Band 28
M100-Zyklus
Im Zentrum der dorgonischen Macht
Dominik Hauber & Nils Hirseland
Was bisher geschah Im August 1292 NGZ ist die Expeditionsflotte aus der Milchstraße, Saggittor und Siom Som tief in das Imperium Dorgon in der 50 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M100 vorgedrungen. Die Bedrohung durch die Dorgonen ist sehr real. Offen wird über eine Invasion in die Lokale Gruppe gesprochen. Julian Tifflor, Aurec und die anderen Expeditionsmitglieder wollen dies verhindern. Doch dazu müssen sie ins Herz des Reiches reisen. Der Weg dorthin ist steinig, denn die Besatzung einer Space-Jet wurde auf einer Zentralwelt namens Mesoph verhaftet. Nun gilt es zuerst sie zu befreien, bevor der Pfad nach Dorgon führt. Dort residiert DER KAISER DORGONS… |
Hauptpersonen Thesasian – Der Imperator Dorgons. Carigul – Der wahnsinnige Sohn des Kaisers. Klausius und Nersonos – Mächtige Verwandte des Herrschers. Aurec und Julian Tifflor – Die Expeditionsleiter müssen handeln. Joak Cascal – Der Veteran aus dem Solaren Imperium. Cauthon Despair und Sanna Breen – Sie kommen sich näher. Mathew Wallace, Irwan Dove und Lorif – Sie sitzen auf Mesoph fest. Priamus – Der Princips Protector von Harrisch. Saraah – Eine traurige Sklavin vom Volk der Jerrer. |
Lauf!
Ihm floss der Schweiß in Bächen von der Stirn. Das Haar hing ihm in Strähnen ins Gesicht und klebte an seiner Haut.
Schneller!
Seine Füße gruben sich in den tiefen Schlamm ein, auf dem er sich befand. Seine Schritte wurden schwerer – und doch wusste er, dass er seinen Häschern entkommen musste!
Die Kleidung war triefend nass. Ob vom Regen, der bereits seit Stunden anhielt, oder von seinem Schweiß, wusste er nicht.
Sie kommen!
Er hörte Rufe hinter sich, die offenbar von seinen Jägern stammten. Panik überfiel ihn; hastig eilte er weiter. Er befand sich auf einer Anhöhe, von der aus man die Stadt überblicken konnte. Es war zwar Nacht, aber die Lichter des Ortes waren immer noch zu erkennen.
Wo sind die anderen?
Es spielte keine Rolle. Zunächst musste er sich und seine Haut retten.
Keuchend bewegte er sich vorwärts. Automatisch, immer einen Fuß vor den anderen.
Er war völlig erschöpft.
Ich muss weiterlaufen!
Seine Füße gehorchten ihm nicht mehr; er geriet ins Taumeln. Plötzlich stolperte er über einen Ast und schlug längs hin. Seine Glieder erschlafften, seine Kräfte verließen ihn.
Nein!!
Er versuchte, sich wieder aufzurappeln, aber es gelang ihm einfach nicht. Robbend bewegte er sich vorwärts, nur um kurz darauf abermals zusammenzusacken.
Mathew Wallace verlor das Bewusstsein.
»Los, raus mit dir!«
Irwan Dove blickte den dorgonischen Wächter wütend an und hielt sich die Handgelenke, die von den Handfesseln schmerzten, von denen er soeben befreit worden war.
Der Dorgone, in einen purpurfarbenen Umhang gehüllt, deutete ihm ungeduldig, seine Zelle zu verlassen.
Dove seufzte schwer. Es tat dem starken Mann weh, hilflos und vor allem handlungsunfähig zu sein, da es ihm als eher handlungsfreudigen Oxtorner in seiner Natur widersprach.
Sie befanden sich mittlerweile bereits seit einigen Tagen in dorgonischer Haft, nachdem sie auf Mesoph gefangengenommen worden waren. Seitdem wurden sie regelmäßig von dorgonischen Offizieren verhört, eine Verständigung mit den anderen Besatzungsmitgliedern der JAYJAY III war praktisch nicht möglich, nur durch Blickkontakt, wenn sie einander zwischen den Verhören auf dem Gang begegneten. Daher wusste er auch, dass sich Mathew Wallace im gleichen Bezirk befand. Lorif hatte er nur einmal gesehen; er vermutete, dass sich der Roboter aufgrund des möglichen Informationsdiebstahls aus seinen Speichern selbst deaktiviert hatte. Jeder von ihnen befand sich in einer Einzelzelle und war an die Wand gekettet, während jede Zelle zusätzlich noch mit einem Energieschirm geschützt war. Dieser Gegensatz zwischen modernster Technik und uralten Methoden verwirrte Dove ein wenig.
Er hatte sein Zeitgefühl schon kurz nach seiner Ankunft in diesem Hochsicherheitstrakt verloren, da sich das Gefängnis weit unter der Erde befand und kein Unterschied zwischen Tag und Nacht zu erkennen war.
Noch ein paar Tage hier und ich drehe durch, dachte Dove. Er war psychisch bereits schwer mitgenommen, und ohne die speziellen Schulungen, die alle Expeditionsmitglieder vor der Abreise nach Dorgon erhalten hatten, wäre er wohl nicht in der Lage, diese Situation zu überstehen. Er wurde täglich drei bis vier Stunden verhört, die restliche Zeit war er mit Händen und Füßen an die Wand gekettet. Für ihn hatten sie sogar ein spezielles Equipment erst heran schaffen müssen, da er die Ketten zuvor mühelos abgerissen hatte. Nun waren diese immens verstärkt und hielten den Oxtorner fest. Es gab nicht einmal Einrichtungen für die wichtigsten Bedürfnisse, weshalb es in der Zelle äußerst ungut roch.
»Mach schon!«, drängte der Dorgone mit gezogenem Strahlergewehr.
Dove ging aus seiner Zelle heraus und trat in einen langen Gang. Dieser Korridor schien endlos zu sein; links und rechts befanden sich die Zellen der übrigen Gefangenen. Wegen der Energieschirme und des dämmrigen Lichts konnte man nur einige diffuse Gestalten erkennen.
An den Wänden befanden sich die Insignien des dorgonischen Imperiums.
Wenn sie auch gegen das eigene Volk solche Mittel anwenden, dann frage ich mich, wie sie es schaffen, ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten, dachte Dove.
In den bisherigen Verhören hatten die Dorgonen ihm noch keine Informationen entlocken können. Nun befürchtete er, dass sie allmählich zu härteren Methoden übergehen würden...
*
Foedus bewegte sich in einem schlurfenden, langsamen Gang zu seinem orthopädischen Chefsessel. Ächzend ließ sich der selbst für dorgonische Maßstäbe außerordentlich hässliche Dorgone in selbigen fallen, und klammerte sich sogleich, ob der Ungewissheit über das ihm drohende Schicksal, an die vergoldeten Armlehnen.
Der Princips Protector der des Protektorates Harrisch, Priamus, hatte ihn zum Rapport aufgefordert. Seit nunmehr drei Tagen verhörte er die »Fremden«, wie sie unter den Dorgonen nach wie vor genannt wurden, und die Ergebnisse waren recht mager.
Hoffentlich ist der Konsul nicht allzu ärgerlich, schoss es ihm durch den Kopf. Priamus war zwar nicht unbedingt für harte Bestrafungsmaßnahmen bekannt, aber wie alle Princips Protektoren hatte er einen gewissen Hang zur Selbstherrlichkeit, die sich aber auch umgekehrt als Überlegenheitsgefühl für die Untertanen durchaus negativ auswirken konnte.
Dennoch konnte Priamus auch äußerte Brutalität zeigen. Jeder erinnerte sich an die Sklavenrevolte der Jerrer vor zehn Jahren. Über 370.000 Jerrer hatte der Konsul dahin schlachten lassen. An den Händen von Foedus klebte auch jerratisches Blut.
Priamus gehörte zu den Architekten der thesasianischen Ära. Er und dessen Vater Skatus hatten einst den rebellierenden Thesasian im Kampf gegen dessen Vater unterstützt, was ihm letztlich den Kaisertitel eingebracht hatte. Priamus hatte damals den Mut bewiesen, zu desertieren. Im Herzen Dorgons, Dom, hatte Priamus sich von den Prettosgardisten losgesagt und die Geschwister des Thesasian Klaudius und Alupia vor dem Blutrausch ihres eigenen Vaters gerettet. Das freundschaftliche Band zwischen dem Princips Protector und dem Kaiser vermochte nichts zu brechen.
Foedus betrachtete sich in einem Spiegel. Er hatte aus der Not eine Tugend gemacht und war nun darauf bedacht, immer möglichst hässlich auszusehen, da er dafür mittlerweile schon berühmt oder vielmehr berüchtigt war. Erschrocken über seinen beinahe akzeptablen Anblick holte er ein Schminkköfferchen aus einer Schatulle und begann sich zu verunstalten. Nach getaner Arbeit schaute er erneut in den Spiegel.
Sehr gut, dachte er. Jetzt konnte er dem Senator unter die Augen treten.
Mit einem Knopfdruck aktivierte er das Hologramm, und die Verbindung mit dem Konsul wurde hergestellt.
Wie aus dem Nichts wurde das Antlitz Priamus' mit einem Mal in den Raum projiziert.
Mit seinen zahllosen Orden und seinem purpurfarbenen Umhang gab er einen durchaus imposanten Anblick ab.
»Foedus?«
»Zur Stelle«, erwiderte Foedus.
»Ich möchte einen detaillierten Bericht über die Verhöre der Fremden. Woher sie kommen, was sie wollen, und so weiter.«
Foedus geriet ins Schwitzen. Was sollte er dem Konsul sagen?
»Ich höre?«, drängte Priamus ungeduldig.
»Nun ja, wir haben Fortschritte erreicht.«
»Wie genau sehen diese Fortschritte aus?«
»Wir...«
»Was wisst ihr über diese Wesen?«, hakte Priamus nach.
»Sie sind humanoid, besitzen zwei Arme und zwei Beine, ein relativ...«
»Ich will keinen biologischen Bericht, der liegt mir nämlich vor«, unterbrach ihn Priamus. »Ich möchte von dir wissen, was du in Erfahrung bringen konntest.«
Foedus seufzte. »Nun, wir wissen ihre Namen, und, äh...«
Zischend öffnete sich die Tür des Raumes und Irwan Dove sowie dessen Wächter traten herein. Sie blieben in der Tür stehen, als Foedus ihnen mit einer Handbewegung deutete, zu warten.
»So was in der Art habe ich mir gedacht«, meinte Priamus spöttisch lächelnd. »Deshalb werden deine Dienste ab morgen nicht mehr länger benötigt. Ich habe Tribun Galanius vom Sicherheitsdienst mit dem Verhör beauftragt, denn dieser Mann kennt die neuesten und besten Methoden, um selbst Stumme zum Sprechen zu bewegen. Er wird morgen zur siebten Stunde eintreffen.«
»Ist das alles?«, fragte Foedus erleichtert.
»Ja, ich denke, das wäre soweit alles.«
Das Hologramm wurde deaktiviert, und Dove wurde zu einem Stuhl geführt. Handfesseln schlossen sich um seine Gelenke, und das Verhör konnte beginnen. Dove hatte sich vorgenommen, nur nutzlose Informationen preiszugeben.
»Name?«
»Irwan Dove.«
»Alter?«
»87 Jahre.«
»Weshalb seid ihr in Dorgon eingedrungen?«
»Wir sind auf der Suche nach meiner Großmutter.«
»Was hatte deine Großmutter in Dorgon zu suchen?«
Foedus wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass er veräppelt wurde.
Dove hatte sichtlich Mühe, sich das Lachen zu verkneifen.
»Sie wurde von den Kosmokraten hierher verbannt, weil ihre berühmte Erbsensuppe eine Gefahr für die Strangeness-Konstante unseres Universums darstellte.«
»Ah, das sind ja ganz neue Ansichten.« Foedus notierte sich alles fein säuberlich auf einem Notizblock.
»Was sind Erbsen?«
Dove hielt es einfach nicht mehr aus. Er fing brüllend zu lachen an, was Foedus mit einer verwirrten Miene quittierte.
»Es wäre mir sehr recht, wenn du mit der Wahrheit rausrücken würdest.«
Wie weit kann ich gehen?, überlegte sich Dove. Er beschloss, es einfach auszuprobieren: »Na gut, in Ordnung. Sie hatte den Frostrubin in einem Einmachglas aufbewahrt, der durch eine Fehlzündung ihres Raumschiffes in ein Paralelluniversum geworfen...«
»Jetzt reicht es!«, schrie Foedus. »Das ist deine letzte Chance!«
Dove blickte den Dorgonen abwägend an. Nein, dieser Mann würde es nicht wagen, ihm etwas anzutun, bevor der vom Konsul selbst beauftragte Experte ihn verhören konnte.
»Ich gebe alles zu. Wir sind sechs versprengte Hobbykegler, die auf der Suche nach der letzten Herausforderung nach Dorgon gekommen sind.«
Foedus lief leicht grünlich an. »Bringt ihn in seine Zelle. Wir machen beim nächsten weiter.«
*
Mathew Wallace saß in seiner Zelle und machte sich Vorwürfe. Hätte er die Gefangennahme irgendwie verhindern können? Hatte er einen Fehler gemacht? Als Leiter der Mission trug er natürlich die volle Verantwortung, auch Irwan Dove war ihm bei dieser Aufgabe unterstellt. Er wusste nicht einmal, wie es den anderen Expeditonsmitgliedern ging. Er wusste, dass Lorif sich entweder selbst deaktiviert hatte oder deaktiviert worden war, und er meinte, Dove in einer der Nachbarzellen erkannt zu haben. Wie es aber Hendrik Swahn, Tim Beranoh und Cerak Atz ergangen war, wusste er nicht.
Dass er einen Weg finden musste, aus dem Gefängnis auszubrechen, war klar. Nur war das leichter gesagt als getan: Sie befanden sich weit unterhalb der Erdoberfläche, und zu dem Aufzug, der ans Tageslicht führte, musste man auch erst einmal gelangen.
Er dachte an die Geschehnisse, die ihrer Gefangennahme vorangegangen waren.
Saraah...!
Die schwarzhaarige Sklavin des Konsuls Priamus hatte es ihm angetan. Leider war es fraglich, ob er sie je wiedersehen würde, aber allein die Aussicht war wohl der wichtigste Grund für ihn, dass sie so schnell wie möglich flüchten mussten.
Die Frage war nur: Wie?
*
Die Belustigung von zuvor war vergessen, als Dove in Handschellen den langen Gang zu seiner Zelle hinab getrieben wurde. Auch Dove hatte sich seit der ersten Minute, in der er sich in diesem Gefängnis befunden hatte, Gedanken über eine mögliche Flucht gemacht, aber es gab ja praktisch keine Gelegenheit dazu: An eine Flucht aus der Zelle war gar nicht zu denken, da der Schutzschirm ein derartiges Unterfangen unmöglich machte. Außerhalb der Zelle wurden sie ständig bewacht, so dass ihnen eigentlich nur ein Wunder helfen konnte. Oder aber...
Dove schielte unauffällig über seine Schulter und betrachtete seinen Wächter. Dieser schaute immer wieder in die Zellen, an denen sie vorbeigingen und erweckte eigentlich nicht den Eindruck, dass er besonders aufmerksam war.
Der Aufseher wandte seine Aufmerksamkeit wieder Dove zu, dieser drehte aber den Kopf schnell wieder in die andere Richtung.
Dove hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, einen Schwächeanfall vorzutäuschen und den Wächter dann zu überrumpeln. Wie es aussah, gab es nun wohl eine andere Möglichkeit.
Abermals schien der Wächter unaufmerksam, wie Dove aus den Augenwinkeln erkennen konnte.
Jetzt oder nie!, dachte er bei sich.
Mit einer blitzschnellen Bewegung rammte er dem Wächter seinen Ellenbogen in die Magengrube. Dieser spuckte Blut und übergab sich, ehe er bewusstlos umfiel.
Dove war für einen Moment unaufmerksam geworden und hatte dem zweiten Wächter dadurch die Möglichkeit gegeben, an seinem Kommunikationsgerät zu hantieren.
»Achtung, das ist ein Notfall. Sektion...«, begann der Dorgone, aber Dove schlug ihm das Gerät blitzschnell aus der Hand. Der beinahe dreieinhalb Zentner schwere Oxtorner packte den Dorgonen am Kragen und warf ihn mit einer unvorstellbaren Gewalt gegen die Wand. Sein Opfer sackte zu Boden und röchelte.
Robbend und völlig erschöpft erreichte Dove den Strahler der Wache.
»Tut mir echt leid, Junge«, flüsterte Dove sarkastisch mit einem Blick auf den Dorgonen beziehungsweise das, was er von ihm übrig gelassen hatte. Er legte dessen Hand an den Strahler, um ihn zu aktivieren. Dove riss sich ein Fetzen seines Hemdes ab und umwickelte den Knauf der Waffe. Dann fasste er sie an. Sie blieb aktiviert. Es funktionierte. Durchaus logisch, da Dorgonen ja auch Handschuhe für Außeneinsätze durchaus trugen. Würde der Knauf jedoch in Berührung mit Doves Haut kommen, würde die Automatik erkennen, dass es sich nicht um einen Dorgonen handelte und sich deaktivieren.
Um ganz sicher zu gehen, dass ihm der Wächter keinen Ärger mehr bereiten würde, justierte er die Strahlwaffe auf die niedrigste Einstellung, die er für den Betäubungsmodus hielt. Er visierte sein Ziel genau an und schoss.
Großer Gott!
Die Konstrukteure dieser Waffe schienen einen Betäubungsmodus offensichtlich nicht für nötig erachtet zu haben. Dort, wo sich vormals der Brustkorb des Dorgonen befand, klaffte nun ein riesiges Loch. Dove bedauerte aufrichtig, dass ihm das passiert war.
Nachdem er dieses schockierende Bild für einige Sekunden angestarrt hatte, machte er sich klar, was er nun zu tun hatte. Er musste den Körper unauffällig verschwinden lassen, das war klar. Zunächst nahm Dove den beiden Dorgonen aber noch die Kleidung und Schlüssel beziehungsweise Codekarten ab, die zumindest teilweise noch brauchbar waren.
Dove erwägte zunächst, die Körper in einem Seitengang zu verstecken, verwarf die Idee dann allerdings. Beide Dorgonen waren tot, also spielte es auch keine Rolle, wie er weiter mit ihnen verfuhr. Daher beseitigte er die Körper mit einem weiteren Schuss aus dem dorgonischen Strahler.
Zunächst versuchte er sich zu orientieren, aber er musste schnell feststellen, dass dieses Unterfangen gar nicht so einfach war, denn bisher war er immer von den Wächtern geleitet worden. Schließlich erkannte er, dass er noch fünf Zellen von seinem eigenen Verließ entfernt war.
Er wollte nun versuchen, die anderen zu befreien, aber nur von Wallace kannte er den ungefähren Aufenthaltsort. Das Wichtigste war jetzt vor allem, dass er die Befreiungsaktion möglichst schnell durchführen konnte, denn die Dorgonen würden nun vermutlich alle Sektionen des Gefängnisses systematisch absuchen.
Im Laufschritt näherte sich Dove der Zelle, in der er Wallace vermutete. Mit einem Blick in die Zelle konnte er trotz des verzerrten Bildes, das sich wegen des Schirmes ergab, einwandfrei feststellen, dass es nicht Wallace war.
Oder er hat sich sehr verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe, setzte Dove im Gedanken hinzu und musste trotz der Situation, in der er sich befand, grinsen. In der Zelle befand sich nämlich eine fette, elefantenartige Frau vom Volk der Elevus.
Dove versuchte bei der Nachbarzelle sein Glück, und diesmal schien er den richtigen Raum erwischt zu haben. Er schob die offensichtlich dafür vorgesehene Karte in einen an der Außenwand der Zelle befindlichen Schlitz und das Kraftfeld wurde deaktiviert.
Wallace blickte freudig erregt zu ihm hinüber, konnte aber nicht auf ihn zukommen, weil er an die Wand gekettet war.
»Du lässt dir ja ganz schön Zeit«, grinste Wallace, aber Dove ging nicht darauf ein.
»Wir haben jetzt keine Zeit für deine Scherze!«, fauchte er seinen Kommandanten an.
»Was hast du vor?«, wollte Wallace nun wissen.
Dove trat an ihm heran und befreite ihn von seinen Handfesseln. Erstaunt bemerkte Wallace, dass Dove sich selbst immer noch nicht seiner Handschellen entledigt hatte.
Dove warf ihm den löchrigen Umhang des getöteten Wächters zu und erklärte ihm in kurzen Worten, was geschehen war.
»Es wird höchste Zeit, dass wir hier wegkommen. Die Dorgonen sind nicht zufrieden mit dem, was wir ihnen bisher erzählt haben und schicken nun einen Spezialisten hierher, der die ganze Sache in die Hand nehmen soll. Ich stelle mir das folgendermaßen vor: Du trittst als Dorgone auf und führst mich als deinen Gefangenen mit dir. Deine Hautfarbe entspricht zwar nicht ganz der dorgonischen, aber das ist die beste und möglicherweise einzige Chance, die wir haben.«
Mathew Wallace nickte langsam. »Hast du bereits etwas über den Aufenthaltsort von Hendrik Swahn, Tim Beranoh und Cerak Atz in Erfahrung bringen können?«
»Nein«, erwiderte Dove knapp. »Ich vermute, sie befinden sich in einer anderen Sektion des Gefängnisses. Und Lorif...«
»Lorif habe ich gestern noch gesehen, als ich zum Verhör geholt wurde«, erklärte Wallace. »Sie haben ihn in einen Raum geführt, in dem sich, so wie ich das erkennen konnte, Hunderte von alten und kaputten Androiden und Robotern befunden haben.«
»Würdest du diese Stelle wiederfinden?«
»Ich denke schon.«
»Dann mal los. Wir haben nur sehr wenig Zeit, und wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass unsere Tarnung funktioniert.«
Die beiden verließen die Zelle und aktivierten den Schutzschirm wieder in der Hoffnung, dass ihre Flucht so nicht so schnell bemerkt würde. Wallace vermutete allerdings, dass die Deaktivierung des Schutzschirmes längst registriert worden war.
Sie näherten sich dem Raum, in dem sie Lorif vermuteten.
Aus einem Seitenkorridor kam ein Dorgone auf sie zugelaufen.
»Lauf ganz normal weiter«, flüsterte Wallace seinem Untergebenen zu.
Der Dorgone musterte sie mit einem neugierigen Blick, und sagte irgendetwas zu Wallace. Dieser lächelte dem Mann einfach nur zu.
»Das ist ja gerade noch mal gut gegangen«, keuchte Dove erleichtert. »Wenn wir erkannt worden wären, dann...« Er ließ seinen Gedankengang unvollendet.
Der Gang war erfüllt vom Summen der Schutzschirme. Schließlich verließen sie den Gefängnistrakt, und kamen bei dem Raum an, in dem sich Lorif aufhalten sollte. Eigentlich waren sie auf ihrem Weg von gut einem Kilometer erstaunlich unbehelligt geblieben.
Das Schott glitt von alleine beiseite, und Dove und Wallace betraten die Halle.
Ihnen bot sich ein beeindruckendes und gleichzeitig ein irgendwie betrübtes Bild.
Vor ihnen befanden sich unzählige von Maschinenteilen, ausgedienten Robotern und scheinbar nur noch bedingt funktionierenden Androiden. Diese waren fast fünfundzwanzig Meter hoch aufgestapelt, auf einer Länge von gut dreihundert Metern. Das ganze glich einem gigantischen Schrottplatz. Viele Roboter summten und blinkten noch, eine flugfähige Maschine raste sogar im Kreis herum und stieß mit schon fast schmerzhafter Genauigkeit immer am gleichen Punkt an der Wand an. Andere bewegten sich noch rollend oder springend vorwärts, aber die meisten waren einfach komplett abgeschaltet. Vor Dove drehte ein Roboter irre Kurven und Schleifen. Hatte dieser jemals einen funktionierenden Orientierungssinn besessen, so war er ihm verloren gegangen.
»Ein Roboterfriedhof«, erkannte Dove ächzend, als er den ersten Schock überwunden hatte. »Wie sollen wir in diesem Durcheinander Lorif finden?«
Wallace stand immer noch mit entgeisterter Miene da, die Kinnlade nach unten geklappt. Schließlich versetzte er sich selbst eine schallende Ohrfeige. »Das kann doch gar nicht sein, ich träume diesen Mist doch nur...«
Er hielt sich die schmerzende Wange. »Das hat weh getan!«, rief er verblüfft. »Aber...«
»Mathew? Alles klar bei dir?«, fragte Dove mit zweifelnder Miene.
»Ich glaube schon«, erwiderte dieser. »Ich weiß auch nicht, wie wir ihn hier entdecken sollen. Aber ich vermute mal, dass er der einzige Posbi hier drin ist.«
»Dann mal los...«
Es hatte sie glücklicherweise nur fünfzehn Minuten gekostet, Lorif zu finden. Denn nachdem sie eine Weile auf dem Schrottplatz umhergelaufen waren, hatte sich ein Roboter in Doves Hintern verbissen. Dove sprang vor Schmerz fast von seinem Schrottberg und versuchte, den Roboter loszuwerden, indem er sich wegrollte. Den Roboter wurde er zwar los, nur fiel Dove recht schmerzhaft – und ausgerechnet genau auf Lorif. Dem Roboter hatten sie nun übrigens den Namen »Gemeiner Beißer« verpasst.
Lorif war also wieder aufgegabelt worden. Der schwierige Teil begann nun allerdings erst: Sie mussten ihn in Rekordzeit wieder reaktivieren, denn die Geschehnisse, die sich draußen abspielen mochten, trugen nicht zu ihrer Beruhigung bei. Es galt, so schnell wie möglich die anderen Mitglieder der Expedition zu finden und dann an die Oberfläche zu fliehen. Nur war das leichter gesagt als getan, da hierbei die Unsicherheitsfaktoren gleich im Dutzend auftraten. Den ersten Schritt mussten sie nun tun, denn ohne Lorif kamen sie hier vermutlich nicht mehr heraus.
Da Dove über ein hohes Technikverständnis verfügte, war es ihm ein leichtes, mit Hilfe einiger herumliegender Schrottreste Lorifs Rückenplatte aufzuschrauben und sein Innenleben offenzulegen.
»Zuerst muss ich feststellen, ob er nur deaktiviert ist oder ob auch Schäden an den positronischen und biologischen Systemen entstanden sind«, erklärte er Wallace, der neben ihm auf dem Boden hockte, ab und zu scheinbar verstehend nickte und mehr oder weniger als Werkzeughalter fungierte.
Dove verschwand mit dem Kopf zur Hälfte in Lorif und schraubte eine Weile an dessen Schaltungen herum, bis er mit einem äußerst unfeinen, dafür aber offenbar sehr befreienden Fluch wieder auftauchte.
»Verdammt...«
Er hatte offenbar einen kleinen Schlag abbekommen und fuchtelte mit der höllisch schmerzenden rechten Hand wild in der Luft umher.
»Ich habe etwas falsch gemacht«, erklärte er dem ungläubig zuschauenden Wallace in dozierendem Ton.
»Darauf wäre ich jetzt vermutlich nicht gekommen«, entgegnete dieser spöttisch.
Diese Ironie schien Dove allerdings zu entgehen, denn er fuhr ungerührt fort: »Wenigstens weiß ich jetzt, dass er nur deaktiviert worden ist. Die Lebenserhaltung für das Plasma läuft noch.«
Lorif war vor dieser Mission für einen Fall wie diesen mit einem Code ausgestattet worden, mit dem man ihn nötigenfalls wieder aktivieren konnte. Auch eine Gefangennahme war bei dieser gefährlichen Mission natürlich einkalkuliert gewesen.
Wallace war als dem Kommandanten bei diesem Einsatz eben dieser Code vor dem Abflug mitgeteilt worden. So gelang es Irwan Dove, Lorif wieder in Betrieb zu setzen.
Lorif spulte zunächst sein Standardprogramm ab: »Alle Programme wurden nach Überprüfung und Debugging erfolgreich ausgeführt und laufen innerhalb normaler Funktionsparameter.«
Lorifs Datenbestände schienen offenbar keinen Schaden erlitten zu haben. Dieser Umstand stimmte Wallace und Dove äußerst glücklich, da sie Lorifs Orientierungssinn benötigten, um diesem unterirdischen Labyrinth überhaupt erst entfliehen zu können.
Dove drängte zum Aufbruch, da sie bereits einige Zeit unbehelligt auf diesem Schrottplatz verweilten. Foedus würde nun vermutlich eine Generalmobilmachung durchführen um sie zu schnappen. Sie verließen den Raum, der eigentlich so gar nicht in die sonstige Umgebung des Gefängnisses passte, und traten wieder in den Korridor.
»Jetzt wird's kritisch. Ihr zwei müsst als meine Gefangenen auftreten«, instruierte Wallace seine Mitstreiter, da er nach wie vor das Gewand des Dorgonen trug.
Der Gang war vom blauen Licht der Alarmmelder erleuchtet, zudem plärrte zusätzlich zum Geheule aus der Alarmsirene eine Stimme Anweisungen auf dorgonisch über die Lautsprecher.
Auf den an der Wand positionierten Bildschirmen, die soeben noch das Symbol des dorgonischen Imperiums gezeigt hatten, flimmerten nun Bilder von Wallace und Dove. Offensichtlich hatte die Leitung des Gefängnisses relativ schnell geschaltet.
Dove zog sich den Kragen seiner Uniform bis über das Kinn hoch, um im Falle des zu erwartenden Feindkontaktes nicht sofort erkannt zu werden.
»Lorif, wir müssen Swahn, Beranoh und Atz befreien. Was denkst du, wo sie sich aufhalten?«, wollte Wallace wissen.
»Nach Analyse aller uns bekannten Fakten gehe ich davon aus, dass sie sich in einer anderen Sektion aufhalten. Sie zu lokalisieren, dürfte allerdings schwierig werden«, erwiderte Lorif.
»Das denke ich auch«, stimmte ihm Wallace zu. »Erarbeite ein Suchmuster, nach dem wir vorgehen können.«
»Verstanden.«
Sie bogen um eine Ecke – und liefen direkt in die Hände eines Dorgonen. Dieser musterte sie für einige Sekunden gründlich, während sie weiterliefen, als wäre nichts geschehen.
Plötzlich konnte Dove ein deutliches Kommando des Dorgonen vernehmen. Er fluchte, warf seine moralischen Prinzipien über Bord, fuhr herum und feuerte. Der Dorgone wurde desintegriert und seine Atome ins Nirwana des Hyperraums geschickt, doch es war bereits zu spät: Aus allen angrenzenden Korridoren strömten weitere dorgonische Einheiten hinzu.
»Es hat keinen Zweck, nun nach den anderen suchen zu wollen. Wir brechen den Einsatz ab und versuchen zunächst, unseren Hintern hier rauszubringen«, entschied Wallace.
Dove hatte sich mittlerweile den Strahler des Dorgonen geschnappt und übergab ihn, mit einem weiteren Stofffetzen umhüllt, an Wallace.
Wir sitzen in der Falle, erkannte Wallace. Von allen Seiten betraten Dorgonen die Szene.
»Da hilft nur noch die Flucht nach vorne!«, erklang der Ruf von Dove.
Wallace indes widerstrebte die Vorstellung, dass sein Dasein innerhalb der nächsten Minuten zu einem Ende kommen könnte, was aufgrund der drückenden Übermacht des Feindes durchaus wahrscheinlich schien. Auf der anderen Seite durften sie sich nicht einfach wieder in die Hand des Feindes begeben.
Wallace jagte, blind feuernd, in eine Seitengasse.
»Halte mir den Rücken frei!«, rief er Dove zu.
Dicht neben ihm schlugen Strahlenschüsse in der Wand ein. Das Material, aus dem die Wand bestand, schien nicht sonderlich hitzebeständig zu sein. Jedenfalls spritzten Tropfen des entflammten Materials in Wallace' Gesicht und verursachte ihm dort höllische Schmerzen.
Wallace riss sich allerdings zusammen und feuerte weiter.
Mehrere Dorgonen vergingen in seinen Feuersalven. Ein Schuss fuhr über Wallace hinweg und skalpierte ihn beinahe. Lorif befand sich zwischen Dove und Wallace, die praktisch Rücken an Rücken kämpften. Momentan kam ihm noch keine entscheidende Funktion zu, da er keine Feuerwaffe bei sich hatte. Dove hatte inzwischen alle Hände voll zu tun, die sich nähernden Dorgonen fernzuhalten.
Wallace war es nun gelungen, eine ganze Reihe von Dorgonen abzuschießen und der Weg nach vorne war zunächst frei.
Die drei rannten den Gang entlang. Lorif war es gelungen, den Weg zu dem Aufzug zu rekonstruieren, mit dem sie herab gebracht worden waren. Ihm fiel die Aufgabe zu, die kleine Gruppe zu führen.
Dove gab noch einige Schüsse nach hinten ab, um die Verfolger aufzuhalten.
Das läuft besser, als ich dachte, erkannte Wallace.
Insgeheim hatten sie sich gefragt, weshalb sie mit einem herkömmlichen Aufzug und nicht mit einem Antigravlift heruntergebracht worden waren. Auf diese Frage war ihnen bisher noch keine zufriedenstellende Antwort eingefallen.
Abermals bogen sie in einen angrenzenden Korridor ab. Einen entgegenkommenden Dorgonen desintegrierte Dove, ohne mit der Wimper zu zucken.
Lorif hielt zielstrebig auf dem Lift zu.
Ohne ihn wären wir wohl aufgeschmissen, erkannte Wallace.
Nach etlichen hundert Metern waren sie am Lift angekommen. Allerdings war ihnen der Zutritt zu selbigen verwehrt:
Ein Wächter, der sie hatte herannahen sehen, hatte das Schott des Korridors geschlossen. Das stellte aber kein größeres Hindernis dar: Wallace und Dove stellten ihre Strahler auf maximale Leistung und feuerten. Das Schott explodierte. Der dorgonische Wächter war bei der Explosion ebenfalls getötet worden.
Die Tür des Aufzugs stand einladend offen und Wallace, Dove und Lorif traten hinein. Sie schlossen die Tür von innen, und Dove versuchte, den Lift zu aktivieren.
Es blieb beim Versuch. Sämtliche Schalter waren blockiert, nichts funktionierte. Und die Tür blieb verschlossen, trotz aller Versuche seitens Dove und Wallace. Sie hätten natürlich die Tür zerschießen können, aber wenn sie wieder zurück in den Gang getreten wären, wären sie Kanonenfutter für ihre Verfolger geworden.
Sie saßen in der Falle.
»Ich naiver Idiot!«, schrie Wallace panikerfüllt. Dove bemühte sich indessen, kühl zu denken.
»Eins ist klar, wir müssen hier raus, und zwar schnell«, entgegnete Dove dumpf. »Alle in Deckung!«
Wallace fragte nicht nach, was der Sicherheitschef der IVANHOE vorhatte, denn dazu fehlte ihnen die Zeit. Dove zerschoss die Decke der Kabine. Ein kleines Loch entstand.
»Voilà«, sagte Dove mit einem Grinsen, das nicht seine wahren Gefühle widerspiegelte.
Er und Wallace hievten Lorif hektisch durch das Loch, und dieser zog die beiden schnell nach.
Sie befanden sich nun auf dem Dach des Lifts. Erleichtert stellte Wallace fest, dass sich wenige Meter neben dem Lift eine weitere Fluchtmöglichkeit bot: eine Wendeltreppe aus Metall. Mit einem gewaltigen Satz sprang Wallace hinüber, und Lorif und Dove taten es ihm gleich. Keine Sekunde zu früh, wie sich herausstellte, denn im selben Moment wurde der Aufzug gestürmt.
Die drei jagten die Treppe nach oben, wohl wissend, dass es eine Tortur werden würde, denn sie hatten die unfassbare Strecke von 5000 Höhenmetern zurückzulegen. Nach etwa einer Minute und Hunderten von hinter sich gebrachten Stufen, vervielfachte sich offenbar die Anzahl der Füße, die auf das Metall hämmerte – Dorgonen waren ihnen auf den Fersen!
Knapp zwanzig Meter über ihnen schlug ein erster Strahlenschuss ein, was Dove dazu veranlasste, nun seinerseits nach unten zu schießen.
Wallace durchtrennte das Seil des Lifts mit einem Schuss, um zu verhindern, dass ihnen die Dorgonen mit dem Aufzug folgen konnten. Es war noch ein langer Weg nach oben...
Hinterher konnten weder Dove noch Wallace sagen, wie sie diese Treppe bezwungen hatten. Nach knapp drei Stunden waren sie oben angekommen, nachdem sie sich ihrer Verfolger mit einigen Tricks entledigt hatten. Nach etwa 2000 Höhenmetern waren sie auf einen Unterstand gestoßen, der unabhängig von der Treppe in den Fels gehauen war. Von dort aus hatten sie die Aufhängung der Treppe zerschossen. Die Treppe krachte unterhalb ihres Standpunktes hinunter und in sich zusammen. Die dorgonischen Verfolger wurden eingequetscht oder begraben.
Nur war dieses Manöver ziemlich riskant gewesen und brachte sie beinahe selbst in die Bredouille: Die Treppe war oberhalb ihres Standortes nun auch nicht mehr sicher befestigt. Lorif improvisierte allerdings mit einem der herabfallenden Treppenteile eine Art Querbalken, und sie hatten ihren Marsch fortsetzen können – ohne Verfolger.
Richtig brenzlig wurde es, als sich die Dorgonen anschickten, die Treppe von oben her zu sprengen. Nach einer ersten, kleinen Explosion war allerdings nichts mehr geschehen. Wallace vermutete, dass Foedus die Möglichkeit gewittert hatte, sie doch lebendig einzufangen, indem er sie nämlich einfach an der Oberfläche einkassieren ließ. Nachdem die Gruppe beratschlagt hatte, was nun zu tun sei, kam dem Posbi die Idee, seinen eingebauten Deflektor zu nutzen, um sich an den oben postierten Wachen vorbeizuschleichen. Sobald dies geschehen war, würde er leichtes Spiel haben, wenn er sie von hinten überwältigen konnte. Blieb nur zu hoffen, dass die Wachen keine Möglichkeit hatten, die sowohl vom Deflektor als auch dem Posbi selbst ausgehende Strahlung anzumessen.
Alle drei stimmten diesem Plan zu, da er wohl die größte Wahrscheinlichkeit auf Erfolg versprach. Also machte sich Lorif auf den Weg.
Nachdem die beiden Galaktiker die mit dem Posbi abgemachte Zeitspanne abgewartet hatten, machten sie sich ebenfalls auf den Weg. Als sie oben ankamen, stellten sie mit Zufriedenheit fest, dass die oben postierten Wächter gefesselt auf den Stufen lagen. Sie gingen zu Lorif, um ihm zu seinem gelungenen Plan zu gratulieren. Nun stand ihrer weiteren Flucht erstmal nichts im Wege.
*
»Ihr habt sie entkommen lassen?!«, schrie Foedus fassungslos.
»Ja, eure Hässlichkeit«, entgegnete der Centrus der dorgonischen Truppen tonlos.
Foedus warf sich verzweifelt auf sein Schlafgemach, krallte sich in seinem Kissen fest und begann, strampelnd und kreischend zu heulen.
Nach einigen Minuten hörte er mit dem Geplärre auf und setzte sich kerzengerade hin.
»Sucht sie... und findet ihr Raumschiff!«
*
Wallace, Dove und Lorif traten aus dem kleinen Bau heraus, der den Eingang zu dem in das unterirdische Gefängnis herabführenden Lift darstellte. Die Sonne ging dem Horizont entgegen; es war also Abend. Der Himmel war in ein rötliches Licht getaucht, aber die Sicht war dennoch klar. Selbst über der vor ihnen liegenden Stadt schwebte keine Dunstglocke. Die Stadt war Mesoph; das hatten die Drei auch schon zuvor gewusst.
»Wir sollten uns einen genauen Überblick verschaffen. Wo exakt befinden wir uns, Lorif? Und wie lautet die Position der Space-Jet?«, wollte Wallace wissen.
»Die Space-Jet befindet sich etwa zweiundzwanzig Kilometer nördlich von hier«, antwortete der Posbi. »Ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass wir dorthin kommen, ohne entdeckt zu werden. Ich könnte meinen Speicher darauf verwetten, dass die Dorgonen längst fieberhaft auf der Suche nach uns sind.«
»Was schlägst du also vor?«, hakte Wallace nach.
»Wir sollten zunächst versuchen, irgendwo in der Stadt unterzutauchen.«
»Das dürfte schwierig werden«, schaltete sich Dove in das Gespräch ein. »Wir müssen davon ausgehen, dass uns die dorgonischen Truppen auch in der Stadt finden. Und hier, außerhalb der Stadt, sind wir leichte Beute.«
»Wir sollten bei jemandem Unterschlupf suchen, der mit uns solidarisch ist«, sinnierte Lorif.
»Aber wer könnte das sein?«
Eine Eingebung schoss Wallace durch den Kopf.
»Saraah!«
»Wie bitte?«, fragte Dove verständnislos.
»Wir sollten uns in den Baracken der Sklaven verstecken. Ich denke, dass uns diejenigen, die vom dorgonischen Imperium unterdrückt werden, am ehesten helfen werden.«
Dove schüttelte den Kopf. »Wie willst du da so sicher sein?«
»Ich habe... doch schon Kontakte zu einer Sklavin geknüpft.«
»Saraah?« Dove blickte ihn fragend an. »Es wäre reiner Zufall, sie bei diesen Unmengen von Leibeigenen, die die Dorgonen besitzen, wiederzufinden.«
Ein Stich fuhr in Wallaces Herz. Er wollte sie so gerne wiedersehen, er begehrte sie von ganzem Herzen. Er hatte sie nur zweimal kurz sehen dürfen, aber ihre ganze Art, ihre ganze Gestalt faszinierte ihn. Dass sie eine Sklavin des Konsuls war, schürte nur seinen Hass gegen das dorgonische Imperium.
Sie wiederzufinden würde vermutlich nicht allzu schwer werden. Sie waren vor ihrer Verhaftung im Besitz eines Stadtplans gewesen, den Lorif mittlerweile in seinen Datenbestand aufgenommen hatte.
Was danach allerdings kommen sollte war noch nicht ganz klar. Ihre gesamte Ausrüstung, sofern sie sich nicht an Bord der Space-Jet befunden hatte, war ihnen abgenommen worden.
Dove war allerdings gegen Wallaces Idee. »Mathew... vergiss es. Wenn wir so dämlich sind, und uns gerade in die Höhle des Löwen begeben, dann können wir auch gleich zurück in das Gefängnis gehen. Ich bin dafür, dass wir zunächst einmal versuchen, Kontakt mit der IVANHOE aufzunehmen.«
Wallace seufzte. »Und wie stellst du dir das vor? Wir haben keine Ausrüstung mehr, nur die Strahler, die wir den Dorgonen abgenommen haben.«
»Du vergisst die in Lorif integrierten Kommunikationssysteme.«
Lorif unterbrach ihn mit blecherner Stimme: »Meine Systeme haben nur eine eng begrenzte Reichweite!«
»Aber es würde auslangen, um die IVANHOE zu erreichen?«
»Theoretisch schon.«
»Aber besteht nicht die Gefahr, dass wir angepeilt werden?«, wollte Dove wissen.
»Im Prinzip schon«, erklärte Wallace. »Aber das Risiko müssen wir eingehen. Außerdem glaube ich nicht, dass ein kurzes Signal bei den Tausenden und Abertausenden von Funksprüchen, die hier ständig auf dem Planeten durch den Äther jagen, auffällt.«
Wallace gab dem Posbi mit einem Nicken zu verstehen, dass er anfangen solle.
Lorif fing an zu piepsen und zu rattern. Sein Kopf spaltete sich in zwei Hälften. Eine Hyperfunkantenne kam zum Vorschein.
Lorifs Systeme blinkten überall, und der Posbi machte einen Eindruck, als lausche er angestrengt in sich hinein.
Nach etwa einer Minute fuhr er die Hyperfunkantenne wieder ein. Und Wallace meinte fast, ein bisschen Enttäuschung in Lorifs Stimme zu hören, als sein fragender Blick beantwortet wurde.
»Keine Antwort. Die IVANHOE hat das System verlassen. Vermutlich um nicht entdeckt zu werden – und das könnte fatal für uns sein.«
Diese Bemerkung von Lorif entsprach zweifelsohne den Tatsachen, wobei es sich genaugenommen noch um eine Untertreibung handelte...
*
Der Princips Protector Priamus erhob sich von seiner Liege, auf der er gerade über die neuen Bestrebungen des Kaisers nachgedacht hatte, das Reich noch aggressiver auszudehnen. Das Piepsen seines Hyperkom hatte ihn dazu gezwungen, sich aus dieser bequemen liegenden Position aufzuschwingen und sich den aktuellen Problemen der Welt Mesoph zuzuwenden.
Eines dieser Probleme hatte ein Gesicht und hörte auf den Namen Foedus.
Foedus hatte ihm vor knapp einer halben Stunde berichtet, dass die Gefangenen entkommen waren. Priamus war darüber extrem verärgert und hatte Foedus mitgeteilt, dass er über eine angemessene Disziplinarmaßnahme nachdenken werde und ihm diese im Laufe der nächsten Tage übermitteln werde. Für Priamus selbst war die Strafe indes längst klar: Für ein derartiges Versagen kam nur die Exekution in Frage.
Dringlicher war allerdings die Verfolgung der Fremden, denn Priamus spürte, dass das Wissen um die Ziele der Fremden letztendlich von entscheidender Bedeutung für Mesoph oder sogar des Imperiums sein konnte.
Der Hyperkom summte erneut; Priamus bequemte sich nun, den Knopf zu drücken und die Hologrammkonversation mit seinem Gegenüber zu starten.
Auf der kleinen holografischen Plattform erschien das Antlitz von Gaius Octus, dem Bürgermeister von Mesoph-Nord.
»Ehrenwerter Konsul, entschuldigt die Störung...« begann Gaius Octus unterwürfig, wurde jedoch mit einer ungeduldigen Handbewegung seitens Priamus unmissverständlich dazu aufgefordert, seinen Bericht vorzutragen.
»Die Bezirke 23-H bis 39-F werden fieberhaft abgesucht. Alle Ladenbesitzer, Hotelbetreiber und dergleichen wurden informiert, soweit es notwendig war.«
»Haben die Truppen bereits eine Spur?«, erkundigte sich Priamus mit einer fordernden Stimme, die eindeutig Ergebnisse verlangte.
»Tut mir leid, Herr. Bisher haben wir sie noch nicht gefunden. Ich denke ohnehin, dass sich die Suche auf die Umgebung rund um den Eingang des Gefängnisses konzentrieren sollte.«
Priamus lachte verächtlich. »Wenn die Fremden zu ihrem Schiff gelangt sind, das wir immer noch nicht aufspüren konnten, können sie mittlerweile überall sein.«
»Ich bezweifle, dass ihnen das innerhalb dieser kurzen Zeitspanne gelungen ist«, äußerte sich Gaius Octus überzeugt.
»Wir dürfen sie auf keinen Fall unterschätzen«, widersprach ihm Priamus. »Gib den Truppen die Order, dass sie ab jetzt gründlicher und aggressiver vorzugehen haben!«
»Jawohl«, bestätigte Gaius Octus die Anweisung und beendete die Verbindung.
Das Klingeln war kaum mehr auszuhalten. Der Hausvater öffnete die Tür und bewaffnete dorgonische Soldaten stürmten herein.
Der Vater versuchte, die Soldaten aufzuhalten oder sie zumindest zu fragen, was los war.
Die Soldaten pressten ihn auf den Boden und hielten ihm eine Waffe an den Schädel. Die Mutter hatte mittlerweile vor Schreck den Suppentopf fallengelassen, den sie soeben servieren wollte.
Ein Soldat kam angestürmt und presste sie an die Wand. Die Frau kreischte in Panik, während das völlig verängstigte Kind in Schach gehalten wurde.
Die übrigen Soldaten durchsuchten das Haus in aller Eile, schließlich meldete einer dem Dorgonen, der offensichtlich den Kommandanten der Einheit darstellte, dass »nichts zu finden« war.
Der Dorgone entschuldigte sich und sagte, sie hätten »nur jemanden gesucht«...
Ähnliche Szenen wiederholten sich überall auf Mesoph.
*
»Verdammt!«
Dove traf den Nagel auf den Kopf. Ihre Lage war nicht gerade erfreulich. Sie waren nun zwar der Gefangenschaft der Dorgonen entkommen, aber es war ihnen nicht gelungen, Kontakt mit der IVANHOE aufzunehmen. Das bedeutete, dass ihnen kein direkter Fluchtweg offenstand, selbst wenn es ihnen gelang, die Space-Jet zu erreichen. Zudem befanden sich noch drei ihrer Leute in einem unterirdischen Gefängnis der Dorgonen, die es nach Möglichkeit galt, zu befreien.
»Wir sollten versuchen, unsere Ausrüstung aus der Space-Jet zu holen«, stellte Lorif fest. »Dann wären wir vermutlich mobiler.«
Gegen diese Argumentation sprach eigentlich nichts. Darüber hinaus blieben ihnen auch sonst keine Möglichkeiten. Solange die IVANHOE nicht erreichbar war, mussten sie wohl oder übel versuchen, sich auf dem Planeten durchzuschlagen. An eine Befreiung ihrer Kompagnons war im Moment überhaupt nicht zu denken.
»Dann machen wir uns mal auf den Weg«, beschloss Wallace.
Sie begannen ihren Marsch, der aller Voraussicht nach einige Stunden dauern würde.
Falls sie ihn beenden würden...
Der Dorgone kaute lustlos an einem Wurks, einem glitschigen, schleimigen Tier, das unter den Dorgonen wie ein Kaugummi gekaut wurde. Die Wurkse waren gut zu beißen, und ihre Körpergröße von gerade mal zehn Zentimetern kam dem »Verwendungszweck«, der ihnen durch die Dorgonen verpasst wurde, durchaus entgegen.
Schon seit einigen Stunden überwachte der Dorgone einen Sektor, ohne jedoch eine Spur der gesuchten Gefangenen gefunden zu haben.
Eine plötzlich aufleuchtende Holoanzeige ließ ihn hochfahren, und er spuckte den Wurks in hohem Bogen aus.
»Ich glaube, ich habe etwas«, teilte er seinem Kollegen, der schräg hinter ihm saß, mit und deutete auf seine Konsole. »Ein nichtautorisiertes Hyperfunksignal, etwa 1300 Meter von der Einstiegsstelle des Gefängnislifts entfernt. Versuche, ob du den Empfänger identifizieren kannst.«
»Lieber nicht«, widersprach ihm der andere Dorgone. »Falls das wirklich die Gesuchten sind, sollten wir ihnen nicht verraten, dass wir ihnen auf der Spur sind. Um den Sender zu identifizieren, muss ich ja auf dessen lokale Datenbank zugreifen. Die dürfte in diesem Fall zwar gesperrt oder inkompatibel sein, aber gewarnt wären die Fremden in jedem Fall.«
»Ich teile es der Zentrale mit«, meinte der erste. »Wir dürfen diese Fremden nicht verlieren.«
Der andere Dorgone hantierte hastig an seinem Rechner herum. »In Ordnung, einige Fußtruppen sollen sich auf den Weg machen. Allerdings kann ich keine Lebenszeichen ausmachen.«
»Das hat nichts zu sagen. Die Fremden können eine Technik besitzen, um ihre Lebenszeichen für uns unsichtbar zu machen.«
»In diesem Fall müsste ich Energieemissionen orten können... Moment!«
Die Dorgonen machten sich an die Auswertung der verschiedenen angemessenen Energien, wohl wissend, dass sie die Fremden nun wohl am Wickel hatten.
*
Die Dämmerung brach langsam herein; die zwei Männer und der Posbi tappten inmitten des fahlen Halblichts durch das Gestrüpp eines Waldes. Die Space-Jet war in einem abgelegenen Gebiet versteckt worden, wobei sie sie ohne Lorifs fotografisches »Gedächtnis« und seine nun als Lampen dienenden Augen vermutlich nicht wiedergefunden hätten.
Der Pfad war beschwerlich, da sie durch Gestrüpp und Geäst behindert wurden und der Boden unter ihren Füßen nachgab. Zudem waren ihre Körper von dem vorausgegangenen Gewaltmarsch über 5 Höhenkilometer ausgelaugt; Dove musste Wallace mehrmals stützen, da er kurz vor dem Zusammenbruch stand.
Lorif musste immer wieder auf die beiden warten. Die zweiundzwanzig Kilometer hätten unter normalen Umständen keine allzu große Belastungsprobe dargestellt, nun wurde aber jeder Schritt zur scheinbar unüberwindlichen Hürde.
Lorif drängte schließlich erfolgreich darauf, Wallace Huckepack zu nehmen, da sie auf Mesoph eigentlich ständig in Gefahr waren und sie die Space-Jet möglichst schnell erreichen sollten.
Am späten Abend – der grün leuchtende Mond stand längst am Firmament – erreichten sie schließlich die Lichtung, auf der sie die Space-Jet gelandet und getarnt hatten.
Dove stieß einen Laut der Erleichterung aus.
»Das wurde auch langsam Zeit...«
Lorif setzte Mathew Wallace ab, der sich mittlerweile wieder etwas gesammelt hatte. Wallace ging langsam und noch etwas wackelig auf den Beinen auf die Space-Jet zu und entfernte das Laub und das Gestrüpp von der Einstiegsluke. Er strich den teilweise noch feuchten Lehm zur Seite, und ein Hebel kam zum Vorschein. Wallace drehte ihn zur Seite und zog den Hebel nach außen.
Die Luke öffnete sich. Wallace nickte Lorif und Dove zu, und sie betraten die Space-Jet.
Die Luft roch seltsam abgestanden, was an sich kein Wunder war, denn schließlich waren die Systeme der Space-Jet für einige Tage deaktiviert gewesen.
Wallace deutete in die Richtung, in der sich die Ausrüstungsgegenstände befanden, die er für nötig erachtete, mitzunehmen. Sie waren längst zu der Ansicht gelangt, dass es keinen Wert hatte, die Space-Jet zur Fortbewegung zu verwenden. Daher wollten sie nur das Nötigste mitnehmen und dann so schnell wie möglich wieder verschwinden. Nach einem Versuch, die übrigen Expeditionsmitglieder zu befreien, wollten sie dann Mesoph wieder verlassen.
Doch es kam ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatten.
»Mathew...«, deutete Lorif zaghaft eine unangenehme Überraschung an.
»Was?«, fragte Wallace gelangweilt und drehte sich um. Er hatte soeben die Spinde an Bord der JAYJAY III geleert und sortierte nun den entstandenen Haufen.
»Mathew...«, wiederholte Lorif. »Ich registriere siebzehn Lebenszeichen, alle keine achtzig Meter entfernt. Ich glaube, sie haben uns gefunden.«
Wallace entgegnete nichts. Diese neueste Entwicklung hatte er befürchtet, aber es war nichtsdestotrotz ein Schock.
Dove trat zu ihm heran. »Wenn das wahr ist – und das ist es wohl, wie ich unseren Lorif kenne – müssen wir sofort machen, dass wir hier verschwinden!«
Wallace schüttelte den Kopf. Sein Blick wurde glasig, er schien die Situation nicht mehr ganz zu erfassen.
»Das ist nicht möglich, das weißt du genauso wie ich«, entgegnete er dennoch kühl. »Wir würden sofort geortet und Kanonenfutter für die Abwehrstellungen der Dorgonen werden.«
Dove stieß einen verächtlichen Laut aus. »Du hast recht, das weiß ich genauso gut wie du. Aber du hast mich falsch verstanden. Wir müssen so schnell wie möglich verschwinden – ohne die Space-Jet.«
Wallace war offensichtlich nervös. »Wir können aber doch nicht einfach die Space-Jet in die Hände der Dorgonen fallen lassen.«
»Natürlich nicht. Für einen derartigen Fall bestehen eindeutige Vorschriften.«
»Du willst doch nicht etwa andeuten...«
»Ich will überhaupt nichts andeuten. Wir müssen die Space-Jet zerstören, ob dir das gefällt oder nicht.«
Abrupt löste sich Wallace aus seiner Apathie und starrte Dove in die Augen.
»Nur über meine Leiche, Irwan. Solange ich Kommandant dieser Mission bin, wird diese Space-Jet nicht zerstört. Wir können uns doch nicht die einzige Fluchtmöglichkeit nehmen!«
Dove schüttelte verständnislos den Kopf. »Mathew, beruhige dich wieder. Hör zu, wir müssen sie in die Luft jagen. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, das ist unsere einzige Chance.«
»Die Lebenszeichen nähern sich«, meldete Lorif.
Wallace trat der Schweiß auf die Stirn. Es kostete ihn sichtlich Überwindung, als er sagte: »Also gut, in Ordnung. Wir tun es.«
An eine Konsole gelehnt, tippte er einige Anweisungen ein.
»Selbstzerstörung, Autorisation Wallace Omega Vier Sieben Beta Null. Eine Minute stiller Countdown.«
Ein Summen ertönte. »Eine Minute stiller Countdown. Es erfolgen keine weiteren Warnungen.«
Dove hatte sich längst die Deflektorschirme angelegt, die sie in der JAYJAY III gefunden hatten. Wallace tat es ihm gleich.
»Deflektorschirme aktivieren!«
Die drei robbten nach draußen. Sie waren nun für die Umwelt unsichtbar, aber bemühten sich dennoch um Bodennähe, um für den Fall eines zufälligen Schusses seitens der Dorgonen nicht getroffen zu werden.
Wallace konnte die Dorgonen nun erkennen; trotz der Dunkelheit erkannte er schemenhaft die Silhouetten einiger Gestalten.
Sie robbten um die Space-Jet herum und verschwanden entgegengesetzt der Richtung, aus der sie gekommen waren, in den Wald.
Die Dorgonen näherten sich unterdessen der Space-Jet.
*
»Hier spricht Pecunius. Wir stürmen nun dieses Raumschiff. Die Fremden nach Möglichkeit nicht verletzen, im Zweifelsfall habt ihr Vollmacht, sie zu eliminieren«, instruierte der Anführer der Truppe seine Soldaten.
Die übrigen Soldaten bestätigten, wie es das Protokoll vorschrieb. Pecunius gab das Zeichen, worauf der Sturm auf die Space-Jet nach einem längst eingeübten Muster begann, eine Übung, welche die Männer dieser Elitetruppe so verinnerlicht hatten, dass sie diese längst im Traum durchführen konnten: Zwei der Soldaten postierten sich seitlich neben dem Schott der Space-Jet, die Waffen im Anschlag. Drei weitere legten sich flach auf den Boden und nahmen den Eingang der Space-Jet ins Visier. Der nächste warf eine Bombe mit sich schnell verflüchtigendem Betäubungsgas in den noch offenen Eingang. Das war das Zeichen für die anderen, die Space-Jet zu stürmen. Pecunius, der den Einsatz von außen leitete, hörte über Helmfunk die Konversation seiner Männer mit.
»Wo sind sie? Ich sehe niemanden.«
»Stimmt, scheint niemand da zu sein. Aber wir haben sie doch hineingehen sehen, und es ist niemand mehr herausgekommen.«
»Alle Computer sind offenbar abgeschaltet, nur auf dieser Konsole hier blinkt noch irgend etwas. Ich frage mich, was das soll...«
Pecunius erkannte es. Und verfluchte sich in der nächsten Sekunde. »Raus da! Sofort alle raus da!«
Pecunius warf sich flach auf den Boden, aber es war zu spät, zu spät für ihn und zu spät für die restlichen sechzehn Männer der Elitetruppe. Die Space-Jet explodierte in einer grellen Lichtentfaltung. Der Tod der Dorgonen trat schnell ein – sie verglühten entweder im flammend heißen Feuerball der Explosion oder wurden von der Druckwelle zerfetzt.
Nach einigen Minuten war der Spuk vorbei, und zurück blieb nur ein Krater von etwa dreißig Metern Durchmesser.
*
Sie waren die Nacht durchmarschiert und am frühen Morgen wieder am Stadtrand der Hauptstadt Hesuk angelangt. Wallace hatten sie mehr oder weniger mitgeschleift; der Körper verlangte seinen Tribut, es ging einfach nicht mehr.
Nach einer längeren Diskussion über den nächsten Schritt, den sie unternehmen wollten, stimmte Lorif Wallace zu. In den Baracken würde sie niemand vermuten; daher war es wohl das Beste, sich in die Höhle des Löwen zu begeben. Dove votierte heftig dagegen; in seinen Augen war der geplante Schritt unverantwortlich: »Wir laufen sehenden Auges ins Verderben!«
Nachdem Lorif allerdings seine Argumente für Wallaces Idee vorgebracht hatte, stimmte Dove etwas widerwillig zu.
Dove war verständlicherweise nicht sonderlich gut gelaunt; mit der Space-Jet hatte er noch ein Gefühl der Sicherheit verbunden. Sie stellte für ihn sozusagen das »Rückgrat« der Mission dar, zumindest in moralischer Hinsicht. Im Notfall hätten sie praktisch auf die technischen Einrichtungen der JAYJAY zurückgreifen können.
Sie befanden sich mittlerweile mitten in der Stadt. Die Deflektorschirme stellten eine ungeheure Erleichterung dar; ohne sie hätten sie sich nicht so ungezwungen bewegen können. Allerdings mussten sie im dichten Gedränge der Großstadt aufpassen, dass sie mit niemandem kollidierten.
Die Gebäude an sich muteten etwas seltsam an, für Wallace waren sie eine Verbindung von Elementen des Altertums mit der Technik der Neuzeit. Die meisten Bauwerke wurden im Erdgeschoß von Tempeln gestützt, verfügten aber augenscheinlich über modernste technische Einrichtungen.
Lorif hatte Wallace mittlerweile wieder abgesetzt; er hatte sich wieder etwas erholt.
»Lorif, wie weit ist es noch bis zu dem Palast des Senators?«, erkundigte sich Mathew bei dem Posbi.
»Noch exakt 2136 Meter bis zum Tor des Grundstücks, davon ausgehend, dass wir immer auf der Ideallinie bleiben.«
»Schon gut...«
*
Foedus hing schlaff in seinem Sessel. Er hatte versagt, das war ihm klar. Darüber war er mehr als unglücklich.
Ein Summen ertönte, und ein Blick auf den Chronometer, der auf dem Tisch montiert war, bestätigte Foedus' Vermutung: Es ging auf die siebte Stunde zu.
Foedus schloss die Augen. Er kannte diesen Galanius nicht, aber er war von Priamus geschickt worden, und aufgrund der kürzlichen Vorkommnisse verspürte Foedus ein ungutes Gefühl.
Der Chronometer wechselte seine Anzeige. Die siebte Stunde hatte begonnen.
Ein zischendes Geräusch ließ Foedus merken, dass das Türschott beiseite geglitten war. Er fuhr in seinem Sessel herum.
Pompös wurde eine Fanfare von zwei dorgonischen Gardisten gespielt. Nach einigen Sekunden trat ein Mann in die Tür. Er war über zwei Meter groß, hatte ein für Dorgonen unnatürlich bleiches Gesicht und grob hervorstehende Wangenknochen. Ferner trug er einen dunklen Umhang, der mit goldenen Streifen verziert war.
Der Mann stand regungslos in der Tür; sein gesamtes Erscheinungsbild wirkte bedrückend und bedrohlich auf Foedus. Durch das grelle Licht, das von draußen herein schien, sah er wie der Racheengel persönlich aus.
Endlich bequemte er sich dazu, hereinzutreten. Mit einer Handbewegung gab er zwei Dorgonen, die offensichtlich seine Assistenten waren, ein Handzeichen, welches sie aufforderte hereinzukommen. Die beiden trugen schwere, metallene Koffer.
Der Mann stand breitbeinig vor Foedus.
Er ist ein Monster, dachte Foedus.
»Ich bin Galanius«, begann die Gestalt.
Klar, wer denn sonst? dachte Foedus, schluckte sich diese törichte Bemerkung aber in letzter Sekunde hinunter und würgte ein »Angenehm« hervor.
»Ich wurde von Priamus hierher geschickt, um die Fremden zu verhören, da ihr ja offensichtlich nicht dazu in der Lage seid.«
Foedus ging nicht darauf ein.
»Unglücklicherweise hat sich die Lage seither etwas verändert. Drei der Gefangenen konnten entkommen... Das war eine Verkettung unglücklicher Umstände«, versuchte Foedus zu versichern, aber Galanius schnitt ihm das Wort ab.
»Es ist nicht meine Aufgabe, diesen bedauerlichen Vorfall zu untersuchen oder gar darüber zu urteilen. Dies wird der Konsul persönlich übernehmen«, entgegnete er kalt.
Foedus spürte einen unangenehmen Kloß in seinem Hals. Dieser Mann schien völlig emotionslos zu sein.
»Des Weiteren wäre ich glücklich, wenn ich bald mit dem Verhör beginnen könnte. Sie werden sehr bald sehen, dass ich dazu meine eigenen Methoden habe«, fuhr Galanius fort.
»Davon bin ich überzeugt«, seufzte Foedus und drückte einen Knopf, um Order zu geben, dass die Gefangenen hergeführt würden.
*
Endlich waren sie am Palast des Priamus angekommen. Der Anblick der pompösen Anlage überwältigte Wallace erneut. Anders als beim letzten Mal war der Eingang des Grundstücks diesmal nicht schwer bewacht; nur vier Wächter waren bei den zwei großen Säulen, die den Zugang markierten, postiert.
Lorif, Wallace und Dove schlängelten sich mehr oder weniger zwischen den Wachen durch. Wallace hoffte, dass alles gut ging. Beim letzten Mal waren sie nicht geortet worden, aber da nun überall auf Mesoph erhöhter Alarmzustand herrschte, wäre es kein Wunder, wenn auch das Anwesen des Konsuls verstärkt überwacht würde. Er hatte die Tatsache, dass sie beim letzten Mal nicht entdeckt worden waren, darauf zurückgeführt, dass ihre Anti-Ortungsanlage aktiviert war. Ganz sicher war er sich allerdings nicht gewesen, und diese Zweifel hatten sich nun verstärkt.
Sie liefen den langen Weg entlang, der zum Hauptgebäude führte. Links und rechts des Weges befanden sich prachtvolle Gärten. Einen gewissen Sinn für Ästhetik hatten die Dorgonen eindeutig.
Die drei passierten das Hauptgebäude und gingen weiter auf das abgelegene Gebäude zu, das die Häuser der Sklaven beherbergte. Baracken war nicht der richtige Ausdruck, denn es handelte sich nicht um schäbige Bretterbuden. Es waren eher schlichte, in weiß gehaltene Wohnsilos, wie man sie auch in überbauten Städten in der Milchstraße finden konnte.
Sie warteten auf einen günstigen Moment, und als ein Sklave das Energiefeld, das den freien Zugang versperrte, deaktiviert hatte, huschten sie hindurch.
Die Sklaven, die sich auf armseligen, behelfsmäßigen Liegen befanden, schauten alle recht unglücklich aus. Dove fiel auf, dass kaum Unterhaltungen geführt wurden, obwohl die meisten wach zu sein schienen.
»Mir scheint, die meisten sind total resigniert. Sie scheinen sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben«, sagte er über Helmfunk.
»Das kann gut sein«, pflichtete ihm Wallace bei.
Nach einiger Suche fanden sie Saraah. Sie hatte sich in einem der Waschräume befunden und war offensichtlich allein. Saraah war gerade aus einer Dusche getreten und war splitternackt.
Wallace lief ein Schauer über den Rücken. Erneut stellte er fest, was für eine unglaublich attraktive Frau sie war.
»Ich... äh... sollen wir warten, bis sie herauskommt?«, fragte Wallace.
»Weshalb?«, fragte Lorif. »Wir sollten hineingehen und sie ansprechen.«
»Äh, Lorif...«, meinte Dove schmunzelnd. »Ich glaube kaum, dass sie das so toll fände...«
»Wie? Oh, ich verstehe. Das erinnerte mich an eine Begebenheit mit Wyll Nordment und Rosan Orbanashol-Nordment, die pikiert reagierten, als ich sie ihn dem Hygienebereich aufsuchte, um sie über den Termin einer Besprechung zu informieren. Warum habt ihr Humanoide solche Probleme mit eurer Nacktheit? Ich habe doch auch nichts an.«
»Das ist ja wohl ein bisschen etwas anderes«, grinste Wallace.
»Wie auch immer. Wenn es schlecht läuft, finden wir nachher keine Möglichkeit mehr, mit ihr zu reden.«
Wallace grinste dümmlich. »Ihr meint, ich soll jetzt da reingehen und...«
»Ja.«
»Okay...«
Wallace gab sich einen Ruck und betrat den Waschsaal. Saraah hatte sich mittlerweile wieder teilweise angekleidet.
Sie ist wunderschön, aber irgendwie wirkt sie auch zerbrechlich, dachte Wallace.
Er trat zu ihr heran und nahm seinen Helm ab, damit sie ihn verstehen konnte.
»Psst... erschreck' nicht!«
Saraah zuckte kurz zusammen, wusste aber, wer hinter ihr stand. Als sie sich umwandte, erschien langsam Mathew Wallace vor ihr.
»Mathew!«
Sie lief zu ihm hin und umarmte ihn innig. »Mathew... du bist wieder da! Aber... du bist in Gefahr!«
»Du musst mir und meinen zwei Freuden hier Kleidung beschaffen, wie ihr Sklaven sie habt«, flüsterte Wallace ohne weitere Einleitung. »Wir müssen hier nämlich für eine Weile untertauchen...«
Sie nickte. »Mach dich wieder unsichtbar und warte hier... ich besorge euch etwas.«
Mathew schoss ein Gedanke durch den Kopf.
»Moment... du brauchst nur zwei Gewänder...«
Für einen Moment hatte er ganz vergessen, dass Lorif gar kein humanoides Wesen, sondern ein Posbi war.
Saraah lief hinaus in den Saal, in dem sich ihre Sachen befanden.
Wallace winkte Dove und Lorif zu sich.
»Ich denke, es geht in Ordnung.«
»Glaubst du, wir können ihr voll und ganz vertrauen?«, fragte Dove zweifelnd.
Wallace musterte ihn mit einem bitterbösen Blick, der mehr sagte als tausend Worte.
»Okay, tut mir leid«, entschuldigte sich Dove. »Ich will nur ganz sichergehen. Mir ist nämlich nach wie vor nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass unser ärgster Widersacher auf diesem Planeten sich nur einige hundert Meter von hier entfernt befindet.«
Wallace nickte verständnisvoll.
Indessen kam Saraah zurück, sie trug zwei Gewänder unter dem Arm. Dove und Wallace deaktivierten ihre Deflektorschirme.
»Hier, eure Kleider«, meinte Saraah.
Die beiden Männer nahmen die Kleidung dankbar an und verwandelten sich binnen weniger Minuten in perfekte Sklaven. Während Saraah durchaus hübsche Gewänder trug, waren die Klamotten der männlichen Sklaven in einem schlichten grau gehalten. Auf ihrer Brust war ein Zeichen. Saraah erklärte, es sei das Symbol für Sklaven.
»Ihr müsst trotzdem vorsichtig sein. Jeder Sklave trägt einen Mikrochip in seinem Körper. Damit wird er identifiziert, kann angepeilt und bestraft werden. Bei einer Überprüfung würde das den Wachen sofort auffallen.«
Saraah betrachtete die beiden lächelnd.
»Aber bei deiner Visage wird keiner Verdacht schöpfen«, sagte sie mit einem Hauch Ironie zu Dove gewandt.
Wallace brach in schallendes Gelächter aus, welches allerdings abrupt erstarb, als Saraah mit der Hand hektisch durch sein Haar fuhr und seine mühsam errichtete Schmalzlocke zerstörte.
»So, jetzt siehst du glaubwürdiger aus«, teilte die breit lachende Saraah Mathew mit, während Dove sich nun seinerseits heftig lachend den Bauch hielt.
»Was ist mit eurem dritten Freund?«, fragte sie die beiden.
»Er ist ein Roboter«, erwiderte Wallace.
Ein empörtes Räuspern, scheinbar aus dem Nichts kommend, brachte ihn dazu, seine Aussage zu korrigieren.
»Okay, er ist eine positronisch-biologische Apparatur von der Hundertsonnenwelt der Posbis. Er wird sich nicht enttarnen, aus Gründen der Sicherheit. Wir können ja nicht die ganze Zeit getarnt bleiben, wir müssen schließlich auch Nahrung zu uns nehmen.«
Saraah führte sie in den Saal, den sie offenbar mit einigen anderen Sklaven teilte. Es schien eine der besseren Räumlichkeiten in diesem doch recht heruntergekommenen Gebäude zu sein.
Wallace erklärte Dove und Lorif, dass Saraah vom Planeten Jerrat stammte.
»Ist das nicht die Hauptwelt des Protektorates Rosza?«, fragte der Oxtorner, der natürlich die Informationen über Dorgon mit großem Eifer studiert hatte.
»Ja, früher waren die Jerrer keine Sklaven. Wir waren vollwertige Bürger Dorgons. Doch mein Volk fiel immer wieder in Ungnade. Seit tausenden von Jahren gab es immer Streit zwischen Jerrat und Dorgon. So verloren wir stückchenweise unsere Rechte. Den Status als Dorgonen III. Klasse erhielten wir, als ich ein Kind war. Ein weitaus schlimmeres Schicksal hatte vor vielen tausend Jahren die Harriden ereilt, die einst die Beherrscher des Protektorates Harrisch waren. Sie haben überhaupt keine Rechte.«
Saraah brachte nur ein gequältes Lächeln hervor und wirkte wieder schüchtern und zerbrechlich. Sie blickte Mathew mit ihren großen, brauen Augen an.
Sie passt so gar nicht hierher... sie hat etwas Besseres verdient, fand Wallace.
Unterdessen liefen an einem anderen Ort, tief unter der Erde, die Vorbereitungen für ein weiteres Verhör...
Hendrik Swahn saß in seiner Zelle und zitterte am ganzen Leib. Er hatte nur am Rande mitbekommen, dass seinen Gefährten offenbar die Flucht gelungen war. Nun fragte er sich, warum sie ihn, Beranoh und Atz im Stich gelassen hatten. Er fühlte, dass er nicht soviel Glück haben würde wie Wallace.
Mathew, warum hast du uns verlassen?!
Panik keimte in ihm auf. Er wusste, dass ihm und seinen Leidensgenossen ein anderes Schicksal vorherbestimmt war...
*
Der Tag näherte sich seinem Ende.
Mathew Wallace und Saraah befanden sich alleine in einem Raum. Wallace hatte Dove gebeten, draußen zu warten. Er wollte hier noch etwas mit Saraah besprechen.
»Saraah...«
»Ja?«
»Saraah... ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.«
Die Augen der hübschen Sklavin wurden wässrig, dann begann sie zu schluchzen und fiel ihm um den Hals.
»Ich liebe dich auch, Mathew!«
Über die Reaktion war Wallace doch etwas überrascht. Das war ja recht einfach gewesen. Aber sie bekräftigte nur noch Mathews Entschluss.
»Und Saraah, ich möchte, dass du mit mir kommst.«
Betrübt schüttelte sie den Kopf.
»Es geht nicht.«
»Warum nicht?«, Mathew war fast ärgerlich.
»Es tut mir so leid... ich kann nicht. So sehr ich auch will, aber es geht nicht!«
»Aber weshalb?«
»Ich sagte ja, sie haben... mir ein Implantat eingepflanzt, als ich gefangengenommen wurde. Sollte ich mich zu weit von dem Sender entfernen, wird ein scheußlicher Mechanismus in Gang gesetzt. Mein Körper würde implodieren.«
Wallace schluckte. Er war wirklich geschockt, und alle Träume, die er gehabt hatte, zerplatzten mit einem mal wie eine Seifenblase.
»Das...«
»Ich weiß, Mathew. Aber ich habe die Hoffnung dennoch nie aufgegeben.«
»Kann man das Implantat entfernen?«
»Nein, es wurde direkt ins Herz eingepflanzt. Es gibt keine Möglichkeit, da heranzukommen.«
Wallace liefen die Tränen über das Gesicht. Das durfte einfach nicht wahr sein.
Er spürte Saraahs Atem. Sie blickte ihm in die Augen. Dann öffnete sie ihren Mund, und Wallace trat näher zu ihr heran. Er nahm ihren Kopf in die Hände und wollte sie küssen.
In diesem Moment kam Dove hereingelaufen. »Tut mir wirklich leid, euch zu stören, aber... Mathew, wir müssen hier so schnell wie möglich weg. Es gibt offenbar einen Verräter unter den Sklaven.«
Unwillig richtete sich Mathew auf. Als er erkannte, dass dies den Abschied bedeutete, umarmte er Saraah noch einmal.
»Saraah... bevor ich gehe, habe ich noch eine wichtige Frage an dich. Kennst du die Koordinaten der Hauptwelt Dorgons?«
»Ja, natürlich. Jedes Kind kennt sie. Wieso willst du sie wissen?«
»Es tut mir ehrlich leid... ich habe keine Zeit für Erklärungen. Bitte gib mir die Koordinaten!«
Sie nannte seufzend einige Daten, die von Lorif sofort erfasst und registriert wurden.
Die drei wandten sich ab und verließen den Raum. Wallace wurde von seinen Freunden mitgezogen, er drehte sich immer wieder um, um Saraah noch einmal zu sehen.
Und dann brach die Hölle um sie herum los.
*
Foedus aktivierte den Holoprojektor. Galanius stand neben ihm, gegen seinen Stuhl gelehnt. Da sich Priamus einige Zeit mit seiner Entscheidung bezüglich der sogenannten »Disziplinarmaßnahme« genommen hatte, hoffte Foedus, dass die Strafe recht milde ausfallen würde.
Der Princips Protector Priamus wurde auf der kleinen Projektorplattform dargestellt, und er begann sofort zu reden. »Foedus, ich habe über dein Versagen nachgedacht und glaube, dass ich eine angemessene Lösung gefunden habe.«
Der ehemalige Gefängnisdirektor atmete tief durch.
»Du wirst um Punkt Neun Uhr Dreißig von Galanius exekutiert werden. Die Art der Vollstreckung bleibt dem Henker überlassen.«
Foedus kippte nach hinten und blieb bewusstlos liegen.
Galanius trat vor den Projektor.
»Ich werde den Befehl wie mir aufgetragen durchführen, Konsul.«
Priamus beendete die Verbindung mit einem Kopfnicken.
*
Trotz aktivierter Deflektorschirme waren die drei bei ihrer Flucht vom Gelände gefährdet. Die dorgonischen Verfolger schossen blind, und dass sie dadurch einmal getroffen werden konnten, war klar.
Sie schafften es durch das Tor.
Der Untergrund, auf dem sie sich innerhalb der Palastanlagen bewegt hatten, war teilweise nass, weshalb die Wachen sie anhand ihrer Fußabdrücke eine Weile verfolgen konnten.
Dove und Lorif jagten vorne weg, Wallace folgte in einigen Metern Abstand.
Sie näherten sich dem Stadtrand. Es war Wallace ein Rätsel, wie ihnen die Verfolger immer noch folgen konnten. Offenbar war es ihnen gelungen, sie zu orten und anzupeilen.
Knapp neben Wallace schlug ein Schuss in eine Steinmauer ein. Wallace wurde von der Explosion zu Boden geworfen; er brauchte etwa zehn Sekunden, um sich wieder aufzurappeln.
Mit einigem Entsetzen musste er feststellen, dass bei der Explosion sein Deflektorschirm beschädigt worden war. Er würde innerhalb der nächsten drei Stunden keine Energie mehr besitzen.
Was mindestens genau so schlimm war, wenn nicht noch schlimmer: Sein Funkgerät war zerstört worden. Und da Lorif und Dove längst nicht mehr zu sehen waren, hatte er jede Möglichkeit der Kommunikation verloren.
Nun musste er sich allein durchschlagen. Er hielt auf ein hügeliges Gebiet in Stadtnähe zu, während am Himmel bereits erste dunkle Wolken auf eine Verschlechterung des Wetters hindeuteten...
Kalt schlossen sich die stählernen Fesseln um Foedus' Handgelenke. Er schrie in Panik auf, wollte zappeln und sich aufbäumen, aber er war dazu einfach nicht in der Lage.
Seine Füße waren an die Wand gekettet, er hing mehr oder weniger in der Luft. Sein Hals ruhte nun auf einem Metallklotz, auf den er festgebunden worden war.
Galanius öffnete einen seiner vier Koffer, holte einen Rotstift heraus und markierte sorgfältig die anvisierte Stelle an dem Hals des Delinquenten. Nach jedem durchgeführten Schritt hakte er einen Punkt der elektronischen Checkliste in seinem tragbaren Rechner mit einem Fingertipp ab.
Einer der Assistenten schob einen Eimer vor den Metallklotz. Erst nach einigen Sekunden realisierte Foedus, wozu dieser Eimer bestimmt war.
Er begann zu kreischen und zu brüllen. Galanius nickte einem seiner Assistenten zu, der daraufhin Foedus knebelte.
Foedus schrie nicht mehr, denn es machte keinen Sinn. Der Spezialist vom Sicherheitsdienst öffnete einen weiteren Koffer, der eine Axt mit scharfem, sorgfältig geschliffenem Blatt beinhaltete. Er holte selbige heraus, hob die Axt und ließ sie auf Foedus' Genick heruntersausen.
Blut schoss aus dem Stumpf; der Kopf fiel wie vorgesehen in den Eimer.
Galanius hakte den letzten Punkt auf seiner Checkliste ab.
»Jetzt machen wir erst einmal Mittagspause, ich habe Hunger!«, erklärte der Henker, als wäre nichts gewesen.
*
Jonathan Fraces steuerte den getarnten 100 Meter Kreuzer der VESTA-Klasse sicher und gekonnt über der Oberfläche von Mesoph. Die IVANHOE hatte das System verlassen, um nicht entdeckt zu werden, und nun hatte Jeamour ihn mit einer Crew von 50 Leuten heruntergeschickt, um die sechs Besatzungsmitglieder wieder heil an Bord der IVANHOE zu bringen.
Es war ein Desaster: Er hatte nur Lorif und Dove gefunden, auf der Suche nach Wallace waren sie im Moment noch.
»Da ist er«, rief Dove. Die Instrumente an seiner Konsole hatten Wallace geortet.
Wallace wurde aufgenommen; er war völlig ermattet und entkräftet von der stundenlangen Verfolgungsjagd; er brauchte dringend Ruhe.
Aber daran war vorläufig nicht zu denken. Die drei anderen Expeditionsmitglieder befanden sich ja noch in Gefangenschaft...
*
»Nein, ich werde dir nichts sagen!!«
Tim Beranoh blieb standhaft. Er zeigte in diesen Sekunden wahres Heldentum, aber es war fraglich, wie lange er das noch durchhielt. Galanius hatte bei ihm und den zwei anderen Daumenschrauben angebracht und diese nun heftig angezogen.
»Weißt du, Mensch, ich bevorzuge bei meiner Arbeit die antiken Instrumente und Werkzeuge. Sie erfüllen beim Anblick einen großen Schrecken, man kann stundenlang daran spielen. Ja, unsere Vorfahren waren sehr geschickt, was das anging«, sagte Galanius leidenschaftlich.
Beranoh wusste, dass er im Zweifelsfall eher die Schmerzen ertragen würde, als die Expedition zu verraten.
Seine Äußerung hatte keinerlei Eindruck auf Galanius gemacht.
»Glaube mir, du wirst schon noch reden.«
Er nahm ein offensichtlich sehr scharfes Messer und setzte es Beranoh auf den Bauch.
»Ich würde mir das an deiner Stelle sehr gut überlegen. Rück mit deinen Informationen heraus!«
»Nein! Niemals!«
Galanius setzte das Messer an und schlitzte Beranohs Bauchdecke auf. Dieser begann laut zu brüllen, der Schmerz war unglaublich. Dunkelrotes Blut schoss hervor, die Eingeweide traten leicht heraus. Galanius verfuhr ebenso mit Atz und Wallaces Erstem Offizier, Hendrik Swahn. Der Raum war erfüllt vom wie wahnsinnigen Schreien und Kreischen der Männer.
»Ich gebe euch noch diese eine Chance. Entweder ihr packt jetzt aus, oder es wird für euch der reinste Höllenritt.«
Keiner brachte ein Wort hervor.
»Ihr habt es so gewollt«, sagte er nun. Galanius packte etwas aus, was an Elektroden erinnerte, und montierte es an ihren Körpern.
Es waren Elektroden.
Galanius steigerte die Dosis immer mehr und mehr, bis schließlich Atz aufgab und redete.
Die drei Expeditionsmitglieder starben noch auf den Tischen, auf denen sie festgeschnallt waren.
Jede Hilfe für sie würde zu spät kommen.
Galanius blickte verächtlich auf die blutüberströmten Kadaver. Er wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn und sah auf sein Chronometer.
»Ich liebe zwar meine Arbeit, aber irgendwann muss ich auch mal Feierabend haben«, sagte er und gab den Memowürfel mit dem Geständnis einen Offizier, der ihn Priamus bringen sollte.
*
Dasselbe hatten auch Fraces, Dove und die anderen erfahren. Lorif hätte eigentlich nach unten geschickt werden sollen, um die Gefangenen in einer Art Himmelfahrtskommando zu befreien. Zunächst drang er aber in die Station des Lifts, der nach unten führte, ein, und vernetzte sich mit einem Informationsterminal des Gefängnisses. Nachdem er einige Sperren umgangen hatte, konnte er herausfinden, dass »die drei Fremden« gestorben waren.
Bedrückt und wütend starteten sie die HIGHLANDER und jagten in den Sternenhimmel empor, zurück zur IVANHOE.
*
Priamus lief unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Er erwartete für jede Minute den Bericht von Galanius, der die Fremden verhörte. Seit dem Desaster, bei dem siebzehn Dorgonen ums Leben gekommen waren, nahm Priamus die Lage noch ernster. Er setzte sein ganzes Vertrauen in Galanius und war daher davon überzeugt, dass es diesem gelungen war, den restlichen drei Gefangenen die Wahrheit zu entlocken.
Endlich ertönte ein Summen, und Galanius begann zu berichten.
»Mein Princips Protector, es gibt Neuigkeiten, die in ihrer Tragweite von entscheidender Wichtigkeit für das gesamte große Imperium sein könnten...«
Vor vielen Milliarden Jahren schufen die Götter die Galaxis. Sie ließen sie Milliarden Jahre gedeihen, bis das erste Gewürm auf den unzähligen Planeten zu existieren begann.
Viele Millionen Jahre später widmeten sich die Götter dem Planeten Dorgon und schenkten ihm Leben – intelligentes Leben!
Die Tierwelt beherrschte einst diese prachtvolle Welt, doch der Mensch lief ihr den Rang ab und begann sich – auserkoren von den mächtigen Göttern – zu entwickeln.
Die Götter, sie lebten in den tiefen der Galaxis in ihren erhabenen Sternenschiffen und Welten, die für ein normalsterbliches Lebewesen nicht einmal annähernd vorstellbar noch erreichbar waren.
Der Gottvater Atumra spendete mit seiner Kraft das Licht aller Milliarden Sonnen. Über die Leere und Finsternis zwischen den Sternen regierten Anjetus und Nebtadjeser. Sie zogen die verstorbenen Seelen in das Nichts und führten sie zu neuen Aufgaben im Paradies oder schickten sie in die Hölle. Aus der Kraft aller Sterne war einst Atumras Sohn geboren: DORGON!
Vor zweihunderttausend Jahren traten die ersten Völker in Erscheinung. Sie waren primitive Nomaden und zogen von Land zu Land.
Viele Tausende von Jahren befehdeten sich die Stämme gegenseitig, nichtsahnend von der kosmischen Bestimmung, die einst ihre Nachkommen erfahren würden.
So geschah es achtzigtausend Jahre später, dass sich die ersten Stämme zu festen Siedlungen zusammenfanden, die dann die ersten Reiche bildeten.
Doch die Zeit und das ewige Eis verwischten ihren Spuren. Die alten Hochkulturen existieren nur noch in den Legenden und Trinkgeschichten der Krieger.
Uns ist bekannt, dass es einige Tausend Jahre später eine gigantische Wanderung der Stämme über die Erde gab. Sie vermischten sich, tauschten ihre Kulturen miteinander aus und bildeten die ersten standhaften Völker und Reiche.
Im Laufe der Jahrhunderte setzte sich ein Volk durch – die Ägonen! Ein stolzes und starkes Volk, das sich anschickte zur größten Macht der Götter Welt zu werden.
Prunkvolle Städte, heroische Schlachten und starke Helden prägte die Ära dieses Volkes. Doch sie waren nicht die Auserwählten – noch nicht...
Die Geschichtsschreiber von einst gestehen der goldenen Zeit der Ägonen fünftausend Jahre zu, bevor sie von den Sulviten abgelöst wurden.
Lange und blutige Kriege überzogen das Land. Frauen wurden gemeuchelt, Häuser und ganze Städte verbrannt, dann verfiel das glorreiche Reich der Ägonen zu Staub.
Versklavt von den Sulviten verloren die Ägonen immer mehr an Bedeutung. Die Zeit degradierte sie zu einem drittklassigen Volk.
Das Zeitalter der wilden Sulviten begann. Die Barbaren aus der Steppe, dem kalten Norden, plünderten und brandschatzten alle bekannten Zivilisationen unserer Welt.
Da geschah ein Wunder und ein Zeichen! Der Prophet, der Abgesandte der Götter, DORGON, erschien und stellte sich allein und unbewaffnet vor die Armeen der finsteren Sulviten, angeführt von dem Teufel Sethophia.
Der Erlöser ermahnte die Sulviten und forderte sie auf, die Waffen niederzulegen. Und der zu Fleisch gewordene DORGON sprach, alle Völker sollten sich verbrüdern und den Streit begraben. Sie sollten in Frieden zusammenleben und sich auf die Ereignisse der Zukunft vorbereiten, denn eine Gefahr war im Kommen.
Vergöttert von den Ägonen und anderen versklaven Völkern, ausgelacht von den Sulviten, wurde DORGON ermordet. Bei lebendigem Leibe wurde der Abgesandte der Götter verbrannt, seine Gebeine in alle Himmelsrichtungen verteilt.
Die Sulviten waren am Höhepunkt ihrer Macht, regierten blutig über die ganze bekannte Welt, da suchte sie die Prophezeiung DORGONs heim.
Die Tiere landeten! Spinnen, gigantisch und intelligent – aber ebenso brutal – kamen aus den Sternen. Waren sie auch Abgesandte der Götter? Waren sie die Bestrafung für die Sulviten? Waren sie die Prophezeiung, von welcher der geheiligte DORGON sprach?
Doch warum bestraften sie alle? Sie machten weder vor Ägonen, Träader, Karponen noch vor den religiösen Otzonen halt. Alle wurden verschleppt und kamen in den Bauch der Invasoren.
Das war vor vielen Tausend Jahren, doch nichts hat sich bis heute geändert. Wie Vieh werden wir gezüchtet und zur Schlachtbank geführt.
Die Spinnen mit dem diabolischen Namen Charkos sind uns weit überlegen. Sie besitzen Techniken, die von den Göttern stammen müssen.
Die Götter...
Der Glauben an sie verfliegt, denn mehr und mehr zeigen uns die Charkos, dass unsere Welt nur eine von vielen ist. DORGON sprach auch davon, wir wären die Auserwählten, doch wie konnten wir es sein?
Die Priester sind am Ende. Die Charkos erzählen uns von Völkern, die durch das Universum fliegen, und dass unsere Götter nur Hirngespinste sind. Sie brechen uns in aller erdenklichen Hinsicht.
Ich werde das Ende unserer Zivilisation nicht miterleben müssen. Aufgewachsen und gestorben in Knechtschaft, das ist mein Schicksal gewesen.
Ich bete zu DORGON und seinen Göttern, dass meine Nachfahren eine bessere und glorreichere Zeit haben werden.
Doch sie sollen an diese finsteren Zeiten erinnert werden. Sollten meine Zeilen, die Chronik des Leidens unseres Volkes, die Nachwelt erreichen, so hatte mein Leben doch einen Sinn gehabt.
Möge sich DORGON Prophezeiung eines Tages erfüllen...
Aus dem Buch des Asumas, vor ca. 100.000 Jahren.
Mitte August 1292 NGZ
Die IVANHOE näherte sich der kleinen, versteckten Raumflotte der Expeditionsflotte M100. Sie hatte sich in einem entlegenen, unbewohnten Sonnensystem nahe der Grenze zwischen den Protektoraten Harrisch und Rosza gesammelt.
Noch immer standen die Besatzungsmitglieder der IVANHOE unter dem Schock, der durch den Tod der drei Besatzungsmitglieder ausgelöst worden war. Doch immerhin kannten sie nun die Koordinaten der Hauptwelt Dorgon. Der Zentralplanet des Imperiums befand sich im Dorgonia System, welches 51.345 Lichtjahre von Mesoph entfernt lag.
Kaum war die IVANHOE wieder zu dem Verband der anderen acht Schiffe gestoßen, beriefen Aurec und Julian Tifflor, die beiden Expeditionsleiter, eine Besprechung aller Schiffskommandanten und wichtigen Expeditionsmitglieder ein.
Etwa sieben Stunden später, in denen kaum jemand auf der IVANHOE Schlaf gefunden hatte, trafen sich die leitenden Offiziere an Bord der GOLDSTAR.
Julian Tifflor kauerte bereits in seinem Sessel und nippte an einem Becher Kaffee, der ihm viel zu kalt vorkam. Er hatte den – in seinen Augen unmodischen und oft lästigen – Raumanzug abgelegt und trug stattdessen einen Maßanzug, der ihm wesentlich bequemer vorkam.
Aurec musterte den Terraner etwas verwundert. Er zog seine weißblaue Uniform vor. Diese konnte man auch leicht mit einem Raumanzug kombinieren.
Inzwischen erreichten die ersten Kommandanten den großen Besprechungssaal. Von der IVANHOE waren Xavier Jeamour, Mathew Wallace, Lorif und Irwan Dove anwesend. Die letzten drei waren auf Mesoph und hatten dort nicht nur wichtige Informationen erlangt, sondern auch einige Abenteuer bestanden.
Mathew Wallace wirkte geknickt. Er trauerte um seine drei gefallenen Freunde, die brutal von Priamus Handlangern zu Tode gefoltert worden waren.
Des Weiteren musste Wallace ständig an Saraah denken. Die hübsche Jerrer, die in Sklaverei leben musste und kaum Hoffnung hatte. Er wollte ihre Hoffnung sein, sie retten und ihr ein glückliches Leben bescheren.
Doch auch dazu war er nicht in der Lage gewesen. Mathew Wallace fühlte sich tief enttäuscht, besonders über sich selbst.
Kurze Zeit später trafen auch Cauthon Despair, Sanna Breen, Joak Cascal und Sandal Tolk ein. Neben Henry Portland, Trabon Saranos, Coreene Quon, Taröty Jylk, dem Ersten Offizier der GOLDSTAR, Ceboky Jefrar, dem Wissenschaftsoffizier der GOLDSTAR, Sonya Mount'Church, Harun Mowahn, Ermos Kositar und Luigi Benatoni waren noch verschiedene Stabsoffiziere anwesend.
Aurec begrüßte alle Teilnehmer und gab ohne große Umschweife das Wort an Xavier Jeamour weiter, der den Bericht seiner drei Besatzungsmitglieder vorlas.
Mit den Worten »Der tragische Verlust unserer drei Besatzungsmitglieder versetzt uns nicht nur in tiefe Trauer, sondern ermutigt uns weiterzumachen, denn wir wissen nun, dass die Dorgonen nichts Gutes im Schilde führen«, beendete er den Bericht.
Kurz herrschte ein Schweigen, das durch Tyler unterbrochen wurde.
»Wenn die Burschen unsere Leute verhört und gefoltert haben, stellt sich die Frage, wie viel die nun von uns wissen...«
»Tim und die anderen hätten niemals etwas preisgegeben!«, protestierte Mathew energisch.
Tyler warf ihm ein schwaches Lächeln zu. »Kleiner, ich habe Foltermethoden gesehen, da würdest du dir in die Hose kacken. Du kannst die Schmerzen nicht mehr aushalten und redest! Die Dorgonen verfügen außerdem über eine Menge technischen Kram und haben sicher auch Drogen. Die wissen über uns Bescheid!«
Tyler warf einen Blick auf die Runde. Gesichter mit sorgenvollen Mienen blickten ihn fragend an.
»Wenn das so ist«, meinte Luigi Benatoni, »dann können wir nicht länger unbehelligt agieren. Wir würden viel zu sehr Gefahr laufen, enttarnt und vernichtet zu werden.«
Auch Harun Mowahn und Ermos Kositar unterstützten den Vorschlag des Kommandanten der ARAMIS.
Sonya Mount'Church schüttelte verärgert mit dem Kopf.
»Ihr schimpft euch Männer! Wir können nicht einfach wieder abfliegen. Die Dorgonen sind eine ernste Bedrohung für die Milchstraße. Nur wir können sie aufhalten!«
»Wie sollen wir das mit acht Schiffen bitte anstellen?«, rief Benatoni echauffiert zurück.
Er war selbst über diesen Zuruf verwundert und als ihn Sonya Mount'Church mit einem scharfen Blick musterte, lief sein Kopf rot an. Er sah verlegen auf den Boden und schämte sich. Insgeheim hatte er etwas für Sonya übrig, traute sich jedoch nicht, ihr seine Zuneigung zu gestehen. Er glaubte, dass eine so erotische Frau sicher nichts für einen Bürokraten wie ihn übrig hätte. Ihr dürstete es nach Abenteuern, während Benatoni nur seine Pflicht erfüllen wollte. Nach bestem Wissen und Gewissen! Dabei war der Italoterraner stets auf Sicherheit und Einhaltung der Vorschriften bedacht.
»Ist denn schon Ostern, dass ihr eure Eier suchen müsst? Ich bleibe hier«, mischte sich nun auch Sam Tyler ein. Wie üblich trug er seine schwarze Lederjacke und machte keinen sonderlich sympathischen Eindruck auf die Anwesenden.
Ruhig und gelassen musterte Tyler seine Gegenüber, die es anscheinend nicht wagten, irgendein Wort zu entgegnen.
»Dieser Streit nützt keinem von uns«, unterbrach Henry Portland die angespannte Atmosphäre.
»Dem kann ich nur beipflichten«, sagte Aurec. »Es spielt keine Rolle, ob die Dorgonen über uns Bescheid wissen. Wir wissen von Consus Ojemus, dass eine Invasion geplant wird. Aber das ist zu wenig. Wir brauchen mehr Informationen.«
Aurec meinte seine Worte sehr ernst. Fest entschlossen blickte er jedem Kommandanten, jedem Stellvertreter und jedem anderen Beteiligten dieser Konferenz in die Augen.
Tifflor wunderte sich schon manchmal, wie tatkräftig Aurec vorging. Es handelte sich nicht um sein Volk, doch er tat alles, was in seiner Macht stand, um den Galaktikern zu helfen. Tifflor war tief beeindruckt von dem Saggittonen.
»Mister Wallace hat zudem Kontakt zu einer Dorgonin hergestellt, die uns friedlich gesonnen ist«, ergänzte Portland und zündete sich eine Zigarette an. Cascal tat es ihm nach. Der Nichtraucher Benatoni hustete demonstrativ, bevor ihn der erste Rauch erreichte.
»Wo es unterjochte Völker gibt, gibt es auch eine Opposition. Ojemus erwähnte gegenüber Aurec, dass es Unzufriedenheit in M100 gibt, da sich die menschlichen Dorgonen eine völlige Gleichberechtigung aller Völker wünschen. Das wäre ein Ansatzpunkt. Wir müssen mehr über die politischen Verhältnisse herausfinden und uns Freunde machen«, führte Portland weiter aus.
»Welche Schritte sind als nächstes geplant?«, erkundigte sich Joak Cascal, der den Ernst der Lage schon von Anfang an erkannt hatte, und es vorzog, anstelle von sinnlosem Debattieren zu handeln.
»Was genau haben Sie noch herausbekommen, Wallace?«, wollte erneut Cascal wissen.
Der junge Terraner stierte durch die Gegend. Er war mit seinen Gedanken auf Mesoph. Nicht nur an den Tod seiner Freunde musste er stets denken, sondern auch an die Liebe seines Lebens, Saraah. Er kannte die junge Sklavin erst seit wenigen Tagen, doch er vertraute ihr und liebte sie. Er wollte die junge Jerrer unbedingt retten, doch er wusste nicht wie.
Vor seinem geistigen Auge erblickte er immer wieder Saraah, wie sie ihn anlächelte. Als er sie kennenlernte, waren ihre Augen voller Trostlosigkeit und Traurigkeit. Doch er hatte es bereits geschafft, sie wieder mit Hoffnung und Freude zu erfüllen. Er hoffte, es war nicht alles umsonst gewesen...
»Wallace?«
»Was?«
Sofort schreckte Mathew aus seinen Überlegungen hoch und starrte verwirrt in die Runde. Mehr als ein Dutzend Gesichter blickten ihn fragend an, doch er sah mit der gleichen Miene zurück.
»Was haben Sie genau über die Hauptwelt herausgefunden?« wiederholte Joak Cascal seine Frage.
»Oh, Sir!«, mischte sich Lorif ein. »Ich denke, dass ich diese Frage besser beantworten kann, denn es waren eigentlich – ohne uns mit Absicht in den Vordergrund drängen zu wollen – Irwan Dove und ich, die einige Erkenntnisse über die Hauptwelt Dorgon herausfinden konnten.«
Cascal verdrehte etwas die Augen.
»Na bitte, dann schieß los!«
Lorif starrte ihn entgeistert an.
»Auf wen oder was soll ich schießen, Sir? Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass laut Paragraph 199, Absatz 3, Zeile 7 des Raumflottengesetzbuches, welches auch Camelot anerkannt hat, das Abfeuern einer Energiewaffe ohne besonderen Grund strengstens verboten ist!«
Tifflor konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Cascal vergrub das Gesicht zwischen den Händen und schüttelte mit dem Kopf.
»Fang endlich an über die Hauptwelt zu sprechen, Silberköpfchen!«
»Silberköpfchen? Wie unhöflich! Wie dem auch sei. Die Hauptwelt liegt im Dorgonia-System und trägt bezeichnender Weise den gleichen Namen, wie das Sternenreich: Dorgon!«
Auf einer dreidimensionalen Karte wurde das Dorgonia-System gezeigt. Lorif erklärte mehr zu dem System: »Das Dorgonia System hat eine gelbe G-Typ-Sonne, die Sol stark ähnelt. Sie liegt 24.212 Lichtjahre vom Zentrum der Galaxis entfernt. Das System hat eine ungefähre Ausdehnung von 125 Milliarden Kilometer.
Es umfasst sieben Planeten, dessen vierter Dorgon ist und zusammen mit dem sechsten Planeten, Helsuf, als Lebensraum für die Dorgonen dient. Die anderen Planeten sind Gasriesen oder übergroße kalte Gesteinsbrocken.«
Die Darstellung wechselte zum vierten Planeten. Lorif deutete mit seinem Finger auf die blaue Welt.
»Das ist unser Ziel: Dorgon!«
Eine Weile herrschte Stille im Raum. Der Planet sah sehr friedlich aus, doch jeder wusste, dass Dorgon der Ursprung der Gefahr darstellte.
Der Posbi war mit seinen Ausführungen noch nicht fertig.
»Dorgon ist, wie bereits allen Anwesenden bekannt sein dürfte, der vierte Planet des Dorgonia-Systems und hat einen Durchmesser von 21.452 Kilometern. Seine Gravitation beträgt 1,1 g. Er ist demnach also erdähnlich.
Fünf Kontinente besitzt der Planet, wobei der Größte, Patronn, vollständig von der Hauptstadt Dom eingenommen wird. Die Hauptstadt fasst 789 Millionen Lebewesen und erstreckt sich sogar noch in unterirdische Bereiche.
Zwei Kontinente dienen als reine Erholungsgebiete, während die anderen beiden von Eis oder Wüsten bedeckt sind, auf denen jedoch auch etliche Städte errichtet sind.
Insgesamt zählt Dorgon 3,4 Milliarden Bewohner. Die Durchschnittstemperatur liegt bei 22 Grad Celsius und drei Fünftel des Planeten sind mit Wasser bedeckt.
Die beiden Kontinente Sasus und Ägol besitzen eine vielfältige Tierwelt und nur wenig Ansiedlungen, meist Hotels und Villen zur Erholung der Bürger. Wie wir herausbekommen haben, leben auf Dorgon fast nur Dorgonen in Freiheit. Alle anderen dort wohnhaften Wesen sind entweder unverzichtbare Händler oder Sklaven, jedoch meist Dorgonen III. Klasse, wie die Jerrer.«
Die Besprechungsteilnehmer brauchten ein paar Minuten, um die gesammelten Informationen zu verinnerlichen.
Aurec blickte sich um. Luigi Benatoni kaute an seinen Fingernägeln. Dies ließ ein gewisses Unbehagen des Terraners interpretieren. Sonya Mount'Church hingegen starrte auf die Daten, die in der Mitte des Besprechungstisches projiziert wurden.
Tyler lehnte an der Wand, die Arme vor dem Bauch verschränkt, und machte den üblich gelassenen Eindruck.
»Wir fliegen nach Dorgon«, sprach der Saggittone bedächtig.
Niemand widersprach. Jeder wusste, dass man nach Dorgon fliegen musste, um die Absichten dieses Volkes herausfinden zu können.
»Wie gehen wir vor?«, fragte Cascal.
»Die GOLDSTAR wird allein nach Dorgon fliegen, während die anderen Schiffe am Rande des Systems warten werden«, erläuterte Julian Tifflor den anderen. »Wie auch auf Cermium geben wir uns als intergalaktische Händler aus und bieten den Dorgonen einen Handel mit dem Reich Saggittor an. Aurec wird der dekadente Prinz sein und ich sein Manager. Wir nehmen dann Funkkontakt auf und bitten darum, auf dem Planeten unsere Ware anbieten zu können«, fügte der Zellaktivatorträger hinzu.
Er blickte auf sein Chronometer und nickte unmerklich. Tifflor gab den Befehl an Henry Portland, die gesamte Flotte zum Dorgonia-System zu bringen. Portland erhob sich und bestätigte mit einem »Aye« den Befehl.
Nachdem Aurec die Sitzung beendet hatte, machten sich auch die anderen Schiffskommandanten an die Arbeit.
Luigi Benatoni blieb jedoch noch.
»Sir! Bei allem Respekt. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist...«
Tifflor blickte fragend den Kommandanten der ARAMIS an. Aurec, der sich noch mit Despair unterhielt, wandte sich sofort zu Benatoni.
»Warum?«, fragte er.
»Ich... ich habe ein ungutes Gefühl. Diese Dorgonen sind eine Nummer zu groß für uns, Sir. Wir sollten lieber die anderen Gegenden erkunden und zurück fliegen«, erklärte der Italoterraner mit zittriger Stimme.
»Wir haben keine andere Wahl, als die Welt Dorgon anzufliegen. Mir ist auch nicht sonderlich wohl bei der ganzen Sache, doch wir tragen eine große Verantwortung. Jeder von uns!«
Die Worte des Saggittonen wirkten auf Benatoni. Er biss die Zähne zusammen und salutierte steif vor den beiden Expeditionsleitern, dann trat er ab.
Eine Weile standen die drei Männer schweigend vor dem großen Fenster, das das Nichts des Hyperraumes zeigte.
Dann sprach Despair: »Nun ist es soweit. Vielleicht werden wir schon bald dem Kaiser Dorgons gegenüberstehen.«
Das Werk meines Urahns bin ich gewillt fortzusetzen. Die Tragödie hat ein Ende, denn es hat sich jemand erbarmt. Ein mutiger, starker Ägone. Vielleicht ein Auserwählter DORGONS? Sein Name: Domulus!
Doch nach Jahrtausenden der Knechtschaft durch die Charkos, ist er gekommen und hat sich gegen sie erhoben.
Die Spinnen haben uns alles genommen. Den Menschen wurde alles geraubt, ihr Land, ihre Ernten, ihre Familien. Nur zu dem einen Sinne, nämlich den Charkos als Nahrung zu dienen. Doch einer wollte nicht sterben.
Es hieß, Domulus sei aus den Todeshöhlen entkommen und hatte zwanzig Charkos getötet. Wahrscheinlich waren es nur zwei, doch was zählte war, dass die Ägonen, Sulviten und wie sie alle hießen einen neuen Anführer hatten, der den Widerstand gegen die Unterdrücker offen propagierte!
Domulus besaß die Intelligenz der Götter. Er erlernte die Technik der Invasoren und verstand sie. Man munkelte, dass DORGON ihm erschienen war und er ein Zeichen erhalten hatte. Die Legende spricht von dem Protector, einem Schwert als goldenem Metall der Götter. Es hieß, Domulus sei für eine Zeitlang zu den Göttern aufgestiegen. Bei seiner Rückkehr trug er jenes Schwert, dem Symbol seiner Macht und jener der Götter. Atumra und DORGON höchstpersönlich hätten ihn zum Codes Ocassus geführt, der Domulus Erleuchtung brachte und das Verständnis über die Technologie der Charkos.
So wurde Domulus zum Protector Dorgonis.
Legende oder Wahrheit? Ich weiß es nicht...
Der Kampf begann. Offene Angriffe gegen die elenden Charkos waren nun an der Tagesordnung. Doch blutig und grausam richteten die Bestien die Revoltierenden.
Domulus gab jedoch nicht auf. Er fand immer mehr Anhänger. Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich seine Heldentaten.
Er baute innerhalb von drei Jahren eine große Armee auf und vollbrachte das, wozu selbst der heilige DORGON nicht in der Lage gewesen war: er vereinte die Ägonen und Sulviten!
Die Schlacht am Terarberg war die vielleicht bedeutendste in der jungen Geschichte des Volkes. In dieser gelang es, den ersten großen Sieg gegen die Charkos zu erringen. Domulus tötete einen der Anführer und erbeutete die Technik, die man sich nun zu Nutzen machte.
Schnell waren auch Energiegeschütze und Fluggeräte gebaut, denn jeder arbeitete daran, doch nicht das Schwert besiegelte das Schicksal der Invasoren, sondern der Virus.
Eine Virusinfektion, die von Gesteinen tief in den unterirdischen Stationen hervorgerufen wurde, wirkte auf die Charkos tödlich.
Sie zogen ab! Die Freiheit für unseren Planeten war gekommen. Domulus war unser Anführer und unser König!
Da erschien DORGON und lobte das Volk seines Namens. Er wies uns die Richtung, bestimmte, dass Domulus einer der Auserwählten sei und sagte dem Volk ein großes Schicksal voraus. Das Volk, welches von nun an den Namen seiner selbst tragen solle, als Zeichen der Einheit; der Planet, wie das Volk, ein geeinter Name: Dorgon!
Und so kam es.
Es begannen die ersten goldenen Jahre. Der Wiederaufbau beschäftigte alle. Die Forschung blühte auf. Die Technik der Charkos wurde weiterentwickelt und Domulus war der erste Dorgone auf unseren Monden.
Domulus erforschte unser Sonnensystem und nannte es Dorgonia, die Mutter Dorgons. Der Planet Helsuf wurde kolonisiert und wurde somit die zweite Heimat unseres Volkes.
Es herrschte ein Jahrhundert lang Frieden und Aufschwung unter der Regentschaft unseres Königs Domulus. Doch auch unser Held konnte sich nicht gegen die Zeit behaupten.
Er starb!
Zu seinen Ehren wurde die Stadt Dom gebaut. Sie sollte für seine seelische Unsterblichkeit zeugen und auf alle Zeiten die Hauptstadt Dorgons sein.
Sein Nachfolger, der edle Romanus, begann das, wozu Domulus nicht mehr kam: Die Erforschung der Galaxis.
Immer mehr Welten wurden kolonisiert und von Dorgonen besiedelt. Unliebsame Kasten wie die der Jerrer wurden von der blühenden Hauptwelt verbannt, da sie andere Götter anbeteten.
Zuerst fügten sie sich in ihr Schicksal, doch sie wollten die dauerhafte Verbannung nicht akzeptieren. Es kam zum ersten bewaffneten Konflikt zwischen den Dorgonen seit Jahrhunderten. Der weise König Arunus schenkte den Jerrer jedoch ein ganzes System und glaubte so das Problem gelöst zu haben.
Dorgon erweiterte sein Herrschaftsgebiet immer mehr und traf bald auf die ersten primitiven außerirdischen Völker, die allerdings leicht besiegt werden konnten.
Unter Hermasus IV. – 890 Jahre nach Domulus Tod – wurde verkündet, dass das Volk der Dorgonen die einzige intelligente Lebensform in der Galaxis sei und so bestimmte er, dass die Galaxis von nun an ebenfalls Dorgon hieße. Die Dorgonen waren die Auserwählten und die Krönung der Schöpfung!
Jahrtausende lang lebten die Dorgonen in diesem Glauben, bis sie knapp 2.000 Jahre später auf das Volk der Tutsamanen trafen. Die echsenähnlichen Wesen beanspruchten für sich das Vorrecht, die größte Macht in der Galaxis zu sein.
Es kam zum Krieg der beiden galaktischen Mächte, in der eigentlich nur der Tod der wahre Sieger war. Viele Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen, bis es zu einer Wendung kam. Die Tutsamanen, stark geschwächt durch die Dorgonen, verbündeten sich mit den Vogelwesen Zarkos und dem ärgsten Feind der Dorgonen, den Charkos!
Kolonien wurden grausam überfallen und geplündert. Ich als Geschichtsschreiber weiß, wovon ich spreche. Mein geliebtes Weib und drei meiner Kinder wurden von den Charkos gemeuchelt.
Ich liege im Sterben und verwünsche diesen elenden Krieg. Ich sehne Domulus und Dorgon zurück, doch es wird Nacht um mich.
Möge es der Nachwelt besser ergehen...
Aus dem Buch des Iramus, vor 80.000 Jahren.
Die acht galaktischen Schiffe und das saggittonische Raumschiff waren noch 7.000 Lichtjahre von Dorgon entfernt.
Die Anspannung wuchs in jedem einzelnen Besatzungsmitglied, je näher man der Hauptwelt dieser Großmacht kam.
Als Flug in die Höhle des Löwen bezeichnete Tifflor dieses Unterfangen. Er mochte damit richtig liegen. Ein Fehler konnte den Untergang der ganzen Expeditionsflotte mit sich führen.
Cauthon Despair bereitete sich mental auf die kommenden Ereignisse vor. Er hatte seine Rüstung abgelegt, dafür eine schwarze Kombination angezogen und saß in einem separaten Raum seiner Kabine und meditierte.
Dieses Zimmer war völlig dunkel. Nur zwei rote und blaue Leuchten spendeten karges Licht.
Plötzlich hörte er das Geräusch einer öffnenden Tür. Sofort erwachte Despair aus seiner Meditation und erhob sich.
»Cauthon? Schläfst du?«, hörte er die weibliche Stimme. Es war Sanna.
Seine Rüstung war im Ruheraum. Er hatte keine Möglichkeit dorthin zu kommen, ohne von Sanna gesehen zu werden.
Das wollte Despair unter allen Umständen vermeiden. Doch es war zu spät. Sanna suchte in jedem Raum nach ihm und entdeckte ihn auch.
»Sanna! Geh!«, rief er aufgeregt, doch sie lief in den Raum und sah Cauthon Despair zum ersten Mal ohne Maske.
Ihre Augen drückten teilweises Entsetzen, aber auch Mitleid aus. Sie starrte ihn an.
Despair hasste dieses Gefühl. Er wusste, dass ihre Zuneigung nun abschwächen würde. Ähnlich wie Zantra Solynger würde sie ihn fallenlassen, weil er nicht ihrem Ideal entsprach.
Beide schwiegen.
»Es tut mir leid«, sagte Sanna leise und ging langsam auf Cauthon zu, der zurückwich.
Sie nahm seine Hand und streichelte sie.
»Ich hätte vorher Bescheid sagen sollen«, meinte sie und machte sich leichte Vorwürfe. Sie ahnte, wie sich Despair fühlte.
»Dafür ist es jetzt zu spät«, sprach Despair lakonisch.
Er ging in den Nebenraum und warf sich auf einen Sessel. Sanna sah ihm mitleidig hinterher. Sie suchte nach passenden Worten, schien aber keine zu finden.
»Ich wollte dies vermeiden. Du solltest mich nicht in dieser entstellten Form sehen. Jetzt ist alles vorbei, noch bevor es begonnen hatt.«
Sanna sah ihn irritiert an und ging auf ihn zu. Sie kniete sich vor den melancholischen Cameloter und streichelte seine Hand.
»Nichts ist vorbei, du Dummerchen. Glaubst du, dass dein Aussehen in irgendeiner Weise für mich wichtig ist? Natürlich wäre es mir lieber, wenn du ein strahlender Schönling wärst, aber mehr alles andere zählt für mich dein Charakter, deine Seele, was in dir drin steckt!«
Despair fühlte sich unbehaglich. Er wollte dennoch Gewissheit haben. Cauthon liebte Sanna und sie verwirrte ihn. Empfand sie nur freundschaftliche Gefühle für ihn oder mehr?
»Das heißt, wir bleiben Freunde?«
Sie lächelte.
»Natürlich!«
»Ich wünschte das Schicksal wäre gnädiger zu mir gewesen. Wir hätten mehr sein können, doch...«
Sie legte ihm ihren Finger auf die Lippen. Dann nahm sie ihn langsam herunter und berührte mit ihren Lippen seine. Cauthons Herz schlug höher. Ein ungewohntes Gefühl kam in ihm hoch. Langsam setzte sie ihre Lippen wieder ab.
»War das dein erster Kuss?«, fragte sich leicht kichernd.
Er lächelte schwach.
»Ich glaube fast schon...«
»Es war nicht dein letzter«, hauchte sie und setzte erneut zu einem Kuss an, da stand Despair plötzlich auf.
»Ich kann es nicht. Ich möchte dir das nicht antun. Du hast besseres verdient als mich, Sanna. Du bist die bezauberndste Frau, die mir jemals begegnet ist und ich liebe dich von ganzem Herzen, doch ich bin deiner nicht würdig.«
Sanna stand auf und wollte Cauthon umarmen, doch er wich zurück.
»Bitte geh!«
»Cauthon, was soll das?«
»Verstehe doch. Ich würde dich irgendwann unglücklich machen. Es hat keinen Sinn!«
Tränen liefen aus Sannas Augen.
»Du hast mich bereits unglücklich gemacht«, schluchzte sie und lief aus der Kabine.
Cauthon Despair blieb zurück und verwünschte sich selbst.
*
Aurec kauerte in seinem Sessel und beobachtete seine Leute bei der Arbeit. Die beiden Kommandanten Serakan und Waskoch standen, die Arme hinter den Rücken verschränkt, an einem Geländer in der Mitte der Zentrale und taten es Aurec gleich.
Der Saggittone fing schon an, mit der Bordsyntronik Schach zu spielen, um die Langeweile totzuschlagen, da fiel die SAGRITON plötzlich aus dem Hyperraum.
»Was ist los?«, rief Aurec überrascht.
Waskoch rannte zu den Navigatoren, die sofort erklärten, was geschehen war.
»Kanzler, unsere Systeme wurden gestört. Daher ist die SAGRITON aus dem Hyperraum aufgetaucht. Anscheinend eine Art Sicherheitsschaltung um das System. Wir stehen drei Lichtjahre vor Dorgonia.«
»Funkkontakt zur GOLDSTAR aufnehmen. Ist es ihnen genauso ergangen?«
»Ja«, bestätigte Serakan und blickte auf die Ortung. »Alle anderen acht Schiffe sind ebenfalls aus dem Hyperraum gefallen.«
Aurec nahm sofort Funkkontakt mit Tifflor, Despair und Cascal auf. Auf den anderen Schiffen wurden dieselben Symptome festgestellt, die für den plötzlichen Fall aus dem Hyperraum verantwortlich waren.
Plötzlich tauchte ein Verband von Adlerschiffen vor der galaktisch-saggittonischen Flotte auf, insgesamt zwanzig Schiffe, allesamt über 2.000 Meter lang.
Auf Dorgonisch wurde sofort eine Aufforderung zur Identifikation gesendet. Aurec überlegte nur wenige Sekunden, dann befahl er einen Funkkanal zu öffnen.
»Seid gegrüßt edle Dorgonen. Hier spricht Aurec, Prinz von Saggittor. Wir kommen in friedlicher Absicht. Wir sind Händler aus einer fernen Galaxis und wollen unsere Güter in Dorgon anbieten.«
Eines der Adlerschiffe scherte aus dem Verband aus und umflog die neun Raumer der vermeintlichen Händler.
Wenige Minuten später baute sich das Hologramm des Oberbefehlshabers des Verbandes auf. Er trug einen goldenen Helm mit einer schwarzen Borstensichel. Der bärtige Dorgone blickte Aurec misstrauisch an.
»Wie habt ihr von unserer Galaxis erfahren?«, wollte er wissen.
Aurec suchte kurz nach Worten. Dann begann er zu erklären, wobei er mit Armen und Beinen zusätzlich gestikulierte.
»Der Ruf Dorgons ist dem Reich vorausgeeilt! Wir reisen durch das All, um unsere Waren anzubieten. In einer anderen Galaxis hatten wir von Dorgon gehört. Die Bewohner trauten sich jedoch nicht, in diese Galaxis zu fliegen. Sie fürchten Eure Macht!«
»Sehr weise. Ihr hättet diesen Ratschlag ebenso beherzigen sollen«, antwortete der Soldat zynisch.
»Wir sind friedliche Händler und haben sicher einige interessante Güter anzubieten«, beharrte der Saggittone.
Ein kurzes Schweigen beherrschte die Szene, dann sprach der Dorgone: »Woher soll ich das wissen? Ich müsste eure Güter schon inspizieren.«
Aurec sah eine Weile auf den Boden und überlegte sich ein neues Konzept. Er gab Serakan einen kurzen Wink, der sofort verstand. Der Kapitän rannte los und begann damit, die SAGRITON etwas mehr nach einen Händlerschiff aussehen zu lassen.
»Ihr könnt gerne an Bord kommen. Es finden sich sicher einige Güter, die wir Euch zum Dank für Eure Mühe und unendliche Geduld überreichen können.«
Das erste Mal grinste der Dorgone. Aurec hatte also den schwachen Punkt des Kommandanten gefunden. Korruption konnte manchmal ein mächtiger Verbündeter sein.
*
Tribun Salus flog mit einem kleinen Beiboot zur SAGRITON. Julian Tifflor, Cauthon Despair und Joak Cascal waren auch bereits an Bord des saggittonischen Großraumers.
Etwa drei Dutzend Soldaten stürmten aus der Fähre und stellten sich links und rechts von Salus auf.
Auffallend langsam stolzierte der dorgonische Kommandant durch den Hangar und schien jeden Winkel zu mustern.
Lässig blieb er vor Aurec stehen und hielt seinen Gürtel fest, der ebenfalls golden schimmerte und mit einigen Abzeichen verziert war.
Aurec lächelte freundlich und verbeugte sich vor dem Dorgonen. Am liebsten hätte er ihn in seinen dicken Wanst getreten, doch das wäre taktisch wohl eher unklug gewesen.
»Möchtest du, dass ich dich durch das Schiff führe?«, begann der Saggittone, doch der Dorgone winkte ab.
»Ich habe nicht soviel Zeit, Sakrone!«
»Saggittone!«, korrigierte Aurec höflich aber bestimmend.
»Du solltest nicht so vorlaut sein«, entgegnete Salus kühl und ging ein paar Schritte weiter. Er musterte Tifflor und blieb einen Moment vor Despair stehen. Aurec glaubte, so etwas wie Respekt in Salus Augen gesehen zu haben.
»Das sind meine Untergebenen. Julian Tifflor, mein Manager, Cauthon Despair, mein Leibwächter, und Joak Cascal, mein Stratege für das Militärische.«
Salus sah Aurec verwundert an.
»Wozu ein Militär? Ihr seid doch Händler?«
Aurec wusste, dass dies eine Fangfrage war, doch damit hatte er gerechnet.
»Nun, das Universum ist sehr wild und gefährlich. Besonders Handelskarawanen werden oft zum Ziel von intergalaktischen Banditen. Daher brauchen wir schon einen gewissen Selbstschutz.«
Der Dorgone nickte nur unmerklich und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Erwartungsvoll sah er Aurec an, der zweimal mit den Händen klatschte. Einige sehr karg bekleidete Damen brachten die neuesten Hightech Waren, die es in der Milchstraße gab. Der Saggittone versuchte den Dorgonen vor allem mit Zerstreuungsgeräten zu locken.
Interessiert betrachtete Salus einige Trividspiele und Holoprogramme. Mit einem breiten Grinsen suchte er sich mehrere Holoprogramme samt Projektor aus, in denen er zwischen Kriegsspielen und Lustspielen auswählen konnte.
Kurz danach wurde der Kommandant wieder ernst.
»Nun, ich erlaube Euch, Aurec, mit einem Beiboot nach Dorgon zu fliegen. Eure Trägerschiffe bleiben auf dieser Position.«
Aurec nickte untergeben.
»Es wäre angebracht, wenn ich öfters mit solchen Geschenken bereichert werde«, fügte Salus hinzu.
»Natürlich, edler Dorgone. Die neuesten und aufregendsten Programme sind bereits in der Entwicklung, die deine Phantasie übersteigen werden«, erklärte der Saggittone mit leichtem Unterton.
Salus nickte nur und verließ mit seiner Eskorte die SAGRITON.
*
Der Plan der Galaktiker und Saggittonen ging auf. Aurec war überzeugend genug gewesen, um Salus zu täuschen. Natürlich spielte dessen Korruption und seine Überheblichkeit auch eine gewisse Rolle.
Hätte er sich die Mühe gemacht, die Waffen der Schiffe genauer zu untersuchen, wäre der Trick sicher nicht aufgegangen.
Sie hatten nun die Erlaubnis bekommen mit einem Beiboot auf die Welt Dorgon zu fliegen. Ein Landeplatz auf Dom wurde ihnen bereits zugewiesen.
Sie wählten als erstes das Raumschiff. Es war die JAYJAY IV unter dem Kommando von Mathew Wallace. Ihm zur Seite standen Irwan Dove und Lorif.
Damit standen, neben Aurec und Tifflor selbst, bereits drei Teilnehmer für den Erkundungstrupp fest. Nun mussten Sie noch die restlichen Mitglieder der Delegation auswählen.
Die Wahl fiel auf Cauthon Despair, Sanna Breen, Sam Tyler, Japar, Trabon Saranos und Joak Cascal.
Nadine Schneider hatte darauf bestanden, auch mitzukommen, doch Tifflor lehnte ab. Er traute der Auferweckten nicht sonderlich und wollte unter keinen Umständen ein Trojanisches Pferd in der kleinen Gruppe haben.
Das Kommando über die zurückbleibende Flotte bekamen Henry Portland und Xavier Jeamour. Sie hatten den Befehl, drei Lichtjahre vor dem Dorgonia-System zu warten.
Der Start stand kurz bevor.
Während Sam Tyler und Japar ihre Waffen überprüften, machten sich Aurec und Tifflor darüber Gedanken, wie man in Dom weiter vorgehen sollte.
»Ich schlage vor, wir gründen zur Tarnung einen Basar, wo wir allen möglichen Ramsch anbieten. Wir versuchen einflussreiche Kunden zu gewinnen und über diese ans Kaiserhaus heranzukommen. Lorif und Dove sollen zusammen mit Wallace die Technik der Dorgonen studieren. Wir müssen allmählich wissen, womit wir es zu tun haben!«
Entschlossenheit lag in den Worten des Zellaktivatorträgers. Nun joggte auch Joak Cascal mit einem Rucksack auf den Schultern durch den Hangar und erreichte schwer atmend die JAYJAY IV.
»Entschuldigt die Verspätung.«
»Konntest du dich nicht von Nadine losreißen?«, wollte Tifflor wissen.
Cascal räusperte sich nur und zog es vor in die Space-Jet zu marschieren. Tifflor sah ihm eine Weile besorgt hinterher.
Cauthon Despair schritt langsam durch den großen Hangar der SAGRITON und erblickte Sanna Breen, die gerade ihr Gepäckstück von Lorif in die JAYJAY IV bringen ließ. Despair ging bedächtig auf sie zu.
Sanna sah ihn nur an und sprach kein Wort.
»Geht es dir gut?«, erkundigte er sich fast schon tollpatschig.
Die Terranerin musste kurz lachen. Es war jedoch ein sarkastisches Lachen, welches Despair ein schlechtes Gewissen bereitete.
»Wie soll es einem schon gehen, wenn man gerade einen Korb bekommen hat!«
»Du wirst dich davon erholen. Eines Tages wirst du herausfinden, dass es besser so ist. Mit mir wärst du nicht glücklich geworden«, verteidigte sich der Silberne Ritter.
Sanna wurde wütend.
»Warum überlässt du nicht mir diese Entscheidung? Es gibt keinen wirklichen Grund, warum wir es nicht versuchen sollten. Dein Aussehen stört mich nicht, und wenn es dich stört, dann lasse dich behandeln. Du könntest bei der heutigen Medizin wieder einen intakten Körper bekommen. Deine Vergangenheit interessiert mich nicht, ich sehe dich wie du jetzt bist. Du musst nicht alleine sein. Ich will für dich da sein, Cauthon!«
Despair dachte über diese Worte eine Weile nach. Er war misstrauisch. Noch nie hatte sich eine Frau für ihn aufgeopfert. Sanna Breen war anders. Sie gab ihm Wärme und Geborgenheit. Diese beiden Dinge hatte er stets in seinem Leben vermissen müssen. Jetzt wurden sie ihm angeboten und er lehnte sie ab. Das war nicht richtig.
»Du hast recht«, sagte er leise.
Sanna lächelte und umarmte den Ritter. Es gab ein seltsames Bild. Der Riese, klobig und bedrohlich, wirkte in dieser Szene zärtlich und edel.
Tyler und Japar waren angewidert von diesem Bild. Der dicke Springer fuhr mit der Handfläche über seinen Kugelbauch.
»Wenn die Kleine einen Mann braucht, soll sie mich nehmen. Ich habe immerhin mehr dran, als dieser Krüppel.«
Tyler grinste und beendete das Polieren seines Multifunktionsmaschinengewehrs.
»Schließen wir eine Wette ab?«, fragte der Terraner mit der hohen Stirn.
»Was für eine Wette?«
»Ich puste mehr Dorgonen das Hirn raus!«
»Da halte ich gegen! Um einen Kasten Vurguzz!«
Die beiden Männer schlugen mit den Händen ein und beschlossen somit ihre skurrile Wette. Danach begaben sie sich an Bord der Space-Jet. Als letzte betraten Aurec und Julian Tifflor die kleine Raumfähre.
Beide Männer wussten, dass jetzt die entscheidende Phase angebrochen war!
Der Krieg war vorbei. 10.000 Jahre Morden war vorüber, doch der Preis war hoch. Vielleicht nicht für die Dorgonen, welche siegreich das Schlachtfeld verließen, aber für alle anderen Wesen.
Die Charkos existierten nicht mehr. Mit biologischen Kampfstoffen auf der Basis von Viren wurden die Spinnenwesen ausgerottet.
Die Tutsamanen und Zarkos ergaben sich und baten um die Gnade Dorgons – vergeblich, denn Dorgon war die Macht, die Herrlichkeit, die Macht der Götter in dieser Galaxis.
Die Zeiten des dorgonischen Königreichs waren vorbei. Sulvetius krönte sich zum Kaiser und rief das kaiserliche Imperium Dorgon aus!
Die Gesetze wurden geändert. Die Rechte der Außerirdischen wurden beschnitten. Der Dorgone war das höchste Geschöpf. Alle anderen Kreaturen dienten dazu, für Dorgon zu arbeiten. Das zurückgezogen lebende Sternenreich der Harriden wurde besetzt. Sulvetius begann die Galaxis in Protektorate und Provinzen zu unterteilen. Die Harriden mussten mit Dorgon kooperieren und erhielten dafür die Oberhoheit über das Protektorat Harrisch. Sie waren die einzige Ausnahme an Nichtdorgonen, denen dieses Mitbestimmungsrecht gebilligt wurde.
Die heidnischen Jerrer waren inzwischen mächtig geworden. So alliierte Sulvetius vorerst mit ihnen. Sie bekamen die Oberhoheit über das Protektorat Rosza, benannt nach dem ersten Gründervater von Jerrat.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte, innerhalb der blutigen Ära Sulvetius und seiner Söhne, wurden die Zarkos und Tutsamanen vernichtet. Es gab keinen mehr von ihnen in Dorgon. Der große Völkermord fand gleich dreimal in dieser Galaxis statt.
Alles im Namen Dorgons, Domulus und der Götter!
Nach einigen Jahrhunderten zerbrach auch die Allianz mit den Jerrern und den Harriden. Sie wurden versklavt. Die Jerrer erhielten immerhin noch Mitspracherecht, während das Protektorat Harrisch komplett von Dorgonen verwaltet wurde.
Uns, den Geschichtsschreibern, wurde aufgetragen, von der Herrlichkeit dieser Glanztat zu berichten. Aber ich schrieb nur die Tatsachen auf, die unmissverständlichen Schlüsse, welche sich aus meinem Tun ergeben, muss die Nachwelt selbst ziehen.
30.000 Jahre lang zeigte sich das Imperium Dorgon in voller Pracht und beherrschte die gesamte Galaxis. Sie hatten alles erreicht. Sie besaßen alles. Die Welt wurde dekadent. Korruption, Bürokratie und Intrigen hielten Einzug in das Reich.
Die vielleicht tragischste Figur in diesen Jahren war der Kaiser selbst. Imperator Romus XI. wurde von seiner eigenen Frau während der Reinigung ermordet.
Das Imperium brach zusammen. Jeder versuchte von da an, an die Macht zu gelangen. Gallus, Seramus, Tazus oder gar der Jerrer Jefru.
Niemand konnte den Kaisertitel lange halten. Ein Mord folgte dem anderen. Niemand wollte mehr Kaiser werden.
Revolten in den versklavten Kolonien zwangen den Senat zu Reformen. Die drei Söhne Romus XI. kämpften um ihr Recht. Es kam, wie es kommen musste: Dorgon wurde geteilt. In Ost-, West-, und Süddorgon.
Drei Reiche, zwei davon Zuviel, denn die einst einander liebenden Brüder bekämpften sich bis auf das Blut, um sich das Reich des anderen einzuverleiben.
Auch längst nach dem Tod der Brüder wurde weitergekämpft. Warum gekämpft wurde, vermochte niemand mehr so recht zu beantworten. Man kämpfte, weil die Vorväter bereits einander bekriegten. Es war ein sinnloser Krieg im eigenen Volk, der lange währte.
Nach 2.000 Jahren war er noch immer nicht vorbei. Auch wenn Ostdorgon liberaler wurde und den Außerirdischen mehr Rechte einräumte, so waren Süd- und Westdorgon immer noch feindselig eingestellt.
Weitere 2.000 Jahre des Krieges mit kurzen Friedenszeiten und neuerlichen Kriegsphasen vergingen, bis die Weisheit endlich siegte. Der religiöse Pasus pochte auf die alten Werte des Domulus und der Verpflichtung, die man gegenüber Dorgon und seinen Göttern hätte.
Pasus schaffte das Unfassbare – er einte das Reich und rief die alte Republik wieder ins Leben zurück. Der Senat hatte mehr Rechte und Pasus wurde Kanzler der Republik Dorgon. Auch die Außerirdischen und Sklaven wurden als vollwertige Wesen angesehen.
Die goldenen Zeiten der Republik begannen.
Eine Zeit voller Stolz und Ehre. Eine Zeit, an der die Nachwelt mit Freude zurückdenken kann!
Aus dem Buch des Sixus, vor 35.000 Jahren.
Die Fähre näherte sich langsam dem ersten Raumfort des Dorgonia-Systems. Es war weitaus größer als die terranischen Wachstationen im Solsystem. Auch zahlenmäßig schienen sie überlegen.
Besorgt starrte Tifflor den Tausenden Adlerschiffen entgegen, die anscheinend einen Überwachungsflug durch das System machten.
»Wie sollen wir gegen eine solche Macht bestehen?«, fragte er und bekam Schweigen als Antwort.
Die Space-Jet bahnte sich ihren Weg durch das gewaltige Machtpotential der Dorgonen. Ein Pulk von Adlerschiffen kreuzte ihren Weg. Für einen Moment blieb Tifflor das Herz stehen. Er betete, dass sie keine Kontrollen durchführten.
Aurec schien wesentlich gelassener. Er bereitete sich bereits auf seinen ersten Auftritt als Prinz einer Handelskarawane vor. Im Protektorat Harrisch hatte er erste Erfahrungen sammeln können. Ob das Protektorat die Zentralwelt über ihren Besuch informiert hatte? Sie gingen natürlich ein Risiko ein. Durch ihre Aktionen auf Cermium und Mesoph konnten die Dorgonen möglicherweise Rückschlüsse auf sie ziehen. Doch sie konnten auch nicht untätig herumsitzen.
Sam Tyler und Japar hingegen waren weiterhin damit beschäftigt ihre Waffen zu polieren. Eine Aufgabe, die sie voll und ganz ausfüllte. Sollte der Trick mit der Handelskarawane fehlschlagen, dann waren Tyler und Japar gefragt.
Die Anspannung lag in der Luft. Jeden Kilometer, den man der Welt Dorgon näher kam, wuchs sie an.
Cauthon Despair schien zu meditieren, während Sanna Breen vor sich hin stierte. Cascal rauchte teils genüsslich, teils nervös an einer Zigarette, während Dove, Wallace und Lorif die Kommandoeinheit der JAYJAY IV besetzt hatten und versuchten, so unauffällig wie möglich zu fliegen.
Aurec betrat ebenfalls die kleine Kommandobrücke und sah mit ernster Miene aus dem Panoramafenster.
Niemand wagte es, ein Wort zu sagen. Selbst der sonst so geschwätzige Lorif beschloss, vorerst still zu sein.
Jeder wartete auf das Gleiche. Bald musste es kommen, je mehr Minuten verstrichen, je kleiner der Abstand zwischen der JAYJAY IV und Dorgon wurde.
Da war es endlich soweit!
»Fremdes Schiff, hier spricht die Orbitalkontrolle des dorgonischen Reiches. Identifizieren Sie sich unverzüglich und teilen uns Ziel und Zweck Ihrer Reise mit«, erklang es in dorgonischer Sprache, die inzwischen jeder per Hypnoschulung gelernt hatte.
»Jetzt ist es soweit«, sprach Aurec bedächtig.
Der Saggittone richtete seine Montur und stellte sich vor die Holokamera, die sein Bild erfassen und zum Wachfort senden würde.
»Hier spricht Aurec, Prinz Saggittors. Wir sind die Vorhut einer harmlosen und friedlichen Handelskarawane, welche die Schätze aus vielen Galaxien in das großmächtige Reich Dorgon bringen will.«
Wie schleimig, dachte sich Wallace.
Aurec bezeichnete es eher als diplomatisch. Er wollte einen harmlosen und friedfertigen Eindruck machen. Desto ungefährlicher würden sie dann eingestuft werden.
Der Saggittone berichtete von Salus Wachflotte, und dass der Dorgone ihnen bereits eine Erlaubnis und einen Landeplatz erteilt hatte.
Auch das Wachfort hatte keine Einwände. Der Weg nach Dorgon war frei! Die Erleichterung war deutlich unter den Teilnehmern des Kommandounternehmens zu spüren.
Nach Pasus Tod versuchte der machtgierige Konsul Zabasus die Herrschaft an sich zu reißen, doch sein Vorhaben schlug fehl und er musste mit seinem Leben dafür bezahlen.
Einige Tausend Jahre Frieden wurden nun der Galaxis zuteil. Die Dorgonen strebten ihrem kulturellen Höhepunkt zu.
Geld, Gold und Macht waren nur noch zweitrangig – das Lebewesen zählte, eine Zeit voller Toleranz und Nächstenliebe, in der es keine Verbrechen mehr gab.
Das Paradies auf Erden. War es das, was der heilige DORGON uns einst vorausgesagt hatte? Jetzt, da wir auf einer wichtigen Vorstufe zu einer neuen Evolutionsebene standen, tauchte ein mächtiges Wesen auf, welches sich als Kosmokrat bezeichnete.
»Ich bin Sipustov, euer Freund und Gönner«, sprach es. »Seit Jahrtausenden haben wir euch beobachtet. Es ist nun an der Zeit, dass sich eure Bestimmung erfüllt.«
Er sagte nichts vom heiligen DORGON. Warum?
Und der Kosmokrat sprach, er sei von den Mächten der Ordnung und Dorgon wäre auserkoren, für das Recht und die Ordnung im Universum zu streiten. Er erklärte uns den moralischen Kode, welcher quasi die DNS des Universums war. Dieser Kode bestehe aus unzähligen Kosmonuklotiden. Der Kosmokrat erzählte uns von dem Zwiebelschalenmodell, von den Superintelligenzen, die viele als ihre Götter ansahen.
...war auch DORGON solch eine Superintelligenz? Wenn ja, wo war er... ?
Er sprach von den Mächten des Chaos, die alles daran setzten, die Macht an sich zu reißen und jegliche Harmonie zu vernichten.
Was nun geschah, war schwer zu beschreiben. Das mächtige Wesen akzeptierte kein »nein«. Wir sollten ihnen von nun an dienen, ob wir wollten oder nicht. Es war die Pflicht Dorgons, der Ordnung zu dienen, so die Worte des mächtigen Kosmokraten.
Anfangs waren alle begeistert und wir schlossen uns bereitwillig an. Doch die Euphorie verflog, als die Schrecken der Mächte des Chaos über uns kamen. Horden des Bösen überfielen unsere Welten und viele Dorgonen mussten in andere Galaxien ziehen, um für die Ordnung zu kämpfen.
Doch je länger wir ihnen dienten, desto weniger verstanden wir den Sinn dieses Krieges. Nie bekamen wir Hilfe von den Kosmokraten. Wir fühlten uns wie Schlachtvieh, welches von einem Punkt des Universums zum anderen geschoben wurde, um einen kosmischen Krieg zu führen, der uns doch im Grunde nichts anging. Warum wir?
Warum mussten Frauen verwitwen, Kinder verwaisen? Konnten die Kosmokraten ihnen erklären, warum ihre Männer sterben mussten? Nein! Sie machten nicht einmal den Versuch einer Erklärung. Es war selbstverständlich, ihnen zu dienen und für sie zu sterben.
Doch die Kosmokraten rechneten nicht mit dem Stolz der Dorgonen. Die Ansicht, dass wir etwas Besseres als viele andere Wesen sind, machte sich nach einigen Tausend Jahren wieder breit.
Widerstand gegen die Mächte der Ordnung keimte auf und nach 7.000 Jahre im Dienste der Entitäten sagte sich der mutige Sulvarus im Namen der gesamten Galaxis von den Kosmokraten los.
Was dann folgte, hätten selbst die stärksten Aufrührer gegen die Kosmokraten nicht erwartet. Eine Plage und Strafexpedition folgte der nächsten.
Die Heerscharen anderer Hilfsvölker der Kosmokraten fielen über Dorgon her – doch wir hatten dazugelernt. Es wurde der Hypertronimpulser und der Hypertronschirm von findigen Wissenschaftlern erfunden, welche die Aggressoren in die Flucht schlugen. In einer inoffiziellen Legende hieß es, sie hätten den Codex Ocassus wiedergefunden. Eine andere Legende besagte, DORGON persönlich wäre erschienen und hätte sie den Wissenschaftlern übergeben. Doch diese sagten nie etwas dazu. Es wurde als Verschwörungstheorie ins Land der Geschichten abgelegt.
Und Sipustov sprach: »Für eure Impertinenz uns gegenüber werdet ihr büßen! Ebenso lange, wie ihr in unseren Diensten standet, werdet ihr für euren Verrat büßen!«
Das waren die letzten Worte des einst so freundlichen Kosmokraten. 7.000 Jahre lang suchte uns Leid und Tod heim. Viele Generationen waren dazu verdammt, für den Fehler, den ihre Vorfahren machten – den Pakt mit den Kosmokraten zu schließen – zu bezahlen.
Dann, 14.000 Jahre nachdem Sipustov das erste Mal aufgetaucht war, lag Dorgon in Schutt und Asche. Die Bevölkerung war stark dezimiert und wir waren weit davon entfernt, in die nächste Evolutionsstufe aufzusteigen.
Dorgon war am Ende! Die Republik zerfallen. Es entstanden viele kleine Fürstentümer, die ihr eigenes Leben führten, aber dennoch unter dem Banner Dorgons standen.
Jeder König nannte sich zwar Dorgone, doch er hatte nur die alleinige Macht über sein kleines und autarkes Reich.
Doch nicht lange währte diese »Kleinkrämerei«, wie einst der starke Senator Archivus diese Situation bezeichnete.
Ost- und Westdorgon wurden wieder neu gegründet und viele Fürstentümer annektiert. Es gab wieder zwei Mächte, die jedoch in Frieden miteinander lebten.
Die Erinnerungen an die Kosmokraten verblassten nach einigen Jahrhunderten. Jeder wusste von ihnen und lernte, sie zu fürchten.
Jeder hoffte, dass sie niemals wieder Dorgon aufsuchen würden. Einige tausend Jahre lebten die beiden Staaten friedlich nebeneinander und es ging uns wieder gut, bis der alte Neid und die alte Machtgier zu neuem Leben erweckt wurden.
In einer Zeit voller Hass und Argwohn beschlossen die friedlichen und stolzen Jerrer, sich von Ostdorgon abzuspalten. Sie wollten ihr eigenes Leben führen und in Ruhe zu ihrem Gott beten, der DORGON nicht als heiligen Boten ansah.
Das war der Auslöser für viele andere Staaten, wieder in die Autarkie zurückzukehren. Zur Strafe kam es zu einem Krieg zwischen den Jerrer und Ostdorgon, doch da mischte sich Westdorgon ein und es kam zu einem erneuten galaktischen Krieg der Brudervölker.
Erst nach einigen Jahren beruhigte sich das Geschehen und der charismatische Jusilus trat in Erscheinung. Er nutzte die wirtschaftlich schlechte Lage, die Armut und die Unzufriedenheit der Bürger, stürzte die beiden Kanzler und einte Ost- und Westdorgon in epischen Schlachten. Sein Ziel war wohl nun jedem klar – das dorgonische Imperium wieder aufblühen zu lassen...
»Ich bin der neue Kaiser und euer Protector Dorgonis!«, sprach er einst vor dem Senat mit hocherhobenem Kopf, die Brust voll Stolz geschwellt. Es war die Einleitung in das neue Imperium Dorgon. »Ich werde Dorgon zu neuer Blüte bringen. Ich werde es sein, der den Grundstein für die kosmische Macht Dorgon legen wird«, schwang er weiter seine Rede vor dem Senat und dem Volk. An seiner Seite stand sein Neffe, der intelligente und mit bedacht handelnde Decrusian, der stets als Ratgeber und Freund seinem Kaiser beistand.
Jusilus krönte sich zum neuen Kaiser und erklärte die gesamte Galaxis zum Imperium Dorgon. Er regierte brutal aber gerecht. Das Reich wurde ausgedehnt und erblühte tatsächlich zu neuem Glanz.
Doch Jusilus hatte viele Feinde, die sich allerdings als Freunde ausgaben, wie der gewissenlose Testusian oder der intrigante Bukulus.
Decrusian warnte den Kaiser, der stets ungestüm und zu selbstsicher an seine Feinde heranging und sich lieber auf das flüchtige Vergnügen eines Abenteuers mit der Königin der Phyrasus einließ.
»Mein Kaiser, spürst du nicht die drohende Gefahr?«
»Decrusian, mein Freund. Was soll mir schon passieren? Ich bin Kaiser und Protector Dorgonis. Niemand würde es wagen, Hand an mich zulegen. Das wäre gleichbedeutend mit seinem Ende.«
Decrusian war entsetzt über die Sturheit des Jusilus.
»Schon viele Kaiser sind einen unnatürlichen Tod gestorben. Sei vorsichtig, dass du nicht dazu gehörst«, waren die warnenden Worte seines designierten Nachfolgers, der jedoch trotz dieser lukrativen Aussicht seinem Kaiser treu ergeben war.
Decrusian musste aufbrechen, um im Namen des Kaisers eine Revolte auf Hesophia niederzuschlagen. Jusilus verbrachte die Zeit mit der schönen Amoria, der Regentin von Phyrasus. Sie war die einzige Frau, die der Kaiser jemals geliebt – wirklich geliebt – hatte.
Doch die Tragik war nicht zu überbieten, als unter der Führung des Bukulus eine Schar von Soldaten am Morgen der 17. Yde den Kaiser und seine Geliebte überraschten und meuchelten. Jusilus – stark und stolz – versuchte den Schmerz nicht zu zeigen, den die todbringenden Schwerthiebe brachten. Es hieß, er stieß seine Gegner immer wieder weg, bis er zusammenbrach. Amoria wurde mit einem Stich ins Herz sofort getötet.
Ein Soldat, der sich später Decrusian ergab, berichtete, dass sich auf Jusilus' Lippen für einen Moment ein Lächeln legte und er die Worte »Ja... ich komme DORGON...« flüsterte, bevor er starb.
Mit dem Tod des Kaisers ging das Imperium jedoch nicht unter. Viele hatten befürchtet, dass das Imperium mit Jusilus starb, so wie er es damals wieder neu erschaffen hatte, doch es gab einen Mann, der dies zu verhindern wusste. Es war Decrusian, der sofort nach Dom eilte, als ihm die Nachricht übermittelt wurde. Voller Trauer und Zorn schwor er sich, die Mörder zu finden und zu vernichten.
Bukulus und Testusian machten jedoch kein Hehl daraus, dass sie es waren, die Jusilus meuchelten. Sie revoltierten gegen den neuen Kaiser Decrusian und versuchten ihn zu entmachten, doch mit Hilfe des Generals Alexusian, einem Sympathieträger in der Armee, gelang es Decrusian den Aufstand niederzuschlagen und ihn und Testusian nach einem zweijährigen Krieg gegen Bukulus zu besiegen und hinrichten zu lassen.
Decrusian galt – wie sein Vorgänger auch – als harter aber gerechter Kaiser. Dem Volk der Dorgonen ging es unter ihm sehr gut. Er dehnte das Reich aus – bis zum letzten Winkel der Galaxie.
Das Imperium Dorgon, das seit Äonen schon existierte, war nicht zu vertilgen. Decrusian versprach es werde ewig existieren.
Er war es, der die alten »Tugenden« wieder einführte, die Jerrer versklavte und nur die reinen Dorgonen in die Armee ließ. Die Extraterrestrier wurden enteignet und teilweise versklavt.
An den Jerrern, dem so verhaften Volk, statuierte er ein Exempel. Ihnen wurde auf ewig die Rechte als Dorgonen abgesprochen. Sie sollten für immer Sklaven sein!
Eine glorreiche Zeit brach an, die noch heute andauert. Auch nach Decrusians Tod, nach 112 Jahren Amtszeit eines Heroen der dorgonischen Geschichte. Ein seltsames Geheimnis umgibt seinen Tod. Im Alter von 175 Jahren erkrankte er schwer und seine Stunden waren gezählt. Im Sterbebett liegend, so hieß es, begann er zu phantasieren. Er sprach von einem Auftrag. Er schien zu glauben, dafür auserkoren zu sein. Einen Auftrag, den er unbedingt ausführen musste. Doch er starb in derselben Nacht und niemand erfuhr, worum es ging.
Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, die Chronik der letzten knapp 25.000 Jahre Dorgons aufzuschreiben... Dies ist nur ein kleiner Auszug, der einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse darstellt. Der junge Dorgone ist leider des Lesens überdrüssig geworden. Er zieht es vor, sich dem Schwert, der Frau oder dem Wein zu widmen, anstatt in der Geschichte seiner Ahnen zu forschen.
Viele Kaiser, viele innere Kriege und viele goldene Zeiten boten die letzten 4.000 Jahre des mächtigen dorgonischen Reiches.
Doch niemals tauchte der heilige Bote DORGON wieder auf. Warum hatte Sipustov niemals von ihm gesprochen? Warum hatte DORGON uns nicht in den schwersten Stunden geholfen? Die Wege der Götter waren und sind stets unergründlich.
Das dorgonische Reich war stark, doch war es gut? Nein! Viele Völker litten unter der Macht Dorgons. Der Leidensweg der Jerrer war ein Beispiel dafür. Der Bann des Decrusians wurde aufgehoben und oftmals wieder erneuert. Die Jerrer blieben trotzig und wurden immer wieder entrechtet, nachdem sie für einige Jahrhunderte immerhin einen besseren Status genossen hatten. Sie waren nur ein Beispiel dafür, dass Ungleichheit herrschte.
Doch mir steht kein Urteil zu. Ich bin bloß ein Geschichtsschreiber, ein Chronist, der es sich nicht mit Kaiser Thesasian verscherzen sollte, auch wenn er mich als seinen Freund ansieht.
Ich lebe in der Ära des Thesasian. Seit nunmehr 76 Jahren herrscht der Imperator. Vermutlich wird er mich noch überleben. Thesasian hat Stabilität durch seine lange Regentschaft gebracht. Doch auch er wich nicht von den alten Lastern ab. Legendär waren seine Fehden im Forum Preconsus mit dem Konsul Uleman. Immer wieder wurde dabei die Sklaverei thematisiert. Es gab nicht wenige Dorgonen, die gegen die Sklaverei waren. Die Mehrheit stand dem pragmatisch gegenüber. Sie wollten ihren Besitz nur ungern verlieren.
Obwohl Uleman sogar eine Affäre mit der Kaisergattin nachgesagt wurde und sie in seiner Villa verstarb, hatte Thesasian ihn nie angeklagt. Es war streng verboten, darüber auch nur zu spekulieren.
Thesasian ist nach dem Tod seiner Frau verbittert geworden. Er plant Großes und will die Macht Dorgons ausweiten, in einer fernen Sterneninsel mit dem Namen Milchstraße. Doch ob er es zu Lebzeiten vollbringen kann, weiß niemand zu sagen. Er ist zwar inzwischen 111 Jahre, aber noch stark, doch das Pack seiner Familie, allen voran sein schwachsinniger Sohn Carigul, sind besessen auf die Nachfolge und wünschen sich jeden Tag das Ende ihres Kaisers.
Doch Thesasian hat ihren Respekt. Sie haben geradezu Angst, weil sie wissen, dass er noch mächtig ist und sie sofort töten würde, wenn sie es wagen würden, an seinem Thron zu rütteln.
Die letzten nennenswerten Ereignisse, waren die Schlacht am Throgahn-Dreieck bei dem die Widerstandsgruppe »Neue Republik« vollständig aufgerieben und der Anführer Erastos ermordet wurde. Diese Schlacht machte den heldenhaften Soldaten Vesus zum Dux Superior, dem Oberkommandanten der dorgonischen Streitkräfte.
Ein weiteres Ereignis war das Auftauchen eines seltsamen Wesens in roter Haut und schwarzer Kutte. Er war es, der Thesasian auf die Milchstraße aufmerksam machte. Er sagte, dort sei eine Ansammlung von mächtigen Wesen, die Dorgon gefährlich werden könnten. Er war es, der Thesasian dazu riet, dem Höhepunkt seiner Regierung entgegenzugehen und als erster Kaiser eine andere Galaxis dem Reich einzuverleiben. Thesasian war begeistert von der Idee. Die Wesen in der Milchstraße schienen ebenbürtige Gegner zu sein.
Außerdem gab es ein geheimes Protokoll. So hieß es, dass Thesasian die Sklaverei für alle Dorgonen und deren Abkömmlinge in unserer Galaxis abschaffen würde. Nichtdorgonen waren jedoch nicht gemeint. Als Ersatz würden menschliche Sklaven aus der Milchstraße, denn dort gab es viele Menschen, nach Dorgon verschifft werden.
Der Fremde zeigte Thesasian ein mächtiges Sternenportal im Protektorat Harrisch. Durch diesen gigantischen Transmitter konnten die Dorgonen innerhalb kürzester Zeit in andere Galaxien reisen, wenn sich dort auch ein Portal befand.
Thesasian entsandte den ehrgeizigen Legaten Seamus, der in der Milchstraße einen Widerstand aufbauen sollte, um die Regierungen und die Infrastruktur zu schwächen. Für einige Monate war sogar der Neffe des Kaisers, Nersonos, in der Milchstraße gewesen und hatte nach seiner Rückkehr von der prächtigen Galaxie berichtet. Doch seitdem hatten wir nie wieder etwas von Seamus gehört. Thesasian entsendete erst vor kurzer Zeit eine zweite Expedition.
Wer der Fremde war, sagte er nicht. Auch nicht woher er kam. Doch seinen Namen. Es war ein seltsamer Name, er klang dunkel und bedrohlich. Er nannte sich Cau Thon...
Aus dem Geschichtsbuch des Nirvus, heute
Aurec erblickte die vielleicht prächtigste Stadt, die er jemals gesehen hatte. Dom erstreckte sich über einen ganzen Kontinent und war reich an prunkvollen Gebäuden, Statuen und Kunstwerken, welche die gesamte Geschichte Dorgons spiegelten.
Selbst Terrania City verblasst gegen diese Stadt, dachte Julian Tifflor, der sich sichtlich beeindruckt zeigte.
Tausende von Gleitern und Fähren schwebten über der goldenen Hauptstadt des Reiches. Sie schimmerte in angenehmen Farben. Viele Gebäude waren mit einer Art weißen, leicht leuchtenden Plastik verputzt. Gigantische Statuen ragten in die Höhe. Säulentempel, Triumphbögen und langgezogene Seen, Wälder und Parks reihten sich aneinander.
Der Luftraum über Dom war ähnlich gefüllt, wie bei jeder galaktischen Metropole. Es gab einige schwebende Basare, Kaufhäuser, Werkstätten und Hotels. Sie waren jedoch kreisförmig um die Stadt herum angeordnet. Offenbar, um den Bewohnern Doms nicht das Sonnenlicht zu nehmen.
Die Space-Jet schwebte über diverse Stadtteile, Parkanlagen, Tempel und Paläste hinweg, bevor sie den Raumhafen erreicht hatte.
Eskortiert von zwei dorgonischen Abfangjägern landete das terranische Diskus-Schiff auf dem ihm zugewiesenen Feld. Es war einer von vielen hunderten Raumhäfen in der Hauptstadt Dorgons.
Kaum war die Jet gelandet, marschierten einige Wachsoldaten und ein Protokollroboter auf den Raumer zu.
Aurec atmete tief durch und gab letzte Instruktionen. Von nun an konnte man sich keinen Fehler mehr erlauben.
Die Eingangsluke der Space-Jet öffnete sich und ein Laufsteg wurde ausgefahren. Aurec, gefolgt von Tifflor und Cascal, schritt diesen entlang, bis er dorgonischen Boden betreten hatte. Bedächtig blieb der Saggittone für einen kurzen Moment stehen und betrachtete sein Umfeld.
Es war sehr heiß auf Dorgon. Der Saggittone spürte die warmen Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Julian Tifflor schien weniger gut mit der Hitze klarzukommen. Er schnaubte auffällig und lockerte die Kragenöffnung.
Aurec lauschte einen kurzen Augenblick den Geräuschen von zwitschernden Vögeln, Gleitermotoren und Wind. Er musste innerlich kurz über diesen Widerspruch schmunzeln. Einerseits war Dom eine technisch absolut hochstehende Stadt, doch andererseits flogen Vögel ungetrübt durch die Gegend. Gewaltige grüne Parkanlagen zierten die gesamte Stadt und selbst der auf diesem Planeten natürlich auftretende Wind konnte durch die Straßen blasen.
Die Soldaten und der Roboter blieben vor den drei Alliierten stehen. Der Droide schwebte langsam auf Aurec zu.
»Nenne mir Zweck und Dauer Eures Aufenthalts auf Dorgon!«, forderte die künstliche Intelligenz mit blecherner Stimme.
»Wir sind Händler«, begann der Saggittone vorsichtig. »Ich bin Prinz Aurec, das hier sind Cascal und Tifflor, meine wichtigsten Untergebenen. Wir reisen durch das Universum und wollen nichts weiter als Tausch und Handel mit den Völkern des Kosmos betreiben.«
Der Roboter verharrte eine Weile. Es waren unheimliche Sekunden für Aurec und die anderen. Was mochte der Roboter jetzt denken?
Dann sagte er: »Ich wurde bereits von einer unserer Wachflotten über Ihre Harmlosigkeit informiert. Sie erhalten ein Visum für einen Monat unserer Zeitrechnung. Melden Sie sich bei der Gewerbezentrale, dort erhalten Sie eine Erlaubnis zum Betreiben eines Handels.«
Das metallische Wesen drückte dem Saggittonen einige Identifikationskarten in die Hand und schwebte anschließend, gefolgt von den dorgonischen Sicherheitskräften, zu dem nächsten Besucher Dorgons.
Aurec atmete erleichtert auf und blickte die anderen beiden froh an.
»Die Bestechung des Wachoffiziers hat sich also doch gelohnt. Sagt den anderen Bescheid, wir werden uns erst einmal eine Bleibe suchen.«
Cascal informierte den Rest. Wallace, Lorif und Dove blieben vorerst an Bord der Space-Jet, während Despair, Breen, Tyler, Japar und Saranos mit den anderen drei gingen.
Die Gruppe ging langsam und bedächtig über eine Brücke, die die Landefelder miteinander verband. Unter ihnen befanden sich hunderte von atemberaubend schönen Gebäuden, die sich über viele tausend Quadratkilometer erstreckten.
»Das ist Dom!«, sprach Tifflor voller Ehrfurcht, als sei etwas Unheiliges an dieser Stadt.
Die Galaktiker verließen den Raumhafen und bestellten sich einen Taxigleiter, der sie erst einmal in ein Hotel bringen sollte.
Julian Tifflor machte bei einer Bank einen Zwischenstopp. Er tauschte Edelmetalle gegen dorgonische Währung ein, ansonsten würden sie sicher Probleme bei der Bezahlung ihrer Zimmer bekommen.
Immer wieder waren die Besucher der Stadt von ihrer Schönheit beeindruckt. Sie flogen am Decrusian-Zentrum vorbei. Auf gigantischen Säulen thronte das runde Gebäude in einer Höhe von dreißig Metern über einem See. Es musste selbst fast einen Kilometer lang und breit sein. Dort standen Prachtvillen, Gärten und Kaufhäuser über denen Hologramme die Verkaufsschlager anpriesen. Im Zentrum befand sich eine Erhöhung. Zwischen Tempeln und Museen ragte eine bronzefarbige 230 Meter hohe Statue des Decrusian in die Höhe. Holoprojektoren an der Seite spielten dem Betrachter von einer bestimmten Perspektive aus, sogar einen lebendigen Hintergrund aus der Zeit des Decrusian vor. In den Parks spielten Kinder, Liebespaare machten Picknicks und ältere Dorgonen gingen spazieren.
Wer Dom sah, konnte eigentlich gar nicht glauben, dass hier das Zentrum einer Tyrannei war.
*
Nachdem sie einige Zimmer in einem luxuriösen Hotel belegt hatten, beschloss Aurec, eine Lagebesprechung einzuberufen.
»Dom ist gewaltiger, als wir es uns vorgestellt haben. Eine beeindruckende Stadt, die ihres gleichen sucht«, begann Tifflor.
»Wir sind nicht hier, um uns Häuser anzuschauen, sondern um eine Invasion zu verhindern«, warf Tyler barsch ein.
Bevor Tifflor etwas entgegnen konnte, erhob Cauthon Despair die Hand.
»Nutzloses Lamentieren ist hier fehl am Platz! Dom spiegelt nur die Stärke und Überlegenheit dieser Zivilisation wider. Wir dürfen sie unter keinen Umständen unterschätzen.«
Aurec nickte unmerklich. Der Saggittone stand auf und gestikulierte mit den Händen.
»Wir müssen jetzt geschickt vorgehen. Zuerst sollten wir auf einem Marktplatz einen Basar errichten, um uns dort einen Namen zu machen und unauffällig an Informationen zu gelangen. Im zweiten Schritt können wir uns dann der Regierung widmen!«
Der Saggittone blickte in die Runde. Niemand hatte entgegengesetzte Vorstellungen, so beendete er die Besprechung.
*
Sie flogen zurück zum Decrusian-Zentrum. Dahinter schloss sich ein gewaltiger Marktplatz an, der in einer Hufeisenform bis zum See unter dem Decrusian-Zentrum reichte.
Die Fassade des Marktplatzes war etwa zehn Meter hoch und bot zwei Stockwerke, auf denen neben Hologrammen und Werbeprojektionen, die auf einer Fläche zwischen den zwei Etagen von einem Ende bis zum andere des Marktplatzes liefen, auch Verkaufsstände zu sehen waren.
Auf dem Marktplatz herrschte reges Treiben. Es waren hunderte von Geschäften, Ständen und Basare, die den mehrere Kilometer langen Decrusian-Marktplatz bevölkerten. Der Platz wirkte altertümlich und modern zugleich. Zu jeder Himmelsrichtung große Eingänge, die von gigantischen Säulen gestützt wurden. Im Innenkreis des Marktplatzes waren nun die Händler vertreten, die ihre Stände errichteten. Der Boden bestand aus einem edlen, blaufarbigen Teppich. Aurec überlegte sich, wie lange man wohl gebraucht hatte, um den Teppich zu verlegen und wie lange man für das Staubsaugen benötigte?
An den Seiten standen prächtige Palmen, die das Gebiet zierten. Aurec war von der Ästhetik der Dorgonen beeindruckt. Sie verstanden es, Technik und Natur miteinander in Einklang zu bringen. Nirgendwo in Dom gab es eine reine Metall- oder Betonwüste.
Wesen aus allen Teilen der Galaxis priesen ihre Waren an, doch es fiel auf, dass es meist nur Dorgonen waren, die die guten Basare und Stände besaßen.
Die versklavten Völker hatten weitaus weniger Rechte. Viele von ihnen wurden für teures Geld an reiche und dekadente Beamte oder Politiker verkauft. Aurec wandte sich angewidert dem Sklavenmarkt ab.
So hochstehend Dorgon auch sein mag, dachte er, so niedrig steht dieses Volk in der Ethik.
Aurec konnte nicht begreifen, wie ein technisch so hochstehendes Volk mit solchen Errungenschaften, so vielen prächtigen Bauten und der Liebe zur Kunst und Natur nur so achtlos mit dem Leben anderer umgehen konnte.
Langsam wanderte die Gruppe durch den belebten Platz. Die seltsamsten und unterschiedlichsten Rassen versuchten hier ihre Waren an die Besucher zu bringen. Tifflor erinnerte das an einen alten terranischen Markt in England. Auch hier waren viele Marktschreier in übergroßen Hologrammen und Akkustikverstärkern vertreten. Sie standen in ärgster Konkurrenz und kämpften um das Überleben. Die versklavten Völker wurden hier nur geduldet, weil die reichen und dekadenten dorgonischen Bürger ihre Waren brauchten oder sie von ihren Herren zum einkaufen geschickt wurden.
Sanna Breen fuhr trotz der Hitze ein kalter Schauer über den Rücken, als sie eine Versteigerung von zwei kleinen Kindern beobachtete. Sie waren kaum älter als fünf oder sechs Jahre. Die beiden Jerrer, so vermutete Sanna aufgrund der bronzefarbigen Haut und der langen schwarzblauen Haare, wurden an zwei verschiedene Besitzer verkauft. Tränenüberströmt wurden die zwei voneinander getrennt und ihren neuen Herren übergeben, die ihnen wohl das Leben zur Hölle machen würden.
Wütend und hilfesuchend zugleich blickte Sanna zu Cauthon Despair hoch, der das Geschehen ebenfalls verfolgt hatte.
»Wir können das Schicksal dieser Wesen nicht ändern. Wenn wir uns hier einmischen, laufen wir Gefahr, entdeckt zu werden. Die Verhinderung einer Invasion in die Milchstraße ist wichtiger als das Leben zweier unbedeutender Bälger!«
Sanna war entsetzt über diese Worte.
»Wie kannst du so etwas sagen! Was wäre, wenn Dorgon die Milchstraße besetzt halten würde und diese beiden wären unsere Kinder?«
»Um dieses Schicksal den galaktischen Kindern zu ersparen, sind wir hier«, entgegnete der Silberne Ritter kühl.
Er beschloss die Betonung Sannas, was ihre Kinder anging, nicht zu kommentieren. Despair wusste nur zu gut, dass er niemals Vater werden könnte. Er würde niemals Sanna heiraten und eine glückliche Familie gründen.
Nicht, dass er sie nicht liebte, doch, dass tat er von ganzem Herzen. Aber eine innere Stimme flüsterte ihm stets zu und sprach von seinem Schicksal. Und sein Schicksal lag nicht in Sanna Breen.
Aurec hatte sich inzwischen einen geeigneten Platz für den Stand gesucht. Sofort packten Tyler, Japar und Cascal aus und halfen dem Saggittonen und Julian Tifflor bei der Errichtung des Verkaufsplatzes.
Es dauerte nicht allzu lange, dann stand ein kleiner aber prächtiger Basar nach terranischer Bauart auf dem dorgonischen Marktplatz. Ein Hauch von Stolz erfüllte den Unsterblichen und ein Lächeln huschte über seine Lippen.
»Ich mache die Kasse!«, sagte er schnell und stellte sich hinter den Tresen. Dann wurde er wieder ernst. Der erste Schritt war getan, nun galt es, sich einen Namen zu machen und genügend Ware an die Dorgonen zu bringen.
Eine Weile beobachteten Cascal und Tifflor ihre Konkurrenten, während Aurec über den Platz wanderte.
»Tja, wer übernimmt den Part des Marktschreiers?«, fragte Cascal, der danach einen genüsslichen Zug von seiner Zigarette nahm und die Augen zusammenkniff, da die tief stehende Sonne blendete.
»Wir hätten Sandal mitnehmen sollen, dem wäre das leicht gefallen«, fügte er schmunzelnd hinzu.
Tifflor nickte nur.
»Ich mache das«, erklärte er anschließend und holte aus einem Koffer einige ballgroße Schweberoboter, die sich auf dem Marktplatz verteilten und auf dorgonisch die Waren der Galaktiker anpriesen.
Cascal war verblüfft und machte eine lobende Geste in Richtung Tifflor.
Sanna Breen hatte sich inzwischen umgezogen. Sie trug nun ein bauchfreies Gewand, welches viel Haut zeigte. Auch dies war Teil des Marketings von Julian Tifflor. Die Leute sollten durch die terranische Schönheit auf den Stand aufmerksam werden.
Cascal grinste breit, als er das neue Outfit Sannas begutachtete.
»Ein Glück, dass Sam nicht hier ist, der würde ihr gleich einen Mantel zum Bedecken geben«, meinte der Veteran anschließend und spielte damit auf die etwas zu konservativen Ansichten des Somers an.
»Ich hoffe, dass Sam Erfolg in Siom Som haben wird«, meinte Aurec etwas besorgt.
Cauthon Despair gefiel der Aufzug Breens weniger. Er selbst wirkte zudem eher abschreckend auf die Kunden. Dennoch kam niemand auf die Idee, sich an dem Basar zu schaffen zu machen, da jeder die Rache des Silbernen Ritters zu fürchten schien. Auch die Standnachbarn brachen keinen Streit vom Zaun.
Nach nur kurzer Zeit kamen auch die ersten Interessenten. Tifflor bot besonders viele Unterhaltungswaren aller Art an. Die Terraner waren Meister in der Fertigung von Spielen, Filmen, Musik oder Büchern, die dem Vergnügen dienten.
Cascals Sammlung von klassischen Aktfilmen lehnte Tifflor jedoch kategorisch ab und bot sie nicht zum Verkauf an, was der Veteran aus dem Solaren Imperium nicht ganz verstand. Auch etliche dorgonische Soldaten kamen an dem Stand vorbei, kauften jedoch nichts.
Joak Cascal und Sanna Breen beschlossen, sich erst einmal etwas auf dem Markt umzusehen.
»Möchten Sie auch eine?«, fragte Cascal und bot Sanna eine Zigarette an.
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Sie können mich ruhig duzen.«
Cascal nickte und schenkte ihr ein feines Lächeln. Sein Gesicht verzog sich wieder, als ein paar Leute ihn anrempelten und sich nicht einmal dafür entschuldigten.
»Die sind hier genauso unhöflich wie auf Terra«, meinte er nur und ging weiter.
Beide beobachteten den Verkauf einer hübschen und jungen Sklavin. Ein alter und hässlicher Mann, der von zwei muskelbepackten Dorgonen begleitet wurde, ersteigerte das Mädchen. Cascal konnte sich schon denken, welche Verwendung dieser Mann für die Sklavin finden würde.
Ein paar Soldaten, einer davon hoch dekoriert, marschierten an den zwei Terranern vorbei. Einer von ihnen, ein hochgewachsener blonder Dorgone, hielt eine Weile Augenkontakt zu Sanna Breen.
Cascal räusperte sich. »Sie... ich meine du sollst nicht mit dorgonischen Offizieren flirten. Was würde die Silberbüchse dazu sagen?«
Sanna wurde etwas wütend. »Er heißt immer noch Cauthon!«, schnaubte sie dem ehemaligen Soldaten des Solaren Imperiums entgegen.
»Ja, ich weiß. Dennoch habe ich die schrecklichen Bilder von Sverigor und diverser Camelotbüros nicht vergessen. Er trug eine Mitschuld daran. Bevor du irgendwelche pseudopsychologischen Ausreden findest, will ich dir nur den Tipp geben, dir jemand anderes zu suchen. Despair ist sicher nicht der Traummann, nach dem du dich sehnst!«
Sanna war über die direkte Art, die Joak Cascal zu Tage legte, überrascht und angetan zugleich. Doch das wollte sie nicht zeigen.
»Woher willst du wissen, wonach ich mich sehne?«, entgegnete sie störrisch.
Er ging näher an sie heran und umfasste ihre Arme mit seinen Händen.
»Du bist eine Frau, die sich nach dem Abenteuer sehnt, aber auch nach Liebe und Romantik. Despair kann dir alles das nicht geben.«
Breen wollte etwas entgegen, doch sie bekam kein Wort über die Lippen. Sie blickte verlegen auf den Boden und schlug dann vor, wieder zurück zum Stand zu gehen.
Dort stand ein grünhäutiges Wesen, das an eine Schleimkugel erinnerte und mit Tifflor zu feilschen schien.
»25 Terzen für das Duschgel, keinen Terz weniger! Immerhin willst du ja das ganze Sortiment kaufen«, meckerte Tifflor.
Die Schleimkugel gestikulierte wild mit den Armen.
»Ich will in diesem Schleim baden, aber 25 sind zuviel. Sagen wir 15 Terzen!«
»15 Terzen? 24,5! Mein letztes Wort!«
»17!«
»Nein, 23!«
»19!«
Aurec bemerkte Cascal und ging zu ihm. Er machte einen geschafften Eindruck.
»Das geht nun schon eine ganze Weile so. Hoffentlich einigen die sich mal...«
»21,25 Terzen!«, rief Julian Tifflor.
»Nein, nein, nein! 20 Terzen. Nicht mehr.«
»Verkauft«, meinte Tifflor und übergab die Ware.
Zum Zeichen des Handels schlugen die beiden mit den Handflächen ein. Tifflor dachte jedoch nicht daran, dass er da gerade eine sehr schleimige Hand zu fassen bekommen hatte. Aurec konnte sich das Lachen nicht verkneifen, während der Unsterbliche sich erst einmal die Hand abwusch.
»Bis jetzt läuft das Geschäft gut«, stellte er danach fest.
Plötzlich hörten sie Lärm. Ihre Aufmerksamkeit fiel auf einen Stand, sich der unweit von ihnen befand. Dort schienen die dorgonischen Soldaten über die Bedienung nicht zufrieden zu sein.
»Was fällt dir ein? Ich bin ein Dux!«, meckerte der hoch dekorierte Dorgone. Zwei andere Soldaten packten den alten Jerrer und warfen ihn auf den Boden.
»Es tut mir leid, ich konnte nicht ahnen, dass die Frucht verfault ist«, entschuldigte sich der verzweifelte Mann, doch der Dux trat ihm nur gegen den Kopf. Der Jerrer schrie laut auf. Der blonde Offizier, der mit Sanna den Blickkontakt hielt, ging zu seinem Vorgesetzten und wollte ihn beruhigen, doch der Dorgone war fest entschlossen, dem Jerrer eine Lehre zu erteilen.
»Du wolltest mich mit dieser Frucht vergiften. Ihr Jerrer seit ein hinterlistiges Pack! Werft ihn in den tiefsten Kerker!«
Die beiden Soldaten führten sofort den Befehl aus und zogen den wild zappelnden Jerrer vom Marktplatz.
Der Dux begutachtete den Stand und gab Befehl ihn sofort vom Marktplatz entfernen zu lassen.
Aurec und die anderen sahen entsetzt herüber. Wieder ein Beweis, wie wenig den Dorgonen das Leben anderer bedeutete. Tifflor wollte unter allen Umständen den Terranern und allen anderen galaktischen Völkern dieses Schicksal ersparen.
Ein anderer Händler kam zum Stand und schüttelte heftig mit dem Kopf, was unfreiwillig komisch aussah, da seine Mundtentakel hin und her schwangen.
»Furchtbar, furchtbar!«, kommentierte er das Geschehen.
»Wer ist der Dorgone?«, wollte Aurec wissen und zeigte auf den hoch dekorierten Soldaten, der den Abbau des Standes überwachte.
»Das ist Dux Celusian, einer der mächtigsten Männer des Reiches. Er ist Militium Magister, also Oberkommandant aller Bodenstreitkräfte und bildet zusammen mit Dux Superior Vesus die Führungsspitze der dorgonischen Armee.«
»Aha«, machte Aurec.
Der Händler sah ihn verwundert an. »Ihr müsst von sehr weit herkommen, wenn ihr euch die Namen Vesus und Celusian nichts sagen.«
Aurec schüttelte den Kopf.
»Nein, noch sagen sie uns nichts. Wir kommen in der Tat von weit her, doch ich denke, dass wir uns mit Celusian und Vesus noch in Zukunft beschäftigen werden.«
Nun mischte sich Sanna Breen ein.
»Und wer ist der Offizier neben Celusian?«, wollte sie wissen. Cascal konnte sich ein Schmunzeln kaum verbergen.
»Das ist Centrus Valerus, ein Adjutant von Celusian.«
Sanna lächelte leicht, zeigte jedoch eine ernste Miene, als Despair zu ihr sah. Das erste Mal befiel sie etwas wie Unbehagen in seiner Nähe.
*
Gegen Abend, die Sonne war bereits untergegangen, kam ein alter Mann in einer weißen Toga an den galaktischen Basar.
»Ihr bietet viele interessante Dinge an«, sagte er anerkennend.
Tifflor bedankte sich höflich und bat den Mann sich umzuschauen.
Der Dorgone war gedrungenen Körperbaus und hatte weiße Haare. Er machte einerseits einen grobschlächtigen, aber auch weisen und freundlichen Eindruck.
Er sah sich eine Weile um, konnte aber nichts finden.
»Wie ich schon sagte, nette Sachen, aber nichts produktives, alles nur Spielereien...«
Da mischte sich Aurec ein. Freundlich ging er auf den korpulenten Mann zu und stellte sich vor.
»Habt Ihr denn keine Kinder?«, fragte er höflich.
»Doch, doch. Zwei Töchter!«
»Wie alt?«
»16 und 28 Jahre.«
Aurec kramte etwas herum und schien etwas Passendes gefunden zu haben. Nicht nur der dicke Dorgone, sondern auch Tifflor, Cascal und Breen blickten ihn verwundert an.
»Für die Jüngere habe ich hier eine Kollektion der besten Musik aus meiner Heimat. Schillernde Interpreten wie DJ Müllhaufen, DJ Arkonkracher, die Gatas-Boys oder Schooter mit seinem neuesten Hit ›Fuck the Kosmokrats‹ sind auf diesem einmaligen Musikspieler enthalten.«
Tifflor zuckte innerlich zusammen, als er den Titel hörte, doch Gott sei Dank verstand der Dorgone nicht die alte terranische Sprache.
»Für die ältere Tochter habe ich einen Schminkkoffer mit den edelsten Pinseln und Tuschen. Nur besondere Schönheiten in unserer Heimat dürfen sich damit zieren.«
Der Mann blickte Aurec eine Weile etwas verwirrt an, dann holte er eine Kreditkarte aus seinem Mantel und bezahlte die Ware. So bekamen sie immerhin seinen Namen heraus.
Er hieß Uleman.
Danach verabschiedete er sich freundlich von den Galaktikern und ihrem »Anführer«, der ihm noch eine Weile grinsend hinterher blickte.
»Wenn seine Tochter dieses Gejaule hört, wird er wahrscheinlich mit einer Armee hier anrücken, um uns festzunehmen«, scherzte Aurec leichtfertig.
Tifflor war weniger davon angetan. Er hoffte, dass der Musikspeicher und die Schminke den Töchtern des Mannes gefallen würden, denn er hatte bereits eine Auswertung Lorifs, der sich immer noch auf der Space-Jet befand, über Uleman bekommen.
Uleman war Princips Protector des Protektorates Mesaphan und Administrator der Welt Hesophia. Er gehörte zu den mächtigsten Männern Dorgons.
Am nächsten Morgen schien die Sonne in gewohnter Weise auf Dorgon. Es gab selten Regen auf dieser Welt, oftmals musste er künstlich durch Wetterbeeinflussung hervorgerufen werden, da sonst Dürrekatastrophen drohten.
Die Hitze schien bereits am frühen Vormittag unerträglich zu sein. Abgesehen von Tyler und Despair trug jeder leichte Kleidung.
Der Silberne Ritter ging zu Sanna, die gerade ein paar Früchte zum Frühstück verzehrte. Er blieb vor ihr stehen und wirkte fast bedrohlich auf die Terranerin.
»Guten Morgen, Cauthon«, meinte sie und aß weiter.
»Wir werden sehen, ob dieser Morgen wirklich gut ist. Du solltest dir etwas weniger Aufreizendes anziehen.«
»Oh, höre ich da so etwas wie Eifersucht aus deinen Worten?«
»Besorgnis!«
»Tatsächlich? Besorgt, dass ich jemand anderem gefallen könnte?«
Sie verschränkte ihre Arme vor dem Bauch und wartete provokativ auf eine Antwort von Despair, der recht verlegen wirkte und nicht wusste, was er sagen sollte. Das war wieder der Mann, in den sie sich verliebt hatte. Sie nahm ihn bei der Hand.
»Cauthon, alles was du siehst und noch mehr, könntest du bekommen... !«
Bevor der Silberne Ritter etwas auf Sannas Liebesangebot erwidern konnte, wurde ihre Aufmerksamkeit auf ein grässliches Geheule gezogen. Eine Sänfte, getragen von vier purudischen Sklaven, war das Zentrum der Geräusche.
Die Trage wurde bis direkt vor den Stand der Galaktiker gebracht, dann befahl der Passagier den Sklaven zu stoppen. Er wurde von drei Soldaten eskortiert.
Welch eine Schikane für die armen Sklaven. Die Galaktiker und der Saggittone stellten sich dieselbe Frage: Wieso ließ sich jemand in diesem Zeitalter tragen? Es gab doch Antigravs, Gleiter. Aber so etwas entsprach offenbar der dorgonischen Mentalität.
Echauffiert stieg der gedrungene Dorgone aus der Sänfte und stöhnte laut. Er trug eine weiße Toga, edle Sandalen und viel Schmuck an den Fingern, Armgelenken und an dem Hals. Das Gesicht des Dorgonen wurde mit einem Bart geziert. Das Haar war gekräuselt. Der Mann war noch jung, wirkte allerdings sehr dekadent und erschöpft. Er rief einen seiner Berater zu sich, der in einer anderen Sänfte war. Despair erkannte ihn sofort. Er zog Sanna zu sich und versteckte sich hinter dem Verkaufsstand.
»Was?«
»Ich kenne diesen Dorgonen!«
»Nirvus, komm endlich her«, quäkte der Dorgone laut aber schwerfällig, als hätte er tagelang ohne Pause gearbeitet.
Der andere Mann war bereits alt, hatte graues Haar, wirkte aber etwas forscher.
»Edler Freund, ich bin doch bereits hier.«
Der Mann winkte den Älteren zu sich.
»Nirvus, wie fandest du meine Ode an die Langeweile?«, erkundigte sich der junge Dorgone. Gemeint war das – in Despairs und Sannas Ohren grässliche – Gejaule. Nirvus machte eine abschätzende Geste.
»Für einen normalen Künstler eine gute Arbeit, doch für jemanden wie Euch, jemanden mit einem gottgegebenen Talent, viel zu wenig, edler Nersonos!«
Der andere mit dem Namen Nersonos erschrak. Er fasste sich an sein Herz und schien nach Luft zu ringen.
»Wie meinst du das? Du wagst es so mit mir zu reden?«
Nirvus lächelte und legte seine Hand auf Nersonos Schulter. »Nun, ich kann Euch etwas vorheucheln, wie es die meisten tun. Doch ich bin ein wahrer und ehrlicher Kritiker Eurer Gesangskünste. Daher fordere ich, dass Ihr Euch mehr Mühe gebt!«
Die Worte klangen hart. Despair und Breen, die die Konversation verfolgt hatten, nahmen an, dass der vollschlanke Dorgone gleich sein Gegenüber niederschlagen würde, doch der fing nur an zu lachen.
»Du bist zu gut zu mir, Nirvus. Du bist ein wahrer Freund. Ich weiß genau, dass du meinen Gesang liebst und jeder Tag ohne meine Lieder ein verlorener für dich ist. Daher weiß ich deine Kritik sehr zu schätzen und werde mir mehr Mühe geben. Versprochen!«
Nersonos fing an zu kichern und trampelte auf den Boden. Dann drehte er sich um und blickte zu dem Stand der Galaktiker. Seine Augen verengten sich.
»Ihr dort! Was habt ihr mir zu bieten, Pack?«
Despair hielt sich weiter im Verborgenen.
Aurec musste sich zusammenreißen. Doch auch ihm war der Name Nersonos durchaus geläufig. Despair hatte über ihn gesprochen.
»Wir fühlen uns zutiefst geehrt, Eure Hoheit Nersonos«, sagte Aurec.
Nersonos blickte affektiert gen Himmel und streckte seine Hand aus, die der Saggittone zögernd ergriff und küßte.
»Nun denn, ich will gnädig sein und mir ansehen, was ihr mir zu bieten habt«, sprach der Dorgone.
»Dazu wirst du nicht mehr kommen, du Stück Dreck!«, brüllte eine Stimme im Hintergrund.
Vier Männer kamen auf Nersonos zugestürzt. Sie waren bewaffnet. Die drei kaiserlichen Soldaten stellten sich dazwischen, wurden allerdings von Energiesalven getötet. Nersonos schrie laut auf. Einer der Angreifer zog ein Schwert und setzte bereits zum tödlichen Schlag an, da sprang Despair aus seinem Versteck hervor und griff ein. Er schlug mit einem gezielten Hieb den Arm des Terroristen ab. Cascal erledigte einen anderen der Männer, während Despair die letzten beiden schnell und präzise mit dem Schwert tötete. Sofort kamen Wachen und sicherten den Tatort. Nersonos beruhigte sich nur langsam.
»Wer wollte mich töten?«, schrie er fassungslos. Er blickte auf den verwundeten Angreifer und nahm den Strahler eines Soldaten, der gerade angekommen war. Ohne zu zögern drückte der Dorgone ab und tötete den Verwundeten.
»Eine unkluge Tat«, mischte sich Despair ein.
»Wer wagt es?«
Die imposante Gestalt des Ritters trat näher an den verwunderten Dorgonen heran. Despair hatte keine Angst vor Nersonos. Er schien genau zu wissen, was er tat.
»Ich wagte es, edle Hoheit. Du hast damit den einzigen gerichtet, der dir noch über seine Auftraggeber hätte berichten können.«
Nersonos fuchtelte wild mit seinen Armen und schlug seinen Umhang hin und her. Sein Gesicht drückte Irritation und Missfallen über die Worte Despairs aus. Dann schien er kurz über etwas nachzudenken und begann zu lachen.
»Du bist ziemlich vorlaut, doch hast du mich auch gerettet, während meine dorgonischen Soldaten unfähig daneben standen und zugesehen hätten, wie mein kostbares und unersetzbares Leben ausgelöscht worden wäre...«
Despair verneigte sich kurz. Schnell begriff der Galaktiker, dass er sich die Gunst dieses Dorgonen sichern konnte. Das war eine einmalige Gelegenheit, denn Nersonos hatte als Neffe des Kaisers Zugang zum Palast. Es gab keinen besseren, um den man sich bemühen konnte, dachte sich Despair.
»Doch sage mir, Freund. Kennen wir uns nicht?«
»Euer Scharfsinn ist beeindruckend. Ich bin Cauthon Despair aus der Milchstraße.«
»Der… der Milchstraße? Ohja, dort war ich habe Prosa darüber verfasst. Was tust du hier? Wo ist Seamus?«
»Tot. Die Mordred zerschlagen. Ich musste fliehen und habe mich diesen saggittonischen Händlern angeschlossen. Wir sind durch das Sternenportal vor Perry Rhodan geflohen.«
»Ach, so ist das. Der alte Seamus ist tot?«
Nersonos kicherte.
»Geschieht ihm recht. Er hielt mich für einen schlechten Poeten. Es ist eine göttliche Fügung, dass wir uns wiedertreffen. Mein Onkel bereitet immer noch die Invasion in deine Heimat vor.« Nersonos hielt inne und kicherte erneut schelmisch. »Das ist vielleicht nicht für alle Ohren bestimmt.«
»Gewiss, Herr«, sagte Despair nur.
Die anderen verfolgten das Gespräch schweigend und hofften, dass Despair nichts tat, was diesen Vorteil zum Nachteil wenden könnte. Doch er machte seine Sache gut.
»Doch wieso hast du mich gerettet? Du, der finstere Ritter aus fernem Lande ohne Bande zu meiner und deiner Schande?«
Nersonos lachte über seinen schlechten Vers.
»Was ich tat, musste ich tun. Du selbst sagtest, dein Leben sei vom größten Wert. Es war meine altruistische Pflicht, mein Leben für deines einzusetzen.«
»Oh, habt ihr das gehört?«, rief Nersonos und drehte sich zu Nirvus und den anderen um. »Dieser Mann weiß genau, mit welcher Persönlichkeit er es zu tun hat!«
Der Dorgone kicherte leise, dann blickte er fast ehrfürchtig die Rüstung an und ging einmal um Despair herum.
Nersonos stellte sich vor ihn und blähte seine Brust auf, was bei dem molligen Mann unfreiwillig komisch wirkte. Er streckte Despair seine Hand entgegen.
»Von nun an bist du, Cauthon Despair, mein Freund, denn du hast mein Leben gerettet. Ich möchte dich und dein Gefolge zum Dank am morgigen Tag zu einer Festlichkeit im Palast einladen!«
Despair verbeugte sich etwas und bedankte sich für diese großzügige Tat.
»Mein Prinz, dessen Gefolge und ich nehmen diese Einladung mit Freude an, Hoheit!«, bestätigte Cauthon Despair.
»Gut, so sei es!«, verabschiedete sich Nersonos, der wieder seine Sänfte betrat und von den vier Sklaven weggetragen wurde.
Nirvus begutachtete noch einmal Despair und die anderen, bevor auch er in die Sänfte stieg und dem Neffen des Kaisers folgte.
Aurec und Tifflor wechselten kurz einen Blick, dann gingen sie zu Despair. Beide waren hocherfreut über die Einladung. Dass sie so schnell einen Schritt weiter kommen würden, hätte keiner vermutet.
»Also gut, machen wir uns etwas fein. Wir werden den Kaiser Dorgons treffen«, sprach Aurec feierlich, zog sich seinen Mantel über und machte sich auf den Weg zum Hotel.
Am nächsten Tag wurden die Galaktiker und der Saggittone bereits sehr früh von einer Gleitereskorte abgeholt.
Centrus Valerus, der smarte Offizier an der Seite des Dux Celusian, bildete die Spitze des Empfangskomitees. Aurec stellte sich als »Prinz« Aurec vor. Centrus' Blick fiel nach einer Weile natürlich auf Sanna Breen, die in einem atemberaubenden schwarzen Ballkleid den Ausgang des Hotels verließ, dicht gefolgt von Cauthon Despair.
»Ein Anblick, schöner als die Sonne Dorgons.«
Sanna lächelte über das Kompliment des Dorgonen und bedankte sich, während sich Despair bedrohlich vor Valerus aufbaute.
»Sparen Sie sich Ihre Phrasen, Centrus und eskortieren Sie uns zum Kaiser!«
Der Centrus war über die barsche Art des Silbernen Ritters zutiefst erregt. Normalerweise hätte er ihn gleich in Haft gesetzt, doch dieser Fremde war der Retter Nersonos, dem mächtigen Neffen des Imperators. Schnell hatte es die Runde gemacht, dass Despair aus der Milchstraße kam und zu den Alliierten des Legaten Seamus gehört hatte. Valerus konnte nichts tun, außer über diese Bemerkung hinwegzusehen.
Nur die drei Besatzungsmitglieder der JAYJAY IV sowie Tyler und Japar blieben in ihren Quartieren. Da Aurec Tylers »reizende« Art kannte, wollte er unter keinen Umständen den Kaiser provozieren.
Joak Cascal trug eine edle Uniform, die wahrscheinlich noch aus Zeiten des Solaren Imperiums stammte. Er begrüßte Valerus von Soldat zu Soldat.
»Gäste des Nersonos! Ich geleite euch nun zum kaiserlichen Palast, dem Regierungsgebäude und Zentrum Dorgons!«
Aurec bestätigte mit einem kurzen Nicken, was gleichzeitig ein Zeichen der Bereitschaft war. Valerus deutete mit dem Finger auf die wartenden Gleiter.
»Bitte, meine Herren und meine Dame...«
Tifflor und Aurec stiegen als letzte ein. Julian wirkte bedrückt und zeigte eine sorgenvolle Mimik.
»Was ist?«, erkundigte sich der Saggittone.
»Mir macht nur die Ungewissheit Angst. Was wird uns erwarten?«, fragte er leise, doch sein Flüstern entging nicht den Ohren des Centrus, der seine Augen kaum von Sanna Breen lassen konnte.
»Habt keine Angst. Was euch erwartet, ist ein Treffen mit Gott!«
*
Selten hatten die Galaktiker oder Aurec einen solchen Aufmarsch an Streitkräften erblickt. Es waren unzählige Soldaten, die auf dem Jusilus-Platz, der größten Straße Doms, defilierten. Diese Allee zog sich über hunderte an Kilometern entlang. Sie war an beiden Seiten – nur von Nebenstraßen unterbrochen – mit einer mehrstöckigen Baureihe umschlossen. Wohnetagen wechselten sich mit Projektionslaufbändern ab. Die Eingänge zu diesen Bauten waren bogenförmig. Links und rechts neben einem Torbogen stand je ein drei Meter hoher Baum, der bis zum oberen Ende des Torbogens reichte. Die Gebäude wurden von Säulen gestützt, alle zwei Meter eine weitere Säule. Im Inneren der Säulen befanden sich die Aufzüge zu dem Wohnblock.
An den Balustraden und Balkons standen tausende Menschen, jubelten und winkten den aufmarschierenden Dorgonen zu.
Hunderte von Gleiterpanzern, normalen Gleitern, Fähren und Jets donnerten über die Stadt hinweg, umjubelt von Millionen feiernden Dorgonen, welche die Machtdemonstration ihres Reiches genossen. Der Boden der Prachtstraße war von besonderem Einfallsreichtum. Er schien aus einer großen Projektionsfläche zu bestehen, denn er änderte sich in regelmäßigen Abständen. Mal wurde Wasser projiziert, dann der Weltraum, eine Wiese oder Sand.
Zur Krönung des Spektakels brausten kleine Adlerraumjäger über die knapp 150 Meter breite Straße im Tiefflug hinweg.
Eine laute Fanfare wurde von der Militärkapelle gespielt, es folgte ein Marsch, der dem Rhythmus der im Gleichschritt marschierenden Soldaten Dorgons folgte.
Das Ende der Allee war zu erkennen. Sie mündete direkt in den Jusilus-Platz. Dieser schloss sich an den Pons Domus, dem Palast des Kaisers an. Während der Jusilus-Platz vor allem eine breite Fläche bot und von einer rot leuchtenden Mauer umgeben war, an deren Spitzen tausende Fahnen, Statuen und Hologramme dorgonischer Symbole prangerten, führte am Ende des Platzes eine Treppe mit einhundert Stufen hinauf zum eigentlichen Pons Domus, der sich etwa dreihundert Meter über den Jusilus-Platz erhob. Die einhundert Stufen führten etwa 20 Meter hinauf zum Podium des Kaisers selbst. Noch war er für Aurec nicht zu erkennen. Dahinter erstreckte sich der Palastkomplex auf den Hügeln, die bis zu 300 Meter hoch gingen. Dutzende Paläste, Gärten, Tempel und Statuen erstrahlten in einem spiegelnden, weißen Marmor. Das Spitzdach des gewaltigen Hauptgebäudes, welches sich im Zentrum des Pons Domus befand, war mit einem rotgoldenen Edelmetall verziert.
Eine schier endlose Schlange an festlich dekorierten Soldaten zog durch den Jusilus-Platz am Palast vorbei.
Fast unscheinbar wirkte die Eskorte der Galaktiker dagegen.
»Weshalb diese Parade?«, erkundigte sich Aurec.
Valerus lachte.
»Es ist der Geburtstag des Imperators, Prinz! Jedes Jahr wird eine solche Parade zu seinen Ehren abgehalten.«
Tifflor und Aurec nickten nur.
»Seht nur«, meinte Valerus und deutete auf das Podium. »Dort ist er: Kaiser Thesasian!«
Plötzlich baute sich eine gewaltige Projektion über dem Podium auf. Während der Kaiser winzig von ihrer Position aus wirkte, so erstrahlte er übergroß nun über dem gesamten Jusilus-Platz. Ein Hintergrundhologramm mit Sternen, Sonnen und Planeten verlieh ihm einen mystischen Hintergrund.
Da war nun Kaiser Thesasian! Der Mann, den die Dorgonen wie einen Gott verehrten. Er trug ein schwarzes Gewand, einen roten Umhang und einen goldenen Kranz auf dem Haupt. Das Gesicht war kantig, streng aber würdevoll. Die Augenpartie fesselte Aurec. Die grauen Augen des Herrschers wirkten fast hypnotisierend.
Neben ihm standen anscheinend seine Familienmitglieder. Auch Nersonos musste darunter sein.
Etwa ein Dutzend Soldaten und Berater hielten sich ebenfalls auf dem Podium auf. Virtuelle Vögel und Domadler kreisten nun über den Herrscher und boten den Beobachtern eine zusätzliche Show.
Aurec und Tifflor blickten gebannt auf die Parade und bemerkten einige besonders herausgeputzte Gleiter, die in langsamer Geschwindigkeit den Palast passierten und einen Handgruß dem Kaiser entsendeten, der das Schauspiel zu seinen Ehren genoss.
»Dux Celusian und Superior Dux Vesus«, erklärte Valerus, als könne er die Fragen der beiden erahnen.
»Celusian ist der Anführer aller Bodenstreitkräfte, während Vesus die Flotte befehligt. Sie beherrschen die gesamten Streitkräfte Dorgons mit einer Ausnahme; der Leibgarde des Kaisers. Sie untersteht mehreren nicht zu unterschätzenden Dorgonen. Praefektus Castrorum Digalinus ist einer von ihnen. Er ist in der Hierarchie zwar noch weit unter dem Anführer, dem Praefekt Tutum, auf Dorgon für den direkten Schutz des Kaisers verantwortlich, doch ein Günstling des Nersonos und sehr ehrgeizig. Die Prettosgarde schützt nicht nur den Kaiser und dessen Familie, sondern bildet auch den Geheimdienst. Ihr solltet besser nichts zu verbergen haben, denn Digalinus kennt kein Erbarmen und sucht nach Möglichkeiten, in der Hierarchie der Prettosgarde schnell aufzusteigen.«
Aurec war dem Dorgonen über diesen Einblick dankbar. Allerdings bemerkte er auch die versteckte Drohung. Valerus mochte zwar ein sonniger, freundlicher Zeitgenosse sein, doch er war Dorgone und loyal seinem Kaiser ergeben. Sie mussten vorsichtig sein, was sie sagten und taten.
Der Gleiter steuerte auf den Palast zu und landete auf einem der vielen Türme, die eigens als Gleiterlandeplatz errichtet worden waren.
»Es ist Zeit«, sprach Valerus.
Die inneren Hallen des Palastes waren ebenso gewaltig wie das Äußere. Hunderte von Trakten, Flügeln und Zimmern bot dieses Gebäude.
Valerus brachte die vermeintlichen Saggittonen, denn bis auf Despair konnte man sich schlecht als Galaktiker ausgeben, durch einen Nebeneingang, der diese Bezeichnung aufgrund seiner Größe jedoch eigentlich nicht verdiente, in eine Vorhalle, die voller prächtiger Statuen und Wandteppiche war.
Einige Sklaven und Roboter huschten durch den Saal und trugen Teller, Besteck, Getränk und Nahrung. Anscheinend bereiteten sie das Festessen vor.
Auch hier entdeckte Aurec wieder vier Statuen, die denen vor dem Palast glichen. Neugierig erkundigte er sich bei Centrus Valerus über diese Abbilder.
»Das sind die vier größten Kaiser des Reiches! Domulus, der Begründer Dorgons. Sulvetius, der Gründer des galaktischen Imperiums. Dann Jusilus, der das Kaiserreich wieder neu einführte und Decrusian, der Dorgon zu dem machte, was es heute ist!«
In der Stimme des jungen Dorgonen lag viel Stolz. Für ihn schienen diese Dorgonen wahre Götter gewesen zu sein.
»Einst wird Thesasian auch dazugehören, denn er wird etwas vollbringen, was noch keiner vor ihm schaffte«, führte der Dorgone weiter aus.
»Was soll das sein?« fragte Tifflor.
»Er wird eine fremde Galaxis erobern und dem Reich einverleiben!«
Aurec und Tifflor wussten, um welche Galaxis es sich handelte und schwiegen.
Valerus führte sie in den nächsten Raum. Es war ein Thronsaal. Die dunklen Wände wirkten eher wie Gestein aus einer Höhle. Eingesetzte Lampen, die eher wie tausende kleiner Diamanten wirkten, spendeten in dem gesamten Saal Licht. Doch auch die Decke spendete Licht, denn sie projizierte den Sternenhimmel über Dorgon wider. Die Sonne Dorgonia war überproportional dargestellt und die größte Lichtquelle im Raum. Der Boden bestand aus einem roten, weichen Teppich. Links und rechts neben ihnen befanden sich Sitzgelegenheiten und schwebende, kleine Tische auf denen die Nahrung abgestellt wurde.
Einige Wachen standen in Zweierreihen und warteten auf die Ankunft des Imperators.
Eine Fanfare erklang und die kaiserliche Familie betrat den Raum, den Abschluss bildete Kaiser Thesasian.
Valerus stellte leise die Familienmitglieder vor. Zuerst ging Carigul, der Sohn Thesasians in den Saal. Er trug eine Uniform, hatte blondgelocktes Haar und war von schmächtiger Statur. Gefolgt wurde er vom Bruder des Imperators, Klausius. Der bucklige Mann mittleren Alters fiel nicht nur durch seine Hässlichkeit, sondern auch durch sein Hinken, welches wohl durch ein zu kurzes linkes Bein hervorgerufen wurde, auf. Nersonos war bereits bekannt, ebenso wie Nirvus, der zwar nicht zur Familie gehörte, jedoch ein guter Freund und Berater des Monarchen war. Zuletzt kam der Kaiser selbst. Er trug noch immer sein schwarzes Gewand aus einem Seide ähnlichen Stoff, geziert mit einem goldenen Muster und einem roten Umhang. Sein Gesicht wirkte streng und kantig, seine Haare waren weiß. Die Augen des Herrschers strahlten Kälte aus. Thesasian sah sich eine Weile um, erhob die Hand zum Gruß und schritt sechs Stufen hinauf zum goldgrünen Thron. Auch in dieser Halle war Thesasian der Größte und überblickte die Gäste.
Inzwischen waren auch Vesus, Celusian und Digalinus eingetroffen. Vesus war sehr dünn und wirkte bereits im Gesicht eingefallen, was wohl auf seinen Lebensstil zurückzuführen war. Auch wenn er ein hervorragender und disziplinierter Soldat war, so genoss er in seiner Freizeit die Gunst der Frauen, des Weins und des Rauchens in vollen Zügen, informierte Valerus recht offen.
Digalinus, ranghoher Offizier der sogenannten Prettosgarde, war ein kantiger Kerl. Sein bärtiges Gesicht verlieh ihm den Eindruck eines harten, kompromisslosen Offiziers. Sein Äußeres, wie auch Inneres entzückte Nersonos jedoch, was natürlich niemand wissen durfte.
Der vierte Soldat im Bunde war Valurus, der Vater des Valerus'. Er war Dux der Flotte und die Rechte Hand Vesus'. Die vier Soldaten traten an den Kaiser heran und zogen ihre Schwerter zur Ehrerbietung. Sie gratulierten ihm und schworen ewige Treue.
Thesasian wirkte unnahbar. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Mit stechenden Augen beobachtete er bereits Aurec und die anderen. Er bedankte sich mit einem kurzen Kopfnicken bei seinen Soldaten und gab Valerus einen Wink, der die Galaktiker näher brachte.
»Das ist Prinz Aurec von Saggittor. Er und sein Gefolge sind intergalaktische Händler und haben Nersonos Leben gerettet«, erklärte der Centrus.
Thesasian sah tief in Aurecs Augen, beinahe so, als schien er ihn durchleuchten zu wollen.
Was denkt er?, fragte sich der Saggittone.
»Wer von euch hat Nersonos gerettet?«, waren schließlich die ersten Worte Thesasians.
Cauthon Despair trat hervor und beantwortete somit die Frage, ohne auch nur ein Wort zu sprechen.
Thesasian schien das erste Mal etwas wie Respekt in seiner Mimik zu zeigen.
»Dein Name ist Cauthon Despair, sagte man mir. Gekleidet wie ein Ritter mit der Flinkheit einer Katze. Ich danke dir für das Leben meines Neffen, der sich mehr auf die Kunst des Kampfes konzentrieren sollte, als vergeblich zu versuchen, die Muse zu bereichern!«
Nersonos blickte erschreckt zu seinem Onkel, der offensichtlich nicht zu den Verehrern von Nersonos Musik und Dichtungen gehörte.
Despair verneigte sich kurz. »Es war mir eine Ehre, Imperator!«
»Ich bin darüber informiert, dass du aus der Galaxie Milchstraße stammst. Nersonos überbrachte mir betrübliche Kunde vom Tod unseres Legaten Seamus und deiner Flucht.«
»Aus der Not verstand ich eine Tugend zu machen, Gebieter. Die Mordred war zu schwach, doch eine Invasion eurer kaiserlichen Flotte der Adlerraumschiffe werden die Galaktiker nichts entgegen setzen können.«
»Ich wünsche dies in einem privaten Gespräch zu späterer Stunde mit dir zu erörtern, Silberner Ritter. Mich interessiert deine Geschichte und die deiner illustren Begleiter. Ich frage mich, wieso ihr ausgerechnet nach Dorgon geflohen seid.«
Diese Frage klang eher wie eine Drohung. Thesasian lehnte sich zurück und zeigte den Ansatz eines Lächelns.
»Nun gut. Zum Zeichen meiner Anerkennung und aus Interesse über Euren Besuch, gestatte ich es Euch, eine Weile in meinem Palast unter meinem Banner zu wohnen. Seid auch herzlich zu dem heutigen Festessen eingeladen.«
Aurec nahm die Einladung im Namen aller an und bat Valerus auch Tyler und die anderen zu informieren.
*
Ein Tisch samt Gedeck schwebte zum Thron des Imperators hinauf. Seine Familie ließ sich unterhalb daneben nieder.
Jeder hatte eine Liege zur Verfügung, das Essen stand daneben. In der Mitte des Saals war ein Springbrunnen aus dem Boden gefahren worden und einige Frauen tanzten zu einer entspannten Musik im Hintergrund.
Aurec ging langsam auf die ihm und seinen Begleitern zugewiesenen Plätze zu. Man hatte sie direkt neben der kaiserlichen Familie platziert. Der Saggittone erkannte auf der anderen Seite den Konsul Uleman. Er hoffte, dass die Töchter des Politikers mit der Ware zufrieden waren.
Bevor Aurec dazu kam, Uleman zu grüßen, bemerkte er den angewiderten, verächtlichen Blick Thesasians zum Princips Protector von Mesaphan.
»Hätte ich gewusst, dass ich Blick auf des Hesophiers feisten Körper beim Speisen habe, so hätte ich mir eine Brechwurzel bestellt«, sagte der Kaiser spöttisch.
Uleman erhob sein Glas in Richtung Thesasian.
»Oh Kaiser und Herrscher über uns alle. Ich meine doch zu behaupten, dass mein abstoßendes Antlitz allein dir schon einen Würgereiz verschafft. Dazu benötigt es doch keiner Brechwurzel.«
»Wohl wahr. So verschont mich dennoch zumindest an meinem Geburtstag mit eurem liberalen Gewäsch von Gleichheit und Freiheit«, bemerkte Thesasian und wandte sich von dem Konsul wieder ab. Dieser schmunzelte vor sich hin und starrte mit großen Augen auf etwas, dass wie ein Brathähnchen aussah.
Die edelsten Speisen und Getränke der Galaxis wurden serviert. Die Senatoren, Generäle und hohen Gelehrten stürzten sich wie ausgehungerte Tiere auf das Essen und stopften es in sich hinein.
Carigul, der Sohn des Kaisers, nahm eine Schale voll Wein und leerte sie mit einem Zug. Aurecs Augen weiteten sich unwillig, als er das sah.
»Nun, Aurec, erzähle mir den Grund deines Besuches in Dorgon«, forderte Thesasian den Saggittonen auf.
»Nun, wir möchten Handel treiben«, erklärte Aurec gespielt freundlich. »Unser Volk besteht hauptsächlich aus Geschäftsleuten, die mit ihren Raumschiffen durch das Universum ziehen, um zu kaufen und zu verkaufen. Wir treiben auch Handel mit den Milchstraßenwesen. So sind wir auf Despair getroffen, der uns von dem mächtigen dorgonischen Imperium berichtet hat. Wir haben die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Er wollte zu euch und wir sahen enormen Profit.«
Thesasian musterte den Saggittonen misstrauisch. Ein Schauer lief Aurec über den Rücken. Dieser Dorgone war ihm nicht geheuer.
»Enormen Profit?«, murmelte Thesasian. »Nun gut, dann werde ich mir morgen ansehen, was du zu bieten hast, Saggittone...«
»Es wird mir eine Ehre sein.«
Carigul stand auf und torkelte von einer Seite zur anderen. Er nahm sich eines der Mädchen und begann sie wild zu küssen. Sie wehrte sich heftig und stieß den Betrunkenen von sich. Carigul verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden.
»Du Miststück! Das werde ich dir heimzahlen«, brüllte er hasserfüllt.
Er nahm einen Stock und drückte einen Knopf. Eine blaue Energiepeitsche wurde sichtbar. Carigul schlug auf die wehrlose Jerrer ein. Immer wieder und wieder. In seinen Augen blitzte es auf. Seine ozeanblauen Augen strahlten Wahnsinn aus. Er schien Freude daran zu haben, diese Frau zu quälen.
Es schien keinen der Dorgonen zu kümmern. Sie aßen weiter, tranken, lachten und unterhielten sich. Einige ignorierten die Folter an der Sklavin, andere blickten amüsiert hin, als würden Carigul und die Jerrer nur miteinander feixen.
Aurec konnte sich das nicht länger mit ansehen. Er stand auf und wollte zu Carigul rennen, um die Sklavin zu retten, doch Tifflor hielt ihn am Arm fest und schüttelte mit dem Kopf. Entsetzt sah Aurec tatenlos dem Schauspiel zu.
»Genug!«, bebte die Stimme des Imperators.
Überrascht drehte sich Carigul um. Er grinste verstohlen.
»Aber Vater, sie ist doch bloß eine Sklavin!«
»Nicht in meinem Haus, vor meinen Gästen. Benimm dich mein Sohn, oder verlasse die Feier!« Endgültigkeit lag in den Worten Thesasians. Cariguls Mundwinkel und Wangen zuckten unkontrolliert. Er ließ die Peitsche fallen und rannte aus dem Saal. Ein Gemurmel brach unter den Beteiligten aus, das jedoch von der Musik übertönt wurde.
Nersonos schüttelte mit dem Kopf und wandte sich Despair zu. »Nun, das ist der designierte Nachfolger meines Onkels. Carigul ist in meinen Augen ein gefährlicher Irrer und so schrecklich roh.«
»Ich verstehe!«
Nersonos wälzte sich zur anderen Seite, um ein paar Früchte aus einer Schale zu nehmen. Stück für Stück pickte er die Trauben vom Strauch und verschlang sie.
»Außerdem ist er ein Kulturbanause. Er weiß meine Reime nicht zu schätzen«, erzählte der Neffe Thesasians weiter. »Dabei fällt mir ein, Onkel? Dürfte ich meine neue Ode an die Langeweile vortragen?«
Thesasian blickte seinen Neffen unwirsch an. »Eine Ode mit solch einem Namen trägt sicherlich nicht zur Stimmung auf meiner Feier bei, deshalb ist sie unangebracht!«
»Wie unfair!«
»M... mach dir n... nichts da... da... daraus, Nersonos. Die wahre Gr... Größe von Künstlern stellt sich e... erst nach ihrem T... Tode heraus!«
Nersonos wandte sich seinem zweiten Onkel zu. Es war Klausius, der Bruder von Thesasian, der allerdings wenig an den imposanten Kaiser erinnerte. Klausius war hässlich und missgestaltet. Eines seiner Beine war zu kurz und die Dorgonen vertraten die Auffassung, dass ihr Gott DORGON jedem den Körper gibt, der ihm zusteht. Deshalb veränderten sie ihn nicht, auch wenn es chirurgisch möglich gewesen wäre. Außerdem war Klausius spastisch veranlagt. Oft bekam er Anfälle, sabberte und sein Sprachproblem war auch nicht von der Hand zu weisen. Dennoch war sein Geist klar und frisch, doch er wurde von niemandem ernst genommen. Aurec verstand nicht, wieso sie ihn nicht heilten. Alles nur wegen eines alten Aberglaubens. Die Dorgonen, so hatte Aurec inzwischen gelernt, differenzierten hier zwischen angeborenen Behinderungen oder jenen durch einen Unfall oder Fremdeinwirkung. Letztere durften geheilt werden, doch alles andere galt als »Wille DORGONS«. Dabei nahm man Leid und Tod der Geschädigten offenbar billigend in Kauf. Es bestätigte sich, dass in Dorgon das Recht des Starken regierte.
»Onkelchen, ich finde solche Bemerkungen angesichts des gestrigen Vorfalls ziemlich unangebracht. Bitte antworte mir nicht, das dauert zu lange.«
Klausius schwieg. Despair dachte sich seinen Teil. Die kaiserliche Familie war sehr seltsam. Nur Thesasian schien klaren Verstandes zu sein. Er war daher besonders gefährlich. Trotzdem musste sich Despair an Nersonos halten, so nervenaufreibend dieser Mann auch war.
»Nun, Nersonos, wenn es dir nichts ausmacht, kannst du mir nachher einige deiner Lieder vorspielen«, meinte der Ritter. Er hoffte, das nicht zu bereuen.
»Oh, wie lieb von dir. Natürlich werde ich dir heute Abend etwas vorspielen. Wenigstens einer, der sich für mich interessiert. Ich glaube das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!«
Nersonos erhob das Glas und streckte es gen Despair, der höflich zunickte. Dann leerte Nersonos den Becher und wischte sich die daneben gelaufene Flüssigkeit vom Kinn. Digalinus warf dem molligen Dorgonen einen vielsagenden Blick zu. Nersonos erwiderte ihn mit einem lustvollen Luftkuss. Despair wusste nicht genau, was er davon halten sollte.
Aurec ging zu Uleman herüber, während Tifflor versuchte Kontakte mit einigen Senatoren zu knüpfen.
Freundlich grüßte der Saggittone den Princips Protector von Mesaphan und Administrator der Welt Hesophia. Uleman stand zur Begrüßung auf und verbeugte sich kurz.
»Ich hoffe, deine Töchter hatten nichts zu beanstanden?«, erkundigte sich Aurec höflich.
»Wie bitte? Ach so, der Speicherkristall und der Schminkkoffer, nun, frage sie am besten selbst«, bekam er als Antwort. Uleman zeigte auf die beiden wunderschönen Frauen, die gerade aus einem Erfrischungsraum traten. Die Jüngere von ihnen wurde Aurec als Arimad vorgestellt. Sie war 16 Jahre, wirkte aber bereits sehr reif. Sie trug lange, glatte schwarzblaue Haare, hatte braune Augen, besaß ein niedliches, ebenes Gesicht und einen blassen Teint. Ihre Schwester hieß Ulesia. Aurec war von ihrer Schönheit verzaubert. Ähnlich wie ihre Schwester hatte sie lange schwarzblaue Haare, tiefe hellbraune Augen und eine hinreißende Körperbräune. Aurec verneigte sich vor beiden und begrüßte Ulesia mit einem Handkuss.
»Hätte ich von Ihrer Schönheit gewusst, hätte ich es niemals gewagt, Eurem Vater einen Schminkkoffer mitzugeben.«
Die schöne Dorgonin lächelte verlegen. Es war ein Lächeln, welches Aurec auf anderen Sphären schweben ließ.
»Vielen Dank, aber wer bist du?«
Aurec sah sie verwundert an, dann begriff er. »Oh, mein Name ist Aurec, Prinz der Saggittonen. Einem Händlervolk, welches von Galaxis zu Galaxis reist, um...«
»Um Schminkkoffer und Speicherkristalle mit grässlicher Musik zu verkaufen?«
»So in der Art.«
»Interessant. Davon kann man leben?«
»Sogar sehr gut!«
Uleman unterbrach mit einem Räuspern die Unterhaltung der Zwei. Aurec blickte etwas irritiert durch die Gegend, dann wurde ihm von Uleman ein Platz angeboten.
Die beiden unterhielten sich eine Weile, wobei Aurec bemüht war, mehr über die Geschichte Dorgons herauszufinden. Vielleicht konnte er dort einen Anhaltspunkt für den Grund der bevorstehenden Invasion finden. Natürlich konnte der Saggittone niemanden auf die Invasion ansprechen, damit würden sie sich sofort verraten.
Uleman, der im Gegensatz zu den meisten Dorgonen recht freundlich und nicht überheblich wirkte, verwies auf den alten Nirvus, der momentan der Geschichtsschreiber des dorgonischen Reiches war. Aurec beschloss am morgigen Tag diesen Nirvus aufzusuchen.
Ulesia warf Aurec immer wieder Blicke zu, die dieser versuchte zu übersehen, doch es fiel im sichtlich schwer. Er beschloss, sich von den dreien zu verabschieden und ging in den Garten. Dort erhielt er eine Interkomnachricht von Tyler, der zusammen mit Lorif und Dove auch in den Anlagen eingetroffen war.
»Tyler, sofern es möglich ist, schaut euch etwas um. Vielleicht könnt ihr etwas über die Technik der Adlerschiffe in Erfahrung bringen.«
Sam Tyler bestätigte und machte sich mit Lorif auf den Weg, während Dove und Wallace bei der JAYJAY IV blieben, die inzwischen auf einem der vielen Landetürme abgestellt war.
»Eine wunderschöne Nacht«, hörte Aurec eine Stimme. Sofort fuhr er herum, in der Befürchtung diese Person hätte sein Gespräch mitgehört.
Es war Ulesia. Sie war in ihrem weißen, silbern schimmernden Kleid bezaubernd. Aurec schenkte ihr ein verstohlenes Lächeln und ging näher.
»Ja, doch die Nächte auf Saggittor sind weitaus schöner«, sagte er sanft. Ulesia ging dicht an den Saggittonen heran.
»Erzähle mir mehr über die Nächte auf deiner Welt.«
Bevor Aurec etwas entgegnen konnte, tauchte bereits Uleman auf. Er schien über irgendetwas erbost zu sein. Aurec hoffte, dass nicht er der Grund war.
»Ulesia, wir gehen«, schnaubte der Konsul des Protektorates Mesaphan und stapfte zu seiner älteren Tochter.
»Was ist passiert, Vater?«, erkundigte sie sich besorgt.
»Ich hatte wieder eine politische Auseinandersetzung mit unserem Kaiser. Sein Bastard prügelt lieber das Leben aus den Jerrern, statt ihnen die Freiheit zu geben. Sie sind doch Dorgonen. Ach…!«
Das Gesicht Ulemans war rot angelaufen. Er schien einen wahrlich heftigen Disput mit Thesasian gehabt zu haben.
»Entschuldigt, ihr seid für eine Gleichberechtigung aller Dorgonen und ihrer Abkömmlinge?«, hakte Aurec nach, der sich nichts darunter vorstellen konnte.
Uleman warf ihm einen überraschten Blick zu, anscheinend hatte er Aurec bis zu dessen Frage nicht bemerkt. Er wischte sich eine Strähne von seiner verschwitzten Stirn.
»Was geht euch das an, Saggittone? Ihr seid Händler und habt nur einen Gott, den Profit. Vermutlich fordert ihr noch Preisrabatt auf ein paar Jerrer. Euch zu trauen, wäre nicht weise!«
Mit diesen Worten verabschiedete sich der Konsul. Ulesia warf Aurec einen hilflosen Blick zu, dann lief sie ihrem Vater hinter, bevor Aurec noch etwas sagen konnte. Er verstand die Bedenken Ulemans. Der Dorgone kannte die für ihn Fremden nicht. Dennoch schien er im Gegensatz zu dem Rest der Politiker und kaiserlichen Familie sozialer eingestellt zu sein. Nicht nur wegen Ulemans hinreißender Tochter wollte sich Aurec um Freundschaft bemühen.
Er trank sein Glas leer und ging wieder zu den Festhallen zurück. Die Stimme wirkte keineswegs gedrückt. Anscheinend waren solche Dispute an der Tagesordnung. Thesasian musste mit eiserner Hand regieren.
Trabon Saranos war inzwischen auch angekommen. Er hatte leichte Probleme, mit den Wachen klarzukommen, doch Julian Tifflor konnte sie davon überzeugen, dass er zu ihnen gehörte.
»Sir, ich habe einige Memowürfel über die Geschichte Dorgons in unseren Besitz gebracht. Dieser Nirvus war mir dabei recht hilfreich. Er scheint ein netter Mensch zu sein!«
Aurec war etwas misstrauisch. Dies sagte er auch dem emsigen Akonen, der eine Koryphäe auf seinem Gebiet war.
Tifflor drängte den Saggittonen, sich den Respekt Thesasians zu verdienen. Der Saggittone rief über Interkom Dove und Wallace, die allerlei Kostbarkeiten und Luxusgüter aus Saggittor und der Milchstraße brachten.
Der Kaiser zeigte sich zufrieden und bedankte sich für die Geschenke. Das erste Mal huschte ein Lächeln über das versteinert anmutende Gesicht Thesasians.
»Es ist spät und der morgige Tag wird viel Arbeit bringen. Ich wünsche eine gute Nacht«, sprach Thesasian und zog sich in seine Gemächer zurück.
Auch Aurec und Tifflor beschlossen, sich zurückzuziehen, um den Memowürfel genauer zu studieren.
Despair blieb jedoch weiter bei Nersonos, der Sturz betrunken durch den Raum torkelte und auf einem Synthesizer spielte. Seine Stimme war grässlich und die Musik unmelodisch. Es war eigentlich eine Beleidigung für die Ohren, doch niemand wagte etwas gegen den Neffen des Kaisers zu sagen.
Nach der Geschichtserzählung von Nirvus mussten Aurec und Tifflor eine Weile die neuen Erkenntnisse verarbeiten. Sie bekamen 100.000 Jahre dorgonische Geschichte verabreicht. Jetzt wussten sie mit Namen wie Domulus, Jusilus und Decrusian etwas anzufangen.
Interessant war für den Saggittonen, dass es eine Entität namens DORGON gab. Es war dieselbe Entität, die Nadine Schneider aus dem Reich der Toten geholt hatte. Was hatte DORGON vor?
Auch die Kosmokraten waren den Dorgonen nicht unbekannt. Ähnlich wie die Galaktiker konnten sich die Dorgonen von den Kosmokraten mehr oder weniger lossagen. Aurec überraschte es ein wenig, dass die Kosmokraten wirklich nachgegeben hatten.
Die wichtigste Information war jedoch das Auftauchen eines gewissen Cau Thons. Niemand wusste etwas mit diesem Namen anzufangen. Es war nur erstaunlich, dass dieser Name zusammengesetzt Cauthon ergab. War das ein Zufall oder bestand eine Verbindung zwischen dem rothäutigen Fremden und dem Silbernen Ritter?
Weder Tifflor noch Aurec konnten diese Frage beantworten. Aber eines war klar: Jemand anderes stand noch hinter Dorgon. Dieser Cau Thon hatte Thesasian dazu angestiftet, die Milchstraße anzugreifen. Er benutzte die Dorgonen, aus welchen Motiven auch immer. Was hatte Cau Thon gegen die Milchstraße? Handelte auch er im Auftrag eines Unbekannten?
Tifflor war verzweifelt. Immer wieder, wenn man glaubte weiter gekommen zu sein, hatte man doch nur eine Stufe einer sehr langen Treppe erklommen. Zuerst die Mordred, hinter der Mordred stand Dorgon, hinter Dorgon Cau Thon. Doch was symbolisierte dieses Wesen?
Niemand konnte diese Fragen im Moment beantworten. Die Situation wurde immer ernster. Nicht nur, dass man in Cau Thon einen neuen Feind gefunden hatte, so bestand die Gefahr einer Invasion durch das mächtige dorgonische Reich noch immer. Konnten die Galaktiker den über 300.000 Adlerschiffen mit einer überlegenen Technik etwas entgegen setzen? Nein, das konnten sie nicht. Es war immer noch unmöglich die Schutzschirme zu knacken. Die Lage war sehr verzweifelt.
Aurec und Tifflor begriffen dies sehr schnell. Sie brauchten unbedingt Verstärkung. Ihre neun Schiffe konnten den Krieg gegen eine ganze Galaxis nicht gewinnen.
Thesasian war müde. Noch immer hatte er den Tod seiner Frau Padarmia nicht überwunden. Ihr Tod hatte in ihm alles dorgonisch-empathische genommen. Es erinnerte ihn daran, dass auch seine Zeit begrenzt war. Er war nur noch von dem Gedanken beseelt, als erster Imperator in die Geschichtsbücher einzugehen, dem es gelungen war, eine fremde Galaxis zu erobern.
Der Dorgone traute diesem Cau Thon nicht sonderlich, dennoch war sein Angebot mehr als verführerisch gewesen. Anscheinend hatte dieser Cau Thon ein großes Interesse daran, die Galaktiker unterdrückt zu sehen.
Nun gut, warum auch nicht?, dachte Thesasian. Schon oft wurden sogenannte Interessenbündnisse geschlossen.
Die Vorbereitungen zur Invasion liefen auf Hochtouren. Der Tod des Legaten Seamus betrübte Thesasian ein wenig. Es verzögerte die Invasion. Der Kaiser würde diesen Silbernen Ritter aus der Milchstraße darüber morgen befragen. Er traute diesen Fremden nicht. Vielleicht waren sie Agenten aus der Milchstraße. Doch sie waren keine Gefahr für ihn und Dorgon. Ihre armseligen Schiffchen waren keine Herausforderung.
Das melodische Summen der Türklingel ließ Thesasian seine Überlegungen vorerst beenden. Er fragte nach, wer da sei.
»Hier ist Priamus, alter Freund!«
Ein Lächeln huschte über die Lippen des mächtigsten Mannes Dorgons. Er ließ den Besucher gewähren. Das Quartier des Imperators war edel und voller Luxus. Priamus war von solch einem Luxus stets angetan. Die beiden umarmten sich und Thesasian reichte seinem alten Freund einen Becher Wein.
Sie kannten sich seit ihrer Jugend. Priamus war dem Kaiser noch vor dessen Machtergreifung treu gewesen und hatte einst sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um Thesasians Geschwister – damals noch kleine Kinder – zu retten. Und er und dessen Vater hatten Thesasian die Treue im Kampf gegen seinen eigenen Vater, dem damaligen Kaiser, geschworen. Beide verband eine über achtzigjährige Freundschaft.
»Es tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte, aber ich hatte einige Probleme auf Mesoph«, entschuldigte sich der Konsul.
»Du hast eine lausige Feier verpasst. Was für Probleme?«
»Nun, die Galaktiker scheinen von unseren Plänen zu wissen. Sie sind in Dorgon!«
Thesasian stellte den Becher voll Wein ab.
»Mehr als ein Galaktiker?«
»Ja, mein Kaiser! Sie sind mit zehn Schiffen hier. Seamus ist tot. Sein Plan scheiterte jedoch und er starb. Diese Flotte soll uns ausspionieren und die Invasion verhindern!«
Thesasian sah nun klar. Cauthon Despair hatte nicht gelogen, was Seamus und die Mordred anging. Offenbar war er jedoch ein Überläufer.
»Hast du sie unschädlich gemacht?«
»Sie sind sehr zäh. Drei von ihnen konnte ich töten. Sie waren in Gefangenschaft und haben mir immerhin diese Informationen gegeben, bevor sie starben.«
»Das ist sehr schlecht, Priamus«, sagte Thesasian vorwurfsvoll und wanderte durch sein Gemach.
»Sie werden uns wohl kaum weglaufen«, vermutete der Konsul. »Ich habe die Namen der Anführer, ein Julian Tifflor und ein Aurec, wobei dieser Aurec nicht einmal Galaktiker ist, sondern aus der Galaxis Saggittor stammt«, fügte er hinzu.
Thesasian lachte.
»Diese Heuchler sind in meinem Palast und geben sich als Händler aus. Respekt vor dieser Impertinenz...«, murmelte Thesasian.
»Nehmen wir sie fest!«
»Nein! Noch nicht. Ich will sie alle haben. Ein enttarnter Feind ist nur noch ein halber Feind. Sollen sie noch eine Weile in dem Glauben leben, dass sie uns an der Nase herumführen. Sobald wir mehr über die Milchstraße herausgefunden haben, werden wir sie vernichten, erbarmungslos!«
ENDE
Die Galaktiker und Saggittonen haben die Zentralwelt Dorgon erreicht und die beeindruckende Stadt Dom betreten. Ihr Feind hat nun einen Namen und ein Gesicht: Kaiser Thesasian. Mehr darüber schildert Ralf König in Band 29 »Widerstand im Kaiserreich«.
Mit dem aktuellen Roman haben wir sehr viel über Dorgon erfahren. Die über 100.000 jährige Geschichte Dorgons beinhaltet durchaus Parallelen zur terranischen Antike. Dorgon – das ist auch so beabsichtigt – ist ein Römisches Imperium im Weltall.
Einige Figuren sind auch der bekannten Geschichte Roms angelehnt. So als Beispiel ist der Charakter des Nersonos natürlich durchaus mit Nero zu vergleichen. Carigul entspricht Caligula, während Klaudius dem Claudius entspricht. Die Julisch-Claudische Familie gehörte sicher zu den schillernden Kaisern der römischen Geschichte.
Rom an sich stand einerseits für Fortschritt, Zivilisation, aber auf der anderen Seite für Dekadenz, Krieg und Sklaverei. Diesen Widerspruch haben wir auch übernommen und so haben wir das Sternenreich Dorgon, das Rom im Weltraum.
Was wäre gewesen, wenn Rom seine Dekadenz überwunden hätte und nicht zerfallen wäre. Was wäre gewesen, wenn der oströmische Kaiser Justinian dauerhaft die Reichseinigung vollzogen hätte und die Vorherrschaft in Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten nie abgegeben hätte? Wie wäre die technologische Entwicklung weiter verlaufen?
Wäre die Menschheit früher in den Weltraum aufgebrochen oder wäre der Zusammenbruch Roms unumgänglich gewesen?
Das dorgonische Sternenreich jedenfalls hat wohl die Philosophie des alten Roms. Wir wissen nun, dass sich die Dorgonen durchaus bewusst sind, dass es Hohe Mächte gibt. Die Rolle der Entität DORGON ist sehr mysteriös. Nicht zu vergessen, dass es offenbar eine Verbindung zwischen alten dorgonischen, mythologischen Gottheiten als auch den terranischen Gottheiten aus dem alten, pharaonischen Ägypten gibt. In der Jetztzeit scheinen Gottheiten wie Horus und Anubis weder auf Terra noch auf Dorgon eine große Rolle in der Öffentlichkeit zu spielen. Doch gab es eine Verbindung? Das ist ein Geheimnis, welches noch gelöst werden muss.
Nils Hirseland
Thesasian ist seit 1216 NGZ Kaiser des Kaiserreiches Dorgon. Der Dorgone hat eine beeindruckende physische Präsenz, ist hochgewachsen, hat weißes Haar, hager und fast schon hypnotisierende Augen. Er ist in den alten Jahren verbittert, hart und ein absoluter Machtmensch.
Der Dorgone wird auf Dom im Jahre 1181 NGZ geboren. Er wächst als Sohn des Preconsus Thesufus auf. Thesufus gelingt es unter dem Kaiser bis zum Pricips Protector (Konsul) des Protektorates Jusilus aufzusteigen. Er wird zu den engen Vertrauten des Kaisers. Thesasian genießt eine vornehme Schule und eine exzellente Ausbildung in der Armee und in der Flotte. Thesasian bekommt viel Liebe von seiner Mutter zu spüren, jedoch meist nur Desinteresse von seinem Vater Thesufus.
1199 NGZ wird Thesasians Bruder Klaudius geboren. Doch dessen spastische Erkrankung lassen Thesufus sich mehr von seiner Familie abwenden. Thesasian hingegen übernimmt Verantwortung für seine Mutter und seinen schwächlichen Bruder.
1207 NGZ beginnt Thesasians Vater eine Affäre mit der Kaiserin. Thesasian erfährt davon und entfremdet sich noch mehr von seinem Vater. Thesasians Mutter leidet darunter, doch sie erträgt schweigend die Demütigung.
1211 NGZ wird Alupia geboren. Doch die Geburt des dritten Kindes kittet die Familie nicht. Thesasian ist Dekurio und wird im Protektorat Harrisch eingesetzt. Thesufus schmiedet Pläne für einen Putsch.
1215 NGZ ist es soweit: Pytagos stirbt. Es ist unklar, ob Thesufus dahinter steckt. Dieser lässt jedenfalls seine eigene Gattin ermorden und heiratet die Kaiserwitwe. Der junge Centrus Priamus rettet Klaudius und Alupia vor dem Blutrausch des eigenen Vaters und bringt die Brüder zu Thesasian im Protektorat Harrisch. Dieser ist so erbost über den Mord an seiner Mutter, dass er dem Kaiser die Treue verweigert und rebelliert. Das Protektorat sagt sich von Thesufus ab und unterstützt Thesasian. Nach einigen Monaten des Kämpfens, steht Thesufus auf verlorenem Posten.
1216 NGZ erobert Thesasian fast kampflos Dom. Er entthront seinen Vater und lässt ihn und seine Frau auf dem Jusilus-Platz verbrennen. Der Senat erhebt den jungen Thesasian zum neuen Kaiser Dorgons.
1229 NGZ: Thesasian heiratet die Senatorentochter Padermia. Es ist die Liebe seines Lebens.
1254 NGZ: Geburt von Thesasians einzigem Kind: Seinem Sohn Carigul.
1279 NGZ: Cau Thon reist nach Dorgon und erklärt dem Kaiser Thesasian, dass die Milchstraße eine Goldgrube wäre und schlägt eine Allianz vor. Thesasian spielt schon lange mit dem Gedanken an eine Eroberung einer fremden Galaxis, da er Reformen bei den Sklaven versprochen hat. So benötigt er Sklaven aus fremden Galaxien für Dorgon. Der Senator Seamus wird zum Legaten des Kaisers ernannt. Cau Thon informiert die Dorgonen über das Sternenportal in dem Protektorat Harrisch.
1284 NGZ: Die Kaisergattin stirbt unter mysteriösen Umständen im Hause des wohlhabenden Senators Uleman. Thesasian erhebt keine Anklage gegen den widerspenstigen Senator, der seit Jahren als Befürworter der Republik gilt. Es gibt Gerüchte, die Kaisergattin und Uleman hätten ein Verhältnis miteinander gehabt.
ca. 141.000 v. Chr.: Auf der Welt Dorgon bilden sich die ersten primitiven Nomadenstämme.
ca. 139.000 v. Chr.: Die Völker der echsenähnlichen Tutsamanen und der Vogelwesen Zarketos werden die vorherrschenden Mächte in der Galaxis, während die Charkos immer mehr an Bedeutung verlieren.
ca. 125.000 v. Chr.: Eiszeit auf Dorgon
ca. 124.500 v. Chr.: Eiszeit endet
ca. 121.000 v. Chr.: Völkerwanderung auf Dorgon beginnt. Die ersten richtigen Kulturen bilden sich langsam.
ca. 114.600 v. Chr.: Krieg zwischen den Tutsamen und Zarketos, der erfolgreich für die Echsen ausgeht.
ca. 103.152 v. Chr.: Das Volk der Ägonen wird zur Weltmacht auf Dorgon.
ca. 98.100 v. Chr.: Die Ägonen verlieren an Macht und werden von den Sulviten abgelöst.
ca. 95.500 v. Chr.: Die Charkos beginnen mit einer galaktischen Invasion und erobern Dorgon. Die Völker werden versklavt und als Nahrung verwendet.
ca. 91.000 v. Chr.: Der junge Ägone Domulus eignet sich die Technik der Spinnenwesen an und beginnt einen erfolgreichen Aufstand. Mit Hilfe einer dorgonischen Krankheit, die auf die Charkos tödlich wirkt, werden die Spinnenwesen geschlagen. Domulus eint den Planeten und puscht die Technik voran, sodass innerhalb von nur 100 Jahren die Dorgonen die Raumfahrt nutzen, um andere Planeten zu kolonisieren.
ca. 90.875 v. Chr.: Domulus stirbt! Zu seinen Ehren wird die Hauptstadt Dom errichtet. Der Dorgone setzt sich bereits als höchste Lebensform im Universum an. Domulus Nachfolger Romanus wird zum König über Dorgon gekrönt und beginnt mit der Erforschung der umliegenden Systeme.
ca. 87.240 v. Chr.: Die Dorgonen treffen auf die Tutsamen und ein Krieg entbrennt.
ca. 86.000 v. Chr.: Die stark geschwächten Tutsamen verbünden sich mit den Zarketos und Charkos. Der 10.000 jährige Krieg beginnt.
ca. 76.000 v. Chr.: Der Krieg endet grausamen. Die inzwischen technisch hochstehenden Dorgonen verwenden tödliche Viren und Kernfusionswaffen, um den Gegner zu besiegen. Nach hohen Verlusten und der Ausrottung der Charkos ergeben sich die anderen beiden Völker. Doch die Dorgonen kennen keine Gnade. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte werden auch die Tutsamen und Zarketos ausgerottet. Das galaktische Imperium Dorgon wird ausgerufen, dessen erster Kaiser Sulvetius ist. Die anderen Völker werden nun versklavt und absichtlich technisch dumm gehalten.
ca. 41.700 v. Chr.: Das degenerierte Kaiserreich beginnt zu bröckeln. Kaiser Romus XI wird ermordet. Seine drei Söhne streiten sich um den Thron. Es kommt zur Teilung des Reiches. Die rivalisierenden Parteien bekriegen sich.
ca. 39.200 v. Chr.: Ostdorgon wird liberaler. Den Außerirdischen werden mehr Rechte eingeräumt. West- und Süddorgonen bekriegen sich weiterhin.
ca. 37.000 v. Chr.: Die Dorgonen haben den Krieg satt. Unter der Führung des weisen Pasus wird Dorgon geeint und zu einer Republik gemacht, die in friedlicher Koexistenz mit allen Völkern leben soll.
ca. 25.000 v. Chr.: Der intrigante Konsul Zabasus versucht die Machtübernahme, doch seine Revolte schlägt fehl.
ca. 21.500 v. Chr.: Der Kosmokrat Sipustov taucht auf und bittet die Dorgonen um Mitarbeit. Der Senat nimmt das Angebot der Entität an.
ca. 14.250 v. Chr.: Nach vielen Kriegen und Auseinandersetzungen mit den Mächten des Chaos beendet Dorgon die Allianz mit den Kosmokraten. Trotz Strafexpeditionen der Mächte der Ordnung kann sich Dorgon behaupten. Der Hypertronschirm und der Hypertronimpulser werden entwickelt, womit den Kosmokratenflotten schwere Verluste zugefügt werden kann. Doch die Kämpfe dauern lange an.
ca. 12.100 v. Chr.: Die Republik hat zwar die Autarkie behalten, ist jedoch schwer angeschlagen nach den kräftezehrenden Schlachten gegen die Kosmokraten. Der Zerfall der Republik beginnt.
ca. 9.245 v. Chr.: Die Republik ist offiziell zerfallen. Aus Dorgon entstehen viele kleine Fürstentümer, die jedoch zusammen immer noch den Titel Reich Dorgon tragen und bei Konflikten zusammenstehen.
ca. 8.700 v. Chr.: Es bilden sich wieder Ost- und Westdorgon, die Autark bleiben, jedoch wieder die Republik als Ganzes ins Leben rufen.
ca. 1700 v. Chr.: Der Konsul Jusilus stürzt die beiden Kanzler und eint das Reich. Er lässt sich zum Kaiser krönen und ruft das alte Imperium wieder aus. Der Nationalstolz der Dorgonen wird wieder ins Leben gerufen und den Außerirdischen ergeht es schlecht. Die Streitkräfte werden aufgerüstet und die Galaxis in Protektorate eingeteilt.
ca. 1651 v. Chr.: Jusilus wird ermordet. Sein Nachfolger Decrusian bestraft die Attentäter und vollendet den Aufbau des galaktischen Imperiums.
ca. 1181 NGZ: Geburt Thesasians
ca. 1199 NGZ: Geburt von Klausius
ca. 1211 NGZ: Geburt von Alupia
ca. 1215 NGZ: Tod von Pytagos. Thesasians Vater lässt dessen eigene Frau umbringen und heiratet die Kaiserwitwe. Thesasian rebelliert gegen seinen Vater und erfährt Unterstützung durch das Protektorat Harrisch.
ca. 1216 NGZ: Thronbesteigung von Thesasian. Thesasian lässt seinen Vater und die Kaiserwitwe töten.
ca. 1254 NGZ: Geburt von Carigul
ca. 1259 NGZ: Geburt von Nersonos
ca. 1279 NGZ: Schlacht am Throgahn-Dreieck bei dem die Widerstandsgruppe "Neue Republik" vollständig aufgerieben wurde und der Anführer Erastos ermordet wurde. Diese Schlacht machte den heldenhaften Soldaten Vesus zum Oberkommandanten der dorgonischen Streitkräfte.
1279 NGZ: Cau Thon reist nach Dorgon und erklärt dem Kaiser Thesasian, dass die Milchstraße eine Goldgrube wäre und schlägt eine Allianz vor. Thesasian spielt schon lange mit dem Gedanken an eine Eroberung einer fremden Galaxis, da er Reformen bei den Sklaven versprochen hat. So benötigt er Sklaven aus fremden Galaxien für Dorgon. Der Senator Seamus wird zum Legaten des Kaisers ernannt. Cau Thon informiert die Dorgonen über das Sternenportal in dem Protektorat Harrisch.
1280 NGZ: Die HESOPHIA unter dem Kommando des Petronus bricht zusammen mit Seamus das erste Mal in die Milchstraße auf und trifft sich auf Mashratan mit Wirsal Cell und Oberst Kerkum. Die Mordred wird im Geheimen gegründet und von den Dorgonen technologisch unterstützt.
1282 NGZ: Sklavenrevolte im Protektorat. Die Jerrer rebellieren abermals gegen die Herrenkaste. Jerrer fordern gleiche Rechte als Bürger Dorgons für sich. Die Revolte wird von Priamus, dem Statthalter des Protektorates niederschlagen.
1284 NGZ: Die Kaisergattin stirbt unter mysteriösen Umständen im Hause des wohlhabenden Senators Uleman. Thesasian erhebt keine Anklage gegen den widerspenstigen Senator, der seit Jahren als Befürworter der Republik gilt. Es gibt Gerüchte, die Kaisergattin und Uleman hätten ein Verhältnis miteinander gehabt.
1285 – 1289 NGZ: Volksaufstand der Bulabas. Sie erheben sich gegen Dorgon und gehen in den Widerstand. Trotz eines großen militärischen Erfolgs durch Vesus, bleiben die Bulabas hartnäckig auf ihren Welten. Der Bulabas-Krieg gehört zu den Blutigsten in der jüngeren Geschichte. Der Dekurio Carilla verdient sich den Spitznamen "Der Schlächter" durch Massaker auf Bulabas-Welten.
Dom ist die Hauptstadt des Planeten Dorgon und Zentrum des Imperiums Dorgon. Die alte Stadt wurde zu Ehren des Domulus, dem Begründer der vereinten dorgonischen Kultur, vor mehr als 90.000 Jahren erbaut und wurde seitdem immer erweitert und modernisiert. Das Gründerviertel liegt an der Quelle des Fluss Ägois am Berge Sulvit. Sie ist modern wie Terrania City und antik wie das alte Rom zugleich. Es gibt unterschiedliche Flüsse und Seen in Dom, der größte und längste Fluss trägt den Namen Domar.
Unterhalb von Dom erstreckt sich ein weit verzweigtes Netzwerk an Gängen, still gelegten Rohrbahnen, der Kanalisation und alten Wohnsilos. Die "Unterwelt" wie sie genannt wird, ist Zuflucht für die Armen und Gesetzlosen der Galaxis.
Sehenswürdigkeiten
· Forum Preconsus: Sitz des Senats
· Pons Domus: Kaiserpalast. Der Pons Domus liegt auf einem Hügel. An ihn grenzten der Jusilus-Platz und die gewaltige Hauptstraße im Süden. Im Osten erstreckten sich große Parkanlagen und ein künstlicher See. Im Süden befand sich der Sport- und Kampfkomplex Madisonus Squarus. Eine gewaltige Sportanlage mit Stadien und Arenen. Im Norden lag der kaiserliche Raumhafen.
· Jusilius-Platz: Parade-Platz vor dem Pons Domus.
· Jusilus-Allee: Sie liegt vor dem Parade Platz und erstreckt sich über viele Kilometer. Sie wird für Paraden genutzt, die sich auf den Pons Domus zubewegen.
· Decrusian-Zentrum: Erhobenes Zentrum an Geschäften, Museen, Restaurants, welches auf Säulen über 30 Meter in der Luft steht. Darunter befindet sich ein See.
· Decrusian-Martkplatz: Der hufeisenförmige Marktplatz schließt sich an das Decrusian-Zentrum an und ist der größte und wichtigste Marktplatz von Dom.
· Madisonus Squarus: Arenaanlage mit Stadien, Arenaplätzen und einem Rondel für Gleiterrennen. Zentrum der sportlichen Unterhaltung von Dom.
· Domsauna: Ein Freibad am Ägois. Berüchtigt für ausschweifende Feiern.
· Ägois-Brauerei: Herstellung von klarem, wohlschmeckendem Wasser aller Art aus der Quelle des Ägois.
· Sulvitalon: Das Museum erstreckt sich über die dorgonische "Uralt-Stadt" und führt durch 90.000 Jahre Geschichte Dorgons.
· Rhetoricum Scientia: Größte Universität und Akademie Doms.
Priamus ist ein Dorgone. Im Jahre 1292 NGZ ist der Princips Protector des Protektorat Harrisch. Er ist Beherrscher der Welt Mesoph und mächtiger Konsul. Priamus gehört zu den einflussreichsten Dorgonen im Kaiserreich. Hinzu kommt eine tiefe Freundschaft zum Kaiser Thesasian. 1188 NGZ geboren genoss Priamus als Sohn des reichen hesophischen Unternehmers Skatus. Diese wurde 1203 NGZ Preconsus von Mesoph und schickte seinen Sohn auf die militärische Akademie. Nach dessen Absolvierung 1208 NGZ lernte Priamus den ranghöheren aber ebenso noch jungen Thesasian kennen. Beide freundeten sich an. Priamus gehörte zu den wenigen Dorgonen, denen Thesasian seine familiären Probleme und seinen Hass gegenüber seinem Vater anvertraute.
1215 NGZ dient Priamus in der Prettosgarde als es zur Machtergreifung von Thesufus, dem Vater Thesasians kommt. Dieser lässt zuvor seine eigene Frau hinrichten. Priamus desertiert von den Prettosgardisten, als er Wind davon bekommt, dass Thesufus seine verhassten Kinder Klaudius und Alupia töten will, nachdem sich Thesasian aufgrund des Mordes an seiner Mutter von dem Kaiser lossagt. Priamus rettet Alupia und Klausius und flieht ins Protektorat Harrisch, wo sein Vater den neuen Kaiser nicht anerkennt. Unter militärischer Führung von Thesasian und dem politischen Geschick von Skatus endet die unrühmliche Ära des Thesufus schnell.
Priamus beerbt 1230 NGZ das Erbe seines Vaters und wird sofort von Thesasian zum Konsul erhoben. Priamus gilt unter Thesasian als mächtigster Mann Dorgons und Mitkonstrukteur der Thesasianischen Ära.
Steckbrief
Geboren: 1188 NGZ
Geburtsort: Mesoph, Dorgon M100
Größe: 1,81 Meter
Gewicht: 72 kg
Augenfarbe: blaugrau
Haarfarbe: grau
Bemerkungen: altes und ledriges Gesicht, sehr herrisch und arrogant, gut informiert, guter Freund Thesasians.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2015
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 28, veröffentlicht am 10.07.2015 —
Titelillustration: Stefan Lechner • Innenillustration: Klaus G. Schimanski
Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Digitale Formate: Jürgen Seel