Band 34

Cartwheel-Zyklus

 

Der Bote

DORGON ruft zu einer kosmischen Aufgabe

 

Aki Alexandra Nofftz & Tobias Schäfer

 

Was bisher geschah

Wir schreiben den Februar des Jahres 1294 NGZ. Knapp ein Jahr ist seit der Expedition der zehn Raumschiffe in die Galaxie M100 vergangen. Ein Jahr ist es her, dass unter der Führung des saggittonischen Kanzlers Aurec und des Zellaktivatorträgers Julian Tifflor das Kaiserregime in Dorgon gestürzt wurde und durch eine moderate, friedliche Regierung ersetzt wurde.

In dieser Zeit schnauften die Milchstraße und anderen Galaxien durch. Es herrschte eine friedliche Zeit. Doch diese neigt sich dem Ende, denn der Sohn des Chaos Cau Thon kehrt in die Milchstraße zurück und hat den finsteren Leticron aus dessen ewigen Verlies auf Titan befreit. Als neuer Sohn des Chaos brennt der ehemalige Corun von Paricza auf Rache. Doch zu dieser Zeit erscheint ein Wesen mit einer kosmischen Mission. Es ist DER BOTE…

Hauptpersonen

DORGON – Eine Entität des Friedens spricht von einem wichtigen kosmischen Auftrag.

Perry Rhodan – Der terranische Resident zeigt sich gegenüber DORGON sehr misstrauisch.

Gucky – Der Mausbiber versucht, mehr über DORGON herauszufinden.

Bully – Guckys »Busenfreund«.

Joak Cascal – Ein Terraner, der DORGON kennt.

Gal’Arn, Jaktar, Jonathan Andrews, Remus und Uthe Scorbit, Marques de la Siniestro, Werner Niesewitz, Reinhard Katschmarek, Ottilie und Karl-Adolf Braunhauer, Yasmin Weydner und Jezzica Tazum – Für sie endet eine Odyssee.

 

 

 

 

 

Epilog Die Solare Residenz

Cau Thon beobachtete die Stahlorchidee. Das neue Wahrzeichen von Terrania City schwebte majestätisch über dem Residenzsee, der aus einem Krater entstanden war, nachdem die Kosmische Fabrik WAVE den alten Hauptquartier Hanse Komplex zerstört hatte.

Cau Thon bewunderte die Zähigkeit der Terraner. Sie standen immer wieder auf. Sie errichten immer wieder Neues aus Asche und Schutt. Sie waren nicht klein zu kriegen. Deshalb waren sie auch so gefährlich. Darum hatte DORGON sie als Verbündete auserkoren und somit automatisch zu Feinden von Cau Thons Meister MODROR gemacht.

»Als kleiner Bursche habe ich immer gerne Blumen zertreten«, sagte der hochgewachsene, kräftige Mann neben dem Sohn des Chaos mit dunkler Stimme. Cau Thon stellte sich schmunzelnd vor, wie ein großer Fuß dieses gigantische Stahlkonstrukt zertreten würde.

»Oh, wir werden diese Blume nicht zertrampeln. Wir werden sie pflücken und MODROR zum Geschenk machen, Leticron.«

»Du beharrst also auf deinem Plan, die Menschheit zu MODROR zu bekehren, anstatt sie zu vernichten?«

»Ich schon. Ob es Rodrom ähnlich sieht, wird sich herausstellen. Doch die Menschheit birgt Potenzial. Schon bald wird ein weiterer Sohn des Chaos das kosmische Schauspiel betreten.« Cau Thon blickte lächelnd zur Solaren Residenz. »Und vielleicht wird er an Rhodans statt irgendwann in dieser Orchidee aus Stahl über Terrania thronen.«

 

Der Bote

Hubertus Meyenrink war Wissenschaftler. Er war in der Genforschung tätig und arbeitete hart. Er war ein ganz normaler Mensch mit einem ganz normalen Beruf im 13. Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung.

Doch er träumte davon, einmal mehr zu sein. Er wollte etwas bewegen, etwas bewirken. Er wollte seinem Leben einen bedeutenden Sinn geben, Teil von etwas bedeutendem sein!

Da erschien ihm plötzlich ein Wesen. Es war ein alter Mann mit einem langen grauen Bart. Er trug ein weißes Gewand und eine Kutte. Als er diese abnahm, erkannte Meyenrink Güte, Liebe und Friedfertigkeit in dem Gesicht des Fremden, der so urplötzlich erschienen war.

Meyenrink hatte keine Angst vor der Erscheinung. Er spürte, dass sie ihm nichts tun wird.

»Wer bist du?«, wollte er nun schließlich wissen.

»Ein Freund.«

»Was willst du von mir? Kann ich dir helfen?«

»Ja, das kannst du. Komme mit auf die Insel, denn dort werden sich deine Sehnsüchte erfüllen. Du wirst Teil eines bedeutenden Projektes werden, von dessen Erfolg das Schicksal des ganzen Universums abhängen wird...«

 

Ein alter Film

Gelangweilt starrte Bratt McJones auf die Leinwand. Er hatte den urtümlichen Film zwar schon unzählige Male gesehen, doch die wöchentliche Aufführung von Braveheart im Loch Lomond Club hatte Tradition – seit Jahrhunderten.

Griesgrämig musterte der vom Planeten McIntosh stammende Terraner die Touristen, die wieder die Bar bis in den letzten Winkel füllten, um den fast drei Jahrtausende alten Film zu sehen, der noch aus dem 20. Jahrhundert alter Zeitrechnung stammte und noch nicht einmal dreidimensional war. Bratt konnte nicht verstehen, warum Will AyMac, der derzeitige Besitzer des Loch Lomond Clubs, nur darauf bestehen konnte, dass diese »Attraktion« in Terrania Online, der offiziellen GALORSnet-Präsenz der terranischen Hauptstadt aufgenommen wurde. Seitdem war man nämlich nicht mehr unter sich: Touristen füllten das Lokal und amüsierten sich über die traditionellen Kilts, welche die Angestellten trugen, und erst recht über diesen mehr als uralten Film, der über die Generationen von den Bewohnern des Planeten McIntosh immer wieder weiter vererbt worden war.

Gerade war die Szene zu sehen, in der William Wallace, der noch heute unter richtigen McIntoshern und schottischen Terra-Nostalgikern bekannte Held, vor die schottischen Freiheitskämpfer trat und seine aufwühlende Rede hielt.

Was für ein wundervoller Film, schwärmte Bratt McJones und lauschte jedem Wort der Rede, obwohl er jeden Satz bereits auswendig kannte.

Es flogen gerade die ersten Pfeile der Engländer in die Schilde der Schotten, als die Tür des Vorführraums geöffnet wurde.

Sakrileg, fluchte McJones gedanklich. Es war strengstens verboten, den Raum zu betreten, wenn der Film angefangen hatte. Wozu lief er denn alle sieben Tage?

Doch die Gestalt, es war ein älterer Terraner mit langen, grauen Haaren und sichtlich gealterten Gesicht, strahlte etwas aus. Ja, es schien fast, als würde seinen Körper ein Schimmern umgeben.

McJones hatte den Film völlig vergessen. Er hatte nur noch Augen für den Fremden. Ebenso erging es auch allen anderen Personen in dem Raum.

Als er endlich zu sprechen begann, hing McJones förmlich an dessen Lippen, um jedes Wort aus ihnen herauszureißen.

»Mein Name ist DORGON«, sprach die Gestalt. »Und ich will euch von dem kosmischen Projekt berichten...«

 

Terrania

Perry Rhodan schaltete den Interkom ab. Schon wieder war dieser Fremde in der Stadt aufgetaucht. Diesmal hatte er sich den Loch Lomond Club in Atlan Village ausgesucht, um für sein kosmisches Projekt zu werben. Dabei waren die Beschreibungen immer gleich. Der Fremde tauchte immer völlig unerwartet auf und wurde einheitlich als älterer Terraner mit langen, grauen Haaren und alten, jedoch sympathisch väterlichen Gesichtszügen beschrieben. Bei allen Sichtungen schien die Gestalt mit einer Aura aus Licht umgeben zu sein und keiner hatte sich dem Fremden und seinen Worten entziehen können.

Er erhob sich und ging zu der transparenten Außenwand seines Büros in der Solaren Residenz. Während er überlegte, was die Helioten wohl bezwecken wollten, ließ er seinen Blick über Terrania schweifen. Die Residenz, die einen Kilometer über der Stadt schwebte und selbst auch noch einmal einen Kilometer hoch war, ließ einen atemberaubenden Blick auf die dreißig Millionen Einwohner zählende Metropole zu. Rhodans Blick folgte dem Straßenverlauf der Antares Road, um dann einige Zeit auf den Segelyachten des Goshun-Sees ruhen zu bleiben, bevor er sich entlang des Sirius Rivers durch Monggon zum Areal des Flottenraumhafens arbeitete. Der hohe Sichelkamm ließ sogar aus dieser Höhe kaum einen Blick auf das Landefeld zu. Einzig der obere Pol des CREST IV-Nachbaus ragte etwas über das künstliche Gebirge heraus.

Rhodan hörte, wie hinter ihm die Tür auffuhr und jemand den Raum betrat. Jedoch verzichtete er darauf, sich umzudrehen und suchte lieber in dem Häusermeer von Sirius River City den Gobi Park heraus, in dem er nach kurzem Suchen schließlich die STARDUST ausmachte. Was war damals beim Mondflug die Welt doch klein und einfach gewesen...

Seine Nackenhaare stellten sich auf. Alles in ihm drängte nun danach, sich umzudrehen und sich den Eindringling anzusehen. Er wehrte sich nur kurz und gab dann der Versuchung nach. Perry Rhodan erblickte einen etwas älter wirkenden Terraner, dessen Körper eine übernatürlich anmutende Aura aus Licht umgab. Obwohl er als Sofortumschalter bekannt war, war er für einen Moment völlig überrascht, bis der Alte ihn ansprach:

»Guten Tag, Perry Rhodan. Mein Name ist DORGON und ich möchte mit dir über das kosmische Projekt reden.«

DORGON? Wie die Galaxis? Rhodan schaltete sofort.

»Du bist die Superintelligenz, zu dessen Mächtigkeitsballung die Galaxis Dorgon gehört?«

»Ich bin auch der Hüter der Galaxis Dorgon, Perry Rhodan, doch noch viel mehr. Und ich brauche die Hilfe der Terraner.«

»Syntron, Rufe sofort Julian Tifflor und Joak Cascal hierher«, befahl Rhodan ohne zu zögern, bevor er sich wieder an seinen kosmischen Gast wandte. »Von was für einen Projekt sprichst du, DORGON?«

»Von der Rettung des Universums!«

»Kleiner geht es wohl nicht?«, unkte Rhodan. Vielleicht war er unbemerkt ein wenig genervt von der Theatralik der Hohen Mächte, zu denen zweifelsohne auch dieser DORGON zählte.

In der Rekordzeit von sechseinhalb Minuten betrat der LFT-Residenzminister für Außenpolitik Rhodans Büro. Cascal folgte ihm noch nicht einmal eine halbe Minute später.

Perry Rhodan klärte sie sofort über seinen ungewöhnlichen Gast auf. Tifflor betrachtete das Wesen mit der Aura.

»Das ist DORGON«, bestätigte Tiff. »Es freut mich, dich wiederzusehen.«

»Ja«, bestätigte auch Cascal. »Genau so habe ich DORGON in Erinnerung.«

Die geheimnisvolle Entität DORGON war das erste Mal im Mai 1292 NGZ in Erscheinung getreten, als sie der verstorbenen Terranerin Nadine Schneider eine zweite Chance als Konzept und Beobachterin DORGONs gegeben hatte. So hatte sie an der Expedition nach M100 teilgenommen. DORGON war ein zweites Mal im Januar 1293 NGZ aufgetaucht, nachdem es den Galaktikern gelungen war, die drohende Invasion der Dorgonen zu stoppen. Damals hatte DORGON schon ein Wiedersehen prophezeit und über ein Projekt orakelt.

War er deshalb gekommen?

Doch noch ein weiterer Gedanke schoss Cascal für einen Moment durch den Kopf. Nadine Schneider! Was war aus ihr geworden? Früher hatte er Gefühle für sie gehegt, doch die Terranerin war nun eine Botin von DORGON. Damit hatte er sich inzwischen abgefunden, doch er wäre herzlos gewesen, wenn er in dieser Situation keinen Gedanken an sie verlieren würde.

»DORGON möchte unsere Mithilfe bei einem kosmischen Projekt, das die Rettung des Universums zum Ziel haben soll. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, weitere Informationen zu erhalten«, unterbrach Perry Rhodan Cascals Gedanken. Der Terranische Resident hob hilflos die Arme. »Genauer gesagt, steht das Abbild dieses Wesens seit einigen Minuten dort herum, ohne etwas zu sagen, als wenn er auf euch gewartet hätte...«

»DORGON«, versuchte nun Tifflor sein Glück. »Wir sollten dir noch aus deiner Mächtigkeitsballung bekannt sein.«

»Natürlich, Julian Tifflor«, erklang die Stimme der Entität. »Ihr habt mir geholfen, den Frieden in Dorgon wieder herzustellen. Deshalb habe ich euch Terraner ja auch für mein kosmisches Projekt auserwählt.«

»Gut«, versuchte es Rhodan erneut. »Was sollen wir tun?«

»Das werdet ihr zu gegebener Zeit erfahren.«

»Aber ich brauche weitere Informationen. Du weißt sicher, dass ich mich von den Kosmokraten abgewandt habe, da diese Lebewesen auf niedrigeren Stufen des Zwiebelschalenmodells gerne für ihre eigenen Zecke missbrauchen. Warum also sollte ich dir trauen?«

»Perry Rhodan«. Das Gesicht von DORGON strahlte so direkt körperlich spürbare Güte aus, dass es den Anwesenden Schauer über den Rücken jagte. »Eben aus diesem Grunde kann ich dir keine genaueren Informationen geben. Ihr könnt sicher sein, dass ich nur aus guten Absichten so verfahre.«

»Wie soll ich dir vertrauen?«

»Tu' es einfach!« Die Stimme wurde nur eine Spur lauter, doch Rhodan zuckte unwillkürlich zusammen. »Und selbst, wenn du es nicht tust, behindere das kosmische Projekt nicht. Dafür ist es zu wichtig...«

Während der letzten Silben löste sich die Gestalt auf und wenige Augenblicke war es so, als wäre sie nie da gewesen.

 

Was will DORGON?

Perry Rhodan saß gerade mit Reginald Bull, dem Residenz-Minister für Verteidigung, zusammen, um über die zugespitzte Lage gegenüber dem Kristallimperium zu reden, als die Kommunikationssyntronik über ein eingehendes Interkomgespräch von Joak Cascal informierte.

»Stell ihn durch«, bat Rhodan die Syntronik.

Joak Cascals Hologramm baute sich lebensgroß neben den Tisch auf, so dass sowohl Bully wie auch der Solare Resident ihn gut sehen konnten.

»Sir... oh, und hallo, Residenzminister Bull«, begrüßte Cascal sie in gewohnter Weise förmlich. Im Dienst bestand er selbst darauf, sie zu siezen, um ihnen genügend Respekt entgegenzubringen. »Störe ich etwa?«

»Nicht so sehr wie Bostich«, meinte Bully ironisch.

Bevor Cascal oder Bully etwas Weiteres sagen konnten, kam Rhodan ihnen zuvor.

»Natürlich störst du nicht, Joak.« Cascal registrierte das duzen. Damit gab ihm Perry immer zu verstehen, dass er nicht förmlich sein musste. »Wir diskutieren zwar gerade über das Kristallimperium im Allgemeinen und seinem Imperator im Speziellen, aber auch dieser geheimnisvolle DORGON ist ein Problem, mit dem wir uns auseinander setzen müssen. Gibt es Neuigkeiten?«

Cascal war von Rhodan mit der Aufgabe betraut worden, die weiteren »Sichtungen« entgegen zu nehmen und zu sammeln.

»Wieder drei Erscheinungen«, seufzte Cascal. »Diesmal im Media Park von Monggon City, in der Aldebaran Area und sogar auf dem Kybernetischen Turm.«

»Junge«, staunte Bully, »der macht ja eine richtige Stadtbesichtigungstour »Kannst du irgend ein System erkennen?«

»Bisher nicht«, musste Cascal zugeben. »Sogar NATHAN beißt sich die Zähne aus!«

»Irgend etwas Neues bei den Berichten?«

Cascal schüttelte den Kopf und rieb sich kurz mit dem Zeigefinger an der Nasenspitze. Man konnte ihm sichtlich ansehen, wie sehr es ihn wurmte, mit fast leeren Händen Rhodan gegenüberzustehen.

»Nein. Immer dieselbe Beschreibung und dieselben Worte. Er berichtet von dem kosmischen Projekt, das für die Rettung des Universums unabdingbar ist und hofft auf Mithilfe, ohne zu sagen, um was es genau geht.«

»Wir müssten noch einmal mit ihm reden«, überlegte Rhodan. »Nur wie? Leider nimmt Arkon zu viel Zeit in Anspruch, sonst würde ich vorschlagen, einfach der SI hinterher zu reisen und zu versuchen, sie einzuholen...«

»Er hat nie behauptet, eine Superintelligenz zu sein«, warf Cascal ein, womit er recht hatte. Schon damals hatte DORGON von sich immer als Entität gesprochen. Welche Stelle er in dem Zwiebelschalenmodell einnahm, wusste wahrscheinlich nur er selbst und gleichgestellte oder höhere Intelligenzwesen.

»Wie wäre es mit Gucky?«, schlug Bully vor.

»Genau«, stimmte Rhodan ihm zu. »Der Kleine kann DORGON verfolgen und versuchen, mehr in Erfahrung zu bringen. Am besten rufen wir ihn gleich her!«

Rhodan aktivierte den Interkom und hinterließ Gucky eine Nachricht, der im Moment nicht zuhause war und auch seinen syntronisch-positronischen, den er ständig bei sich trug, deaktiviert hatte. Anschließend verabschiedete sich Rhodan von Cascal, der weiterhin die Beobachtung DORGONS übernehmen sollte.

 

Gucky auf der Suche nach DORGON

Gucky teleportierte in das Zimmer. Er hatte geespert, dass DORGON kurz zuvor hier erschienen war.

»Gestatten? Gucky, der Retter des Universums«, stellte er sich vor und zeigte freundlich seinen Nagezahn.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass niemand wie üblich bei seinem plötzlichen Erscheinen zusammen gezuckt war. Vielmehr schienen die anwesenden Personen noch völlig entrückt zu sein.

Gucky hob sich mittels seiner telekinetischen Kräfte an und schwebte direkt vor einen Mann, der sehr nachdenklich die Wand anstarrte.

»Hallo«, piepste er ihm ins Gesicht. »Ist da wer?«

Jetzt endlich reagierte der Terraner. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Als er sie danach wieder öffnete, fiel sein Blick auf den schwebenden Mausbiber – und dann zuckte er endlich zusammen.

Befriedigt ließ Gucky sich zu Boden sinken.

»Na endlich«, seufzte der Ilt. »Wo ist DORGON?«

»Wer?«, fragte der Terraner verwirrt. »Wer... du musst Gucky, der Mausbiber, sein!«

Guckys Brust schwellte vor Stolz an. Er stemmte die Arme in die Hüften und fühlte sich gleich ein paar Zentimeter größer.

»Du merkst auch alles, Großer. Ich bin auf der Suche nach DORGON und dessen komischen Projekt...«

»Das kosmische Projekt«, korrigierte ihn der Mann, während sein Blick wieder in weiter Ferne zu verschwinden schien.

»Jaja«, machte Gucky ärgerlich, als er dies bemerkte. »Wo ist der Alte hin?«

»Weiter gezogen«, säuselte der Mann leise.

»Du bist ja wirklich eine große Hilfe, fast noch schlimmer als die Heliotischen Kinder«, piepte Gucky wütend und entmaterialisierte, doch dies bekam der nachdenkliche Terraner schon nicht mehr mit.

Der Mausbiber landete auf dem Gipfel des Sichelwalls, der den Flottenraumhafen umgab. Hier war es zwar windig und kalt, doch der Panoramablick über Terrania half dem Ilt dabei, sich wieder auf seine telepathische Gabe zu konzentrieren.

Er brauchte nicht lange, um wiederum die Gedanken der durch DORGON »Bekehrten« aufzuspüren. Sofort teleportierte er an den Ursprung der Gedanken.

Zu Beginn seiner Mutantenkarriere hatte er oftmals den exakten Ort der aufgespürten Gedanken als Ziel für seine Teleportationen verwendet und war oft auf dem Schoß seines Ziels gelandet. Später war er dann dazu übergegangen, knapp neben den Zielen zu laden, um nicht immer in diese peinlichen Situationen zu kommen. Doch leider funktionierte diese Taktik nur, wenn sich unmittelbar neben der angepeilten Person nicht noch eine weitere aufhielt.

So wie jetzt! Das erste, was Gucky feststellte, war, dass er sich auf den Oberschenkeln eines Terraners aufhielt. Das nächste war, dass diese Beine nackt waren. Als er dann noch bemerkte, dass sich unter diesen Beinen ein Keramikbecken mit Wasser befand und der Terraner in einem kleinen Raum saß, teleportierte er schockiert und ohne zu zögern an seinem Ursprungsort zurück.

»Sucht dieser DORGON seine Opfer etwa ohne Anstand aus?«, fluchte er, doch auf dem Gebirge hörte ihm niemand zu.

Seufzend ergab er sich in sein Schicksal und lauschte weiter, bis er schließlich ein weiteres Mal die Anwesenheit von DORGON registrierte und sprang.

*

Gucky landete direkt auf Perry Rhodans Schoß, doch diesmal war es Absicht.

»Perry, ich will diesem Auftrag nicht«, fuhr er sofort den Terraner an.

Rhodan, der völlig überrascht war, hob den Ilt erst einmal hoch und setzte ihn auf seinen Arbeitstisch ab. Dabei bemerkte er einen grinsenden Blick Reginald Bulls, der sichtlich erfreut war, einmal nicht das Opfer zu sein.

»Was ist denn los?«, fragte er Gucky.

»Widerlich! Fürchterlich!«, zeterte der Mausbiber.

»Jetzt mal langsam, was treibt DORGON denn so fürchterliches?«

»Er besucht die Terraner – überall!«

»Das wissen wir«, entgegnete Rhodan. »Daher solltest ja auch du ihm folgen, da du nun mal der beste Teleporter bist, den wir haben...«

»Ich will aber nicht mehr!« Gucky fuchtelte wild mit den Armen in der Luft herum.

»Aha«, machte Bully grinsend. »Daher weht also der Wind. Kann es sein, dass du einige Menschen in peinlichen Situationen überrascht hast? Aber das machst du doch sooo gerne...«

Gucky fuhr herum. Nur einige Millisekunden später schwebte Bully unter der Decke. Zunächst versuchte er noch, mit Händen und Füßen etwas zum Festhalten zu erreichen, doch Gucky ließ ihn so schnell rotieren, dass er dies sofort resigniert sein ließ.

»Sie lagen im Bett!«, schrie Gucky. »Und betrieben Fortpflanzung! Nicht nur, dass schon DORGON sie dabei gestört hatte, ich materialisierte auch noch genau auf...«

Gucky verzichtete darauf, den Satz zu Ende zu sprechen und löste sich lieber in Luft auf. Bully – nun seiner parapsychischen »Aufhängung« beraubt – poltere unsanft zu Boden. Ächzend und stöhnend erhob er sich und starrte Rhodan düster an, der sich sichtbar über die Vorfälle amüsierte.

»Jaja, du hast gut lachen«, schimpfte Bully. »Und wer hat mal wieder den Schaden?«

»Eindeutig Gucky«, fuhr Rhodan ihm dazwischen. »Der Kleine war ja völlig fertig!«

»Wir müssen die Aktion also beenden und Sonderoffizier Guck zur Kur schicken«, meinte Bully nun gelassen.

»Ja, ich denke schon, dass dies nötig ist. Gucky wird sich wohl so schnell nicht wieder beruhigen.«

»Das denkt nur ihr!« Plötzlich stand der Ilt auf dem Tisch und bewies damit, dass er wieder einmal gelauscht hatte. »Vielleicht wollte ich die Herren nur über die Schwierigkeiten meiner Arbeit aufklären? Wie oft bist du denn schon auf Leuten rematerialisiert, die auf dem Klo saßen?«

»Das auch noch?«

Bully wollte gerade anfangen zu lachen, als Gucky leicht den Kopf drehte. Sofort hörte er wieder auf.

»Was meinst du, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass dir das ein weiteres Mal passieren wird?«, versuchte er es auf die tröstende Tour.

»Wahrscheinlich gar nicht, aber es geht ja ums Prinzip!«

»Ja, genau, ums Prinzip«, mischte sich nun Rhodan ein. »Um das Prinzip, dass wir über einen Fremden, der sich in Terrania herum treibt, auch – oder gerade – wenn er eine Superintelligenz ist, mehr herausfinden sollten!«

»Das stimmt schon«, seufzte Gucky ergeben. »Aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass es nichts bringt. Immer, wenn ich irgendwo auftauche, ist DORGON bereits verschwunden, und alles, was ich aus den Leuten heraus bekomme, ist, dass ein ungeheuer charismatischer Alter sie aufgesucht hat, um sie zur Mithilfe bei seinem kosmischen Projekt zu bewegen. Alle wollen ihm zwar dabei unterstützen, doch um was es dabei geht, weiß keiner.«

»Versuche es einfach weiter«, schlug Rhodan vor. »Vielleicht hast du ja doch einmal Glück und erwischst DORGON noch. Du bist nun mal der einzige, der so schnell reagieren kann. Alle anderen würden wesentlich länger brauchen...«

Gucky drückte seine Brust heraus und hob die Hand zum alten Militärgruß des Solaren Imperiums.

»Natürlich, Chef. Leutnant Guck ist schon unterwegs!«

*

Gucky teleportierte in seinen Bungalow am Ufer des Goshun-Sees, um sein weiteres Vorgehen zu planen. Er suchte seine Robotküche auf, um sich erst einmal einen Vurguzz mit Schuss Karottensaft zu holen. Er gönnte sich diesen Drink zwar äußerst selten, doch heute war so ein Tag, an dem es bitter nötig war!

»Gucky, warum verfolgst du mich?«, sprach plötzlich jemand hinter ihm.

Gucky ließ vor Schreck das Glas fallen. Es war zwar unzerbrechlich, doch der Inhalt übergoss sich über den guten Teppich, der der Steppe von Tramp nachempfunden und nicht gerade billig gewesen war. Doch all dies interessierte Gucky gar nicht. Jetzt war er der Überraschte. Seine Nackenhaare stellten sich auf und seine Ohren bogen sich nach hinten. Langsam und mit angehaltenem Atem drehte er sich um.

Im Eingang der Küche stand ein charismatisch wirkender Mensch mit gütigen, wenn auch vom Alter gezeichneten Gesichtszügen und wallenden, langen grauen Haaren – DORGON!

»Was willst du von mir?«, entfuhr es dem Ilt.

»Dich um Mithilfe bei meinem kosmischen Projekt bitten.«

»Warum? Wieso? Was bezweckst du damit?«

Innerlich verfluchte sich Gucky. Nicht nur, dass nicht er sie, sondern die Entität ihn gefunden hatte, jetzt fielen ihm auch nicht mehr die Fragen ein, die Perry ihm aufgetragen hatte.

»Es geht um die Errettung des Universums. Du hättest mich nicht suchen brauchen, ich wäre sowieso bald zu dir gekommen...«

»Perry...« Gucky verschluckte schnell den Rest des Satzes und begann neu. »Wir wollen erst wissen, was du mit dem Projekt bezweckst...«

»Ich sagte doch, das Universum soll errettet werden!«

Gucky schluckte. Die Gestalt strahlte ein solches Charisma und eine Güte aus, dass es schon fast unheimlich war. Er versuchte sich immer einzureden, dass er einer Entität wie ES gegenüber stand.

»Du musst verstehen«, trug Gucky nun das erste Argument Rhodans vor, »dass die Terraner sich von den Hohen Kosmischen Mächten losgesagt haben. Einer der Hauptgründe für diese Abwendung war, dass uns die Kosmokraten immer nur spärliche oder gar keine Informationen gaben und viele Intelligenzen in den Kriegen der Kosmischen Mächte, aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen, starben.«

»Aber warum tun die Kosmokraten dies?«, fragte DORGON plötzlich dazwischen.

»Weil...« Gucky war durch diese Zwischenfrage aus dem Konzept gebracht worden. »Weil es ihre Art ist!«

»Was ist die Art der Kosmokraten?«

»Unsereins – die Intelligenzen der dritten Stufe im Zwiebelschalenmodell – ohne Rücksicht für ihre Ziele einzusetzen!«

DORGON lächelte.

»Wenn dich eine Mücke sticht, was tust du?«

»Ich schlage zu.«

»Warum tötest du die Mücke?«

»Ich... ein Reflex!«

»Schätzt du das Leben dieses Lebewesens nicht? Nur weil sie im Zwiebelschalenmodell unter dir steht? Weil sie dein Blut für ihre Fortpflanzung braucht?«

Gucky begann zu ahnen, worauf es hinauslief.

»Ja... aber... wir kommen sehr gut ohne die Kosmokraten aus!«

»Darum geht es in unserem Gespräch doch gar nicht. Wie ist die Moral der Mücke? Sticht sie dich, um dir ein Leid zuzufügen?«

»Nein... Sie braucht das Blut und weiß gar nicht, was sie tut...«

»Wenn du sie tötest, tut es dir dann leid?«

»Nein. Es ist ja nur eine Mücke...«

»Nur eine Mücke, oder ein Leben?«

Gucky wurde es langsam zu bunt.

»Was soll diese ganze Fragerei? Soll ich mich lieber stechen lassen? Gerade hier in der Nähe des Sees gibt es viele Wasserlöcher, in denen...«

»Meinst du, eine Mücke könnte euren Konflikt mit dem Kristallimperium verstehen?«

»Natürlich nicht!«

»Meinst du, du kannst den Konflikt der Kosmokraten mit den Chaotarchen verstehen?«

»Sicherlich. Die Kosmokraten stellen die Ordnung dar, während die Chaotarchen die zerstörenden Kräfte des Universums repräsentieren. Beide stehen natürlich im Widerspruch zueinander, was zu einem ständigen Konflikt führt...«

»Ist es wirklich so, oder ist das nur ein unzureichendes Modell?«

Gucky schluckte.

»Willst du mich jetzt wieder zu den Kosmokraten bekehren oder was? Bist du gar ein Spion von ihnen?«

»Nein, darum geht es doch gar nicht.«

»Worum zum Himmel dann?«

»Meinst du, du könntest verstehen, wie ich das Universum erretten will?«

»Natürlich. Du könntest...«

»Meinst du das wirklich?« Die Stimme hatte nur ein bisschen mehr Schärfe bekommen, doch Guckys Herz rutschte fast in die Hose.

»Ich... weiß... nicht...«

»Du bist allein«, sagte die Entität.

»Wie meinst du das?«

»Du bist der letzte der Mausbiber.«

»Heißt das... du weißt...?«

»Ich will dir nur folgendes verdeutlichen: Als du vorhin bei den Terranern im Bett gelandet bist, warst du wütend – aber nicht auf die terranischen Sitten, wie du Rhodan und Bull gegenüber gesagt hast – sondern wütend, dass dir dieses versagt bleibt...«

Gucky war nicht in der Lage, darauf etwas zu erwidern. Ein schmerzhafter Kloß bildete sich in seinem Hals, und eine einsame Träne rollte seine Wange hinab. Iltu...!

»Kann irgendjemand diesen Schmerz nachvollziehen? Richtig nachvollziehen?«

»Nein!«, schrie Gucky und fing an zu weinen. »Warum tust du mir das an?«

»Ihr Zellaktivatorträger«, fuhr DORGON ungerührt fort, »habt einen viel größeren Horizont als die Sterblichen. Lebt der durchschnittliche Galaktiker nur zwei Jahrhunderte, denkt ihr bereits teilweise in Jahrtausenden. Ihr wisst, dass Bostichs Reich nach seinem Tod vermutlich wieder zerfallen wird, und er so nur ein temporäres Problem ist, aber was ist mit den Lebewesen, die er unterjocht hat? Oder ihm selbst, der er in seiner Expansion sein Lebenswerk sieht?«

Gucky, der immer noch mit den plötzlich aufflammenden Erinnerungen an Iltu, Jumpy und all die anderen Ilts kämpfte, hatte Mühe, sich weiter auf das Gespräch mit DORGON zu konzentrieren. Mühsam drängte er die Tränen zurück und versuchte, ohne zitternde Stimme zu sprechen.

»Ich kann in dieser Angelegenheit nicht so recht mitsprechen, da wir Ilts...« Er machte eine Pause, schloss die Augen und atmete tief ein. Der kleine Jumpy... Seine Mutter, Iltu, meine Frau... »...in der Regel sehr viel älter werden als Menschen, aber natürlich hast du recht!«

»Ja, mein lieber Gucky, warum erzähle ich dir das alles?«

Gucky wagte nicht, irgendetwas zu sagen. Jetzt kam es! Sogar seine qualvollen Erinnerungen waren plötzlich vergessen.

»Ist es nicht so, dass es immer schwierig ist, sich in ein anderes Lebewesen hineinzuversetzen? Selbst wenn es von derselben Art ist, ist es doch sehr schwierig. Bei Wesen einer anderen Rasse oder einer anderen Entwicklungsstufe sogar noch schwieriger...«

Die Entität machte wiederum eine Pause. Gucky hing förmlich an den Lippen der Gestalt und konnte es kaum abwarten, dass sie weiter sprach. Nach endlos langen Augenblicken wurde er endlich erlöst.

»Aber wir können Toleranz üben und ein uns nicht verständliches Verhalten akzeptieren, auch wenn wir es nicht so oder zumindest etwas anders machen würden.«

DORGON schaute Gucky nun direkt in die Augen. Der Ilt hatte das Gefühl, dass er bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele blickte und ihn völlig durchschaute.

»Verstehst du nun, warum ich dir nichts über die Einzelheiten des Planes sage oder sagen kann?«

Der Mausbiber konnte nur langsam nicken, kein Wort hätte er unter diesem mächtigen Blick über die Lippen gebracht.

»Es ist nicht so, dass ich euch überhaupt nichts sagen will. Ich habe tiefen Respekt vor den Terranern, die den Frieden nach Dorgon brachten. Vielleicht werden die Dorgonen eines Tages auch einmal so würdig sein, doch im Moment brauche ich die Hilfe von Perry Rhodan und seinem Mitstreitern. Warte noch eine kurze Weile ab. Es wird noch jemand in die Milchstraße kommen, den ich noch aufsuchen muss. Danach kann ich euch dann genaueres über meinem Plan berichten...«

DORGON drehte sich um und durchschritt die Tür.

Gucky griff reflexartig mit seinen telekinetischen Kräften nach dem Glas, das ihm aus der Hand gefallen war. Was war passiert? Warum hatte er es fallen lassen?

Nachdenklich stellte er das Getränk auf dem Tisch ab. Hatte er sich nicht gerade lange unterhalten? Er beobachtete, wie der rote Möhrensaft einen erfolglosen Kampf gegen die Übermacht des grünen Vurguzz führte, bis er sich schließlich völlig in dem Glas aufgelöst hatte.

DORGON war hier gewesen. Ja, er hatte sich lange mit dem Wesen, das sich als die Superintelligenz der Galaxis Dorgon ausgab, unterhalten. Wirklich lange?

Gucky starrte wieder das Glas an. Es war ihm doch aus der Hand gefallen, als er sich über das jähe Auftauchen DORGONS erschrocken hatte. Dann hatte er sich lange mit der Entität unterhalten – und doch das Glas aufgefangen. Hatte das ganze Gespräch nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert?

Gucky schüttelte den Kopf. Langsam kamen wieder die Einzelheiten des Dialogs in seinen Sinn. Der Schmerz kehrte zurück... eine Träne für Iltu, eine Träne für Jumpy...

Darum hatte er DORGON nie vorgefunden! Darum waren die Menschen nie ansprechbar gewesen. Weil DORGON sich lange und persönlich mit ihnen unterhalten hatte – im Bruchteil einer Sekunde...

*

Gucky teleportierte in Rhodans Büro.

Ausnahmsweise war Reginald Bull, der Residenz-Minister für Liga-Verteidigung, nicht im Büro des Residenten, doch das interessierte den Mausbiber im Moment überhaupt nicht. Vielleicht war er einen Augenblick lang froh, die Freunde nicht wieder bei einer Besprechung zu stören, doch hätte er sich sowieso wenig darum gekümmert, wenn Bully doch da gewesen wäre.

»Gucky«, begrüßte ihn Rhodan, dann stutzte er. »Was ist denn, du siehst so nachdenklich und traurig aus?«

»DORGON war bei mir«, gab der Mausbiber zu.

»Und? Was hat er gesagt? Hast du etwas über das kosmische Projekt erfahren?«

Der Schmerz...

»DORGON hat gar nichts gesagt!« Wahrscheinlich war es seit Jahrhunderten das erste Mal, dass er wissentlich Rhodan anlog, doch im Moment konnte er nicht anders. Iltu...! »Aber wir können ihm vertrauen; er hat eine so reine und friedliche Ausstrahlung... Er meint es ernst, Perry!«

Rhodan schaute den Ilt skeptisch an. »Du wurdest doch nicht irgendwie beeinflusst?«

»Nein, es ist nur...«

LAOTSE, der Syntron der Solaren Residenz, kam ihm dazwischen.

»Perry Rhodan, es ist wieder zu Berichten über DORGON gekommen«, meldete die natürlich wirkende Stimme der Syntronik. »DORGON wurde in der letzten halben Stunde in Sirius River City, in Happytown und im Abenteuerland Shoonar gesehen!«

»Gucky«, wandte sich Rhodan verwirrt an den Ilt. »Sagtest du nicht, DORGON war bei dir...?«

»War er auch!« Gucky seufzte. »Behindere ihn nicht bei seiner Mission! Er wird dir bald alles mitteilen. Er muss nur noch warten, bis jemand oder etwas die Milchstraße erreicht hat...«

»Ich dachte, er hat dir gar nichts gesagt?«, fuhr Perry dazwischen.

»...und ich reiche Urlaub ein«, sprach der Mausbiber ungerührt weiter. »Bitte stört mich in den nächsten Tagen nicht!«

Er entmaterialisierte. Rhodan meinte noch, kurz vor dem Knall ein Schluchzen gehört zu haben, doch dies konnte auch Täuschung gewesen sein.

»Gut, Gucky«, flüsterte der Unsterbliche. »Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, doch wir kennen uns lange genug, dass ich dir vertrauen kann. Erhole dich gut, Kleiner...«

 

Nadine Schneider

Es wisperte und raunte in dem unerklärbaren Medium, in dem sie sich befand. Vielleicht war es gar kein Medium. Vielleicht waren es nur subjektive Eindrücke schillernder Farben, die ihrem Geist vorgegaukelt wurden, um in ihr nicht ein Gefühl des Nichts entstehen zu lassen. Jedes mal, wenn sie diese Verbindung zu ihrem Auftraggeber hatte, machte sie sich Gedanken über ihre Daseinsform. Die Phasen dieses Zustandes währten in ihrem Zeitempfinden nur Augenblicke, doch im Normaluniversum, in dem sie sich nach diesen Phasen wiederfand, schien jedes Mal eine größere Zeitspanne verstrichen zu sein als in ihrem Geist.

»Es wird Zeit.«

Wie immer vernahm sie die Stimme, die sich aus dem Wispern von Milliarden Wesen herauskristallisierte, als eindringliches Verständigungsmittel direkt in ihrem Geist. Es schien so, als sei sie Teil dieser Stimme.

»Du kennst deine Aufgabe?«

Sie antwortete nicht, denn sie war Teil des Ganzen und das Ganze wusste, was sie wusste. Stattdessen wartete sie auf den Augenblick ihrer Materialisation. Manche der Wesen erschraken furchtbar, wenn jenes leuchtende Wesen, die Manifestation des Ganzen unvermittelt in ihrer Wohnung erschien. Wenn diese Schreckhaftigkeit schon im Voraus erkannt wurde, musste sie die Aufgabe übernehmen und im Sinne des Ganzen wirken.

»Es ist eine kleine Familie, Vater, Mutter, Tochter... Sie leben sehr zurückgezogen. Sei vorsichtig, das Projekt darf nicht gefährdet werden...«

*

»Du kennst mich nun tatsächlich schon seit mehreren Jahrtausenden. Warum zum Kuckuck fällt es dir so schwer, meinem weisen Urteil zu vertrauen? Mann, wann hat dich der Retter des Universums schon mal falsch beraten, wenn er sich so doll hinter seine Meinung gestellt hat?«

Rhodan saß in einem Sessel aus Formenergie in seinem Büro und starrte abwesend auf die Stadt. Auf seine Stadt, dachte er trübsinnig. Wie lange hatte er nicht mehr das Recht gehabt, sie zu betrachten? Doch nun war er Terranischer Resident, Inhaber des verantwortungsvollsten Postens, den die Liga Freier Terraner zu vergeben hatte. Lange hatte ihn die Menschheit abgelehnt, und auch jetzt gab es noch viele, die an ihm zweifelten.

Langsam drehte er sich zu dem Sprecher um. Gucky hatte ihm zum wiederholten Male nahe gelegt, der Superintelligenz DORGON, dessen Mächtigkeitsballung die gleichnamige Galaxis umfasste, zu trauen und in ihrem Projekt zu unterstützen. Und zum wiederholten Male hatte er sich nicht positiv äußern können.

»Warum misstraust du DORGON eigentlich? Hat er sich nicht als friedliebend und besonnen gezeigt? An ihm ist nicht die Spur jener Arroganz zu erkennen, die ES auszeichnet. Vertraue ihm, er wird sich dir schon offenbaren!«

Ja, warum misstraute er DORGON eigentlich? Wenn er ehrlich war, konnte er keinen Grund angeben. Jedoch hatte ihn sein Gefühl genauso selten getrogen wie Gucky das seinige. Es stand Ansicht gegen Ansicht, beide auf Gefühle basierend und logisch nicht zu erfassen. Obwohl Rhodan zugeben musste, dass Guckys Einstellung weit logischer war als seine eigene.

»Komm schon, Perry! Er ist ein total feiner Kerl.«

»Ich kann dich gut verstehen, Kleiner. Aber du musst auch daran denken, dass ich jetzt wieder direkt für die Terraner, die Menschheit verantwortlich bin«, entgegnete Rhodan nachdenklich. »Kann ich eine Mission unterstützen, die ich nicht mal ansatzweise kenne? Was, wenn es Absicht dieser Entität ist, friedlich zu erscheinen? Du kennst Superintelligenzen genauso gut wie ich, und es ist Tatsache, dass sie ihr wahres Gesicht sehr gut verschleiern können, ebenso wie ihre wahren Absichten.«

»Glaubst du, dass es jemand wagen würde, mich, den Kronprinzen der Ilts, den mächtigsten Mausbiber aller Zeiten, den Beschützer des wahren Wirklichen, zu täuschen? Dem würde ich es aber ganz schnell zeigen, das glaubst du doch wohl!«

»Du hast ja recht«, sagte Rhodan einlenkend. »Ich werde solange nichts gegen DORGONs Werbung unternehmen, wie er verantwortungsvoll mit der Sache umgeht.«

»Du kannst ihn doch auch unterstützen«, versuchte es Gucky von neuem. »Ich wette um zehn Kilo Mohrrüben, dass er nichts Böses im Schilde führt.«

»Ich werde dich zu gegebener Zeit daran erinnern.« Rhodan gab sich einen Ruck. »Kümmere dich bitte weiterhin um den Werbefeldzug und informiere mich über jede Änderung seiner Taktik!«

*

Nadine Schneider schritt langsam auf das Gebäude zu. Es stand einsam in der Gegend, eigentlich verwunderlich auf einer Welt wie Terra. Um sie herum war ein kleines Wäldchen, welches das Haus erfolgreich gegen die Einflüsse der Massenzivilisation schützte. Die Bewohner schienen sich absichtlich von der Welt abzukapseln, wollten ihren eigenen Weg gehen.

»Genau diese Art von Intelligenzen ist perfekt für die Insel«, sagte sie zu sich selbst. Dann legte sie den Kopf zur Seite. Es schien, als lausche sie auf eine innere Stimme.

Wenn sie trotz ihrer Liebe zur Einsamkeit in der Lage sind, gemeinschaftlich zu handeln, magst du recht haben. Das ist auch der Grund für dein Hiersein.

Die Stimme in ihrem Geist war ihr mittlerweile vertraut geworden. Sie begleitete Schneider auf all ihren Missionen, war ihr Ratgeber und Auftraggeber. Es war die vergeistigte Stimme DORGONs.

Nun geh', bringe ihnen das Projekt nahe!

Nadine Schneider setzte sich wieder in Bewegung und ging auf das Haus zu. Sie wusste, dass sie schon beobachtet wurde, denn solche einsam lebenden Wesen bekamen nicht oft Besuch. Und tatsächlich, als sie die Haustür erreichte, stand bereits eine junge Frau im Eingang und begrüßte sie mit freundlicher Zurückhaltung.

»Guten Tag, was kann ich für dich tun?«

»Guten Tag«, erwiderte das terranische Konzept der Entität DORGON. »Ist dein Mann zu Hause? Ich komme im Auftrag von jemandem, der euch wichtiges mitzuteilen hat.«

»Warum ist dieser Jemand nicht selbst anwesend?«, erkundigte sich die Frau misstrauisch. »Um wen handelt es sich denn?«

»Es geht um ein Ereignis von kosmischer Wichtigkeit.« Schneider wich gekonnt den ersten Fragen der Frau aus und weckte gleichzeitig ihr Interesse. Sie hatte sich mit Geduld gewappnet. Es war ihr klar gewesen, dass sie nicht mit einem leichten Erfolg rechnen konnte.

Die junge Frau, Frau Zunami M'Kari, eine Bewohnerin des Südens des afrikanischen Kontinents, bat ihre Besucherin ins Haus und bot ihr einen Sitzplatz an.

»Möchtest du was trinken?«, fragte sie, während Nadine sich niederließ.

»Ja bitte, ein Glas Wasser wäre nicht schlecht.«

*

Nicht weit von dem Haus entfernt hockte Gucky auf einem Baum und lauschte mit seinen parapsychischen Sinnen dem Gespräch. Er hatte auf seiner Suche nach DORGON erstaunt festgestellt, dass bei verschiedenen Persönlichkeiten eine Frau für das Projekt DORGONs warb. So hatte er sich auf den Weg gemacht, eine dieser Unterhaltungen zu belauschen, um näheres über ihre Taktik zu erfahren. Nun hatte er die erste Gelegenheit dazu. Nachdenklich registrierte er, dass die Frau ungleich behutsamer und langsamer vorging als DORGON selbst. Es handelte sich also bei jenen, die von der Frau besucht wurden, um Menschen, die vor übernatürlich erscheinenden Wesen zu starken Respekt hatten und vielleicht aus Furcht unüberlegte Dinge taten. Dass DORGON dies verhindern wollte, sprach Guckys Ansicht nach für die Friedfertigkeit und Toleranz der Entität.

Gucky verließ zufrieden seinen Posten um Rhodan von den neuen Methoden DORGONs zu berichten und damit weitere Pluspunkte für ihn zu sammeln. Lange sollte sich Perry der Wirklichkeit nicht mehr verschließen können.

 

Verschollen in der Unendlichkeit

Sie befanden sich nahe dem Sternenportal der Lokalen Gruppe. Sato Ambush blickte sehnsüchtig auf eine holografische Abbildung der Milchstraße, die 5,3 Millionen Lichtjahre von ihrer Position entfernt war. Es war seine Heimat. Er war seit einer Ewigkeit nicht mehr auf seinem Heimatplaneten Terra gewesen.

Zwar waren die Abenteuer mit dem Alysker auf der DONGJI interessant und ebenso phantastisch gewesen, doch nach all den Jahren zog es Sato Ambush langsam wieder zurück in die Heimat. Er blickte auf sein Chronometer. Es war der 28. März 1294 NGZ. Er war nun schon neunzehn Jahre mit dem Alysker unterwegs. Sie hatten fremde Galaxien besucht, fremde Welten erforscht und offenbar im Namen der Entität DORGON eine Reihe an Völkern aufgesucht, die Sato Ambush aus der Vergangenheit der Terraner her kannte. Es waren die Cappins in der Sombrero-Galaxie Gruelfin, die Okefenokees in M87 Druithora und die Kartanin in Triangulum. Sie hatten DORGON geholfen, für das kosmische Projekt zu werben. Es war in der Tat ein gewaltiges Unterfangen. Doch Sato faszinierte dieser Gedanke.

Nun waren sie dem Ruf DORGONs gefolgt. Das Sternenportal erzeugte ein Wurmloch. Ein silbernes, edel geformtes Raumschiff mit Zacken an den Seiten kam hindurch. Es erinnerte Sato Ambush an einen Stern. Er kannte die RIVEDELL. Und er kannte die Kommandantin des Sternenschiffes. Es war die Alyske Elyn. Eine Schönheit voller Anmut, voller Güte, Reinheit und Liebe, dass Sato schon voller Vorfreude an ihre Begegnung denken ließ. Der Alysker hingegen gab einen genervten Laut von sich.

»Was will die denn schon wieder hier?«, fragte er sich. Er betätigte die Hyperkomanlage. »Elynchen, hat Papi dich geschickt?«

Das Gesicht der wunderschönen Alyske erschien auf den Bildschirmen in der Zentrale der DONGJI.

»Wie schön, dich wiederzusehen, Sato Ambush«, sagte sie mit einem herzlichen Lächeln. Der Japaner verneigte sich.

»Ich erwidere diese freundliche Geste.«

Der Alysker winkte ab und warf sich seufzend in den knautschenden Sessel. Er pfiff durch die Gegend, legte die Beine auf den Tisch und blickte Elyn erwartungsvoll an.

Sie neigte den Kopf leicht nach links und starrte den Alysker ebenso fragend an. Dann atmete sie tief durch und sprach: »Ich wurde von DORGON gerufen. Du weißt, dass unser Volk und speziell mein Vater nicht wollen, dass wir uns einmischen. Also nein, ich wurde nicht von ihm entsendet.«

Obwohl Sato Ambush fast 20 Jahre mit dem Alysker zusammen gewesen war, so erfuhr er stets nur durch Elyn irgendetwas über dieses Volk. Sato kannte nicht den wahren Namen seines exzentrischen Begleiters. Er wusste nur, dass er vom Volk der Alysker stammte und Elyn eine Artgenossin war, deren Vater offenbar der Anführer oder ein hoher Administrator war. Ansonsten vermied es der Alysker, über sein Volk, seine Vergangenheit oder irgendetwas zu sprechen, was ihn anbelangte.

»Wieso ruft DORGON dich auch zu uns?«

»Weil ihr Narren offenbar eure eigenen Fehler nicht erkennt«, hallte es donnernd über die Akustikfelder. Auch Elyn hörte es und verzog das Gesicht.

»DORGON!«, stellte der Alysker fest. »Welchen Fehler?«

»Vor drei Jahren habt ihr die TERSAL verloren. An Bord befanden sich Ritter der Tiefe und Terraner aus verschiedenen Epochen«, klärte DORGON auf.

Sato Ambush hatte das nicht vergessen. Die TERSAL war aus der Galaxie Zechon geflohen. Doch nachdem sie durch das Sternenportal geflogen war, hatte sich die Spur verloren. Sie war einfach verschwunden.

»Sie wurden vermutlich Opfer von Rodrom. Vielleicht hatte er das Sternenportal erneut manipuliert, um sie direkt zu MODROR zu transferieren«, vermutete Elyn.

DORGON lachte schallend.

»Ihr Narren! Dann hättet ihr das doch nachvollziehen können, als ihr das Portal in Zechon untersucht habt.«

»Das hatten wir. Und es hatte etwas damit nicht gestimmt. Vermutlich war es manipuliert worden. Eine versteckte Umleitung. Doch ich hatte ein Gegenprogramm geschrieben«, sagte der Alysker mit gespieltem Stolz.

»Soso, damit wurde die TERSAL zu keiner Destination mehr geschickt. Ihre Atome und die aller Crewmitglieder befinden sich im Netzwerk der Sternenportale, ihr Narren!«

»Oh«, machte der Alysker.

»Befreien wir sie«, schlug Ambush vor.

»Natürlich tun wir das! Es ist vielleicht gar nicht verkehrt, dass sie diese Zeit dort verbracht haben. Ich werde sie nun aus dem Netzwerk befreien. Sorgt dafür, dass sie nach Terra fliegen. Und eines noch: Pfuscht nicht an der Technologie der Sternenportale herum.«

»Aber? Das ist wohl die Höhe! Das sagst du einem Alysker?«

»Dein Alter hat dich hochmütig werden lassen. Fliegt nach Saggittor. Dort wird eure Hilfe benötigt. Rodrom hat eine neue, schreckliche Waffe erschaffen. Helft SAGGITTORA«, erwiderte DORGON und beendete die Verbindung. Im nächsten Moment tauchte die TERSAL aus dem Sternenportal auf.

Elyn verabschiedete sich. Sie wollte noch unentdeckt bleiben. Die RIVEDELL flog eilig durch das Portal. Ambush sendete einen Funkspruch ab und informierte die TERSAL über ihre Position. Ohne in direkten Kontakt mit der TERSAL zu treten, verließen Ambush und der Alysker die Lokale Gruppe in Richtung Saggittor.

 

Die Ankunft der TERSAL – 13. April 1294 NGZ

Die Orter begannen zu schrillen, als das fremde Raumschiff vor der Umlaufbahn des ehemaligen Planeten Pluto in den Normalraum zurückkehrte. Die ungewöhnliche Konstruktion ließ die Wachsyntronik mit vorsichtiger Präzision arbeiten. Sofort schoss ein Signal in den Raum, der den Fremden zur Identifikation aufforderte.

Als Antwort kam ein Funkspruch herein, der besagte, dass ein Ritter der Tiefe namens Gal'Arn den terranischen Residenten Perry Rhodan zu sprechen wünschte. Damit entglitt der Syntronik die Kontrolle, ihr Zuständigkeitsbereich bestand nur aus der normalen Abfertigung von Raumschiffen, wichtige Persönlichkeiten wie Ritter der Tiefe wurden direkt an das Hauptquartiert auf Terra weitergeleitet.

Als Perry Rhodan von der Anwesenheit eines Ritters der Tiefe erfuhr, leitete er sofort alles zu seiner Aufnahme ein. Er zeigte sich sehr gespannt, denn nach seinen Informationen gab es nur noch zwei Ritter der Tiefe: ihn selbst und Atlan, der diesen Status jedoch nie wirklich akzeptiert hatte.

Rhodan rief Bully und Gucky zu sich, um Gal'Arn zu empfangen. Sie begaben sich schnell zum Raumhafen und warteten dort hinter den energetischen Prallfeldern, die den Besucher bei der Landung eines schweren Raumschiffes vor den Druckwellen schützten.

»Na, das wird ja mal wieder 'ne spannende Sache, was Dicker?« Gucky zappelte aufgeregt hin und her.

Nebenbei verunstaltete er telekinetisch den Sitz von Bullys Kleidung, was dieser mit einem Fluch quittierte. Er hatte ja nicht umsonst eine Stunde benötigt, um sich in Schale zu werfen.

Langsam senkte sich das fremde Schiff herab. Es war silbern, glänzte im Schein der Sonne. Das keilförmige etwa 100 Meter große Vehikel setzte auf dem Boden des Raumhafens auf.

»Gucky, kannst du die Gedanken der Besatzung erfassen? Woher kommen sie und was wollen sie hier?«

Perry schaute ruhig in den Himmel, aber sowohl Bull als auch Gucky erkannten die angespannte Nervosität in seinem Gesicht, die er durch gespielte Gleichgültigkeit verdecken wollte.

»Ich weiß nicht, aber irgendwie kommen mir einige der Gedankenfrequenzen sehr bekannt vor. Wie... ja, wie die der Terraner. Sollte unser feiner Besucher Terraner an Bord haben?«

»Lassen wir uns überraschen!«

Das fremde Schiff landete, eine Luke öffnete sich. Darin erschien die imposante Gestalt eines Wesens, das auf den ersten Blick auch ein Terraner sein konnte. Erst bei näherem Betrachten sah man feine Unterschiede.

Er trug langes, glattes Haar, die nach Hinten kunstvoll verflochten waren. Sein einprägsames Gesicht wurde von einem Kinnbart geziert, der seine Willensstärke unterstrich. Der Mann war 182 Zentimeter groß und kräftig gebaut, sein Alter war schwer einzuschätzen. Perry tippte auf siebzig Jahre, was dem besten Mannesalter auf Terra entsprach. An seiner Seite hing ein Schwert, wie man es zuletzt bei Cauthon Despair gesehen hatte. Es glänzte in einem merkwürdigen Goldton, und Rhodan vermutete, das es Anteile des ultimaten Stoffes enthielt.

Auch der Fremde hatte die kleine Gruppe ausgiebig gemustert. Nun hing sein Blick an Rhodan, und er setzte sich langsam in seine Richtung in Bewegung. Hinter ihm verließen weitere Wesen das Schiff, darunter ein Wesen, das die Terraner und Gucky an einen Esel erinnerte.

»Gucky, du hattest Recht. Es sind Terraner an Bord. Schaut mal hinter den Esel! Ein junger Mann, zwei Menschen mittleren Alters, die wie ein Paar aussehen, ein richtig altes Ehepaar und drei merkwürdige Gesellen, die da rausgetorkelt kommen. Und das da? Ein superalter Methusalem! Wo kommen die her?«

Während Bully sprach, waren noch einige Terrageborene ausgestiegen, die sich in die Arme fielen und vor Freude jauchzten. Sie schienen schon eine längere Zeit nicht auf Terra gewesen zu sein.

Nun trat der Fremde auf Perry Rhodan zu.

»Mein Name ist Gal'Arn. Ich komme aus einer sehr weit entfernten Galaxis, die wir Shagor nennen, von der Welt Elaran. Ein Wesen, das sich Sipustov nannte und sich als Kosmokraten bezeichnete, forderte uns auf, einer existentiellen Gefahr zu begegnen, die ihren Ursprung in der Galaxis Dorgon haben sollte.«

Erstaunt registrierte Rhodan, dass der Elare im Auftrag eines Kosmokraten handelte. Das konnte bedeuten, dass sie es hier mit einem versprengten Ritter der Tiefe zu tun hatten, der sich aus dem kosmischen Geschehen hatte heraushalten wollen.

»Ich bin Perry Rhodan, Sechster Bote Thoregons und ebenso Ritter der Tiefe. Ich heiße dich im Namen der Liga Freier Terraner in meiner Eigenschaft als Terranischer Resident willkommen. Alles Weitere können wir besprechen, wenn wir eine bequemere Umgebung erreicht haben. Darf ich euch bitten, mir in die Solare Residenz zu folgen?«

*

Es wurde ein spannender Nachmittag. Sofort nachdem sie die Solare Residenz erreicht hatten, bemerkten die heimgekehrten Galaktiker, dass seit ihrem Aufbruch mit der THEBEN gut drei Jahre vergangen waren!

Mit Entsetzen mussten sie annehmen, dass Zechon anderen dimensionalen Gesetzen unterworfen war als das restliche Kontinuum. Das bedeutete, dass sie sich um drei Jahre verspätet hatten, wo sie doch die Galaktiker in ihrem Konflikt mit Dorgon unterstützen wollten.

Gal'Arn berichtete von dem geheimen Ritter-der-Tiefe-Kult des Jedar Balar, der für Rhodan jedoch kein Begriff war, und dem Untergang des Kultes durch die unbeschreibliche Gewalt eines Cau Thon, der sich als Bote des Chaos verstand. Er schien durch das Auftauchen des Kosmokraten Sipustov auf den Plan gerufen worden zu sein und hatte alle RdT Shagors vernichtet, bis auf Gal'Arn.

Nach ihrer Flucht durch das Sternenportal hatten sie die Notrufe der THEBEN empfangen und die gestrandeten Terraner aufgenommen. Auf der Suche nach einer Möglichkeit zur Positionsbestimmung waren die Irrfahrer schließlich auf dem Planeten Zorryk gelandet, wo sie wiederum Kontakt mit Cau Thon hatten, der mit seinem Helfer Goshkan die Wesen aus Shagor ermordete, nur Gal'Arn und sein Orbiter sowie die Terraner konnten erneut entkommen.

Dem Hinweis folgend, dass sich auf der Welt Zechon ein Observatorium befinden sollte, waren sie dorthin gelangt und hatten die Bekanntschaft mit Prosperoh gemacht, der als Teufelsanbeter den Reisenden große Schwierigkeiten bereitet hatte. Doch durch das Auftauchen des terranischen Konzeptes Nadine Schneider, die im Auftrag eines DORGON agierte, hatten sie die Position der Milchstraße errechnen können und hatten sich über das Sternenportal auf den Weg dorthin gemacht.

Gucky, der während der gesamten Zeit versucht hatte, Gal'Arns Gedanken zu lesen, gab dies resignierend auf. Jedoch war es ihm gelungen, den Wahrheitsgehalt der Aussagen an Hand der Gedanken der Galaktiker zu überprüfen.

Er gab Rhodan ein Zeichen mit den Augen, woraufhin dieser aufatmend nach seinem Wasserglas griff. Hatte ihn sein Gefühl also nicht getrogen! Als Gal'Arn den Namen Cau Thon erwähnte, lief ihm ein Schauer über den Rücken.

»Cau Thon! Ich habe diesen Namen seit den Berichten von Neles nicht mehr gehört.«

Der Elare beugte sich interessiert vor. Dieser Terraner hatte eine ganz besondere Ausstrahlung, das hatte er sofort gespürt.

»Ihr habt auch schon Probleme mit diesem diabolischen Wesen gehabt?«

Perry erzählte, was er wusste. Das war nicht viel gewesen. Cau Thon war ein Freund und Gönner von Cauthon Despair gewesen. Auf der Welt Neles hatte Cau Thon den Eltern von Cauthon geholfen, bis diese auf ominöse Weise ermordet wurden. Rhodan vermutete, dass Cau Thon selbst dahinter steckte.

»Cau Thon agierte bereits in der Milchstraße, als mein verstorbener Rittermeister Arib'Dar vor vielen Jahren eine Mission erledigte. Cau Thon tötete all seine Gefährten und einige Terraner.«

»Wann war das?«, wollte Bully wissen.

»1264 NGZ, Sir«, meldete der Terraner Jonathan Andrews.

Bull stieß ein Pfiff aus.

»Das war das Jahr der Geburt von Cauthon und des Todes seiner Eltern.«

»Ich sehe auch den Zusammenhang, Dicker.«

»Nenn mich nicht Dicker vor fremden Leuten, Alter.«

»Schon gut.«

Gal'Arn räusperte sich.

»Wie dem auch sei. Solange Cau Thon am Werk ist, schwebt die Milchstraße mit all ihren Bewohnern in großer Gefahr.«

Nachdem alle Informationen ausgetauscht waren, konnten die Galaktiker endlich ihrer Erleichterung Ausdruck verleihen, wieder zu Hause zu sein.

Langsam verließ der Pulk von Terranern die Solare Residenz. Perry Rhodan hatte versprochen, sich um sie zu kümmern und ihnen luxuriöse Wohnungen in Atlan Village zur Verfügung zu stellen.

Gucky hatte angeboten, sein zweites Haus an die Scorbits zu vermieten. Es stand schon viele Jahre verlassen herum, und seitdem Icho Tolot mit der SOL unterwegs war, langweilte sich der Ilt, da er außer Bully keine Nachbarn hatte. Die Scorbits nahmen das Angebot dankend an.

»Meine Familie ist sicher in Sorge«, sagte Remus.

»Und meine erst«, erwiderte Uthe.

»Ach«, sagte Gucky. »Dein Brüderchen hat sich prima geschlagen im Kampf gegen die Terroristen der Mordred. Dein zerknirschter Onkel Flak hat sich unter Perry militärisch ganz schön gemausert. Die anderen kenne ich nicht.«

»Es wird viel zu erzählen geben«, sagte Remus freudig.

»Ob mein Vater unsere Wohnung aufgelöst hat?«, fragte sich Uthe.

»Wäre ihm zuzutrauen«, fand Remus.

Uthe verzog das Gesicht und ging ein paar Meter voraus.

Jonathan Andrews folgte Gal'Arn ruhig und unauffällig. Es war für ihn das erste Mal, dass er Perry Rhodan gegenüber stand. Ein Gefühl von Stolz kam in ihm hoch. Der junge Terraner war fest entschlossen, sich weiterhin dem Ritter der Tiefe anzuschließen.

Sein Augenmerk fiel dann auf Jezzica Tazum, die freudig aus dem Ausgang der Solaren Residenz schritt und einem gutaussehenden Wachmann einen Augenzwinkern zuwarf, welches Andrews leicht eifersüchtig machte.

»Leute, macht's gut! Ich freue mich, dass wir es alle geschafft haben, heil wieder hier anzukommen. Jetzt werde ich mich erstmal von den ganzen Strapazen erholen!« Jezzica Tazum seufzte. »Ich freue mich schon auf meinen alten Club, wo so richtig die Post ab geht!«

»Was ist denn in dich gefahren?», rief Jonathan Andrews erschüttert. Dass ihn seine Freundin jetzt so ohne weiteres verlassen wollte, konnte er nicht verstehen. »Ich dachte, wir verbringen noch ein wenig Zeit miteinander, bevor uns unsere Verpflichtungen trennen!«

Jezzica wirkte kurze Zeit etwas bedrückt. Sie ging zu ihrem Freund und umarmte ihn fest. Die Terranerin drückte ihm einen Kuss auf die Wange, dann löste sie die Umarmung.

»Es tut mir leid, Jonathan. Ich kann einfach nicht mehr. Diese ewigen Abenteuer! Jetzt, da es andere Möglichkeiten gibt, kann ich nicht weiter die mutige, verantwortungsvolle Jezzica raushängen lassen, die ihr kennengelernt habt. Ich muss feiern! Ich will leben!«

Mit diesen Worten küsste sie ihn auf den Mund, drehte sich um und lief davon. Andrews sah ihr entgeistert nach. So hatte er sich die Sache ja nicht vorgestellt.

»Nicht jeder ist dazu geboren, Verantwortung zu übernehmen«, wandte Gal'Arn ein, der den traurigen Blick von Andrews registrierte. »Wir sind dazu auserkoren, für Gerechtigkeit und Frieden zu streiten. Jezzica ist keine Kämpferin für die Schwachen. Sie gehört selbst zu ihnen – ohne sie dadurch abzuwerten.«

Andrews nickte traurig. Gal'Arn legte seinen Arm über die Schulter seines zweiten Orbiters und erzählte, dass auch ihnen eine Villa in Atlan Village zur Verfügung gestellt wurde. Jaktar freute sich schon besonderes darauf, denn der Ghannakke wollte endlich einmal ausspannen.

Andrews stöhnte kurz auf und verstand immer noch nicht, wie ihn Jezzica einfach so abfertigen konnte. Hatte sie nichts für ihn empfunden?

Doch in diesem Moment lief eine Gestalt durch sein Blickfeld, die seine Aufmerksamkeit sofort auf sich zog. Es war ein junges Mädchen, ungefähr zwanzig Jahre alt, schätzte das Kennerauge Jonathans. Das entsprach genau den Vorstellungen des jungen Mannes, der am 15. August diesen Jahres einundzwanzig werden würde.

Das Mädchen trug die Kleidung einer Kadettin. Sie schien auf dem Weg zu Rhodans Büro zu sein. Jonathan war hin und weg. Er wandte sich an einen jungen Offizier, der neben der Tür stand, nach ihrem Namen. Marya Jost! Braunes, gelocktes Haar, angenehm gebräunte, samtene Haut, große, rehbraune Augen, voller Mund und neckisches Näschen. Und eine Figur! Vor seinem geistigen Auge ließ er sie nochmal den Gang entlang laufen. 162 Zentimeter groß, Hüfte schwingend, schnell ausgreifende lange Beine und wohlproportionierter Oberkörper. Träumend ging Jonathan davon, mit dem festen Willen, das wunderbare Mädchen bald wiederzusehen.

*

Lachend warf Remus Scorbit den Kopf zurück und klatschte belustigt die Hände zusammen. »Ohne dich beleidigen zu wollen, seit wann schafft es eine Frau, dich derart vollständig in ihren Bann zu ziehen?!«

»Sie ist phantastisch!«

Andrews grinste verträumt vor sich hin. Er hatte gar nicht verstanden, dass sich Scorbit ein wenig über ihn amüsierte.

Seit er vor wenigen Tagen mit Marya Jost zusammengetroffen war, konnte er kaum noch klare Gedanken fassen. Schnell hatte er Jezzicas Abfertigung vergessen und dachte nur noch an sie. Vielleicht auch gerade deshalb, doch das wollte der stolze Terraner sich nicht selbst eingestehen.

Er hatte sie dann in einem Kaffeehaus wiedergetroffen und sie angesprochen. Das war jetzt drei Tage her, und sie schien seine Zuneigung zu erwidern. Jedenfalls trafen sie sich regelmäßig. Heute wollten sich die Scorbits von Yasmin Weydner verabschieden, die wieder zurück nach New Roge, eine Siedlung nahe Terrania City, zu ihren Eltern zurückkehren wollten. Deshalb hatten sie Andrews eingeladen.

Da sie ein gutes Verhältnis hatten, hatte Remus aus ihm die ganze Wahrheit herausgequetscht. Nun freute er sich mit Andrews, obwohl er seiner Freude einen leicht ironischen Touch verlieh.

Ein lautes Poltern ertönte.

Uthe Scorbit sprang ahnungsvoll auf und ging zur Tür. Sie sagte leise »öffnen«. In ihrem Appartement gab es verschiedene Öffnungsmechanismen. Manche Türen glitten automatisch zur Seite, sobald sich jemand näherte, andere wiederum mussten extra aufgefordert werden, wenn es sich beispielsweise um Privaträume handelte.

Die Tür glitt zur Seite und gab den Blick auf Uthes Befürchtung frei. Vor der Tür lag Anica, das Mädchen von Zechon, dem es offensichtlich sehr schwer fiel, mit der terranischen Technik umzugehen geschweige denn sie zu verstehen.

So kam es zeitweise vor, dass sie gegen geschlossene Türen rannte wie gerade eben, oder das Bett hochklappte, wenn sie noch darin lag.

Stöhnend richtete sie sich auf und blickte verwirrt in die Runde, deren Mitglieder nur mit Mühe lautes Lachen unterdrücken konnten.

»Vorerst werden wir wohl keine Abenteuer mehr bestreiten können«, sagte Uthe. »Ich muss mich mehr auf Anica und Jaquine konzentrieren, um ihnen das Einleben in eine Welt voll fremder Technik zu erleichtern.«

»Na gut, Freunde. Ich bleibe bei Gal'Arn und werde Ritter der Tiefe. Die Zeit des verantwortungslosen Lebens ist für mich vorbei. Die Zeit wird kommen, da ich dem Frieden und der Gerechtigkeit dienen kann. Und dann wird Cau Thon für seine Untaten büßen!«

Mit diesem Versprechen verabschiedete sich Andrews von seinen Gefährten, die sich nun in eine Phase der Ruhe und Erholung begaben.

Von Don Philippe Alfonso Jaime Marquês de la Siniestro hörte man unglaubliche Dinge. Die Reichtümer, die er auf dem Asteroiden sichergestellt hatte, gaben ihm die Mittel in die Hand, sich eine neue Existenzgrundlage zu schaffen, ja sogar ohne Sorgen zu leben. Er kaufte sich eine hochmoderne Villa in Spanien und stellte die beiden komischen Vögel Niesewitz und Katschmarek als Diener ein.

In Terrania City erwarb er ein Ferienhaus, das ihm die Verbindung zur terranischen Metropole sicherte. Erstaunlicherweise fand er sich optimal in der für ihn doch absolut neuen Welt zurecht und war sogar in der Lage, Führungsrollen zu übernehmen, was schon die Abenteuer mit den anderen Galaktikern und Gal'Arn gezeigt hatten.

Die Braunhauers kehrten auch in ihr Heim zurück und gingen damit – sehr zur Erleichterung der Scorbits – niemandem mehr auf die Nerven.

Auch Yasmin Weydner verabschiedete sich und brach nach New Roge auf, wo sie die Eltern von Uthe auch herzlich grüßen sollte.

Langsam löste sich die Truppe der TERSAL auf. Ein großes Abenteuer war vorbei. Wieder hatten sie es heil überstanden.

Remus lehnte sich zurück und betrachtete Jaquine, die sich gerade ein paar sehr aufreizende terranische Modestücke gekauft hatte und Anica, die apathisch im Raum herumstand. Er seufzte laut, denn sonderlich glücklich war er nicht darüber, dass seine Frau soviel Herz gezeigt hatte und die beiden aufgenommen hatte.

Besonders in Jaquine sah Uthe eine gute Freundin, und es kam sogar zu Spannungen zwischen ihr und Yasmin Weydner, da diese Jaquine nicht sonderlich mochte.

Remus war dies relativ egal. Er wollte mit seiner Frau alleine sein, doch das konnte er sich erstmal abschminken.

Resignierend griff er nach einer Flasche Vurguzz und beschloss diese erst einmal zu leeren, um sich dann Gedanken über die Zukunft zu machen.

Sie saßen in bequemen Gliedersesseln und entspannten sich bei einem erfrischenden Getränk. In den letzten Tagen hatten sie viele Gespräche geführt und ihre gegenseitige Achtung hatte sich gefestigt.

Perry Rhodan war sicher, in Gal'Arn einen neuen Freund gefunden zu haben, einen weiteren von schon so vielen, die sein langes Leben begleitet hatten.

Gucky gab gerade einen seiner Späße zum Besten, als urplötzlich die schimmernde Gestalt DORGONs erschien, in Begleitung seines terranischen Konzepts Nadine Schneider. Alle Anwesenden sprangen auf. Es war nicht das erste Mal, dass die Entität direkt und ohne Anmeldung die Solare Residenz aufsuchte.

»Ich begrüße den Gesandten Shagors, der als Ritter der Tiefe eine wichtige Rolle in der kosmischen Entwicklung spielt. Gal'Arn, mit dir sind nun alle Wesen versammelt, die die charakterliche Stärke und ethische Einstellung besitzen, ein Projekt von kosmischer Bedeutung einzuleiten und durchzuführen.«

Die Männer setzten sich wieder und unterdrückten ihre Regungen. Jetzt schien das merkwürdige Wesen bereit zu sein, sein Anliegen deutlicher darzustellen, nachdem es lange Zeit mit Andeutungen gehandelt hatte. Die Sicherheit und das Bestehen des Universums hinge von der Ausführung des Projektes ab, waren seine Hauptargumente gewesen.

»500 Millionen Lichtjahre trennen die Lokale Gruppe und die Insel, eine Galaxis, die jedoch ein Hauptbestandteil des Projekts sein wird. Ihr kennt sie unter dem Namen Cartwheel.

Perry Rhodan, du hast viele Völker kennengelernt, viele reife Völker, aber auch viele Völker, deren Verantwortungsbewusstsein nicht dem Leben gilt, sondern der eigenen Macht. Fünfzig dir bekannte Völker werden das Fundament des Projekts bilden. Sie werden gemeinsam die Insel bevölkern, werden gemeinsam eine neue, große Zivilisation gründen.

Ein solcher Versuch wurde noch nie unternommen! Einige der Völker, vielleicht auch nur Einzelwesen, werden nach alter Manier der Egoisten handeln. Es wird Uneinigkeiten zwischen den Völkern geben, denn naturgemäß wird man das eigene Volk gern in der Führungsposition sehen.

Gemeinsam und nach allgemeinem Interesse handeln, das wäre ein revolutionäres Novum in der Geschichte der intelligenten Völker.«

Rhodan nahm die Angelegenheit skeptisch auf, wenn auch mit einer gewissen aufgeregten Unruhe. Mit einem solchen Projekt wäre der utopische Traum vieler Weltverbesserer auf dem Weg zur Realisierung. Doch es blieben noch Fragen offen.

»Welchen Sinn außer dem Idealistischen hätte ein solches Projekt?«, wollte nun Jonathan Andrews wissen.

»Jene fünfzig Völker, die diesen neuen Weg beschreiten, werden die primäre Aufgabe haben, die Insel zu besiedeln und eine starke Armee aufzubauen. Diese Armee, zusammengestellt aus fünfzig verschiedenen Völkern, sozusagen die Vielvölkerarmee, wird im Universum für Schutz vor drohenden Gefahren sorgen. Ihre Aufgabe besteht in der Erhaltung des Friedens im bekannten Universum.«

Perry wurde sichtlich nervös. Wenn eine Superintelligenz – wenn denn DORGON so eine war – ein derartiges Projekt für unumgänglich hielt, mussten unglaubliche Gefahren im Anzug sein.

»Von welchen Gefahren sprichst du? Wenn du sie kennst, musst du uns einweihen, damit wir unsere Vorsorge treffen können!«

»Die einzig erfolgversprechende Vorsorge, die einzig mögliche Vorsorge liegt in diesem Projekt. Sollte es scheitern, sollte keine unüberwindliche Front in der Insel aufgebaut werden, wird das Universum untergehen.

Es liegt an euch, ob sich fünfzig Völker finden werden, die diese Verantwortung zu tragen bereit sind. Denn nur ihr besitzt das kosmische Verständnis, um universal zu denken. Als Ritter der Tiefe ist es eure Pflicht, mit allem Einsatz für dieses Projekt zu kämpfen!«

Perry lachte verbittert auf. In seinem langen Leben hatte es so viele Situationen gegeben, in denen er mit größtem Einsatz für etwas eintreten musste. Doch im Grunde hatte er keine andere Wahl. Er selbst wusste schon jetzt, dass er dieser Aufforderung folgen würde. Nach bestem Wissen und Gewissen. Er blickte in die forschenden Augen seiner Gefährten, von denen manche schon seit Anbeginn seiner Arbeit für die Menschheit und das Universum an seiner Seite gegangen waren. Nun warteten sie auf seine Entscheidung.

Wie schon so oft, obwohl sie wussten, wie er entscheiden würde. Langsam nickte er. Dann erhob er sich energisch und verließ den Raum. Alle wussten, dass er sich entschieden hatte und nun mit bedingungslosem Eifer für die Sache arbeiten würde.

»Auch ich als letzter Ritter der Tiefe aus dem Orden des Jedar Balar sehe die Notwendigkeit eines solchen Projekts. Ich werde meine gesamte Energie in die Aufgabe legen.«

»Dir wird eine wichtige Rolle zukommen. Rhodan hatte Recht. Es wird keine einfache Zeit werden, wenn die Völker um die Vorherrschaft streiten.

Sorge für Frieden und Gerechtigkeit. Bald werden die Völker aufbrechen. Fast alle habe ich schon ausgewählt. Eure erste Aufgabe wird sein, die Völker zu diesem Projekt zu bewegen. Ich weiß, dass ihr dazu in der Lage seid.«

Die Entität legte eine Kunstpause ein.

»Der Grund dieses Projektes ist die Verteidigung vor den Armeen des MODROR. MODROR ist der Meister des Sohnes des Chaos Cau Thon. Seine finsteren Pläne würden das bekannte und euch unbekannte Universum grundlegend verändern. Das Wohl und Wehe aller Intelligenzwesen hängt vom Erfolg dieser Mission ab.

Die Insel Cartwheel soll zu einer Festung gegen die Armeen der Finsternis aufgebaut werden. Dazu benötigt es Vertreter von 50 sich bekannten und schlagkräftigen Völkern...«

DORGON verschwand, genauso unheimlich, wie er gekommen war. Auch sein Konzept verblasste.

 

Appell

Aufforderung an alle Galaktiker!

Seit Jahrtausenden kämpfen wir gemeinsam gegen drohende Gefahren. Oft genug waren wir unterlegen, bis der richtige Augenblick und die richtige Entscheidung unsere Freiheit und den Frieden sicherte oder zurückeroberte. Nun ist es an der Zeit, derartige Gefahren früh zu erkennen und ihnen zu begegnen, ohne sie akut werden zu lassen. Es gilt, universale Gefahren zu bekämpfen, das Universum zu schützen, auch als Akt des Selbstschutzes. Die letzten Gefahren, die aus Dorgon drohten, gaben uns die Erkenntnis, dass überall im Universum kleinere und größere Unruheherde bestehen, aus denen existenzielle Bedrohungen entstehen können, nicht zuletzt durch Manipulationen mächtiger Wesen.

Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass es eines großartigen Projekts bedarf, um in Zukunft erfolgreich agieren zu können. Eine gewaltige Armee, bestehend aus fünfzig ausgewählten Völkern, soll fortan den Schutz eines bestimmten Sektors übernehmen. Verwegene, abenteuerlustige Menschen die an einem kosmischen Projekt teilhaben möchten, die etwas bewegen wollen. Wesen von fünfzig Völkern werden aufbrechen und eine neue Zivilisation gründen, deren Ziel die Erhaltung des Friedens und der Freiheit ist. Gemeinsam und mit uneingeschränktem Einsatz wird dieses Ziel erreicht werden, jedes Volk trägt an der Verantwortung.

500 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt liegt die Galaxie Cartwheel. Dorthin soll die Reise über das Sternenportal am Rande der Lokalen Gruppe gehen.

Galaktiker, das kosmische Projekt Die Insel verlangt nach verantwortungsbewussten, aktiven und intelligenten Mitstreitern, die dieses Projekt als Chance ansehen, einen großen Schritt in Richtung Frieden und Freiheit zu gehen, das Universum zu schützen und zu unterstützen!

Denn wir haben einen neuen Feind! Er heißt MODROR und ist Herr und Meister über die diabolischen Wesen Cau Thon und Rodrom!

Perry Rhodan im Juni 1294 NGZ

 

De la Siniestro

Die Eingangshalle des SIG-Towers glich einer Stadt. Der Marques de la Siniestro fühlte sich verloren. Hatte man ganz Madrid in einen einzigen, gigantischen Wolkenkratzer gepresst? Terrania war so gewaltig und dieser Komplex demonstrierte das besonders. Es gab wohl viele solcher gigantischer Häuser. Doch waren das noch Häuser? Selbst der Begriff Burgen und Schlösser wurde dem nicht gerecht.

Überall Menschen und galaktische Wesen, Roboter trippelten und schwirrten durch die Gegend. Die Lobby war rund. Gläserne Fahrstühle führten in die Luft zu anderen Etagen. Manche schwebten auch scheinbar schwerelos in einem grünen Strahl nach oben. Der Marques de la Siniestro wusste, dass man dies Antigravs nannte.

»Hallo?«, hörte er ein zaghaftes Rufen.

Er blickte in die Richtung. Durch die hektischen Massen an Leibern quetschte sich eine zierliche, blonde Frau mit hochgesteckten Haaren und einer Designerbrille. Sie winkte.

Der Marques nahm Haltung an und stützte sich elegant mit seinem Stöckchen ab.

»Hallo, Sind Sie Don Philippe?«

Der Spanier räusperte sich.

»Ich bin Marques Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro. Mit wem habe ich das Vergnügen, Senora?«

»Oh, Entschuldigen, Herr Marques! Ich bin Myrielle Gatto, Sekretärin… Assistentin, nein eher Sekretärin … oder Empfangsdame … nun ja, ich soll Sie zu Mister Zchmitt führen.«

»Und wer ist dieser Edelmann? Mein Begehr war es, mit dem erlauchten Senor Shorne zu parlieren.«

»Wie?«

»Ich habe ein Termin mit dem Geschäftsführer.«

»Oh… ja, klar. Aber Zchmitt empfängt Sie und bringt Sie dann zu Shorne.«

»Wohl an, dann geleiten Sie mich zu ihm.«

Myrielle Gatto lächelte und ging voran. Der Marques kam nicht umhin ihre wundervollen Rundungen an ihrem Gesäß zu bewundern. Sie verstand es jedoch, sich beim Antigrav keine Blöße zu geben. Für den Marques war diese Art der Fortbewegung jedoch weiterhin eine große Anstrengung. Er war froh, als sie endlich festen Boden erreichten.

An einem breiten Korridor wurden sie von einem wohl geschminkten Mann empfangen.

Der Marques nahm die Hand von Myrielle Gatto und küsste sie zum Abschied. Dann übernahm Zchmitt die Kommunikation und Führung zu Michael Shorne.

*

Der alte Mann in dem seltsamen Aufzug, der ihn an einen Freihändler erinnern ließ, wurde von Thomas Zchmitt, der rechten Hand Michael Shornes, begleitet. Zchmitt schloss die große Tür per Befehl an die Syntronik.

»Michael, darf ich dir den Marquês von Siniestro vorstellen?«, begann Zchmitt freundlich. Wie immer war er in einem teuren Maßanzug gekleidet, sein Gesicht geschminkt, um perfekt zu wirken.

Shorne begrüßte den alten Spanier aus dem 18. Jahrhundert und bot ihm einen Platz an.

»Ich habe bereits viel über Sie gehört, Don Philippe. Sie haben ja bereits wahre Wundertaten vollbracht.«

Der Marquês grinste und entblößte seine vergilbten Zähne. Lachfalten bildeten sich um die Augen und auf dem ganzen Gesicht. In diesem Moment wirkte der älteste Mensch der Welt wie ein Zombie auf Shorne, der angewidert auf den Boden blickte und mit seinem Knetball spielte.

»Danke für das Lob, Señor Shorne. Ich habe getan, was ich als verantwortungsvoller Spanier und Terraner tun musste.«

»Und was wünschen Sie von mir?« kam der terranische Geschäftsmann schnell auf den Punkt.

»Nun, ich fühle mich noch zu jung, um in ein Altenheim zu gehen. Ich habe einen Reichtum von 100 Millionen Galax während meiner Abenteuer anhäufen können, die mir laut Perry Rhodan auch zustehen«, erklärte der Marquês.

Er spielte damit auf den Schatz an, der an Bord des Casaroraumschiffes gefunden worden war, wo auch der Marquês in einem Stasisfeld gefangen gehalten wurde.

Die Erlebnisse des Don waren in der Tat beispiellos. Geboren im Jahre 1740 alter Zeitrechnung war er im Alter von 80 Jahren von den Casaro entführt worden und zu Forschungszwecken am Leben erhalten worden. Shorne erinnerte sich noch gut an die Schlangenwesen, die maßgeblich an der Zerstörung seiner LONDON II vor vier Jahren beteiligt gewesen waren. Ein Jahr später war ein Transporter namens THEBEN auf ein herrenloses Casaroraumschiff gestoßen. Dort hatten Remus Scorbit und Jonathan Andrews den alten Spanier und drei Deutsche aus dem 20. Jahrhundert alter Zeitrechnung befreit. Doch auch ein Zweitkonditionierter war zum Leben erweckt worden und hatte die halbe Besatzung getötet. Die drei Deutschen und de la Siniestro hatten die auf dem Raumschiff angehäuften Schätze – welche für die Casaro wohl nur wissenschaftlichen Wert hatten – mitgenommen und waren der THEBEN durch ein Sternenportal gefolgt, wo sie später auf diesen Gal'Arn getroffen waren. Den Erzählungen nach hatte der alte Spanier einige Male die sogenannten Helden gerettet. Nun war er ein Unikum. Medien interessierten sich für den ältesten Mensch der Erde. Ebenso erstaunlich war es, wie leicht sich der Marquês in die neue Zeit eingelebt hatte. Allerdings wäre ihm der angehäufte Schatz beinahe zum Verhängnis geworden, da er ihn versteckt hatte.

Letztendlich war es aber herausgekommen, doch Perry Rhodan gestattete dem Marquês, für seine Leistungen das Geld zu behalten. Natürlich hatte es der alte Spanier abermals gut verstanden, Rhodan zu überzeugen.

»Nun möchte ich jedoch dieses Vermögen sinnvoll nutzen. Ich habe mir ein Domizil im alten Siniestro und eine Villa in Atlan Village eingerichtet. Außerdem steht mir ein Appartement in der Solaren Residenz zur Verfügung.

Das reicht mir jedoch nicht. Verstehen Sie, ich möchte Macht ausüben und wie einst ein einflussreicher Mann sein.«

Shorne verstand sehr gut. Er würde genauso handeln. Es überraschte den Leiter der Shorne Industry Gesellschaft, wie sehr sich der alte Spanier an die neue Welt gewöhnt hatte. Das zeugte von hoher Intelligenz und Weltoffenheit. Diese Eigenschaften machten den Marquês jedoch auch in gewisser Weise gefährlich. Es wäre besser, ihn zum Freund zu haben, als umgekehrt, dachte sich Shorne.

»Ich verstehe sehr gut, edler Marquês. Bedauerlicherweise habe ich im Moment kein Projekt, an dem Sie sich beteiligen könnten. Ich kann jedoch einen Rat geben: Warten Sie auf den richtigen Moment, auf eine Chance, die sich Ihnen alleine bietet und ergreifen Sie diese! Dann wäre ich stolz, mit Ihnen Geschäfte machen zu dürfen.«

Der Marquês von Siniestro zeigte sich zufrieden.

»Eine weise Entscheidung, Señor Shorne. Wir werden uns bald wiedersehen, sobald ich meine Chance ergriffen habe«, meinte er in einem seltsamen Ton und verabschiedete sich von dem Multimilliardär.

Thomas Zchmitt begleitete den Spanier heraus, während Shorne, wieder mit seinem Ball aus Knetmasse beschäftigt, noch eine Weile über den Marquês grübelte.

 

Ein neues Leben

Uthe Scorbit stand gerade in der Küche und bereitete Gemüse vor. Die junge Terranerin trug ihr Haar offen, hatte ein T-Shirt und eine schwarze Jeanshose an.

Plötzlich gab es ein seltsames Geräusch hinter ihrem Rücken, das sie sofort hochschrecken ließ. Überrascht drehte sie sich um und erblickte ein bepelztes Wesen von einer relativ stattlichen Größe von etwa einem Meter.

Das Wesen, eine Mischung aus einer Maus und einem Biber, grinste mit seinem Nagezahn über beide Wangen die Terranerin an, die in einer gespielt wütenden Geste die Arme in Hüften stemmte und böse den kleinen Ilt anschaute.

»Du hättest mich beinahe zu Tode erschreckt«, ermahnte Uthe den Mausbiber und fuchtelte mit dem Messer vor dessen Nase.

Gucky hopste ein paar Zentimeter zurück, um nicht aus Versehen getroffen zu werden. Er machte eine entschuldigende Geste und sagte: »Sorry, das nächste Mal sage ich vorher Bescheid.«

»Das erfordert ja auch das gute Benehmen!«

»Was ist denn das?«

Uthe verdrehte die Augen und wollte die Mohrrübe weiter zerkleinern, da bewegten sich die Möhren wie von Geisterhand in Richtung des Mausbibers.

»Hier müssen Mutanten am Werk sein«, meinte er und grinste.

»Ja, und diese Mutanten kommen gleich in den Kochtopf. Vorher werden sie aber noch gehäutet. Das Fell könnte man vielleicht noch als Bettvorleger benutzen...«

Wie durch ein Wunder, machte das Geschwader an Mohrrüben in der Mitte der Küche halt, wendete und landete fein säuberlich auf dem Brett, wo dem sie gestartet waren.

Nun grinste Uthe triumphierend, während Gucky den Beleidigten spielte. Nachdem die junge Scorbit ihn jedoch zum Essen einlud, erhellte sich auch die Miene des Mausbibers, der anschließend zum Kühlschrank ging, um eine Flasche Apfelsaft herauszuholen.

»Fühle dich wie zu hause«, meinte Uthe resignierend.

»Danke, mach' ich schon. Ich lege mich jetzt in den Liegestuhl im Garten. Kraulst du meinen Bauch?«

»Geht leider nicht, wer soll denn dann das Essen machen? Etwa du?«

Gucky verschränkte die Arme vor dem Bauch.

»Ich bin ein sehr guter Koch!«

»Ach ja?«, fragte Uthe provozierend, jedoch mit einem Lächeln auf den Lippen.

»Ja! Ich kann zum Beispiel eine Fertigpizza in den Ofen schieben und Chappi in die Futterdose von Tiffs Hund packen«, zählte der Ilt stolz auf.

Uthe musste herzlich lachen.

»Du bist ein wahrer Meisterkoch«, meinte sie ironisch und kraulte ihn hinter dem Ohr.

Sofort begann Gucky leise zu schnurren, was nicht nur bei Katzen, sondern auch bei Ilts ein Zeichen des Wohlgefallens war. Vielleicht hatte Gucky sich das auch im Laufe der Jahrhunderte von den Katzen abgeschaut.

Mit der Flasche Apfelsaft in der Hand watschelte Gucky zum Garten und legte sich auf den Liegestuhl.

»Wo ist Remus?«, wollte er wissen.

Der Ilt hatte die beiden Scorbits schnell ins Herz geschlossen. Sie hatten viel durchgemacht und heldenhafte Taten vollbracht.

Als Anerkennung schenkte ihnen Perry Rhodan eine Villa in Atlan Village, die in der Nähe von Guckys Zweitwohnung lag. Sie waren nun quasi Nachbarn und für den Mausbiber eine willkommene Abwechslung.

»In der Solaren Residenz. Er will mit Joak Cascal über seine Zukunft sprechen. Joak meinte, dass er Verwendung für Remus hätte«, rief Uthe aus der Küche.

»Aha! Das bedeutet, ihr habt jetzt das Blut des Abenteuers geleckt?« fragte Gucky und schlürfte genüsslich den Apfelsaft aus, der jedoch, wie er fand, etwas seltsam schmeckte.

»Naja, wir haben wohl keine andere Wahl. Falls es einen Gott gibt, wird er sich schon etwas dabei gedacht haben, uns ständig in Abenteuer schlittern zu lassen...«

Die Scorbit wirkte bedrückt.

»Ich hoffe nur nicht, dass er Onkel Henry in die Flotte folgt. Oder wie Jan ominösen Geheimaufträgen nachgeht…«

Mit diesen Worten ging Uthe zurück in die Küche, während Gucky die Sonne genoss. Er dachte an Jan Scorbit, der sich seit der Auflösung Camelots sehr rar gemacht hatte. Jeder wusste eigentlich, dass Jan mit Mike Rhodan, Homer G. Adams und Monkey zusammen arbeitete, doch Perry und die anderen ignorierten diese Tatsache großzügig. Wozu auch Sorgen machen? Auch wenn Adams und Monkey unglücklich über die Auflösung Camelots waren, so standen sie trotz des Streits auf derselben Seite. Irgendwann würde man ihnen schon das Geheimprojekt präsentieren.

Uthe kam mit einem Gemüseeintopf, sehr zu Guckys Freude, in den Garten und gab dem Ilt einen großen Teller.

»Cool!«, schmatzte er nur und schob sich hastig den Eintopf in den Mund.

»Wir überlegen, ob wir uns nicht für die Insel melden. Sie bräuchten noch Freiwillige dort«, erzählte Uthe weiter und blickte den Ilt ungläubig an, der laut schmatzend den ersten Teller leergegessen hatte und sich bereits eine neue Portion auftat.

»Naja, DORGON spricht von einem wichtigen Projekt. Wir sollen dort eine Festung gegen MODRORs Armeen errichten. Wer immer auch MODROR ist. Perry glaubt, dass dieser Rodrom 1285 NGZ während der Abenteuer mit der LONDON, MODROR als seinen Meister erwähnt hatte.

Es wäre sehr selbstlos, wenn ihr euch melden würdet. Aber auch gefährlich. Dessen müsst ihr euch bewusst sein. Das Leben als Abenteurer und das Leben an der Seite der Unsterblichen ist immer mit Risiken verbunden.«

In Guckys Worten lag viel Wahrheit. So lustig und kasperhaft der Ilt auch immer auftrat, so war er kein Narr. Er war hochintelligent und besaß einen goldrichtigen Charakter. Gucky hatte eine sehr große Erfahrung von fast 3.000 Jahren, und in dieser Zeit hatte er viel über Verantwortung gegenüber anderen Wesen gelernt.

Uthe nickte schwach. Vor den Gefahren hatte sie auch Angst. Ihre Furcht vor Cau Thon saß ihr immer noch in den Knochen. Sie konnte niemals seine Worte vergessen, die er einst zu ihr gesagt hatte.

Ich spüre deine Angst. Angst ist mein Gefährte, mein Verbündeter. Zusammen sind wir stark. Jeder hat Angst, die Helden, die Starken, die Schwachen, die Unschuldigen und auch du. Ja, ich spüre, dass du dich fürchtest...!

Damit hatte er sehr recht gehabt. Es kam Uthe vor, als hätte sie dem Teufel höchstpersönlich ins Auge geblickt. Die Gefahr, die von Cau Thon ausging, konnte sie deutlich spüren. Deutlicher als alle anderen, obwohl die Tatsachen auch für sich sprachen.

Die junge Terranerin wollte niemals wieder Cau Thon begegnen, doch wenn sie zur Insel zogen, dann würde es vielleicht unvermeidlich werden. Denn letztendlich sollte die Insel eine Bastion gegen Cau Thons Armeen darstellen.

»Ihr werdet euch schon richtig entscheiden. Außerdem werde ich ja auch noch in der Nähe sein, um auf euch aufzupassen«, sagte Gucky beruhigend.

Er hatte Uthes Gedanken gelesen und so von ihrer großen Angst vor Cau Thon erfahren. Er konnte es ihr nicht verdenken. Noch vor ein paar Jahren hatte sie ein normales Leben geführt. Dann hatte sich alles schlagartig geändert. Zuerst das Abenteuer auf der LONDON II, dann die Odyssee mit Gal'Arn nach Dorgon.

Wieder nahm er einen Schluck von dem Apfelsaft, der seltsam bitter schmeckte. Gucky verzog die Mundwinkel, was auch Uthe nicht verborgen blieb.

»Alles klar?«

»Jo... Der Apfelsaft schmeckt etwas komisch«, meinte der Ilt leicht benommen.

Uthe sah ihn ungläubig an und probierte einen Schluck von dem Fruchtsaft. Mehr war auch in der Flasche nicht mehr drin. Gucky hatte fast alles davon ausgetrunken. Auch Uthe verzog das Gesicht.

»Das Zeug schmeckt nach Alkohol«, stellte sie erstaunt fest.

»Hehe«, machte Gucky nur und rutschte etwas von der Liege herunter.

In dem Moment kam Anica. Die junge Zechonin schleppte ein paar Taschen in die Wohnung. Uthe fragte sie, warum sie die Arbeit nicht von einem Servoroboter machen ließ, doch Anica war dieser Begriff fremd.

»Wo ist Jaquine?«, erkundigte sich die Scorbit.

»Sie ist noch bei einem Jungen. Sie hatte ihn bei dem Händler getroffen, aber sie meinte, dass sie bald wiederkommt. Du sollst dir keine Sorgen machen«, erzählte Anica und lächelte.

Sie lächelte eigentlich fast immer. Manchmal ging Uthe diese permanente Freundlichkeit schon auf den Geist, denn es kam ihr so unwirklich vor.

Auf der anderen Seite hatte sie die beiden Zechoninnen ins Herz geschlossen. Ihr ganzes Volk wurde von dem Roten Tod ausgerottet. Sie hatten niemanden mehr. Deshalb sah es Uthe als ihre Pflicht an, sich um die beiden zu kümmern.

Außerdem begeisterte sie Jaquines lockere Art und die beiden wurden schnell gute Freundinnen. Auch wenn das Yasmin Weydner wohl nicht passte, denn sie hatte Uthe, kurz bevor sie die Erde erreichten, mittgeteilt, dass sie die Zechonin nicht sonderlich leiden kann aufgrund ihrer seltsamen Art.

Uthe hatte das damals nicht verstanden und es führte zu einem kleinen Knick in ihrer Freundschaft zu Yasmin, die in ihren Augen vielleicht nur eifersüchtig und pikiert darüber war, dass Uthe und Jaquine gute Freunde wurden.

»Das kugelförmige Gerät, das durch die Luft schwebt, ist ein Servo. Der trägt alle Taschen und du musst dich nicht übernehmen«, versuchte Uthe Anica denn Sinn eines Haushaltsroboters zu erklären.

Das erwies sich als ein sehr schwieriges Unterfangen, denn das technische Verständnis der Zechoninnen tendierte gegen null. Besonders Anica tat sich sehr schwer, sich in der neuen und wesentlich moderneren Welt zurechtzufinden.

»Oh, da ist ja die kleine süße Ratte!«, meinte die dunkelhaarige Zechonin freundlich und ging auf Gucky zu.

»Hey, wer ist denn deine Zwillingsschwester?«, fragte der Ilt.

Anica lachte nur und gab Gucky die Hand. Sie verstand nicht so ganz, was er meinte, aber das machte ihr nichts aus.

Sie verstand selten, was andere Wesen von ihr wollten. Dann fiel ihr Blick auf die leere Flasche.

»Oh, ihr habt den Apfelwein ausgetrunken?«

»Apfelwein?«, riefen Gucky und Uthe gleichzeitig.

»Ja. Ich habe den Apfelsaft selbst gemacht«, erklärte sie. »Danach habe ich ihn lange in der Sonne gären lassen, damit Wein entsteht. So haben wir das auf Zechon immer gemacht.«

Uthe musste lachen. Gucky war in der Tat von gegorenem Apfelsaft betrunken geworden. Wunderlich, dass der Zellaktivator die Wirkung des Alkohols nicht kompensierte. Aber da Gucky in der kurzen Zeit eine ganze Flasche ausgetrunken hatte, würde die Wirkung wahrscheinlich noch etwas anhalten. Doch er würde am nächsten Tag keine Kopfschmerzen oder Übelkeit verspüren. Das Gift würde schadlos neutralisiert werden. Dafür trug der Zellaktivator Sorge.

»Hat euch der Saft zumindest geschmeckt?«

»Jo! War echt lecker. Haste noch mehr davon?«

»Gucky, jetzt ist genug. Du solltest dich besser ausnüchtern!«, sprach Uthe in einem mahnenden Tonfall.

In dem Moment kam auch Remus Scorbit. Er begrüßte seine Frau mit einem liebevollen Kuss und gab Anica die Hand. Gucky streckte Remus zwei Finger entgegen, welches als Peace oder Victory-Zeichen in der terranischen Geschichte bekannt war.

Remus grinste den kleinen Ilt an und erwiderte die Geste.

»Na, Kumpel, wie geht's?«

»Super! Hab' gerade eine Flasche gegorenen Appelsaft geschlürft...«

»Oh!«, machte Scorbit nur.

Gucky rülpste herzhaft.

Uthe unterbrach diese geistreiche Konversation und wollte wissen, was Joak Cascal gesagt hatte. Remus erklärte, dass er ein Angebot sowohl von Cascal als auch von Gal'Arn bekommen habe. Entweder sollte er auf der IVANHOE oder in Joak Cascals Stab Dienst tun oder das vierte Besatzungsmitglied der TERSAL werden. Außerdem schlug Onkel Henry ihm eine Ausbildung in der Raumflottenakademie vor.

Eine Entscheidung hatte Remus Scorbit jedoch noch nicht getroffen.

»Darüber sollten wir erst einmal ein paar Tage nachdenken«, schlug Uthe vor. Remus hatte nichts dagegen, betonte jedoch, dass Onkel Henry und Cascal bald eine Entscheidung wollten.

Auch Jaquine traf nun ein und erzählte von ihrer Verabredung. Sie würde heute Abend mit ihrem neuen Bekannten ins Kino gehen.

»Kann ich auch mit?« wollte Anica wissen.

Jaquine verzog das Gesicht.

»Nein, das ist nur eine Verabredung zu zweit, wenn du verstehst«, antwortete Jaquine abfällig.

Anica verstand natürlich nicht so recht, doch sie spürte, dass sie im Kino nicht willkommen wäre. Uthe hatte jedoch eine andere Idee. Sie schlug vor, dass Jaquine ruhig mit ihrem Freund ins Kino gehen sollte. Das hinderte aber Anica nicht daran, auch mit Uthe in dieselbe Vorstellung zu gehen. So hatte jeder seine Begleitung.

Nachdem alle einverstanden waren, brachen die drei Frauen auf und verabschiedeten sich von Remus und Gucky.

Als alle mit dem Gleiter aufgebrochen waren, holte Remus sich ein Bier aus der Garage, wo ein ganzer Kasten von dem blonden Getränk stand.

Gucky starrte gierig auf die Flasche und schleckte die Zunge, als er Remus genüssliches Nippen an dem Flaschenhals sah.

Gucky räusperte sich laut.

»Sag mal, hättest du etwas dagegen, wenn wir den ganzen Kasten hierherstellen?«, fragte der Ilt in schwerem Tonfall. Er war zweifelsohne Alkohol nicht sonderlich gewöhnt.

»Nein, aber dazu müsste ich das Ding ja herschleppen. Das ist mir zu anstrengend«, meinte Remus mit einem Grinsen. Er wusste genau, was jetzt kam.

Sein neuer Nachbar zog nämlich den Kasten telekinetisch zu den beiden hin und öffnete eine Flasche oder versuchte es zumindest. Es war kein Flaschenöffner vorhanden. Remus bot ihm ein Feuerzeug an, doch der Mausbiber stellte sich mehr als ungeschickt bei dem Versuch an, den Kronkorken mit Hilfe dieses Werkzeuges zu öffnen.

Remus erbarmte sich des Ilts und half ihm dabei.

»Wozu hat ein weiser Mensch den Flaschenöffner erfunden?«, meckerte Gucky.

»Damit Flaschen mit solchen Kronkorkenverschlüssen produziert werden können«, antwortete Remus Scorbit und hatte bereits sein erstes Bier leer. Prompt öffnete er ein Zweites.

»Richtig... häh? Ne! Moment mal. Also, die Korken müssen doch zuerst dagewesen sein, denn wenn es solche Verschlüsse nicht gab, wozu erfindet man dann so ein Ding, um sie zu öffnen?«

Gucky war sichtlich verwirrt.

»Das liegt doch auf der Hand. Die hatten den Flaschenöffner, aber konnten nichts damit anfangen. Deshalb haben sie die Kronkorkenverschlüsse erfunden«, erklärte Remus, als ob das selbstverständlich wäre und öffnete sein drittes Bier.

Gucky nippte an der Flasche und dachte eine Weile nach. Dann fing er laut an zu kichern.

»Du hast recht! Bestechende Logik!«

Gucky nahm seine Bierflasche und prostete mit Remus. Danach hob der Mausbiber einige Gartenstühle telekinetisch hoch und jonglierte damit in der Luft. Remus blickte misstrauisch nach oben und hoffte, der Ilt war nicht schon zu betrunken.

Doch geschickt stellte Gucky die Stühle im Swimmingpool ab.

»Hups«, kommentierte er die misslungene Aktion.

»Wenn man zu alt ist für solche Sachen, sollte man es lassen«, meinte Scorbit neckisch und grinste den Ilt breit an.

»Wer... wer ist hier zu alt? Für mein Alter bin ich noch ganz schön auf Zack. Sieh' dich mal an! Du bist 2900 Jahre jünger als ich und hast auch schon ein Bäuchlein«, konterte der Retter des Universums und wirbelte dabei mit den Armen durch die Luft. Dabei verlor er beinahe den Halt, konnte sich aber telekinetisch abstützen.

Remus lachte. »Das war auch ein hartes Training.« Dabei hob er die Bierflasche stolz hoch und nahm anschließend einen großen Zug.

»Hm«, machte Gucky und fasste sich ans Kinn. »Ich finde, wir müssen noch mehr trainieren, was meinst du?«

Remus öffnete zwei weitere Flaschen und zeigte damit sein Einverständnis. Die Nacht für die beiden ungleichen Freunde würde noch lang werden. Damit sie allerdings »erträglicher« wurde, gab Gucky einige von seinen berühmten Gedichten zum Besten.

»Hier ist eine Maus – dort ein Biber. Zusammen wär's mir lieber: Nämlich ein Mausbiber!«

Am nächsten Morgen fanden die zwei sich in Decken eingekuschelt auf der Veranda wieder. Beiden brummte der Schädel und Gucky fragte sich, ob sein ZA nicht in Ordnung sei, aber vielleicht hatte er wirklich zu viel über den Durst getrunken.

Der Ilt war Alkohol nicht sonderlich gewohnt und er schämte sich etwas für seinen Ausrutscher.

Gucky drehte sich zur Seite, wo er einen übelriechenden See seiner Innereien vorfand. Geschwind sprang er auf und hüpfte auf einen der Stühle, die nicht im Swimmingpool schwammen.

Auch Remus schien es nicht viel besser zu gehen. Er brummte etwas, was Gucky nicht genau verstand und schlurfte ins Haus hinein.

Schnell kam er jedoch wieder heraus, da Uthe, mit einem Wischmopp und einem Eimer voll Wasser bewaffnet, ihn herausschickte.

Sie warf einen strengen Blick auf den Mausbiber, der verstohlen grinste und dann seinen treuen Hundeblick aufsetzte, was allerdings nicht viel nutzte.

»Ich erspare mir meinen Kommentar. Ihr habt bis zum Mittagessen Zeit, diese Schweinerei wieder ungeschehen zu machen. Also los, meine Herren!«

Den beiden blieb nichts anderes übrig, als das Chaos wieder aufzuräumen.

 

Der Anfang des Insel Projekts – August 1294 NGZ

Die Reise eines Linguiden

Mein Name ist Jaaron Jargon. Ich stamme von der bescheidenen aber anmutenden Welt Lingora, der Hauptwelt meines Volkes der Linguiden. Man kann mich als Galaktiker durch und durch bezeichnen, denn ich bin terranisch-arkonidisch-linguidischer Abstammung.

Doch meine eigentliche Geburtsstätte war eine andere. Gezeugt wurde ich auf Lingora, aber das Licht der Welt erblickte ich auf einem unbekannten Planeten, den meine Eltern Objursha nannten. Das Wort Objursha bedeutete in der Sprache meines Volkes »Schöne Erde«! Objursha befand sich nicht in der Milchstraße. Eigentlich wusste niemand, wo sich diese Welt befand.

Mein Vater und meine Mutter gehörten vor etwa 109 Jahren einer Forschungseinheit an, die nach unbekanten Kulturen außerhalb der Milchstraße suchen sollte. Mit dem Liga Freien Terraner Explorerraumschiff BAWIS suchten sie die gesamte Lokale Gruppe nach Hinweisen vergangener und neuer Kulturen ab.

Dabei stießen sie nach achtmonatiger Forschung 5,6 Millionen Lichtjahre nördlich von der Milchstraße auf eine Art gewaltigen Transmitter, der an das Sonnensechseck aus den Zeiten der Meister der Insel erinnerte. Als die BAWIS dieses Phänomen untersuchen wollte, gerieten sie in den Wirkungsbereich dieses Objektes und wurden transmittiert.

Sie strandeten in einer ihnen unbekannten Galaxis. Die BAWIS flog 487 Lichtjahre, ehe sie einen Planeten fanden, auf dem Leben angezeigt wurde.

Sie beschlossen ihn anzufliegen, doch die Triebwerke versagten, je näher sie dem Planeten kamen. So kehrte die Besatzung der BAWIS um und landete auf einem Planeten unweit eines grünen Nebels.

Sie tauften ihn Objursha. Dort kam ich zur Welt und verbrachte die ersten Wochen meines Lebens. Nach einigen Wochen erschien meinen Eltern ein geistiges Wesen voller Güte und Friedfertigkeit. Er sprach davon, dass sie durch das Portal zurückkehren und niemanden von diesem Vorfall berichten sollten. Eines Tages würden wir verstehen, warum wir nichts sagen sollten. Dieses Wesen betonte, dass eines Tages diese Galaxis zum Wohl der Freiheit und des Friedens von Wesen aus unserer Galaxis besiedelt werden sollte.

Meine Eltern und die Besatzungsmitglieder der BAWIS folgten der Aufforderung der Entität und kehrten durch das Portal zurück.

Niemand sagte etwas den zuständigen Behörden und sie nahmen das Geheimnis mit in ihr Grab. Da die meisten Besatzungsmitglieder der BAWIS-Linguiden waren, lag die Lebenserwartung nicht hoch. Die normale Lebenserwartung der Linguiden lag zwischenzeitlich bei 70 Jahren.

So lebte keiner von den vor 109 Jahren gestarteten Forschern mehr. Auch meine Eltern hatten inzwischen das Zeitliche gesegnet.

Ich kannte das Geheimnis, doch ich schrieb bisher niemals darüber. Beinahe hatte ich es schon vergessen, als mich im Jahre 1285 NGZ die Abenteuer der LONDON überraschten. Damals war das Sternenportal entdeckt worden. Doch ich schwieg weiterhin.

In diesen Sommertagen im Jahre 1294 Neuer Galaktischer Zeitrechnung verweilte ich in meiner Villa in Siena, Italien. Siena war ein romantischer, nostalgischer Ort, der zum Teil so aussah, als hätte er die letzten 3.000 Jahre in einem Stasisfeld verbracht. Doch gerade deshalb fühlte ich mich hier wohl zwischen Natur und alter Baukunst.

Hier konnte man alle Gedanken um die Krise durch das Kristallimperium oder die drohenden Gefahren dieses Cau Thons vergessen.

In diesen Tagen saß ich an meinem Buch über die vierzehn linguidischen Zellaktivatorträger uns stand kurz vor der Vollendung meines Werkes.

Zu dieser Zeit ahnte ich noch nicht, was auf mich und auf die Galaxis zukommen würde...

Aus den Chroniken Cartwheels

 

Nataly

Nataly Jargon war eine ausgesprochen hübsche und attraktive Frau. Sie wirkte auf den ersten Blick wie eine wohlerzogene Dame ohne irgendwie übertrieben vornehm oder gar eingebildet zu wirken. Sie war eine natürlich Schönheit mit einem bezaubernden Lächeln. Das fand der Obstverkäufer auf dem Piazza del Campo auf alle Fälle.

Er war stets guter Laune, wenn die junge Jargon – die Nichte des bekannten linguidischen Schriftstellers Jaaron Jargon – einkaufen kam. Er wusste schon, was sie wollte. Das lag daran, dass ihr Onkel stets auf dieselbe Kost bedacht war. Jaaron Jargon aß stets vier Bananen und zwei Äpfel im Laufe des Tages.

Auch an diesem Tage natürlich. Der Verkäufer begrüßte Nataly freundlich und gab ihr die bereits fertig eingepackten Früchte. Die Frau, die mehr terranische als linguidische Gene in sich trug zeigte keine äußerlichen Merkmale der beharrten Linguiden. Sie hatte langes, glattes, blondes Haar und tiefe blaue Augen.

Ihre Haare wehten im Wind und ließen das Herz des Verkäufers höherschlagen. Doch er wusste, dass er an so eine Frau niemals herankommen würde.

Verträumt und verliebt blickte er ihr hinterher.

»Naja, wenigstens sehe ich sie jeden Tag«, murmelte der Terraner und schloss damit wieder gedanklich mit Nataly Jargon ab.

Nataly fuhr mit dem Gleiter zurück zur Villa auf der Anhöhe. Sie sah ihren Onkel auf der Terrasse sitzen und an seinem neuen Werk schreiben.

Er hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Biographie über die vierzehn Zellaktivatorträger von Lingora zu schreiben. Er wollte den anderen Galaktikern ihre Beweggründe und auch ihr Leben nach der Abgabe der Unsterblichkeitsspender nahebringen.

Ihr Onkel war ein sehr angesehener und beliebter Schriftsteller, der nichts mehr als die Ruhe liebte.

Nataly wurde 1270 NGZ als Tochter von Jaarons Bruder Borrom Jargon und der Terranerin Anne-Lee Nastov in England geboren.

Sie besuchte vornehme Privatschulen und genoss eine gute Ausbildung. Jedoch war all das der Abenteurerin zu langweilig und mit 18 war sie von zu Hause ausgerissen.

Ein Jahr später musste sie allerdings aus finanziellen Nöten zurückkehren. Nutzte jedoch die Chance und zog mit ihm zusammen, um ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen. Nataly war nur selten auf der Hauptwelt der Linguiden gewesen und war mehr eine Terranerin, dennoch fühlte sie sich ihrem Volk verbunden.

Seit rund fünf Jahren arbeitete sie nun mit ihrem Onkel zusammen. Das war bereits die zweite Zusammenarbeit, denn die erste hatte nach einem halben Jahr ihr Ende gefunden. Nataly wollte durch die Welt reisen um etwas zu erleben. Sie war einigen Männern begegnet und hatte versucht, eine neue Existenz aufzubauen. Am ehesten hätte es mit dem terranischen Botschafter Lester Slote etwas werden können, doch er war Nataly zu langweilig und viel zu sehr mit der Politik beschäftigt – auch wenn er ein guter und fürsorglicher Mensch war.

Dann hatte sich Nataly wieder ihrem Onkel angeschlossen. Seitdem versucht sie sich als Reporterin und Managerin ihres Onkels.

Nataly stieg aus dem Gleiter aus und wurde von der Haushälterin Arebi begrüßt. Die schwergewichtige Epsalerin nahm die Einkaufstaschen mit einem Antigrav auf und trug sie in die Küche, um sich gleich ans Mittagessen zumachen.

Nataly lief die Treppen hoch, um ihren Onkel zu begrüßen. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ließ sich in den Sonnenstuhl fallen.

»Wie weit bist du mit der Arbeit, Onkel Jargon?«

»Nun, mein Kind. Ich bin fast fertig«, erklärte der alte Linguide. Ich denke, dem Leser wird dieses Buch sehr gefallen, und hoffe, damit auch die Jugend der Milchstraße anzusprechen. Etwas mehr Bildung könnte ihnen gut tun...«

Nataly lächelte. »Dass du immer die Welt verbessern willst!«

»Jeder muss seinen Beitrag zum Erhalt unserer moralischen und kulturellen Werte tun!« gab Jargon leicht pikiert von sich. »Denkst du, ich schreibe die Bücher des Geldes oder des Ansehens wegen?«

Nataly stand auf und streichelte das graue Haar ihres Onkels. »Aber nein, Onkel. Das weiß ich doch«, entgegnete sie mit einem gütigen Lächeln. »Ich wünschte, es gäbe mehr solche guten und aufrichtigen Menschen wie dich.«

»Wahr gesprochen, Nataly Jargon«, hörte sie eine fremde Stimme. Erschreckt stand sie auf und blickte eine schemenhafte Gestalt an. Sie war männlich und von einer leuchtenden Aura umgeben. Das Gesicht wirkte weise.

»Wer... wer sind Sie?«, wollte sie wissen.

Auch Jargon war überrascht. Er stand auf und ging etwas näher zu dem fremden Wesen heran, welches auf eine seltsame Weise vertraut auf ihn wirkte. Dennoch sagte er:

»Das ist Privatbesitz, mein Herr. Ich bitte Sie, unverzüglich meine Terrasse zu verlassen.«

Der Fremde lächelte. »So lasse mich erst einmal mein Anliegen vortragen.«

»Warum sollte ich das?«

»Weil ich weiß, dass du auf Objursha geboren wurdest, und weil ich das Geheimnis deiner Eltern kenne, die ihr Wort gehalten und niemals von dem Portal berichtet haben.«

Jargon zuckte zusammen. Nataly sah ihn fragend an. Nicht einmal ihr hatte er das Geheimnis verraten.

»Ich sehe, dir ist der Name Objursha bekannt«, sprach die Entität. »Es ist deine Geburtswelt. Die Welt in jener fernen Galaxie, die eines Tages von Wesen aus der Milchstraße besiedelt werden wird. Nun ist diese Zeit gekommen, mein Freund.«

»Wer sind Sie? Wovon sprecht ihr beide, Onkel Jaaron?«, wollte Nataly wissen. Ihr sagte das alles wenig.

»Mein Name ist DORGON. Ihr habt sicher bereits von mir gehört...«

Nataly und Jaaron nickten stumm. Natürlich war ihnen der Name dieser Entität ein Begriff. DORGON war der Schutzpatron der gleichnamigen Galaxie, die die terranische Bezeichnung M 100 hatte. Dort lebte das Volk der Dorgonen.

Inzwischen waren sie Verbündete der Galaktiker und DORGON war auf der Erde erschienen und hatte von dem »Insel-Projekt« gesprochen. Auch Perry Rhodan hatte dazu bereits eine Erklärung abgegeben.

Doch was wollte DORGON nun hier? Kaum hatte Nataly diese Frage zu Ende gedacht, hatte sie ihr Onkel auch bereits ausgesprochen.

DORGON lächelte gütig. »Ich benötige deine Hilfe, Jaaron Jargon. Ich bitte dich an dem Projekt teilzunehmen. Brich auf in die Galaxie Cartwheel, die wir als Insel bezeichnen. Seien Sie ein Teil des Kosmischen Projektes.«

Jaaron wusste nicht, was er sagen sollte. Erschöpft setzte er sich wieder auf seinen Stuhl und atmete schwer. Sicher, er war mehr als geschmeichelt über das Angebot einer Superintelligenz oder was immer DORGON war, doch er wollte Siena nicht verlassen. Hier war seine Heimat und hier fühlte er sich wohl. An diesem Ort konnte er ruhig an seinen Büchern arbeiten.

Nataly hingegen war von dem Angebot angetan. Das schien das Abenteuer zu sein, auf das sie ihr ganzes junges Leben gewartet hatte.

»Nun?« sprach DORGON, ohne jedoch ungeduldig zu wirken.

Jaaron stand wieder auf und wirkte sichtlich angegriffen.

»Das hier ist meine Heimat. Ich danke für Ihr großzügiges und vertrauensvolles Angebot, doch ich muss ablehnen.«

Nataly starrte ihn entsetzt an.

»Aber Onkel. Das kannst du doch nicht machen!«

»Mein Kind, halte dich bitte heraus«, sagte Jargon zu seiner Nichte. Dann wandte er sich wieder der Entität zu. »Bitte verstehen Sie meine Entscheidung.«

DORGON schien nicht sonderlich überrascht zu sein. Er trat auf Jaaron Jargon zu und streckte ihm die Hand entgegen.

»Linguide, es ist dein Schicksal. Du bist in der Galaxis Cartwheel geboren worden. Der Planet, den ihr Objursha nennt, liegt in Cartwheel. Es war kein Zufall, sondern Bestimmung.

Du, Jaaron Jargon, sollst die Geschichte dieser Galaxis von nun an dokumentieren. Du sollst der Nachwelt die Geschichten der heldenhaften Wesen verewigen, die aufgebrochen waren, um gegen die Armeen des Chaos zu kämpfen. Du sollst der Chronist Cartwheels werden!«

Diese Worte waren wie ein Schock für den alten Linguiden. Es war sein Schicksal? War es alles ein Plan DORGONs gewesen? Ähnlich wie die vierzehn Friedensstifter war auch er ein Auserwählter einer Entität!

Fragend blickte er Nataly an, in deren Gesicht ebenfalls nur Ratlosigkeit stand. Beide blickten sie zu DORGON, der immer noch seine Hand Jaaron entgegen hielt. Zögerlich nahm der alte Arkonide die Hand des Wesens. Damit zeigte er sein Einverständnis. DORGON lächelte.

»Bereite dich geistig auf deine Aufgabe vor, mein Freund. In Kürze wirst du mehr erfahren. Die Reise eines Linguiden hat begonnen«, erklärte DORGON und verschwand.

Jaaron und Nataly Jargon blickten noch eine Weile auf die Stelle, wo DORGON gestanden hatte. Sie wussten, dass ihr Leben jetzt eine neue Bedeutung hatte.

*

So geschah es, dass die Reise eines Linguiden einen Anfang nahm. Natalay – so stur und abenteuerlustig wie sie war – beschloss, mich zu begleiten.

Mein Aufbruch war auch gleichzeitig der Anfang der Chroniken der Insel. DORGON hatte seinen Aufruf an die Galaxis begonnen und suchte heldenhafte Männer und Frauen für die Besiedelung der Galaxis Cartwheel.

Um diese Wesen davon zu überzeugen, bedurfte es jedoch der Hilfe von einer Symbolfigur der Galaktiker. Er brauche die Hilfe von Perry Rhodan, denn auf sein Wort hörten viele.

Aus den Chroniken Cartwheels

 

Terrania

So setzest du der ewig regen, Der heilsam schaffenden Gewalt Die kalte Teufelsfaust entgegen, Die sich vergebens tückisch ballt! Was anders suche zu beginnen, Des Chaos wunderlicher Sohn!

Goethes Faust

 

»Und daher übergebe ich nun stolz das neue Museum für terranische Geschichte der Öffentlichkeit! Wissen um die Vergangenheit schärft das Bewusstsein in der Gegenwart, und ich denke, es wurde hier ein exzellentes Forum geschaffen, um allen – besonders der Jugend – das Gewesene zu präsentieren.«

Begleitet vom Beifall der Zuschauer trat Perry Rhodan lächelnd vom Rednerpodest.

Strahlend hielt ihm ein etwas korpulenter, äußerst behaarter Mann seine Pranke entgegen, und der Unsterbliche fühlte seine Hand ergriffen und geschüttelt.

Sidi Karim Viudes, seines Zeichens designierter Direktor der soeben eingeweihten Bildungsstätte, schien ganz begeistert. Der indisch stämmige Terraner leitete den Terranischen Residenten dann an den vielen hundert Journalisten vorbei in einen der kleineren Ausstellungsräume, der, wie Rhodan bemerkte, an diesem Tag offenbar als Konferenzzimmer verwendet wurde. Ein länglicher Glastisch, von etwa einem Dutzend Ledersesseln umgeben, war speziell für die an diesem Tag anberaumte Besprechung hereingeschafft worden. Eigentlich waren dies die Räumlichkeiten, die dem Themenbereich »Antike Mystik« zugeordnet worden waren – und das würden sie in ein paar Stunden auch wieder sein.

Perry Rhodan befand sich alleine in dem Raum, seine Gesprächspartner waren entweder noch nicht eingetroffen oder noch im Vorraum einen Begrüßungssekt oder – abhängig von den jeweiligen Vorlieben – einen Begrüßungsvurguzz entgegennahmen.

Viudes hatte sich mittlerweile auch wieder entfernt, um die anderen Konferenzteilnehmer einzusammeln. Das gab Rhodan die Gelegenheit, sich die Vitrinen, Schautafeln und sonstigen Ausstellungsgegenstände etwas näher anzusehen. Eine Schautafel mit der Aufschrift »Prä-Astronautik« schien ihm einen Blick wert. Mit einem Stirnrunzeln überflog er die darauf vorhandenen Informationen.

»Waren die Götter Astronauten? Die Vorstellung, dass in den Tiefen des Alls weitere bewohnte Welten existierten, war schon faszinierend genug, so dass sich im zweiten Jahrtausend alter Zeitrechnung – und auch schon früher – viele Menschen überlegten, ob die antiken Götter – ihr Vorhandensein vorausgesetzt – Astronauten gewesen sein könnten.

Der Gedanke, dass von dort intelligente Wesen in grauer Vorzeit die Erde besuchten und die kulturelle oder gar die biologische Entwicklung der Menschheit beeinflussten, war für diese Menschen noch weit faszinierender. Wie wir wissen, waren derartige Besuche – in welcher Form auch immer – keine Seltenheit. Sprechen nicht Mythen von Göttern, die in goldenen Barken oder Eiern vom Himmel herab auf die Erde kamen? Wirken nicht manche Darstellungen auf Steinfriesen wie Abbilder von heutigen Raumfahrern? Konnten unsere Vorfahren ohne fremde technische Hilfe so gewaltige Steinbauten, wie etwa die Pyramide von Gizeh, überhaupt errichten?«

Verwirrt wandte sich Rhodan ab. Möglicherweise mussten viele der hier ausgestellten Informationen schon bald wieder aktualisiert werden, insbesondere aufgrund der Parallelen zwischen dem dorgonischen Götterkult und den pharaonischen Göttern aus dem alten Ägypten. Die ambitionierte Archäologin Denise Joorn suchte seither nach weiteren Hinweisen. Als man auf der Welt Seshur und auf Mashratan Artefakte gefunden hatte, welche eindeutig altägyptischen Relikte ähnelten, war ihre Forschungsdrang endgültig erwacht. Doch seitdem war sie erfolglos geblieben. Vielleicht würde ihr dennoch irgendwann der Durchbruch mit einer atemberaubenden Entdeckung gelingen.

Das sollte aber im Moment nicht seine Sorge sein.

Er grinste innerlich, als er sich vorstellte, wie sich die zuständigen Leute die Haare raufen würden, sollte er sie explizit darauf hinweisen. In seiner Eigenschaft als Terranischer Resident würde er natürlich einen gewissen Druck auf diese Personen ausüben, aber das war nicht seine Art.

Seine Miene verfinsterte sich, als er eine andere an die Wand projizierte Auskunft bemerkte.

Das Chaos...

Mit versteinertem Gesichtsausdruck begann er zu lesen.

»Chaos – ein Begriff, mit dem wir einen chaotischen, unordentlichen und völlig katastrophalen Zustand definieren. Chaos – die uranfängliche Leere, die existierte, bevor es jegliche Ordnung im Universum gab und von dem aus alle Dinge und Kreaturen abgingen, inklusive der Götter. Chaos, so die griechische Sage, gebar einige Kinder in sich selbst wie zum Beispiel Erebus, Nyx, Eros und Gaia.«

Die Söhne des Chaos...

Rhodan fühlte sich etwas unbehaglich, aber er schüttelte den Gedanken ab.

Rhodan wandte sich um und ließ sich in einen der Sessel fallen. Das Kolloquium würde unsagbar langweilig werden, das war ihm klar. Im Wesentlichen sollte darin über die Öffentlichkeitsarbeit des Museums gesprochen werden; staubtrockene Materie, zumal Rhodan der Sinn danach gegenwärtig überhaupt nicht stand. Ihm war allerdings von verschiedener Seite erklärt worden, dass eine Teilnahme an dem Meeting unumgänglich sei. Er selbst war nicht dieser Ansicht.

»Völlig richtig, Rhodan. Es gibt weitaus wichtigere Dinge zu tun.«

Überrascht blickte Rhodan auf und blickte in das Gesicht eines mittelgroßen Mannes. Der Mann hatte lange, graue Haare und einen Vollbart. Außerdem war er in ein für terranische Verhältnisse etwas seltsam Anmutendes weißes Gewand gekleidet. Auch einem uneingeweihten Beobachter wäre allerdings aufgefallen, dass dies kein gewöhnlicher Terraner war, denn er war von einer hellen Aura umgeben.

DORGON!

Rhodan schluckte kurz, akzeptierte die Situation jedoch relativ rasch. Er ersparte sich verständlicherweise Fragen wie »Wie sind Sie hier hereingekommen?« oder ähnliches.

Stattdessen schwieg er und wartete darauf, dass die Entität den Anfang machte.

»Über die Geschichte können Sie sich später noch unterhalten«, meinte DORGON lächelnd. »Nun ist es aber erst einmal nötig, diese Geschichte zu schreiben.«

Rhodan atmete tief ein.

»Was wollen Sie diesmal?«

Das Wesen näherte sich dem Unsterblichen bedächtig.

»Es ist an der Zeit, verstärkt offiziell für das Projekt zu werben. Ich möchte Sie bitten, das zu tun. Darüber hinaus werden wir Raumschiffe benötigen...«

Rhodan schüttelte energisch den Kopf.

»Ich will dieses Projekt, soweit ich das kann, unterstützen. Aber ich kann hier keine Raumschiffe entbehren, nicht einmal ein einziges. Die Gefahr durch das arkonidische Kristallimperium wird immer größer, und ich brauche alle verfügbaren Einheiten für einen eventuellen Angriff.«

DORGON lächelte mild und setzte sich in einen der Ledersessel; nicht, dass die Entität das nötig gehabt hätte, es war eher eine Art psychologische Maßnahme, um Rhodan ein Gefühl des Vertrauens zu geben.

»Ich habe dafür volles Verständnis. Ich werde selbst Schiffe bringen...«

*

»Verdammt nochmal, Perry...«

Julian Tifflor hieb mit der Faust auf den Schreibtisch, hinter dem Perry Rhodan saß. Sein Gesicht war leicht rötlich angelaufen, ein Anzeichen seiner offensichtlichen Verärgerung. Mit zitternden Lippen und durchdringendem Blick starrte er Rhodan an.

»Merkst du denn nicht, dass du dabei bist, einen Fehler zum zweiten Mal zu machen?«

»Ich bin gerne bereit, mir deine Ausführungen anzuhören«, entgegnete Rhodan ruhig. Ihm war keinerlei Erregung anzumerken.

»Perry, wir haben diese Diskussion so ähnlich schon einmal geführt, und das weißt du auch.«

Rhodan nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah aus dem Panoramafenster der Solaren Residenz. »Tiff... wir haben im Verlauf der Jahrtausende so viele Diskussionen geführt, dass ich mich nicht mehr an jede einzelne erinnern kann.«

Er räusperte sich.

»Dann werde ich deinem Gedächtnis mal etwas auf die Sprünge helfen«, entgegnete der Residenz-Minister für Äußeres scharf. »Es war vor einigen Jahren, als die Mordred in der Milchstraße wütete. Diese Geheimorganisation – oder sollte ich besser sagen, terroristische Vereinigung – griff damals verschiedene Camelotbüros an und verübte fürchterliche Verbrechen. Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass du Sverigor schon vergessen hast?«

Die Souveränität fiel mit einem Mal von Rhodan ab und er zuckte heftig zusammen.

»Ich habe nicht vergessen, was mit Sverigor passiert ist. Worauf willst du hinaus, Julian?«, fragte Rhodan gereizt.

Tifflor fühlte, dass er seinen Freund in die Enge gedrängt hatte und war für einen kleinen Augenblick sogar stolz, dass er Perry etwas von seiner schier endlosen Ruhe genommen hatte.

»Schon damals bist du lieber für irgendwelche Entitäten durch das Universum gekreuzt, anstelle vor deinem eigenen Hof zu kehren!«

Die Worte Tifflors waren hart. Doch Tifflor wusste genau, dass er mit Rhodan so reden konnte, ja Rhodan bat sogar stets um den ehrlichen Dialog unter seinen Freunden. Sie kannten sich schon viel zu lange, um eingeschnappt zu reagieren oder die Freundschaft ernsthaft durch solche Streitgespräche zu gefährden.

»Das mag sein. Ich beabsichtige auch nicht, DORGONS Ruf zu folgen. Das werden andere tun«, erklärte Rhodan.

»Aber...«

»Nichts aber, Julian! Dieser Cau Thon scheint schon seit Jahrzehnten in der Milchstraße zu agieren. Es würde mich nicht wundern, wenn er hinter der Mordred steckte. Hieß es nicht in den Aufzeichnungen von Kaiser Thesasian, dass ihn ein Mann in einer Kutte, mit einem Mal von drei Sechsen aufgesucht hatte, um ihn zur Invasion in die Milchstraße zu bewegen. Darauf passt die Beschreibung von Cau Thon. Hatte Rodrom nicht damals von MODROR gesprochen, als er in Saggittor für Unruhe sorgte und die LONDON versenkte. Wir schweben bereits in Gefahr.«

Julian wusste, dass Perry Rhodan im Grunde genommen Recht hatte. Doch er wünschte sich mehr Verantwortungsbewusstsein für die inneren Angelegenheiten. Perry Rhodan konnte nicht immer den Retter in der Not spielen.

Doch wenn nicht er, wer dann?

Tifflor biss sich auf die Lippen.

»Also gut. Dann übernehme ich den Job in Cartwheel!«

Rhodan glaubte, sich verhört zu haben. Er blickte Tifflor verwundert an und rang nach Worten.

»Nun guck nicht so! Gib mir Cascal, Gucky, die Leute von der IVANHOE und paar fähige und vertrauenswürdige Politiker mit, dann regele ich das schon. Jedoch kann ich nicht ständig da sein. Das weißt du!«

Perry nickte stumm.

»Ich werde also als Residenz-Minister das Projekt Cartwheel auf Seiten der Terraner überwachen«, meinte der Unsterbliche. »Allerdings brauche ich einen Stellvertreter, wenn ich in der Milchstraße bin.«

Rhodan überlegte kurz. Er blickte in seinen Kaffee und forschte nach einem loyalen Stellvertreter. Alle anderen Zellaktivatorträger brauchte er hier. Gucky war zu albern, Cascal zu militaristisch. Es benötigte jemanden mit Reife, Weisheit, Erfahrung und dem nötigen Charisma, um vom Volk unterstützt zu werden.

*

Es waren einige Wochen verstrichen. Perry Rhodan saß in seinem großen Büro und jonglierte mit Zahlen und Personen umher, die er für das Insel-Projekt abgeben würde. Die Resonanz war nach dem geistigen Aufruf DORGONs und der Werbekampagne innerhalb der LFT durch die Regierung immens!

Über drei Millionen Terraner, Oxtorner, Plophoser, Olymper, Ertruser und Epsaler mit Pioniergeist hatten sich bereits gemeldet.

Viele schienen das Projekt zu begrüßen oder waren bereits von DORGON kontaktiert worden. Die Zahlen stiegen im Minutentakt.

Perry war gespannt, wie das Kristallimperium, die Blues, Akonen und anderen Völker der Milchstraße reagieren würden.

Bis dato kam sehr wenig Resonanz. Perry Rhodan hoffte, dass es nicht nur ein Projekt der Terraner werden würde, aber DORGON hatte seine Andeutungen gemacht, dass viele Völker ihre Abgesandten nach Cartwheel entsenden würden. Über 50 Völker!

Doch er fragte sich, wie DORGON Imperator Bostich überzeugen wollte. Dieser Mann handelte nicht aus edlen Motiven. Der Zellaktivatorträger glaubte nicht, dass Bostich die Gefahr durch MODROR erkennen würde.

Rhodan erkannte mehr und mehr die drohende Gefahr. Er ermahnte sich, sich wieder auf die Daten zu konzentrieren.

Julian Tifflor sollte der Repräsentant für alle Terra-Völker werden. Ihm zur Seite stand Joak Cascal als Militärberater. Gucky sollte zusammen mit Will Dean für die Sicherheit sorgen. Dean sollte den TLD leiten.

Das waren allerdings viel zu wenige! Das Aufsummen seiner Anlage riss Rhodan aus seinen Gedanken. Seine Sekretärin versuchte ihn zu erreichen.

»Was gibt es?«

»Perry, ein Don Philippe Jaime de la Siniestro wünscht ›eine Audienz‹«, hörte er die Stimme der terranischen Vorzimmerdame.

Rhodan dachte kurz nach, was der alte Spanier hier wollte. Dann akzeptierte er das Gesuch und bat seine Sekretärin, den Marquês von Siniestro in sein Büro zu geleiten.

Der älteste Mensch der Welt war in eine Kombination gekleidet, die zweifellos an die Mode seiner Zeit angelehnt war.

Er setzte ein Grinsen auf und entblößte dabei seine gelben Zähne, die schon ähnlich angegriffen wie seine faltige Haut wirkten.

Das interessierte Perry Rhodan jedoch wenig. Dem Marquês war die Rettung von Gal'Arn und den jungen Galaktikern zu verdanken. Ohne seinen heldenhaften Einsatz auf Prosperohs Welt wären sie wahrscheinlich verloren gewesen.

Rhodan stand auf und reichte dem Spanier zur Begrüßung die Hand.

»Bitte setzen Sie sich doch.«

Der Marquês nahm das Angebot an und setzte sich auf eine gemütliche Couch, die sich seinem Gewicht, seiner Größe und Sitzlage anpasste. Rhodan ließ sich in einen Sessel gegenüber sinken.

»Wie geht es Ihnen? Ich habe schon viele Berichte über Sie gelesen, Marquês. Die Presse behandelt Sie wie einen Helden«, begann Rhodan.

Der Marquês wirkte geschmeichelt, sagte aber: »Oh, ich bitte Sie, Señor! Das war doch selbstverständlich. Schon damals habe ich alles dafür getan, damit es den Menschen gut geht.«

Rhodan lächelte. Der Mann war ihm sympathisch. Er bewunderte ihn sogar heimlich. Welcher Mensch aus dem 18. Jahrhundert hätte diesen Evolutionssprung unbeschadet überstanden? Diesem Mann gebührte viel Respekt. Er musste unglaublich intelligent und weltoffen sein.

»Was führt Sie zu mir, Marquês?«, fragte Rhodan neugierig.

»Nun, es geht um das Insel-Projekt«, fing der Spanier an zu erzählen. »Ich habe großes Interesse, Ihnen zu helfen. Was soll ich hier alleine? Ich habe keinen Menschen, keine Aufgabe. Deshalb biete ich Ihnen meine Mithilfe an!«

Perry Rhodan war überrascht. Dieser Mann schaffte es wirklich, noch mehr Respekt abzuverlangen.

Perry spielte mit einem altmodischen Flaschenöffner und grübelte, wie er den Marquês einsetzen könnte.

»Ich will mich keineswegs in den Vordergrund drängen, doch war ich einst Beherrscher von einem großen Teil Spaniens. Ich verstehe etwas von Menschenführung und vor allem habe ich das nötige Verantwortungsbewusstsein gegenüber meinen Schäfchen«, erklärte er und schlug sich damit selbst für eine Führungsrolle vor.

Perry nickte stumm.

»Also gut, ich werde Sie an die Seite von Julian Tifflor stellen. Wir werden sehen, was er mit Ihnen anfangen kann. Vielleicht ist ein Administratorposten für Sie drin.«

Der Marquês verneigte sich ergeben, hatte aber noch etwas zu sagen.

»Der ehrenwerte Julian Tifflor kommt mit? Welche Aufgabe wird ihm zuteil?«

»Er soll die Abgesandten der Terrawelten anführen«, meinte Rhodan knapp und legte den Flaschenöffner wieder hin.

»Aber hat er denn keine Verpflichtungen in der Milchstraße?«, fragte der Marquês verwundert.

»Doch, deshalb wird er einen Stellvertreter auf der Insel bekommen, der die meiste Arbeit leisten wird, aber Tifflor und natürlich dem Volk Rechenschaft ablegen muss.«

Der Marquês grinste wieder. Rhodan fand dieses Lächeln sonderbar, doch es lag wohl an der seltsamen Erscheinung des Marquês. Der Mann hätte, ohne ihm nahetreten zu wollen, eine Hauptrolle in einem Gruselfilm bekommen können.

»Haben Sie diesen Stellvertreter schon benannt?«

»Nein!«

»Ach? Dürfte ich mich dann anbieten?«

Wieder war Perry Rhodan über diesen Mann verblüfft. Wer würde so fordernd bei dem Terranischen Residenten ankommen? Doch auf der anderen Seite gehörte viel Courage dazu. Außerdem schien der Marquês sein Anliegen sehr ernst zu nehmen. Perry glaubte – ja, er war davon überzeugt – dass der Marquês alles menschenmögliche tun würde, um die Aufgabe korrekt und gewissenhaft zu erfüllen.

Es war eine intuitive Entscheidung, ihm den Posten als Stellvertreter Tifflors zu geben, doch er vertraute dem ältesten Menschen der Welt. Natürlich konnte der Marquês nicht schalten und walten, wie er wollte. Tifflor würde genau auf ihn aufpassen. Später sollte er von den Bürgern der Insel gewählt werden.

Doch Perry Rhodan wusste noch nicht einmal, was die Wesen auf der Insel erwarten würde. Das sagte er dem Marquês ehrlich. Es konnte auch gut sein, dass keine Politiker, sondern nur Militärs gebraucht wurden, da DORGON von einer Festung sprach.

Niemand wusste das! Bis jetzt hatten sich aber auch viele Freiwillige aus der Wirtschaft gemeldet. Sie wurden von DORGON kontaktiert. Es schien so, als würde auch eine funktionierende Infrastruktur und nicht nur Kasernen gebraucht werden.

Perry Rhodan informierte Julian Tifflor über seine Absicht, den Marquês von Siniestro mit dieser Bürde zu beauftragen.

Der Residenz-Minister hatte keine Einwände. Er begrüßte die Entscheidung, da er genauso von diesem alten Spanier beeindruckt war wie Rhodan selbst.

Perry Rhodan berief noch an diesem Abend eine Konferenz ein, die über die weiteren Schritte der Besiedelung der Insel Klarheit verschaffen sollte.

*

Der September neigte sich dem Ende zu und niemand wusste, was der Oktober bringen würde.

Die Solare Residenz schwebte majestätisch über der Hauptstadt Terrania City. Es war nicht nur ein gigantischer Anblick, sondern gab die Solare Residenz den Bewohnern Terranias ein Gefühl der Sicherheit. Wie ein schützender Wächter lag die Residenz über Terrania.

Perry Rhodan stand in einem der Räume und ließ den Blick über seine Stadt schweifen. Jahrtausende war es her, als er hier zusammen mit Reginald Bull und vielen schon längst gestorbenen Gefährten den Grundstein für diese Stadt legte.

Langsam fanden sich die ersten zur Besprechung ein. Bully und Gucky betraten den Raum. Der Mausbiber knabberte an einer Mohrrübe und schlürfte ein Glas Orangensaft.

»Hey, was gibt es?«, fragte er mit seiner piepsenden Stimme.

»Alles zu seiner Zeit«, antwortete Perry knapp.

Gucky schwieg und teleportierte stattdessen auf einen Sessel aus Formenergie. Bully schüttelte den Kopf. Es war ein Anzeichen, dass er sich mal wieder über Gucky aufregte. Doch sie kamen nicht zum Streiten, denn Julian Tifflor, Joak Cascal und ein hochgewachsener Mann im mittleren Alter erreichten den Raum.

Der Terraner trug eine hochdekorierte Ausgehuniform, wirkte adrett und sehr diszipliniert. Er verbeugte sich vor den Anwesenden.

Rhodan kannte und schätzte Henry »Flak« Portland sehr. Der nüchterne Offizier hatte sich während der Tolkander-Krise und gegen die Mordred mehrmals ausgezeichnet. Er gehörte auch zu den Veteranen der M100-Expedition.

»Ich werde Portland zu meinem Militärattaché auf Cartwheel ernennen«, erklärte Joak Cascal.

Die Anwesenden begrüßten Portland.

Kurz danach betraten der Marquês von Siniestro, Jonathan Andrews und der Ritter der Tiefe Gal'Arn den Raum.

»Gal'Arn, Marquês! Ich bin erfreut, dass Sie meine Einladung angenommen haben«, begrüßte sie Perry Rhodan.

Auch Jonathan Andrews übersah er nicht.

»Sie gehören zu den Helden von Zerachon, Andrews. Solche tapferen und intelligenten Männer braucht die Galaxis«, lobte ihn Rhodan, während sie sich die Hände schüttelten.

»Danke, Sir«, brachte der sonst so redegewandte Andrews verlegen heraus und wechselte einen Blickkontakt mit Gal'Arn, der ihm zufrieden zunickte.

Mit dem Erscheinen von Xavier Jeamour und Timo Zoltan war die Versammlung komplett. Rhodan begann ohne Umschweife mit dem Thema: »Wir sind heute hier, um zu besprechen, welche Streitkräfte und Zivilisten wir zur Insel entsenden.«

Er machte eine Kunstpause und blickte jedem der Anwesenden in die Augen und interpretierte aus ihren Blicken, dass sie die Lage richtig einschätzten.

»Julian Tifflor wird die Terravölker lenken. Der Marquês de la Siniestro, von dem ich viel halte, wird als Administrator und Stellvertreter Tifflors agieren, bis Wahlen stattfinden. Ich nehme an, dass auch eine Infrastruktur und eine Wirtschaftsstruktur benötigt wird und nicht nur eine Militärbasis.«

Cascal und Henry Portland sahen sich etwas enttäuscht an. Sie dachten wohl beide, dass Zivilisten dort wenig zu suchen hätten.

Perry Rhodan fuhr fort: »Dennoch wird die Insel wohl eine Festung darstellen. Dafür benötigen wir Militär. Joak Cascal wird das Oberkommando über die Streitkräfte bekommen. Wen er in seinen Stab ernennt, überlasse ich ihm.«

Cascal nickte zufrieden. Henry Portland wusste, dass Cascal viel von ihm hielt und ihn als Militäradjutanten ernennen würde. Lieber wäre es dem raubeinigen Terraner allerdings gewesen, wenn er ein Kommando über ein Raumschiff bekommen hätte.

Perry Rhodan ging um den runden Tisch und sah kurz aus dem Fenster. Zwei Space-Jets kreuzten seinen Blickwinkel. Dann wandte er sich wieder den anderen zu.

»Die IVANHOE unter Xavier Jeamour wird mit zur Insel fliegen. Das schlagkräftige Team unter Jeamour, damit meine ich besonders Wallace, Dove und Lorif, sollten sehr hilfreich sein. Die IVANHOE wird das Flaggschiff der Terra-Abgesandten sein.«

Niemand sagte etwas. Alle hörten gespannt auf die Anweisungen Perry Rhodans. Nur Gucky musste wieder einen Scherz unter die Personen bringen. Er spielte den Schlafenden und schnarchte laut, bis er von Perry ermahnt wurde, sich zu benehmen.

Dann sagte der Terranische Resident: »Die Terra Kolonien werden von einem autarken Administrator regiert. Wir halten es hier genauso wie bei der LFT. Letztendlich stehen allerdings alle Tifflor Rede und Antwort.

Gal'Arn wird als Berater mitfliegen. DORGON hatte bereits betont, dass er eine Schlüsselfigur ist.«

Der Ritter der Tiefe musterte Perry Rhodan. Beide Ritter respektierten sich und hatten große Achtung voreinander. Obgleich Gal'Arn praktisch kein  »echter« Ritter der Tiefe war, denn sein Orden war von einem abtrünnigen Ritter gegründet worden. Im Grunde genommen verband sie das umso mehr, denn auch Rhodan und Atlan hatten ihren Ritterstatus und ihre Dienste bei den Kosmotarchen quittiert.

»Timo Zoltan wird Wissenschaftsberater von Tifflor«, erläuterte Rhodan. »Jetzt ist die Frage, wie viel Streitkräfte wir schicken.«

In dem Moment erschien aus dem Nichts DORGON. Plötzlich stand er im Raum und ging auf die Anwesenden zu. Portland sprang auf, doch Cascal beruhigte den Soldaten wieder. Langsam musste man sich an die Auftritte der Entität gewöhnen.

»Diese Frage will ich beantworten«, begann DORGON.

Perry sah ihn misstrauisch an.

»Zehn Milliarden Wesen terranischen Ursprungs sollen zur Insel aufbrechen. Die Arkoniden werden die gleiche Anzahl schicken, ebenfalls wie die Blues. Die restlichen Völker werden die Wesen entsenden, die sie entbehren können.«

»Zehn Milliarden?«, brüllte Bully aufgeregt herum. »Das schaffen wir nie. Woher sollen wir die Raumschiffe für diese Massen besorgen?«

DORGON wirkte gelassen.

»Ich werde die Raumschiffe zur Verfügung stellen. Sorgt für die Menschen, den Rest werde ich übernehmen. Wartet auf meine weiteren Anweisungen oder Bitten.«

Mit diesen Worten verschwand DORGON wieder. Perry Rhodan und Gal'Arn blickten sich an.

»DORGON wird seine Gründe haben. Ich habe Cau Thons und Goshkans Brutalität miterlebt. Wir sollten tun, was er sagt«, riet der Ritter aus Shagor.

*

Der Mai begann mit schweren Entscheidungen für die Wesen der Milchstraße. Milliarden von Ihnen sollten aufbrechen, um eine fremde Galaxis zu bevölkern. Sie sollten eine Festung gegen die Armeen MODRORs errichten und einer neuen Heimat Leben einhauchen. Die Meldungen an Freiwilligen war sehr niedrig im Vergleich zur Bevölkerungsdichte der Milchstraße.

Verlangte DORGON unmögliches von den Völkern?

Es schien so, doch ausgerechnet die Arkoniden brachten den Stein ins Rollen. DORGON hatte Imperator Bostich kontaktiert und ihn – genauso wie er es mit Perry Rhodan getan hatte – gebeten, zehn Milliarden Vertreter Arkons und seiner Kolonien nach Cartwheel zu schicken. Imperator Bostich dachte viele Tage darüber nach. Ihm war die Gefahr durch MODROR gleichgültig. Er sah nur in Perry Rhodan eine Gefahr und strebte die Regentschaft über die gesamte Milchstraße an.

Und gerade dieser Machthunger brachte den alten Arkoniden auf eine in seinen Augen grandiose Idee.

Warum erweiterte er nicht seinen Machtbereich? Die Arkoniden sollten langsam aber unaufhaltsam auch diese Galaxis Cartwheel besetzen.

Die Arkoniden konnten ohne Probleme 10 Milliarden Vertreter aus ihren Reihen und direkten Kolonien wie Zalit abstellen. Hinzu kamen Völker wie Topsider, Antis, Aras und Springer, die ebenfalls Untergebene Arkons waren.

Arkon würde den mächtigsten Block in der neuen Galaxis darstellen und konnte Cartwheel zu einer Militärbasis ausbauen von der er auch die Milchstraße angreifen konnte.

Er rief seine Militärs und Politiker zu sich. Die Entscheidung, wer die Arkoniden in Cartwheel führen sollte, fiel auf den Aristokraten und Beherrscher mehrerer Kolonien Uwahn Jenmuhs.

Jenmuhs war nicht nur ein überzeugter Nationalist und arischer Arkonide, sondern in ihm brannte auch ein ganz persönlicher Hass gegen die Terraner.

Sein Bruder Hajun Jenmuhs wurde auf der LONDON II von Rosan Orbanashol-Nordment, der verhassten Halbarkonidin, und Uthe Scorbit getötet. Zwar war es Notwehr und ein verdientes Ende des scheußlichen Hajun Jenmuhs gewesen, doch sein Zwillingsbruder hasste die Terraner und besonders die beiden Frauen dafür. Er schwor grausame Rache! Jenmuhs hatte während der Mordred-Krise eine undurchsichtige Rolle gespielt. Offenbar war er ein Doppelagent gewesen.

Als Mitte Oktober DORGON einen erneuten Aufruf an alle Wesen in der Milchstraße startete, kamen die Dinge ins Rollen.

»Völker der Milchstraße. Ich bitte euch, eure Abgesandten für die Insel am 15. Januar 1295 NGZ zu dem Sternhaufen 47-Tucani zu bringen. Dort werden Raumschiffe für euch bereitstehen. Sie warten nur darauf, bemannt zu werden. Ihr begebt euch dann 5,3 Millionen Lichtjahre nördlich von der Milchstraße zu dem euch bekannten Sternenportal. Das wird die stetige Verbindung zwischen beiden Galaxien sein. So könnt Ihr die lange Distanz innerhalb von wenigen Wochen überbrücken.

Bereitet euch auf eine neue Heimat vor. Die Insel Cartwheel muss besiedelt werden. Macht daraus eine zweite Milchstraße und eine starke Festung, die gewappnet ist für den Kampf gegen MODROR!

Alle Männer und Frauen, die an diesem Projekt teilnehmen, sind wahre Helden. Sie geben viel auf, um selbstlos für das Gute zu streiten. Doch sie werden belohnt werden, denn ihnen wird ein Platz in dem, was ihr Elysium nennt, gewiss sein.«

Diese beeindruckende Ansprache der Entität DORGON war für viele der Anlass, sich freiwillig zu melden.

Die Anzahl der Freiwilligen in der LFT, aber auch in den anderen Mächtigkeitsballungen der Galaxis, stieg an.

Deshalb sahen sich auch die Arkoniden gezwungen zu handeln. Sie konnten den Terranern in nichts nachstehen.

Imperator Bostich I. und Uwahn Jenmuhs trafen sich am 17. Oktober 1294 NGZ zu einer schicksalhaften Besprechung.

Aus den Chroniken Cartwheels

 

Arkon

Das Arbeitszimmer von Imperator Bostich glich einem Palast, in dem eine ganze Familie hätte leben können.

Der Fußboden war verspiegelt und mit Mustern verziert. An der Wand hingen Gemälde von arkonidischen Künstlern, Portraits von glorreichen Kaisern oder Schlachtschiffen. In der Mitte des Saales stand ein großer Schreibtisch des Imperators. Dahinter hing ein Banner mit dem arkonidischen Emblem und dem Schriftzug FAMUG. Rechts daneben war eine Holographie der Milchstraße abgebildet. Es zeigte die Kolonien und Grenzen des gewaltigen Kristallimperiums an.

Bostich selbst saß in seinem Thron und wartete auf die Ankunft von Uwahn Jenmuhs. Die Tür öffnete sich und zwei Offiziere marschierten steif in den Raum und salutierten vor ihrem Imperator.

»Höchstedler, Uwahn Jenmuhs bittet um eine Audienz!«, brüllte ein Unteroffizier und schlug mit den Hacken zusammen.

»Gewährt«, sprach Bostich knapp.

Die beiden Soldaten machten erneut eine Ehrenbezeugung und verließen den Raum. Einer von ihnen kam mit Jenmuhs zurück und geleitete ihn zum Imperator des Kristallimperiums.

Jenmuhs war eine abstoßende Erscheinung. Wie sein Zwillingsbruder war er fett, hatte lange, weiße, fettige Haare, eine blasse Haut und ein unsympathisches Wesen. Er war in noblen Gewändern gekleidet und trug einen Zierstock mit sich.

Als er direkt vor dem Schreibtisch des Kaisers stand, verneigte er sich. In diesem Moment schwebte ein positronischer Sessel zu Jenmuhs und bot einen Platz an. Ächzend setzte sich der schwergewichtige, aber sehr kleine Arkonide in den angepassten Sitz.

»Seien Sie willkommen, Uwahn Jenmuhs«, begrüßte ihn Bostich.

»Es ist mir eine Ehre, dass Sie mir erneut eine Audienz gewähren. Es gibt Neuigkeiten über die Insel, nehme ich an?«

Bostich nickte stumm.

»DORGON will, dass wir am 15. Januar unsere Männer nach 47-Tucani schicken. Sollten wir das einfach so machen?«

»Die Terraner werden es tun. Jedoch wird ihr Anteil an eigenen Schiffen sehr niedrig sein. Laut meinem Geheimdienst werden sie nur 5.000 Kampfeinheiten mitschicken. Wir werden das fünffache entsenden!«

Die Entschlossenheit in Bostichs Worten war unüberhörbar. Jenmuhs bewunderte den Imperator. Der Tod von Theta von Ariga war ein Segen für Arkon gewesen. Diese Frau hatte es niemals verstanden, ein richtiges Imperium aufzubauen. Anfangs hatten die Quartermagins versucht, Bostich zu kontrollieren. Doch dieser Arkonide war stark. Er war ein typisches Abbild eines überlegenen Herrenmenschen. Zuerst spielte er mit, dann entledigte er sich seiner Feinde, die versuchten ihn zu kontrollieren.

Bostich konnte die Massen bewegen und hatte die Sympathie des ganzen arkonidischen Volkes hinter sich. Ja, sie würden in den Tod gehen für ihren Imperator. Jenmuhs kamen beinahe die Tränen vor Ehrfurcht. Umso stolzer war er, dass Bostich ihn auserwählt hatte, die Arkoniden in Cartwheel zu führen.

»Mit diesem Aufgebot sind wir sicherlich die größte Fraktion, mein Imperator«, stimmte Jenmuhs zu.

»Wir wissen nicht, was uns in Cartwheel erwartet. Ich setze viel auf Sie, Jenmuhs.«

»Ich werde mich würdig erweisen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass der fähige Mascant Terz da Eskor und der junge zalitische Administratorsohn Toran Ebur mich begleiten werden. Ich erachte die beiden als äußert loyal und fähig.«

Bostich stimmte ihm zu.

»Vergesst nicht, Jenmuhs. Ihr reist dorthin, um das Reich auszuweiten. Lassen Sie sich ruhig etwas Zeit und sehen Sie, wie sich die Dinge entwickeln. Dann schlagen Sie im richtigen Moment zu. Ich denke, Sie können dann auch Ihre persönlichen Rechnungen begleichen, ist es nicht so?«

Jenmuhs zitterte vor Erregung.

»Ja, so ist es! Mein Bruder war zwar ein mieses Schwein, doch er war ein Arkonide. Dieser terranische Müll und dieses Halbblut hatten nicht das Recht ihn zu töten. Dafür will ich Vergeltung! Niemand schändet die Familie derer Jenmuhs. Ich werde meine Rache bekommen und wenn ich dafür alle Terraner selbst töten müsste!«

Bostich lachte laut auf. Er applaudierte für diese Ansprach von Jenmuhs. Dann stand der Imperator auf und blickte auf die Holographie der Milchstraße.

»Eines Tages wird all das uns gehören. Damit meine ich das arkonidische Volk. Es ist unser Anrecht, das Erbe unserer Vorfahren wieder zurückzuerobern. Es gibt eigentlich nur noch ein Hindernis.«

Er wandte sich wieder Jenmuhs zu, der gespannt zuhörte.

»Perry Rhodan und die Terraner. Rhodan ist stark. Vielleicht können wir Cartwheel nutzen, um ihn zu schwächen. Vielleicht kann uns auch dieser Cau Thon helfen, Rhodan zu vernichten. Ich bin sicher, wir können mit ihm einen Handel ausmachen. Denn wenn Rhodan und die Terraner fallen, gehört die Milchstraße uns.

Sie können Ihren Beitrag leisten, Uwahn Jenmuhs. Sie können arkonidische Geschichte schreiben.«

Jenmuhs stand voller Stolz auf. Er hob die Hand zur Ehrenbezeugung und schrie: »Ich werde Euch nicht enttäuschen, mein Imperator. Ich werde Cartwheel in das arkonidische Kristallimperium einverleiben und den Kampf gegen das Untermenschentum der Terraner fortführen!«

Bostich nickte zufrieden. Jenmuhs war sehr sadistisch und ein unangenehmer Zeitgenosse, auch wenn er sich vor dem Imperator zu benehmen wusste.

»Eines noch, Jenmuhs«, sagte Bostich beiläufig. »Vergessen Sie nicht, Sie sind mir verpflichtet. Keine Exkursionen wie zur Zeit der Mordred.«

Jenmuhs verstand diese Drohung. Er salutierte vor dem Imperator und verließ den Saal.

*

Und so gaben die Arkoniden bekannt, dass sie elf Milliarden Arkoniden, Zaliter und andere Kolonisten entsenden würden. Bostich bestimmte auch über die Anzahl der anderen Völker. Die Antis sollten 580.000 Vertreter entsenden, die Aras fünf Millionen Wesen, die Springer dreizehn Millionen und die Topsider 50 Millionen Abgesandte.

Sofort setzten auch die anderen Völker nach. Es entbrannte eine Art Wettaufgebot für die Insel. Plötzlich stieg das Interesse an der Insel und kein Volk wollte nicht mit dabei sein.

Die Gründe für die Interessen waren sehr verschieden. So wollten Terraner, Akonen, Haluter und Posbis eindeutig DORGONs Plan verfolgen. Die Arkoniden wollten nur die Insel erobern und die anderen Völker wie die Blues wollten ein Stück des Kuchens abhaben. Sie befürchteten ansonsten, eine entscheidende Wendung zu verpassen.

Die Blues toppten das Aufgebot der Arkoniden und stellten 15 Milliarden Gataser und Apaser bereit.

Die Terraner und ihre Kolonien konnten knapp über acht Milliarden Wesen aufbieten. Mehr war nicht möglich. Die Haluter schickten 2.000 Vertreter ihres Volkes, der Anzahl ihrer Gesamtbevölkerung nach mehr als angemessen.

Die Posbis offerierten zehn Millionen der künstlichen Wesen für das Projekt mit der Option, im Notfall noch mehr zu produzieren.

Die Akonen bildeten mit 800.000 Millionen Wesen die viertstärkste Fraktion.

Und auch mein Volk, die Linguiden, wollten 10.000 Artgenossen zur Insel schicken. Ich persönlich war sehr froh über diese Geste und hoffte, dass mein Volk wieder mehr an Bedeutung gewann.

Am meisten überraschte die Milchstraßenvölker die hohe Beteiligung der Überschweren. Mit zehn Millionen Wesen aus der Kleingalaxie Fornax boten sie ein beträchtliches Aufgebot, das nicht von jedem gerne gesehen wurde, denn die Geschichte der umweltangepassten Kolonisten der Mehandor war alles andere als gut. Es gab Gerüchte über einen aufstrebenden Pariczaner namens Nor'Citel, der zum Anführer der Überschweren in Cartwheel auserkoren war. Niemand hatte diesen Mann jedoch jemals gesehen.

Aus den Chroniken Cartwheels

 

Terrania

Leticron ging durch die Büroräume der SHORNE INDUSTRY-Hauptfiliale. Ein gewaltiger Wolkenkratzer mit gigantischer Holoschrift sorgte dafür, dass niemand das Gebäude übersah. Leticron beeindruckte es wenig.

Er ließ die letzten Tage Revue passieren. Der Vierte Sohn des Chaos hatte ein Abkommen mit dem Anführer der Galactic Guardians geschlossen, nachdem er den Chef der Terrororganisation auf der Erde getötet hatte.

Die Guardians stellten Leticron mehrere tausend Überschwere zur Verfügung. Dafür sorgte der Pariczaner für ein Geschäft zwischen Michael Shorne und den Guardians. Da große Teile der BASIS in Hand der Guardians waren und dort Geschäfte wie Glücksspiel und Prostitution geführt wurden, war Shorne schon immer daran interessiert gewesen, sich in das Geschäft einzuklinken. Den Guardians fehlte die Kreativität und der Deckmantel der Legalität, den Shorne besaß.

Leticron hatte ein Treffen zwischen Shorne und dem Überschweren Karutzes organisiert. Mehr wollte er darüber auch nicht wissen, denn ihm war das Geschäft letztendlich egal. Er wollte zur Insel und dort Macht erlangen.

Michael Shorne war hoch zufrieden über die Aktivitäten von Siddus, der sich nun Nor'Citel – Leticron rückwärts – nannte und mit einer Art Aha-Effekt seinen plötzlichen Sinneswandel begründete.

Shorne war keineswegs misstrauisch. Er hatte gehofft, dass der Überschwere sein Potential erkannte und es nutzte.

Natürlich ahnte der Terraner nicht die wahren Motive. Leticron wurde zu Shorne zitiert. Auf dem Weg dorthin traf er den ehemaligen Abteilungsleiter und Vorgesetzten von Siddus, William Romm. Aus Siddus Erinnerungen wusste Leticron, dass Romm ein überaus korrekter und auch zuweilen außerordentlich spießiger Mitarbeiter war, der Siddus oft ermahnt hatte.

Leticron stellte sich Romm provozierend in den Weg.

»Na, du alter ekliger Fettsack!«, sprach er abfällig.

»Sagen Sie, Siddus, sind Sie noch ganz bei Trost?«, antwortete Romm ungehalten.

Zwar war Siddus mehr oder minder sein Vorgesetzter, doch diese Respektlosigkeit war ihm entschieden zuviel.

Leticron wandte seine mutantischen Fähigkeiten der Metagruppierung an. Er verformte den Magen leicht und fügte Romm damit höllische Magenschmerzen zu. Der Plophoser sank in die Knie und versuchte, die Schmerzen zu kontrollieren.

»Oh? Jetzt sehen Sie ja gar nicht so überlegen aus, Romm? Stillgestanden! Aufstehen, Marsch, Marsch, mein Fettsack? Oh, können Sie das nicht?«

Romm wäre am liebsten aufgesprungen und hätte den Überschweren einen Kinnhaken verpasst, doch die Schmerzen und die Vernunft waren stärker.

Leticron lachte abfällig.

»Sei froh, du niederes terranisches Schwein, dass ich dich am leben lasse«, sagte er voller Verachtung und ließ Romm mit den Schmerzen alleine. Leticron beendete das leichte Verformen des Magens und somit auch die Schmerzen.

Leticron setzte seinen Weg fort. Doch schon im nächsten Korridor begegnete er der blonden, zierlichen Terranerin Myrielle Gatto. Schüchtern blickte sie zum Pariczaner hinauf.

»Wow, Romm hast du es aber gezeigt.«

Leticron blieb stehen und musterte dieses terranische Geschöpf. Er hatte nichts für die Terranerinnen übrig. Sie waren mickrig, schwach und gehörten zudem einer Rasse an, deren Auslöschung ihm am liebsten wäre.

»Geh mir aus dem Weg, Tippse!«

Myrielle Gatto erschrak. Sie wich sofort zurück und blickte verstohlen auf den Boden. Leticron setzte seinen Weg fort und verschwendete keinen Gedanken mehr an sie.

Voller Arroganz ging er in Shornes Büro. Auch Thomas Zchmitt befand sich dort. Michael Shorne begrüßte Siddus mit einem Lächeln.

»Ah, da haben wir ja unseren hervorragenden neuen Verfechter von SHORNE INDUSTRY. Ich habe Kontakt mit dem Überschweren aufgenommen. Thomas wird während meiner Abwesenheit die Geschäfte und Verhandlungen führen. Ich glaube, da stehen wir vor einem großen Deal – Dank Ihnen!«

Shorne grinste über beide Wangen.

Leticron verstand nicht so recht. »Was meinen Sie mit Ihrer Abwesenheit?«, wollte er wissen. Shorne aktivierte wie aufs Stichwort eine Holografie. Sie zeigte die Zahlen der Cartwheel-Pioniere.

»Ich werde auch an dem Projekt teilnehmen. Warum? Ganz einfach. Die Leute müssen versorgt werden. Mit Lebensmitteln, Genussmitteln und jede Menge Luxusgüter. SHORNE INDUSTRY wird die Wirtschaft auf der Insel ankurbeln und anführen. Dazu benötigt es meiner Hilfe! Das wird das Geschäft des Jahrtausends.«

Leticron verstand jetzt. Die Idee von Shorne war nicht schlecht. Wenn er es besser anstellte als mit der LONDON II würde er Erfolg haben. Nun hatte Leticron auch seine Mitfluggelegenheit nach Cartwheel und außerdem einen mächtigen Verbündeten.

»Ich möchte Sie begleiten, Shorne«, sprach Leticron.

Shorne nickte kurz.

»Einverstanden. Ich kann Sie dort gebrauchen, Siddus.«

» Nor'Citel.«

»Oh, entschuldigen Sie, Nor'Citel!«

Leticron ging ein paar Schritte auf Michael Shorne zu. Der riesige Überschwere wirkte bedrohlich und flößte selbst den gewissenlosen Geschäftsmann Respekt ein.

»Sie werden sehen, ich kann Ihnen noch sehr nützlich sein...«

In Leticrons Augen flackerte es diabolisch auf. Dann setzte er zu einem Lächeln an. Ein Lächeln über seine eigene Überlegenheit.

Er dachte an Perry Rhodan. Bald würde er Rhodan vernichten... bald!

In den ersten Januartagen des Jahres 1295 NGZ wurden die letzten Vorbereitungen getroffen. Trägerschiffe für die Siedler wurden bereitgestellt, die Sachen gepackt und seelische Betreuung der künftigen Bewohner der Insel wurde von den Regierungen vorgenommen.

Ein gewaltiger organisatorischer Aufwand, der jedoch gemeistert werden musste. Perry Rhodan verlangte viel von seinen Beamten, doch es ging um ein kosmisches Projekt. DORGON erschien noch wenige Male und versicherte, dass die Siedler nur ihre persönlichen Sachen mitnehmen sollten, da er selbst für den Rest sorgen wollte.

Natürlich waren auch viele Bauraumschiffe und Transporter mit Materialien und Nahrungsmitteln dabei. Kein Volk wollte nackt in der Insel dastehen.

Insgesamt schickten die Terraner 10.729 Raumschiffe zur Insel. Viele der Siedler sollten in Transportern nach 47-Tucani gebracht werden, um auf die von DORGON zur Verfügung gestellten Schiffe umzusiedeln.

Die Arkoniden stellen über 50.000 Raumschiffe bereit. Sie demonstrierten ihre Macht mit riesigen Paraden und Aufmärschen ihrer Streitkräfte.

Imperator Bostich erhöhte den Bekanntheitsgrad von Uwahn Jenmuhs um ein Vielfaches. Er setzte viel auf den adligen Arkoniden. Seine Worte waren: »Volk von Arkon! Wir brechen nach Cartwheel auf und folgen dem Ruf einer Entität! Wir werden zeigen, welche dominierende Stärke unser Volk besitzt und aus der Insel eine Festung zum Schutze Arkons und der ganzen Galaxis machen!

Ich fordere von den anderen Völkern eine eiserne Disziplin, Ehrlichkeit und den ungebrochene Willen, die Milchstraße und unsere Wesen zu schützen. Wir Arkoniden werden nicht klein beigeben. Wir sind hart wie Arkonstahl, zäh wie Haluter und wild und entschlossen wie der gefährlichste Okrill.

Uwahn Jenmuhs wird den göttlichen Imperator auf der Insel vertreten. Seine Ideologie harmoniert mit meiner und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er Arkon zu neuem Ruhm auf der Insel führen wird!

Für Arkons Macht und Glorie!«

Diese Rede beeindruckte das Volk Arkons und schockierte die anderen Völker. Bostich weckte zwar den Anschein, als handelte er im galaktischen Interesse, doch jeder wusste, dass die Arkoniden machtgierige Wesen waren. Auf sie musste man am meisten aufpassen.

Aus diesem Grund entschloss sich neben den vielen hunderten Privatfirmen wie SHORNE INDUSTRY eine private Organisation ihre Vertreter nach Cartwheel zu schicken.

Es war die noch geheime Neue USO.

Aus den Chroniken Cartwheels

 

Die letzten Vorbereitungen

Jan Scorbit war ziemlich aufgeregt. Monkey und Homer G. Adams persönlich wollten den jungen Terraner sprechen. Der Zellaktivatorträger Homer G. Adams und der Oxtorner Monkey waren die Anführer der Neuen United Stars Organisation. Der Zwillingsbruder von Remus hatte inzwischen erfahren, dass sein Bruder und seine Schwägerin nach Cartwheel ziehen würden. Es war ihm schwer gefallen, sein eigen Fleisch und Blut nicht über die neue USO zu informieren. Sie war geheim und bisher nicht öffentlich in Aktion getreten. Dabei musste es Rhodan klar sein, dass seine Unsterblichen Freunde eine neue Organisation aufzogen. Doch offenbar respektierte Rhodan den unausgesprochenen Wunsch von Adams, Monkey und seinem eigenen Sohn Michael Rhodan, selbst den ersten Schritt zu tun.

Vor dem Büro warteten ihm zwei vertraute Gesichter. Es waren Sam Tyler und sein Gefährte der Mehandor Japar.

Tyler lehnte wie üblich gelassen an der Wand und spielte mit seiner Thermomaschinenpistole, während Chris Japar genüsslich einen Hot Dog verzehrte.

»Hi Jungs, wollt ihr auch zu den Chefs?«, erkundigte sich Jan Scorbit und schüttelte die Hände seiner Partner.

Tyler machte einen gelangweilten Eindruck.

»Ja, irgendwas wollen Teleskopauge und der Knacker von uns. Ich hoffe, es ist ein Auftrag. Mir wird nämlich langweilig.«

Tyler war eine typische Söldnerseele, doch sein Herz schlug auf dem rechten Fleck. Zusammen mit Chris Japar hatte er außerordentliche Verdienste während der Dorgon-Expedition geleistet. Doch der TLD war ihm zu spießig und bürokratisch. Er wollte ungebundener sein. Deshalb schloss er sich der Neuen USO an.

Natürlich hatte er auch hier seine Vorschriften und Pflichten, an die sich Tyler halten musste, doch war der ganze Apparat wesentlich unkomplizierter als der von Beamten zerfressene Terranische Liga-Dienst, fand Sam Tyler.

Ein Offizier trat aus der Kabine und bat die drei USO-Agenten herein. Der Raum war recht dunkel und farblos. Er war spartanisch eingerichtet und wirkte auf Scorbit ziemlich trist, da nicht einmal eine Pflanze in dem Raum stand.

Monkey und Adams saßen an einem runden schwarzen Tisch. Die Oberfläche war verchromt und spiegelte die Decke wieder.

Monkey wirkte wie immer sehr diszipliniert und zurückhaltend. Fast strahlte er schon Kälte aus, doch die anderen kannten ihn besser. Er begrüßte seine drei Agenten und bot ihnen einen Platz an.

»Meine Herren, ich hoffe, es geht euch gut. Ihr hattet ja auch lange Zeit, um euch auszuruhen, oder?«

Monkey deutete ein Lächeln an. Tyler nickte mürrisch: »Meinen Zeigefinger juckt es gewaltig. Er muss mal wieder auf einen Abzug drücken.«

Adams schüttelte erbost den Kopf: »Sie sind nicht hier, um zu töten, sondern um für Frieden zu kämpfen. Wir sind eine Art galaktische Feuerwehr und müssen uns auf unsere Feuerwehrleute verlassen können, verstanden?«

Tyler nickte mit einem seltsamen Grinsen. Jan Scorbit beobachtete Monkey. Der Oxtorner schaute auf den Tisch und schien zu warten, bis Adams fertig war. Dann begann er zu sprechen: »Ich habe euch drei ausgewählt, da ihr die verdammt besten von uns seid!« Scorbit bedankte sich für die Blumen. Tyler hingegen verzog keine Miene bei dem Kompliment. Manchmal verstand Jan diesen Terraner nicht.

»Deshalb werdet ihr an dem Insel Projekt teilnehmen. Die Neue USO wird sich mit knapp 2.000 Einheiten und über 100.000 Mann an der Aktion beteiligen. Nur sehr gut geschultes Personal wird mitfliegen. Hier sind die Koordinaten einer Welt auf der Insel, die ihr anfliegt. Dort wird eure neue Station sein. Jan Scorbit übernimmt das Kommando, Tyler wird sein Stellvertreter.«

Die drei waren wie erschlagen von der Ansprache. Fragend blickte Jan Scorbit zu Homer G. Adams, der ihm nur lächelnd zunickte. Jan schien noch nicht ganz die Situation erfasst zu haben. Monkey hatte ihn zum Leiter der Neuen USO in Cartwheel ernannt. Eine ganz schöne Ehre für den jungen Scorbit.

Tyler nickte zufrieden und auch Chris Japar freute sich, dass es endlich wieder etwas zu tun gab.

»Ach ja, Jan Scorbit«, begann Homer G. Adams. Scorbit blickte ihn mit einem Fragezeichen in den Augen an. »Ihr Bruder und ihre Schwägerin werden auch nach Cartwheel fliegen. Sie schließen sich unseren terranischen Freunden an. Es wäre dennoch ratsamer, Stillschweigen zu bewahren. Die Neue USO sollte vorerst unerkannt arbeiten.«

Jan Scorbit verstand genau. Auch wenn es ihm ziemlich schwer fiel. Die Neue USO sollte weiterhin versteckt agieren und so wenig Kontakt zu anderen haben, wie nur möglich. Die Tatsache, dass Remus und Uthe zudem eng in Verbindung mit den Gefährten Perry Rhodans standen, war umso schlimmer.

Natürlich war Perry Rhodan kein Feind. Ganz im Gegenteil! Doch Monkey und Adams wollten die Neue USO erst einmal aufbauen.

Ein Interkomgespräch störte die Besprechung. Jan Scorbit hatte noch viele Fragen. Doch letztendlich wusste Monkey wohl auch nicht alle Antworten. Niemand wusste, was sie auf der Insel erwarten würde.

Mit großem Staunen registrierte Jan Scorbit das Hologramm einer Frau, die so schön wie ein Gemälde war. Sie hatte lange rotbraun gelockte Haare, feuerrote Augen und eine Ausstrahlung, der man sich nicht entziehen konnte.

»Rosan Orbanashol-Nordment!«, sagte Adams verwundert.

»Hallo, Homer. Wie geht es dir?«, erkundigte sie sich freundlich.

»Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Hast du dir unser Angebot überlegt? Du weißt, wir könnten dich und Wyll Nordment in Cartwheel sehr gut gebrauchen. Wir haben gerade mit Jan Scorbit, Sam Tyler und Chris Japar über euch gesprochen. Eine Aufgabe in Cartwheel wäre sicherlich sehr gut für euch.«

Rosan lächelte. Dann wurde sie wieder ernst und seufzte. »Eigentlich habe ich von Abenteuern genug. Die Odysseen mit den beiden LONDON-Raumschiffen waren mir Abenteuer genug«, erklärte sie etwas bedrückt.

Homer G. Adams wirkte ebenfalls geknickt. Er hätte gerne Rosan und Wyll bei der Neuen USO gewusst. Sie waren sehr fähige und loyale Mitstreiter. Doch er verstand die Entscheidung. Adams wusste, welche Qualen die Passagiere der LONDON erlitten hatten.

»Ich verstehe dich, Rosan. Auch wenn es sehr betrüblich ist. Viele Grüße an Wyll«, verabschiedete sich Homer G. Adams.

»Danke für dein Verständnis. Vielleicht wenn die Dinge anders liegen... Viel Glück.«

Das Holobild von Rosan Orbanashol-Nordment erlosch. Adams blickte noch eine Weile auf die Stelle, an der die Holografie erloschen war. Dann trat Yart Fulgen in den Raum und brachte Monkey ein paar Neuigkeiten.

»Wir haben 1710 Raumschiffe aufgetrieben. Wie du weißt, wirft unsere Produktionsanlage, die wir erst seit einem Jahr in Betrieb haben noch nicht so viel ab. Es hat also einiges gekostet...«

Verlegen schaute der alte Fulgen auf Homer G. Adams, der mürrisch die Rechnungen prüfte.

»Wenn Bostich uns nicht erledigt, dann eure Verschwendungssucht«, murmelte er in gespieltem Gram und unterschrieb die Rechnung.

Monkey nickte Scorbit zu.

»Ihr habt eure Instruktionen, Männer. Fulgen stellt euch 1710 Schiffe und 317.910 Männer und Frauen zur Verfügung. Besiedelt den Planeten und handelt in unserem Interesse.«

Die drei hatten verstanden und machten sich sofort daran, ihre Sachen zu packen. Scorbit bekam von Yart Fulgen die Unterlagen mit den Schiffen und Personen. Da kam eine ganze Menge Arbeit auf ihn zu. Doch das hatte er sich schon immer gewünscht.

Fulgen und Scorbit gingen noch eine Weile einen Korridor entlang. Jan fragte: »Woher habt ihr eigentlich die Koordinaten?«

Fulgen grinste: »Von DORGON höchstpersönlich. Als Monkey, Adams und ich beim Mittagessen waren, stand der Heilige plötzlich vor uns und gab uns die Instruktionen.«

Scorbit war verblüfft.

»Er hält also viel von der Neuen USO?«

Fulgen nickte.

»Wie es aussieht, sind wir mit dem Segen von ES und DORGON unterwegs. Da kann uns eigentlich gar nichts passieren.«

Scorbit verstand noch nicht, was ES mit der Sache zu tun hatte, doch ihm war schon etwas wohler zumute. Trotzdem musste er sich jetzt auf seine Aufgabe konzentrieren. Er hatte die Pflicht die Neue USO würdig in Cartwheel zu leiten und sie auch dort zu einer galaktischen Feuerwehr zu machen.

*

Der 15. Januar 1295 NGZ war angebrochen. Eines der größten Projekte wurde gestartet. Über 30 Milliarden Wesen aus der Milchstraße brachen auf, um die Insel zu besiedeln. Eine Galaxie die über 500.000 Lichtjahre von der Milchstraße entfernt war und den Namen Cartwheel trug.

Diese 30 Milliarden Lebewesen folgten dem Ruf DORGONs. Sie wollten der Galaxis neues Leben einhauchen und sie zu einer Festung gegen die Armeen des MODROR ausbauen. Jeder wusste, dass es durchaus zu Kampfaktionen gegen die Mächte des Chaos kommen konnte. Doch sie nahmen dieses Los an. Sie waren Pioniere. Doch es gab auch welche, die darauf hofften, in der neuen Galaxis schnell an Geld und Macht zu gelangen. Es waren gescheiterte Existenzen, die auf eine neue Chance hofften. Und es gab andere, die von Anfang an nicht an dem Projekt teilnehmen, sondern nur ihre Machtgelüste befriedigen wollten.

Tausende Transportschiffe machten sich auf den Weg nach 47-Tucani. Terraner, Arkoniden, Blues, Akonen, Unither, Posbis, Topsider, Oxtorner, Springer, Swoon und andere Völker.

Dort befanden sich gigantische Trägerschiffe mit einer Kantenlänge von 10 Kilometer. Diese konnten in der Tat die 30 Milliarden Wesen problemlos transportieren. Und so geschah es! Innerhalb von nur zwei Tagen wechselten die 30 Milliarden Wesen auf die Trägerschiffe über, die von knapp 200.000 Raumschiffen aus der Milchstraße begleitet wurden.

Perry Rhodan verfolgte von der LEIF ERICSSON aus das Unterfangen. Er gab Julian Tifflor, Joak Cascal und dem Marquês von Siniestro, die sich auf der IVANHOE befanden, letzte Anweisungen.

Dann erschien auf allen Monitoren und auf allen Kommandostationen das Bild des Initiators dieses Projektes: DORGON!

Und er sprach: »Völker der Milchstraße! Es ist soweit! Brecht jetzt zum Portal auf. Dort werdet ihr auf die Raumschiffe der Maahks, Kartanin, Gurrads, Perlians, Tefroder und Hauri treffen, die ebenfalls an der Kolonisierung Cartwheels teilnehmen werden. Fliegt durch das Portal und ihr erreicht Cartwheel.

Jeder, der umkehren will, kann dies sofort tun. Doch begreift, dass ihr etwas Gutes tut. Ihr seid Auserwählte im Kampf gegen eine Macht, deren Stärke unvorstellbar ist, dessen Machthunger keine Grenzen kennt und dessen Rücksichtslosigkeit unübertroffen ist. Diese Macht heißt MODROR.

Verhelft Cartwheel zu neuem Leben! Erschafft gemeinsam eine blühende Galaxis voller Harmonie und Liebe. Doch errichtet auch eine Bastion, die mit voller Härte gegen die Armeen des Chaos vorgeht. Denn in Cartwheel wird eines Tages die Entscheidung fallen, so ist es prophezeit und so wird es geschehen.

Doch auch ihr Wesen in der Milchstraße seit achtsam. Die vier apokalyptischen Reiter des Bösen sind unter euch. Sie sind überall und wir müssen sie bekämpfen, sonst werden sie unser aller Untergang sein.

Doch nun... brecht auf! Wir werden uns in Cartwheel sehen, meine Freunde.«

Mit diesen Worten verschwand DORGON wieder. Die Raumschiffe traten den 5,3 Millionen Lichtjahre langen Weg zum gigantischen Portal an.

Perry Rhodan und Imperator Bostich I. befanden sich in ihren Raumschiffen und beobachteten das gewaltige Schauspiel des Aufbruchs in 47-Tucani. Die beiden mächtigsten Männer der Milchstraße wünschten ihren Männern Glück, wenn auch Perry Rhodan jedem einzelnen Wesen von ganzem Herzen wünschte, heil wieder zurückzukehren und Bostich nur die Eroberung der Insel im Sinne hatte.

Nachdem auch das letzte Transportschiff in den Hyperraum verschwunden war, verließen die Raumschiffe den Sektor und steuerten zu ihren Heimatwelten zurück, während sich 30 Milliarden Wesen auf dem Weg nach Cartwheel befanden.

Nach fünf Wochen Reise waren sie endlich an den Koordinaten angekommen. Dort trafen sich auf über 100.000 Raumschiffe von Völkern aus Andromeda, den Magellanischen Wolken und Hangay.

Die Gedanken aller richteten sich auf die Zukunft. Sie war ungewiss. Vielen bereitete sie Angst, vielen Hoffnung und Zuversicht, andere wussten einfach nicht, was sie erwarten sollten. Dann war der Moment gekommen. Das Sternenportal aktivierte sich. Zu jeder Himmelsrichtung schwebten große Projektoren, die Energie aus dem Hyperraum abzapften und so den Transmitter versorgten.

Gemeinsam schwebten die Schiffe vor diesem Transmitter.

Alle warteten gespannt, wer den ersten Schritt machen würde und blickten gebannt auf den Transmitter – Julian Tifflor, Joak Cascal, der Marquês von Siniestro, Xavier Jeamour, Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Uthe und Remus Scorbit, Anica und Jaquine, Henry Portland, Neve Prometh, Anya Guuze, Krizan Bulrich, Roppert Nakkhole, Jezzica Tazum, Jan Scorbit, Sam Tyler, Japar, Michael Shorne, Leticron, Uwahn Jenmuhs, Myrielle Gatto, William Romm, Kathy Scolar, Werner Niesewitz, Reinhard Katschmarek, Jaaron Jargon, Nataly Andrews und all die anderen Milliarden Wesen.

Dann fasste Gal'Arn einen Entschluss. Er blickte Jonathan Andrews und Jaktar an, die genau wussten, was ihr Meister vorhatte. Er sendete die Koordinaten von Cartwheel an die Portalstationen. Und die TERSAL flog als erste durch den Transmitter. Dann folgte die IVANHOE und kurzerhand der Rest der Schiffe.

Der Weg durch das Portal war getan. Doch was würde sie erwarten? Nun bewegte sich auch unser Schiff auf die Barriere zu. Nataly sah mich an. Ich glaubte, etwas Angst in ihren Augen zu erkennen. Dann flogen wir durch und der Schleier der Nacht hüllte sich über uns...

Aus den Chroniken Cartwheels

 

ENDE

Milliarden Wesen aus der Lokalen Gruppe sind am 23. Februar 1295 NGZ durch das Sternenportal nach Cartwheel aufgebrochen. Im nächsten Band wechselt die Handlung nach Saggittor.

»Wirren in Saggittor« ist der Titel des Romans von Tobias Schäfer und Thomas Rabenstein.

 

 

 

 

Kommentar

Aufbruchsstimmung

Nun hat sich also unsere Schar in eine fremde Galaxis aufgemacht, um dem Ruf des immer noch nebulösen Wesens DORGON zu folgen. Selbst die Arkoniden sind erstaunlicherweise dem Ruf gefolgt.

Auch die Linguiden sind dabei. Es ist schon erstaunlich, dass die Entität es geschafft haben soll(te), alle diese sich nicht gerade brüderlich verhaltenen Völker auf ein Ziel einzustimmen, und auch die Tatsache, dass das Kristallimperium und erst recht Nor'Citel alias Leticron ganz andere Ziele im Auge haben, dürfte alarmierend stimmen.

Und dann die Ankündigung, dass in Cartwheel der Kampf gegen MORDOR stattfinden soll... Sicher, die hier Beteiligten haben nicht die Erlebnisse der SOL-Besatzung in Segafrendo geteilt, aber zumindest Tifflor und Gucky dürfte es übel aufstoßen, wiederum die Handlanger einer kosmischen Macht zu sein, da diese sich bekanntermaßen nicht sehr um ihre »Hilfsvölker« scheren.

Warum sollte DORGON hier anders sein? Er macht einen »guten Eindruck«, aber ist dies vielleicht einfach nur Show, um möglichst viele »Soldaten« anzuwerben?

Haben die Galaktiker unter diesen Umständen überhaupt eine Chance? Oder bezweckt DORGON mit den rekrutierten Galaktikern und Saggittonen gar etwas ganz anderes...?

Aki Nofftz

 

 

GLOSSAR

Cartwheel

Die Insel Cartwheel liegt 500 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Sie hat einen Durchmesser von 150.000 Lichtjahren. Sie ist den Terranern auch aufgrund ihres Aussehens als Wagenradgalaxie bekannt und liegt im Sternenbild des Bildhauers.

Auszug aus der Wikipedia:

Im Zentrum der Wagenradgalaxie steht ein einer elliptischen Galaxie ähnlicher Bulge. Der Ring der Wagenradgalaxie hat einen Durchmesser von 150.000 Lichtjahren, ist instabil und bewegt sich mit 340.000 km pro Stunde vom Zentrum weg. Eines der beiden kleinen Gebilde rechts im Bild, zwei kleine Galaxien nahe der Wagenradgalaxie, könnte der an der Kollision beteiligte Eindringling sein. Dass die untere Blaue von den beiden Galaxien ebenfalls Turbulenzen und viele Sternentstehungen aufweist, spricht dafür, dass sie es war.

Das Besondere an dieser Galaxie sind die Sternenbänder, die ›Speichen‹ des Wagenrads, welche sich vom Zentrum der Galaxie zu ihrem Ring ziehen. Sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach die früheren Spiralarme der gestörten Sterneninsel. Eine weitere Besonderheit sind große Ballungen von Gas am äußeren Rand der Hauptebene. Von diesen Gasansammlungen erhofft man sich weiteren Aufschluss über die ungewöhnliche Form der Wagenradgalaxie.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wagenrad-Galaxie#Wagenradgalaxie

Im Jahre 1294 NGZ ruft die Entität DORGON dazu auf, die Galaxie Cartwheel zu besiedeln, um eine Festung gegen die finstere Entität MODROR zu errichten. Dutzende Völker aus der Milchstraße und anderen Galaxien folgen dem Ruf DORGONs und reisen am 23. Februar 1295 NGZ durch das Sternenportal nach Cartwheel.

Sternenportal

Als Sternenportal wird ein gigantischer Transmitter bezeichnet. Der Transmitter ist unbekannter Herkunft. Es besteht die Vermutung, dass die Entität DORGON etwas mit der Konstruktion zu tun hat. Ein Sternenportal besteht aus vier Raumstationen. Das reisende Raumschiff wählt auf einer bestimmten Frequenz diese Stationen an und übermittelt die Zielkoordinaten. Je nach Größe des oder der reisenden Raumschiffe wird ein Transmitterfeld von den vier Stationen erschaffen. Die Ausdehnung kann hierbei von einigen hundert Metern bis zu mehreren Millionenen Kilometern betragen.

In Nullzeit wird eine Strecke über eine Distanz von vielen Millionen Lichtjahren zurückgelegt. Erforderlich ist jedoch eine Gegenstation.

Bekannte Sternenportale befinden sich in der Lokalen Gruppe (5,3 Mio. Lj von der Milchstraße entfernt), Cart-wheel, Saggittor, Siom-Som und Dorgon.

Jaaron Jargon

Jaaron Jargon ist Schriftsteller und Chronist. Er entstammt einer terranisch-arkonidisch-linguidischen Familie und wohnt auf Terra. Jaaron ist von hagerer, kleiner Statur, hat graues, wirres Haar und einen grauen Vollbart. Er ist ein Einzelgänger, der Menschenmassen scheut, sehr gebildet und kultiviert. Er versteht sich als Galaktiker durch und durch.

Jaaron Jargon wurde am 21. April 1186 NGZ auf dem unbekannten Planeten Objursha in der Galaxis Cartwheel geboren.

Während einer Forschungsreise des Raumschiffes BAWIS entdeckte dies zufällig das Sternenportal der Lokalen Gruppe und flog hindurch. Es strandete in Cartwheel. Dort wurde Jaaron geboren und verbrachte die ersten Wochen seiner Kindheit. Eine Entität erschien und wies den Linguiden ihren Weg zurück in die Heimat. Sie versprachen, zu schweigen und auch Jaaron fühlte sich Zeit seines Lebens daran gebunden.

Jaaron Jargon, der einer Familie aus Terranern, Arkoniden und Linguiden entsprang, sich aber sehr mit der Kultur der Linguiden identifizierte und sich deshalb auch als Linguide ansah, war somit auch ein Bürger Cartwheels.

Der Pazifist widmete sein Leben der Muse. Er war Journalist und Buchautor. Mit seinem Werk über die Friedensstifter »Eines Linguiden ES« verdiente er Millionen Galax. Der Eremit blieb unverheiratet und schrieb an weiteren Büchern. Eine Zeit lang dozierte er auch als Professor an einer Universität.

Jaaron pflegte eine Freundschaft zu Homer G. Adams und war im Geiste Mitglied von Camelot, obgleich er sein gewähltes Domizil in Siena, Terra, nicht aufgeben wollte.

Doch während der Entführung der LONDON und später während der Mordred-Krise baute Jaaron Brücken zwischen dem misstrauischen TLD und Camelot.

Er schrieb Chroniken zu dieser Zeit und so verwunderte es wenig, dass DORGON ihn aufforderte, als Cartwheeler auch auf die Insel zu reisen, um dort die Chroniken Cartwheels zu verfassen.

Nataly Jargon

Nataly ist eine Terranerin mit linguidisch-arkonidischen Vorfahren. Sie ist die Nichte des Chronisten Jaaron Jargon.

Nataly hat langes, blondes Haar, große blaue Augen, ist etwa 1,66 Meter groß und hat einen wohl proportionierten, weiblichen Körperbau. Sie ist temperamentvoll, manchmal aufbrausend und herrisch. Sie ist aber auch loyal, hilfsbereit und vergöttert ihren Onkel Jaaron.

Nataly wurde am 18. Januar 1270 NGZ in England auf der Erde geboren. Sie ist die Tochter von Jaarons Bruder Borrom Jargon und der Terranerin Anne-Lee Nastov.

Die intelligente Nataly eifert ihrem Onkel nach und will Journalistin werden. Ansonsten driftete sie eher planlos durch das Leben und riss als Jugendlich kurzzeitig aus. Seit 1290 NGZ arbeitete sie bei ihrem Onkel, der das widerwillige und trotzige Mädchen teilweise manchmal zähmen musste.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

 

— Special-Edition Band 34, veröffentlicht am 21.08.2015 —

Titelillustration: Ralph VoltzInnenillustration: Gaby Hylla

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel