Band 32
M100-Zyklus
Dominik Hauber & Nils Hirseland
Was bisher geschah Wir schreiben Januar des Jahres 1293 NGZ. Kaiser Nersonos herrscht inzwischen über die Dorgonen und hat innerhalb von nur zwei Monaten eine Schreckensdiktatur errichtet. Senatoren wurden getötet, Rebellen gejagt und tausende Wesen verloren bei öffentlichen, barbarischen »Spielen« ihr Leben. Die Flotte des Dux Superior Vesus jagt die restlichen Raumschiffe der Rebellen und will sie endgültig vernichten. Die Expedition aus der Milchstraße und Saggittor steht vor dem Ende. Der Übermacht des dorgonischen Militärs können sie nichts entgegen setzen. DER KREIS SCHLIESST SICH … |
Hauptpersonen Nersonos – Der wahnsinnige Kaiser will ein neues Dorgon schaffen. Cauthon Despair – Der Cameloter steht erneut an einem Scheideweg. Sanna Breen – Eine Terranerin, die nicht weiß, was sie fühlt. Julian Tifflor und Aurec – Die Expeditionsleiter. Vesus – Der Flottenkommandant muss einige Überraschungen verdauen. Mathew Wallace und Saraah – Das Liebespaar steht vor ihrer schwersten Bewährungsprobe. Joak Cascal, Sam Tyler, Sandal Tolk, Lorif und Irwan Dove – Auserwählte für ein Himmelfahrtskommando. |
Terra, 21. Januar 1293 NGZ
»Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.« – Epheser 6,10
Ding-Dang-Dong. Die kleinen Rohre, die am Ende der merkwürdigen Apparatur angebracht waren, vibrierten und gaben seltsam hohle, aber dennoch hohe Töne von sich, als sie von den metallenen, murmelartigen Kugeln berührt wurden. Das Kind jauchzte vor Freude auf, verzückt über die Klänge, die es soeben erzeugt hatte. Das Instrument, oder Spielzeug, das war eine Ansichtssache, hatte das Kind von seinem Vater nach einem von dessen letzten Expeditionen ins All bekommen.
»Betsy!«
Unwillig erhob sich das Kind von dem Rasen, auf dem es gesessen und gespielt hatte. Wenn die Mutter rief, gab es keinen Widerspruch.
»Betsy!«, rief die Mutter abermals.
Das siebenjährige Mädchen, dessen blonde Haare im kalten Abendwind flatterten, nahm das Geschenk ihres Vaters unter den Arm und tapste Richtung Haus. Im fröhlichen Spiel hatte sie überhaupt nicht bemerkt, wie spät und wie kalt es bereits war.
Als sie wenige Minuten später in ihrem Bett lag und die Augen schloss, verarbeitete sie alle Gedanken des vergangenen Tages.
Die Kälte – das Geschenk ihres Vaters – Vater – Kälte …
War ihr Vater da draußen? In der Kälte?
Betsy bäumte sich im Schlaf auf. Ein Alptraum … Ihr Vater in Dorgon, draußen, in der Kälte des Alls, und niemand, der ihn zurückrufen kann, ins warme Haus bringen kann. Und immer wieder dieses penetrante, beängstigende Geräusch: Das friedliche Ding-Dang-Dong hatte sich in ihren Gedanken in den aggressiven Lärm der Maschinen an Bord eines Raumschiffs gewandelt. Sie sah, fühlte, spürte das pulsieren der Transformkanonen förmlich, auch wenn sie wusste, dass dies eine Illusion war. Und sie sah ihren Vater, wie er in die Unendlichkeit hinfort driftete …
»Nein!«
Schweißgebadet fuhr sie aus ihrem Bett hoch, völlig aufgelöst. Erst nach einigen Sekunden realisierte sie, wo sie sich befand, und beruhigte sich langsam wieder.
»Hab' keine Angst, mir wird nichts passieren«, hatte ihr Vater vor dem Abflug gesagt. Sie versuchte sich einzureden, dass es sich so verhielt, wie er es ihr gesagt hatte. Aber sie glaubte es dennoch nicht so richtig.
Sie wusste gar nicht, wie recht sie hatte …
Gewaltig und ehrfurchtgebietend tauchte der stählerne Adler aus den Tiefen des Zwischenraumes in die dreidimensionale Realität der Galaxis M100 ein. Imposant war dieses Raumschiff ohne jeden Zweifel. Die DOMOLUS hatte eine Rumpflänge von 6.500 Metern. Die Spannweite einer der Flügel, in der sich Energiespeicher, Antrieb, Schutzschirmgeneratoren und Waffenbestände befanden, lag noch bei 4.000 Metern. Eine Besatzung von nicht weniger als 55.000 Mann kontrollierte diesen Koloss, welcher der Stolz der Flotte Dorgons war. Es gab nur ein Raumschiff der DOMULUS-Klasse: Das gleichnamige Adlerraumschiff.
Doch nicht allein diese Daten, nicht nur die phantastische Bewaffnung und der offenbar undurchdringliche Schutzschirm machten die DOMOLUS für die Rebellen an Bord ihrer walzenförmigen Schiffe zum Symbol der Niederlage.
Ihre düstere, erschreckende Aura bezog die DOMOLUS von den unzähligen Schiffen, die sich im Hintergrund formierten – und offenbar zum Angriff rüsteten.
Zwanzigtausend Schiffe besaßen die Rebellen, die es gewagt hatten, dem mächtigen Imperium die Stirn zu bieten. Zwanzigtausend Schiffe – viel zu wenig gegen die drückende Übermacht der Dorgonen.
Hastige Stoßgebete, wütende Flüche, eisernes Schweigen: Alle an Bord der Rebellenschiffe hatten ihre eigene Art, auf das Auftauchen des Feindes zu reagieren. Die Ziele waren unterschiedlich: Die einen hatten praktisch bereits mit dem Leben abgeschlossen, die anderen versuchten, sich in einer Art von heroischem Pathos auf die aussichtslose Schlacht vorzubereiten.
Doch eines war ihnen allen klar: Für sie alle würde der Kampf zur Manifestation der sprichwörtlichen Hölle auf Erden werden …
*
Gemächlich setzte sich Vesus, der Oberbefehlshaber der dorgonischen Streitkräfte, in seinem Kommandosessel. Kommandosessel war eigentlich eine leichte Untertreibung; das hochelastische Polster war eigentlich etwas zu weich für seinen Geschmack. Auffallend waren jedoch die goldenen, wunderschön verzierten Armlehnen. Der athletische und disziplinierte Vesus war im Grunde nicht der Typ, der auf gesteigerten Luxus, wie er seiner Person eigentlich angemessen wäre, besonderen Wert legte. Grundsätzlich hatte er über derlei Dinge eine eindeutige Meinung: Er fand, sie lenkten nur unnötig vom Wesentlichen ab.
Hier lag der Fall allerdings etwas anders. Ungeduldig hatte Vesus auf Dorgon den Startbefehl erwartet; Ruhm und Ehre hatte er bereits erlangt, aber nun wollte er Unsterblichkeit erlangen, indem er die Eindringlinge ein für alle Mal eliminierte.
Froh darüber, endlich starten zu können, hatte er in einer Welle der Euphorie die Auswechslung des austauschbaren Brückenmoduls befohlen. Aus »Typ Feldherr« wurde »Typ Imperator«; eine Blasphemie, über die Nersonos großzügig hinwegsehen würde, sollte er die Schlacht gewinnen – und daran bestand eigentlich kein Zweifel.
Im Nachhinein hatte er sich Gedanken gemacht, ob diese designtechnische Umrüstung sinnvoll gewesen war oder nicht. Einen praktischen Nutzen hatte sie im Prinzip überhaupt nicht; im Gegenteil, in der Schlacht war eine »lässige« Einrichtung eher von Nachteil. Vesus wollte seinen Triumph jedoch mit Stil begehen. Er war das Siegen gewohnt; noch nie hatte er eine wirkliche Niederlage einstecken müssen. Dekadent war er dennoch nicht geworden. Die Art, mit der er in das mit großer Wahrscheinlichkeit finale Gefecht ging, war eher eine gesunde Abgebrühtheit als arrogante Nachlässigkeit. In der jetzigen Ausgangslage hätte letzteres aber auch nicht allzu sehr schaden können.
Entspannt lehnte er sich zurück; das intelligente Nackenpolster begann sofort, mit seinen ruhigen Schwingungen den Nacken des Anführers der dorgonischen Armee durchzukneten. Elektromagnetische Impulse führten zudem eine Fußreflexzonenmassage durch, während ihm eine angenehm kühle Brise aus den Ventilatoren, die sich an den Seitenlehnen seines Sessels befanden, ins Gesicht blies.
Es war also alles für sein Wohlbefinden getan. Die Rahmenbedingungen waren geschaffen, es fehlte somit nur noch eins: Der Sieg!
Unvermittelt stand er aus seinem Sessel auf. Sein entspannter Blick wich einem bestimmten, konzentrierten Gesichtsausdruck. Er hatte so lange warten müssen, nun würde er es zu Ende bringen.
Jetzt!
»Taktische Ansicht!«, befahl Vesus, und aus den gegnerischen Rebellenschiffen, die soeben noch von einer Außenkamera gefilmt worden waren, wurden kleine gelbe Punkte auf dem Wandschirm, wobei jeweils 1.000 Schiffe in einem Punkt zusammengefasst worden waren. Wieder einmal lief Vesus ein wohliger Schauer den Rücken hinab, als er daran dachte, dass ein einziges Wort von ihm die Handlungen von hunderttausenden Dorgonen beeinflussen würde. Er genoss die Macht, die er neuerlich verspürte. Und – er genoss den Gedanken, in den dorgonischen Geschichtsbüchern als strahlender Held verewigt zu werden.
Zeit, diese Geschichte zu schreiben!
»Formation Vesus Omega!«
Der angesprochene Offizier nickte bestätigend und gab entsprechende Befehle an die ihm unterstellten Stationen weiter.
Die Formation Vesus Omega konnte man wohl am besten mit dem Bild des Gerüstes einer Pyramide beschreiben, der die Kanten der Grundseite fehlten. Oder, anders ausgedrückt, eine Struktur mit der DOMOLUS an der Spitze, von der insgesamt vier Querlinien in einem Winkel von 45 Grad abgingen.
Die DOMOLUS, also das Flaggschiff, an die vorderste Front zu stellen, wäre in der Milchstraße und auch sonst überall als verwerflich und leichtsinnig angesehen worden. In diesem Fall war es das keineswegs, denn die Schilde der Dorgonen waren relativ undurchdringlich. Auch wenn den Galaktikern und Rebellen es bei Hesophia gelungen war, einige Fregatten und Kreuzer als auch ein Schiff der JUSILUS-Klasse zu vernichten, so war die DOMULUS ein anderes Kaliber.
Vesus fuhr sich mit der Zunge über seine Lippen; sie waren trocken und spröde geworden.
»Nimm Kontakt zu den Rebellen auf.«
*
Pyroth Praid Preck war ein Säufer, und das war er eigentlich schon sein ganzes Leben. Praktisch genauso lange hasste er die Dorgonen.
Preck hatte auf dem Planeten Juvix – so nannten ihn die Eingeborenen – gelebt. Der Planet besaß eine Methanatmosphäre und Temperaturen, die ihn für humanoide Spezies eigentlich zum »Verbotenen Planet« machten. Die Dorgonen in ihrem Machtstreben hatten den Planeten dennoch angegriffen und unterworfen. Allerdings hatten die Juvitianer ihnen heftigen Widerstand entgegengebracht, da das zu diesem Zeitpunkt technisch recht hochstehendes Volk schon über das Anfangsstadium der Weltraumfahrt hinaus war …
Oder sie hatten es zumindest versucht.
Die Juvitianer, die über drei Glieder – zwei Beine und einen Funktionsarm – und eine an Schleim erinnernde Außenhülle sowie einen Rüssel verfügten, wurden zu Millionen niedergemetzelt, sofern sie auch nur geringsten Widerstand leisteten. Pyroth schmerzte es jedes Mal, wenn er wieder an diese Zeit zurückdachte. Das war nun sechzig Jahre her, er war damals in jugendlichem Alter.
Preck war damals von Juvix geflohen. Auch die Dorgonen waren als Verräter bezeichnet und umgebracht worden. Darunter auch seine Familie.
Precks Leben war weitergegangen. Das Raumschiff hatte ihn direkt zu den Veranern geführt, Methan atmende Vagabunden Dorgons, zumeist Piraten oder Geschäftsleute. Preck sah darin eh keinen Unterschied. Er hatte nie den Kontakt zu den Veranern verloren, obwohl er lange Zeit in der Unterwelt Doms gelebt hatte. Durch die Piraten war er schließlich zum Widerstand gekommen.
Die Piraten sympathisierten schon seit jeher mit jeglicher Form des Widerstands gegen die Dorgonen und hatten sich beinahe selbstverständlich der Flotte angeschlossen, die nun eine zünftige Schlacht gegen den Feind schlagen sollte.
Aber daraus würde wohl vermutlich nichts werden, denn was sollte gegen diese Dorgonen helfen?
Pyroths Männer – sieben an der Zahl – waren bereits äußerst nervös. Die Frage, ob sie der nervlichen Belastung gewachsen waren, war irrelevant: Sie waren es nicht. Niemand konnte gegen den bevorstehenden Tod etwas unternehmen.
Pyroth nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Gerne hätte er seiner Truppe einige aufmunternde oder ermutigende Worte gesagt, doch er hatte selbst mit seiner Angst zu kämpfen.
»Pyroth … eine Botschaft der Dorgonen an alle Rebellenschiffe!«, rief sein junger Kommunikationsoffizier. Dieser war mittlerweile ein kleines Häufchen Elend und zitterte heftig am ganzen Körper.
Preck nickte stumm, und auf dem Bildschirm war nun – wie in allen anderen Schiffen der Rebellen – das Antlitz des Vesus zu sehen. Mit unbewegter Miene begann er zu sprechen.
»An alle Rebellenschiffe: Hier spricht Vesus, Kommandant der dorgonischen Streitkräfte. Wir werden nun mit der Säuberung beginnen. Jegliche Gegenwehr wird sinn- und ergebnislos sein. Ihr Rebellenpack besitzt vielleicht eine Handvoll Schiffe, die den Hypertronschirm durchdringen können. Das ist verschwindend gering gegen unsere gewaltige Flotte.
Egal, welche Hoffnungen ihr euch machen mögt: Ihr werdet nicht als Märtyrer sterben. Euer Tod wird schnell und sinnlos sein, wie auch euer bisheriges Tun. Wer sich gegen das dorgonische Imperium auflehnt, wird seine Macht zu spüren bekommen.«
Mit diesen Worten verschwand das Gesicht vom Bildschirm, und zeigte nun die dorgonischen Schiffe, die sich zum Angriff formierten.
In ihrem momentanen Zustand waren die Dorgonen nicht durch das Semi-Transit-Feld geschützt. Das Hypertron-Feld schützte sie aber dennoch vor allen auftreffenden Energien. Wie Vesus richtig feststellte, besaßen nur wenige Schiffe, darunter hauptsächlich die SAGRITON und IVANHOE, Waffenbestände die den Hypertronschirm durchdringen konnten. Die IVANHOE wurde von dem Saggittonen Aurec vor dem Kampf weggeschickt. Was er damit bezweckte, wusste keiner. So hatte man noch weniger Schiffe. Mit dieser verschwindend geringen Anzahl konnte man nicht gegen die imperiale Flotte Dorgons bestehen.
Preck war sich dessen wohl bewusst. Und er war sich ebenso im Klaren darüber, dass er praktisch nichts tun konnte.
Wortlos blieb er in seinem Sessel sitzen, die Finger verkrampft in die Armlehnen gekrallt.
Mit leerer Stimme befahl er ein Ausweichmanöver, als die ersten Schiffe durch Transonator Beschuss auseinandergesägt wurden. Er versprach sich nicht viel von diesem Befehl; das Ende stand bevor, und sie waren völlig hilflos.
Pyroth hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Er würde im Kampf gegen die Dorgonen sterben, das machte es leichter für ihn. Und er hatte niemals aufgegeben.
Das Schiff wurde von dem Schuss eines Hypertron-Impulsers getroffen, die Schilde binnen weniger Sekunden überlastet. Um ihn herum schrien seine Besatzungsmitglieder, aber Pyroth schwieg eisern. Die Augen weit aufgerissen, erwartete er sein Schicksal.
Einige Augenblicke später wurde das Schiff in seiner Struktur destabilisiert und die Materie in den Hyperraum abgestrahlt. Die Existenz von Pyroth Praid Preck war beendet worden. Und die Rebellen fielen wie die Fliegen …
*
Die Schlacht tobte und die Rebellen verloren in jeder Minute Dutzende von Schiffen. Es war ausweglos. Das letzte Aufbegehren des dorgonischen Widerstands wurde zu einem Fiasko. Uleman, Aurec, Joak Cascal und Julian Tifflor verfolgten die Schlacht in der Kommandozentrale der SAGRITON.
Eine düstere Mine und tiefe Falten kennzeichneten das Gesicht Ulemans. Er wusste, dass sie verloren hatten. Cascal fieberte mit den Angriffen mit und fiel Serakan, der die Attacken der SAGRITON koordinierte, oft ins Wort, sehr zum Unwillen des Kommandanten der SAGRITON. Natürlich hegte er Verständnis für Cascal aber auch Henry Portland, zwei Kommandanten ohne Raumschiffe, doch es reichte schon, dass Serakan und Waskoch sich das Kommando teilten, weil Aurec keinen benachteiligen wollte. Waskoch war derweil mit dem Kommando über die noch 423 verbliebenen Kreuzer und Beiboote beschäftigt.
Julian Tifflor starrte Aurec traurig an.
»Wir haben keine Chance. Das ist glatter Mord. Wir müssen den Befehl zum Rückzug geben. Die Dorgonen sind zu mächtig. Kehren wir wieder in die Milchstraße zurück und rüsten uns für die Invasion«, erklärte der Unsterbliche.
Aurec schüttelte den Kopf.
»Wir sind es unseren dorgonischen Freunden schuldig, dass wir das bis zum Ende ausstehen. Vertraue mir alter Freund, noch haben wir nicht verloren.«
»Du bist krank!«, brüllte Tifflor. Er konnte nicht verstehen, wie Aurec so gelassen sein konnte. Vielleicht war der ganze Einsatz zuviel für den Saggittonen und er hatte den Hang zur Realität verloren.
Tifflor überkam allmählich das Gefühl, als würde er nie wieder Terra sehen …
*
Die Rebellen konnten nicht gewinnen. Die Schiffe wurden zu Dutzenden vernichtet, ohne selbst eine wirkliche Gefahr für ihre Gegner darzustellen. Es war kein schönes Ende, das die Rebellen ereilte, und es war auch recht unspektakulär. Sie wurden lediglich in ihre Einzelteile zerlegt und in den Hyperraum abgestrahlt …
Vesus wusste das. Er wusste es gut, und lächelte zufrieden.
Einige hundert Schiffe der Rebellen versuchten, unkoordiniert zu fliehen. Vesus ordnete an, dass sie einige kleine und wendige Einheiten verfolgen sollten. Wenige Minuten später wurden die Flüchtigen gestellt und ausnahmslos zerstört.
Vesus instruierte seine Schiffskommandanten, die Formation aufzulösen und sich in einer netzartigen Struktur neu anzuordnen. Somit waren die Schiffe der Rebellen eingekreist, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Schlacht ein Ende finden würde.
Vesus frohlockte innerlich. Seine Taktik war aufgegangen, nun würden die Kanoniere der einzelnen Einheiten ihre Arbeit verrichten.
»Rubinus, du hast das Kommando«, wies er seinen Stellvertreter auf der DOMULUS an. Dieser bestätigte knapp, und Vesus verließ die Zentrale, um in sein privates Gemach zu gehen.
Vesus war ein hervorragender Soldat und ein exzellenter Stratege im Schlachtfeld. Dieser Kampf gegen die Rebellen erschien ihm aber doch fast etwas zu einfach. Die Schüsse der Aufständischen hatten nicht einmal die Schirme der Dorgonen auch nur ein bisschen belasten können; das war logisch und nicht anders zu erwarten gewesen.
Nur das saggittonische Schiff SAGRITON konnte bis jetzt fünf Adlerschiffe vernichten. Im Gegenzug wurden bereits 5.000 Rebellenschiff ausradiert. Eine gute Bilanz, wie Vesus fand.
Er dachte an seine Gespräche mit Nersonos und auch mit den früheren Kaisern zurück. Ihm hatte es nie wirklich etwas bedeutet, wer sein Oberhaupt war. In erster Linie war er ein Soldat, ein Soldat des dorgonischen Imperiums.
Er diente Dorgon!
Im Jahre 1278 NGZ war Vesus Sicherheitschef auf der JUSILUS XI gewesen und hatte während der legendären Schlacht am Throgahn-Dreieck seinen Dienst auf der Brücke absolviert. Der damalige Flottenoberkommandant Hasanus war während des Gefechts auf dem Flaggschiff DRUSANIA mitsamt seinem Schiff vernichtet worden. Sein Stellvertreter hatte auf der JUSILUS die Nerven verloren und Vesus die Initiative übernommen. Mit gewagten Manövern und strategischen Glanzleistungen hatte er die Adlerschiffe zum Sieg geführt und war dafür zum Oberbefehlshaber der Flotte befördert worden. Damals war er von vielen gefragt worden, ob nur sein Mut oder auch sein unbändiger Wille zum Erfolg dafür verantwortlich waren. All denen hatte er geantwortet: »Wollen – das ist zu wenig! Begehren führt dich zum Ziel.«
Begierig nach dem Sieg in der Schlacht, das war er schon immer. Und er hatte seinen Posten durchaus verdient.
Nun stand er nach vierunddreißigjähriger Dienstzeit vor dem größten Triumph seines Lebens.
Siegesgewiss ballte er die Faust …
*
Rubinus stand auf der Kommandobrücke, die Hände in die Hüften gestemmt. Mit Entzücken beobachtete er den Bildschirm, auf dem die Schiffe der Rebellen des Gegners in wabernden Wellen vergingen. Auch die DOMOLUS hatte gerade ihren Hypertron-Impulserschuss abgegeben und dabei einige kleinere Schiffe der Rebellen beseitigt.
»Transonator einsetzen«, bestimmte er.
Der Transonator war eine phantastische Waffe: er durchschlug Schirme praktisch jeder Art binnen Sekunden und zerschnitt Raumschiffe wie Butter. Die daraus resultierende Wirkung war verheerend: So wurden die Schiffe nicht nur kampfunfähig gemacht, auch die Besatzung wurde unter Umständen getötet, sofern sie nicht schon durch das entstehende Vakuum ums Leben kam. Wer nämlich das Pech hatte, von diesem Monster-Laserskalpell direkt getroffen zu werden, verschied auf überaus schmerzvolle und unschöne Art.
»Wir haben die Flottenstärke des Gegners bereits halbiert«, meldete ein junger Offizier stolz. Rubinus war gerade dabei, sich zu setzen, als seine Kinnlade herunterklappte.
»Beim Großen Imperium …«
*
Quec war einer der Rebellenkapitäne, die völlig schockiert vor ihren Bildschirmen saßen.
»Ich dachte eigentlich, schlimmer kann es nicht mehr werden«, bekannte er dumpf. »Wie viele sind es?«
Dem Ortungsoffizier traten die Schweißperlen auf die Stirn. Er schien seinen Geräten nicht ganz zu trauen.
»Ich glaube, meine Anzeigen spielen verrückt … aber nach den Zahlen, die ich hier habe, sind es 200.000!«
Quec fiel in sich zusammen. »Das dürfte es gewesen sein, Männer!«, seufzte er mit einer Handbewegung zum Wandschirm. Auf ihm waren Unmengen von Schiffen zu sehen, die wie aus dem Nichts plötzlich erschienen waren.
Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf, und er sprang auf.
»Bleibt nur noch die Frage: Gehören sie zu den Dorgonen … oder zu uns?«
*
»Wir sind da …«
Lorif sprach das aus, was eigentlich allen klar war. Dennoch hatten seine Worte einen tieferen Sinn, denn damit drückte er gleichzeitig aus: Jetzt geht's los!
Xavier Jeamour nickte bedeutungsschwer, den Kopf auf seine linke Hand gestützt. »Ja, Lorif … wir sind da. Jetzt werden wir sehen, ob die saggittonischen und somerischen Wissenschaftler genauso gut gearbeitet haben, wie wir.«
»Ich habe schließlich auf unserem Rückflug alles überprüft. Ich gehe von einer positiven Funktionalität aus«, beeilte der Posbi sich zu versichern.
»Nun, da du dich nie irrst«, erwiderte Jeamour etwas süffisant.
»Was sind die nächsten Befehle?«, fragte James Fraces ungeduldig. Der Erste Offizier der IVANHOE konnte es gar nicht erwarten, den Beschuss zu eröffnen.
»Nun …« Jeamour erhob sich und zog seine Uniform zurecht. »Ich denke, es wird Zeit, den Dorgonen in ihren verdammten Arsch zu treten!«
Seine Besatzungsmitglieder blickten ihn etwas überrascht über diese ungewohnte Formulierung an. Jeamour lächelte verlegen.
»Oder, mit anderen Worten«, fuhr er an den Feuerleitoffizier Obaotschi gewandt fort, »Feuer nach eigenem Ermessen!«
*
Alarmiert durch die neuesten Entwicklungen war Vesus wieder auf der Brücke der DOMOLUS erschienen und hatte das Kommando übernommen. Er war nicht wirklich beunruhigt über die Ankunft der 200.000 Schiffe, die offensichtlich den Rebellen angehörten. Sie waren nur ein kleines Ärgernis, das diesen Arbeitstag wohl um einige Stunden verlängern würde. Erfreut war er nicht gerade, aber er war von der Unbesiegbarkeit seiner Flotte überzeugt.
Er war nochmals von seinem Spion an Bord der SAGRITON darüber informiert worden, dass inzwischen nur noch die SAGRITON und drei andere Rebellenschiffe über eine Waffe gegen den Hypertronschirm verfügten. Die Koordinaten der drei Rebellenraumer wurden festgestellt, die Schiffe lokalisiert und vernichtet.
Jetzt war es nur noch die SAGRITON und die wollte sich Vesus bis zum Schluss aufbewahren.
»Verband auflösen und neu formieren«, gab er Order. Er wollte auch die – zugegeben zahlenmäßig starken – Neuankömmlinge ebenso wie die anderen Rebellenschiffe einkreisen, um sie ohne mühselige Manöver vernichten zu können.
Die Schiffstypen der Einheiten, die neu dazu gestoßen waren, konnten von den Dorgonen zu 80 Prozent als Saggittonen identifiziert werden. Die anderen, trapezförmigen Raumschiffe kleinerer Natur konnten nicht klassifiziert werden. Vesus überlegte, wo die Saggittonen herkamen. Das Sternenportal war seit Monaten abgeriegelt, nachdem Vesus die Information erhalten hatte, dass die Galaktiker und Saggittonen über das Portal nach Dorgon gereist waren. Hatten sich die Saggittonen über die Monate hinweg versteckt? Unwahrscheinlich. Saggittor lag etliche Millionen Lichtjahr von Dorgon entfernt.
Wenige Momente später geschah etwas, das ihn in tiefe Bestürzung treiben sollte …
*
»Puh … wir sind an den richtigen Koordinaten herausgekommen«, seufzte Will Dean erleichtert.
Der Kommandant der SIOM SOM, der Somer Sam, wandte sich überrascht zu ihm um.
»Wieso bist du da so erstaunt?«
»Erstaunt ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Ich vertraue Triebwerken aller Art nicht mehr so sonderlich seit unserem kleinen Abenteuer über Stiftermann III …«
Sam musste verzückt gackern, als er an diese Tage zurückdachte. Er und Will Dean waren damals auf der BASIS als Agenten tätig gewesen. Verfolgt von verschiedenen Gruppen und der Mordred wurden sie zur Flucht gezwungen. In den folgenden Tagen waren sie von dem Mordred-Schiff quer durch den Weltraum gehetzt worden. Nur aufgrund ihres Einfallsreichtums war es ihnen gelungen, ihre Haut zu retten. Allerdings war ihnen das wegen einiger Fehlfunktionen des Triebwerks nur knapp geglückt. Sam konnte seinen Freund in diesem Punkt durchaus verstehen.
Das war nun aber schon wieder einige Zeit her. Die Feinde waren mächtiger und gefährlicher geworden.
Nun galt es, die Dorgonen im offenen Kampf zu schlagen. Einige Monate hatte es gedauert, die Raumschiffe mit einer wirksamen Waffe gegen den Hypertronschutzschirm auszurüsten. 20.000 Raumschiffe der Somer, Pterus, Elfahder und Ophaler. Dazu 180.000 Schlachtschiffe der Saggittonen unter dem Kommando von Rauoch.
Das erbeutete Adlerraumschiff der dorgonischen Agenten in Siom Som hatte den Ausschlag gegeben. Die bangen Monate des Wartens waren nun vorüber. Sam hatte sich oft gefragt, ob die Expeditionsmitglieder überhaupt noch am Leben sein würden, wenn sie die 12 Millionen Lichtjahre von Siom Som zurückgelegt hatten. Mitte November waren sie aufgebrochen. Mit einem Überlichtfaktor von 80 Millionen waren sie nach M100 gerauscht, hatten ihre Raumschiffe bis an die Grenzen gebracht.
Mitte Januar war es dann soweit gewesen. Und es war ihnen gelungen, die SAGRITON ausfindig zu machen, als sie von Hesophia geflohen war. Sie waren zum richtigen Zeitpunkt gekommen.
Weiter hinten in der Zentrale stand Salaam Siin, der das Geschehen mehr oder weniger aus dem Hintergrund beobachtete. Sam selbst verabscheute im Grunde seines Herzens Gewalttaten, aber in diesem Fall rechtfertigte seiner Meinung nach wieder einmal der Zweck die Mittel.
Als die IVANHOE sich mit ihnen getroffen und über die letzten Monate berichtet hatte, war Sam klar, dass die Dorgonen nur mit Gewalt zur Aufgabe gezwungen werden konnten. So viele Galaktiker und Saggittonen hatten ihr Leben gelassen. So viele Dorgonen, die an Freiheit statt an Diktatur glaubten.
»Auf was wartest du?«, wollte Dean wissen. »Die Dorgonen warten doch gerade darauf, dass man sie aus dem Weltall fegt. Gib endlich den Feuerbefehl!«
Sam wollte nicht derjenige sein. Er kontaktierte Admiral Rauoch auf der DOROC, einem Raumschiff, welches »nur« einen Kilometer weniger Durchmesser besaß als die SAGRITON.
»Rauoch, es ist Ihre zweifelhafte Ehre, den Angriff zu leiten«, erklärte Sam.
Tausende Schiffe standen still im Weltraum, völlig friedlich.
Noch.
Plötzlich explodierte eines der Adlerschiffe …
*
Auf der DOMOLUS traute Vesus seinen Augen und Ohren nicht. »Das kann doch nicht wahr sein …«
Das war nicht die SAGRITON!
»Vesus! Die Feinde sind offensichtlich in der Lage, unsere Schutzschilde zu durchdringen«, meldete Taktikoffizier Concedus, sichtlich geschockt.
»Das sehe ich selbst«, erwiderte Vesus. »Aber wie ist das nur möglich?«
»Kommandant!«
Die Stimme des meldenden Offiziers klang völlig verzweifelt.
»Wir haben soeben hundertsiebzig Schiffe verloren, sechzig vom Typ Fregatte und hundertzehn vom Typ Kreuzer!«
Fassungslos schüttelte Vesus den Kopf. Es war den Feinden offenbar gelungen, ihre primitiven vierdimensionalen Waffen zu erweitern und dadurch das fünfdimensionale Feld der Dorgonenschiffe zu knacken.
Er hatte die Saggittonen unterschätzt. Er hatte die Galaktiker unterschätzt. Doch die Ausrüstung so vieler Schiffe hatte sicherlich Zeit in Anspruch genommen. Vesus war noch immer völlig perplex.
Offensichtlich konzentrierten immer etwa hundert Schiffe ihr Feuer auf ein Schiff der Dorgonen, wodurch die zahlenmäßige Effektivität natürlich geringer wurde, aber gleichzeitig bedeutete das, dass die Dorgonen den Terranern ausgeliefert waren.
Ein schwerer Treffer erschütterte die DOMOLUS.
»Ausweichmanöver!«, brüllte Vesus. Er war vom Fortschritt der Dinge völlig überrollt worden.
Die DOMOLUS, wie auch die meisten der übrigen dorgonischen Schiffe, feuerten mittlerweile zurück. Immer wieder erwischten sie dabei auch einige Schiffe, aber verglichen mit der sonst so souveränen Kampfführung agierten die Dorgonen nun wie gelähmt.
Grelle Lichtblitze auf dem Wandschirm zeugten von der Zerstörung, die die terranischen Transformgeschosse unter den dorgonischen Einheiten anrichteten.
Bei jeder Explosion zuckte Vesus zusammen; Tränen standen ihm in den Augen, aber er hielt sie zurück. Ihm war, als stürbe ein Teil von ihm mit der Flotte. Mühsam schluckte er und setzte wieder die gewohnte disziplinierte Miene auf.
Noch wollte er einfach nicht aufgeben!
»Wir haben mittlerweile knapp 15.000 Schiffe verloren!«, kreischte der junge Offizier.
Vesus strich sich fahrig durch die Haare. Die Ausgangsposition der Schlacht hatte sich geändert, niemand hatte mit ernsten Gefahren gerechnet.
Die andere Seite war nun zum Gegenangriff übergegangen, die Flotte Dorgons war zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich in der Defensive. Bedachte man noch, dass die Soldaten nun verständlicherweise völlig demoralisiert waren, wurde offensichtlich, welch dramatische Wendung die Schlacht genommen hatte.
Ich sollte es mit Ferus besprechen, überlegte Vesus. Ferus war der Kommandant der TRIUMPHUS, eines Adlerschiffs der SULVETIUS-Klasse, und ein guter Freund des Großadmirals.
»Verbindung mit der TRIUMPHUS herstellen.«
Der Bildschirm flackerte, und zeigte kurze Zeit später den gewünschten Gesprächspartner.
Doch Vesus sah nicht das, was er gerne gesehen hätte.
»Wir stehen unter schwerem Beschuss! Verdammt, Vesus, wir müssen hier raus! Hast du verstanden? Hast du …«
Bevor Vesus auch nur einen Ton hervorbrachte, brach die Verbindung ab, und der Bildschirm wurde einmal mehr von einer Explosion erhellt.
»Wir haben die TRIUMPHUS verloren«, teilte Concedus mit.
Und wir haben die Schlacht verloren, setzte Vesus in Gedanken hinzu. Hier und jetzt ist nichts mehr zu machen.
»An alle dorgonischen Einheiten! Sofortiger Rückzug aus dem Gebiet! Ich wiederhole, Rückzug aus dem Gebiet!«
Die Maschinen an Bord des Schiffs liefen an und beschleunigten binnen Sekunden auf halbe Lichtgeschwindigkeit. Dann enthob sie das Hypertakttriebwerk dem Normalraum, mit Kurs auf Dorgon.
Vesus vergrub das Gesicht in seinen Händen. Noch nie war es ihm derart schwer gefallen, einen solchen Befehl zu geben, aber der Rückzug war in diesem Fall die einzige logische Option.
Nur wusste er noch nicht, wie er dieses Debakel – und den Verlust von 19.312 Schiffen – Nersonos erklären sollte. Die meisten Raumschiffe waren innerhalb der ersten Minuten des Angriffs der saggittonischen Flotte zerstört worden. Sie hatten einfach nicht damit gerechnet. Wie denn auch? Der Hypertronschutzschirm war doch bisher unüberwindlich gewesen.
Vesus vergrub das Gesicht zwischen die Hände.
Er war Soldat. Verluste gehörten zu seinem Beruf, doch diesmal trauerte er um die Gefallnen.
*
Unbeschreiblicher Jubel brach los an Bord der SAGRITON, als augenscheinlich wurde, dass die Dorgonen aufgaben.
Aurec lächelte zufrieden.
»Das war Rettung in letzter Sekunde, was?«, freute sich Uleman, der neben Aurecs Sessel stand. Der Anführer der Rebellen, der die Schlacht auf der SAGRITON beobachtet hatte, schien etwas überrascht von dem scheinbar zeitlich genau festgelegten Ankommen der Schiffe aus Estartu zu sein.
»Das war es«, gab Aurec zu.
Uleman musterte ihn misstrauisch.
»Du scheinst überhaupt nicht so verwundert zu sein wie ich.«
»Das bin ich auch nicht«, versetzte Aurec.
»Aber …«
»Aber was?«
»Weshalb warst du nicht erstaunt? Wusstest du etwa von der Ankunft dieser Flotte?«
Aurec lächelte mild.
»Nun ja …«
Uleman runzelte die Stirn.
»Du wusstest, dass sie kommen würden?«
»Darüber dass sie kommen würden, war ich natürlich informiert. Und ich konnte mir auch bereits denken wann.«
»Warum hast du mich dann nicht darüber aufgeklärt? Vielleicht hätten wir die Leben von vielen, vielen Widerstandskämpfern retten können?«
»Warum ich dich über die Mission der IVANHOE nicht aufgeklärt habe?«
Aurec war aufgesprungen, sein Gesicht verriet, dass er angespannt war.
»Ganz einfach, ich hatte bereits einen Verräter in den eigenen Reihen vermutet. Und wie sich nun herausgestellt hat, lag ich damit völlig richtig. Deswegen habe ich die IVANHOE losgeschickt, als die SAGRITON mir einen codierten Funkspruch unserer Flotte vermeldete. Ich hatte niemand etwas davon erzählt. Nur Jeamour, Serakan, Waskoch und der Funker wussten noch davon. Jeamour hatte die Instruktion, erst nach erreichen der 200.000 Schiffe, seine Crew zu informieren.«
Aurec machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: »Vor Monaten war ein Schiff von uns in die 12 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Siom Som aufgebrochen. Ebenso ist ein Kreuzer nach Saggittor aufgebrochen. Sowohl in Siom Som als auch in Saggittor befinden sich Sternenportale. Daher haben wir die Galaxien schnell erreicht. In Siom Som waren ebenfalls dorgonische Agenten aktiv. Doch unsere Leute konnten ein Adlerraumschiff erbeuten, die Technologie analysieren und die Saggittonen passten ihre Waffensysteme an. Dann sammelten sie die Flotte und brachen über den herkömmlichen Weg auf. Erst vor wenigen Tagen, als wir Hesophia verloren, fanden sie uns.«
Langsam nickte Uleman.
»Es war klug von dir, so zu handeln.«
»Das dachte ich auch.«
Tifflor stand wütend auf und Schlug Aurec ins Gesicht. Der Saggittone starrte den Terraner irritiert an.
»Du bist wirklich krank. Du lässt uns hier Höllenqualen erleiden, obwohl du genau wusstest, dass Hilfe anrückt!«
Danach fiel der Unsterbliche Aurec freudig um den Hals und küßte ihn auf die Stirn. Aurec fing sich wieder und musste nun auch lachen.
Der Saggittone erhob sich aus seinem Sessel und machte sich auf den Weg, die Zentrale zu verlassen.
»Wie gehen wir weiter vor?«, fragte Henry Portland.
»Wir befreien Hesophia«, schlug Uleman vor.
»Uleman! Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht den ganzen Krieg. Die Dorgonen sind geschockt und geschwächt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, der Diktatur ein Ende zu bereiten!«
Uleman atmete heftig und stoßartig. Es war ihn anzusehen, dass es in ihm arbeitete.
»Ich halte das nicht für vernünftig. Ich will keinen Bürgerkrieg.«
»Der findet doch schon längst statt. Oder wie bezeichnest du die Sklaverei, wenn nicht als Krieg gegen die Bürger? Die Flotte ist geschwächt, irritiert. Wenn wir jetzt Nersonos stürzen, kannst du den Senat vom Frieden überzeugen.«
Er packte Uleman an den Schultern.
»Denk auch an Arimad. Willst du sie auch verlieren, wie Ulesia? Wie viele Kinder Dorgons müssen noch sterben?«
Aurec sprach mit einer Leidenschaft, die selbst Uleman berührte.
»Uleman, diese Möglichkeit kommt unter Umständen niemals wieder. Wir müssen ins Dorgonia-System fliegen, um Nersonos zu stürzen und die Diktatur zu beenden!«
Uleman senkte sein Haupt und nickte kurz. Er musste einsehen, dass dies die Gelegenheit war, auf die er so viele Jahre hatte warten müssen. Nun, da der Zeitpunkt gekommen war, hatte er es nicht glauben wollen – und ihn beinahe verpasst.
»Einverstanden.«
Aurec lächelte. »Ich wusste es.«
Wenige Minuten später brach die Flotte der Saggittonen, Rebellen, Somer, Elfahder und Galaktiker in Richtung Dorgonia-System auf, um für den Frieden in Dorgon zu kämpfen …
23. Januar 1293 NGZ
Nersonos saß gelangweilt auf seinem Sessel und kaute an den Fingernägeln. Er wartete auf die Siegesmeldung von Vesus.
Um ihn herum befanden sich nur Cauthon Despair, Digalinus, seine Frau Arimad und seine beiden Liebhaber, die nur mit einem Lendenschurz bekleidet an der Leine zu Füßen des Kaisers lagen.
Es war leer um Nersonos geworden. Er war der letzte der kaiserlichen Familie. Alle anderen waren tot.
»Oh welch trauriges Schicksal. Eine Dynastie am Abgrund. Mein geliebter Onkel gemeuchelt von des Saggittonen König. Mein geliebter Vetter verraten und aufgespießt von des eigenen Wachen Schwert. Mein heiß und innig verehrter Onkel Klausius zu tote ausgeschieden und meine Mami …«
Nersonos schluchzte.
»Mama ist auch tot. Der liebe Priamus. Sorana mit meiner Tochter im Unglück zerstrahlt. Auch tot. Alle tot. Alle sind sie weg. Aber ihr. Ja, ihr lieben Menschen habt mich nicht allein gelassen.«
Nersonos kicherte verzückt.
Er fasst Arimad ans Kinn, die ihn mit starrer Miene anblickte.
»Aber wir gründen eine neue Dynastie mit vielen neuen, kleinen Thesasians, Decrusians und Nersonossen.«
Arimad atmete tief durch.
Widerworte hätten tödlich sein können. Nersonos war ein gefährlicher Geisteskranker. Das Forum Preconsus hatte dies erkannt, konnte jedoch nichts tun. Jeder schien Angst vor Nersonos zu haben.
Es war sehr still in den kaiserlichen Gemächern. Niemand wagte ein Wort zu sagen. Despair stand wie angewurzelt am Balkon und blickte über die gewaltige Stadt Dom. Digalinus lief unruhig auf und ab, während Arimad verkrampft neben ihrem Mann sitzen musste. Schließlich brach der Imperator selbst das Schweigen mit einem lauten Seufzen.
»Wie lange lässt Vesus mich noch warten?«
Keiner der Anwesenden wusste darauf eine Antwort. Es vergingen wieder einige Minuten, bis man bereits von weitem das Öffnen einer Tür und die Schritte eines Mannes hören konnte. Aufmerksam lauschte Nersonos den Schritten, dann öffnete sich auch die Tür zum Thronsaal. Es war in der Tat Vesus. Der Soldat mit den stahlblauen Augen und den eingefallenen Wangenknochen ging sehr bedacht zum Kaiser und verbeugte sich leicht.
Ihm folgte der Oberkommandant der Bodentruppen, General Celusian.
»Nun, Vesus? Wo ist Ulemans Kopf?«
Der Dux Superior schwieg. Er schien nach den passenden Worten zu suchen.
Nersonos Mine legte Strenge auf.
»Du hast Uleman doch nicht etwa getötet und vergessen mir den Kopf mitzubringen? Das wäre ziemlich gemein von dir«, mahnte er und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor Vesus Nase hin und her.
»Nein, mein Kaiser. Uleman lebt. Wir haben die Schlacht verloren!«
Nersonos Lächeln erstarb. Er starrte verwirrt die anderen an und verlor den Halt. Der Kaiser taumelte in seinen Thron zurück und rang nach Luft.
Über die Lippen von Arimad huschte ein Lächeln, während Praefekt Tutum Digalinus ebenso entsetzt war, wie sein Freund und Imperator.
»Den Rebellen ereilte Hilfe. 200.000 Schiffe der Saggittonen tauchten plötzlich auf und fielen uns in die Flanken«, fuhr der Großadmiral fort.
Nersonos stampfte wütend auf.
»Aber … aber diese Barbaren sind uns doch unterlegen. Wir haben doch den Hypertronschirm! Nichts kann ihn durchbrechen!«, schrie der Kaiser.
Vesus schenkte dem Kaiser ein müdes Lächeln.
»Doch, es gelang ihnen. Die Saggittonen haben eine Gegenwaffe. Wir haben knapp 20.000 Schiffe verloren. Ich ordnete den Rückzug an, bevor wir völlig aufgerieben wurden.«
Nersonos fasste sich an den Kopf und lief schreiend durch den Raum. Er plärrte wie ein kleines Kind.
»Oh, DORGON, welch Grausamkeit.
War ich nicht zu allem bereit?
Bastarde verraten mich, wie Schweine des dumpfen Wahnsinn quiekend grollen. So bringt mir des Mohrys Hintern auf einer Lanze …«
Niemand wusste etwas mit diesem wirren Gedicht des Nersonos anzufangen. Kaum hatte er die Worte gesprochen, weinte er erneut.
Despair glaubte bereits, es war um den Kaiser geschehen, denn er hörte nicht mehr auf. Nersonos lief rot an und tauchte seinen Kopf in eine Schale Wasser ein, damit er wieder zu klarem Verstand kam. Anschließend warf er den gesamten Tisch um.
»Dorgon ist unbesiegbar! Wir haben die größte Flotte im Universum. Selbst wenn wir angreifbar sind, so kann man doch sich nicht einfach zurückziehen! Das geht nicht!«, warf Nersonos in den Raum.
Vesus blieb wie angewurzelt stehen. Langsam begann er um sein Leben zu fürchten. Er riss sich wieder zusammen.
»Die Mannschaft war verwirrt und entsetzt. So hätten wir die Schlacht nicht gewinnen können. Ich hielt es für besser, vorerst eine Niederlage einzustecken, bevor wir noch weitere Einheiten verloren hätten.«
Nun mischte sich auch Digalinus ein.
»Vesus hat recht. Die Galaktiker und Saggittonen haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg!«
Nersonos schüttelte nur den Kopf und sank wieder in seinen Thron. Arimad sah ihn triumphierend an. Der Kaiser ignorierte die Blicke seiner Frau.
Ängstlich schüttelte sich der gedrungene Dorgone und starrte die anderen an. Nersonos wippte nach vorne und wieder zurück. Wieder und wieder. Das linke Bein zitterte vor Erregung. Er stand auf und rannte zu Digalinus.
»Was soll ich jetzt tun?«
Nersonos klammerte sich an die Schultern seines Freundes und rüttelte daran. Digalinus versuchte seinen Gebieter zu beruhigen.
»Wir dürfen uns von dieser Niederlage nicht betroffen zeigen. Im Gegenteil, wir müssen das Volk mobilisieren und die Verräter nun öffentlich bestrafen. Wir müssen sie demütigen und ihren Willen brechen!« erklang die harte Stimme des Anführers der Prettosgarde.
Nersonos nickte langsam. In seinen Augen stand der Wahnsinn.
»Wie?«, fragte er nur.
»Hinrichtungen. Öffentliche Hinrichtungen aller Verbrecher und Anhänger Ulemans. Vesus wird sicherlich ein paar Kriegsgefangene gemacht haben.«
»Ich habe etwa 2.000 Gefangene bei der Schlacht auf Hesophia gemacht«, verkündete der dicke General Celusian stolz.
Digalinus lächelte dem Kaiser hinweisend zu. Nersonos verstand nun auch. Der Wahnsinnige lief durch den Raum und krallte sich an einen Vorhang fest. Er schien eine Weile über etwas nachzudenken, dann sagte er: »Exekutiert sie! Bei den Spielen sollen sie verbrannt und abgeschlachtet werden. Es soll blutig und grausam werden. Wir zeigen es diesem Pack!«
Nun kehrte wieder Leben in Cauthon Despair ein. Der Silberne Ritter wanderte auf den Kaiser zu und fixierte seinen Blick auf die in seinen Augen kümmerliche Gestalt Nersonos.
»Mein Kaiser, hältst du es für klug, mit solch schrecklichen Mitteln vorzugehen? Willst du nicht als Imperator der Kunst und der Muse in die Geschichte Dorgons eingehen? Oder willst du, dass man dir den Beinamen Schlächter gibt?«
Wieder hallte ein Schrei des Kaisers durch den Raum. Er griff sich an den Haaren und zog solange daran, bis er ein Büschel in den Händen hielt.
»Sie sollen sterben, denn sie haben mich verraten. Ich habe keine andere Wahl, Cauthon«, jammerte Nersonos und lief wieder auf Digalinus zu. Er packte ihn und flüsterte: »Sorge dafür, dass meine Befehle sofort ausgeführt werden.«
Digalinus salutierte und verließ den Raum.
Anschließend schickte Nersonos auch Vesus und Celusian heraus und riet Vesus nicht, noch einmal zu verlieren.
Cauthon Despair beobachtete den Kaiser. In dem Dorgonen sah Despair nur noch einen Geisteskranken, der nicht mehr wusste, was er tat. Dorgon war verloren. Die Galaktiker hatten eine Gegenwaffen gefunden und Hilfe geholt.
Nersonos konnte das Reich nicht mehr retten, dazu war er zu verrückt. Nein, im Gegenteil, der schwachsinnige Kaiser würde den Verfall noch forcieren.
24. Januar 1293 NGZ
In den dunklen Gemäuern der Arena war die Luft feucht und stickig. 2.000 Gefangene Dorgonen und auch ein paar Galaktiker mussten sich in einen großen Kerker zwängen. Sie hatten keine Möglichkeit ihre Notdurft in einem anderen Raum zu verrichten, daher stank es abstoßend in den Ecken der großen Zelle.
Krassus und Jenny Taylor kauerten auf dem steinigen Fußboden und versuchten einigermaßen ruhig zu bleiben. Taylor sah sich um. Sie fühlte sich um mindestens viertausend Jahre in die Vergangenheit versetzt. Es sah so aus wie in alten Filmen, Büchern oder Dokumentationen über die Antike oder das Mittelalter Terras.
Während der Schlacht auf Hesophia, um die Unterwasserstadt Tiranus, war sie und die anderen Soldaten gefangen genommen worden. Einige der 2.000 Alliierten hatten sich sicherlich auch während der späteren Raumschlacht ergeben. Jenny hatte sich freiwillig gemeldet, um in Tiranus Hilfe zu leisten. Das bereute sie nun ein wenig, obwohl sie auch das nächste Mal, sich freiwillig melden würde.
Die Bordärztin der IVANHOE entdeckte auch ein paar Somer. Sie hatten von ihnen erfahren, dass die Dorgonen eine Niederlage hinnehmen mussten, als 200.000 Raumschiffe der Saggittonen und Estarten den Rebellen und der SAGRITON sowie IVANHOE zu Hilfe gekommen waren.
Jenny hoffte auf ihre Kameraden und Freunde. Sie schmunzelte. Die Crew der IVANHOE bestand schon aus einem komischen Haufen. Der Kommandant war immer völlig schüchtern und reserviert, wenn er zu einer Untersuchung in die Medostation ging. Jenny überspielte dies stets mit ihrer Routine, doch offenbar war es dem Belgier unangenehm, sich von einer hübschen Frau untersuchen zu lassen. Ganz anders Mathew Wallace oder James Fraces, die das flirten gar nicht lassen konnten. Beide waren attraktive Männer, doch Jenny Taylor war die Ärztin und keine Vergnügungsdame. Wenn einer der beiden es mal wieder übertrieb, verschrieb sie ihnen ein Testosteron abbauendes Mittel. Irwan Dove war über jeden Zweifel erhaben und immer wieder zu trockenen Scherzen aufgelegt. Dabei hatte der Gute viel durchgemacht in seinem Leben. Tja, dann waren da noch der Posbi Lorif und der Blue Zyrak Wygal, die wohl größten Exzentriker an Bord der IVANHOE. Sie vermisste ihre Freunde schon jetzt. Jenny war froh, dass Krassus ebenfalls zu den Gefangenen zählte, denn somit stand sie nicht völlig allein da.
Der Dorgone wirkte jedoch bedrückt.
Die blonde Doktorin, von der Joak Cascal einmal gesagt hatte, sie sei viel zu schön für ihren Beruf, legte ihren Arm über Krassus' Schulter und versuchte ihn wieder aufzumuntern.
Sie selbst musste stark sein und durfte ihre Angst nicht zeigen. Vielleicht war sie die ranghöchste Offizierin unter den Galaktikern und Somern.
Doch einen Aufstand konnte sie beim besten Willen nicht anzetteln. Sie war Ärztin und keine Soldatin.
Plötzlich stürmten einige Wärter herein.
»Alle Dorgonen mitkommen!«, rief ein bulliger Mann mit einer surrenden Axt in der Hand. Die ersten Gefangenen verließen die Zelle.
Krassus blickte Taylor fragend an, dann stand er auf.
»Bleib hier!«, bat sie ihn.
»Dann würden sie mich töten. Ich muss mitgehen«, erklärte er. Seine Stimme klang tonlos. Er hatte begriffen, dass ihn nichts mehr vor dem Tod bewahren konnte. »Sei stark, Terranerin! Lebe wohl!«
Jenny Taylor blickte ihm eine Weile hinterher. Der Raum leerte sich. Etwa 300 Terraner, Blues und Somer waren noch übrig. Die restlichen 1.700 Kriegsgefangenen wurden in die Arena geführt.
Jenny kletterte zu einem Fenster hoch, welches durch einen transparenten Schutzschirm abgesichert war. Von dort aus konnte sie die Arena überblicken.
Was sie sah, entsetzte die junge Terranerin. Die Gefangen wurden in die Mitte der Arena gebracht. Ihnen wurden die Kleider von den Leibern gezogen, dann hetzten die Dorgonen wilde Tiere auf ihre wehrlosen Artgenossen. Wen die Bestien nicht zerfetzten, wurde an einen Pfahl angeschlagen und bei lebendigem Leibe verbrannt.
Tränen strömten aus den Augen der Bordärztin. Sie konnte sich das Massaker nicht länger mit ansehen. Sie hätte niemals gedacht, dass ein zivilisiertes Volk wie die Dorgonen zu solch einer Brutalität in der Lage sein würde.
Nach etwa zwei Stunden war es still in der Arena geworden. Es war vorbei. Niemand hatte die Hinrichtung überlebt. Auch Krassus nicht. Roboter schwirrten nun umher und säuberten die Arena, indem sie die Überreste desintegrierten. Das antike, grausame Schauspiel hatte ein Ende gefunden und die Moderne übernahm wieder.
Jenny Taylor sank in sich zusammen. Ihre Angst wuchs von Stunde zu Stunde, denn sie waren die nächsten!
Nersonos beobachtete vergnügt das bestialische Schauspiel, welches sich auf der Holographie darbot. Er hatte sich dazu entschlossen, den Spielen nicht beizuwohnen.
Offiziell hieß es, dass er Tag und Nacht an einen Gegenschlag arbeiten würde und sich deshalb nur rar in der Öffentlichkeit zeigen könnte.
In Wirklichkeit hatte Nersonos es satt, stets dem Pöbel und Pack zu begegnen, von ihnen angegafft und genervt zu werden.
Nein, da er genoss er lieber von seinem Palast aus den Todeskampf der 1.700 dorgonischen Rebellen.
Der Kaiser stopfte sich genüsslich einige Süßigkeiten in den Rachen und kicherte laut, als ein löwenähnliches Raubtier das Gesicht eines Dorgonen zerfleischte.
Arimad saß still daneben und verabscheute jede Geste ihres Mannes.
Wie konnte ein Mensch nur so verkommen sein?, dachte die Tochter Ulemans.
»Willst du auch was?«, fragte er seine Frau, die jedoch heftig mit dem Kopf schüttelte. Ihr war speiübel.
»Friss!«, schrie er sie plötzlich an und warf die Süßigkeiten auf den Boden. Er packte Arimad an den Haaren und zerrte sie vom Stuhl. Die junge Dorgonin schrie schmerzerfüllt auf und versuchte sich vergeblich gegen den Tyrannen zu wehren.
Es hatte keinen Sinn. Sie war den Launen des Monsters hoffnungslos ausgesetzt.
*
Ein hochgewachsener Dorgone kauerte in dem Prettoscasino im Inneren des Palastes Pons Domus auf einem Stuhl und war damit beschäftigt eine Flasche Wein zu leeren, um den Kummer und den Schmerz zu vergessen.
Er hatte seinen Vater im Krieg gegen die Rebellen verloren. Einem sinnlosen Krieg. Warum gab es immer wieder Parteien, die alles verändern wollten? Die Rebellen waren Verbrecher, die mit den gefährlichen Galaktikern paktierten.
Doch waren diese Galaktiker wirklich so grausam, wie sie beschrieben wurden? Er kannte bis jetzt nur zwei Vertreter. Cauthon Despair, den Silbernen Ritter, der wahrlich düster und unheimlich war. Dann war da noch Sanna Breen, eine liebliche Schönheit, die Valerus' Herz erobert hatte.
Wenn alle galaktischen Frauen so wie Sanna Breen sind, dann muss diese Galaxis ein Paradies sein, dachte der junge Soldat.
Plötzlich tauchte sie vor ihm auf. Ihre Grazie konnte er nicht mit Worten beschreiben. Sie trug ein langes weißes Kleid, ihr Haar war offen und ihre grünen Augen strahlten etwas aus, was Valerus Energie und Kraft gab.
Dennoch hatte er den Verlust seines Vaters nicht vergessen.
»Er ist tot …«
»Wer ist tot?«
»Mein Vater! Gefallen bei der Schlacht um Hesophia. Die galaktischen …« Er stockte und verschluckte das Schimpfwort, das er aussprechen wollte. Sanna verstand auch zu gut, wer für den Tod seines Vaters Valurus verantwortlich war.
»Du gibst den Rebellen und Galaktikern die Schuld?«, fragte sie leise.
Er nickte nur und trank den Wein weiter. Sanna nahm seine Hand und streichelte sie liebevoll.
»Die Galaktiker wollten ihn nicht töten, die Rebellen auch nicht. Sie haben sich nur verteidigt. Wenn du den wahren Schuldigen sehen willst, dann geh' in den Palast. Dort sitzt er und misshandelt die arme Arimad!«
Valerus stand erbost auf.
»Du redest vom Kaiser Nersonos, unserem Gott!«
»Ein feiner Gott! Nicht die Galaktiker wollten diesen Krieg. Dorgon war es. Nur deshalb sind wir hier! Um diese wahnsinnige Invasion zu verhindern. Die Rebellen stehen für Ideale und wollen Frieden und Freiheit für alle Wesen der Galaxis. Nersonos will sich nur bereichern und alle ausbeuten!«
Sanna wurde immer lauter. Der Wirt sah sie streng an. Zu ihrem Glück war auch er kein Freund des Kaisers und keine anderen Gäste waren anwesend. Langsam setzte sich Valerus wieder und dachte über die Worte der Terranerin nach.
»Ist das wahr?«
»Ich schwöre es! Uleman will ein besseres Dorgon. Sieh' dir doch das Dorgon an, das Nersonos und seine Vorgänger errichtet haben. Es quillt vor Gewalt, Hass und Intoleranz über.«
Valerus wusste, dass sie recht hatte. Er konnte es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, Nersonos weiter zu dienen. Es wunderte ihn, dass Ehrenmänner wie Vesus dies konnten. Valerus musste handeln, dem Widerstand beitreten, um den Tod seines Vaters zu vergelten. Doch er wollte nicht ohne Sanna Breen gehen.
Er liebte diese Frau von ganzem Herzen und es gab nur eine Möglichkeit, sie freizubekommen; er musste sie heiraten!
Wieder stand der hochgewachsene Soldat auf, nur um sich vor die Terranerin niederzuknien.
»Sanna, willst du meine Frau werden?«
Die Galaktikerin war sehr überrascht. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Auch sie hatte starke Gefühle für Valerus, doch es gab auch noch Cauthon Despair.
»Valerus, ich …«, stotterte sie herum, da traten plötzlich einige hochrangige Offiziere durch die Tür ein. Angeführt wurden sie von Digalinus, hinter ihnen betraten Cauthon Despair und Nersonos selbst den Raum.
An einer Leine führte er seine beiden Lustknaben, die nur mit einem Knappen Lendenschurz bekleidet waren und auf allen Vieren krabbelten. Sanna verwünschte diesen Menschen, dem es nichts ausmachte, andere Wesen so zu demütigen.
»Bringt Bier und Wein«, gebot Nersonos und sah auch gleich Sanna Breen und Valerus, der inzwischen wieder aufgestanden war und Haltung vor seinem Kaiser angenommen hatte. Nersonos ging freudestrahlend auf ihn zu.
»Mein tüchtiger Valerus, wie geht es dir?«
»Ich bin immer noch in Trauer …«
»Weshalb?«
»Mein Vater!«
»Was ist mit ihm?«
Wie verletzend konnte ein Mensch noch sein? Wusste Nersonos wirklich nichts von dem Tod Valurus oder erschien es ihm so unbedeutend?
»Er ist tot. Gestorben während der Schlacht um Hesophia«, erklärte Valerus mit zusammengebissenen Zähnen. Sein Blick war voller Verachtung gegen den Kaiser.
»Ach«, machte dieser nur. »Naja, wenigstens ist er ehrenvoll gestorben«, fügte er noch hinzu und setzte sich dann mit einem lauten Ächzen auf die Bank. Wenige Sekunden später wurde ihm das Bier serviert.
»Bitte auch etwas Wasser in einer Schale für meine Lusthündchen«, kicherte Nersonos und deutete auf die beiden entwürdigten Dorgonen.
Ein paar Frauen kamen mit Instrumenten aus einem Nebenzimmer und fingen an Musik zu spielen und tanzten danach.
Sanna Breen fühlte sich unwohl. Cauthon Despair setzte sich zu ihr. Ihm gegenüber saß Valerus.
»Anscheinend hattest du nicht meinen Rat befolgt, Offizier!«, mahnte Despair.
»Ich nehme nur Befehle von einem Dorgonen an«, konterte Valerus verbissen. Der Silberne Ritter warf einen Blick zu Nersonos, der das Gespräch mitbekommen hatte.
»Valerus! Cauthon ist meine rechte Hand. Du hast seine Befehle anzunehmen, verstanden?«, meckerte der Imperator laut und gestikulierte wild.
Nun stand Valerus auf.
»Er verbietet mir glücklich zu sein. Aber du mein Kaiser bist weiser, du willst das Glück deiner Soldaten, so wie wir alles dafür tun, um dich glücklich zu machen!«
Nersonos grinste breit.
»Hat er das nicht lieb gesagt?«
Seine beiden Lustknaben bellten zustimmend.
»Deshalb gewährt mir den Wunsch, diese Terranerin als meine Frau zu nehmen«, er deutete auf Sanna Breen.
Despair stand wutentbrannt auf und zog sein Schwert. Noch bevor Valerus seines ziehen konnte, spürte er bereits die Klinge des Caritschwertes an seiner Kehle.
»Halt!«, rief Nersonos.
Er stand auf und schwang seinen Umhang über die Schulter. Langsam und mit einem verstohlenen Lächeln auf den Lippen wanderte er zu den beiden Streithähnen.
»Gehe ich recht davon aus, dass du das nicht willst, mein Freund?«
Diese Frage war eindeutig an Despair gerichtet.
»Ja, mein Kaiser! Diese Frau gehört mir«, erklärte er düster.
Sanna Breen wurde schlecht bei dieser Aussage. Sie gehörte ihm bestimmt nicht. Ihre Gefühle für Despair waren in diesem Moment gestorben. Alles, was sie jetzt für ihn empfand waren Verachtung und Abscheu.
»Ich bin nicht sein Eigentum! Ich verachte ihn und möchte die Frau von Valerus werden«, wandte die Terranerin energisch ein.
»Soso.« Nersonos tat so, als würde er nachdenken. »Nun, dann ist der Fall klar. Ihr werdet um Sanna Breen kämpfen. In zwei Tagen in der großen Arena. Der Gewinner erhält die Frau, der Verlierer geht leer aus.«
Despair stimmte sofort zu. Er wusste, dass Valerus gegen ihn kaum eine Chance hatte. Cauthon war versierter im Schwertkampf und weitaus kräftiger als der junge Dorgone. Er würde ihm und Sanna Breen eine Lektion erteilen.
Der Silberne Ritter merkte immer weniger, wie sehr er vom Pfad der Tugend abgekommen war. Seine Reue über die Taten für die Mordred schien vergessen zu sein. Er war auf dem Weg der »alte« Silberne Ritter zu werden, der Angst und Schrecken verbreitete.
Sehr gut, Cauthon Despair! Bald hast du deinen langen Weg zu uns vollbracht, hörte er eine innere Stimme sagen. Sie war ihm vertraut. Er ahnte nicht, dass diese Stimme sein Schicksal war.
25. Januar 1293 NGZ
Knapp 45 Lichtstunden von Dorgonia entfernt erschien derweil der Flottenverband der alliierten Rebellen, der von den Geschehnissen auf dem vierten Planeten des Systems nichts mitbekommen hatte. Knapp 190.000 Schiffe näherten sich der zentralen Stelle des dorgonischen Machtapparates.
Die TAKVORIAN II war eines dieser Schiffe. Und möglicherweise eines der wichtigsten. Das lag weniger an der Größe, denn mit 500 Meter war es nur ein relativ kleiner Kugelraumer, den die Somer der alten Besatzung der TAKVORIAN zur Verfügung stellten, aber gerade diese Besatzung machte das Schiff zu etwas Besonderem.
Ihr – weiblicher – Erster Offizier, Coreene Quon, war über jeden Zweifel erhaben. Sie gehörte dem eingespielten, kampferprobten Team seit der Indienststellung der TAKVORIAN II an und konnte sich aufgrund ihrer nahezu perfekten Arbeit berechtigte Aussichten auf ein eigenes Kommando machen, sobald – oder vielmehr falls – sie in die Milchstraße zurückkehren würden.
Der Kommandant selbst, Joaquin Manuel Cascal, war eines der letzten Überbleibsel des mittlerweile historischen Solaren Imperiums. Sein Geburtsjahr 3387 war verbürgt; biologisch gesehen war er jedoch noch keine achtzig Jahre alt. Er hatte auf der VIVIER BONTAINER 1400 Jahre lang in einer Raumzeitfalte festgesessen – ein ähnliches Schicksal, wie es Perry Rhodan und seinen Leuten einige hundert Jahre später widerfahren war: Rhodan und seine Getreuen verloren 695 Jahre, als sie in eine fünfdimensionale Strukturverwerfung geraten waren, was einer kosmischen Katastrophe gleichkam.
Cascal hatte nach den Ereignissen um den Luxuskreuzer LONDON II das Angebot des unsterblichen Arkoniden Atlan angenommen, auf Camelot zu dienen. Dass er nach Auflösung Camelots nun als Soldat für die LFT fungierte, konnte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass er sich noch immer als Offizier des Solaren Imperiums fühlte. Daher hatte er auf der TAKVORIAN I und II eine – in dieser Zeit eigentlich nicht haltbare – Kommandostruktur eingeführt, die darauf basierte, dass die Mannschaftsmitglieder eine Uniform trugen und sich gegenseitig siezten. Die Mannschaft hatte diese Vorgaben nach anfänglichen Schwierigkeiten wie selbstverständlich ausgeführt.
Cascal blickte sich in dem Schiff um. Es war für Somer konstruiert und nur teilweise für Terraner umgerüstet worden. Man hatte keine große Zeit gehabt, um eine komplette Inneneinrichtung für terranische Bedürfnisse einzubauen.
Doch Cascal war damit zufrieden. Nach der Vernichtung der ersten TAKVORIAN bei dem Überfall der Adlerschiffe im Dorgonia-System hatte der Veteran aus dem Solaren Imperium kein Schiff mehr gehabt. Doch er war Soldat und Kommandant. Er brauchte einen Raumer.
»Es dürstet mich nach einem Kampf«, erklang eine dumpfe Stimme neben Cascal.
»Nur die Ruhe«, grinste Cascal. »Den Kampf bekommst du noch früh genug.«
Sandal Tolk, der Barbar von Exota Alpha. Was hatten er und Tolk nicht für phantastische Abenteuer erlebt! Tolk war sein Gefährte gewesen – seit den Zeiten des Solaren Imperiums. Dies war allerdings eines der aufregendsten.
Cascal verspürte schon wieder dieses gewisse Kribbeln, das ihn immer dann überkam, wenn es wieder »wie früher« war. Zumindest war das seine Definition; gemeinhin verstand dies die Crew des Schiffes als seinen Kampfinstinkt.
»Sir … wir haben die ersten Schiffe der dorgonischen Verteidigungsflotte geortet«, gab ihm der Ortungsoffizier zu verstehen.
Cascal bestätigte lächelnd. Es ging los!
Noch befanden sie sich recht weit von Dorgonia, dem vierten Planeten des gleichnamigen Systems, entfernt, aber da Helsuf, der sechste Planet, ebenfalls bewohnt war und den Dorgonen verständlicherweise an einer ordentlichen Verteidigung ihres Heimatsystems gelegen war, trafen sie nun auf die ersten Vorboten der dorgonischen Abwehr.
Cascal schnippte mit den Fingern im Rhythmus eines alten terranischen Kinderlieds, ohne die Meldung zu bestätigen. Erst nach einigen Augenblicken hielt er kurz inne und wandte sich an den Feuerleitoffizier: »Nun, Sie haben gehört, was Aurec gesagt hat. Feuer frei – und geben Sie ihnen alles, was Sie haben!«
Tolk klatschte aufgeregt in die Hände, während die erste Staffel der dorgonischen Schiffe vernichtet wurde. Im Feuerhagel von fast 200.000 Schiffen, die mit den modifizierten Transformkanonen ausgestattet waren, vergingen alle der etwa 5.000 Einheiten, die sich der angreifenden Freischärler Flotte in den Weg gestellt hatte …
Aurec nickte zufrieden und befahl den Weiterflug in Richtung Dorgon. Die Flotte rückte unaufhaltsam näher.
Er ordnete eine Konferenzschaltung zu den wichtigsten Schiffen an.
»Meine Herren, wir rücken zur Stunde weiter vor, und unser Ziel kommt näher. Um allerdings unser Vorhaben – den Machtwechsel in Dorgon – effektiv umsetzen zu können, müssen wir auch Kontakt zu den auf Dorgon befindlichen Rebellen herstellen, den wir seit einiger Zeit verloren haben. Ich schlage daher vor, einen Stoßtrupp zu entsenden.«
Uleman hatte einen Einspruch auf der Zunge, ließ es dann aber bleiben. Die Schiffskommandanten quittierten Aurecs Vorschlag mit einem zustimmenden Nicken.
»Welche Leute soll dieser Stoßtrupp enthalten?«, wollte Xavier Jeamour von der IVANHOE wissen.
»Nun …«, Aurec kratzte sich am Kinn. »Ich hatte dabei an Sandal Tolk, Sam Tyler, Japar, Lorif und an Irwan Dove gedacht. Das Kommando über die Mannschaft übertrage ich an Joak Cascal.«
»In Ordnung«, bestätigte Cascal. »Wann soll's losgehen?«
»Sofort!«
Die Space-Jet, die Cascal als Fortbewegungsmittel gewählt hatte, tauften sie auf den Namen FINAL STRIKE. Bereits eine halbe Stunde nach Aurecs Befehl zum Aufbruch waren die Männer startbereit.
»Alle Systeme sind in Ordnung. Wir sind startklar«, meldete Lorif.
»Dann alles anschnallen und … damit das auch allen klar ist: Das hier wird keine Sightseeing-Tour.«
»Klar. Auf was warten wir noch?«, grinste Irwan Dove.
Die FINAL STRIKE tauchte in den Hyperraum ein, mit Kurs auf Dorgon …
*
Es war Mittag; die Sonne brannte heiß über Helsuf. Clesus, ein Fabrikarbeiter in Harvan, einer der zentralen Industriestädte auf dem Planeten, hatte sich mit seinen Kollegen auf einer Bank außerhalb des Werks niedergelassen und trank ein Glas aromatisiertes Wasser. Alkoholhaltige Getränke, beziehungsweise Getränke, die die Sinneswahrnehmung beeinträchtigende Stoffe enthielten, waren auf Helsuf während der Arbeitszeit verboten. Das Wasser stellte mit seinem angenehmen Geschmack einen, aus Clesus' Sicht, nicht ganz glücklichen Kompromiss dar.
Er stellte das Wasser auf dem Boden ab und dachte über die Geschehnisse im Reich nach. Er war nur ein einfacher Arbeiter und über die Entwicklungen nicht allzu genau informiert. Was er allerdings gehört hatte, war, dass die Rebellen die Flotte des Vesus offenbar vernichtend geschlagen hatte und auf dem Weg nach Dorgon waren.
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, die äußerst beunruhigt waren – manche waren erst gar nicht zur Arbeit erschienen, sondern waren bei ihren Familien geblieben, obwohl das eine schwere Straftat darstellte – glaubte Clesus nicht an diese Berichte. Seit er denken konnte, war das Imperium eigentlich immer souverän gewesen und seine Macht war zu keiner Zeit gefährdet, wenn man von einigen aufständischen Außenwelten absah. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sich dieser Umstand auf einmal geändert haben sollte.
Clesus erhob sich von seinem Platz und lief in Richtung Getränkeausgabe, um sich ein weiteres Glas aromatisierten Wassers zu gönnen. Mit dem nunmehr vollen Glas spazierte er wieder zurück zu seinen Kollegen.
Plötzlich wurde es dunkel über der Stadt. Clesus' Kinnlade klappte nach unten, das Wasserglas fiel auf den Boden und zersplitterte.
Fassungslos starrte gen Himmel. Das waren keine Wolken, die die Sonne verfinsterten. Es waren die Schiffe der Feinde!
*
»Verdammt. Es sind einfach zu viele.«
Vesus schlug mit der flachen Hand auf eine Konsole. Er hatte sich mit seiner Flotte zwischen Helsuf und Dorgon positioniert. Seine Schiffe – es waren noch etwa 120.000 – waren einfach nicht in der Lage, die drückende Übermacht der Rebellenflotten aufzuhalten.
Ein weiteres Manko kam hinzu, dass er sich erst jetzt eingestand: Überheblichkeit. Die Dorgonen waren es nicht gewohnt, gegen Gegner anzutreten, die sie vernichten konnten. Angst und Unsicherheit machte sich bei den Mannschaften breit. Die Dorgonen waren zwar gedrillt, doch es fehlte ihnen an der nötigen Kampferfahrung und Routine. Es war das eine, mit mächtigen Adlerraumschiffen auf wehrlose Rebellen, Harriden und andere Nichtdorgonen zu feuern oder in einer Raumschlacht gegen fast 200.000 Schiffe anzutreten, die sich wehren konnten. Viele dorgonische Kommandanten wirkten überfordert.
Bis die anderen Flottenteile – die über alle Teile der Galaxis verstreut waren – eintrafen, konnte es bereits zu spät sein. Immer wieder sendeten die Funker die Notrufe in alle Teile der Galaxis, in der Hoffnung, knapp 200.000 Adlerraumschiffe würden bald eintreffen. Er musste die gesamte Flotte hier versammeln, um die Saggittonen zu vernichten.
Hätte man diese Eskalation verhindern können, indem man etwa früher reagiert hätte? Der geballten Kraft der gesamten dorgonischen Flotte wären sicher auch diese Rebellenschiffe zum Opfer gefallen.
Oder?
26. Januar 1293 NGZ
Der Angriff der alliierten Flotten, bestehend aus den Galaktikern, Saggittonen, dorgonischen Rebellen und den Völkern der Mächtigkeitsballung Estartu hatte die Bürger Dorgons erschüttert.
Noch nie seit den Charkos war ein feindliches Volk so nahe an die dorgonische Heimat herangekommen. Ein Machtbild geriet ins Wanken.
Die unüberwindbaren Schutzschirme waren plötzlich zu durchbrechen und etwa 170.000 Schlachtschiffe standen den Alliierten zur Verfügung.
Vesus Flotte war geschwächt, die Truppen demoralisiert und über den Erfolg der Feinde entsetzt. Es war schwer für den Großadmiral seine Soldaten zu motivieren.
Der Kaiser Nersonos tat nichts, um das Volk und die Armee zu mobilisieren. Ihm schien es fast gleichgültig zu sein, was am Rande des Systems passierte.
Vielmehr konzentrierte er sich auf die Spiele, auf die Massenhinrichtungen und die Duelle. Dies war anscheinend seine Vergeltung.
Digalinus hatte Nersonos Verhalten Vesus sogar erklärt. Mit den Spielen würde der Imperator das Volk bei Laune halten und gute Propaganda betreiben.
Vesus war Soldat. Ihm gefiel diese hinterhältige und scheinheilige Politik nicht. Er wollte direkt seinen Gegner in einem fairen aber harten Kampf auf dem Schlachtfeld besiegen. Doch dieses Schlachtfeld hatte sich nun unmittelbar vor Dorgon verlegt. Es gelang dem Großadmiral zwar wieder die alliierten Streitkräfte bis zum Rand des Systems zurückzuschlagen, doch dort waren sie immer noch bedrohlich genug.
Er befürchtete einen erneuten Angriff auf Helsuf.
Nersonos kümmerte das wenig. Er freute sich auf den Zweikampf zwischen Cauthon Despair und Valerus, der in der großen Arena ausgetragen wurde.
Als »Nachspeise« gab es dann noch eine Massenverbrennung von rebellischen Dorgonen, die im Morgengrauen gefangen wurden.
Mathew Wallace und Saraah saßen bekümmert auf dem Boden ihrer Zelle. Welche Ironie des Schicksals! Vor zwei Tagen waren sie derKnechtschaft entkommen und schlossen sich Rebellen an, die jedoch wieder in die Hände von Digalinus fielen.
Die hübsche Jerrer schmiegte sich an ihren geliebten Terraner. Sehr viel hatten sie durchmachen müssen, doch ihre Liebe hatte sie stark gemacht und all das Leid überstehen lassen.
»Alles Gute zum Geburtstag«, hauchte Saraah und küsste ihn.
Ein feiner Geburtstag, dachte Wallace.
»Wir kommen auch hier wieder heraus, das verspreche ich dir«, sagte Wallace aufbauend, doch ihm war gar nicht so zumute. Er wusste genau, dass sie ein zweites Mal keine Chance hatten. Einmal hatten sie das Glück zu entkommen, doch sollten sie heute aus den Zellen geholt werden gab es kein Zurück mehr.
Die einzige Hoffnung bestand in der Flotte der Alliierten. Wenn sie es schafften, Dom einzunehmen, waren sie gerettet.
Doch Wallace realistische Einschätzung war, dass sie einige Wochen für die Eroberung Dorgons brauchen würden, wenn sie es überhaupt bewerkstelligen konnten.
Zärtlich küsste er Saraah auf die Stirn und streichelte ihr Haar. Diesmal hatte Mathew Wallace alle Trümpfe ausgespielt, jetzt konnte er nur noch auf das Ende warten.
»Mathew!«, hörte er eine bekannte weibliche Stimme rufen. Sie gehörte der Bordärztin Jenny Taylor. Freudig umarmten sich beide.
»Wie kommt ihr hierher?«, wollte die Terranerin wissen.
Wallace erklärte ihr knapp, was sie alles durchgemacht hatten. In ebenso kurzen Worten klärte die Ärztin das Liebespaar über den Angriff auf Hesophia und ihre Gefangennahme auf. Der Schotte stellte fest, dass viele Kriegsgefangene in den Kerkern waren.
Für einen kurzen Moment spielte er mit einem sehr gefährlichen Gedanken, den er jedoch erst einmal für den schlimmsten Notfall aufheben wollte.
*
Cauthon Despair übte in einem dunklen Raum mit dem Schwert. Das goldene Carit, das Spuren des ultimativen Stoffs enthielt, glänzte prachtvoll. Die durchschnittene Luft gab bei jedem Hieb einen dumpfen Laut.
Hass und Rache waren die Motive des Silbernen Ritters. Er war gekränkt und verletzt. Despair gab Sanna die Schuld. Erst hatte sie ihm Hoffnung gemacht, obwohl er immer geahnt hatte, wie es enden würde. Doch Sanna Breen hatte nicht aufgehört, ihm ihre Liebe zu beweisen – bis sie Valerus traf. Was nutzte ihre Aufmerksamkeit und geheuchelte Liebe, wenn sie sich dem erstbesten Schönling an den Hals warf? Doch so waren die Frauen. Sie betrachteten bestimmte Männer als Spielzeuge, als Zeitvertreib. Despair war anders, deshalb war Sanna so fasziniert von ihm gewesen. Nun hatte sie einen smarten, schönen Dorgonen getroffen und Despair war abgemeldet.
Er war wieder allein! Doch nicht noch einmal würde ihn eine minderbemittelte Frau verletzten. Diesmal musste sie dafür bezahlen. Besser gesagt, ihr Liebhaber in diesem Fall!
Es war soweit. Fanfaren ertönten und der Silberne Ritter machte sich auf den Weg zum Duell. Der Preis war Sanna Breen! Despair schritt zu einer pompösen Melodie, der Victory Parade des terranischen Komponisten Miklos Rosza, in die Arena. Despair hatte den Technikern eigens dieses Stück von einem Pod überspielt. Er ignorierte die Kameras, die um ihn herum huschten und ließ das Raunen, den Jubel, die Buhrufe der zweihunderttausend Zuschauer auf sich wirken.
*
Die Terranerin Sanna Breen saß in der Loge direkt neben Nersonos und Arimad. Valerus ging stolz und entschlossenen Schrittes in die Arena. Begleitet wurde er von einer lauten Fanfare. Der Jubel der Dorgonen brandete ihm entgegen.
Der hochgewachsene Dorgone hob das Schwert in Richtung Nersonos und machte somit eine Ehrenbezeugung.
Sanna schenkte er ein Lächeln. Er kämpfte für ihre Freiheit, für ihr Glück und ihre Liebe. Die Terranerin war sich nicht sicher, was sie tun sollte.
Einerseits hatte sie sich unsterblich in diesen Dorgonen verliebt, doch sie empfand auch etwas für Cauthon.
Waren diese Gefühle einst von Liebe geprägt, waren es nun mehr freundschaftliche Gefühle, Mitleid für den silbernen Ritter, der doch niemanden hatte.
Sie war sein Bezugspunkt!
Er hatte sich zweifelsohne in den letzten Tagen daneben benommen, doch sie konnte ihre Gefühle für ihn nicht einfach abschalten. Sanna betete, dass beide den Kampf unverletzt überstehen würden, doch ihr Verstand sagte ihr, dass einer sterben würde.
Tränen rollten ihr aus den Augenhöhlen, als sie sich vorstellte, wie einer von ihnen sterbend im Sand lag und in ihren Armen starb.
Despair betrat unter gemischten Reaktionen die Arena. Einige jubelten ihm zu, viele buhten ihn gnadenlos aus. Nur Nersonos feuerte ihn an. Sichtlich ungehalten über die Missgunst der Zuschauer, ließ Nersonos Digalinus los eilen, um künstliche Jubelrufe über die Lautsprecher abzuspielen.
*
Cauthon Despair interessierte es wenig, ob man ihn mochte oder hasste. Er war es gewöhnt, stets gegen den Strom zu schwimmen und ein Außenseiter zu sein.
Auch er erhob das Schwert in Richtung Nersonos und Sanna Breen. Dann drehte er sich um und begab sich in Kampfposition.
Während Valerus angespannt wirkte, blieb Despair hoch erhobenen Hauptes vor seinem Rivalen stehen und richtete das goldene Caritschwert auf ihn.
Sanna hielt den Atem an.
»Zu spät wirst du erkennen, dass du einen Fehler gemacht hast, Dorgone«, drohte Despair.
Zuerst versuchte er es mit psychologischer Kriegführung. Er verstand es gut, nicht nur durch sein Äußeres seinen Gegner zu verunsichern, doch Valerus antwortete mit einem harten Ausfall, den Despair nur mühsam parieren konnten.
Die Metallschwerter knallten aufeinander. Valerus blieb in der Offensive und drängte den Silbernen Ritter einige Meter weit zurück.
Nersonos glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Dem hochgewachsenen Offizier gelang es sogar, Despair einen Schlag gegen die Schulter zu versetzten. Der Cameloter geriet ins Taumeln und fing sich einen Tritt ein, der ihn unter dem Jubel der Zuschauer zu Boden stürzen ließ.
Valerus setzte sofort nach und wollte zustechen. Sanna sprang von ihrem Sitz auf und schrie laut »Nein!«
Unter dem Grölen der Menschen konnte keiner der beiden Kontrahenten seine Angebetete hören. Cauthon reagierte blitzschnell und schlug mit einem gewaltigen Hieb Valerus das Schwert aus der Hand. Dieser rollte sich sofort weg und konnte so dem tödlichen Schlag ausweichen.
Der Silberne Ritter rappelte sich langsam wieder auf und lief bedrohlich auf Valerus zu, der einen Dreizack und ein Netz nahm.
»Du hast keine Chance, Dorgone. Du weißt nicht, mit wem du dich messen willst!« Die Stimme Despairs klang bedrohlich. Schweiß rann dem jungen Soldaten von der Stirn, während sein Gegner keinen sonderlich erschöpften Eindruck machte.
Valerus warf das Netz auf Despair, der angestrengt versuchte, sich von diesem zu befreien. Mit einem Vorwärtsschritt stieß Valerus in die Hüftgegend. Ein dumpfer Schrei signalisierte ihm, dass er seinen Gegner getroffen hatte.
Wütend packte Despair das Netz und riss Valerus zu sich hin. Er schlug ihm hart ins Gesicht. Der Schlag warf den Dorgonen unverzüglich um.
Despair taumelte und warf das Netz von sich. Der Dreizack steckte immer noch in seinem Fleisch. Die Schmerzen waren kaum zu ertragen, doch irgendetwas trieb ihn voran. Es war Hass! Der Hass war seine stärkste Motivation. Er riss sich zusammen und zog mit aller Kraft den spitzen Gegenstand aus seinem Körper. Entkräftet sackte er auf die Knie.
Sanna Breen konnte sich dieses Schauspiel nicht länger anschauen. Sie konnte es nicht ertragen, wie die beiden Männer die sie liebte, litten.
Nersonos amüsierte sich prächtig. Er schwang zwei Fähnchen mit dem Bild von Despair darauf durch die Luft und schrie: »Cauthon los, noch ein Stoß!«
Langsam erhob sich der Silberne Ritter wieder und auch Valerus hatte sich von der unsanften Attacke erholt. Cauthon nahm sein Schwert. Ihm war nur noch der Sieg wichtig. Er musste diesem arroganten Dorgonen zeigen, dass Cauthon Despair unbezwingbar war.
Despair war stark, auch wenn alle es immer anders gesehen hatten. In der Schule, auf der Akademie und danach hatten sie ihn stets unterschätzt, für einen Trottel gehalten. Er hatte sie alle eines besseren belehrt. Jetzt wagte es dieser Emporkömmling, ihn herauszufordern und ihm seinen Besitz streitig zu machen?
Diese Dreistigkeit musste er mit dem Tod bezahlen!
Despair ging langsam auf Valerus zu und schlug mit dem Schwert auf ihn ein. Die ersten Schläge konnte der sichtlich angeschlagene Dorgone noch abwehren, doch eine kleine Unachtsamkeit ermöglichte Despair, Valerus in die Schulter zu stechen.
Ein lauter Schrei gellte durch die Arena. Jetzt hatte ihn Despair dort, wo er ihn haben wollte. Mit ein paar Kunstschlägen, die nur zum Ziel hatten, Valerus zu schwächen, nahm er dem Dorgonen in dem folgenden Schlagabtausch die letzte Kraft.
Müde taumelte Valerus durch die Arena. Er hatte keine Chance gegen Despair. Der Riese brachte Valerus mit einem gezielten Hieb gegen sein Bein zum Fallen.
Ein Raunen ging durch das Publikum. Sanna rannte los und kletterte die Empore herunter. So schnell sie konnte lief sie zu Valerus.
Despair triumphierte. Jetzt hatte er sein Ziel erreicht. Der Sieg war gewiss. Valerus konnte nicht einmal mehr sein Schwert hochhalten. Es war vorbei.
»Und nun, du einfältiger Tor, wirst du sterben!«
Endgültigkeit und soviel Verachtung vor seinem Gegenüber lag in den Worten Cauthon Despairs.
Er schlug ihm das Schwert aus der Hand. Dann sah er zu Nersonos, der freudig jubilierte und den Daumen hochhielt. Dann war für einen Moment Ruhe in der Arena. Nersonos schien zur Säule erstarrt zu sein.
Im Zeitlupentempo senkte er den Daumen nach unten. Das war das Zeichen für keine Gnade. Valerus war zum Tode verurteilt.
Despair holte aus. Er genoss jede Sekunde. Er hatte diesem törichten Dorgonen und Sanna Breen eine Lektion erteilt.
Die Terranerin rannte direkt auf Cauthon zu.
»Nein!«, schrie sie, doch er hörte sie nicht. Nun stieß er zu!
Stirb Valerus!
Nein!
Sanna!
Sanna Breen rannte in den Lauf des Schwertes, warf sich vor Valerus, um ihn zu retten. Ihre Brust wurde von dem harten Carit durchbohrt. Cauthon konnte es nicht fassen. Sanna sah ihn entsetzt an.
Sie krallte sich an seiner Rüstung fest und starrte in den Himmel. Cauthon merkte, dass sie schwächer wurde.
Stille herrschte in der Arena. Keiner der Tausenden von Zuschauer wagte etwas zu sagen. Behutsam legte Cauthon Despair die Terranerin auf den Boden und zog langsam das Schwert aus ihrer Brust.
Blut strömte aus ihrem Mund, die Augen waren wässrig. Ihre Augen, die von Valerus und auch seine.
»Sanna …«, sprach er fassungslos.
»Es … es … war nicht deine Schuld, Cauthon«, flüsterte sie schwach. Sie ergriff seine Hand und hielt sie so fest es ging. »Versprich mir … versprich mir, dass du immer für das Gute stehen wirst, bitte …«
Despair nickte langsam. Er brachte keinen Ton mehr heraus. Der Silberne Ritter wusste, dass Sanna sterben würde. Die einzige Freundin, die er hatte. Sein Zorn hatte ihn blind gemacht. Er hatte die Frau getötet, die er liebte. Mit ihrem Tod war er wieder allein. Endgültig.
Langsam drehte sie ihren Kopf zu Valerus und lächelte ihn an. »Mein geliebter Valerus. Ich wäre gerne deine Frau geworden. Es wäre so schön geworden …«
Ihre Stimme wurde brüchiger und schwächer.
Cauthon schmerzten diese Worte. Sie wollte Valerus Frau werden, nicht seine! Er ermahnte sich, an so etwas im Angesicht ihres Todes zu denken, doch er konnte diese Gedanken nicht wieder loswerden.
Langsam kroch Valerus zu ihr und streichelte das verschwitzte Haar. »Ich liebe dich, Sanna!«, sprach er zähneknirschend und verweint.
Sanna Breen lächelte ihm zu. Ihr Lächeln gefror, denn in dem Moment hörte ihr Herz auf zu schlagen. Ihre Hand erschlaffte und glitt aus Despairs Pranke.
Valerus beugte sich über Sanna und weinte um ihren Tod. Voller Trauer stand auch Cauthon Despair auf.
Sanna Breen war tot. Despair wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Sanna, seine Freundin. Sanna, die Verräterin. Sanna, die er liebte. Despair wandte seinen Blick Richtung Valerus.
Der Mann, für den der Hieb verantwortlich war, lebte jedoch noch, doch Cauthon fand nicht die Kraft ihn niederzustrecken.
»Schwächling«, hörte er eine Stimme sagen. Es war wieder diese innere Stimme. Diesmal jedoch hatte sie sich manifestiert. Ein Mann in einer schwarzen Kutte mit einem langen Stab, an dessen Ende sich ein Totenschädel befand, stand direkt vor ihm.
Langsam zeigte er sein Gesicht. Ein Mal von drei Sechsen stand auf der Stirn, seine Haut war rot. Er kannte ihn.
Cau Thon!
»Sie hatte dich verraten und verkauft. Du warst nicht ihre Nummer Eins. Es war Valerus. Weine nicht um sie, denn sie wollte dich nicht. Es war nur recht und billig, sie dafür zu bestrafen.«
»Ich wollte sie nicht töten!«
»Es war ihr Schicksal«, sprach der Rote.
Despair schwieg. Alles andere um ihn herum wirkte verschwommen. Er konnte die Stimme Nersonos hören, doch er verstand die Worte nicht. Sie schienen so unendlich weit weg zu sein. Nur den roten Sohn des Chaos konnte er sehen, hören und verstehen.
»Dein Schicksal ist ein anderes, mein Freund!«
Despair wusste, dass sein Schicksal wesentlich düsterer war, als jenes der meisten Menschen.
»Mir ist klar, dass ich immer allein sein werde und im Schatten anderer stehen werde. Während andere glücklich ihr Leben verbringen, werde ich auf ewig leiden«, erklärte er voller Selbstmelancholie.
»Nein! Dein Schicksal liegt in der Macht. Du wirst eines Tages das Universum regieren. Dein Universum. Du bist der Auserwählte, der Sohn des Chaos!«
Cauthon Despair verstand nicht den Sinn der Worte, die der Rote sprach. Er und ein Sohn des Chaos? Wessen Chaos? Von wem war er auserwählt worden und für was?
»Erkläre mir das!«, forderte Despair.
Der Rote lächelte schwach. Seine Augen strahlten etwas Sonderbares aus. Ein seltsames Feuer loderte in ihnen.
»Bald werde ich dir alle Fragen beantworten, mein Bruder«, sprach Cau Thon bedächtig. Er hob seinen Stab und sah in den Himmel.
Dann legte er das Ende an Despairs Brust. Ein grell leuchtender Strahl kam aus dem Stab und verwandelte sich in einer Wolke aus unendlicher Dunkelheit. Sie umgab Cauthon Despair. So unheimlich es war, er hatte keine Angst. Alles um ihn herum erschien ihm so vertraut. Als sei hier seine Heimat gewesen …
Cauthon, mein Sohn. Es ist Zeit dein Schicksal zu erfüllen. Du bist jetzt ein Sohn des Chaos, ein Mitstreiter des großen Projekts. Trete die Nachfolge des Auserwählten Nistant an. Vom Blute eines Sargomoph ist dien Schicksal vorherbestimmt.
Für deine Dienste nimm dieses Geschenk entgegen. Vergiss nicht, du bist der Auserwählte, der die Sterne zum erlöschen bringt …
Plötzlich jagte ein Schmerz durch Despairs Brust. Als würde jemand etwas hineinbohren. Er schrie laut auf, doch niemand hörte ihn in der Wolke.
Er fand sich auf Knien wieder. Vor ihm stand nicht mehr Cau Thon sondern Nersonos, der ihn verwundert ansah.
»Was ist denn los? Nun sei doch nicht so bestürzt. Ich schenke dir eine viel hübschere Frau. Die war es doch gar nicht wert«, meinte der Kaiser.
Plötzlich heulten die Sirenen los und einige saggittonische Jäger und somerische Bomber brausten über der Stadt hinweg.
Überall hörte man Detonationen und Flakgeschütze krachen. Die Menschen stürzten in die Bunker und auch Nersonos tat alles daran, um so schnell wie möglich wieder in seinen Palast zu kommen.
Er schrie laut auf und hüpfte wild umher.
»Cauthon, hilf mir!«, rief er, doch der Silberne Ritter registrierte ihn kaum. Auch die Einschläge und Explosionen neben ihm, lenkten ihn nicht ab. Vielmehr konzentrierte er sich auf den Impuls nahe seines Herzens.
Diese Energie, diese Lebensenergie spendete ihm schier endlose Kraft. Er wusste das Geschenk der Energiewolke zu schätzen, denn jetzt gehörte er zu einem auserwählten Kreis. Er spürte jeden Impuls des Geschenks.
Cauthon Despair fühlte seinen Zellaktivator!
Nach den katastrophalen Ereignissen am Rande des Systems und den andauernden Bombenangriffen, beschloss Nersonos sich in einen unterirdisch angelegten Bunker zurückzuziehen und sich der Muse zu widmen.
Die alliierten Streitkräfte hatten einen neuen Angriff gestartet. Unter dem Kommando des verwegenen somerischen Admirals Rauoch war es drei Flottenverbänden gelungen, bis nach Helsuf vorzudringen und einen Brückenkopf zu bilden.
Zwei weitere Flottenpulks hatten einen Überraschungsangriff auf Dorgon gestartet. Drei Geschwader an saggittonischen, estartischen und terranischen Jägern hatten das Bombardement über Dom geflogen.
Vesus hatte jedoch schnell reagiert und einen Ring um die Hauptwelt schließen lassen. In Folge dieser Operationen wurden die zwei Flottenpulks vollständig aufgerieben und nur die Hälfte der Jäger erreichte die alliierte Flotte wieder.
Vesus las mit Wut und Enttäuschung die Meldungen einiger Militium Magisters, die nicht mehr rechtzeitig eintreffen würden. Es war Verrat. Doch offenbar sagten sich einige lokale Provinzen von Dom ab. Vielleicht paktierten sie auch mit den Rebellen.
Die Jerrer revoltierten. Princips Protector Antonus beorderte alle Streitkräfte des Protektorates Rosza zurück. Es hieß, er wolle die Entwicklungen abwarten, um ein Blutvergießen zu vermeiden. Carilla und seine Verbände waren in diversen Scharmützeln im Protektorat Mesaphan verwickelt, während Konsul Festatus und sein Preconsus Falcus vom Protektorat Harrisch von »Verzögerungen bei der Mobilmachung« sprachen.
Verrat auf ganzer Linie. Jeder hatte Angst um seine eigene Haut. Hinzu kam, dass Nersonos nicht beliebt war. Sie wollten den wahnsinnigen Kaiser ihrem Schicksal überlassen. Vesus überlegte, ob er das nicht auch tun sollte. Die Saggittonen würden Dorgon nicht besetzen wollen. Sie wollten offenbar nur die Invasion verhindern. Politiker wie Uleman würden die Nachfolge von Nersonos antreten. Aber Vesus war Soldat. Er würde sich nicht so einfach ergeben. Es ging um die Ehre Dorgons!
Während Vesus nun erbittert um den sechsten Planeten Helsuf kämpfte und Celusian die Bodenstreitkräfte und Artillerie mobilisierte, um den alliierten Jägern beizukommen, komponierte der Anführer aller Dorgonen ein neues Lied.
Nicht viele waren in seinem pompösen Bunker; nur Arimad, Digalinus und Cauthon Despair waren dazu »auserkoren« dem Kaiser Gesellschaft zu leisten.
Nersonos sah sich um. Sein Haar war zerzaust und sein Gewand mit Essensresten beschmutzt. Unvermittelt nahm er seine Harfe und begann und spielen.
Digalinus verdrehte die Augen und auch Despair war versucht, den Imperator einen Kopf kürzer zu machen.
Nun begann er auch noch seinen Sprechgesang zu einer monotonen, elektronischen Musik:
Oh, Leid – ich leide so sehr
empfinde Neid für das Glück
denn ich hab davon kein Stück
Trauer umhüllt mich
den Gott allen Lebens
sehne mich nach Glück vergebens
»Bravo!«, applaudierte Digalinus heuchelnd. Im Grunde genommen war der Anführer der Prettosgarde jedoch froh, dass Nersonos aufgehört hatte zu singen.
»Hat es dir auch gefallen, Cauthon?«
Der neue Zellaktivatorträger schüttelte den Kopf. Nersonos erschrak bei dieser Geste. »Mein Kaiser, es war einfach schlecht. Ich bin enttäuscht von dir. Dieses Lied hat keine wirkliche Tragik, keinen Höhepunkt, keine richtige Thematik!«
Nersonos verstand nicht recht, was Despair damit meinte. Echauffiert fasste er sich an den Kopf und lief durch den Raum. Arimad verfolgte jede seiner Bewegungen mit einem kalten Blick. Sie hoffte, dass ihr Vater bald kommen würde, um sie zu befreien.
»Ist mein Leid nicht Tragödie genug?«, rechtfertigte sich Nersonos pikiert.
Despair schüttelte abermals sein Haupt.
»Was wäre wohl noch schlimmer als das Leid eines Gottes?«, stellte er fragend in den Raum und beantwortete die Frage sogleich selbst: »Das Leid seines Volkes. Dichte etwas über die Raumschlacht, über die schlimmste Stunde der Dorgonen seit der Besetzung der Charkos vor knapp 100.000 Jahren.«
Nersonos schien diese Antwort zu gefallen. Er nickte wohlgefällig und setzte sich an seine Harfe.
Digalinus dachte scharf über die Worte Cauthon Despairs nach. Jahrzehntausende bestand das dorgonische Reich und nun drohte es von außerdorgonischen Truppen zerschlagen zu werden. Und was tat der Kaiser, der Gott, dagegen? Nichts!
Digalinus glaubte, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Vielleicht wären Carigul oder Klausius doch stärker gewesen. Dort hätte er eine feste Machtposition gehabt, doch Nersonos schien die Kontrolle über alles verloren zu haben.
Nersonos saß halbnackt, nur mit einer schmutzigen Toga bekleidet, auf einem Hocker und plärrte drittklassige Heldenlieder, anstatt den Kampf gegen die Galaktiker zu suchen.
Doch konnte er etwas dagegen tun? Uleman würde Digalinus bestimmt nicht verschonen. Dazu hatte er zu viel angerichtet.
Er wurde durch die Erschütterungen aus den Gedanken gerissen. Nersonos schrie laut auf. Wieder fand ein Bombenangriff statt. Wieder wurden prunkvolle Villen und wertvolle Anlagen vernichtet.
»Wo sind die Truppen aus den Protektoraten?«, fragte Nersonos klagend.
»Herr, sie haben uns verraten. Konsul Antonus will sich neutral verhalten, aus Mesoph erhalten wir Beschwichtigungen und im Protektorat Rosza werden Carillas Truppen immer wieder in Kämpfen gebunden. Flottenteile haben sich von uns losgesagt und sind zu Uleman desertiert«, berichtete Digalinus.
»Was? Wieso? Töte sie alle …«
Das Reich bröckelte und drohte zu zerfallen. Digalinus wollte nicht in den Sog des Untergangs mitgerissen werden, dafür würde er schon Sorge tragen.
Dumpf und stickig war sie, die Luft.
Mathew verfluchte den Architekten, der diese Arena geplant und gebaut hatte. Die Dorgonen waren technisch auf einem unglaublich hochstehenden Level, und dennoch mussten die Sklaven, die dem Tod ins Auge blicken würden – oder dies bereits getan hatten – diese von menschlichen Ausdünstungen geschwängerte Luft atmen.
Aber es war ja eigentlich kein Wunder. Weshalb sollten die Dorgonen ihren Todeskandidaten irgendeine Annehmlichkeit widerfahren lassen?
Mathews hatte noch einmal Glück gehabt: Der Bombenangriff hatte die Stadt in Alarmzustand versetzt, die Hinrichtung war daher verschoben worden.
Er war mit etwa fünfzig anderen Gefangenen in einem kleinen, drei mal drei Meter großen Kerker eingepfercht worden. Aggression und Angst hielten ein ungesundes Gleichgewicht: Wer zu schwach war, wurde von den anderen zusammengeschlagen, die so ihrer Verzweiflung ein Ventil verschafften.
Just in dem Moment, als er diese Überlegung angestellt hatte, wurde Wallace von einem übelriechenden großen Wesen angepöbelt.
»Du stehst auf meinem Fuß!«
Wallace verdrehte die Augen. Er hatte nicht auf dem Fuß dieses Wesens gestanden, er wusste nicht einmal, ob dieses Geschöpf über so etwas wie einen Fuß verfügte.
Wallace fühlte die Pranke des Wesens unangenehm hart in seinem Gesicht einschlagen. Einem zweiten Hieb wich er aus, indem er sich zur Seite wegdrehte und seinem Opponenten das Standbein weg schlug.
Die Kreatur wäre auf den Boden gestürzt, wenn sie den Platz dazu gehabt hätte. So stolperte sie nur in die nächstbeste Person, die sich ihrerseits attackiert fühlte, und so war wenige Augenblicke später eine Prügelei im Gange.
Wallace fluchte. So war das nicht geplant.
»Aufhören!«, brüllte er.
Die anderen Sklaven hielten kurz inne; lange genug für Wallace, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
»Leute, hört auf, euch zu verprügeln und hört mir zu. Hört mir zu!«, schrie er energisch, als einige Gefangene sich wieder abwenden wollten. »Ihr und ich – wir alle – werden hingerichtet werden. Das wird unsere Existenz beenden, und eure lächerlichen, hilflosen Streitereien werden daran nichts ändern.«
Betreten schauten die Sklaven auf den Boden; sie wussten, dass Wallace recht hatte.
»Doch wir haben noch eine Chance, eine einzige kleine Chance, um unser aller Leben zu retten. Aber dazu ist es nötig, dass wir alle an einem Strang ziehen. Und es dürfte ja schließlich im Interesse jedes einzelnen liegen, am Leben zu bleiben.«
Wallace atmete tief durch und blickte jedem einzelnen in seiner Zelle tief in die Augen. Alle waren völlig verstummt.
»Wir sollten revoltieren. Das ist möglicherweise ein Himmelfahrtskommando, aber was haben wir zu verlieren? Lasst uns für unser Leben kämpfen, anstatt uns schweigend in unser Schicksal zu ergeben! Dann werden wir überleben, dann werden wir weiterleben! Wir wollen kämpfen, nicht sterben!«
*
In der Nacht zum 28. Januar gab es keine Bombenangriffe mehr. Vesus hatte einen Ausfall um Helsuf gemacht und die Galaktiker und Estarten zurückgeschlagen. Die Attacken der Alliierten hatten auch auf denen Seite hohe Verluste gefordert und Vesus setzte nun auch Jäger ein, um eine größere Abschirmung Dorgons zu erreichen. Ebenfalls trafen nun immerhin 20.000 neue Einheiten ein, um Vesus Flotte zu unterstützen.
Es schien sich eine Wende anzubahnen. Vielleicht gelang es dem Dux Superior auch mit diesen Streitkräften zu gewinnen. Danach würde er alle Verräter bestrafen!
Erleichtert kontaktierte der Großadmiral seinen Imperator.
»Kaiser, ich habe gute Neuigkeiten! Wir haben Helsuf zurückerobert. Dort befindliche Bodentruppen der Alliierten wurden vollständig ausradiert. Weiterhin verspreche ich dir den baldigen Tod Ulemans und Aurecs. Wir haben noch einen Trumpf im Ärmel«, sprach Vesus und deutete seinen zweiten Agenten an.
Absichtlich hatte er zwei Spione eingesetzt. Ihm war klar, dass früher oder später jemand auf die Idee kommen musste, dass ein Maulwurf unter den Rebellen war. Deshalb hatte er Spacus als zweiten Mann eingeschleust, der auch entdeckt werden sollte, um so den Verdacht von seinem wichtigeren Agenten abzulenken.
Nun hatte Vesus dem wahren Agenten den Auftrag erteilt, Uleman und Aurec umzubringen. Der Großadmiral war sich sicher, dass sein Spion nicht versagen würde, dazu vertraute man ihm viel Zuviel!
Nersonos schien dies jedoch nicht zu interessieren.
»Gut, gut. Spiele weiter mit den Feinden, während ich mich auf wichtigere Dinge konzentrieren muss«, erklärte der Imperator.
Vesus glaubte, sich verhört zu haben.
»Was gibt es wichtigeres als den Kampf um Dorgon?«, brüllte Vesus entsetzt und ermahnte sich anschließend selber. Es war nicht gut in einem solchen Ton mit dem Kaiser zu reden, doch Nersonos schien das weniger zu stören.
»Ich schreibe eine Ode an das Leid Dorgons. Ich muss diese kreative Phase ausnutzen.«
Vesus blieb die Spucke weg. Fassungslos starrte er Nersonos an, der anscheinend einen Koller erlitten hatte.
»Am besten, du verlierst Helsuf wieder und lässt die Galaktiker weiter bombardieren. Umso besser kann ich das Leid nachvollziehen und die Ode komponieren …«
Anfangs hatte Vesus nur eine Vermutung, jetzt wusste er es: Nersonos war wahnsinnig! Er fühlte sich an die schmachvolle Aktion Cariguls zurückerinnert. Nersonos, der Imperator Dorgons, wünschte mehr Niederlagen der kaiserlichen Flotte, damit er darüber ein Lied schreiben konnte. Dies war in Vesus Augen nicht mehr rational zu erklären.
Er beschloss, diese Aussage zu ignorieren. Nersonos war in dieser Verfassung nicht für voll zu nehmen.
»Ich halte Euch auf dem Laufenden«, verabschiedete sich der Großadmiral und beendete die Verbindung.
Aurec las sich die Berichte durch. Sie waren wenig erfreulich. Der Kampf um die Welt Helsuf dauerte immer noch an.
Es war ein ständiges hin und her um die Welt.
Die Somer und Elfahder hatten 20.000 Soldaten entsandt, dazu kamen noch 3.000 Männer der dorgonischen Rebellen. Die Saggittonen waren mit fast 300.000 Soldaten vertreten.
Einige wichtige Städte, wie Esrar und Dafus konnten erobert werden. Die Hauptstadt Helsuf wurde bereits von den Helfern Ijarkos eingekesselt und pausenlos beschossen.
Momentan hatte sich die Lage festgefahren. Die knapp 160.000 Einheiten der Alliierten kamen nicht gegen den zahlenmäßig knapp unterlegenen Gegner an.
Aurec und Sam hatten beschlossen, vorerst keinen neuen Angriff zu starten, sondern sich bei Helsuf festzusetzen. Es galt diese Position zu halten und das Kommando unter Joak Cascal sollte Nersonos erledigen.
Aurec war sich sicher, dass man dann den Frieden erzwingen konnte. Mit Nersonos Tod würde der letzte der kaiserlichen Familie sterben, eine Familie, deren Urahn Jusilus gewesen war.
»Alles was ich über diese Kaiser gehört habe, wirkt auf mich extrem abstoßend«, beschwerte sich der konservative Sam.
Aurec lächelte. Er war froh, dass Sam zur rechten Zeit gekommen war. Auf seinen alten Freund war verlas!
»Sei froh, dass du die schlimmsten Momente nicht miterlebt hast«, meinte Aurec und spielte dabei auf die Exzesse von Carigul an und die Heirat zwischen Klausius und dessen Schwester Alupia.
Der Somer nickte zustimmend und blickte grimmig den Saggittonen an. Durch seine dicken Augenbrauen, die für einen Somer sehr ungewöhnlich waren, wirkte Sam stets etwas düster dreinschauend, doch wer ihn kannte, wusste, dass Sam ein sehr liebenswertes Wesen war, mit hohen ethischen und moralischen Prinzipien.
Plötzlich betrat Monderos den Raum. Der schlaksige Dorgone wirkte ernst.
»Ist etwas passiert?«, wollte der Saggittone wissen.
Nun betrat auch Uleman den Raum.
»Was gibt es?«, fragte der Rebellenführer.
Aurec und Sam sahen ihn auch fragend an. Dann blickten alle Monderos an.
»Es ist etwas Bedauerliches geschehen«, begann er und zog eine Waffe, die er auf die drei Männer richtete.
»Vesus hat mir befohlen, meine Tarnung aufzugeben und euch umzulegen«, erklärte er weiter. Fassungslos starrten ihn alle drei an. Monderos war ein Verräter. Seine Freundschaft zu Ulesia, sein Winseln um Vergebung, sein theatralischer Auftritt, alles nur Lüge!
In Aurec wuchs die Wut.
»Du elender Verräter. Ich dachte, du liebtest Ulesia!«, rief er.
Monderos lachte.
»Du Narr, ich liebte sie schon lange nicht mehr. Ich hasste ihre anhängliche Art und ihre säuselnde Stimme. Hätte ich sie geliebt, hätte ich sie wohl kaum erschossen!«
Aurec verlor für einen Moment den Halt und auch Uleman bebte vor Zorn.
»Aber, aber … es war doch ein Soldat, der sie …«, stammelte der Rebellenführer.
Der bewaffnete Dorgone lächelte finster. »Im Rauch habt ihr nicht viel gesehen. Nein, es tut mir leid, diesen Ruhm müsst ihr mir anerkennen.«
»Warum?«, schrie Uleman. Tränen flossen über seine Wangen.
»Sie hatte es verdient. Sie war eine Verräterin, wie ihr alle. Deshalb erledige ich euch. Wenn ihr drei tot seid, ist die Rebellion am Ende«, sprach Monderos triumphierend.
»Nehmen Sie mich als ersten«, rief Sam und stellte sich vor die anderen.
»Das kannst du haben.« Monderos legte an.
Plötzlich schoss die Tür auf und Will Dean kam in Unterhosen hereingestürmt. »Sorry, kann mir mal jemand eine Hose leihen? Meine ist eingelaufen.«
Verwundert riss Monderos die Waffe herum, doch da hatte er sich bereits einen Dagortritt von Dean eingefangen. Der Dorgone taumelte nach hinten, konnte jedoch dem zweiten Angriff des dunkelhäutigen Terraners ausweichen und selbst einen Fausthieb in dessen Magen landen. Keuchend sackte Dean zusammen. Sofort rannte Monderos in den Korridor.
Aurec zögerte keine Sekunde und stürmte hinterher.
Sam kümmerte sich um den angeschlagenen Dean.
»Vielen Dank, du hast uns das Leben gerettet. Die Idee mit der eingelaufenen Hose war wirklich gut. Grandioser Trick. Monderos musste sehr verwirrt gewesen sein, als er dich in Unterhosen sah«, meinte Sam amüsiert.
Dean blickte ihn böse an.
»Mir sind die Dinger wirklich eingelaufen!«
»Oh …«
Monderos rannte zu dem Hangar und warf jeden nieder, der ihm im Weg stand. Aurec brüllte um Verstärkung und informierte Serakan über den Verräter auf der SAGRITON.
Der Dorgone hatte den Hangar erreicht und steuerte einen Jäger an. Zwei Soldaten stellten sich vor ihn. Ohne zu zögern erschoss er sie.
Dann öffnete er das Cockpit eines Einmannjägers schwang sich hinein und startete die Maschine. Aurec hastete hinterher und bestieg ebenfalls einen Jäger. Wild feuerte Monderos auf die noch geschlossenen Schotts. Erst langsam öffneten sie sich. Das Risiko von inneren Schäden war zu groß, deshalb beschloss Serakan die Schotten zu öffnen.
Kaum waren sie einen Spalt offen, schoss der Jäger Monderos heraus, dicht gefolgt von Aurec. Der Saggittone eröffnete sofort das Feuer.
»Ich gebe nicht auf, Saggittone«, sprach Monderos verächtlich.
»Ich will auch nicht, dass du aufgibst«, antwortete Aurec verbittert.
»Was willst du dann?«
»Auge um Auge. Zahn um Zahn, sagt die terranische Religion. Du hast Ulesia getötet, nun töte ich dich!«
Monderos beschleunigte noch mehr und konnte den Abstand zwischen sich und Aurec vergrößern.
Doch was sollte er Vesus sagen? Er hatte versagt und konnte unmöglich mit leeren Händen zurückkehren. Monderos bis die Zähne zusammen und flog in den Asteroidengürtel. Der Dorgone wollte Aurec in die Falle locken.
Er wusste, dass es dort viele Raumforts gab, die auf alle feindlichen Jäger schossen. Aurec würde nicht den Hauch einer Chance haben.
Wie erwartet, folgte der Saggittone ihm sofort. Monderos schmunzelte. Immerhin konnte er den Tod Aurecs melden. Für einige Sekunden verlor er jedoch den Kontakt zum gegnerischen Jäger.
»Wo bist du?«, rief er in die Sprechanlage, doch eine Antwort blieb aus. In diesem Asteroidenfeld gab es viele Störfelder. Ein Grund, warum die Alliierten dieses Terrain gemieden haben.
Die Kontrollen des saggittonischen Jets spielten verrückt. Wütend schlug Monderos mehrmals auf die Konsole.
Plötzlich tauchte Aurecs Schiff direkt vor seinem auf und schoss mehrmals. Einige Salven trafen den Schutzschirm, der zusammenbrach. Ein schwerer Treffer schlug im Bug des Jägers ein.
Funken sprühten aus einigen Apparaturen, doch Monderos Jet war noch manövrierfähig und konnte feuern. Monderos flog einen steilen Winkel und versuchte hinter Aurec zu kommen. Sie brausten an einem Asteroiden vorbei, auf dem Dorgonen stationiert waren.
Monderos beschloss tiefer zu fliegen. Sofort stiegen zwei Abfangjäger vom Asteroiden auf und hielten auf die beiden saggittonischen Jäger zu.
Monderos wollte Funkkontakt aufnehmen, da bemerkte er, dass sein Hyperkomgerät beschädigt war. Er konnte den Abfangjägern nicht mitteilen, dass er kein Saggittone war. Entsetzt beschleunigte er, doch die beiden Jäger hatten sich bereits an seine Fersen geheftet. Aurec nutzte die Gelegenheit und verließ den Asteroidengürtel. Das schien den Angreifern egal zu sein. Sie konzentrierten sich auf den Jäger, der ihnen nicht entwischen konnte.
Monderos wusste, dass es vorbei war. Zwei Schüsse besiegelten sein Schicksal. Welche Ironie. Der Agent wurde von seinen eigenen Leuten umgebracht, weil sie glaubten, er sei ein Rebell gewesen. Sie wussten nicht, dass er diese Rolle nur gespielt hatte.
Aurec empfand Befriedigung bei dem Tod Monderos. Er hatte ihm Ulesia genommen. Dafür musste er bestraft werden. Erleichtert fühlte sich der Saggittone jedoch nicht, denn der Tod Monderos machte Ulesia nicht wieder lebendig.
Cascal betrat die düstere Kneipe in der Nähe des Zentrums von Dom, die offenbar den wichtigsten Treffpunkt des Widerstands auf Dorgon darstellte.
Einige Übriggebliebene von der TAKVORIAN und der GOLDSTAR, die nicht mit nach Hesophia gekommen waren, hatten sie noch aufstöbern können; die meisten waren allerdings getötet worden.
Der Geruch von gerauchtem Harz – diese Art des Genusses war auf Dorgon offenbar äußerst beliebt – stieg Cascal sofort in den Kopf.
So etwas Widerliches …
Alle Männer, die sich in diesem Lokal aufhielten, hatten etwas Entschlossenes an sich. Aber das war auch bitter nötig, denn nun musste konsequent vorgegangen werden.
Cascal bestieg kurzerhand einen Tisch in der Mitte des Raumes, damit er von allen Anwesenden gesehen und gehört werden konnte.
»Leute, Ihr alle kennt unser Vorhaben bereits. Ich suche einige Männer, die gemeinsam mit mir den Palast des Kaisers stürmen. Wer von euch kann mit Waffen umgehen?«
»Ich!«, Ein älterer Herr mit langem weißem Bart und runzligem Gesicht, der trotz seines offensichtlich hohen Alters immer noch fit aussah, trat hervor. »Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber immer noch frisch genug, um diesen Hundesohn Nersonos und seine Gefolgsleute eins vor den Latz zu knallen.«
Cascal musste unwillkürlich lächeln. »Alle Freiwilligen werden nun von uns mit Gewehren ausgestattet.«
Die Männer traten vor und griffen sich die Kampfgeräte.
Cascal fuhr fort. »Wir werden zunächst einige Erkundungstrupps ausschicken, um eine genaue Taktik zu planen. Dann schlagen wir zu.«
Nach einigen abschließenden Worten verließ Cascal das Gebäude wieder.
»Ich würde sagen«, meinte er, an Sandal Tolk gewandt, »wir sind bereit!«
Die Sonne schien feuerrot am Firmament. Tau klebte an den Blättern und die Vögel zwitscherten. Ein Fremder, der in diese Idylle geriet, konnte nicht ahnen, dass dies die Ruhe vor dem Sturm war.
In den unteren Gewölben des Palastes auf dem Hügel Pons Domus lag der Bunker von Nersonos. Dort suchte der wahnsinnige Kaiser Schutz vor den Bombardements der Alliierten.
Arimad betrat verschlafen das Gemach ihres unfreiwilligen Gatten. Bei ihr war ihr Dienstmädchen Teresi. Erschrocken wich sie zurück, als sie das Chaos auf dem Boden sah. Zerbrochene Flaschen und Krüge, ein weißes Pulver quer auf dem Fußboden verteilt, Handschellen, Daumenschrauben und Peitschen.
Hatte es jetzt jemand getan?, dachte die Tochter Ulemans erleichtert. Langsam schritt sie zum Bett Nersonos. War er tot? Hatte ein Rebell oder ein Gegner des Wahnsinns den Mut gefunden, den verrückten Kaiser zu richten.
Der Hoffnungsschimmer verglimmte als sie Nersonos nackt auf dem Bett sah, lebendig! Neben ihm schnarchten seine beiden Lustknaben.
Die Trümmer im Wohnzimmer waren Überreste ihrer Orgie. Diesem Mann war nichts heilig. Während Menschen aus seinem Volk für seine Ideologie ihr Leben ließen, gab er sich seinen animalischen Instinkten hin.
Arimad hob eine große Scherbe auf und ging langsam an das Bett heran. Sie konnte es jetzt beenden.
»Herrin?«, fragte die junge und zierliche Teresi entsetzt. Arimad warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Teresi schwieg.
Die Dorgonin setzte die spitze Scherbe an Nersonos Schläfe, doch eine Pranke packte ihre Hand unsanft.
»Nicht so!«
Es war Cauthon Despair. Sie wehrte sich heftig, doch Despair gab einen Impuls in sein Handgelenk, der Arimad dazu bewegte, schmerzerfüllt die Scherbe abzusetzen.
Nersonos hatte davon nichts mitbekommen.
»Digalinus würde dich töten. Du bist jung und hast dein Leben noch vor dir. Gedulde dich einfach. Nersonos Schicksal ist doch bereits besiegelt«, sagte Despair.
Der Silberne Ritter schickte Arimad fort. Sie lief zusammen mit Teresi aus dem Zimmer und verwünschte den Cameloter.
Despair war selbst in Versuchung, den widerlichen Dorgonen zur Strecke zu bringen. Sollten doch heute auf seinen Befehl hin 5.000 Kriegsgefangene öffentlich verbrannt werden. Darunter waren viele Galaktiker.
Doch … wollte Despair sie wirklich beschützen? Hatte es noch Sinn, nachdem Sanna Breen tot war? Sie war die einzige, die ihm etwas bedeutete – neben seiner Freundschaft zu Perry Rhodan. Er konnte Rhodan nicht enttäuschen. Ein zweites Mal würde er nicht sein Vertrauen wiedererlangen können.
Doch was war mit diesem Cau Thon? Was für ein Wesen war diese Wolke? Warum nannte sie Despair ›Sohn des Chaos‹ und verlieh ihm einen Zellaktivator? Einst hatte Cau Thon schon vor zehn Jahren ihn als Sohn des Chaos bezeichnet. Damals hatte Despair seine Wandlung zum Silbernen Ritter vollzogen, nachdem er so schwer verwundet gewesen war. Nun, eine Dekade später, war Cau Thon zurückgekehrt und offensichtlich war Despair selbst nun sein Sohn des Chaos. Er war ein Zellaktivatorträger. Ein relativ Unsterblicher. Das änderte eigentlich fast alles. Despair hatte Zeit. Endlos viel Zeit.
»Wach auf Nersonos!«, forderte er und rüttelte unsanft am Körper des ›Göttlichen‹.
Sabber floss aus Nersonos Mund. Er riss die Augen weit auf und begann aufzustoßen. Anschließend drehte er sich zur Seite und verlor seinen Mageninhalt.
Seine beiden Lustknaben griffen zu einer Schatulle und spritzten sich ein helles Serum in den Arm. Drogen! Despair fand keine Worte für die Verwerflichkeit dieser Kreaturen. Er verachtete sie mit jeder Pore seines Körpers.
Nersonos musste sterben. Daran gab es keinen Zweifel. Vielleicht konnte Despair der Vollstrecker sein.
Nachdem sich Nersonos wieder erholt hatte, wischte er sich das Erbrochene vom Mund und von der Brust. Anschließend rief er eine Dienerin, die diese Schweinerei bereinigte. Er zog sich seine Toga über und rieb sich die Augen.
»Ich habe eine anstrengende Nacht hinter mir. Warum störst du?«
»Auch deine Soldaten hatten eine anstrengende Nacht. Die Hauptstadt Helsufs ist gefallen. Den Rebellen stehen jetzt ungeahnte Ressourcen zur Verfügung, die sie gegen die Flotte einsetzen werden«, erklärte Despair düster, ohne einen Beweis für seine Theorie zu besitzen.
Nersonos winkte ab.
»Das wird schon wieder. Ich muss an meine Ode an das Leid denken. An die Tragödie des Dorgonischen Reiches!«
Despair resignierte.
»Wirst du erst weise werden, wenn Dom in Flammen steht?«
»Was sagtest du? Dom in Flammen?« Nersonos lief wie von einer Tarantel gestochen durch den Raum und klimperte auf seinem Keyboard.
»Das ist es!«
»Was meinst du?«, forschte Despair nach.
»Ich schlage zwei Fliegen mit einer Klappe! Ein Geniestreich des größten Imperators! Die Galaktiker werden Dom wahrscheinlich erobern. Vesus ist ein Versager, er wird uns nicht retten können, das weiß ich! Deshalb werden wir ihnen nichts als Asche überlassen. Wir brennen Dom nieder.«
Cauthon Despair glaubte nicht, was er hörte. Dieser Mann hatte tatsächlich vor, eine Millionenmetropole niederzubrennen. 789 Million Wesen lebten in Dom. Er konnte unmöglich vorhaben, sie alle zu opfern, nur damit die Galaktiker nichts erbeuten konnten. Dies grenzte an Irrsinn und erinnerte Cauthon Despair an eine düstere Epoche der präatomaren Zeit. Es hatte in der terranischen Geschichte einen Diktator in Deutschland gegeben, der auch nur verbrannte Erde zurücklassen wollte.
Wie sich doch die Tyrannen glichen, dachte der Silberne Ritter voller Abscheu.
»Und wenn Dom brennt, werde ich das Leid der Dorgonen hautnah miterleben und kann endlich meine Ode schreiben!«, kicherte Nersonos freudig.
Er streckte sich und gähnte laut.
»Ah, das wird ein toller Tag werden!«
Nersonos war irrsinnig. Es bestand kein Zweifel. Er rannte aus dem Raum und rief Digalinus zu sich. Cauthon Despair blieb in dem Schlafzimmer sitzen und versuchte einen Sinn für diesen Wahnsinn zu finden.
Es ist Teil eines großen Plans. Er mag grausam sein, doch auch Nersonos ist ein kleines Rädchen in dem ultimativen Plan unseres Meisters!
Es war Cau Thons Stimme, die zu Despair sprach. Sie riet ihm nichts gegen Nersonos zu tun, denn es sei nicht in seinem Interesse.
Despair entschloss sich, diesem Rat zu folgen. Er musste Cau Thon vertrauen, denn es bestand eine besondere Verbindung zwischen ihnen beiden. Dies spürte der Cameloter.
Berus war Nachtwächter. Ein Beruf, der in den letzten Tagen mit viel Gefahren verbunden war, denn in der Nacht griffen die galaktischen Bomber an.
Sie attackierten wirtschaftliche und militärische Anlagen, um den Planeten strategisch zu schwächen. Sie verschonten alle zivilen Einrichtungen. Berus war von der Humanität der Fremden überrascht. Sie setzen Waffen ein, welche die Technik der Fabriken zerstörte, aber nicht die Fabriken selbst. Bei Tagesangriffen setzten sie Paralysestrahlen ein, um die Belegschaft zu betäuben und für Stunden von der Arbeit abzuhalten. Berus verstand das nicht. Wenn ein Volk auf einer Provinzwelt revoltierte, wurde ein totaler Krieg gegen sie geführt, bis sie sich ergaben. Rücksicht gab es dabei nicht. Die Fremden waren für Berus komische Wesen.
In den letzten Tagen hatten sich jedoch die Angriffe stark verringert. Vesus hatte 50.000 neue Adlerschiffe ins Dorgonia-System berufen, die einen Ring um Dorgon bildeten. Es waren Reservebestände aus den Protektoraten Jusilus und Harrisch. Carilla, der Militium Magister von Harrisch, musste dafür sogar die Vormachtstellung aufgeben. Eine Sicherung der Protektorate und des Dorgonia-Systems war offenbar derzeit nicht möglich, so hieß es.
Vesus war in den letzten Tagen zu einem Helden aufgestiegen. Er war es bereits, doch die heroische Verteidigung der Heimatwelt hatte ihm beim Volk viel beliebter gemacht. Insgeheim war er der Sympathieträger, nicht Nersonos, der sich seit Tagen in seinem Bunker verschanzte.
Der Kaiser zeigte sich nicht beim Volk. Es reagierte mit Unverständnis darauf. Berus dachte nicht anders. Nersonos war kein Thesasian. Er war ein blutiger, ungerechter und inkompetenter Herrscher, der das Volk nur noch mit martialischen Spielen bei Laune hielt und so versuche, von dem Krieg abzulenken, der direkt vor der Haustür stand. Ähnlich wie Carigul war Nersonos beim Volk vergaßt. Dieser Frust wuchs von Stunde zu Stunde.
Viele Stimmen erhoben sich, die nach dem Rücktritt des Imperators riefen. Sie wollten Vesus als neuen Imperator sehen. Andere wiederum begannen, in den Rebellen die wahren Befreier zu sehen.
Berus' Glaube an die göttlichen Kaiser und die Unverwundbarkeit des Dorgonischen Reiches war tief getrübt worden. Diese fremden Galaktiker, Saggittonen und wie sie alle hießen, hatten in kürzester Zeit das Reich zum Wanken gebracht.
Die Zivilisten litten psychisch unter den Bombardements und dem Verbot, das System zu verlassen. Die Regierung befürchtete, zivile Raumer könnten abgeschossen werden, so die offizielle Verlautbarung.
Berus glaubte nicht daran. Schließlich wurden bis jetzt nur Militärstützpunkte, Fabriken oder die Palastanlagen angegriffen. Vielleicht, so malte sich der Nachtwächter aus, war Uleman wirklich ein guter Mann und er wollte das dorgonische Volk von ihrer Intoleranz befreien. Es passte nicht zur fremden Mentalität der Saggittonen und Rebellen, Zivilraumschiffe abzuschießen.
Doch die dorgonische Tageszeitung SIEH berichtete ganz anders über die Saggittonen und Galaktiker. Auf der alle zehn Minuten aktualisierenden Applikation der Zeitung berichteten sie über die scheußlichen Nichtdorgonen, die zum Frühstück kleine Dorgonenkinder verspeisten, ihr Volk knechteten und zum Teufel beteten. Berus schenkte dieser Propaganda keinen Glauben.
Berus war die politische Zukunft relativ egal. Ihm war es wichtig, dass es er genügend Geld verdiente und seine Familie ernähren konnte. Politik sollten andere machen. Er war nur ein kleiner Mann, was hätte er auch an dem Leid der versklavten Völker ändern können? Nichts!
Doch, so überlegte er sich, hatten die Rebellen ihn vom Gegenteil überzeugt. Jeder Freischärler hatte den Mut gefunden, sich gegen das System aufzulehnen und für seine und andere Ideale einzustehen. Oft bezahlten sie mit dem Leben.
So manches Mal in den letzten Tagen hatte Berus daran gedacht, sich den Rebellen anzuschließen. Doch er hatte Frau und Kinder. Seine Pflicht war es, sich um sie zu kümmern.
Seine Frau hatte ihm oft gesagt, er sollte nicht in dieser Fabrik arbeiten. Hier wurde besonderer Treibstoff gelagert, der hochexplosiv war und besonders brannte.
Eigentlich war der verboten. Doch Berus wusste, dass Carilla, der Schlächter, diesen Stoff einmal auf einer Welt der Ponas eingesetzt hatte. Das tückische an diesem Stoff, er brannte und entzündete sich immer wieder auf fast jedem Material. Er war sehr gefährlich und eine Löschung fast unmöglich. Erst wenn die Chemikalien verbraucht waren, hörte das Feuer auf. Millionen Liter dieses Gemisches lagerten tief in den Kellern der Fabrik.
Er setzte sich auf seinen Stuhl und sah die Nachrichten. Seit einigen Stunden sendete ab und zu der Rebellenkanal. Immer wieder wurde die Sendefrequenz geändert, damit die Regierung ihn nicht sperrte.
Klingt nicht verkehrt, dachte sich der Dorgone. Plötzlich betraten ein paar Soldaten den Raum. Er konnte einen von ihnen erkennen. Es war Digalinus. Berus stand auf und salutierte, was bei ihm jedoch eher peinlich wirkte.
Die drei Offiziere beachteten ihn nicht. Sie trugen einige Koffer mit sich, die sie an den Generatoren befestigten.
»Was macht ihr da?«, wollte Berus wissen.
Digalinus stellte sich neben den Nachtwächter und legte seine Hand auf dessen Schulter.
»Das geht dich nichts an. Wir sind im kaiserlichen Auftrag hier. Rebellen werden diese Fabrik in die Luft jagen«, erklärte er gönnerhaft.
»Aber, das würde die halbe Stadt in Brand setzen, soviel explosives Zeug ist hier gelagert. Nein, das geht gar nicht, der Hypertronschirm ist doch über der Fabrik«, meinte Berus. Er war etwas stolz, dass er Digalinus beruhigen konnte.
Der Anführer der Prettosgarde lächelte schwach.
»Bedauerlicherweise sind die Rebellen in die Fabrik eingedrungen und haben den Schirm deaktiviert.«
Berus verstand nichts mehr.
»Aber wo sind die Rebellen denn?«
Digalinus zog sein Schwert und rammte es seinem Landsmann in den Bauch. Der Todeskampf dauerte nur wenige Sekunden, dann brach Berus leblos zusammen.
Digalinus atmete schwer auf. Er wusste nicht, warum er das tat, doch er folgte dem Befehl seines Kaisers. Insgeheim hatte er sich jedoch ein kleines Vermögen an die Seite gelegt. Eine startbereite Fähre stand auf dem Palasthangar und würde ihn weit weg bringen, sollten die Galaktiker, wovon er ausging, Nersonos stürzen.
Eine Gruppe an Soldaten leitete das entzündliche Gemisch in die Trinkwasserversorgung und erzeugte einen Überdruck, so dass die Leitungen platzen würden. Die Explosion alleine würde nicht ausreichen, doch dadurch, dass überall das brennbare Gemisch war, würde sich das Feuer ausbreiten und damit auch nicht brennbare Materialen überwinden.
Er bekam ein Zeichen von den anderen beiden Soldaten. Die Zünder waren gelegt. So schnell es ging verließen sie das Gebäude.
»Gute Arbeit. Der Dank des Kaisers ist euch gewiss«, erklärte Digalinus und zog seinen Strahler. Ohne mit der Wimper zu zucken, schoss er beide Offiziere nieder. Sie sollten unter keinen Umständen etwas verraten können.
Der Leibgardist und enge Vertraute Nersonos stieg in seinen Gleiter. Am Palastgebäude angekommen, drückte er den Zünder.
Eine gewaltige Explosion erhellte das Dunkel der Nacht. Wenige Sekunden später folgte der Knall und eine gewaltige Erschütterung durchfuhr die gesamte Stadt. Dann brachen überall die Wasserleitungen auf. Brunnen spien Feuerfontänen, Seen und Teiche brannten lichterloh, Feuerwehren, die versuchten zu löschen, heizten den Brand noch mehr auf. Das Feuer verbreitete sich schnell.
Es war vollbracht, Dom stand in Flammen!
*
Cauthon Despair hätte nicht geglaubt, dass Nersonos tatsächlich dazu fähig war, die prunkvollste Stadt seines Reiches zu vernichten. Er beging dabei einen Mord an Millionen. Viele wurden von der Explosion überrascht und hatten keine Möglichkeit, sich zu retten.
Resignierend und schweren Schrittes begab sich Despair auf den Balkon. Dort stand Nersonos, neben ihm Digalinus und Arimad und deren Dienstmädchen Teresi.
Der Kaiser bemerkte den Silbernen Ritter sofort. Er lachte freudig. Seine Augen strahlten voller Glück. Er genoss dieses Szenario.
»Sieh doch, Dom brennt! Der Himmel ist rot erleuchtet. Welch ein Schauspiel.«
»Ja, dieses Schauspiel ist deiner würdig«, meinte Despair voller Sarkasmus. Nersonos verstand ihn nicht und interpretierte dies als Lob.
»Hörst du die Schreie? Dorgonen sterben! Welch ein Leid!« Der Kaiser stellte sich an sein Keyboard und begann darauf zu spielen … und zu singen.
Oh Dom, du brennst,
jeder vor den Flammen davonrennt,
Überall sie verschmoren, die Frauen, die Kinder, die Männer!
Der Gott über allen steht und seine Kinder rächen wird,
die Galaktiker vernichten wird!
BRENNE DOM, oh ja, BRENNE BABY!
Die letzten Worte schrie Nersonos. Seine Stimme überschlug sich.
Grotesk, dachte Despair. Es widerte ihn an. Die Schreie wurden lauter. Eine Menschenmenge rannte auf das gesicherte Palastgebäude auf dem Pons Domus zu.
Nersonos erschrak.
»Was wollen die?«, fragte er verwirrt.
»Sie suchen Schutz. Schutz beim Kaiser, der seine Kinder rächen wird. Vielleicht sollte er sie besser retten?«
Arimads Stimme klang zynisch und bissig.
Nersonos schüttelte heftig den Kopf. »Nein, sie sollen verschwinden. Wir haben hier keinen Platz für diese stinkende Meute. Sie sollen gefälligst verbrennen. Wie soll ich denn sonst mein Lied fertig komponieren, wenn alle überleben?«
Tränen schossen aus Arimads Gesicht. Sie rannte weinend in das Zimmer. Selbst Digalinus war bleich im Gesicht. Er erhielt einen Interkomspruch von Celusian, der fragte, was man mit den Anstürmenden machen sollte.
»Schickt sie zum Teufel!«, rief Nersonos.
Und so taten sie es auch. Celusian hatte wenig Mitgefühl mit den Notleidenden. Hauptsache ihm ging es gut. Er ließ auf das Volk schießen. Hunderte brachen leblos zusammen. Ein Schauspiel, welches beispiellos war.
Teresi konnte sich dieses Schauspiel nicht mit ansehen. Sie ging vor Nersonos auf die Knie und bat ihn die Hilfesuchenden einzulassen.
»Herr, bitte! Meine Familie könnte unter ihnen sein«, sagte sie mit zitternder Stimme. Tränen schossen ihr aus dem Gesicht.
Nersonos schob sie von sich und lief in sein Gemach. »So, du niedere Dienerin bittest also um Gnade für den Pöbel dort draußen?«
»Ja!«
In Teresis Worten lag der Mut einer Verzweifelten. Arimad lief zu ihr und nahm die Hand ihrer Dienstmagd und versuchte ihr beizustehen.
Nersonos ging zu einem Schrank und holte eine Schatulle dort heraus. Er öffnete sie und der spitze Stachel eines Skorpions schnellte ihm entgegen, doch der Kaiser war schneller und packte das Insekt am Schwanz.
Er hob es hoch und setzte es in einem rechteckigen kleinen Atrium ab. »Du meinst, dass Gott DORGON sicher dieser Leute gnädig wäre?«
»Ja, Herr! DORGON war ein weises Wesen. Er hätte sie sofort gerettet«, sprach die Dienerin voller Inbrunst.
»Nun gut! Halte deine Hand dort hinein. Sticht dich der Skorpion, stirbst du. Sticht er dich nicht, war DORGON dir gnädig und ich lasse das Pack in den Palast!«
Arimad war über dieses Abkommen entsetzt. Digalinus schien das sehr zu gefallen. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Ängstlich sah Teresi zu Arimad herüber.
»Ich werde meine Hand hinein halten!«, meinte Arimad und ging zum Behälter, doch Digalinus hielt sie zurück.
»Es war die Rede von der Sklavin«, meinte er verächtlich.
Teresi nahm allen Mut zusammen und ging langsam zum Atrium. Zitternd hielt sie ihre Hand hinein. Sie wollte den Hauch einer Chance nutzen, doch das Insekt stach sofort zu und tötete Teresi nach einer Minute Kampf mit dem Gift.
Arimad lief zu der Toten und trauerte um sie. Von Minute zu Minute hasste sie Nersonos mehr. Ihm bedeutete das Leben nichts. Er spielte nur mit dem Leben und löschte es aus, wann immer es ihm gefiel.
Digalinus nahm den Skorpion und steckte ihn in die Schatulle, die er selbst mitnahm. Irgendwie hatte ihm das Schauspiel gefallen, dass er dies auch einmal mit ungeliebten Menschen machen wollte.
Nersonos blickte gönnerisch auf die Tote herab.
»DORGON hat entschieden, beschießt die Hunde dort draußen!«
Der Kaiser hatte die Hauptstadt angezündet, nur seiner Muse wegen. Millionen kämpften um ihr Überleben, doch eine der rettenden Inseln, der Palast, wurde ihnen verwehrt. Sie wurden wie räudige Hunde verscheucht oder niedergeschossen.
Nersonos interessierte dies wenig. Er zupfte sang die Ode an das Leid. In dem Lied gab er den Galaktikern die Schuld, doch jeder wusste, dass er selbst es war.
Der Kaiser war dem Wahnsinn erlegen und hatte Dorgon auf den tiefsten Punkt seiner Geschichte geführt.
Valerus konnte nicht glauben, was er sah. Dom stand in Flammen und die Armee verscheuchte die Hilfesuchenden. Er lief zu Celusian und flehte ihn an, den Opfern zu helfen, die Garnison zur Löschung zu beauftragen, doch der fette Dorgone drohte Valerus nur mit Exekution, sollte er die Befehle verweigern.
Die Feuerwehr war nicht in der Lage den Brand unter Kontrolle zu halten. Überall loderte die todbringende Feuersbrunst.
Wenn kein Wunder geschah, würde Dom niederbrennen. Valerus konnte nicht verstehen, wie das passieren konnte.
Waren die Galaktiker so skrupellos gewesen? Hatten sie diese Hölle entfacht? Wer konnte es sonst gewesen sein?
Angewidert blickte er zum Balkon des Palastes hoch. Dort stand ›sein‹ Imperator. Nersonos spielte auf seinem Keyboard und trällerte die Ode an das Leid. Seine Stimme klang grausam und war eine Beleidigung für die Ohren.
Valerus konnte sich das nicht mehr mit ansehen und flog mit einem Gleiter zu der Arena, die ebenfalls unversehrt war, da sie nahe dem Palast lag und dieser nun von einem Schutzschirm geschützt wurde.
Damit waren die Aristokraten geschützt, das gemeine Volk musste mit dem Feuer kämpfen, verlor ihr Hab und Gut. Nersonos tat nichts dagegen. Wie konnte er das nur tun? Es war sein Volk!
Hass und Verachtung stiegen in Valerus hoch. Wütend stapfte er in die unteren Stockwerke. Sie waren mit dem Madisonus Squarus verbunden. Über ein Rollband gelangte er dorthin und öffnete einen verschlossenen Raum. Dort lag Sanna Breens toter Körper. Die Farbe war bereits aus ihrem Gesicht gewichen.
Einige Tränen flossen Valerus vom Gesicht. Dann hob er behutsam die Leiche hoch und trug sie aus der Arena.
Viele Gladiatoren, Sklaven und Kriegsgefangene saßen in den Zellen und bettelten um ihre Befreiung, doch Valerus konnte es nicht tun. Es interessierte ihn in dem Moment auch nicht. Erst musste er etwas erledigen.
Mathew Wallace rief Valerus hinterher. Schockiert stellte er fest, dass Sanna Breen tot war. Viel hatte er nicht von dem Duell zwischen Despair und Valerus mitbekommen. Die Wärter waren damit beschäftigt gewesen, die Gefangenen für ihre Hinrichtung vorzubereiten. Ein Glück, dass der Bombenangriff der Alliierten dazwischen gekommen war.
Wallace hielt immer noch an seinem Plan fest, am morgigen Tage einen Ausbruch zu wagen. Nichts konnte ihn davon abbringen. Er war bereits einmal entkommen, diesmal wollte er jedoch noch weitaus mehr! Er wollte endlich mit Saraah in Freiheit leben, die Sklaven und Gladiatoren befreien und den wahnsinnigen Nersonos stürzen.
Der Schotte plante tatsächlich einen Aufstand, der sich gegen den Palast richtete. Insgeheim hoffte er auf Unterstützung der unzufriedenen Dorgonen oder einen Durchbruch der alliierten Streitkräfte. Andernfalls würde dies ein kurzer Aufstand sein und Wallace könnte wie Spartacus enden.
Kein sehr angenehmer Gedanke, empfand der junge Terraner. Er setzte sich wieder neben Saraah, die eingeschlafen war. Sanft streichelte er ihr Haar und küsste ihre Stirn. Es lohnte sich, für sie zu kämpfen. Einmal hatte er ihr versprochen, ihr Volk zu befreien. Vielleicht würde er einen großen Anteil daran haben, wenn es ihm gelang, mit diesem Aufstand tatsächlich unzufriedene Dorgonen zu mobilisieren.
»Großer Gott!« Der Offizier röchelte förmlich und erstattete Meldung. »Oh Vesus … wir haben Bilder von Dom. Es ist …« Ihm schienen die Worte zu fehlen.
Vesus, der Oberbefehlshaber der dorgonischen Flotte und Kommandant der DOMOLUS, befahl ihm, die Aufzeichnung auf dem Hauptschirm zu legen.
Was er sehen musste, traf ihn ins Mark.
Die Bilder zeigten Dom in Flammen; ganze Wohnviertel wurden vom Feuer zerstört. Menschen verglühten, verkohlte Leichen überall.
Dom starb.
Viele hundert Millionen Einwohner hatte diese Stadt, und nun schien dieses flammende Inferno alle dahinzuraffen.
Das kann nicht sein. Das ist die Hölle!
»Nehmen Sie sofort Kontakt mit dem Kaiser auf!«, befahl Vesus. Er war völlig entsetzt über die vorliegenden Eindrücke.
»Ich bekomme nur Kontakt mit einem der Offiziere auf dem Planeten!«, rief der Funkoffizier.
»Nun, dann teilen Sie ihm mit, dass ich vorhabe, einzuschreiten und den Brand zu löschen«, antwortete Vesus.
»Negativ.«
»Was?«, Vesus traute seinen Ohren nicht.
»Negativ, Vesus. Wir haben Order erhalten, unsere Position zu halten und weiterhin Dorgon zu verteidigen.«
Frustriert ließ Vesus sich wieder in seinen Sessel fallen. Das passte ihm nicht, das passte ihm überhaupt nicht …
*
Die Flammen loderten über der gesamten Stadt. Nersonos war zufrieden. Er hatte seine Ode an das Leid endlich fertig. Nun stand er auf dem Balkon und beobachtete dieses Schauspiel voller Bewunderung.
Digalinus und Celusian wagten kein Wort zu sprechen.
»Es ist grausam, was die fremden Invasoren mit unserer Stadt gemacht haben«, meinte Nersonos gleichgültig.
Arimad blickte ihn hasserfüllt an. Wie konnte er seinen eigenen Lügen glauben schenken? Jeder wusste, dass Nersonos den Brand gelegt hatte.
»Welch Heuchelei, mein Gemahl. Du hast den Brand gelegt und willst nun die Schuld den Alliierten geben?«, fragte sie verachtend.
Nersonos lachte schallend.
»Ja, du bist ein kluges Mädchen!«
Das war sie in der Tat. Nersonos bemerkte den kleinen Kameraroboter nicht, den sie bei sich trug. Vor Digalinus und Celusian versteckte sie ihn sofort. Sie hatte die letzten Stunden, Nersonos Ode und seine Bekenntnisse zur Brandstiftung aufgenommen und sendete die Daten bereits in das Informationsnetz des Planeten.
Bald würde Nersonos überführt sein. Das Volk würde sich endgültig gegen ihn wenden.
*
Auch Aurec war von den Bildern von Dom erschüttert gewesen. Er hatte keine Informationen aus erster Hand, daher wusste er nicht, wie es dazu hatte kommen können. An den Bombenabwürfen, die er befohlen hatte, hatte es jedenfalls nicht gelegen.
Wie auch immer, er würde es zu ihrem Vorteil nutzen!
»Stelle einen Kontakt mit den Dorgonen her!«
Die Flotte der Rebellen war näher und näher gekommen; der Zusammenstoß mit den Verteidigern würde in wenigen Minuten erfolgen.
Vesus befand sich nach wie vor in einem Gewissenskonflikt: Auf der einen Seite war er seinem Eid, den er auf das dorgonische Reich und seinen Kaiser geschworen hatte, verpflichtet. Allerdings stand dem auf der anderen Seite die Katastrophe, der Brand Doms. Ihm war es verboten worden, zu versuchen, die Flammen zu löschen.
Diverse Löschraumschiffe und Gleiter waren zerstört. Analysen der Wissenschaftler hatten ergeben, dass die Adlerraumschiffe die Chemikalie mit modifizierten Energiestrahlen löschen konnten. Wieso durfte er nicht handeln?
»Dux Superior! Die Fremden nehmen mit uns Kontakt auf!« rief der Kommunikationsoffizier.
Das ist sie. Ihre letzte Warnung …
Vesus erhob sich aus seinem Polstersessel, zog seine Uniform zurecht und bemühte sich, möglichst würdevoll zu erscheinen.
»Hier spricht der Dux Superior Vesus, Oberkommandierender der Flotten des Großen Imperiums«, eröffnete Vesus das Gespräch mit seiner Standardbegrüßung. Er hatte eigentlich noch etwas anderes sagen wollen, aber die Worte waren ihm im Halse stecken geblieben.
Das Gesicht, das auf der Bildschirm zu sehen war, gehörte einem Humanoiden, der wegen seines südländischen Typs eine gewisse Ähnlichkeit mit den Dorgonen aufwies. An einigen Merkmalen erkannte Vesus aber dennoch, dass es sich um einen der ›Fremden‹ handelte.
Obwohl die Galaktiker mittlerweile auf verschiedene Art und Weise ihren jeweiligen Völkern zugeordnet worden waren – das war größtenteils den Aussagen der zu Tode gefolterten Männer auf Mesoph zu verdanken – verwendeten die Dorgonen nach wie vor den Begriff ›Fremde‹.
Die Person begann zu sprechen.
»Mein Name ist Aurec; ich spreche im Namen der Saggittonen, aller Galaktiker, Völker der Mächtigkeitsballung ESTARTUs und des Widerstands gegen das dorgonische Imperium.«
Die Bezeichnung ›ESTARTU‹ sagte Vesus zunächst einmal überhaupt nichts. Er stellte jedoch keine Fragen, sondern schwieg einfach, denn er erkannte, dass er nicht dazu in der Lage war, die Initiative zu ergreifen, wie er es eigentlich gewöhnt war.
»Wir haben die gleichen Bilder wie Sie vermutlich auch«, fuhr Aurec fort. »Und wir erkennen, dass Sie ein großes Problem haben. Ihre Hauptstadt Dom mit schätzungsweise mehreren hundert Millionen Einwohnern wird momentan offensichtlich geröstet. Was Ihnen möglicherweise nicht bekannt ist, ist der Umstand, dass dieser Brand nicht von uns ausging. Er wurde offensichtlich innerhalb der Stadt entfacht. Wir vermuten, dass der Kaiser eine Politik der verbrannten Erde verfolgt.«
Vesus wusste nicht recht, ob er den Worten dieses Aurec glauben sollte. Das Problem war nur, dass dieser keinen offensichtlichen Grund hatte, zu lügen.
»Die Feuersbrunst hat bereits viele Leben gekostet, Vesus. Sie breitet sich rasend schnell über die Stadt aus, und Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, den Brand alleine zu löschen, da Sie ja nicht einmal einen Versuch unternommen haben.
Ob das dadurch motiviert wurde, dass sich unsere Flotte im Anflug befindet, spielt nun keine Rolle. Ich biete Ihnen hiermit die Hilfe unserer Schiffe an, den Brand zu löschen. Wir besitzen die Mittel, diesen Brand gemeinsam mit Ihrer Flotte binnen Minuten zum Erlöschen zu bringen.«
In Vesus begann es zu arbeiten.
»Zu welchen Bedingungen?«
*
Eskolus war Feuerwehrmann. Er liebte diesen Beruf, denn er half Menschen. Doch heute war er zu einer Qual geworden, denn er konnte nicht helfen.
Das Feuer war außer Kontrolle und würde noch Tage weiter wüten, Tausende von Häusern und Millionen von Menschen vernichten, wenn kein Wunder geschah.
Die Regierung half kaum. Keine Evakuierungstransporte, nichts! Die Bürger mussten sich selbst helfen. Die Feuerwehr war überfordert. Viele der Löschraumer und Feuerwehrgleiter waren mit der ersten Explosion zerstört worden. Eine Chemikalie war in die Wasserversorgung gemischt worden. Sie heizte den Brand nur noch an und war schwer zu löschen. Neue Mittel wurden ihnen nicht zur Verfügung gestellt. Es gab kaum Koordination. Jede Feuerwehrstelle war fast auf sich allein gestellt. So erreichten sie nichts.
Eine neue gewaltige Explosion erschütterte die Stadt. Sofort rannte Eskolus zu seinem Dienstfahrzeug und raste in Richtung des Brandes.
Eine weitere Fabrik wurde von dem Feuer vernichtet. In ihr befanden sich brennbare Stoffe, die einen halben Stadtteil nun binnen Sekunden verwüsteten.
Meterhohe Feuerwälle rauschten über das Viertel, in dem hauptsächlich ärmere Familien lebten. Sofort waren zwei Dutzend Einsatzgleiter dort, die versuchten den Brand zu löschen – ohne Erfolg.
Eskolus hielt an einer einigermaßen sicheren Stelle und rannte auf ein Haus zu. Er gab durch sein Interkomgerät Instruktionen, von oben das Feuer zu löschen. Sein Gleiter stieg auf und nahm die Arbeit auf.
Der Dorgone stieg auf einen Schutthaufen, der noch qualmte. Vor ihm lag ein Dorgone mit aufgeplatztem Schädel. Er ermahnte sich, sich zusammenzureißen. Schreie ließen ihn aufhorchen. Zwei kleine Kinder standen an einem Fenster und weinten.
Das Feuer hatte die unteren Sektionen des Hauses bereits fest im Griff. Sie waren gefangen. Ohne zu zögern rannte Eskolus zum Haus und aktivierte seinen Antigrav. Langsam stieg er höher und nahm die beiden Kinder in den Arm.
»Ganz ruhig, euch geschieht nichts«, sagte er leise.
Die beiden Mädchen weinten und riefen nach ihrer Mutter. Eines der Mädchen griff noch instinktiv nach ihrem Stofftier. Eskolus wartete solange. Dann stieg er mit ihnen hinab, doch plötzlich erschütterte wieder eine Explosion die Gegend.
Unsanft setzten die drei Dorgonen auf. Eskolus war noch etwas benommen. Dann umarmte er eines der Mädchen und lächelte ihr zu, doch sie blickte starr und voller Angst in die andere Richtung. In ihren Augen sah er die ankommende Brandwelle spiegeln. Entsetzt drehte sich der Feuerwehrmann um und blickte einer turmhohen Feuerwelle entgegen.
Nun war es vorbei! Er umklammerte die beiden Mädchen und schloss mit dem Leben ab. Seine letzten Gedanken galten seiner geliebten Freundin, die er nie wiedersehen würde.
Er schloss die Augen und wartete auf den Tod …
*
Doch dieser kam nicht! Er spürte den Boden erzittern und ein lautes Donnern am Himmel. Dann änderte sich die Temperatur. Es wurde kalt, die Luft war feucht und es kribbelte überall. Er öffnete die Augen. Alles um ihn herum war in ein blaues Feld gehüllt. Er sah nach oben und erblickte ein Adlerschiff, welches sich in seiner ganzen Spannweite von mehreren Kilometern präsentierte. Auf dem Schiff war der Name DOMOLUS zu lesen. Das war die Rettung. Der Feuerschwall wurde eingedämmt.
Überall waren die Adlerschiffe, doch nicht nur diese! Es waren auch feindlichen Schiffe. Der Himmel war bedeckt von Raumschiffen, die den Brand von Dom löschten!
Vesus stand währenddessen auf der Kommandobrücke und beobachtete das Schauspiel mit einem Lächeln. Er hatte seit Tagen nicht mehr gelacht. Zum ersten Mal seit lange rZeit hatte er ein reines Gewissen. Er diente Dorgon und hatte den Menschen Dorgons geholfen.
*
»Das darf nicht wahr sein!«
Trauer und Selbstmitleid erschütterten Nersonos. Die Nachricht, die ihm Digalinus überbracht hatte, bestürzte ihn zutiefst. Der Brand war gelöscht worden, sein Plan war dahin.
»Diese … diese Spielverderber! Wie können sie es wagen, mein Schauspiel zu sabotieren? Wo ist mein Feuerchen hin? Erschießt sie alle! Alle!«
Anstatt eine Antwort zu geben, drückte Digalinus einen kleinen Knopf am Boden des Thronsaals.
Surrend fuhr ein kleiner Holoprojektor heraus.
»Diese Bilder stammen vom Decrusian-Zentrum«, erläuterte Digalinus trocken.
Schockiert griff sich Nersonos an den Kopf.
Das Bild zeigte das große Verkaufs- und Versammlungszentrum von Dom. Zu sehen waren hunderttausende von andächtig lauschenden Personen, die sich auf dem ganzen Decrusian-Marktplatz versammelt hatten. Überwacht wurde die Szene von tausenden Soldaten in der Uniform der Raumflotte.
Das kann nicht stimmen … Wieso greifen sie denn nicht ein?, zuckte es Nersonos durch den Kopf.
Und in der Mitte des Platzes befand sich die hohe Rednerplattform, von der aus für gewöhnlich die Kaiser ihre großen Ansprachen hielten. Auf ihr befanden sich der Rebellenführer Uleman – und Vesus.
Polternd krachte Nersonos zu Boden und verlor das Bewusstsein.
Nervös nestelte Uleman an seinem Hemdkragen herum; in der linken Hand hielt er die Rede, die er zu halten gedachte. Diese Rede existierte schon seit Jahren, und er hatte sie stets bei sich getragen, nur, um sie im richtigen Moment griffbereit zu haben.
»Nun mach schon!«, zischte ihm Aurec zu.
Uleman räusperte sich und stieg die Stufen zu der gewaltigen Plattform hinauf. Hinter ihm befand sich Vesus. Der Dux Superior in Diensten Dorgons hatte sich ein Herz gefasst und war zur Besinnung gekommen. Er war mit der gesamten Flotte zu den Rebellen übergelaufen, als Aurec ihm beweisen konnte, dass der Brand von Nersonos, dem Kaiser selbst, gelegt worden war.
Die Aufzeichnungen Arimads, die per Informationsnetz an den Rebellensender gesendet wurden, waren dabei der entscheidende Faktor gewesen.
Uleman atmete tief durch und blickte auf die gewaltigen Menschenmassen, die sich versammelt hatten, um seine Worte zu hören.
Er räusperte sich nochmals und trat dann ans Mikrofon.
»Dorgonen!«
Die gewaltigen Lautsprecher des Platzes trugen seine Worte bis in den letzten Winkel. Er ließ es noch ein bisschen nachhallen, um allen die Bedeutung dieser Bezeichnung klarzumachen.
»Dorgonen – das sind wir alle, gleich von welchem Planeten wir kommen, welche Hautfarbe wir haben oder welches Gas wir atmen. Ob wir nun Sklaven sind oder freie Bürger des Imperiums, wir alle leben in derselben Galaxis und teilen dasselbe Schicksal.
Unsere Vorväter gaben diesem Sternenhaufen den Namen Dorgon. Einst gab es ein weises Wesen mit diesem Namen, der für Frieden und Gerechtigkeit plädierte. Wir sahen ihn als unseren Gott an und wollten nach seinem Vorbild leben.
Eine äußerst unangenehme symbolische Bedeutung hat es allerdings erhalten, seit diese Galaxie von der Gewaltherrschaft des Großen Imperiums unterdrückt wird. Die körperliche Freiheit wurde den Außenwelten genommen, die an das Reich angegliedert wurden. Die geistige Freiheit hat man euch geraubt, euch, die ihr dachtet, ihr wäret der Kern des Reichs! Der Name des Kaisers änderte sich in letzter Zeit häufig, aber es ist die Funktion des Tyrannen, die allen gemein war.
Nersonos, der momentane Herrscher, ging in seinem Egoismus so weit, dass er Dom anzündete. Er schert sich nicht um sein Volk, ihn interessieren nur seine eigenen Belange. Tausende von Leben hat er geopfert, Millionen von weiteren wurden nur dank unserer Freunde aus der Milchstraße, wie sie ihre Galaxis nennen, gerettet.
Daher mein Aufruf an euch Zuhörer und an alle Dorgonen: Helft mit, die Gewalt und Unterdrückung durch Nersonos zu beenden! Folgt dem Beispiel der Flotte und tretet zu uns über, denn wir stehen für das Neue Dorgon!«
Tosender Beifall brandete auf, und Uleman atmete erleichtert durch.
»Nun bist du dran«, sagte er lächelnd zu Vesus.
Dieser nickte ihm zu und lief dann ohne Umschweife zum Rednerpult.
»Bürger von Dom! Ich werde nicht viele Worte machen, denn das ist nicht meine Art. Ich möchte nur, dass Ihr wisst, dass ich mich aus freien Stücken und mit gutem Gewissen gegen den Kaiser entschieden habe.
Ich diene nur Dorgon!
Und ihr alle sollt Zeuge sein, denn ich fordere hiermit öffentlich den Rücktritt von Nersonos! Seine Aktionen haben dem Reich geschadet und sind inakzeptabel. Daher sollte er es eher als gut gemeinten Ratschlag denn als Drohung sehen wenn ich sage: Trete zurück, solange du noch kannst!«
29. Januar 1293 NGZ
Nachdem Nersonos sich von seinem Schock erholt hatte, erteilte er den Befehl, den Palast auf und unter dem Pons Domus zu einer Festung auszubauen. Ein Hypertronschirm wurde um das gesamte Gelände gespannt und tausende von Dorgonen als lebendige Schutzschilder genommen, um den Bombenangriffen der dorgonischen und alliierten Streitkräfte Einhalt zu gebieten.
Celusian und Digalinus organisierten die letzte Schlacht. Cauthon Despair hatte das Gebiet rechtzeitig verlassen. Er wusste, dass Nersonos Ende gekommen war. Der Silberne Ritter hatte selbst noch eine Rechnung in Dorgon zu begleichen.
Der Schutzschirm wurde nicht nur um den Pons Domus, sondern auch den kaiserlichen Raumhafen, den Madisonus Squarus und den Jusilus-Platz gespannt. Da war zum Vorteil für das Kommandounternehmen von Joak Cascal, die sich somit innerhalb des Schirmes und in Erreichbarkeit des Palastes befanden. Sie wollten ohnehin nicht diesen Bereich verlassen, solange der Kaiser noch lebte.
*
Ängstlich kauerte der Kaiser in seinem Sessel. Er war völlig apathisch. Sein letzter Befehl war die Hinrichtung der Gladiatoren und Kriegsgefangenen in der Arena, die ebenfalls noch in der Hand der Prettosgarde war.
Sie wollte Nersonos mit in den Tod nehmen …
Es dämmerte der Morgen des 29. Januar 1293 NGZ.
Und somit der letzte Tag für Mathew Wallace und die Sklaven, die an diesem Tag in der Arena sterben sollten.
Es war Wallace gelungen, auch noch einige Gladiatoren für sein Vorhaben zu gewinnen. Sie alle hatten die letzten Stunden damit verbracht, Pläne und Ersatzpläne zu schmieden; Aufgaben wurden den einzelnen Männern entsprechend ihrer Fähigkeiten zugeteilt.
Nun sollte also ihre Hinrichtung – von den dorgonischen Wächtern verharmlost als ›Fütterung‹ bezeichnet – erfolgen.
Die Wächter näherten sich ihrem Verlies mit schweren Schritten. Die dicken Finger hämmerten auf das Eingabefeld den Code ein. Die schweren Stahlgitter fuhren in den Boden hinunter.
Ohne einen Ton zu sagen, verließen die Männer ihre Zelle und setzten sich in Bewegung.
Wallace blickte sich unauffällig über die Schulter hinweg um.
Die Wächter sind unaufmerksam. Jetzt!
Wallace stieß einen kurzen Pfiff aus, das Signal für die anderen, zuzuschlagen. Mit großem Geschrei und Gejohle überwältigten sie die Wächter, die keine Chance hatten. Es waren sechs an der Zahl; drei wurden erschlagen, einer mit seiner eigenen Waffe erschossen und zwei schlicht und einfach zu Tode getrampelt.
Wallace schnappte sich ein Gewehr – offensichtlich eine Energiewaffe – und deutete den anderen den Weg ins Freie.
»Auf geht's! Zum Palast des Kaisers!«
Brüllend und schreiend rannte die bunt gemischte Horde aus Sklaven und Gladiatoren auf die Residenz des Nersonos zu.
Die Gladiatoren, Sklaven und Kriegsgefangenen stürmten auf das Palastgebäude zu. An ihrer Spitze stand Mathew Wallace.
Joak Cascal empfand in diesem Moment großen Respekt vor dem Offizier der IVANHOE, doch er wusste, dass dieser Heldenmut zum Tode führen könnte.
Panzer rollten auf und Celusian ließ die gesamte Leibgarde aufmarschieren, die ohne zu zögern auf die Menschen schossen.
»Wir müssen zuerst den Schutzschirm deaktivieren«, meinte Tyler. Damit hatte er recht. Der Aufstand hatte nicht den Hauch einer Chance, wenn der Hypertronschirm aktiviert war. Tyler und Japar übernahmen das.
Sie schlichen sich mit zehn Dorgonen an den Hauptgenerator. Langsam orderte Tyler die Männer an verschiedene Punkte, dann schlugen sie los und überwältigten die drei Wachen. Dabei gingen sie kalt und emotionslos vor.
Sam Tyler machte nie Gefangene. Er tötete seine Gegner unbarmherzig, ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu bekommen.
Über Interkom teilte er Cascal den Erfolg der Operation mit. Joak befand sich mit etwa 20 Mann, darunter Karakus und Tolk in einem Seitenflügel. Sie hatten bereits einen Transmitter aufgebaut. Lorif stand an der Konsole und aktivierte den Transmitter. Sofort stürmten etliche Saggittonen, dorgonische Rebellen, Elfahder und Terraner aus der Apparatur. Gleiter und Luftlandedivisionen wurden auf dem Madisonus Squarus, dem Jusilus-Platz und dem Pons Domus abgesetzt. Die wartenden Panzer an der Jusilus-Allee konnten nun vorrücken.
Besorgt blickte Cascal auf die anstürmende Menschenmasse. Immer mehr wütende Bürger hatten sich den Aufständischen angeschlossen, nachdem bekannt wurde, dass Nersonos für den Brand verantwortlich war.
Darüber wachten die Adlerschiffe. Landungsboote steuerten auf den Palast zu. Die dorgonische Armee unterstützte ebenfalls die Rebellen.
»Wir schlagen jetzt los«, gab Cascal an alle durch. Jetzt war es soweit. Der Kampf um Dom ging in seine entscheidende Phase über.
Celusian stand an einem Panzergleiter und beobachtete die anstürmenden Aufständischen. Verächtlich spuckte er auf den Boden und gab den Befehl, auf die Angreifer zu zielen.
*
Digalinus stand schweißgebadet neben dem dicken Oberbefehlshaber der Bodenstreitkräfte. Ein Funker eilte herbei und meldete, dass Nersonos Digalinus sprechen wolle.
»Mein lieber Digalinus! In dieser schweren Stunde, nach dem Verrat der Flotte an mir, ernenne ich dich zum neuen Oberbefehlshaber aller dorgonischen Streitkräfte«, erklärte der verwirrte Imperator.
»Danke«, meinte Digalinus nur. Er konnte sich für diesen Titel nun nichts mehr kaufen. Vesus hatte sich mit der gesamten Flotte Uleman angeschlossen, der nun auch die moralische Unterstützung des Volkes hatte.
Es war vorbei! Der Kampf war verloren. Sie hatten zu hoch gepokert. Auch Digalinus hatte sich geirrt. Zu sehr war er von sich selbst überzeugt gewesen und hatte geglaubt, in Nersonos den richtigen Herrscher gefunden zu haben.
Doch die Nachfolger Thesasians hatten in wenigen Monaten das gesamte Reich in den Abgrund geführt. Digalinus machte sich selbst jedoch keine Vorwürfe, dass er nur an sich dachte. Er wollte Ruhm und Macht. Allerdings war das schiefgegangen.
Er rief einen Piloten zu sich.
»Sind meine privaten Sachen an Bord?«
»Ja, Herr!«
»Sehr gut. Dann mache die Maschine startklar. Wir verlassen Dorgon«, erklärte der Anführer der Prettosgarde. Dieser Titel war ihm jetzt jedoch unwichtig. Er hatte einiges Vermögen zusammengeschart und wollte sich absetzen. Sollte die Meute doch Nersonos lynchen, er wollte lieber noch leben.
»Celusian. Feuer sobald sie zweihundert Meter von uns entfernt sind«, befahl der neue Oberbefehlshaber. Das war seine letzte Amtshandlung. Er eilte nun zum Raumhafen.
Plötzlich jagte eine Explosion die andere. Von einer Druckwelle wurde Digalinus zu Boden geworfen. Er rappelte sich wieder auf und rannte um sein Leben.
Von überall her stürmten Galaktiker, Elfahder und Dorgonen auf die Gärten zu.
Celusian gab den Feuerbefehl auf die Freischärler, da brausten Jäger über die Gardisten hinweg und begannen sie zu beschießen. Ein Panzer nach den anderen wurde zerstört. Mathew Wallace und seine Gefolgsleute jubelten den saggittonischen Jägern zu. Aus den Wolken wurden drei gigantische Schiffe sichtbar; die DOMOLUS, SAGRITON und IVANHOE.
Celusian schluckte hörbar. Jetzt bekam auch er es mit der Angst zu tun. Hastig schwang er sich in den gepanzerten Gleiter und befahl direkt zum Palast zu fliegen.
Cascal, Tolk und die anderen führten den Angriff von innen, von außen kamen Wallace Leute, gefolgt von der dorgonischen Armee. Die Prettosgarde war eingekesselt, kämpfte jedoch bis zum letzten Atemzug. Die Fanatiker kämpften für ihren Kaiser, auf den sie einst einen Eid ablegt hatten.
Sandal Tolk sah den gepanzerten Gleiter mit Celusian.
»Da muss ich hinterher!«, rief er und rannte auch schon los, bevor Cascal einen Einspruch einlegen konnte.
Die saggittonischen Jäger schalteten einen gefährlichen Panzer nach den anderen aus. Auch die aufständischen Gladiatoren und Sklaven konnten nun durchbrechen. Sie erreichten das alliierte Kommando.
Wallace und Cascal fielen sich in die Arme.
»Ich wusste, dass du es schaffen würdest!«, jubelte Cascal.
Wallace atmete tief durch. Er hatte es tatsächlich geschafft. Über Interkom informierte er Saraah und Jenny Taylor über den Erfolg.
»Noch haben wir jedoch nicht gewonnen. Wir müssen erst diese ganzen Irren beseitigen«, erklärte Cascal. Damit hatte er recht. Die Prettosgarde kämpfte erbarmungslos. Viele Rebellen, Elfahder und Saggittonen ließen ihr Leben.
»Wo ist Tolk?«, wollte Dove wissen, der gerade einen Ringkampf gegen vier Dorgonen gewonnen hatte.
»Sir, ich würde sagen, er befindet sich etwa 53,23 Meter über den Erdboden und hängt an einem gepanzerten Gleiter«, erwiderte Lorif.
Cascal war wütend über die lächerliche Antwort des Posbis, doch der Roboter deutete in die Luft. Nun konnte sich der Veteran aus dem Solaren Imperium selbst davon überzeugen. Tolk hing an dem Panzergleiter Celusians.
»Der ist echt irre«, kommentierte Wallace diese Aktion.
»Ja, das ist er …«, bestätigte Cascal.
Sandal klammerte sich am Flügel fest und kroch langsam zur Einstiegsluke. Da der Gleiter kein Dach hatte, konnte Tolk schnell Halt finden. Doch Celusian schlug mit einem Schlagstock immer wieder auf den Barbaren von Exota-Alpha ein.
Jedoch konnte der dicke Dorgone nichts gegen die Kraft Tolks ausrichten. Zwei Dorgonen stürzten sich auf ihn, doch er rang sie nieder und schlug Celusian den Schlagstock aus der Hand.
Dieser hob die Hände.
»Ich ergebe mich. Ich habe doch nichts getan. Ich habe nur Befehlen gehorcht, immer nur Befehle verfolgt!«, schrie er in Panik.
»Das sagen sie immer«, entgegnete Tolk und schubste den General aus dem Gleiter.
Der schwere Körper fiel wie ein Stein auf den Boden und zerplatzte wie faules Obst. Cascal und Wallace schauten dem Schauspiel leicht angeekelt zu und winkten Tolk wieder zurück, doch der Barbar war in Kampflaune und nutzte den Gleiter dazu, um feindliche Dorgonen anzugreifen.
Wieder flog ein Geschwader saggittonischer Jäger über das Terrain und beschoss eine Panzerdivision, die neu angerückt war, um die Aufständischen anzugreifen.
Die Soldaten des Reiches wurden stärker und stärker dezimiert. Normale Soldaten liefen zu den Rebellen über, die Prettosgarde zog sich bis zu den Eingängen des Palastgebäudes zurück. Auch auf den Landeplätzen war ein reger Tumult zu verzeichnen. Einige Flakgeschütze bildeten die Luftabwehr, wenige Jäger stiegen auf, um den Kampf mit den Saggittonen zu suchen.
Digalinus rannte zu seiner Fähre. Der Pilot winkte wild aus dem Cockpit. Eine Explosion ließ Digalinus in die Knie gehen. Schnell stand er auf, einen Koffer voller Geldscheine in der linken Hand, und lief weiter. Plötzlich wurde er von hinten gepackt und herumgerissen.
Sam Tyler stand vor ihm und grinste ihn finster an.
»Ach, wo willst du denn so schnell hin, Hosenscheißer?«
Ehe Digalinus etwas antworten konnte, schlug ihm Tyler direkt auf die Nase. Blut schoss aus den Nasenlöchern, doch Digalinus konterte schnell und wollte Tyler niederstrecken, aber der schlug dem Dorgonen mehrmals hart in die Nieren. Hustend taumelte Digalinus zurück.
Der Terraner nahm seine Waffe, stellte den Projektilmodus ein und durchlöcherte die Beine Digalinus.
Schreiend brach der Anführer der Prettosgarde zusammen und lag, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Boden.
»Gnade«, winselte er schwach. Schweiß rann von seiner Stirn. Tyler nahm den Koffer und öffnete ihn. Er nahm die Geldscheine und warf sie weg. Der Wind verstreute sie in alle Himmelsrichtungen.
Ein kleiner Behälter mit dem Skorpion fiel ebenfalls aus dem Koffer. Tyler nahm ihn hoch und beobachtete das giftige Tierchen, welches das Dienstmädchen Arimads getötet hatte.
»Was ist denn das süßes? Deine Freundin?«, meinte Tyler zynisch. Er legte wieder sein finsteres Lächeln auf und holte den Skorpion aus dem Behälter.
»Nein!«, rief Digalinus und wollte sich wehren, doch Tyler war schneller und steckte den Skorpion unter Digalinus Oberteil.
»Machs gut, Arschloch!«, verabschiedete sich der Terraner, während Digalinus anfing zu zucken und laut aufschrie. Sein Todeskampf dauerte etwa zwanzig Sekunden, solange dauerte es, bis das Gift Wirkung zeigte.
Nun hatte der ehrgeizige Anführer der Prettosgarde alles verloren!
*
Die Gardisten waren gefallen. Vesus, Aurec, Julian Tifflor, Sam und Uleman landeten mit einer Fähre auf dem Palastgelände.
Das Volk und die Soldaten empfing die fünf mit großem Jubel. Anscheinend hatte man selbst dem Großadmiral seinen Dienst für Nersonos verziehen, da er sich im rechten Moment auf Seiten der Alliierten schlug, um den Brand zu bekämpfen.
Nur noch vereinzelt traf man auf Widerstand. Nach dem Tod von Celusian und Digalinus waren Nersonos Streitkräfte kopflos.
Der Kaiser hatte sich in seinem Bunker verbarrikadiert. Aller Wahrscheinlichkeit nach mit Cauthon Despair und Arimad.
Aurec konnte so Uleman beruhigen, da er wusste, dass Despair auf die Tochter des Rebellenanführers aufpassen würde.
Mathew Wallace, Joak Cascal und Tyler begrüßten Aurec und Tifflor.
»Sir, wir haben alles unter Kontrolle. Der Palast ist gesichert, Dom in der Hand der Dorgonen. Nersonos Schergen sind geschlagen«, berichtete Cascal stolz.
Erleichtert vernahm Aurec, dass auch Dove, Lorif und Tolk wohlauf waren. Sie eskortierten einige Gefangene zu den Inhaftierungslagern.
Uleman sah sich bedächtig um.
»Ich hätte niemals geglaubt, dass wir das wirklich eines Tages erreichen würden«, sagte er gedämpft.
»Dorgon ist frei. Daran kann auch Nersonos nichts mehr ändern«, erklärte Aurec. Er gab Anweisungen in den Palast vorzudringen.
Vesus führte sie zu den Gemächern des Imperators. Dort fand man nur seine beiden Lustknaben, die tot auf dem Boden lagen.
»Sir, man hat sie vergiftet. Alternativ können sie sich auch selbst vergiftet haben. Wie dem auch sei, sie sind tot«, meinte Lorif.
Tyler warf einen abfälligen Blick auf die beiden Dorgonen. Er schüttelte den Kopf und verließ als letzter den Raum. Es galt, Nersonos zu suchen.
Die logische Schlussfolgerung war, dass er sich im Bunker verschanzt hatte.
*
»Sie kommen, um mich zu holen«, schrie Nersonos ängstlich. Zitternd griff er zu einer Schatulle und spritzte sich die stärkste Droge ein, die es in Dorgon gab.
Er taumelte zu einem Schrank und nahm einen Krug Wein, den er in Rekordzeit leerte. Die rote Flüssigkeit floss auf sein Gewand. Es klebte an seinem Körper.
Wütend riss er sich die Kleider vom Leib und stand nackt in seinem Bunker. Arimad wusste, dass seine letzte Stunde geschlagen hatte.
Er rannte zu seiner Frau und packte sie an den Schultern.
»Hilf mir! Du bist die Tochter Ulemans. Er ist mein Schwiegervater. Da wird er mich doch nicht töten, wo wir uns doch lieben?«
Der Wahnsinnige schlotterte am ganzen Körper. Arimad ersparte sich eine Antwort. Stattdessen drückte sie ihn von sich.
Nun war der große Kaiser wehrlos, allein gelassen und schwach. Sabber floss aus seinen Mundwinkeln. Anscheinend hatte er zu viel von den Drogen genommen.
»Wo … wo ist mein Keyboard? Ich muss spielen … spielen … ich bin doch der Kaiser! Digalinus, Cauthon! Wo seid ihr? Tötet die Verbrecher! Werft sie den Tieren zum Fraß vor«, lallte er wirr. Nersonos bemerkte Arimad nicht einmal mehr.
»Wo ist Cauthon? Cauthon? Cauthon!«
Auch die junge Dorgonin fragte sich, wo der Silberne Ritter geblieben war. Anscheinend hatte er sich abgesetzt.
»Sie haben mich alle allein gelassen. Alle sind sie weg in meiner Not …«
Es wurde lauter im Bunker. Die Explosionen waren nicht zu überhören, aber auch die Rufe der Menschen nach dem Kopf des verhaften Kaisers.
»Hörst du die Meute? Sie wollen mich töten. Aber warum denn? Ich bin doch ihr liebender Gott und Kaiser …«
Arimad ging in den Nebenraum und holte einen Dolch, den sie Nersonos gab. »Sie werden dich grausam töten. Sei ein Mann und erledige diese Aufgabe selbst!«
Zitternd nahm er den Dolch und blickte auf die scharfe und funkelnde Klinge. Alles war vorbei, das erkannte selbst der wahnsinnige Imperator.
Er hatte Angst davor, von den anderen bestraft zu werden. Nersonos fürchtete sich vor den Menschenmassen, die ihn schlagen und treten würden, bis er letztendlich tot war. Soviel Hass hatte er hervorgerufen. Doch das verstand er nicht.
Langsam setzte er die Klinge an seine Brust. Er schluckte mehrmals hörbar und blickte wie ein verängstigtes Kind Arimad an. Weinend ließ er den Dolch fallen.
»Ich kann es nicht! Bitte hilf mir!«, sagte er flehend zu seiner Frau.
Die Tochter Ulemans nahm das Messer und legte es wieder Nersonos in die Hände. Sie legte ihre Hände um seine und führte den Dolch mit der Spitze an Nersonos Brust.
Sie warf einen letzten Blick auf das Gesicht des Herrschers. Es strahlte Angst aus, die Augen drückten eine fragendes warum aus. Er konnte sich beim besten nicht vorstellen, weshalb man ihn hasste.
Für eine Sekunde lag empfand sie Mitleid, dann dachte sie an alle die Toten, die er auf dem Gewissen hatte und drückte zu.
Nersonos schrie dumpf auf und ließ den Dolch fallen. Arimad entfernte sich von ihm. Er brach zusammen und robbte sich zu seinem Thron, den er versuchte zu besteigen, doch er schaffte es nicht mehr.
Nersonos öffnete den Mund und sprach die letzten Worte seines Lebens: »Was soll jetzt aus Dorgon werden, wo ich nicht mehr bin?«
Valerus brachte Sanna Breen zu einem entlegenen Friedhof direkt an der Küste. Dort begrub er sie. Es war ein einfaches aber liebevoll aufgebautes Grab.
Er wusste von Sanna, dass die terranischen Gräber oft mit einem Kreuz geschmückt wurden. So fertigte er eins aus Holz an und rammte es in die Erde.
»Ich liebe dich«, flüsterte er traurig und kniete vor dem Grab nieder.
Valerus bemerkte Cauthon Despair nicht, der seit einer Weile hinter ihm stand. Der Silberne Ritter hatte sein Schwert gezogen und starrte auf das Grab seiner Sanna Breen.
»Ihr Tod war unnötig, Dorgone. Du hättest dich nicht einmischen dürfen.«
Sofort schreckte Valerus hoch und zog auch sein Schwert. Er war überrascht, wie nahe Despair hinter ihm gestanden hatte, ohne dass er den Silbernen Ritter bemerkt hatte.
»Du hast sie doch getötet, weil du in deiner Arroganz und Selbstherrlichkeit nur dich gesehen hast. Nur deine Gefühle, nicht ihre Gefühle! Dich hatte doch niemals interessiert, was das beste für Sanna ist!«, brüllte Valerus.
Despair schmerzten diese Worte. Er wollte sich nicht in Sanna Breen verlieben, doch sie hatte alles daran gesetzt, bis er es letztendlich getan hatte. Dann hatte sie ihn für diesen Bastard fallen gelassen.
Cauthon wurde wieder verletzt. Er fühlte sich ausgenutzt und wie Müll von ihr weggeworfen. Die Mitschuld trug in seinen Augen Valerus.
Despair ließ Valerus provokative Aussage unbeantwortet. Stattdessen ging er bedächtig zu Sannas Grab und nahm Abschied von ihr. Mit einem schnellen Ruck drehte er sich um. Sein Umhang flatterte durch den Wind.
Er richtete das Caritschwert auf Valerus.
»Es ist Zeit, dass wir unser Duell beenden«, sprach der Cameloter diabolisch. Valerus schluckte hörbar. Er wusste, dass es ein schwerer Kampf sein würde, den er wahrscheinlich nicht gewinnen konnte, doch er wollte versuchen, Sanna zu rächen.
Er nahm die Herausforderung an und holte mit seinem Schwert aus. Despair parierte mühelos. Es folgten einige Kunstschläge, die ziellos wirkten. Despair setzte seine Kraft ein und drängte Valerus zum Wasser.
Den wuchtigen Hieben des Silbernen Ritters konnte Valerus nichts entgegen setzen. Er konnte nur parieren, selbst aber keinen Konter starten. Die beiden standen bereits bis zu den Knien im Wasser.
Valerus duckte sich und wich so einem harten Schlag aus. Er versetzte Despair einen Tritt, der den Cameloter ins Wasser schickte. Sofort schlug Valerus mehrmals mit dem Schwert nach und traf Despairs Bein. Blut färbte das Wasser rot.
Der Kampf war jedoch noch lange nicht vorbei. Der Silberne Ritter kämpfte sich wieder hoch und schlug Valerus das Schwert aus der Hand. Dann ließ auch er sein Caritschwert fallen und packte den wild strampelnden Dorgonen an der Kehle. Despair zwang Valerus in die Knie zu gehen, dann drückte er dessen Kopf unter Wasser.
Verzweifelt versuchte der Dorgone sich aus dem Griff zu befreien, doch er konnte der Stärke von Despairs mechanisierter Rüstung nichts entgegensetzen.
Despair genoss diesen Moment.
Die letzte gesammelte Luft wich aus den Lungen Valerus und sie füllten sich mit dem Salzwasser. Solange, bis er den letzten Widerstand aufgab und leblos zusammensackte.
Cauthon Despairs Rache war vollendet.
»Sehr gut, mein junger Freund«, hörte er eine Stimme sagen.
Despair stieg aus dem Wasser. Am Strand wartete Cau Thon.
»Du hast deinen langen Weg jetzt beendet«, erklärte er weiter.
Despair verstand nicht recht. Er blickte wieder zurück ins Wasser, wo der leblose Körper des Valerus trieb.
»Es ist nun Zeit mit mir zu kommen und Abschied von den Galaktikern zu nehmen«, forderte der Kuttenträger.
»Wo soll ich hin? Nur Perry Rhodan hat mir einen Platz geboten«, wehrte Cauthon Despair ab.
»Unter Vorbehalt. Glaubst du, Rhodan traut dir?«
»Ja!«
Cau Thon lächelte überlegen.
»Du bist ein Mörder und warst für diese Mission von Nutzen für sie. Du siehst doch, wie weit ihre Loyalität geht«, sagte Cau Thon und deutete auf Sanna Breens Grab. Cau Thon zog mit seinem Caritstab Linien im Sand.
»Auf dich wartet eine andere Bestimmung. Oh ja, du wirst von großer Bedeutung für dein Volk werden, doch nicht unter Perry Rhodan. Es gibt jemand anderes, der bald auf die Bühne treten wird. Mit ihm wirst du dich gut verstehen. Bis dahin, musst du viel lernen.«
»Was muss ich lernen?«
»Viel über unseren gemeinsamen Herren. Und über die Reformation des Kosmos. Die Neuordnung des Universums. Dieses Universum ist vergiftet. Es ist Zeit, ein neues zu schaffen. Wir als Söhne des Chaos sollen seinen Willen hier zwischen den Sternen erfüllen. Alle Söhne des Chaos sind Zellaktivatorträger. Ich auch.«
»Aber ich dachte, nur ES oder die Kosmokraten könnten Zellaktivatoren herstellen?«
Cau Thon lächelte verächtlich. »Dein Glaube in die Einzigartigkeit der ordnenden Mächte ist naiv. Auch unsere Mächte sind in der Lage sterblichen Wesen die relative Unsterblichkeit zu verleihen. Ich habe sie und nun hast du sie auch!«
Despair stand auf. »Ich bin mir nicht sicher …«
»Jetzt hast du die Gelegenheit, dein Universum zu schaffen. Nichts anderes strebt mein Meister an. Die Neuerschaffung eines besseren Universums. Die Söhne des Chaos sollen ihm dabei helfen und werden fürstlich belohnt werden. Mein Herr vergisst seine Kinder nicht, er hält sein Wort.«
Cau Thon streckte Despair seine Hand entgegen.
»Ergreife sie und lass uns mit der Arbeit beginnen! Folge mir in eine Welt, die jenseits deiner Vorstellungen liegt und erfahre mehr über die Geheimnisse und die Schönheit des Universums.«
Davon hatte Despair stets geträumt. Er vertraute Cau Thon. Viel zu vertraut war ihm dieses fremde Wesen.
Er ergriff die Hand des rothäutigen Kuttenträgers, der diabolisch grinste. Ein Nebel bildete sich um die beiden, wieder verschwammen die Konturen der Umgebung.
Sie waren im Nichts, zogen an Planeten, Sonnen, Nebeln und Galaxien vorbei. Zuerst hatte Despair Angst, er würde ersticken, doch sie schienen von einer Art Sphäre umgeben zu sein.
Sie schwebten auf ein Loch zu. Es war das schwärzeste Schwarz, das Despair je gesehen hatte, dennoch schien ein Leuchten einer nicht zu definierenden Farbe aus dem Loch zu kommen.
Es umhüllte sie, umschloss sie und gab Despair Geborgenheit. Trotz der Kälte fühlte er eine vertraute Wärme.
Dann landeten sie auf einem Boden. Despair glaubte, er sei wieder an dem dorgonischen Strand. Er spürte den Sand, doch alles wirkte surreal und finster.
Cau Thon kniete sich nieder, zog sein Schwert und steckte es in den Sand. Dann sank er auf die Knie. Vor ihm schälte sich ein Wesen aus dem Nebel.
Das Gesicht dieses Wesens war schwer zu beschreiben. Zwei golden leuchtende Augen sahen ihn an. Er erkannte nur das ledrige, hellbraune Gesicht bis zum Nasenansatz. Nase und Mund waren durch ein modriges Tuch verhüllt. Überhaupt wirkte dieses Geschöpf als sei es gerade aus dem Grab auferstanden.
Despair fühlte große Ehrfurcht vor diesem unbeschreiblichen Wesen. Er hörte eine dunkle Stimme in seinem Kopf.
Fürchte mich,
denn ich bin die Zerstörung, ich bin der Tod, ich bin das Ende!
Vergöttere mich,
denn ich bin der Anfang, ich bin das Leben, ich bin der Schöpfung!
Ich bin MODROR!
Sei willkommen, mein Sohn des Chaos!
Es war ein wunderschöner Anblick als Vater und Tochter wieder vereint waren. Der große Uleman schloss seine zierliche Tochter zärtlich in die Arme und weinte vor Freude.
Aurec, Sam und Julian Tifflor standen neben der wiedervereinten Familie und lächelten. Kommandos räumten die Trümmer beiseite.
Am Abend sollte ein großes Fest anlässlich der Befreiung Dorgons steigen. Und so war es auch. Die Bewohner Dorgons feierten fröhlich und Uleman verkündete als neuer Kaiser Dorgons die Abschaffung der Sklaverei und Bestrafung aller Verbrecher der Tyrannei durch die alten Kaiser.
Uleman wollte dem Forum Preconsus mehr Macht geben und benannte Vesus und Karakus in seinen direkten Stab zur Reformierung Dorgons.
Auf ganz Dorgon, nein in der ganzen Galaxis fand eine Feier statt. Überall feierten die Völker ihre Freiheit. Auch die Jerrer …
Wallace und Saraah standen im Garten des Palastes und beobachteten das Feuerwerk. Saraahs Augen glänzten. Sie waren voller Leben und Freude. Das hatte Wallace erreicht. Er legte seinen Arm um ihre Schulter.
»Du hast mein Volk befreit, Terraner«, sagte sie liebevoll und voller Anerkennung.
Wallace grinste breit. »Kommst du mit nach Terra? Ich möchte der Mrs. Wallace gerne meine Heimat zeigen …«
Saraah konnte nicht glauben, was sie da hörte.
»Mrs. Wallace? Deine Frau?«, fragte sie voller Ehrfurcht und leise.
»Ja! Ich liebe dich!«
Wallace ging auf die Knie und öffnete eine kleine Schatulle. Ein goldener Ring schimmerte aus dem Kästchen.
»Bitte heirate mich.«
Saraah nahm den Ring, Freudentränen schossen ihr aus den Augen. Mathew stand wieder auf und sah sie fragend an. Er hatte große Angst, sie würde nein sagen, doch die Antwort gefiel ihm.
»Ja, Mathew! Ich will deine Frau werden!«
Die beiden küssten sich innig, über ihnen das helle Feuerwerk, das durch die SAGRITON und DOMOLUS veranstaltet wurde.
Xavier Jeamour, James Fraces, Irwan Dove, Jenny Taylor und Lorif standen einige Meter weit weg und beobachteten das Liebespaar.
»Müssen wir uns einen neuen Kommandanten für die Space-Jets suchen?«, fragte der Kapitän laut in die Runde.
»Das würde uns immerhin einiges an Space-Jets einsparen«, kommentierte Fraces zynisch und spielte damit auf die Wracks durch Wallace an.
»Also, wenn der geht, gehen wir auch«, stellte Dove mit einem Lächeln fest.
Jeamour blickte ihn entsetzt an.
»Sir, deshalb schlage ich vor die zukünftige Mrs. Saraah Wallace als neues Besatzungsmitglied für die IVANHOE zu nehmen«, meinte Lorif.
»Machen wir es so«, bestätigte Jeamour und erhob sein Glas auf das Pärchen und die Besatzung der IVANHOE.
Tyler, Tolk und Japar saßen gemütlich mit einigen Rebellen, Somer und Elfahdern zusammen und erzählten ihre Heldengeschichten während des Kampfes.
Joak Cascal und Nadine Schneider feierten auch ein kleines Wiedersehen, denn in letzter Zeit hatten sie sich kaum zu Gesicht bekommen.
Aurec, Sam, Tifflor und Uleman saßen mit den beiden an einem Tisch und genossen die Feier und freudigen Wesen. Vesus, Arimad und Karakus gesellten sich zu ihnen.
Arimad hatte noch einen hochgewachsenen jungen Mann mit zarten Gesichtszügen bei sich. Er machte vor Uleman eine Ehrenbezeugung.
»Das ist Commanus. Sein Vater, ein reicher Industrieller, kam leider bei dem Brand ums Leben.«
»Sehr erfreut Commanus. Mein Beileid um deinen Vater«, begrüßte ihn Uleman.
»Danke, mein Kaiser. Darf ich dir sagen, dass ich Nersonos ebenfalls hasste und dich als einen gerechten und weisen Imperator ansehe?«
Uleman lächelte und bedankte sich.
»Wir haben uns eben kennengelernt. Commanus ist ein sehr höflicher Mensch«, stellte Arimad glücklich fest.
Aurec glaubte, sie hatte sich in den smarten Dorgonen verliebt. Das tat ihr nur sehr gut, denn sie brauchte jemanden, der ihr half, die grausamen Ereignisse zu verarbeiten.
»Oh, willst du mir etwa schon meinen zukünftigen Schwiegersohn vorstellen?«, scherzte Uleman.
Arimad wurde ganz rot.
»Junger Mann, wir müssen uns mal öfters unterhalten!«
»Ich stehe meinem Kaiser jederzeit zur Verfügung. Deine Tochter ist eine wahre Zierde und die schönste Blume des Reiches«, schmeichelte Commanus. Seine Augen glänzten.
»Nun, vielleicht wird das Reich bald eine Republik werden«, meinte der Somer Sam hinweisend.
»Das wage ich doch zu bezweifeln«, entgegnete Commanus.
»Warum? Eine Republik ist die demokratischste Form«, erläuterte Sam.
»Ganz einfach. Dorgon muss von einer starken Hand geführt werden. Im Senat sitzen korrupte Politiker, die nicht auf das Wohl des Volkes achten. Ein Kaiser liebt sein Volk«, antwortete Commanus gereizt.
»So wie Nersonos?«, fragte Sam.
Commanus schwieg.
Arimad schaltete sich nun in das Gespräch ein. »Hört auf über Politik zu reden, heute feiern wir!«
Sie nahm Commanus an die Hand und mischte sich mit ihm unters Volk.
Aurec lächelte. »Ein Hitzkopf, macht aber einen netten Eindruck.«
»Ich mag ihn nicht«, murmelte Sam leise, so dass Uleman es nicht hören konnte. Plötzlich stand Nadine Schneider auf und ging einige Meter weit.
»Was ist los Nadine?«, wollte Joak Cascal wissen.
Plötzlich begann es neben ihr zu glühen. Ein blauer Energieball erschien aus dem Nichts und wurde immer größer. Es formte sich eine Figur daraus. Sie nahm mit jeder Sekunde mehr an Kontur an.
Die sechs Männer standen auf und glaubten ihren Augen nicht zu trauen.
Vor ihnen stand ein Mensch. Er war von einem Dorgonen oder Terraner nicht zu unterscheiden. Er trug ein weißes, schlichtes Leinengewand. Seine grauen Haare waren lang und ein Vollbart rundete das Gesicht ab. Ihn umgab eine blaue Aura.
Der Kaiser ging auf die Knie.
»DORGON!« sprach er bedächtig.
»Deine Intuition spricht für dich, mein Sohn«, antwortete das Wesen freundlich.
Es ging auf die vier Humanoiden zu. Eine sehr friedliche Aura strahlte dieses Geisteswesen aus.
»Du bist DORGON?«, forschte Aurec misstrauisch nach.
»Ja, mein Freund. Und du bist Aurec, der heldenhafte Saggittone. Ich danke dir für die Erleuchtung, die du meinem Volk gebracht hast. Wie auch Euch, Julian Tifflor und Joak Cascal, danke dafür.«
Niemand wagte etwas zu sagen. So sprach DORGON: »Ich bin hier, weil die Dorgonen endlich die Weisheit erfahren haben. Ihr habt euch selbst aus der Knechtschaft der Intoleranz und der Verantwortungslosigkeit befreit. Du Uleman wirst ihr neuer Anführer werden und ihnen die kosmische Bedeutung zuweisen, die ich ihnen seit Domulus vorhersagte. Und auch du Vesus hast bewiesen, dass du ein wahrer Dorgone bist, dessen Herz für Gerechtigkeit schlägt.
Die Dorgonen, Terraner und Saggittonen sind die wichtigsten Völker in einen kosmischen Plan«, erklärte die Entität.
»Was für einen Plan?«
DORGON lächelte.
»Ich sehe, Aurec, du bist sehr neugierig. Wenn die Zeit dazu gekommen ist, werden du, Uleman und Perry Rhodan davon erfahren. Es wird um die Existenz allen Lebens im Universum gehen. Doch mehr darf ich euch nicht verraten. Nur soviel; bereitet euch darauf vor.
Uleman, führe unser Volk zu Ehre und inneren Frieden. Die Dorgonen sollen ein Volk sein, das sich aufopfert und für das Recht aller Wesen im Universum einsetzt. Ihr seid nicht frei von Sünde, doch euer Gott, mein Vater – unser aller Vater – ist euch bereit zu vergeben, wenn ihr von nun an Gutes tun wollt.«
DORGON ging auf Uleman zu und legte eine Hand auf seinen Kopf. Der Dorgone zitterte vor Ehrfurcht.
»Nun stehe auf mein Freund«, bat ihn Dorgon.
Uleman richtete sich auf und blickte fassungslos die Entität an. »Ich verspreche dir, dass ich das dorgonische Volk zu Ehre führen werde!«
DORGON lächelte. »Und euch Terranern und Saggittonen wünsche euch viel Glück. Unsere Wege werden sich wieder kreuzen. Für dich, Nadine Schneider, ist der Weg vorerst beendet. Ich war es, der dir ein neues Leben schenkte. Du warst mein Auge und hast mir einen Eindruck von den Terranern, Saggittonen und Somern vermittelt, der mich sehr zufriedengestellt hat.«
Nadine Schneider nickte schwach.
»Lebe wohl, Joak. Meine Aufgabe ist beendet. Ich gehe mit DORGON«, verabschiedete sie sich.
Bevor der verdutzte Cascal etwas sagen konnte, löste sie sich auf.
»Na, toll. So hat noch keine mit mir Schluss gemacht …«, meckerte er.
DORGON lächelte verständnisvoll. »Nadine Schneider sind andere Aufgaben vorbestimmt. Du wirst dein Glück bei einer anderen Frau finden.
Uleman, Vesus, Aurec, Julian Tifflor, Sam und Joak Cascal. Vergesst nicht; das kosmische Projekt ist von immenser Wichtigkeit. Ihr habt heute heldenhaft gekämpft und einer Galaxis Freiheit geschenkt, doch es ist noch lange nicht vorbei. Das Böse ist allgegenwärtig und läuft wie ein brüllender Löwe durch die Welt. Seid deshalb nüchtern und wachsam …«
Nun verschwand auch DORGON.
Alle sechs blickten ihm verdutzt hinterher. Uleman fühlte sich erleuchtet. Durch die Berührung DORGONs war ihm die Geschichte der Galaxis bildlich erschienen. Domulus, Jusilus und Decrusian hatten zu ihm gesprochen.
Er war ein Auserwählter und für das dorgonische Volk hatte eine neue Epoche begonnen.
Abschied aus Dorgon
13. Februar 1293 NGZ
Die letzte Space-Jet stand auf dem Raumhafen des Palastes. Ein riesiger Aufmarsch an Soldaten zollte den Alliierten Respekt.
Aurec, Julian Tifflor, Joak Cascal und Sam standen als letzte Vertreter der Galaktiker, Saggittonen und Somer vor der Space-Jet und verabschiedeten sich von Uleman, Arimad, Karakus und Vesus.
Viele Fragen waren noch offen geblieben. Wo war Cauthon Despair? Was war DORGON für ein Wesen? Eine Superintelligenz? Ein Kosmokrat? Etwas anderes? Konnte man dem Wesen mit der gütigen und friedlichen Ausstrahlung Glauben schenken? Würden die Dorgonen ihre neue Chance nutzen?
Alle diese Fragen würden in der Zukunft beantwortet werden. Nun galt es aufzubrechen, nach Hause zurückzukehren. Die Somer und Elfahder zurück nach Estartu, die Galaktiker in die Milchstraße und Aurec mit seinen Saggittonen nach Saggittor.
»Lebt wohl, Dorgonen!«, verabschiedete sich Aurec von dem Volk, welches noch vor kurzer Zeit sein Feind war. Doch sie hatten es geschafft. Der Mut der Besatzungen von zehn Schiffen hatte eine ganze Galaxis befreit und andere vor einer Invasion bewahrt.
Das war etwas, worauf man stolz sein konnte.
Die vier stiegen in die Space-Jet und wurden von einer lauten Fanfare verabschiedet. Cascal selbst startete den Raumer und verließ langsam den Orbit von Dorgon.
Nun war auch die Zeit des vorläufigen Abschieds für die anderen gekommen. Sam reichte Aurec, Tifflor und Cascal die Hand.
»Ich muss wieder nach Estartu zurück«, erklärte er. »Die Worte DORGONS haben mich davon überzeugt, dass auch die Somer, Elfahder, Ophaler und Pterus Teil dieses kosmischen Projektes sind. Ich muss die Völker darauf vorbereiten.«
Mit diesen Worten verabschiedete er sich und ging durch den Transmitter auf die SIOM SOM.
Aurec umarmte Cascal und Tifflor mit einem Lächeln.
»Es war ein schönes Abenteuer«, stellte Tifflor fest.
»Ja, mein Freund, das war es. Aber es ist noch nicht vorbei. Wir werden uns wiedersehen, Freunde. Ich denke sogar bald.«
Aurec ging in den Transmitter und wurde auf die SAGRITON abgestrahlt, während die Space-Jet die IVANHOE erreichte.
Die beiden Schiffe nahmen nun Kurs auf das Sternenportal im Protektorat Harrisch. Von dort waren sie gekommen, von dort würden sie wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Sie konnten mit Stolz zurückkehren, denn sie hatten Übermenschliches vollbracht.
Die Helden der 10 Expeditionsschiffe werden in die Analen der Geschichte eingehen. Ihnen war die Vereitelung einer gewaltigen Invasion in die Milchstraße zu verdanken. Viele ließen ihr Leben, doch sie taten es, um Milliarden zu retten.
So ließ auch Betsys Vater sein Leben, doch nur um das seiner Tochter zu schützen …
ENDE
Nersonos ist tot und die thesasianische Dynastie besiegt. Damit scheint Dorgon einer gerechteren Zukunft entgegen zu steuern. Mit Band 33 »Leticrons Rückkehr« von Ralf König und Nils Hirseland beginnt der dritte Zyklus der Serie: »Cartwheel«.
Mit diesem Roman endet der M100-Zyklus. Wir haben in den vergangenen acht Romanen die Galaxis Dorgon kennengelernt und viel über die Zivilisation der Völker Dorgons erfahren. Die Spezies der Dorgonen, darunter natürlich auch die Jerrer, Goner und andere Völker, werden im weiteren Verlauf der Dorgon-Serie eine wichtige Rolle spielen.
Es wird schon im nächsten Zyklus ein Wiedersehen geben. Wir haben mit den Dorgonen das zweite größere intergalaktische Volk neben den Saggittonen in die Serie eingeführt.
Aktuell ist die Bedrohung durch die Dorgonen vorerst gebannt. Mit Uleman ist ein moderater Kaiser an der Macht, der Dorgon reformieren und Frieden bringen will. Doch ist die Geschichte damit nicht zu Ende. Denn sowohl die Mordred als auch Dorgon waren nur Schachfiguren in einem viel größeren Spiel.
Wir wissen, dass Cau Thon die Mordred und die Dorgonen gegen die Galaktiker aufgehetzt hat. Wir wissen, dass Cau Thon ein Sohn des Chaos ist, der der Entität Rodrom untersteht, die wiederum ein Diener des MODROR ist.
Es scheint also, dass diese finstere Entität, hinter allen Angriffen steckt. Wer oder was MODROR ist und wieso er es offenbar auf die Milchstraße abgesehen hat, ist uns noch nicht klar. Vielleicht sollten wir die Rolle der Milchstraße auch nicht überschätzen. Möglich, dass sie nur ein Nebenschauplatz ist.
MODROR jedenfalls scheint sehr düster zu sein, denn sein Ausspruch lässt nichts Gutes erahnen:
Fürchte mich,
denn ich bin die Zerstörung, ich bin der Tod, ich bin das Ende!
Vergöttere mich,
denn ich bin der Anfang, ich bin das Leben, ich bin die Schöpfung!
Ich bin MODROR!
Nils Hirseland
Der Dorgone Uleman ist ab 1293 NGZ Kaiser Dorgons. Uleman ist zuvor Princips Protector (Konsul) des Protektorates Mesaphan und Beherrscher der Zentralwelt Hesophia gewesen. Er ist außerdem Anführer der Rebellen Dorgons gewesen.
Uleman verbrachte seine Jugend auf Hesophia als Sohn des Senators. Er besuchte eine höhere Schule und schloss ein Studium in Politik- und Wirtschaftswissenschaft ab. Schnell ging er in die Politik und verwaltete einige Kolonien Hesophias. Dort viel ihm das Leid vieler Wesen auf, die nicht reinrassige Dorgonen waren.
Mit 61 erst heiratete er die schöne Sadane und bekam im Jahre 1260 NGZ seine erste Tochter Ulesia, im Jahre 1270 NGZ seine zweite Tochter Arimad. Inzwischen trat er bereits im Jahre 1258 die Nachfolge seines Vaters an und fand in dem Senator Erastos einen geistigen Verbündeten gegen die Politik Thesasians.
Beide fassten den Entschluss einen Widerstand gegen die Monarchie zu gründen. Ihr Ziel war es, eine friedliche Galaxis zu schaffen, in der jedes Lebewesen die gleichen Rechte hat.
Auf Hesophia wurde die alte Unterwasserstadt Tiranus als Rebellenstützpunkt ausgebaut. Während Uleman mehr bedacht vorgehen wollte, war Erastos ein Hitzkopf, der Thesasian im Jahre 1279 NGZ am Throgan-Dreieck in eine Falle locken wollte, doch die Übermacht war zu groß und Erastos starb und die Rebellen wurden aufgerieben.
Seitdem agiert Uleman noch viel versteckter und vorsichtiger, vor allem um seine Familie nicht zu gefährden.
Ulemans Rivalität zu Thesasian verschärfte sich, als der Witwer eine Affäre mit der Kaiserin Padarmia begann. Als Thesasian dies 1284 NGZ herausfand, stellte er Uleman und Padarmia in dessen Villa zur Rede. Dabei starb Padarmia, als sie die Treppe hinunterstürzte. Beide Dorgonen schwiegen darüber, um Padarmias Ehre aufrecht zu erhalten.
1292 NGZ alliierte sich Uleman mit den Saggittonen und Galaktikern. Während der Kämpfe um die Vorherrschaft in Dorgon starb Ulemans Tochter Ulesia. 1293 NGZ schließlich starb mit Nersonos der letzte Kaiser der thesasianischen Dynastie und der Reformator Uleman bestieg den Thron.
Steckbrief
Geboren: 1184 NGZ
Geburtsort: Hesophia
Größe: 1,89 Meter
Gewicht: 117 kg
Augenfarbe: blaugrau
Haarfarbe: grau
Vesus ist ein Dorgone. Er ist im Jahre 1292 NGZ Dux Superior (Großadmiral) der Raumflotte des Kaiserreiches Dorgon.
Steckbrief
Geboren: 1221 NGZ
Geburtsort: Zertonia, Dorgon M100
Größe: 1,87 Meter
Gewicht: 79 kg
Augenfarbe: blaugrau
Haarfarbe: schwarzgrau
Bemerkungen: atlethischer Körperbau, strenger Gesichtsausdruck, diszipliniert, guter Taktiker, absoluter Militarist
Lebenslauf
Vesus ist ein geborener Soldat, der mit 16 Jahren in die Armee eintrat. Nach sieben Jahren Infanterie und Panzergleiter wandte er sich den Flugjägern zu und wurde zu einem der besten Piloten Dorgons, der in etlichen Einsätzen gegen revoltierende Kolonien sein Können unter Beweis stellte. Im Jahre 1278 NGZ wurde er zum Sicherheitschef der JUSILUS XI und tat während der Schlacht am Throgahn-Dreieck seinen Dienst auf der Brücke. Der damalige Flottenoberkommandant Hasanus starb während des Gefechts auf dem Flaggschiff DRUSANIA. Sein Stellvertreter verlor auf der JUSILUS die Nerven und Vesus übernahm die Initiative. Mit gewagten Manövern und strategischen Glanzleistungen brachte er den Adlerschiffen den Sieg.
Kurz danach wurde Vesus von Thesasian geehrt und zum Oberkommandant der Dorgonischen Streifkräfte erklärt. Zehn Jahre später erhielt Vesus das Kommando über das neue Flaggschiff, die DOMULUS und führt die Heimatflotte an.
Er dient treu den Kaisern. Als er jedoch Nersonos Wahnsinn erkennt, schließt er sich den Rebellen an und so wird ihr härtester Gegner zu einem loyalen Verbündeten, der auch Kaiser Uleman als Oberster Militär dient.
Politik
Kaiser: Der Herrscher
Princips Protector: Konsul der Protektorate
Preconsus: Senator einer bedeutenden Welt
Consus: Statthalter einer Provinz / eines Planeten
Legat: Ein Sonderbevollmächtigter des dorgonischen Kaisers
Militär
Dux Superior: Oberbefehlshaber der Raumflotte und Armee
Präfekt Tutum: Präfekt der Prettosgarde
Militum-Magister: Militärischer Statthalter eines Protektorates
Dux, Admiral: Oberbefehlshaber einer Raumflotte, eines Feldzuges
Präfekt: Kommandant eines Stützpunktes, einer Provinz oder großen Schiffes (= Oberst)
Praefektus Fabrum: Befehlshaber eines Stützpunktplaneten
Praefektus Castrorum: Einsatzkommandeur
Tribun: Führungsoffizier (= Oberstleutnant, Major)
Tribunus Laticlavius: Stellvertretender Kommandant
Tribunus Sexmestris: Kommandeur der Beiboote
Centrus: Kommandant eines kleineren Schiffs (= Hauptmann)
Dekurio: einfacher Offizier (= Leutnant)
Principales: Mannschaftsdienstgrad
Aquilifer: Stabsfeldwebel
Optio: Feldwebel
Imaginifer: Unteroffizier
Forum Preconsus
Das Forum Preconsus ist der Senat des Dorgonischen Imperiums. Es hat seinen Sitz in der ewigen Stadt Dom auf der Hauptwelt Dorgon. Das Forum Preconsus teilt sich wie folgt auf:
Der Kaiser (Vorsitz)
Konsul (Princips Protector) von Mesoph (Protektorat Harrisch)
Konsul (Princips Protector) von Hesophia (Protektorat Mesaphan)
Konsul (Princips Protector) von Dorgon (Protektorat Jusilus)
Konsul (Princips Protector) von Jerrat (Protektorat Rosza)
Die Konsule teilen sich abwechselnd den stellvertretenden Vorsitz einer Senatstagung.
50 Senatoren (Preconsus) Protektorat Jusilus
40 Senatoren (Preconsus) Protekrorat Mesaphan
20 Senatoren (Preconsus) Protekrorat Harrisch
20 Senatoren (Preconsus) Protekrorat Rosza
Im Forum Preconsus werden Entscheidungen getroffen und Gesetze verabschiedet, die für die gesamte Galaxis Gültigkeit haben. Die Princips Protectoren (Konsule) können in ihren Protektoraten in Abstimmungen mit den Preconsussen (Senatoren) und Consussen (Statthaltern) Entscheidungen für ihre Bezirke treffen. Es darf jedoch der Antrag zur Prüfung dem Senat in Dom vorgelegt werden, sollten die Gesetze den Gesetzen des Reiches zuwider laufen. Die Princips Protector und Preconsusse sind also dem Senat Rechenschaft schuldig.
Im Senat sind keine Militärs vertreten. Weder ein Militium-Magister noch ein Dux oder der Präfekt der Prettosgarde sind im Senat zugelassen. Das schränkt deren tatsächliche Machtbefugnisse jedoch wenig ein, da sie dem Kaiser direkt unterstehen. So kann das Militär oftmals auch unabhängig vom Senat agieren und sich auf den Kaiser berufen. Allerdings pflegt der Senat gute Kontakte zum Militär. So haben auch viele Senatoren und Konsule vor ihrer politischen Zeit als Soldaten im Reich gedient. Es gibt hierzu im Kriegsfall übrigens Ausnahmeregelungen. Hier ist es erlaubt, dass gewählte Repräsentanten des Forum Preconsus auch militärische Ränge bekleiden, da oftmals – auch um sich der Öffentlichkeit als beherzter Kämpfer zu beweisen – Kaiser, Konsule und Senatoren als Kriegsherren Schlachten beiwohnen.
Der Titel des Legaten ist speziellen, zivilen Senatoren vorbehalten. Sie werden direkt vom Kaiser ernannt und agieren legitimiert in seinem Sinne bei Expeditionen, an denen der Kaiser nicht selbst beiwohnen kann. So zum Beispiel der Legat Seamus, der die Invasion in die Milchstraße vorbereitete und 1291 NGZ bei dem Fall der Mordred starb.
Hierarchie
Der Kaiser steht an der Spitze der Macht. Für gewöhnlich sind seine Entscheidungen unantastbar. Es gab jedoch oft auch Intrigen und Revolten im Senat, wenn ein Kaiser zu unpopuläre Entscheidungen traf. Die vier Konsule sind seine Stellvertreter. Ihnen unterstehen die Senatoren der vier Hauptwelten des Reiches. Dann teilt sich abwechselnd die Macht zwischen den Senatoren der Protektorate auf. Sie gelten jedoch im Gesetz als gleichberechtigt.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2015
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 32, veröffentlicht am 07.08.2015 —
Titelillustration: Gaby Hylla • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Digitale Formate: Jürgen Seel