte zusammen. Nein, zu Hause warteten die Geister! Die ganze Nacht hatte er um seine Freiheit gekämpft, und jetzt wollten sie ihn wieder in ihre Fänge treiben?
»Mir geht es gut.«
»Nun, dann können wir ja beginnen.«
Aurec ging zu seinem Platz. Noch immer starrten ihn die Abgeordneten an.
»Kanzler, in den letzten Tagen haben Sie sich nicht sehen lassen«, begann Perus wieder. »Wir haben uns gefragt, woran das liegen mochte. Die momentane Lage erfordert die ständige Anwesenheit des Kanzlers, wenigstens seine Mobilität und Erreichbarkeit.«
Die Tür öffnete sich, Serakan trat ein und nahm schräg hinter Aurec Platz.
»Haben Sie eine Erklärung für Ihr unverantwortliches Verhalten?«
Aurec schwieg.
»Nun, ich könnte Ihnen vielleicht ein wenig auf die Sprünge helfen. Was geschieht des Nachts in Ihrer Wohnung? Dämmriges Licht schimmert durch die Fenster, manchmal ertönt Musik, oft kommen Sie noch spät in der Nacht hinaus, um sich die genossenen Getränke noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.«
Gedämpftes Lachen klang von den Rängen.
»Außerdem ist Ihr Blick abwesend, Sie führen Selbstgespräche, oder sind es Gespräche mit Ihrem Besuch?«
»Perus, was erwarten Sie von mir? Sie haben sich doch sowieso schon die Mehrheit der Senatoren gesichert, Sie können offen reden!«
Gemurmel klang auf. Perus sah überrascht aus. Die Worte glichen einer Niederlage, aber die Stimme passte nicht. War der starke Geist des alten Aurec wieder vorhanden?
»Aurec, Sie werden doch zugeben, dass Ihr Verhalten den Anschein erweckt, als feierten Sie jede Nacht wilde Feste, der Ausdruck Ihrer Augen zeugt von übermäßigem Konsum aufputschender Medikamente. Sie zittern, können nicht klar denken, sehen Geister und ziehen sich von Ihren Pflichten zurück.
Können Sie uns erklären, was derzeit im Zentrum vor sich geht? Wissen Sie, in welcher Stimmung sich die Völker befinden? Welche Maßnahmen wurden zu Ihrem Schutz ergriffen?«
Schweigen in der Arena. Alle warteten gespannt auf Aurecs Antwort. Aurec spielte nervös mit dem Saum seines Hemdes, seine Finger zitterten. Dann fuhr er sich wieder mit einer verzweifelten Geste über das Gesicht.
»Wie Sie alle wissen, war unser Kanzler in den letzten Tagen geschwächt.« Serakan hatte das Wort ergriffen. »Wie ich den Senator Perus einschätze, ist es Ihnen kein Geheimnis, das Aurec erst vor kurzem einen Arzt besuchte.
Er ist gerade in der Erholungsphase, lassen Sie ihm die Zeit, bis er sich wieder mit altem Elan auf seine Aufgaben stürzen und der akuten Gefahr begegnen kann!«
Einige Räte nickten zustimmend.
»Liebe Senatoren!« Serakan wusste, dass Perus nun zu seinem entscheidenden Angriff ausholte. »Haben Sie eben richtig aufgepasst? Ich stellte die Fragen, die unser aller Problem sind. Der Kommodore eines Schlachtschiffs bringt zweifelhafte Argumente, die außerdem in einer Krisenzeit wie dieser ohne Gewicht sein sollten. Aurec, unser Kanzler, war nicht einmal fähig, die Worte zu seiner Verteidigung selbst zu sprechen!
Seht ihn euch an! Ist dieser verbrauchte Mann in der Lage, der Bedrohung Herr zu werden? Ist er überhaupt in der Lage, diesem Staat vorzustehen? Besitzt er noch den Willen, die Einstellung, seine gesamte Kraft für die Sicherheit des Staates, der Galaxis einzusetzen? Sehen Sie Anzeichen, dass er sich erholt, sein Blick sich klärt und sein Geist erwacht? Ich sehe sie nicht!
Senatoren, es ist an der Zeit eine Entscheidung zu treffen! Der Gegner festigt seine Position in Saggittor, der Kanzler ist zu einer Verteidigung nicht fähig, und Sie zögern noch? Denken Sie nach, aber denken Sie nicht zu lange, es könnte zu spät sein!«
*
Hatte Aurec, Sohn des Doroc, auch die längste Zeit seiner Regierungsphase hervorragend agiert, muss man doch bemängeln, unter welchen Umständen er den Staat sich selbst überließ und sich seinen Depressionen hingab.
Schwere Schicksalsschläge hatten seine Familie dahingerafft, auch seine Geliebten starben unglücklich.
Aus Berichten Serakans geht hervor, dass Aurec Kontakte zu vergeistigten Wesen gehabt haben soll. Diese scheinen ihn außergewöhnlich beansprucht zu haben, sein Lebensstil änderte sich radikal.
Trotzdem verloren die Massen nicht das Vertrauen in ihn, wie es sein politischer Gegner, Senator Perus, gern gesehen hätte. Serakans Einsatz tat ein Übriges dazu, dass die Achtung erhalten blieb.
So trat der Rat von Saggittor zusammen. Er bestand aus den höchsten Vertretern der saggittonischen Völker. Diese waren nicht zwangsläufig die Kanzler und Regierungschefs der einzelnen Spezies. Es waren Würdenträger, denen keine Rolle in der Regierung – wohl aber im Senat – zugebilligt wurde, um unabhängig zu bleiben. Jedoch war dies nur graue Theorie, denn der Vertreter der Saggittonen war Perus, der nach Aurecs Amt trachtete.
Die Rede Serakans half Aurec. Unter diesen Umständen war es dem Rat von Saggittor nicht möglich, Aurec gänzlich der Möglichkeiten zur Rehabilitation zu berauben.
Jurutzz, der Holpigon sprach sich gegen eine völlige Demontierung Aurecs aus. Der Varnider Natup war auf Seiten des Holpigon, während Perus und der Trötter Melbrius Aurecs Absetzung und Abdankung wollten. Eigentlich widersprach dies der saggittonischen Demokratie.
Der Kanzler wurde auf Lebenszeit gewählt. Er bestimmte seinen Nachfolger, der sich jedoch zur Wahl stellen musste. Während dieser Zeit waren Gegenkandidaten aufzustellen. Das Volk konnte dann entscheiden.
Die Bürger wählten alle 168 Anor, ob es zu einer Verlängerung der Kanzlerschaft kommen sollte, oder eine neue »Diskussion« stattfinden sollte. Hierbei wurden in mehreren Referenden Probleme des Volkes gewählt, die der Kanzler lösen musste. Nach 5 Anor wurde das Volk erneut befragt, ob es zufrieden war, oder Neuwahlen wünscht. Entschied es sich für Neuwahlen, konnte die Wahl auf Lebenszeit für ungültig erklärt werden.
So hätte also zuerst das Volk in einem Referendum befragt werden müssen, ob Aurec für weitere fünf Anor auf Probe gestellt wurde. Doch Perus argumentierte, dass bis dahin Rodrom sie alle ins Verderben gestürzt hätte. Der Multivon Loop-Wak schlug einen Kompromiss vor. Der Misstrauensantrag wurde zwar bewilligt, doch wurde Aurecs Amt nur stillgelegt, eine neuerliche Übernahme der Regierung war bei bewiesener Genesung möglich. Senator Perus wurde als Interimskanzler eingesetzt, Saggittor hatte ein neues Regierungsoberhaupt. Er sollte Saggittor aus der Krise führen. Dann würde es zu einem Referendum kommen. Aurec hätte die Chance, sich fünf Anor zu beweisen, sollte es das Volk wünschen. Erst wenn er sich dann als unwürdig erwies, hätte Perus die Möglichkeit, sich auf Lebenszeit zum Regenten wählen zu lassen.
Dennoch, für die Zeit der Krise war Perus nun Kanzler Saggittors.
Aus: »Regierungen und Diktaturen Saggittors, Letzte Entwicklungen«, 1295 NGZ
*
Aurec stieß die Tür zu seinem Zimmer auf und grinste erschöpft. Das Zimmer war in wohltuend gedämmtes Licht getaucht, auf dem großen Bett rekelte sich eine leicht bekleidete Gestalt.
»Liebster, komm zu mir«, hauchte Shel Norkat. Eine aufreizende Geste ließ Aurec erschauern. Langsam setzte er sich neben sie. Ihr Haar verströmte einen betäubenden Duft, die Haut glänzte matt in dem Licht, Kerzenflackern machte die romantische Atmosphäre perfekt.
Aurec ließ sich neben ihr aufs Bett gleiten. Eine Träne rann seine Wange hinunter. Es war der letzte Rest seines bisherigen Lebens, und er verging unbemerkt.
Leidenschaftlich verstrickte er sich in einen Liebesakt mit Shel Norkat.
»Ich bin dein«, flüsterte er.
Welchen Sinn hat ein Leben, dem jeder Sinn genommen wurde?
Aurec hob den großen Kristallschwenker an und verdeckte mit ihm die Deckenbeleuchtung.
Das diamantgeschliffene Glas warf daraufhin skurrile Lichtreflexe auf sein ungepflegtes Gesicht.
Die Sinne des Saggittonen waren längst durch die alkoholisierende Wirkung des Merage paralysiert, wie schon viele Tage und Nächte zuvor.
Der Merage war ein Extrakt aus einer Frucht, die nur auf der Randwelt Meragos gedieh. Man sagte dem Getränk nach, es lasse jeden Schmerz vergessen.
Tatsächlich sorgte der Merage für eine Abstumpfung der Sinne und ein langsames Absterben der neuronalen Verflechtungen im Stammhirn. Vorausgesetzt, man konsumierte den Extrakt über lange Zeit.
Außerdem enthielt Merage die Droge Sagga, die zeitweise die Sinne erweiterte und langfristig in die Abhängigkeit führte.
Die Sanatorien auf Saggittor waren voll mit Leuten, die von dem Getränk nicht mehr loslassen konnten.
Doch dass konnte Aurec längst nicht mehr bewusst realisieren.
Erneut setzte er den Kristallkelch an und nahm einen kräftigen Schluck.
Die ölige Flüssigkeit floss langsam die Speiseröhre hinab und verbreitete jenes brennende und gleichzeitig kühlende Gefühl, für das Merage bekannt war.
»Genau dass, was ich jetzt brauche!«
Aurec hielt kurz inne.
Hatte er eben seine eigene Stimme gehört, oder waren es nur seine Gedanken gewesen?
Realität und Imagination verschmolzen auf seltsame Weise und erzeugten bunte Trugbilder auf Aurecs Netzhaut.
Die Droge begann bereits ihre Wirkung zu entfalten.
Das Licht der Deckenlampe, eben noch klar und hell, zerstob wie in einem Prisma und erzeugte ein Kaleidoskop von Farben und Reflexen.
Aurec kniff die Augen zusammen um sich der Helligkeit und den wirbelnden Bildern zu entziehen.
Man wusste niemals zuvor, wie sich einem das Merage offenbarte.
Einmal erfüllte er den Konsumenten mit tiefem Frieden und hatte eine beruhigende Wirkung, ein anderes Mal konnte er die Wahrnehmung erweitern und die Sinne derart überreizen, dass man Gefahr lief, dem Wahnsinn zu verfallen.
Nach wenigen Sekunden kehrte Ruhe in die tanzenden Muster ein.
Angenehme Dunkelheit senkte sich über Aurecs Gesicht.
Eine Hand schirmte seine Augen ab und legte sich anschließend kühlend auf seine erhitzte Stirn.
Das Merage-Fieber hatte bereits eingesetzt und trieb kleine Schweißperlen auf Aurecs Stirn.
Das Fieber war ein Zeichen dafür, dass der Körper des Saggittonen bereits damit begann, den Alkohol abzubauen.
Die zarte Hand verschaffte Linderung und streichelte sanft über Aurecs Stirn.
Die Kälte, die von ihr ausging, war angenehm.
Aber war er nicht allein gewesen?
Aurec glaubte, sanfte Lippen zu spüren, die einen zärtlichen Kuss auf seine Stirn hauchten.
Süß und unwiderstehlich, doch auch so kalt wie die Polregion von Saggitton.
»Shel?«
Der Name seiner verstorbenen Geliebten kam wie ein Flüstern über seine Lippen und wurde prompt mit einem weiteren Kuss beantwortet.
»Shel! Du bist da?«
Aurec schloss die Augen und genoss den Moment.
»Ich habe dich niemals verlassen, Geliebter.«
Aurec lauschte den Worten nach, die wie das Spiel des Windes in den saggittonischen Rauschwäldern anmuteten.
Nein, er war nicht allein.
Sie war bei ihm und brachte Trost.
Für Aurec vermischte sich Traum und Wirklichkeit, doch zu welchem Teil gehörte Shel?
Aurec griff nach der ganzen Flasche und führte sie an die Lippen.
Der Saggittone konnte keinen klaren Gedanken mehr formen, doch wenn sie nur ein Teil seiner Fantasie war, dann wollte er dafür sorgen, dass dieser Zustand so lange wie möglich anhielt.
So bemerkte Aurec nicht mehr, dass eine Person den Raum betrat.
Ich senkte betroffen den Blick, als mir Aurecs Zustand bewusst wurde.
Dieser Mann war immer mein Vorbild gewesen, doch was war aus ihm geworden?
Der ehemalige Kanzler wälzte sich unruhig auf seinem Lager hin und her, die leeren Flaschen auf dem Boden sprachen Bände.
Ich wollte mich enttäuscht abwenden als doch noch eine Reaktion erfolgte.
»Shel?«
Ich trat näher an sein Lager heran, damit er mich besser sehen konnte.
»Ich bin es, Serakan!«, flüsterte ich betroffen.
Aurec blinzelte mir entgegen.
»Serakan? Wie bist du hereingekommen?«
Ich ignorierte die unfreundliche Begrüßung und legte die rechte Hand mit der flachen Seite auf meine linke Schulter, eine alte saggittonische Ehrenbezeichnung.
»Durch die Tür, sie stand offen.«
Aurec ließ als Entgegnung nur ein Grunzen vernehmen.
Es war offensichtlich, dass er nach einer neuen Flasche suchte.
Ich war zutiefst erschüttert.
Aurec hatte sich nicht einmal so weit unter Kontrolle, dass er sich von seinem Lager aufrichten konnte.
»Warum bist du hier?«
Ich antwortete: »Wir haben Informationen erhalten, aus denen wir mit Sicherheit schließen können, dass SAGGITTORA wirklich existiert. Wir glauben, es handelt sich um die Superintelligenz dieser Galaxis, die dringend...«
Aurec hob den Kopf und sah mich mit fliehenden Augen an.
»Mir war gar nicht bewusst, dass du an diesen Unfug glaubst. Du nimmst das Gerede um SAGGITTORA nicht wirklich ernst, oder?«
Ich bemühte mich, Aurecs harsche Reaktion einzig auf seinen Rauschzustand zurückzuführen, was mir zunehmend schwerer fiel.
Dennoch räusperte ich mich kurz und fuhr fort:
»Sato Ambush ist davon überzeugt, die Superintelligenz lokalisieren zu können, sobald er sich in der Nähe ihres Residenzplaneten befindet.«
Ein gekünsteltes Lachen war als Antwort zu hören, was deutlich misslang.
»Ambush? Diese Schattenexistenz?«
Mein Gesicht drückte nun deutliches Missfallen aus, dennoch ließ ich mich nicht beirren und fuhr fort:
»Sato Ambush ist keine Schattenexistenz. Er ist SAGGITTORA im übergeordneten Raum begegnet und ich bin überzeugt, er spricht die Wahrheit.«
Aurec winkte kraftlos ab.
»Viel Glück bei eurer Suche. Ich bin kein Kanzler mehr, mich geht dass alles nichts mehr an...«
Ich konnte nur mit Mühe meine Enttäuschung unterdrücken.
»Aurec, du schließt dich uns nicht an? Ich bin sicher, zusammen können wir...«
Aurec machte eine unwillige Geste.
»Geh jetzt und lass mich allein. Alles was ich brauche ist Shel...«
Ich schüttelte unwillig den Kopf.
»Die Terranerin ist tot, dass weißt du genau! Hast du die Fähigkeit zum klaren Denken verloren?«
Aurec fuhr erbost von seiner Liege hoch.
»Nein, Shel ist bei mir! Sie ist immer hier! Ich will, dass sie zurückkommt. Las mich jetzt allein! Dein Besuch war vergebens. Grüß mir SAGGITTORA, wenn du sie findest.«
Ich senkte den Blick, nickte leicht und überhörte den sarkastischen Unterton in Aurecs Stimme.
»Ja, mein Besuch war wohl vergebens. Gib auf dich Acht, Kanzler. Wenn wir erfolgreich sind, werde ich zurückkehren und dir berichten.«
Aurec hörte mir bereits nicht mehr zu und drehte sich auf die Seite.
Ich wollte zum Abschied noch einmal grüßen, ließ die Hand aber dann sinken.
Aurec hätte es im Moment sowieso nicht geschätzt.
Was war nur aus dem Mann geworden, und was hatten die Andeutungen über Shel zu bedeuten?
Das Merage musste Aurecs Gehirn bereits deutlich angegriffen haben.
Wie es schien, litt er bereits unter Halluzinationen.
Auf dem Weg zur Tür wandte ich mich noch einmal um.
»Aurec, verschließe wenigstens deine Tür. Jeder kann einfach...«
Ich stockte mitten im Satz.
Was war dass?
Neben Aurecs Lager bewegte sich ein feiner Schemen, der sich im selben Moment wieder verflüchtigte.
Ich strich mir kurz über die Augen.
Der Schemen hatte die Form eines Frauenkörpers, doch er war zu schnell wieder verblast.
Nachdenklich warf ich einen letzten Blick auf Aurec und verließ dann eilig das Haus.
*
Sato Ambush zeigte keinerlei Gefühlsregung und stand in geringem Abstand zu dem Holpigon Utzmuk.
Ein Stielauge des Holpigons war ausgefahren und auf mich gerichtet.
Ich hatte Mühe, die Ausdünstungen des Molluskenwesens zu ertragen, ohne dabei meine Mimik entgleisen zu lassen.
Hatten die Terraner etwa einen anderen Geruchssinn oder war es einzig Satos mentale Disziplin, dass er sich nichts anmerken ließ?
»Und Ihr seid Euch wirklich sicher? Ihr könnt SAGGITTORA finden?«
Utzmuk baute sich vor mir auf.
Der zwei Meter lange Körper des Holpigons sonderte durch seine feinen Poren ständig Flüssigkeit ab.
Die feuchte, zähe und schwarze Haut gab schmatzende Geräusche ab, als sich das Wesen über den Boden bewegte.
Ich machte unwillkürlich einen Schritt rückwärts.
»Sato Ambush kann SAGGITTORA mental lokalisieren. Ich vertraue ihm.«
Es war schwierig am Verhalten des Holpigons Gefühlsregungen abzulesen, doch ich glaubte am Zittern der Tentakel und Fühler so etwas wie Aufregung zu erkennen.
»Es ist klar, dass euch ein Priester begleiten muss, wenn Ihr der Göttin gegenüber tretet!«
Ich sah mich hilfesuchend zu Sato um, der kaum merklich nickte.
Ich verstand das Zeichen.
»Wir hatten auf Sie gezählt. Zugegebenermaßen wissen wir nur sehr wenig über SAGGITTORA. Wir würden unserer Mission größere Erfolgschancen einräumen, wenn wir einen Gelehrten wie Sie interessieren könnten.«
Der Holpigon verharrte kurz bewegungslos, begann dann erneut aufgeregt einige Tentakel aus dem Körper auszufahren.
Utzmuk tippte mit einem seiner Greiforgane gegen meine Brust.
»Ich muss noch Vorbereitungen treffen, kann aber innerhalb einer Stunde zum Abflug bereit sein. Wo steht Euer Schiff?«
Ich lächelte zerknirscht.
»Genau dass ist unser Problem. Wir verfügen über kein Schiff.«
Utzmuk fuhr alle Stielaugen gleichzeitig aus.
»Was? Ihr kommt mit dieser Nachricht zu mir und habt kein Schiff?«
Sato, der die ganze Zeit über teilnahmslos zuhörte, sagte nur kurz:
»So ist es.«
Utzmuk fuhr herum.
»Heilige SAGGITTORA! Und Ihr seid sicher, dass Ihr den Aufenthaltsort der Göttin ausfindig machen könnt?«
Sato Ambush nickte stumm.
»Ich weiß bereits, wo wir suchen müssen.«
Mein Gesichtsausdruck verhärtete sich.
Utzmuk schien die plötzliche Anspannung zu bemerken und fragte lauernd:
»Und wo genau, Terraner? In welchem Sektor der Galaxis?«
Sato Ambush wirkte unbeteiligt wie immer als er verkündete:
»Hinter der Barriere! Im Zentrumsbereich.«
Utzmuk fuhr mit einem Schrei auf und zog alle Tentakel und Stielaugen in den Körper zurück.
Zitternd kam schließlich ein einzelnes Auge wieder zum Vorschein.
»Die Barriere ist seit kurzer Zeit wieder aktiv, aber niemand konnte sie bisher durchbrechen. Etwas unheimliches geht hinter ihr vor.«
Sato bestätigte.
»Ja, etwas unheilvolles und bedrohliches, dass ganz Saggittor erfassen wird.«
Der Holpigon wirkte auf einmal hysterisch.
»Die Göttin! Wir müssen sie retten!«
Ich machte eine zustimmende Geste und ging einen Schritt auf Utzmuk zu.
»Genau dass ist unser Plan. Kannst du uns helfen ein Schiff zu finden?«
Utzmuk dachte einen Moment nach.
»Dass mit dem Schiff ist sicher lösbar und wird euch etwas kosten, aber ich weiß nicht, wie wir dann die Barriere durchdringen könnten.«
Ich lächelte kurz.
»Geld ist kein Problem«, ich wandte mich Sato zu, »aber mit der Barriere hat der Holpigon recht. Wir können sie nicht einfach durchbrechen. Die Idee mit dem Hypertakttriebwerk ist nutzlos, da wir keines besitzen und nur die SAGRITON über einen gleichwertigen Antrieb verfügt. Die Barriere planlos anzufliegen ist eine schlechte Idee. Dass wäre unser Tod.«
Sato schloss kurz die Augen, dann sagte er andächtig.
»Es gibt einen Weg, vertraut mir.«
Seggrot lebte in einem Randbezirk der Hauptstadt und arbeitete als Hypertechniker im Dienst der neuen Regierung.
Seg, wie ihn seine Freunde nannten, war zu den Anhängern Aurecs zu zählen.
Er war alles andere, als mit der aktuellen politischen Entwicklung zufrieden, aber was sollte man tun?
Das Leben musste weiter gehen, und Segs Leben spielte sich auf Saggitton ab.
Er hatte vor, sich mit der neuen Führung zu arrangieren.
Als er an diesem Abend nach Hause kam, fand er wie immer ein leeres Haus vor.
Seine Frau, Sirena, war vor nunmehr fünf Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen.
Seg hatte den Verlust niemals richtig verschmerzt.
Er versuchte trotzdem, sein Leben neu einzurichten und in den Griff zu bekommen, mit wechselndem Erfolg.
Sirenas Bild stand noch immer in jedem Zimmer und es verging kein Tag, an dem er nicht an seine verstorbene Frau dachte.
Heute war ein besonderer Tag, denn es wäre ihr 10. Hochzeitstag gewesen.
Seg hatte sich vorgenommen auf die übliche Zusammenkunft mit seinen Freunden zu verzichten und den Abend besinnlich zu begehen.
Als er die Tageskleidung abgelegt und ein entspannendes Bad hinter sich hatte, machte er es sich auf seinem Ruhelager bequem und nahm Sirenas Bild in seine Hände.
Er vermisste sie noch immer wie am ersten Tage.
Seg aktivierte den Holoprojektor und ließ Bilder aus der frühen Zeit vor seinen Augen ablaufen.
In die tiefe Stille dieses Moments, platzte plötzlich ein Geräusch, genauer gesagt, eine Stimme!
Seg schreckte auf und sah sich verwirrt um, dann hörte er es wieder.
»Seg, mein Geliebter!«
Der Saggittone zitterte am ganzen Körper und nahm den schweren Holoprojektor in seine Hand, um sich notfalls zu verteidigen.
»Wer ist da? Was wollen Sie in meiner Wohnung?«
Seg strich mit der Hand über die Sensorfläche der Zimmerbeleuchtung, worauf das Apartment mit hellem Licht geflutet wurde.
»Seg, hab' keine Angst, ich bin es...«
In Seg stieg Panik auf.
Er kannte die Stimme nur zu gut. Es war ihre Stimme!
Der Saggittone zitterte am ganzen Körper.
»Wenn dass ein Scherz sein soll, dann finde ich ihn äußerst geschmacklos!«
Seg kehrte seine Angst in Wut um und richtete sie gegen den vermeintlichen Eindringling.
Vor seinen Augen formte sich plötzlich ein feiner Nebel und verdichtete sich zu einer weiblichen Gestalt.
»Sirena!«
Der Holoprojektor entglitt Segs Händen.
Mit aufgerissenen Augen starrte er die Erscheinung an.
Sein Verstand weigerte sich zu glauben was er sah, obwohl er es nur zu gerne glauben wollte.
Vor ihm manifestierte sich seine tote Frau!
»Sirena! Das ist...«
Seg konnte nicht weiter sprechen.
Seine Kraft verließ ihn und er sank auf die Knie.
Tränen formten sich um seine Augen und liefen die Wangen herab.
»Sirena!«
Die weibliche Gestalt kam langsam näher und umarmte zärtlich seinen Kopf.
Ihre Hände strichen durch seine Haare und massierten beruhigend seinen Hals.
»Geliebter, sei nicht traurig. Es geht mir gut.«
Segs Emotionen brachen sich Bahnen.
»Sirena, oh mein Gott, wie ist dass möglich? Deine Hände sind so kalt, geht es dir wirklich gut?«
Die junge Frau blickte plötzlich traurig.
»Seg, Geliebter, du musst fort von hier! Bald kommt es zu einer Katastrophe.«
Seg richtete sich auf.
»Wie meinst du das? Sirena?«
Die Erscheinung begann bereits wieder zu verblassen.
»Sirena! Geh nicht fort!«
Die junge Frau winkte ihm noch einmal zum Abschied zu.
»Ich muss gehen. Denke an meine Worte.«
Seg sah mit aufgerissenen Augen wie Sirena sich langsam auflöste.
Noch einige Minuten stand der Hypertechniker reglos da, dann brach er schluchzend zusammen.
Seg begann an seinem Verstand zu zweifeln.
War er verrückt geworden?
Er beschloss, über das Erlebnis zu schweigen.
Das weite Landefeld glänzte nass und reflektierte das Licht der hellen Sterne an Saggittors Nachthimmel.
Sato, der Holpigon Utzmuk und ich hatten uns hier eingefunden.
Laut Utzmuks Aussage war unser Beförderungsproblem gelöst.
Wie ich mit einem Seitenblick bemerkte, hatte der Holpigon bereits seine gesamte Ausrüstung dabei, die er in seiner Raumfähre gelagert hatte. Diese Fähre wäre zwar in der Lage, bis zur Barriere vorzudringen, doch keinesfalls konnte sie sie zu durchbrechen.
Utzmuk trug die Gegenstände in einer Art Sattel, den er über seinen langgezogenen Rücken geworfen hatte.
Offensichtlich wollte der Hohe Priester und Wissenschaftler dadurch seine Entschlossenheit demonstrieren.
Wir warteten genau eine Stunde, als plötzlich ein kleiner Gleiter am Himmel erschien und mit einem irrwitzigen Manöver direkt vor uns landete.
Utzmuk richtete seinen Oberkörper auf und fuchtelte aufgeregt mit seinen Handlungstentakeln.
»Das ist unser Pilot. Ihr habt das Geld dabei?«
Ich sah Sato kurz an bevor ich sagte:
»Ja, das Geld ist da. Wir wollen aber erst einmal sehen ob unser Pilot den Anforderungen entspricht.«
Utzmuk fuhr ein Stielauge aus und ließ es zwischen Ambush und mir hin und her pendeln.
»Ihr solltet nicht allzu kritisch in eurer Wahl sein. Was glaubt ihr wie viele Piloten sich bereit erklärt haben, in den Bereich der Barriere einzufliegen?«
Sato lächelte geheimnisvoll.
»Einer?«
Utzmuk wedelte mit seinen Tentakeln.
»Der Terraner hat die Situation erfasst!«
Ich runzelte einen Moment lang die Stirn und gab dann Satos Lächeln zurück.
»Das macht zumindest die Entscheidung etwas einfacher.«
An der Seite des Gleiters öffnete sich eine breite Tür. Aus dem Inneren drang ein helles Licht.
Eine seltsame Gestalt zeichnete sich als Schattenriss in der Schleuse ab.
Bevor ich etwas sagen konnte, rief Utzmuk dem Fremden bereits zu.
»Mulvok! Du hast lange auf dich warten lassen! Wir dachten schon unsere Übereinkunft wäre geplatzt.«
Der Angesprochene machte einen Satz aus dem offenen Schott und sah uns drei ungleiche Wesen mit großen Augen an.
»Ich wollte herausfinden wie viel euch die Passage wert ist. Jetzt weiß ich, dass ihr niemanden anderen gefunden habt. Soeben hat sich der Preis um 25% erhöht!«
Ich biss mir auf die Lippen.
Wenn ich weiterhin den Holpigon sprechen ließ, dann würden wir unser gesamtes Vermögen an den gewitzten Händler verlieren.
Ich kannte Wesen von Mulvoks Art.
Mulvok war ein Trötter und entfernt humanoid, immerhin hatte er zwei Beine und zwei Arme.
Die Physiognomie des Volkes der Trötter erinnerte jedoch stark an Wesen, die auf Terra mit der Gattung »Hund« umschrieben wurden.
Der Kopf war langgezogen und lief in einer spitzen Schnauze zu, die von bedrohlich wirkenden Zähnen gesäumt war.
Links und rechts vom Kopf saßen spitze, lange Ohren, die fortwährend die Umgebung nach Geräuschen sondierten.
Mulvok schien ein sehr vorsichtiger Zeitgenosse zu sein.
An allen Stellen, wo Mulvoks Kombination den Körper aussparte, war ein dichtes, weißes Fell zu sehen.
Trötter galten allerorts als draufgängerisch und abenteuerlustig.
Diese Eigenschaften, gepaart mit Mulvoks Sinn für ein gutes Geschäft, waren hochexplosiv.
Mir war klar, dass der Trötter für Geld fast jedes Risiko eingehen würde.
Ich warf Utzmuk einen warnenden Blick zu und übernahm die weitere Verhandlung.
»Bevor wir irgendwelche Preisänderungen beschließen, wollen wir uns erst einmal dein Schiff ansehen. Möglich, dass wir großzügig sind, genauso gut kann es passieren, dass unser Warten reine Zeitverschwendung war.«
Der Trötter blinzelte unsicher mit einem Auge.
»Du bist scheinbar ein Mann, der weiß was er will. Mein Schiff wird dir gefallen. Die ZESSEL verfügt über einige Spielereien die eure Mission erfolgreich machen wird.«
Ich machte ein skeptisches Gesicht.
»Du weißt, wohin wir fliegen wollen?«
Der Trötter stieß ein leises Knurren aus und fletschte die Zähne.
»Natürlich, ihr wollt zur Barriere und in den Sektor dahinter.«
Sato Ambush mischte sich erstmals ein.
»Und das macht dir keine Sorgen, Mulvok?«
Der Trötter drehte den Körper in Ambushs Richtung.
»Nein, warum sollte es? Ich war bereits mehrmals in der Nähe der Barriere und habe einige interessante Beobachtungen gemacht.«
Ambush nickte nachdenklich.
»Zum Beispiel wie wir die Barriere durchbrechen könnten?«
Der Trötter gab ein Röcheln von sich, das wohl ein erheitertes Lachen ausdrücken sollte.
»Möglich, dass du recht hast, aber eines nach dem anderen. Sehen wir uns erst einmal mein Schiff an.«
Ich gab dem Holpigon ein entsprechendes Zeichen.
Zusammen und ohne ein weiteres Wort bestiegen wir den Gleiter.
Die ZESSEL war eine ungewöhnliche Konstruktion.
Die würfelförmige Schiffszelle wurde von zahlreichen Aufbauten verziert, von denen aber keine einzige eine sinnvolle Funktion erkennen ließ.
Die zentrale Schiffszelle hatte eine Kantenlänge von fünfzig Metern.
Durch die verschlungenen Aufbauten, Rohrsysteme und angeflanschten Stahlteile machte die ZESSEL noch einmal zwanzig Meter in den Außenabmessungen gut.
Ich sah unsicher zu dem Schiff des Trötters hinüber.
»Und der Kasten fliegt?«
Mulvok leckte sich mit seiner langen Zunge kurz über das rechte Auge.
»Die ZESSEL hat ein Metagravtriebwerk in Kompaktbauweise und einen leistungsstarken Impulsantrieb für den Unterlichtflug. Natürlich fliegt sie! Das Schiff verfügt außerdem über einen leichten Thermostrahler, der uns zumindest das Piratengesindel vom Leib halten wird. Die Defensivsysteme entsprechen dem Standard für Schiffe dieser Größenordnung.«
Ich zeigte mich unbeeindruckt.
»Und welche zusätzlichen Spielereien hattest du noch schnell erwähnt?«
Mulvok schien die Frage überhört zu haben, oder besser gesagt, nicht hören zu wollen, denn er schnitt ein ganz anderes Thema an.
»Die ZESSEL ist ein gutes Schiff. Der wertvollste Teil meines Angebots liegt aber hier.«
Mulvok tippte kurz seine Stirn an und jedem war klar, was er damit ausdrücken wollte.
»Ich weiß, wie wir die Barriere durchbrechen können. Diese Information sollte euch aber ein paar zusätzliche Vergütungen wert sein.«
Schweigen breitete sich aus, dass erst nach einigen Minuten von Ambush gebrochen wurde.
»Ich schlage vor, wir gehen an Bord und hören uns an, was Mulvok zu sagen hat.«
Der Sprecher stutzte und schien einen Moment sprachlos.
Das hatte es in den Abendnachrichten noch niemals gegeben!
Millionen Zuschauer auf Saggitton sahen dem Moderator gespannt entgegen.
Der seriöse Nachrichtensprecher hatte offensichtlich Probleme die vorliegende Meldung zu lesen.
»Saggittonen! Bisher unbestätigten Meldungen zu Folge, soll es auf Saggitton mehrfach zu seltsamen Erscheinungen gekommen sein. Geisterhafte Manifestationen verstorbener Mitbürger erschrecken die Bevölkerung.«
Der Sprecher machte eine kurze Pause, gerade so, als ob er sich vergewissern wollte ob ihm auch wirklich das richtige Skript vorlag.
Nach einem unsicheren Seitenblick an der Kamera vorbei, fuhr er fort:
»Bislang kam es zu keinen ernsthaften Zwischenfällen. Es gibt keinerlei Hinweise, dass von diesem Phänomen eine direkte Gefahr für unsere Bürger ausgeht. Die Regierung ruft zu Ruhe und Besonnenheit auf! Bitte melden sie sich bei der eingeblendeten Trivid-Nummer, falls sie zu den Betroffenen gehören. Schenken sie den Botschaften der Erscheinungen keinen Glauben!«
Der Sprecher blickte direkt in die Kamera.
»Die Aussage, unser Planet sei in Gefahr oder eine gewaltige Katastrophe würde in Kürze über uns hereinbrechen, ist rundum erfunden und besitzt keinerlei Wahrheitsgehalt.
Die Regierung und ihre Sicherheitsorgane arbeiten mit Hochdruck an der Ergreifung der Übeltäter dieses schlechten Scherzes. Vermutungen gehen dahin, dass Terroristen mit Hilfe von Holo-Projektoren versuchen, den Frieden von Saggitton zu stören. Bleiben sie besonnen!«
Perus starrte unverwandt auf die Holo-Projektion des staatlichen Senders und schaltete die Übertragung auf »stumm«.
»Hinter all diesen Erscheinungen steckt Aurec! Das ist so offensichtlich, wie die Sonne die jeden Tag erneut aufgeht! Er will unsere Position schwächen und Unruhe unter die Bevölkerung sähen!
Sorgen Sie dafür, dass diese Untergrabungen aufhören! Die Projektionen mit ihren Botschaften vom Ende Saggittors machen die Leute verrückt! Gerade Jetzt können wir diese Unruhe nicht gebrauchen!«
Perus sah sein Gegenüber abwartend an.
Waskoch, Saggittone und derzeitiger Befehlshaber von Aurecs ehemaligem Flaggschiff SAGRITON, machte eine unschlüssige Geste.
»Aurec steht unter ständiger Beobachtung. Er hält sich in seinem Haus auf und verkommt mehr und mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass...«
Perus unterbrach den Kommandanten brüsk.
»Und wenn er uns nur etwas vorspielt? Wer sonst könnte diese großangelegte Aktion planen und durchziehen? Können wir ihn nicht einfach festnehmen und in den nächsten Konverter werfen?«
Waskoch schüttelte den Kopf.
»Um dem Volk einen Märtyrer zu liefern? Nein, dass wäre ein großer Fehler.«
Waskoch holte tief Luft.
»Außerdem gibt es bis jetzt keinerlei Beweise für eine gezielte Aktion. Meine Leute sind Hunderten von Meldungen nachgegangen und es werden immer mehr. Bis zur Stunde haben wir niemanden zu fassen bekommen! Ich beginne bereits selbst an Geister zu glauben.«
Perus Gesicht verkniff sich.
»Das ist Unsinn! Meine wissenschaftlichen Berater versichern mir, dass es so etwas wie Geister nicht gibt! Dennoch...«
Waskoch sah aufmerksam auf.
»Ja?«
Perus machte einige Schritte auf ihn zu.
»Dennoch ist es merkwürdig, dass die vielen Zeugen übereinstimmend von verstorbenen Bekannten oder Verwandten sprechen. Alle diese geisterhaften Erscheinungen verkünden die Warnung, dass es mit Saggittor zu Ende geht.«
Waskoch rann ein kalter Schauer über den Rücken.
»Wir sind jeder Bedrohung gewachsen. Wenn es Sie beruhigt, dann kehre ich an Bord der SAGRITON zurück und gebe Befehl, den Raum mit erhöhter Alarmstufe zu überwachen. Vielleicht ist die Quelle des Ganzen ja außerhalb zu suchen und nicht hier auf der Oberfläche.«
Perus nickte versonnen.
»Vielleicht haben Sie recht, Admiral. Und machen Sie Serakan ausfindig. Wir müssen auch ein Auge auf ihn haben. Er ist mindestens genauso suspekt wie Aurec.«
Waskoch nickte ergeben.
»Ich werde sofort die entsprechenden Befehle erteilen.«
Der Rundgang durch das Schiff erbrachte keine Gründe, warum wir nicht auf Mulvok zurückgreifen sollten.
Die von außen wenig vertrauenseinflößende ZESSEL erwies sich von innen als modernes, aufgeräumtes Schiff, in das der Trötter einige Extras investiert hatte.
Als einziges Risiko blieb, dass Mulvok mit seinen Andeutungen über die Barriere zu dick aufgetragen haben könnte und vielleicht nur ein sattes Geschäft witterte.
Der Trötter hielt sich weiterhin bedeckt zu allen Fragen welche die Barriere betrafen.
Ich ließ mich schließlich auf das Geschäft ein und legte den Starttermin für die nächsten zwei Stunden fest.
Eine große Wahl hatten wir ohnehin nicht und Ambush ermutigte mich in meiner Entscheidung.
Utzmuk jubelte und wollte gleich an Bord bleiben, während Ambush und ich noch einmal das Schiff verlassen mussten, um einige letzte Vorbereitungen zu treffen.
In der Bodenschleuse rief mir Mulvok noch einmal nach:
»Beeilt euch und seht zu, dass ihr nicht dem erstbesten Sicherheitsmann in die Arme lauft.«
Ich drehte mich verwundert um.
»Wie soll ich das verstehen Mulvok?«
Der Trötter gab wieder das seltsame Lachen von sich.
»Sie suchen nach euch. Wenn sie euch fassen und in die nächste Hyperzelle werfen, dann kann ich noch hundert Jahre auf meine Bezahlung warten.«
Ich war verunsichert.
»Woher weißt du das, Mulvok?«
Der Trötter machte eine allumfassende Geste.
»Ich kann den Interkom der örtlichen Sicherheitsbehörden abhören. Das gehört zu meiner Lebensversicherung. Ihr wisst, ich komme viel in der Galaxis herum. Da muss man auf der Hut sein. Ein gewisser Waskoch hat vor einigen Minuten einen stillen Alarm ausgelöst mit dem Auftrag, euren Aufenthaltsort zu ermitteln.«
Mein Gesicht rötete sich.
»Waskoch!«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. »Natürlich, wie konnte es auch anders sein.«
Der Trötter sprang von einem Fuß auf den anderen.
»Eigentlich könnte ich für diese Information einen kleinen Aufpreis ergattern, aber ich will heute nicht so sein!«
Wieder ertönte das Gelächter.
»Ihr gefallt mir! Beeilt euch lieber und verliert keine Zeit. Ich mache das Schiff startklar.«
Sato Ambush bestätigte.
»Wir werden uns beeilen!« rief er und sagte leise zu mir gewandt: »Ich spüre, es wird alles gut gehen.«
Ich sah Sato einen Moment in die Augen.
»Ich hoffe, dein Gefühl gibt uns später recht.«
*
Aurec schloss die Augen und genoss jeden Augenblick, jede Berührung, jede Zärtlichkeit.
Shel war zu ihm zurückgekehrt!
Der Saggittone fragte nicht nach dem »Wie« und »Warum«; er nahm es einfach hin.
Sie war immer bei ihm, massierte zart seine Schultern und schenkte ihm ein, wenn sein Glas geleert war.
Für Aurec gab es nichts mehr außer diesen Raum, Merage und vor allem Shel!
Er zog sie sanft zu sich und spürte wie ihre kalten Hände über seine Brust streichelten.
Aurec fühlte sich entflammt und wollte die Liebe genießen wie früher...
Früher... Das Wort und seine Bedeutung hallten einen Moment in seinen Gedanken nach.
Dann gab er sich Shel hin.
Ihre Körper verschmolzen und im Augenblick des höchsten Glücks vergaß Aurec alles um ihn herum.
*
Wir hatten es nicht leicht Waskochs Spitzeln zu entgehen.
Die Warnung des Trötters war durchaus angebracht.
Ohne seine Information wären wir in die nächste Gleitersperre geraten, doch so waren wir gewarnt.
Über einige Umwege begaben wir uns zu meinem zweiten, geheimen Unterschlupf.
Ich war sicher, dass mein Haus bereits unter Beobachtung stand.
Sollten sie warten bis sie zum letzten Diat von Saggitton!
Ich hatte bereits vor Wochen vorgesorgt und einen Teil meiner persönlichen Ausrüstung an einen anderen Ort geschafft.
Die Entwicklung auf Saggitton bereitete mir große Sorgen.
Ich machte mir schwere, persönliche Vorwürfe, nicht von Anfang an entschlossener gegen die Machenschaften von Perus und Waskoch vorgegangen zu sein!
Nun stand die SAGRITON unter dem Kommando Waskochs und wir mussten unsere Passage teuer erkaufen.
Ich konnte nur hoffen, dass ich nach meiner Rückkehr keinen Polizeistaat vorfand und eine Regierung, die meine Mitbürger tyrannisierte.
Nachdem ich mein Gepäck verstaut hatte, verließen wir das Haus ohne großes Aufsehen.
Wir entschieden uns zu Fuß zum Raumhafen zu gehen, da mit Sicherheit alle Gleiterflugrouten überwacht wurden.
Was war nur in Waskoch gefahren?
Warum ließ er plötzlich nach mir suchen?
Brachte mich Waskoch mit den seltsamen Erscheinungen in Zusammenhang, die überall auf Saggitton die Bürger erschreckten?
Ich konnte zunächst dem Ganzen wenig Glauben schenken, dann erinnerte ich mich an die nebelhafte Erscheinung neben Aurecs Bett.
Aurec hatte immer wieder von Shel gesprochen, seiner verstorbenen, terranischen Geliebten.
Ich schalt mich nachträglich einen Narren, weil ich mich nicht besser vergewissert hatte, was bei Aurec vorging.
Aber die Zeit hatte gedrängt.
Ambush schien meine Gedanken zu erraten.
»Es geht wirklich etwas vor sich und es hat mit SAGGITTORA zu tun! Ich fühle es.«
Ich sah Ambush nachdenklich an.
Hatte der Terraner eine Art siebten Sinn für alles was die Superintelligenz betraf entwickelt?
Ich schwor mir, an einem späteren Zeitpunkt dieses Thema ausführlicher mit dem Terraner zu besprechen.
Manchmal schien es mir, als ob Ambush mehr über das Phänomen SAGGITTORA wusste, als er preisgab.
»Ich muss gestehen, wir hätten mehr Informationen, wenn mein Reisepartner mich nicht einfach abgesetzt hätte und seitdem verschwunden wäre«, erklärte Ambush.
Er musste von diesem Alysker sprechen.
»Möglicherweise hätten wir mit seiner Hilfe die Barriere schneller überwunden. Vielleicht arbeitet er auch woanders an dem Problem. Oder er ist…«
Ambush schwieg. Ich war überrascht, dass der sonst sehr schweigsame Terraner endlich mehr erzählte. Es waren jedoch keine guten Neuigkeiten. Wenn der Kontakt zu diesem Alysker abgebrochen war, dann war er vielleicht tot.
*
Wir hatten es geschafft!
Niemand wusste, dass wir an Bord waren.
Zumindest waren wir der Überzeugung, dass es keine Verfolger gegeben hatte, die wir nicht bemerkt hätten.
Ich verließ mich da ganz auf Satos Gespür.
Die ZESSEL hatte nach kurzer Wartezeit Starterlaubnis erhalten und schoss in den Nachthimmel von Saggittor.
Als wir den Orbit erreicht hatten, beschleunigte Mulvok das Schiff unverzüglich und steuerte die Systemgrenzen an.
Obwohl die ZESSEL mit unglaublichen Werten beschleunigte, änderte sich an der Projektion der »Frontsicht« kaum etwas.
Die Sterne vor dem schwarzen Hintergrund des Alls waren zu weit entfernt.
Mulvok saß mit einem zufriedenen Lächeln unter der SERT-Haube der Pilotensteuerung und fixierte den Beschleunigungsmesser.
Ich führte sein zufriedenes Lächeln auf die Anzahlung zurück, die er noch vor dem Start erhalten hatte.
Als ich den Start und den weiteren Verlauf des Fluges beobachtete, wunderte ich mich erneut über die Ausstattung des Schiffes.
Mulvok war allein an Bord und flog das Schiff mit einer SERT-Haube.
Dieser technische Standard verblüffte mich zutiefst und war üblicherweise nur an Bord moderner Kampfschiffe zu finden.
Für ein Schiff dieser Größenklasse hätte ich wenigstens mit einigen Technikern an Bord gerechnet, doch Mulvok war das einzige Besatzungsmitglied, abgesehen von seinen Passagieren.
»Noch eine Minute bis zum Eintritt in den Hyperraum«, leierte der Syntron in seiner monotonen Stimme herunter.
Ich sah kurz zu Sato Ambush hinüber, der wie immer relativ unbeteiligt in seinem Sitz verharrte.
Es schien mir, als ob er lauschte oder nach irgendeinem Signal esperte.
Empfing er bereits die Stimme SAGGITTORAs?
Mein fragender Blick wurde mit einem kurzen Kopfschütteln beantwortet.
Als das Schiff weiter beschleunigte, kamen plötzlich leichte Vibrationen durch.
Der Holpigon fuhr seine Stielaugen aus und gab stöhnende Laute von sich.
Gleichzeitig erfasste mich eine unangenehme Geruchswolke.
Ich verzog das Gesicht.
Offenbar waren die niederfrequenten Schwingungen auch für das Molluskenwesen äußerst unangenehm.
Ich rief nach Mulvok, doch der ließ nur ein lautes Gemecker hören.
Ich würde mich niemals an dieses Lachen gewöhnen!
»Was hat es mit den seltsamen Aufbauten auf der Außenhülle der ZESSEL auf sich?«, rief ich ihm zu.
Mulvok ließ ein kurzes knurren hören, dann sagte er:
»Das sind Projektoren!«
Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Projektoren? Für was?«
Der Trötter machte eine umfassende Geste.
»Alles zu seiner Zeit. Du wirst es noch früh genug erfahren, Saggittone!«
Ich musste mit dieser Auskunft vorerst vorlieb nehmen.
Mulvok schien seine Freude daran zu haben, sein kleines Geheimnis bis zuletzt zu hüten.
Ich war mir nicht sicher ob ich damit konform ging.
Vielleicht war diese Information entscheidend für den Ausgang unserer Mission.
Ich lehnte mich zurück.
Der Übergang in den Hyperraum musste unmittelbar bevorstehen.
Mulvok hatte sich entschlossen die Zentrumsregion in zwei Etappen anzufliegen.
Etwa 100 Lichtjahre vor dem Ziel erfolgte ein kurzer Orientierungsaustritt.
»Nun gut«, sagte ich leise zu mir selbst.
Dann wurde der Bildschirm grau und zeigte die undefinierbaren Muster des Hyperraums.
Der Wiedereintritt in den Normalraum erfolgte spontan und ohne Übergang.
Der Bildschirm zeigte die dichte Sternenkonstellation der Zentrumsregion.
Ich zuckte zusammen, als plötzlich die Warnmelder der Energie- und Materieortung anschlugen.
Ich sah wie Mulvok in einer reflexartigen Bewegung ein großes Sensorfeld des Leitstandes berührte und abrupt den Kurs änderte.
Bevor ich fragen konnte, wurden zahlreiche Reflexe auf dem Ortungsschirm sichtbar.
Offenbar hatte die fremde Flotte denselben Zielvektor gesetzt wie die ZESSEL.
»Mulvok! Was sind dass für Schiffe? Piraten?«
Der Trötter schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, Saggittone! Die gehören zu jenen Kräften, die hinter der Barriere aktiv sind. Wenn du mich fragst, sind dass Versorgungseinheiten und Zubringerschiffe. Siehst du die leichten Kampfschiffe, die Begleitschutz fliegen?«
Ich erkannte die schlanken Kampfschiffe, welche die Phalanx der Frachter eskortierten und rief lauter als beabsichtigt:
»Weg! Sofort in den Hyperraum eintreten. Notaktivierung des Metagravs! Schnell, sie haben uns schon auf ihren Schirmen! Mulvok!«
Doch Mulvok zeigte keiner Reaktion und lehnte sich stattdessen bequem zurück.
»Den Teufel werde ich tun. Die Flotte kommt mir wie gerufen!«
Erst jetzt bemerkte ich, dass die Kampfschiffe des Konvois in keiner Weise auf unsere Anwesenheit reagierten.
Irritiert sah ich zwischen dem Ortungsschirm und Mulvok hin und her.
Während Mulvok Kurs und Geschwindigkeit der ZESSEL an die fremde Flotte anpasste, ging ich langsam zum Pilotensitz hinüber.
Der Trötter deutete meinen entschlossenen Blick richtig.
»In Ordnung. Ich bin euch ein paar Antworten schuldig.«
Sato Ambush stand plötzlich neben mir.
Bevor ich etwas sagen konnte, sprach der Terraner Mulvok an:
»Dieses Schiff, wo hast du es her und wer hat es ausgerüstet?«
Mulvok atmete tief ein, dann sagte er leise:
»Ich habe es gefunden!«
Schweigen breitete sich aus, alle sahen Mulvok fragend an.
»Die ZESSEL wurde nicht auf Trott gebaut. Ich fand das Schiff in einer zerstörten Station, nahe der Zentrumsregion, lange bevor die Barriere wieder aktiviert wurde.«
Meine Hand krampfte sich um die Lehne des Pilotensessels.
Ich hatte so etwas geahnt, denn ich kannte die Baureihen der Trötter.
Niemals zuvor hatte ich eine solche Konstruktion gesehen.
Mulvok fuhr mit einem Seitenblick auf den Ortungsschirm fort.
»Die Station war total zerstört, kein Leben mehr an Bord. Außerdem war sie kurz davor, in eine Sonne zu stürzen. Sie bestand im Wesentlichen aus einer fünfeckigen Plattform und besaß enorme Ausmaße. Die ZESSEL war so ziemlich das einzige, was ich noch intakt vorfand, also nahm ich die Beute an mich.«
Sato Ambush schloss kurz die Augen und sagte dann leise:
»Mulvok fand vielleicht eine zerstörte Stationen der Saggittonen, die vor vielen Jahrtausenden die Kjollen das erste Mal geschlagen haben.«
Ich sah Ambush fragend an.
»Ist das möglich?«
Mulvok senkte den Kopf zur Seite.
»Wem auch immer die große Station früher gehört hat. Jemand, der über noch mehr Macht verfügt, hat sie zerstört und zwar gründlich. Die ZESSEL wurde übersehen, oder aber man hielt sie nicht für wichtig genug um an ihr das Zerstörungswerk zu vollenden.
Allerdings musste ich das Schiff aus einem völlig ausgebrannten Hangar herausschneiden.«
Ich sah Mulvok lauernd an.
»Aber da ist noch etwas, richtig?«
Mulvok zeigte seine Zähne.
»Du sagst es Saggittone! Wie sich bald herausstellte, verfügt die ZESSEL über einen unglaublich starken Ortungsschutz! Keines der Schiffe da draußen kann uns erfassen!«
Der Holpigon sah sich ehrfürchtig um.
»Dann ist dieses Schiff ein Erzeugnis einer unbekannten Macht? Ein Artefakt?«
Sato Ambush schüttelte den Kopf.
»Kein Artefakt, sondern ein Erzeugnis eures eigenen Volkes. Eine Technik, die längst wieder in Vergessenheit geraten ist. Vielleicht ein Kurierschiff oder eine Fähre.«
Ich wandte mich an Sato.
»Könntest du dich nicht etwas deutlicher ausdrücken, Freund?«
Der Terraner lächelte verschmilzt.
»Vielleicht waren in dieser Galaxis vor langer Zeit Helfer der Kosmokraten aktiv, die den Saggittonen mit dieser Technik halfen, die Kjollen einst zu schlagen.
Vielleicht hatte euer Volksheld Makor, der den Angriff gegen die Chaosmächte leitete, Hilfe von SAGGITTORA oder Kosmokraten bekommen, um die Galaxis zu befreien.
Die Andeutungen Mulvoks und die Form der Station könnten auf eine Sternenkammer hinweisen, wie sie von Ritter der Tiefe benutzt wurden.
Vielleicht war sie der Sitz eines oder mehrerer Ritter, die die Saggittonen vor knapp 25.000 Jahren unterstützen sollten. Aber vielleicht war die Station aber auch nur ein Magazin oder eine Fabrik der Kosmokraten.«
Mulvok knurrte unwirsch.
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht... auf jeden Fall wurde sie zerstört, deine Sternenkammer.«
Ich dachte nach.
»Sehr viele Mächte kämen dafür nicht in Frage. Wenn es wirklich so gewesen ist, dann kann es sich nur um eine Attacke der Chaosmächte gehandelt haben.«
Der Trötter sah nervös in die Runde.
»Und was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Die ZESSEL ist jetzt mein Schiff und ich bringe euch wie versprochen durch die BARRIERE.«
Ich nickte abwesend und war noch immer in meinen Gedanken versunken.
»Wenn du das schaffst, dann hast du dir dein Geld wirklich verdient.«
Der Trötter machte eine Geste des Dankes.
»Du wirst dich noch wundern, Saggittone.«
Ich wusste nicht warum, aber ich glaubte ihm plötzlich.
Wir folgten den Konvoi in kurzem Abstand.
Meine Befürchtung, dass uns die fremden Schiffe doch noch entdeckten, bewahrheitete sich nicht.
Obwohl ich noch immer davon überzeugt war, dass es keinen perfekten Ortungsschutz geben konnte, war ich von den Fähigkeiten der ZESSEL sichtlich beeindruckt.
Wie ich von Mulvok erfuhr, gab es keinerlei Hinweise, Aufzeichnungen oder Informationen an Bord, die über die frühere Funktion des Schiffes Aufschluss gaben.
Der Trötter hatte zwar die Speicherbänke der Syntronik durchsucht, jedoch ohne nennenswertes Ergebnis.
Möglicherweise hatte der Syntron durch eine Sicherheitsschaltung alle Informationen gelöscht, bevor er Mulvok als neuen Besitzer des Schiffes akzeptiert hatte.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.
Die Flotte vor uns beschleunigte erneut und wir machten die Bewegung mit.
Zusammen traten wir in den Hyperraum ein.
Die fremden Schiffe zeichneten sich als verwaschene Reflexe auf dem Ortungsschirm des Hypertasters ab.
Eine kurze Auswertung ergab, dass die kleine Flotte den Navigationspunkt MOLLOK-51 ansteuerte, einen Pulsar jenseits der Barriere, der früher den Raumfahrern Saggittors als Leuchtfeuer gedient hatte.
Mulvok machte noch immer einen entspannten und zuversichtlichen Eindruck.
Ich war gespannt, wie er das Schiff durch die bisher unüberwindliche Grenze bringen wollte.
Utzmuks Stielaugen richteten sich auf die Holo-Projektion.
»Wir nähern uns zügig der verbotenen Zone.«
Ich nickte bestätigend und wandte mich an Mulvok.
»Du warst schon öfter in diesem Sektor?«
Der Trötter nickte mit einer fast saggittonischen Geste.
»Die ZESSEL erlaubt es mir, zu sein, wo andere nicht sein können.«
Ich sah seinen vieldeutigen Blick.
»Was für Informationen besitzt du über die Barriere? Was kannst du uns mitteilen?«
Der Trötter berührte fast gelangweilt ein Sensorfeld, worauf sich ein großflächiges Holo vor uns aufbaute.
Die Projektion zeigte einen Ausschnitt der Zentrumsregion, mit einigen mir geläufigen Navigationspunkten.
Der Trötter fletschte die Zähne.
»Leider habe ich keine Informationen was sich im Inneren abspielt. Ich beobachtete lediglich regen Schiffsverkehr. Die Barriere verwehrt leider jeden Versuch, sie mit der Aktivortung zu durchdringen. Die Abmessungen der Barriere sind mir jedoch bekannt.«
Der Holpigon lenkte ein Stielauge auf Mulvok, während das andere die Holo-Projektion fixierte.
»Innerhalb dieses kugelförmigen Feldes vermutet ihr die Residenz der Göttin?«
Sato antwortete geheimnisvoll: »Sobald wir im Innern sind, werde ich ihren Standort lokalisieren.«
Mulvok konzentrierte sich wieder auf die Projektion.
»Das kugelförmige Feld umschließt die gesamte Zentrumsregion, mit dem allesverschlingenden Tod als geometrischen Mittelpunkt.«
Der Holpigon zog erschrocken seine Stielaugen zurück.
»Allesverschlingender Tod?«
Ich wandte mich kurz an Utzmuk: »Das Zentrums-Black-Hole der Galaxis.«
Mulvok nickte bestätigend.
»Die Barriere durchmisst nach meinen Berechnungen etwa 358 Lichtjahre. Vermutlich existieren acht Stationen in den Randgebieten, die mit gigantischen Energieprojektoren das Feld aufrecht erhalten und ihren Energiebedarf direkt aus den nahen Sonnen beziehen.«
Ich sah kurz zu Sato hinüber.
Der Trötter besaß tatsächlich ein fundiertes Wissen.
»Die Barriere reicht etwa zehn Lichtsekunden in die Tiefe, ein Durchstoßen im Metagravflug, sowie im Sublichtbereich ist nicht möglich.«
Ich sah mir die Werte der Simulation genauer an.
»Wie sieht es mit Transitionstriebwerken oder einem Flug durch den Halbraum aus?«
Mulvoks Gesicht verdüsterte sich.
Koosmul, ein Forscher und Draufgänger meines Volkes hatte bereits versucht, mit seinem Schiff die Barriere per Transition zu überwinden. Wir haben nie wieder etwas von ihm gehört.«
Sato Ambush räusperte sich kurz.
»Die Barriere ist mit konventionellen Mitteln nicht zu durchdringen. Ich vermute sogar, dass jeder Versuch, sei es mit Sonden oder unbemannten Schiffen, registriert wird und in Kürze das Erscheinen einer Wachflotte auslöst.«
Der Trötter nickte bestätigend.
»Ich habe in der Tat zuvor beobachtet, dass Wachschiffe erschienen sind. Meistens attackierten sie verirrte Schiffe, die der BARRIERE zu nahe kamen.«
Der Holpigon wandte sich dem Trötter zu.
»Und was passierte dann?«
Mulvok sah bedauernd zu Utzmuk auf.
»Die verirrten Schiffe wurden ausnahmslos vernichtet.«
Der Holpigon fuhr mit einem Schrei zurück.
Mulvok beschwichtigte sofort.
»Aber uns wird es anders ergehen.«
Ich rieb mir nachdenklich die Stirn.
»Und warum glaubst du das?« fragte ich offen.
Der Trötter ging nicht direkt auf meine Frage ein, sondern hob dozierend die Hand.
»Das Erscheinen der fremden Kampfschiffe wirft zumindest eine Frage auf: Woher kamen die Schiffe so plötzlich?«
Ich zuckte die Schultern.
»Sie sind außerhalb der Barriere stationiert?« stellte ich meine Vermutung in den Raum.
Mulvok schüttelte den Kopf.
»Ich vermute, sie kommen aus dem Inneren, denn sie verschwinden nach den Attacken genauso schnell, wie sie erschienen sind. Mir wäre bestimmt aufgefallen, wenn es außerhalb eine Basis gäbe.«
»Das lässt nur einen Schluss zu«, sagte Sato ruhig.
»Sie öffnen Strukturlücken, um Schiffe ein und auszuschleusen.«
Mulvok lachte in seiner unnachahmlichen Art.
»Sie tun es! Genau das ist der Grund, warum wir uns an diesen Konvoi angehängt haben.«
Ich setzte mich und rieb mir über die Augen.
Es war so einfach wie genial!
Was immer die unbekannten Mächte im Innern der Barriere trieben, sie waren auf Versorgungsgüter angewiesen.
Nahrungsmittel, aber auch Rohstoffe und vielleicht neu rekrutierte Helfer!
Der neugierige und gerissene Trötter hatte das längst erkannt und seine Schlüsse gezogen.
Ein Warnsignal beendete unser Gespräch, die ZESSEL fiel aus dem Hyperraum, vor ihr lag die Barriere!
ENDE
Thomas Rabenstein und Nils Hirseland schildern in Band 36 die weiteren Ereignisse in Saggittor.
»Flucht aus Saggittor« ist der Titel des nächsten Romans.
Rodrom ist zurück. Die Zentrumsbarriere in Saggittor wurde reaktiviert. Was der »Rote Tod«, die selbst ernannte Inkarnation des MODROR, vorhat, wissen wir nicht. Doch es wird sicher nichts Gutes für die Republik Saggittor sein, die von innerpolitischen Unruhen zerfressen ist.
Aurec ist in einer Krise und steht neben sich. Das nutzen seine Gegner, in Form von Perus und dem einstigen loyalen Waskoch eiskalt aus. Während Aurec von Geistern aus der Vergangenheit geplagt wird, strebt Perus nach der Macht in Saggittor.
Kann Aurecs getreuer Freund Serakan ihn stoppen? Doch selbst wenn: Durch dieses politisches Geplänkel wird den Truppen MODRORs Zeit verschafft. Was immer sie vorhaben, sie können ihr Ziel verwirklichen, wenn sie niemand daran hindert.
Möglich, dass es dem Alysker auf der DONGJI gelingt, Rodrom zu stoppen. Aber was soll ein Wesen gegen die WORDON und vermutlich eine ganze Begleitflotte schon ausrichten?
Sato Ambush als Gesandter DORGONs und der Superintelligenz SAGGITTOR stößt auf taube Ohren. Aurec kann nicht, der Rest will nicht. Einzig Serakan und eine Handvoll Saggittonen scheinen die Gefahr zu realisieren.
Die Saggittonen müssen schnell handeln und Aurec muss sich schnell wieder fassen, sonst könnte Saggittor eine Katastrophe drohen…
Nils Hirseland
Serakan ist auf Saggitton geboren und hat eine schöne Kindheit genossen.
Mit jungen Jahren ist er zum Militär gekommen, wo er eine beeindruckende Laufbahn hingelegt hat.
Er ist ein Jugendfreund von Aurec. Beide absolvierten auch zusammen ihre Militärausbildung.
Schnell ist er auf die SAGRITON gekommen, wo er sich bis zum Stellv. Kommandanten hochgearbeitet hat.
Serakan gehört zu den "Arbeitstieren", die gewissenhaft und loyal ihren Job erfüllen. Jedoch gehört er auch zu den Mitdenkern und verabscheut sture Befehlsgeber und -empfänger.
Seine große Stunde schlägt, als Aurec in einer tiefen Depression ist und von dem Konzept Shel Norkat vollends verwirrt wird. Serakan versucht politisch zu retten, was zu retten ist und zögert keine Sekunde als plötzlich Sato Ambush auftaucht und Serakan über SAGGITTORA informiert. Er fliegt mit dem Holpigon Utzmuk und dem Trötter Mulvok ins Zentrum.
Steckbrief
Geboren: 1254 NGZ
Geburtsort: Saggitton, Saggittor M64
Größe: 1,79 Meter
Gewicht: 78 kg
Augenfarbe: graugrün
Haarfarbe: schwarz
Bemerkungen: Leicht untersetzt, lange Haare, stets adrett gekleidet. Charaktereigenschaften: Loyal, denkt mit, bewahrt die Übersicht, rechtschaffend
Die Trötter sind ein hundeähnliches Volk aus M64 Saggittor. Sie werden etwa 1,70 m groß und haben braunes, weißes oder schwarzes Fell. Sie sind recht kriegerisch und kampfeslustig, was sich jedoch im Laufe der Zeit in "rauf- und abenteuerlustig" ändert.
Sie bewohnen das Sirgahl System. Ihr Heimatplanet heißt Trott. Neben ihren Kampfeskünsten, sind die Trötter auch hervorragende Navigatoren und Piloten.
Die Holpigons sind Moluskenwesen, die bis zu 2 Meter lang werden und bis zu 1,60 hoch. Sie sind meist sehr schwer und haben gelbe, rote und grüne Hautfarbe. Sie sind die zweitstärkste Macht in Saggittor und besiedeln knapp 2000 Sternensysteme. Ihr Heimatsystem ist das Horw-System mit dem roten Riesen Horw. Ihren Heimatplanet nennen sie Horwworron, in Anlehnung auf ihre Vorfahren, die Horwworren, von denen sie direkt abstammen.
Neben ihrem hohen Intellekt und hohen technischen Errungenschaften sind die Holpigons sehr religiös. Sie beten die Göttin Saggittora an, die in alten Schriften der Horwworren erwähnt wird.
Die Multivons sind humanoide, androgyne Wesen, die einst von Erwarnen und Saggittonen künstlich erschaffen wurden, um als Kämpfer gegen die Kjollen eingesetzt zu werden. Sie sind 1,90 m groß und geschlechtslos. Ihre Hautfarbe ist weiß und gläsern.
Nach dem Sieg über die Kjollen bekamen die Multivons ein eigenes System und bevölkerten den Planeten Mulvok. Seitdem sind sie damit beschäftigt, an sich zu experimentieren, um "menschlicher" zu werden und Gefühle zu entwickeln.
Die Multivons sind logisch denkende und schweigsame Wesen, die sehr spartanisch leben und den Sinn in der Freude noch nicht gefunden haben.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2015
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 35, veröffentlicht am 28.08.2015 —
Titelillustration: Raimund Peter • Lektorat: Jürgen Seel • Digitale Formate: Jürgen Seel