Cover DORGON-Band 26

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Band 26

M 100-Zyklus


Im dorgonischen Imperium

Nachforschungen im Protektorat Harrisch


Ralf König & Ricky Blankenaufulland



Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Im Juli 1292 NGZ erreicht eine Expeditionsraumflotte von zehn Raumschiffen über das Sternenportal der Lokalen Gruppen die Galaxie M 100 – Heimat des mächtigen Sternenreiches Dorgon.

Nachdem die Dorgonen über Jahre hinweg die galaktische Terrororganisation Mordred unterstützt haben, befürchten die Terraner, aber auch die Saggittonen eine mögliche Invasion der Dorgonen in der Milchstraße und vielleicht auch Saggittor.

So sind zehn Raumschiffe unter der Leitung des saggittonischen Kanzlers Aurec und des LFT-Ministers für Außenpolitik Julian Tifflor aufgebrochen, um die wahren Pläne der Dorgonen zu erfahren.

Nun befinden sie sich mitten IM DORGONISCHEN IMPERIUM …
Aurec – Expeditionsleiter und Kanzler der Republik Saggittor.

Julian Tifflor – Der Terraner leitet einen Einsatz.

Trabon Saranos – Ein Akone, der etwas Wichtiges herausfindet.

Ojemus – Ein schmieriger Stadthalter der Welt Cermium.

Carcus – Der dorgonische Dekurio trifft eine Entscheidung.

Joak Cascal – Der Terraner ist abgelenkt.

Nadine Schneider – Die Botin lebt sich langsam auf der TAKVORIAN ein.

Xavier Jeamour – Kommandant der IVANHOE.

James Fraces – Stellvertretender Kommandant der IVANHOE.

Lorif, Mathew Wallace, Irwan Dove und Jennifer Taylor – Besatzungsmitglieder der IVANHOE.

Erste Erkenntnisse

Julian Tifflor saß in seiner Kabine und beschäftigte sich noch einmal mit dem ersten planetaren Einsatz in M 100, dem Sternenreich Dorgon.

Der Planet Jungle war Gegenstand des ersten Besuches durch die IVANHOE gewesen. Nachdem die Mitglieder der Flotte einen ersten Kontakt mit den fremden Wesen hergestellt hatten, wurden ihnen auch gleich die Schattenseiten dieser Galaxie aufgezeigt.

Offenbar waren die Einheimischen des Planeten Harrisch den Dorgonen gegenüber tributpflichtig. Tifflor hielt nicht das Geringste von einer solchen Form der Abhängigkeit, aber natürlich konnte er derzeit nichts an den Verhältnissen in dieser Galaxie ändern.

Er verachtete die Dorgonen für ihr Vorgehen. Sie hatten den Einheimischen befohlen, ihnen einen höheren Tribut abzuliefern, was sicher das zweifelhafte Vorrecht eines jeden Gewaltherrschers war.

Die Harriden hatten sich jedoch geweigert mit dem Hinweis, dass sie einfach nicht mehr geben konnten, als der Planet hergab. Einen kleinen Teil der Erzeugnisse mussten sie aus Gründen der Selbsterhaltung für sich behalten und darauf hatte der Häuptling Hak-Yak auch hingewiesen.

Dekurio Carcus, der Anführer der dorgonischen Eintreiber auf Jungle, hatte nicht das geringste Verständnis für die Bewohner gezeigt. Ohne jegliche Gefühlsregung hatte er angekündigt, das Dorf der Harriden dem Erdboden gleich machen zu wollen, was dann auch geschah. Die ansässigen Harriden hatte er kurzerhand mitgenommen, um sie als Sklaven irgendwo zu verschachern.

Leider waren die Terraner nur mit einer Space-Jet vor Ort gewesen und so konnten sie das Schlimmste nicht verhindern. Der Oxtorner Irwan Dove und seine Expedition hatten keine Chance gegen die Dorgonen. Beinahe hätten sie ihr Leben verloren, aber im letzten Moment gelang ihnen die Flucht mit einem Transmitter.

Wieder hatten sie ein Beispiel für die Härte der Dorgonen erhalten. Ihr Vorgehen entsprach exakt dem, was sie in der Milchstraße gezeigt hatten: aggressiv und sehr kompromisslos gegen andere, aber auch mutig. Ein Volk voller Widersprüche.

Aus dem Codex-VII für Raumfahrer der Milchstraßen-Expedition wusste Tifflor, dass die Dorgonen großen Wert auf die Zivilisation legten. Aber offenbar galt dies nicht für Wesen, die sie als Barbaren oder Primaten betrachteten. Tifflor wusste nur zu gut, dass solche Imperien zwei Seiten besaßen. Der Wohlstand der Oberschicht und Mittelklasse lastete auf den Schultern versklavter Völker.

Tifflor riss sich zusammen. Er wollte nicht abschweifen. Langsam erhob er sich, dachte noch einmal über alles nach, was sie nun unternehmen konnten. Entschlossen wandte er sich dann zur Tür und verließ die Kabine. Mit raschen Schritten näherte er sich der Zentrale, wo ihn der Erste Offizier der GOLDSTAR, der Apaser Taröty Jylk, schon erwartete. Mit einer knappen Handbewegung begrüßte dieser den Oberkommandierenden der Expedition.

Jylk war der Dritte Mann an Bord neben Henry Portland und Julian Tifflor. Tifflor hatte eigentlich mehr eine Beobachterrolle auf der GOLDSTAR. Dennoch wurde er von der Besatzung behandelt, als sei er der eigentliche Kommandant. Zuweilen missfiel Portland das, doch »Flak« war zu sehr Profi und viel zu pflichtbewusst, um dies laut auszusprechen. Nur hier und da interpretierte Tifflor die eine oder andere Gestik und Mimik Portlands so, als sei dieser nicht immer glücklich über die Verehrung Tifflors an Bord des NOVA-Raumschiffes.

»Keine besonderen Vorkommnisse«, meldete der Apaser.

Das bezog sich auf alle Ereignisse seit dem missglückten Einsatz auf Harrisch, aber vor allem auf die Zeit, die Tifflor außerhalb der Zentrale verbracht hatte. Nicht dass Tifflor sich das nicht hätte denken können. Wäre etwas Schlimmes vorgefallen, wäre ihm das sicher nicht verborgen geblieben.

Trotzdem bedankte er sich und nahm seinen Platz in der Mitte der Zentrale ein. Er drehte sich halb in Richtung Funkstation.

»Empfangen wir immer noch Funksprüche der Harriden?«

Der Funker bejahte.

Als Harriden wurden inzwischen generell die Bewohner dieses Sektors bezeichnet, welcher offenbar den Namen »Protektorat Harrisch« trug. Im Laufe des Tages trudelten immer mehr Nachrichten und Berichte der anderen Raumschiffe ein. Die eselähnlichen Harriden auf Jungle waren eher rückständige Vertreter. Andere Harriden beherrschten die Raumfahrt, waren zwar zahlenmäßig die vorherrschende Spezies in einem Umkreis von etwa ein- bis zweitausend Lichtjahren, jedoch nicht die dominierende Rasse.

Tifflor setzte sich in den Sessel neben dem Kommandosessel. Er ließ Portlands Platz absichtlich frei. Während Portland in seiner Kabine die neuesten Meldungen studierte, tat Tifflor dies in der Zentrale. Dabei störte ihn das teilweise emsige Treiben nicht. Im Gegenteil, er genoss es, im Herzen der GOLDSTAR zu sitzen und die Aktivitäten der Besatzungsmitglieder auf sich einwirken zu lassen.

Zuerst las Tiff den Bericht der TAKVORIAN, die achthundertsiebzig Lichtjahre von hier Untersuchungen durchführte. Cascal schrieb darin über zivilisierte Harriden, die sich hauptsächlich mit dem Abbau von Erzen und Mineralien auf Asteroiden beschäftigten. In den acht Sonnensystemen, welche von der TAKVORIAN beobachtet wurden, befanden sich sechzehn Stationen der Dorgonen: je eine Raumstation im All und eine stadtgroße Kaserne auf dem Planeten.

Ähnliches wurde auch von den anderen Raumschiffen berichtet. Die SAGRITON berichtete zudem über organisierte Sklaverei. So gab es auf dem Planeten Herrish VII einen Sklavenmarkt. Dorthin wurden junge Harriden aus allen Sonnensystemen gebracht. Sie wurden von Dorgonen begutachtet und dann entsprechend gekauft. So gab es auch Harriden, die sich darauf verstanden, ihre eigenen Artgenossen zu entführen und zu verschachern.

Die Sklaven wurden namentlich erfasst und ihnen wurde ein Chip mit ihren Daten, ihrem Gesundheitszustand, der Besitzerurkunde und einem Peilsender implantiert.

Die Saggittonen hatten bei ihren Beobachtungen drei weitere Völker spezifiziert. Die Ponas erinnerten an große Walrösser. Sie waren weniger als Bedienstete, dafür aber als Krieger und Gladiatoren bei den Käufern beliebt. Die Elevus erinnerten an Unither. Über ihre Charakteristika war bisher wenig bekannt. Das dritte Volk trug den Namen Bulabas. Es waren orangefarbene Kugelwesen mit allerlei Tentakeln. Sie spielten offenbar eine etwas höhergestellte Rolle. So bemerkten die Saggittonen, dass Bulabas oft als Sekretäre und Assistenten von dorgonischen Sklavenhändlern ihren Dienst taten.

Die SIOM SOM meldete, dass eine Welt namens Mesoph vermutlich der Hauptsitz des Protektorates Harrisch war, welches sich weit über diesen Sektor ausdehnte.

Eines kristallisierte sich jedenfalls schnell heraus: Die Dorgonen waren das Herrschervolk in M 100. Sie sahen nichtdorgonische Spezies nicht als gleichberechtigt an und schienen sie vornehmlich zu versklaven und auszubeuten. Anscheinend gab es auch Völker mit unterschiedlichen Klassifizierungen.

Der Milchstraße würde ein ähnliches Schicksal blühen, sollten die Dorgonen eine erfolgreiche Invasion durchführen.

*

Joak Cascal saß schweigend auf dem fest installierten Büromöbel.

Es schien, als starrte er ins Leere. In Wirklichkeit entging ihm nicht, was sich um ihn herum abspielte. Direkt vor seinen Augen befand sich die Oberfläche seines Schreibtisches mit eingelassenen Bildschirmen. Theoretisch konnte er von hier aus das gesamte Schiff kommandieren. Trotzdem würde er jederzeit seinen Kommandantensessel bevorzugen.

Daher nahm er auch kaum war, was auf den Bildschirmen angezeigt wurde. Ergäben sich irgendwelche Veränderungen, dann würde er das sofort registrieren.

Seine Aufmerksamkeit galt in diesem Moment allerdings einer anderen Person, die im Raum anwesend war. Nadine Schneider saß auf einer Couch auf der anderen Seite des Raumes. Sie war seiner Beobachtung unterstellt worden und er nahm diese Aufgabe vielleicht etwas ernster, als er eigentlich sollte.

Die junge Frau hatte sich entspannt auf der Couch zurückgelehnt. Sie bewegte sich nicht, beobachtete aber aufmerksam, was um sie herum geschah. Sie sagte kein Wort und so gab sie Cascal ihrerseits die Gelegenheit, aufmerksam zu beobachten.

Der Terraner verstand immer noch nicht, wie so etwas eigentlich möglich war. Sie war in seinen Armen gestorben, eigentlich unvermutet, denn mit den Mitteln der modernen Medizin hätte es möglich sein sollen, sie zu retten. Aber die Ärzte und Maschinen waren an dieser scheinbar einfachen Aufgabe gescheitert. Nach ihrem Tod hatte er ihren Körper nach Camelot überführt. In einer Torpedokapsel war sie dann zur letzten Ruhe gebettet worden. Auf seinen Wunsch hin hatte man ihren Körper in die Sonne Ceres geschossen, um die der Planet Camelot kreiste.

Es war also unmöglich, dass er genau diesen Körper hier nun vor sich sah. Trotzdem war dieses Wunder geschehen.

Cascal erinnerte sich immer noch genau an jede Einzelheit seiner Träume vor einigen Wochen. Die Wirklichkeit war allerdings noch weitaus phantastischer. Sie saß in dem weißen Einteiler vor ihm, den sie bei ihrer Rettung an hatte. Das Kleidungsstück stand ihr eigentlich nicht schlecht, es war eng tailliert und brachte ihre fabelhafte Figur sehr gut zur Geltung. Bewundernd ließ er seine Augen über ihren Körper gleiten. Sie sah immer noch genauso hinreißend aus, wie er sie von Plophos in Erinnerung hatte.

Ein Ding der Unmöglichkeit, sagte er sich immer wieder. Ihr Körper war in der Sonne Camelots verbrannt. Sie konnte einfach nicht hier sitzen und die Einrichtung seiner Kabine betrachten. Und doch war es so.

Laut eigener Aussage war sie von irgendeiner mysteriösen Entität namens DORGON geschickt worden. Ihre Worte hatten auf eine Wesenheit hingedeutet, die im Irgendwo existierte und aus sehr vielen verschiedenen, denkenden Einheiten bestand, die aber alle zusammen eine Einheit bildeten. Das war allerdings eine Beschreibung, die auf eine unbekannt große Zahl von Entitäten in diesem Kontinuum und in einigen weiteren Kontinuen zutraf. Solange man nicht genau wusste, von welcher Entität sie als Botin geschickt worden war, musste man sie mit Vorsicht behandeln. Dabei reichte der Name DORGON nicht aus. Sie mussten mehr in Erfahrung bringen.

Es kam Cascal durchaus nicht ungelegen, dass er derjenige war, der sich mit ihr beschäftigen durfte. Nach ihrer Beisetzung war er lange Zeit sehr depressiv gewesen, obwohl er sich das eigentlich kaum erlauben konnte. Es war so viel geschehen, dass er wirklich Wichtigeres zu tun hatte, als sich selbst zu bemitleiden. Und so hatte kaum einer bemerkt, wie es innerlich um den Kommandanten der TAKVORIAN gestanden hatte. Er hatte dieses Geheimnis für sich behalten und sich nur in einigen wenigen Augenblicken Selbstmitleid geleistet. Wie er vor einiger Zeit erkennen musste, hätte er sich all sein Selbstmitleid ersparen können. War es wirklich so, wie die alten Römer sagten, dass die Liebe alles überwinden kann, sogar den Tod?

Oder war ihr Erscheinen weit weniger mysteriös, als sie alle dachten?

Nein, korrigierte er sich in Gedanken. Es war in jedem Fall ein Wunder. Sie saß vor ihm, genauso, wie er sie in Erinnerung hatte. Jede Einzelheit stimmte, sogar der Schönheitsfleck auf ihrer Wange war genau an der richtigen Stelle. Es war unglaublich, aber vor ihm befand sich tatsächlich die totgeglaubte Nadine Schneider.

Und er sollte besser endlich anfangen, diese Tatsache zu akzeptieren, bevor er wirklich noch Fehler machte. In den letzten Tagen war ihm einige Male fast etwas danebengegangen. Und auch wenn es die anderen nicht bemerkt hatten, es blieb weiterhin ein Problem. Sie waren auf einer sehr gefährlichen Mission, wo er seine fünf Sinne beisammenhaben musste. Jeder Fehler konnte tödlich sein. Das war ihm durchaus klar.

Aber Cascal war eben doch nur ein Mensch, weit mehr sogar noch als jeder Unsterbliche. Er hatte die Zeit betrogen, er war durchaus nicht unsterblich. Daher konnte er sich menschliche Regungen weit eher erlauben als die Unsterblichen. Und Gefühle lagen weit weniger unter seiner Kontrolle als bei den Unsterblichen.

Langsam ließ er seinen Stuhl nach vorn kippen, so dass er nun in einer aufrechten Position saß.

Nadines Blick kehrte aus einer unendlich erscheinenden Ferne zurück, als ihr die Bewegung des Kommandanten bewusst wurde. Sie richtete ihren Blick auf Cascal, der sein Gesicht zu einem angedeuteten Lächeln verzog.

»Worüber denkst du nach?«, fragte er, sich im gleichen Augenblick verärgert auf die Zunge beißend.

In seinen Ohren klang die Frage reichlich abgeschmackt. Jeder hatte diese Frage schon an die Frau gerichtet, die er zu beeindrucken gedachte. Für einen Augenblick fühlte er sich wieder wie ein Teenager. Das ist einige tausend Jahre her, dachte er, innerlich schmunzelnd. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Botin.

»Ich weiß nicht …«

Nun, das war nicht gerade ermutigend. Wenn das Gespräch so tiefsinnig weiterging, dann würden sie wieder da enden, wo sie schon einige Male gestrandet waren: im Nichts.

Nicht ablenken lassen!, dachte der Kommandant, als seine Blicke wieder einmal bewundernd über ihre Gestalt glitten. Am Anfang war er ihr gegenüber sehr reserviert gewesen, ohne genau zu wissen, warum. Sie war ihm wie eine Fremde vorgekommen, aber nicht, weil etwas an ihr fremd, sondern eher, weil sie ihm zu vertraut war. Das hörte sich widersprüchlich an, aber für Cascal ergab es einen Sinn. Er hatte ihren Körper in eine Sonne geschossen. Alles, was genauso aussah wie sie, musste ihm fremd erscheinen.

Aber inzwischen erkannte er immer mehr an, dass sie Nadine Schneider war. Er wollte es glauben. Nachdem er in der Raumzeitfalte seine Frau Zelia verloren hatte, wollte er nicht noch einen Menschen verlieren, der ihm etwas bedeutete. Sie war schon einmal unerreichbar für ihn gewesen, aber nun war sie wieder da. Immer mehr war er nur zu gern bereit, sie für eine reale Person zu halten und ihr einfach alles zu glauben, was sie ihm erzählte.

Was allerdings genau genommen nicht gerade viel war.

Außer ihren Worten, von einer Entität geschickt worden zu sein, hatte sie noch nicht sehr viel von sich preis gegeben. Ihre Beschreibung der Entität war auch nicht sehr ergiebig gewesen. Sie kannte nur den Namen: DORGON! Ausgerechnet der Name der Galaxie, in der sie sich befanden. Ausgerechnet die Bezeichnung des Reiches, welches der Milchstraße feindlich gesonnen war. Auch das stimmte nicht positiv.

Ihre Gespräche drehten sich im Kreis.

Sie faltete die Hände im Schoß und ihr Blick begann schon wieder in unerreichbare Fernen zu entschwinden. Er fragte sich, wo sie war, wenn sie diesen nachdenklichen Gesichtsausdruck bekam. Sie schien selbst nicht recht zu verstehen, was mit ihr geschehen war.

Er wollte ihr helfen, es zu erkennen.

*

Sanna Breen schlenderte durch die Gänge der NELES. Sie war auch eine Beobachterin, allerdings – weit profaner – von Cistolo Khan geschickt. Sie sollte die Expedition beobachten und anschließend Bericht erstatten. Im Grunde genommen war es eine sinnlose Aufgabe. Offenbar wollte sich Khan gegenüber Rhodan noch wichtigmachen, nachdem er all seine Macht verloren hatte. Der eigentliche Grund ihres Auftrags war vermutlich eher, dass Rhodan sie als Ruhepol für Despair wollte.

Seit einer Woche schon lag die Flotte in der Provinz Harridon auf der Lauer. Und soweit sie hatte in Erfahrung bringen können, war bisher noch nicht viel geschehen. Seit der missglückten Exkursion auf Jungle, hatte man sich ganz auf die Rolle von Beobachtern zurückgezogen.

Dennoch wussten sie inzwischen, dass das Protektorat Harrisch fast ein Viertel der gesamten Galaxie umfasste. Das Protektorat war in viele Provinzen unterteilt und diese wiederum in Bezirke und Gaue. Die Provinz Harridon gehörte zu den größten ihrer Art und hatte eine Ausdehnung von 2700 Lichtjahren. 1834 Welten gehörten Harridon an. Die eselähnlichen Harriden waren die vorherrschende Spezies, obgleich die Kontrolle einzig und allein die Dorgonen innehatten. Viele Planeten waren offenbar nur dünn besiedelt.

Sanna selbst hatte die Untersuchungen auf der NELES miterlebt. Viele Planeten waren nur von Kolonisten und Sklaven besiedelt, um Ressourcen abzubauen. Die Population war nicht über die gesamte Welt ausgedehnt, sondern konzentrierte sich mit mobilen Siedlungen auf jene Gebiete, in denen Rohstoffe gewonnen werden konnten.

Durch die emsige Betriebsamkeit an Bord der GOLDSTAR fühlte Sanna, dass das Beobachten sich dem Ende näherte.

*

Die einzige Unbekannte in Sanna Breens Rechnung war die Geduld eines Unsterblichen. Ein Mensch, der mehrere tausend Jahre hinter sich gebracht hatte, dachte über die Zeit wohl ein wenig anders als eine Terranerin, die eigentlich noch sehr jung war, auch wenn sie schon erstaunlich viel erreicht hatte.

Inzwischen trafen sich die zehn Schiffe der kleinen Raumflotte wieder. Sanna wechselte zurück auf die GOLDSTAR, um Henry Portland und Julian Tifflor Bericht zu erstatten.

Sie konnte sich also durchaus täuschen, aber einige der Vorbereitungen der letzten Zeit deuteten doch auf bevorstehende Veränderungen hin. Bald würde sich etwas tun, da war sie sich sicher.

Julian Tifflor wollte nichts überstürzen. Allerdings waren andere weniger geduldig.

»Die Zeit drängt, mein Freund. Vielleicht sollten wir schon morgen aufbrechen«, erklang die markante Stimme des Saggittonen Aurec, der in einer schwarzen Uniform die Kommandozentrale betrat. Sein Umhang flatterte bei seinem forschen Schritt durch den Raum.

Die anderen Mitglieder der Besprechung horchten auf. Henry Portland grüßte als Erster den Kanzler Saggittors und bot ihm eine Tasse Kaffee an.

Taröty Jylk, der Stellvertreter Portlands auf der GOLDSTAR, drehte seinen Tellerkopf in Aurecs Richtung. Endlich tat sich etwas. In den letzten Tagen hatte sich schon fast so etwas wie Langeweile unter der Besatzung der GOLDSTAR breitgemacht. Es wurde langsam Zeit, dem Gegner zu zeigen, dass man nicht gewillt war, sich länger auf der Nase herumtanzen zu lassen.

Tifflor begrüßte den zweiten Expeditionsleiter herzlich und bot ihm einen Platz an.

»Bist du sicher, dass wir damit nichts überstürzen?«, fragte er eindringlich den Saggittonen.

»Ja, ich bin mir ziemlich sicher. Wir haben eine Woche der Forschung und Beobachtung hingegeben. Es ist nun wieder an der Zeit, Taten folgen zu lassen. Mit diesem Schema hat Perry Rhodan auch bereits mehr als einmal Erfolg erzielt«, erklärte er den anderen Anwesenden.

Tifflor nickte. Er konnte sich nur zu gut an Rhodans Taktiken erinnern. Man merkte genau, dass Aurec aus dem gleichen Holz wie Perry und Atlan geschnitzt war. Der Unsterbliche spürte denselben Tatendrang in dem Saggittonen.

Julian Tifflor wandte sich wieder den anderen zu.

»Trabon Saranos.«

Der akonische Sicherheitsoffizier richtete sich leicht auf, als das Wort an ihn gerichtet wurde. Aufmerksam lauschte er den Worten des Expeditionsleiters.

»Ich habe dich gebeten, eine Analyse der Situation in unserer unmittelbaren Umgebung und in diesem Sektor aus deiner Sicht als Sicherheitsexperte anzufertigen. Kannst du uns die bis jetzt gewonnenen Erkenntnisse vortragen?«

Einen Augenblick lang wirkte der Akone fast verärgert, dann nickte er knapp. »Natürlich«, konstatierte er.

Er drückte auf einige Knöpfe in der Tischplatte direkt vor ihm. Das Licht wurde gedimmt, damit man die Holoprojektion, welche sich über dem Tisch aufbaute, besser erkennen konnte. Die Sterne der Provinz Harridon wurden sichtbar.

Aurec lehnte sich zurück, faltete die Hände und blickte gespannt auf das Schaubild.

»Das ist der Sektor, in dem wir uns befinden. Soweit wir bisher herausgefunden haben, wird er hauptsächlich von Harriden bewohnt. Eine Beschreibung des Volkes findest du in meinem schriftlichen Bericht auf Seite vier.«

Aurec nahm wie auf Kommando den Bericht und blätterte auf die besagte Seite. Interessiert nahm er die Informationen über das Volk auf.

Der Akone fuhr fort: »Die Harriden sind nicht die eigentlichen Beherrscher des Sektors, aber das wissen wir ja schon seit unserer ersten Expedition. Vielmehr wird offenbar die ganze Galaxie von den Dorgonen beherrscht. Die Harriden sind – wie alle anderen Völker dieser Galaxie – tributpflichtig.

Ähnlich wie das alte Imperium der Arkoniden und auch das der Akonen, ist die Galaxie in mehrere Sektoren aufgeteilt. Jeder dieser Sektoren wird von einem Statthalter geführt.

Das sieht so aus: Die Provinz Harridon gehört dem Protektorat Harrisch an. Wir wissen, dass ein Consus, ein Statthalter, die Provinzen verwaltet. Er ist aber einem Princips Protector verantwortlich, dem Herrscher des Protektorates.

Durch unsere Lauschaktion konnten wir in Erfahrung bringen, dass sich die Zentralwelt der Provinz Harridon genau hier befindet.«

Eine rote Kugel erschien in der Holographie, einen Planeten markierend. Im nächsten Augenblick zoomte die Holographie scheinbar auf den Planeten, der groß abgebildet wurde.

»Der Planet heißt Cermium. Auf ihm befindet sich die Hauptvertretung des Reiches Dorgon in diesem Sektor.«

»Gut«, meinte Portland. »Wenn du eine Erkundung auf dieser Welt durchführen müsstest, wie würdest du vorgehen?«

Saranos nickte knapp und drückte auf einen weiteren Knopf. Die Darstellung der Sterne des Sektors kehrte zurück, Cermium blieb jedoch markiert. Zusätzlich wurde noch der Standort der Flotte hervorgehoben.

»Die Flotte ist an diesem Standort in relativer Sicherheit«, meinte Trabon.

Auf einige weitere Eingaben hin, teilte sich die Flotte. Vier Schiffe trennten sich von den anderen.

»Ich würde mit diesen vier Schiffen losfliegen und eine getarnte Mission auf Cermium durchführen. Unser wichtigstes Ziel sollte im Augenblick die Informationsgewinnung sein. Diese können wir nur auf nachrichtendienstlicher Art erzielen. Oder anders ausgedrückt: Wir sollten uns tarnen und Cermium einen Besuch abstatten.«

Die ganze Zeit über hatte Trabon ziemlich emotionslos gewirkt. Aber bei den letzten Worten leuchteten seine Augen auf. Es war deutlich zu sehen, dass er auf eine solche Aufgabe geradezu brannte.

»Danke, Trabon. Deine Meinung, Ceboky?«

Der Cheborparner Ceboky Jefrar räusperte sich.

»Nun, ich bin der Meinung, dass es dafür noch zu früh ist. Wir konnten aus den Funksprüchen, die in diesem Sektor kursieren, schon eine Menge herausfiltern, was uns weitergeholfen hat. Ich bin der Meinung, wir sollten noch eine Weile warten, um uns noch etwas mehr Hintergrundwissen aneignen zu können. Dann sollten wir aber so vorgehen, wie es Trabon vorgeschlagen hat.«

Der Akone blickte ausdruckslos, als er die Meinung des zweiten Offiziers hörte.

Tifflor nickte dankend und richtete sein Wort dann an den Blue, der bisher noch nicht viel gesagt hatte.

»Was meinst du, Taröty?«

Bedächtig wiegte der Blue den Kopf.

»Im Interesse der Besatzung würde ich sagen, wir sollten sofort aufbrechen. Aber Ceboky hat recht. Noch wissen wir zu wenig, um uns erfolgreich als Einheimische zu tarnen. Sie würden es uns nicht abnehmen und so brächten wir die Expedition in Gefahr.«

Der Akone nickte zustimmend.

»Eine Verzögerung von einer Woche erscheint mir nötig«, meinte er. »Dann sollten wir soweit sein, um auf Cermium einsickern zu können.«

Tifflor nickte. »Danke, meine Herren. Ich denke, diese Besprechung hat uns weitergebracht. Wir werden so vorgehen. Ceboky, du hast noch eine Woche Zeit, um mehr herauszufinden. Dann werden wir mit vier Raumschiffen aufbrechen. Ich habe die DRUSILLA und die AKRAN bereits informiert, ihre Besatzungen stehen für den Ausflug zur Verfügung. Bis in vier Tagen erwarte ich Vorschläge sowohl von euch als auch von den Besatzungen der anderen beiden Schiffe, wie wir auf Cermium am besten vorgehen können.

Trabon, dir danke ich für deinen sehr detaillierten Bericht. Er stimmt in fast allen Teilen mit meiner Einschätzung überein. Bitte bleib am Ball und liefere mir einen Einsatzplan, den wir dann in einer weiteren Besprechung als Grundlage nutzen werden. Das wäre alles.«

Aurec erhob sich.

»Ich denke, dass ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden habe«, begann er und warf Tifflor einen scharfen Blick zu, denn der Saggittone fühlte sich übergangen.

»Wir wissen nicht, was die Dorgonen mit der Milchstraße vorhaben. Die Zeit drängt! Wir könnten theoretisch noch Monate damit zubringen, alles und jeden zu analysieren. Doch dafür reicht meiner Meinung nach die Zeit nicht aus. Ich schlage vor, dass wir in drei Tagen aufbrechen!«

Ruhe herrschte unter den Anwesenden. Julian Tifflor schüttelte den Kopf. Er beharrte auf seiner Meinung.

»Ich denke auch, wir sollten bald handeln«, erklang die metallische Stimme Cauthon Despairs, der den Raum betrat. »Ich bin ziemlich verwundert darüber, dass eine solch wichtige Besprechung ohne die Kommandanten der einzelnen Schiffe stattfindet. Nichts gegen die Besatzung der GOLDSTAR, doch sie ist in der Hierarchie eher unten einzuordnen.«

Ein Fausthieb gegen Portlands Besatzung. Ceboky Jefrar wäre am liebsten aufgestanden und hätte Despair am Kragen gepackt. Doch schnell verwarf er den Gedanken, denn erstens würde es noch mehr Unfrieden stiften und zweitens wäre er hoffnungslos unterlegen.

»Anscheinend ist Julian Tifflor es nicht mehr gewohnt, die Kommandantur über eine ganze Flotte zu tragen«, ätzte Despair weiter und stellte sich vor die Holographie, die er genau studierte.

Aurec konnte einigen Argumenten Despairs nicht widersprechen. Tifflor schien einen Alleingang machen zu wollen. Er hielt diese Vorgehensweise für falsch. Die Flotte musste zusammenhalten. Dennoch wies der Saggittone Despair zurecht und verteidigte seinen terranischen Freund.

»Wir sollten uns nicht in sinnlose Streitgespräche verwickeln und wie Waschweiber zetern, sondern uns morgen mit allen Kommandanten treffen und einen Plan ausarbeiten«, schlug Aurec vor.

Despair und Tifflor sahen sich kurz an und willigten ein.

»Gut, damit ist die Sitzung beendet. Wir sehen uns in vierundzwanzig Stunden«, sprach der Kanzler Saggittors eindringlich und blickte Despair und Tifflor an.

Der Silberne Ritter verließ den Raum so schnell, wie er ihn betreten hatte. Tifflor nickte widerwillig.

Die Männer erhoben sich alle gleichzeitig und strebten zu den Ausgängen. Tifflor sah seine Leute an und war stolz auf sie. Disziplin war seiner Meinung nach eine sehr wichtige Sache, gerade bei so einer gefährlichen Mission. Das Kommandoteam der GOLDSTAR war aus einem besonderen Holz geschnitzt. Mit diesen Männern würde es ein Vergnügen sein, in den Einsatz zu gehen.

Vielleicht hatte er auch deshalb auf einem »Alleingang« beharrt, denn er vertraute diesem Team und erhoffte sich, so keine Verluste einzufahren.

»Es tut mir leid, Aurec. Ich …«

Aurec hob die Hand.

»Ich weiß, was du sagen willst. Vielleicht hätte ich an deiner Stelle ebenso gehandelt, doch wir müssen alle zusammenarbeiten. Wir haben zehn Schiffe zur Verfügung und sollten dieses Potential auch voll ausnutzen. Wir müssen auch den anderen Vertrauen entgegenbringen können.«

Tifflor nickte, dann lächelte er.

»Immerhin haben wir jetzt ein Ziel!«

»Ein recht gutes Ziel«, stellte Aurec fest.

Für einen kurzen Augenblick erlaubte sich der Unsterbliche Gefühle, als er voller Vorfreude die Handflächen aneinander rieb. Dann umrundete er den Tisch und verließ den Besprechungsraum, der genau neben der Zentrale lag.

*

Cascal lehnte sich gegen die Theke und flüsterte dem Barmixer einige Worte zu. Der Mann nickte und stellte zwei Shaker auf die Theke. Langsam goss er unterschiedlich gefärbte Zutaten in die Shaker und verschloss sie sorgfältig. Dann begann er mit beiden Händen – eines Ertrusers würdig – kräftig zu schütteln.

Als er fertig war, setzte er beide Shaker ab. Schaum quoll unter den Verschlusskappen hervor. Ungerührt nahm er zwei Gläser. Dann setzte er auf den einen Shaker ein Sieb und goss den Inhalt vollständig in eines der beiden Gläser. Dasselbe geschah mit dem zweiten Shaker.

»Voilà!«, meinte der Ertruser. »Hier hast du deinen Tequila Sunrise.«

Dankbar nickte der Kommandant der TAKVORIAN, dann drückte er eines der Gläser in die Hand von Nadine, die neben ihm stand und immer noch leicht verloren ins Leere starrte. Nur langsam kehrte ihr Blick aus der Ferne zurück. Sie blickte ihn an und schien ihn zum ersten Mal richtig wahrzunehmen.

»Als ich wieder erwachte, dachte ich noch, wie wunderbar es ist. Nicht jeder lässt den Tod hinter sich. Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das wirklich alles will.«

Das war der längste Satz, den sie seit über einer Woche gesprochen hatte. Normalerweise beschränkte sie sich auf eine launige Erwähnung der Entität, die sie geschickt hatte. Cascal legte den Arm um ihre Schultern und geleitete sie zu einem Tisch. Sie nahmen Platz und sahen sich tief in die Augen.

»Ich weiß nicht, was seit Plophos mit mir passiert ist. Ich habe keine Erinnerung an die Zeit nach …«, sie stockte, dann sprach sie zögernd weiter, »nach meinem Tod. Aber ich weiß, dass ich mit irgendwem gesprochen habe. Dieses Wesen – oder besser dieses Kollektiv – hat sich mir aber nicht genauer vorgestellt. Ich versuche schon die ganze Zeit dahinterzukommen, was eigentlich wirklich passiert ist. Aber ich kann mich einfach nicht erinnern. Nur an den Namen: DORGON.«

Sie wirkte verzweifelt. Cascal nahm ihre Hand und drückte sie leicht.

»Eigentlich ist es doch unwichtig. Sei froh, dass du noch am Leben bist. Oder besser wieder.«

Langsam lehnte er sich zurück. Er wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Noch nie zuvor war er in einer solchen Situation gewesen. Er wünschte, Ernst Ellert wäre hier. Er hatte immerhin schon einmal seinen Körper verlassen, könnte sich in einer solchen Situation wesentlich besser auskennen als er. Aber Ellert war verschwunden, zusammen mit ES. Niemand wusste, wo sie sich befanden.

Vielleicht war es wirklich die Entität, die hinter Nadines merkwürdiger Wiederkehr steckte. Auch dies wussten sie nicht mit Sicherheit. Es gab viele Entitäten in diesem Universum und außerhalb davon noch eine Menge mehr. Wer auch immer dahintersteckte, er agierte aus dem Verborgenen heraus.

Cascal griff nach seinem Glas und leerte es langsam.

*

Wieder saßen sie in dem Besprechungsraum neben der Zentrale der GOLDSTAR. Tifflor ließ langsam seinen Blick über die Runde der Raumschiffkommandanten und ihrer Stellvertreter schweifen. Tifflor wollte sich Aurecs Rat zu Herzen nehmen und jedem sein Vertrauen entgegenbringen, auch wenn er bei einigen an der nötigen Kompetenz zweifelte. Die entscheidende Besprechung würde heute stattfinden.

»Danke für euer Erscheinen«, eröffnete Julian die Sitzung. »Trabon, ich habe mir deinen Bericht noch einmal genau angesehen. Sehr interessant. Aurec und ich haben einen Plan vorbereitet, wie wir in den nächsten Tagen vorgehen sollten.«

Auf den Bildschirmen vor den Teilnehmern der Sitzung erschien eine kurze Aufstellung der bevorstehenden Aktionen der Flotte.

»Ich glaube nicht, dass wir uns irgendwie tarnen sollten. Ich denke, wir werden einfach hinfliegen, wie wir sind. Allerdings werden wir als Händler dort auftreten und versuchen, Verbindungen zu den hiesigen Machthabern zu knüpfen. Ceboky, deine Erkenntnisse der letzten Tage waren sehr interessant. Ich denke, auf diese Art und Weise werden wir am meisten Erfolg haben.«

Trabon Saranos nickte zustimmend. Er war zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Der erfahrene Diplomat Tifflor schien am besten geeignet, eine Handelsmission zu führen. Das äußere Erscheinungsbild ihrer Schiffe legte nahe, dass sie aus einer anderen Galaxie kamen, also sollten sie auch so auftreten. Handel war immer die einfachste Möglichkeit, Kontakt zu anderen Zivilisationen herzustellen, und wirtschaftliche Interessen kamen sogar noch vor militärischen, wenn es darum ging, eine so lange Reise anzutreten.

Allerdings sollten sie hinsichtlich ihrer wahren Herkunft Stillschweigen bewahren. Beim ersten kurzen Überfliegen der Handlungsübersicht erkannte der Akone, das Julian daran durchaus gedacht hatte.

»Ceboky, ich gehe davon aus, dass die Besatzungen mittlerweile in der Lage sind, perfekt dorgonisch zu sprechen, einschließlich du selbst«, fügte er mit einem leichten Schmunzeln hinzu.

Der wissenschaftliche Offizier der GOLDSTAR nickte, wieder wesentlich selbstsicherer geworden.

»Dennoch werden wir einige Änderungen am Plan vornehmen. Die SAGRITON und GOLDSTAR werden allein fliegen. Es reicht vollkommen aus, wenn zwei Schiffe Präsenz zeigen. Mehr würde den Gegner nur unnötig misstrauisch machen«, erklärte Aurec den Anwesenden.

Trabon sah verlegen auf den Fußboden – um so verlegener, je mehr er über die Worte des Saggittonen nachdachte. Er hatte nämlich recht. Der Akone war darüber verärgert, vor allem, weil er selbst nicht darauf gekommen war.

»Des Weiteren werden die SAGRITON und GOLDSTAR aus Sicherheitsgründen den vierten Planeten des Systems ansteuern. Von dort aus werden wir, zum Zeichen unserer friedlichen Absichten, mit einem VESTA-Kreuzer weiterfliegen«, sprach er weiter.

Tifflor sah sich unter den Beteiligten um. Ihr Plan schien auf Zuspruch zu stoßen. Der Saggittone stand auf und lief um den Tisch herum, wobei er jeden genau musterte.

»Nur eine kleine Delegation wird auf dem VESTA-Kreuzer sein. Julian Tifflor, Cauthon Despair, Sanna Breen, meine Wenigkeit, Trabon Saranos und eine Besatzung von zehn Soldaten unter der Führung von Sam Tyler.«

Aurec winkte den Elitesoldaten herbei. Sam Tyler trat heran. Er war ein Meter neunzig groß, schlank, hatte eine hohe Stirn, schwarze Stoppelhaare, ein markantes und vom Leben gekennzeichnetes Gesicht und trug eine schwarze Lederjacke. Er machte alles in allem einen sehr harten und wenig sympathischen Eindruck.

Tyler nickte den Anwesenden kurz zu.

»Sam Tyler ist ein absoluter Profi. Ich mag ihn nicht, doch wenn es brenzlig wird, brauchen wir solche Leute. Auf Mashratan hat er eindrucksvoll seine Kompromisslosigkeit bewiesen. Zusammen mit seinem Springerkumpel Japar hat er sich für die Expedition und nun auch für die Mission freiwillig gemeldet«, erzählte der Saggittone.

Tifflor schüttelte den Kopf.

»Wir brauchen hier vertrauenswürdige Personen«, meinte er vorwurfsvoll.

Tyler warf dem Zellaktivatorträger einen bösen Blick zu und ging langsam auf ihn zu.

»Hör zu, alter Mann! Ich bin zwar Söldner, aber auch Patriot. Ich sehe es nicht gerne, wenn irgendwelche Freaks aus anderen Galaxien meinen Leuten ans Leder wollen. Ich bin hier, um deinen Arsch sauber zu halten. Mir ist es eigentlich egal, ob du mir traust oder nicht, aber ich erledige meinen Job. Das bedeutet, ich knalle so viele von diesen Dorgonen ab, wie es mir möglich ist!«

Demonstrativ zog er seine Energiekanone und zeigte sie jedem. Sein Blick schwenkte durch den ganzen Raum.

Tifflor blickte irritiert auf die Waffe und nickte dann unmerklich.

»Bitte, aber wir brauchen jemanden, der auch sein Hirn benutzt und nicht gleich losballert. Reiße dich also zusammen, Tyler!«

Aurec schmunzelte darüber.

»Gut, damit ist alles geklärt. Wir brechen morgen auf«, meinte Aurec abschließend. Julian hatte sich wieder gefasst und erkundigte sich, ob noch Fragen offen seien.

Er blickte sich kurz um. Außer Kopfschütteln konnte er nichts erkennen. Zufrieden nickte er.

»Dann begebt euch wieder an Bord eurer Schiffe. Wenn ihr abflugbereit seid, gebt Bescheid. Die DRUSILLA und AKRAN begleiten uns bis zum Rand des Systems und begeben sich dann in den Ortungsschutz der Sonne.«

Er erhob sich und signalisierte damit das Ende der Besprechung. Die anwesenden Galaktiker verließen schweigend das Besprechungszimmer.

Jeder von ihnen hatte eine Kopie des Einsatzplanes erhalten. Sie würden sich in den nächsten Stunden damit vertraut machen und die nötigen Maßnahmen ergreifen, um mit ihren Mannschaften ein möglichst den Erfordernissen entsprechendes Bild abzugeben. Dann würden die Schiffe aufbrechen.

Endlich passierte wieder etwas.

*

Cascal saß in seinem Kommandantensessel. Er hatte soeben die Einsatzpläne erhalten und registriert, dass die TAKVORIAN nicht mit dabei sein würde. Er wusste nicht, ob er darüber traurig sein sollte oder nicht. Eigentlich wollte er wieder in den Einsatz, andererseits war er sich aber seiner selbst im Augenblick nicht sicher. Solange er seine eigene Unsicherheit Nadine betreffend nicht im Griff hatte, wollte er lieber nicht Teil einer Einsatzflotte sein. Für seine Mannschaft wäre es allerdings besser gewesen. Vor allem sein Erster Offizier, Coreene Quon, wirkte leicht ungeduldig. Sie nahm mit gelinder Enttäuschung zur Kenntnis, dass sie noch einige Tage untätig warten mussten, bevor die TAKVORIAN wieder in das Geschehen eingreifen würde.

Vielleicht würde sich, was Nadine anging, eine Änderung ergeben. Einige Tage konnten eine Menge ändern, vor allem, weil sie sich endlich entschlossen hatte, über die Ereignisse zu reden. Neue Erkenntnisse würden sich ergeben und sicher würden sie bald mehr erfahren. Wenn eine Entität hinter den Ereignissen steckte, und davon war auszugehen, dann würde sie sich irgendwann melden. Bis dahin mussten sie sicherstellen, dass Nadine wirklich auf ihrer Seite stand. Ob das möglich war, konnte Cascal nicht einmal erahnen. Immerhin wurde sie von einer Superintelligenz beeinflusst und gegen eine solche kamen nicht einmal die Unsterblichen an.

Blieb nur zu hoffen, dass die fragliche Superintelligenz hinter den Zielen Camelots stehen würde. Allerdings nahm Cascal das fast an, denn wenn sie das nicht tun würde, dann hätte sie sich sicher nicht darauf beschränkt, eine Beobachterin zu schicken, noch dazu eine, die ihnen bereits bekannt war.

Cascal warf einen flüchtigen Blick auf den Bildschirm und sah, wie sich vier Schiffe aus der Formation lösten. Ein Blick auf die Ortung zeigte ihm, dass es sich um die SAGRITON, GOLDSTAR, DRUSILLA und AKRAN handelte. Aurec und Julian waren unterwegs zu ihrer Mission.

Coreene Quon stand mit leicht versteinerter Miene neben ihm, wie er mit einem raschen Seitenblick feststellte. Cascal schmunzelte leicht. Mit einer solchen Besatzung an seiner Seite musste ihm vor den anstehenden Problemen nicht bange werden.

Zum ersten Mal seit einigen Tagen entspannte er sich etwas. Er lehnte sich zurück und beobachtete die vier Schiffe, die mittlerweile genug Fahrt aufgenommen hatten und nacheinander in den Metagravflug übergingen.

Cermium

Tifflor saß im Sessel des Expeditionsleiters und beobachtete das Wabern des Hyperraums auf dem Bildschirm. Neben ihm befand sich Kommandant Portland und gab hier und da Befehle an Jylk und Saranos weiter.

Tifflor dachte über die bevorstehenden Ereignisse nach. Nicht dass er irgendwelche konkreten Befürchtungen gehabt hätte. Er war im Gegenteil sehr entspannt. Er genoss es, wieder einmal im Mittelpunkt bedeutender Ereignisse zu stehen. Zu lange schon hatte er das Gefühl, immer mehr zum Schreibtischtäter zu werden.

Jetzt tat sich endlich mal wieder etwas und er hatte vor, die Ereignisse in vollen Zügen zu genießen.

Er rutschte etwas tiefer in den bequemen Sessel. Seine Blicke glitten über die Kontrollen, die in die Armlehne integriert waren und ihn bei der Führung des Schiffes unterstützten. Alle Anzeigen leuchteten in beruhigenden Farben, alles an Bord war in Ordnung. Das war ein Zustand, den Julian immer genossen hatte. Natürlich mischte er sich nicht in Portlands Befugnisse ein. Nur heimlich übernahm er dieselben Aufgaben, um sich selbst nicht nutzlos zu fühlen.

In diesem Augenblick zeigten die Ortungen einige Schiffe an, die in unmittelbarer Umgebung der GOLDSTAR durch den Hyperraum glitten. Mühelos konnte Tifflor anhand der Kennungen die AKRAN, die SAGRITON und die DRUSILLA identifizieren. Aber da war noch ein Schatten, den er nirgends zuordnen konnte.

Tifflor gab Portland ein Zeichen. Der Terraner mit dem unvermeidlich missmutigen Ausdruck im Gesicht tippte etwas auf seiner Armkonsole ein. Vor ihm baute sich das Ortungshologramm auf. Tifflor musste nichts sagen, Portland bemerkte es selbst.

»Mister Saranos, siehst du den Schatten in der Ortung?«, fragte Portland. Da meldete sich auch schon sein Ortungsoffizier.

»Identifiziert«, äußerte Wendy Simkins. »Es handelt sich um ein Adlerraumschiff. Die Form ist unverkennbar.«

Auf einem der kleinen Displays vor Tifflor erschien ein klares Bild, welches die Hyperortungen lieferten. Es war in der Tat eines dieser Adlerschiffe, allerdings eine kleinere Klasse. Der Rumpf war nur zweihundert Meter lang. Tifflor hielt es für ein Aufklärungsschiff.

»Will es etwas von uns?«

»Wenn ja, dann sicher nichts Gutes«, antwortete der Sicherheitschef, obwohl er eigentlich gar nicht gefragt war. Trabon Saranos trat neben den Kommandanten der GOLDSTAR. »Sieht aus, als wären sie eine Art Sicherung für Cermium. Immerhin sind wir in einer halben Stunde dort.«

»Was mich weit mehr beunruhigt«, sinnierte Tifflor, »ist die Tatsache, dass sie uns hier geortet haben. Sie müssen über sehr gute Langstreckenorter verfügen. Und was noch schlimmer ist, sie sind in der Lage, bereits im Hyperraum andere Schiffe aufzuspüren.«

»Das war zu erwarten«, meinte Henry Portland gelassen. »Die Dorgonen wirkten bereits in der Milchstraße technologisch überlegen. Wieso sollten sie nicht über Halbraumspürer und Langstreckenorter verfügen?«

Tifflor blickte Portland ob seiner überheblichen Äußerung wütend an. Dann atmete er tief durch.

»Wie auch immer, sie sind jedenfalls nicht darauf aus, uns anzugreifen. Das hätten sie schon längst gekonnt.«

»Wer sagt dir das? Vielleicht können sie ihre Waffen hier nicht benutzen. Wir können das schließlich auch nicht«, warf Portland ein.

Trabon wischte den Einwand des Kommandanten zur Seite. »Sie sollten uns eigentlich auch nicht auf diese Entfernung orten können. Wir können das auch nicht, trotzdem sind sie dazu in der Lage.«

»Das ist korrekt«, gab Portland zu.

»Beobachte sie weiterhin«, wandte sich Tifflor an Wendy. »Wenn sich irgendetwas ändert, werden wir in den Normalraum zurückkehren. Solange sie uns nur begleiten, fliegen wir einfach weiter, als hätten wir sie nicht bemerkt.«

Trabon nickte zustimmend. Eine gute Entscheidung, wie er fand. Solange sie nicht angegriffen wurden, bestand auch keine unmittelbare Gefahr. Und solange keine Notwendigkeit bestand, sollten sie besser nicht zeigen, wozu ihre Schiffe in der Lage waren.

Wenn die Dorgonen sie allerdings als Galaktiker identifiziert hatten, dann waren diese Überlegungen letztendlich sinnlos. Sie mussten davon ausgehen, dass sie schon länger beobachtet wurden. Sonst wäre sicher nicht dieses Raumschiff aufgetaucht, noch dazu, ohne von ihnen bemerkt zu werden.

Niemand sprach, während sie das Schiff im Auge behielten. Tifflor konzentrierte sich allerdings schnell wieder auf den Zentralschirm, auf dem immer noch das Wabern des Hyperraums zu sehen war.

Es verschwand allerdings, als die Schiffe am Rand des Cermium-Systems wieder in den Normalraum zurückkehrten.

Neben den vier Schiffen der galaktischen Flotte schwebte regungslos ein Adlerschiff. Zu fünft trieben sie im freien Fall auf das System vor ihnen zu. Keines der Schiffe bewegte sich aus der Formation. Tifflor lehnte sich noch etwas weiter zurück. Er wollte auf keinen Fall derjenige sein, der zuerst etwas unternahm. Eigentlich sollten sie sich zuerst als Besucher anmelden, aber Tifflor war gespannt, wie lange die Dorgonen Geduld haben würden.

Aurec meldete sich bei Tifflor. Er machte einen besorgten Eindruck.

»Wir verhalten uns ruhig und warten die ersten Minuten ab. Dann melden wir uns und stellen uns als Handelskarawane vor.«

»Gut«, meinte Tifflor und lehnte sich zurück.

Die nächsten Minuten würden entscheidend werden.

*

Sanna Breen wanderte durch die Gänge der GOLDSTAR. Sie hatte recht behalten, es war etwas geschehen. Allerdings später, als sie vermutet hatte. Der Unsterbliche hatte eben doch mehr Geduld als jeder von ihnen.

Sie dachte nach, als sie sich dem Fitnessraum näherte. Sie hoffte, dass keiner der Männer dort war, die sie belästigt hatten. Gegen ein Workout mit Despair hätte sie allerdings nichts einzuwenden gehabt. Sie lächelte, als sie sich der Zweideutigkeit ihrer Gedanken bewusst wurde.

Sie hatte Glück, niemand war in dem Raum. Sie setzte sich auf eines der Geräte und justierte die Widerstandswerte entsprechend ihres Trainingsstands. Dass Magnetfelder statt realer Gewichte verwendet wurden, war Fluch und Segen zugleich. Denn was tun, wenn die Technik mal ausfiel … Dann begann sie damit, langsam und gleichmäßig an dem Gerät zu arbeiten. Zuerst trainierte sie ihre Oberarme, dann ihren Oberkörper. Sie verließ das Gerät, um an anderen weitere Muskeln zu trainieren. Dann drehte sie sich spontan um, weil sie den Eindruck hatte, beobachtet zu werden. Im Rahmen des Schotts stand der Mann mit der Rüstung.

»Cauthon«, sprach sie überrascht. »Wie lange stehst du schon da?«

»Lange genug«, meinte der Silberne Ritter. Sie konnte nichts von seinem Gesicht erkennen, aber seine Stimme klang, als würde er lächeln.

»Ich wünschte, ich könnte dein Gesicht sehen. Dann wüsste ich wenigstens, was du denkst.«

Immer noch stand die Gestalt unbeweglich, aber sie erkannte ein leises Unbehagen in seiner Bewegung, als er sich vom Rahmen der Tür löste und auf dem Sitz niederließ, den sie vorher benutzt hatte.

»Diesen Anblick möchte ich dir lieber ersparen.«

Er hörte sich sehr verloren an, als er das sagte, und zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie sehr er unter seiner jetzigen Erscheinungsform litt. Es war anscheinend nicht die Rüstung, die ihn störte, es war eher sein Körper. Die Rüstung des Ritters war sein Segen und sein Fluch zugleich. Als Silberner Ritter fühlte sich Despair stark, respektiert und bedrohlich. Und doch war er dadurch unnahbar, einsam und abgeschottet. Ein einsamer Krieger des Weltraums stand vor ihr. Wie sollte eine Frau nur dieses Eis brechen?

Sie setzte sich neben ihn auf die kleine Bank und legte ihre Hand auf seinen Schenkel.

»So solltest du nicht reden«, sagte sie leise.

Er zog sein Bein etwas zurück.

»Mein Schicksal ist es, viele Dinge, die für normale Menschen selbstverständlich sind, niemals kennenzulernen. Ich empfinde dies nicht als positiv …«

Sie schaute ihn verständnislos an. Mit diesem Ausbruch hatte sie nicht gerechnet.

»Entschuldige«, murmelte er.

»Schon gut«, meinte sie leichthin.

»Wie wäre es, wenn du mich nach meinem Training zu einem Drink einlädst?« Ihre Augen erstrahlten in einem freudigen Smaragdgrün, als sie das sagte. Despair warf ihr einen Seitenblick zu, dann nickte er leichthin.

»Einverstanden.«

»Sagen wir in einer halben Stunde. In deiner Kabine?«

»Gut.«

Despair erhob sich und verließ den Raum, ohne zurückzublicken.

Kopfschüttelnd blickte sie ihm hinterher, dann beendete sie ihre Trainingseinheit. Danach ging sie erst einmal duschen, um sich den Schweiß vom Körper zu waschen.

*

Despair ging zu seiner Kabine, als sei er in Trance. Sie hatte sich ungeniert zu ihm eingeladen und das auch noch in seine Kabine. Er konnte sich nicht erinnern, wann ihm einmal so etwas widerfahren war. Er fühlte sich unsicher, wusste nicht, was sie eigentlich von ihm wollte. Mochte sie ihn oder war da mehr? Die meisten Wesen der zehn Raumschiffe vertrauten ihm noch immer nicht wirklich. Sie hatten ihn akzeptiert, befolgten seine Befehle, ohne zu widersprechen. Aber irgendetwas war da, weswegen sie ihn nicht akzeptieren konnten. Es hatte vielleicht gar nichts mit seiner Person zu tun, vielleicht war es nur der Ruf, den er mit an Bord dieses Schiffes gebracht hatte.

Anders Sanna. Sie hatte ihn eigentlich vom ersten Augenblick an recht freundlich behandelt, seit ihrem ersten Aufeinandertreffen auf Sverigor. Sanna Breen hatte seine gute Seite geweckt und ihn an der Mordred zweifeln lassen. Sie hatte bewirkt, dass er sich gegen Wirsal Cell gewendet hatte. Anfangs hatte Despair vermutet, Sanna habe ihn nur bezirzt, um genau dieses Verhalten zu bewirken, um ihn zu benutzen. Doch auch danach war sie für ihn da gewesen. Die viele Aufmerksamkeit, die sie ihm schenkte, gab ihm Mut, spendete Trost und ließ ihn sich nicht so einsam fühlen. Doch die Aufmerksamkeit verunsicherte ihn auch. Er hatte schon jetzt Angst, Sanna wieder zu verlieren. Dabei besaß er sie ja gar nicht als Partnerin. Es war eine platonische Freundschaft. Wollte er mehr? Sicherlich wollte er das. Aber würde er es versuchen, so fürchtete er sich vor Ablehnung und dem Verlust der platonischen Freundschaft. Er wollte außerdem nicht zum Gespött werden. Ein Korb von ihr war eine Niederlage. Und Niederlagen verdaute Despair gar nicht gut. Sie machten ihn wütend und zornig.

*

Sanna Breen war frisch geduscht und hatte sich ein aufregendes, knapp geschnittenes Kostüm angezogen. Sie befand sich auf dem Weg zur Kabine des Kommandanten und hing ihren Gedanken nach. Ihren letzten Bericht an Cistolo Khan hatte sie bereits verfasst und in ihrem privaten Pikosyn abgespeichert. Die Berichte würden den Kommissar allerdings erst nach dem Ende der Mission erreichen, sofern dieser dann überhaupt noch ein offizielles Amt bekleiden würde.

Sie näherte sich der Tür zur Kabine des Silbernen Ritters und klopfte an. Die Schotthälften glitten auseinander und gewährten ihr Einlass. Die Gestalt mit der Rüstung saß in einem Sessel und erwartete sie bereits. Sie ließ sich in einen Sessel ihm gegenüber nieder.

»Was willst du trinken?«, fragte er freundlich und wies den Servo an, ihre Bestellung sofort weiterzuleiten.

Als die Getränke auf dem Tisch standen, lehnte er sich zurück.

Sie beobachtete ihn schweigend, bemerkte auch sofort, dass sich etwas in seiner Stimmung verändert hatte. Er wirkte auf der einen Seite wesentlich sicherer, auf der anderen Seite allerdings auch deutlich reservierter, als sie erwartet hatte.

»Was ist los mit dir? Irgendwelche Probleme?«

»Keine Probleme. Alles läuft hervorragend auf der GOLDSTAR. Wir erreichen bald Cermium«, meinte er auffallend heiter.

Doch Heiterkeit war etwas, was sie noch nie an Despair bemerkt hatte.

Sie redeten einige Zeit über Belanglosigkeiten, dann wollte Sanna eine Frage an den Silbernen Ritter richten. Bevor sie reden konnte, klopfte es an die Tür.

»Herein«, knurrte Despair unwillig. Er war sichtlich nicht erbaut über die Störung.

Als die Tür sich öffnete, wurden zuerst die roten Haare des Springers sichtbar, dann erschien die imposante Gestalt des Mannes im Rahmen der Tür. Er trat ein und ging auf den Silbernen Ritter zu, der ihn bewegungslos beobachtete.

»Kommandant, wir haben das System erreicht und gestoppt«, sagte er bedrückt.

»Irgendwelche Komplikationen?«

»Nun, ein Adlerschiff hat uns entdeckt!«

Despair stand auf.

»Ich bin in zwei Minuten auf der Kommandobrücke. Informieren Sie Julian Tifflor über meine Ankunft. Hat das Adlerschiff irgendwelche Reaktionen gezeigt?«

»Nein, Sir!«

»Gut, dann ist noch nichts verloren.«

Sannas Blicke wanderten zwischen den beiden Männern hin und her.

Der Springer nickte Sanna zu. Er schien sie zunächst nicht bemerkt zu haben. Despair stellte sie der Form halber vor. Natürlich wusste der Neuankömmling, wer sie war. Obwohl zwischen Terra und Camelot keine Probleme herrschten, wusste man über diese Beobachterin an Bord der Schiffe der Flotte Bescheid. Ihre Anwesenheit wurde allerdings nicht von allen begrüßt.

»Ich werde mich jetzt verabschieden. Ich möchte dich nicht länger von deiner Arbeit abhalten.«

Sie wandte sich mit unverkennbarer Enttäuschung in ihrem Blick ab, die dem Mehandor nicht entging. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als ihm klar wurde, weshalb der Silbernen Ritter so abwesend wirkte. Endlich zeigte er einmal menschliche Züge und offensichtlich plante er auch kein Komplott gegen die Flotte der Galaktiker.

»Was stehen Sie hier herum und grinsen so debil, Mann?«, schnauzte Despair. »Machen wir lieber, dass wir in die Zentrale kommen.«

Abrupt drehte er sich um und verließ die Kabine. Der Springer brüllte ein lautes »Ja, Sir!«, dann folgte er ihm auf dem Fuße.

Knapp eine Minute später erreichte Despair die Kommandozentrale der GOLDSTAR. Henry Portland und Julian Tifflor begrüßten den Silbernen Ritter knapp.

»In der letzten halben Stunde hat sich nichts gerührt. Das Adlerschiff scheint uns zu ignorieren«, erklärte Portland.

Tifflor war schon kurz davor gewesen, sich seinerseits zu melden. Dann endlich hatte sie aber doch ein Funkspruch erreicht.

»Fremde Sternenschiffe, identifiziert euch«, erklang es in der Sprache der Dorgonen.

Tifflor wartete noch einige Augenblicke. Als die Ortung energetische Aktivitäten meldete, die auf das Aktivieren von Waffensystemen hindeuteten, drückte er einen Knopf in seiner Armlehne. Ein akustisches Feld baute sich vor ihm auf.

»Julian, an Bord der GOLDSTAR. Wir sind in friedlicher Absicht hier. Wir kommen aus einer fernen Galaxie und wollen Handel treiben.«

Er warf einen kurzen Seitenblick zu den Ortungen. Wendy nickte ihm kurz zu, die Anzeigen hatten sich fast wieder normalisiert. Die Waffensysteme liefen sozusagen auf Sparflamme, die Dorgonen waren immer noch bereit zum Feuern.

»Wachkreuzer PROTIUM. Bleibt auf Position.«

Einige Minuten lang regte sich nichts, dann meldete sich die Stimme erneut. Der Bildschirm hatte sich noch nicht aktiviert, die Verbindung beschränkte sich auf den Funk.

»Folgen Sie uns langsam in das System. Ein falsches Manöver und wir werden das Feuer eröffnen.«

»Zum Zeichen unserer Friedfertigkeit werden wir die anderen Schiffe am Rande des Systems lassen. Seid ihr damit einverstanden?«, erklang Aurecs Stimme, der sich inzwischen auch in der Kommandozentrale befand.

Der Kommandant der PROTIUM lachte verächtlich.

»Ihr könnt ruhig eure Schiffe mitnehmen. Sie stellen keine Gefahr für uns dar, dessen könnt ihr gewiss sein!«

Diese Arroganz, durchfuhr es den Saggittonen, doch er biss die Zähne zusammen, dann wurde die Verbindung beendet. Wütend blickte er zu Tifflor, Portland und Despair.

Tifflor hingegen nickte Portland zu, der die Steuerung der GOLDSTAR überwachte. Die anderen drei Schiffe folgten dem Kurs der GOLDSTAR. Solange er keine anderslautenden Befehle gab, würden sie tun, was man von ihnen verlangte. Sie flogen in das System von Cermium ein.

*

Cascal freute sich über die Fortschritte. Nadine hatte sich nach einigen Tagen des Schweigens endlich entschlossen, über ihre Gedanken zu reden. Bei einem Tequila Sunrise an der Bar war es nicht geblieben und als er sie zu ihrer Kabine begleitete, die gleich neben seiner lag, hatte er sie führen müssen, sonst hätte sie es nicht geschafft.

Nachdenklich hatte er die letzten Tage verbracht, den Abflug der vier Schiffe beobachtet und sich dann wieder seiner alltäglichen Arbeit als Kommandant eines Schiffes gewidmet. Aber das Gespräch war ihm nicht aus dem Kopf gegangen. In den letzten Tagen hatten er und Nadine sich noch weiter über das Thema unterhalten, hatten den Tod aber immer ausgeklammert. Obwohl sie ihren Tod überwunden hatte, wollte sie nicht daran erinnert werden. An den Augenblick ihres Sterbens konnte sie sich zum Glück nicht erinnern.

Cascal legte die letzten Meter zu ihrer Kabine zurück und klopfte an das Schott. Sie öffnete ihm die Tür und empfing ihn mit einem warmen Lächeln. Seit sie sich ihm offenbart hatte, wirkte sie wesentlich entspannter. Langsam wurde sie wieder zu dem Menschen, den er auf Plophos kennengelernt hatte. Er erkannte, dass sie sich kaum verändert hatte, abgesehen von einer gewissen Nachdenklichkeit, die sicher mit der Erinnerung an ihren Tod verbunden war.

Er beneidete sie fast, immerhin hatte sie schon etwas erlebt, was viele Menschen gern aus ihren Gedanken verdrängen würden, es aber doch nicht können. Sie denken immer wieder darüber nach, was danach sein wird. Auch im 13. Jahrhundert NGZ hatte sich daran nichts geändert.

»Was mich wirklich beunruhigt«, eröffnete sie das Gespräch an diesem Tag, »ist, dass ich nicht weiß, was nach meinem Auftrag kommt. Werde ich dann wieder sterben müssen oder wird DORGON der Natur ihren Lauf lassen? Oder werde ich bis ans Ende meiner Tage den Laufburschen für diese Entität spielen müssen?«

»Das kann ich dir nicht sagen. Niemand kann das.«

Er pflichtete ihr innerlich bei, sie war nicht zu beneiden. Was auch immer geschah, sie würde niemals wirklich frei sein.

»Wenigstens werden wir für die nächste Zeit zusammen bleiben.«

Cascal bereute im nächsten Augenblick schon, dass er diese Worte gesagt hatte. Den Schmetterlingen in seinem Bauch nach zu urteilen, war die Antwort für ihn wichtiger, als gut war.

Sie warf ihm einen Seitenblick zu. »Bedeutet dir das so viel?«

Oh ja, wollte er sagen. Aber er beherrschte sich. Er beschränkte sich auf ein knappes Nicken, gespannt, wie sie reagieren würde.

Sie reagierte überhaupt nicht darauf. Seite an Seite schlenderten sie in Richtung des Hydroponiums, welches einem terranischen Garten nachempfunden war. Sie hatten Glück, zu dieser späten Stunde am Abend hielt sich niemand mehr hier auf. Sie betraten einen der sauber geschnittenen Wege, die zwischen den Kulturpflanzen hindurch führten und ließen sich nach einigen hundert Metern im Gras nieder. Cascal zupfte einen Grashalm aus und begann, nervös darauf herumzukauen.

Nadine wandte ihm den Kopf zu und schaute ihn an.

»Was?«, fragte er, nicht ganz den allgemeinen Umgangsformen entsprechend.

»Ich habe nicht vergessen, was sich auf Plophos zwischen uns entwickelt hat. Aber hier handelt es sich um eine andere Situation. Ich weiß nicht, ob ich mich hier meinen Gefühlen hingeben oder besser meine Aufgabe erfüllen sollte.«

»Warum sollte dich eine Beziehung daran hindern?«

»Ich bin immerhin einer Entität verantwortlich …«

»… die du nicht einmal richtig kennst und die du eigentlich auch nicht magst«, ergänzte Cascal rasch.

»Stimmt«, meinte Nadine. »Aber das sollte mich nicht daran hindern, meine Aufgabe zu erfüllen. Immerhin weiß ich nicht, was passiert, wenn ich sie vernachlässige.«

»Wenn eine Entität dahintersteckt, dann gibt es vermutlich keine Möglichkeit, deine Aufgabe zu vernachlässigen. Ich glaube nicht, dass dieser DORGON Probleme hat, deine Gefühle von deinen Beobachtungen zu trennen. Die Entität wird sich einfach holen, was sie braucht, und alles andere dort lassen, wo es hingehört. Immerhin hat sie dich wieder zu einem Menschen gemacht. Warum sollte sie etwas dagegen haben, wenn du dich wie ein Mensch verhältst?«

Cascal merkte, dass er immer schneller gesprochen hatte, und er merkte ebenfalls, dass er Dinge sagte, die ihm eigentlich nicht zustanden. Er sollte sie nicht zu etwas überreden, was sie nicht wollte. Das würde zu nichts führen.

Deshalb erhob er sich mit einer eleganten, fließenden Bewegung.

»Vergiss, was ich gesagt habe. Es ist allein deine Entscheidung«, meinte er mit gespielter Beiläufigkeit.

Er drehte sich um.

Bevor er sich in Bewegung setzen konnte, hörte er, wie sie aufstand.

»Joak?«

Er drehte sich um. Sie stand direkt vor ihm. Schweigend legte sie ihre Arme um ihn und küsste ihn sanft.

*

»Landung auf dem Planeten in vier Minuten. Sie haben Landeerlaubnis für die im Leitstrahl festgelegten Koordinaten. Landen Sie und schalten Sie Ihre Maschinen ab. Dann warten Sie auf weitere Anweisungen.«

Die Stimme hörte sich emotionslos an. Portland nickte dem Piloten zu, der nur auf seine Bestätigung gewartet hatte.

Der blaugrüne Planet Cermium lag vor ihnen. Entfernt erinnerte Cermium an Terra. Zumindest aus dieser Distanz. Das NOVA-Schlachtschiff tauchte in die Atmosphäre ein. Sie durchbrachen die Wolkendecke und folgten den ihnen zugewiesenen Koordinaten.

Die SAGRITON verharrte aufgrund ihrer Größe im Orbit, während die DRUSILLA und AKRAN folgten.

Die dorgonische Sicherheitskontrolle hatte sich als Fluglotse von Ceriusanon identifiziert.

Dieses Ceriusanon lag auf dem Plateau eines massiven Gebirges. Die Hauptstadt des Planeten hatte eine Ausdehnung von sieben mal drei Kilometern. Starke Mauern aus weißem Material mit Geschütztürmen verliefen entlang des tiefen Abgrundes eines Plateaus. Überall ragten Geschütze aus dem Bergmassiv hervor. Eine wahre Festung. Erst bei genauer Betrachtung realisierte Tifflor, dass Ceriusanon keine eigentliche Stadt war, sondern vielmehr eine Kaserne der Dorgonen. Im Zentrum befanden sich der vier mal zwei Kilometer große Raumhafen und ein großes Gebäude. Am Fuße des Gebirges entdeckte Tifflor eine größere Stadt. Offenbar war dies die wahre Hauptstadt, welche für die Zivilbevölkerung vorgesehen war.

Offenbar der Sitz der Administration.

Die Station bestand aus Übungsplätzen und Kasernengebäuden, die im Kreis gebaut waren. Die Dorgonen thronten wie die Götter auf Olymp über den einheimischen Harriden. Die drei Raumer setzten zum Landeanflug an.

Ihr Weg führte sie nach Ceriusanon und nicht zur Stadt in der Tiefebene. Tifflor wurde unruhig. Wieso brachte man normale Händler zur Kaserne und nicht zum zivilen Raumhafen der anderen Stadt?

»Irgendetwas läuft hier falsch«, meinte Julian.

Trabon Saranos nickte bestätigend, obwohl seine Instinkte, denen er eigentlich immer vertraute, keinen Alarm meldeten. Er sagte Tifflor, dass sie den Fremden wohl oder übel erst einmal vertrauen müssten.

»Uns bleibt wohl nichts anderes übrig«, meinte der Unsterbliche. Nachdem sie aufgesetzt hatten, wurden – wie befohlen – sämtliche Maschinen abgeschaltet. Tifflor lehnte sich in seinem Sessel zurück und machte sich auf eine längere Wartezeit gefasst, während Aurec wie ein Tiger in seinem Käfig auf und ab lief. Despair stand wie angewurzelt neben Tifflor. Auch Sam Tyler und sein bierbäuchiger Springerfreund Japar hatten die Zentrale erreicht und schlossen sich dem allgemeinen Warten an.

Es dauerte nicht einmal eine Stunde, bis sich das Funkgerät meldete.

»GOLDSTAR, öffnen Sie eine Schleuse. Wir kommen an Bord.«

»Hoffentlich ist das kein Prisenkommando«, äußerte sich Taröty, nachdem Tifflor bestätigt hatte und die Schleuse geöffnet wurde.

»Nun, wir sollten hinuntergehen und es herausfinden. Gute Kaufleute empfangen ihre Gäste bereits am Eingang«, sinnierte Aurec und machte eine unmissverständliche Geste in Richtung Antigravlift.

Tifflor folgte dem Saggittonen. Auch Despair, Tyler und Saranos folgten ihm.

Unten angekommen, warteten sie schweigend, bis einer der Soldaten, welche die Schleuse bewachten, mit einem Dorgonen in die Schleuse trat. Aurec wunderte sich nur eine Sekunde lang, dass der Mann nicht mit einem größeren Aufgebot an Wachen kam. Offenbar bewies er nicht geringen Mut und Aurec wusste diese Tatsache durchaus zu schätzen.

»Ich bin Dekurio Carcus. Ich heiße Sie auf Cermium willkommen.«

Er schwieg einige Augenblicke, offensichtlich eine Antwort erwartend. Tifflor nickte dankend und Aurec ergriff schnell das Wort.

»Wir sind vom Volke der Schogoten. Wir sind intergalaktisch angesehene Händler, die die Völker in Hunderten von Galaxien mit Geschenken bereichern«, erklärte er dem Dorgonen in der goldbraunen Rüstung.

Aurec stellte sich selbst als Fürst vor und bezeichnete Tifflor als den Geschäftsführer der Handelskarawane.

Carcus musterte die Beteiligten abfällig. Aurec fiel plötzlich ein, was ihm der Name sagte. Ein Carcus war für das Massaker auf Harrisch verantwortlich. Der Saggittone warf Tifflor einen besorgten Blick zu. Was, wenn Carcus die Galaktiker wiedererkannte?

»Stellt eine Delegation zusammen und dann folgt mir. Ich werde Euch zum ehrwürdigen Ojemus, dem Consus der Provinz Harrisch, eskortieren. Er ist der Ansprechpartner für Handelsbeziehungen in diesem Sektor.«

»Oh, wir wünschen Handelsbeziehungen mit dem Imperium, nicht nur mit einer seiner Provinzen«, äußerte Tifflor.

Aurec hielt sich zurück. Tifflor besaß eine fast dreitausendjährige Erfahrung. Es gab sicher keinen an Bord der GOLDSTAR, der besser für die Gespräche geeignet war.

»Das zu entscheiden ist nicht meine Angelegenheit. Besprechen Sie das mit dem Consus Ojemus. Die richtige Anrede für den Statthalter ist Seine Exzellenz Consus. Beachtet die Regeln der Höflichkeit, die sicher auch in Eurer Galaxie Gültigkeit besitzen.«

Dann geh du mal mit gutem Beispiel voran, dachte Aurec und grinste dem Dorgonen verständnisvoll zu.

Eine merkwürdige Rede, wie Julian fand. Höflichkeit war eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man Handel treiben wollte. Nun ja, andere Galaxien, andere Sitten. Er nickte also bestätigend und stellte schnell eine Delegation zusammen, die den akonischen Sicherheitsbeauftragten Trabon Saranos, Sam Tyler, Cauthon Despair, Sanna Breen, Japar und fünf Agenten umfasste. Außerdem wies er den Cheborparner Ceboky Jefrar an, sie ebenfalls zu begleiten. Henry Portland war keineswegs traurig, dass er an Bord der GOLDSTAR blieb.

»Ich koordiniere mich mit den anderen Kommandanten und halte unsere Raumeingreifdivision für alle Fälle bereit.«

Tifflor legte seine Hand freundschaftlich auf Portlands Schulter.

»Ruhig Blut, Flak! Noch läuft alles nach Plan.«

Portland verzog das Gesicht. »Der ursprüngliche Plan sah vor, dass ein Kreuzer nach Cermium fliegt. Nun sitzen wir mit drei Schiffen hier fest. Ich gehe lieber auf Nummer sicher, Sir. Wenn du diplomatisch erfolgreich bist, muss ich hoffentlich nicht eingreifen.«

Tifflor nickte nur und verabschiedete sich von dem raubeinigen Soldaten. Nahe der Schleuse erwartete sie Carcus. Sie schwebten mit dem Antrigravstrahler hinab auf den Boden des Raumhafens. Dann folgten sie dem Dorgonen zu einer eckigen, langgezogenen Reihe von Bauten, welche offenbar das Zentrum des Hafens darstellte.

Die Einreise gestaltete sich problemlos. Sie verließen das Terminal im Gefolge des Dekurio und befanden sich nun in Ceriusanon. Der Ausgang des Raumhafens war pompös und ebenso beeindruckend. Sie durchschritten ein Tor aus meterhohen Säulen. Vor ihnen lag eine breite Allee. Bäume mit gelben Blättern reihten sich an Standarten und Fahnenmasten. Der Boden bestand aus einem sanften Teer, der sich anfühlte wie ein weicher, flaumiger Teppich. Etwa dreihundert Meter vor ihnen lag der Prachtbau des Consus. Er war ebenfalls weiß. Säulen trugen das spitze Dach, auf dem das Hologramm eines Tieres leuchtete, welches an einen Adler erinnerte. Im Vergleich zu einem terranischen Adler besaß dieser Raubvogel einen breiteren, eckigen Kopf. Statt eines Schnabels hatte das Wesen ein Gebiss. Es erinnerte Tifflor an eine Mischung aus einem Adler und einem Velociraptor.

»Die Vorlage für die Adlerraumschiffe«, vermutete Aurec.

»Der Domadler ist seit Jahrtausenden das Symbol des Imperiums«, erklärte Dekurio Carcus mit Stolz. »Der Legende nach hat Domulus einen ausgewachsenen Domadler gezähmt und ist auf ihm geflogen, als er gegen die Charkos kämpfte.«

Den Namen Domulus hörte Tifflor zum ersten Mal.

»Domulus?«, hakte der Terraner nach.

Dekurio Carcus verzog das Gesicht.

»Ihr kommt wohl wirklich von weit her. Domulus hat uns vor Jahrzehntausenden aus der Tyrannei der Charkos befreit. Er führte die Dorgonen in den Weltraum. Er ist der Begründer des Reiches. Zu seinen Ehren wurde an jenem Hügel, an dem er den Domadler zähmte, die immerwährende Stadt Dom errichtet. Sie ist noch heute das Herz unseres Imperiums und die modernste Stadt im Universum.«

»Beeindruckend«, meinte Aurec mit einem zynischen Unterton, den Tifflor bemerkte. Dekurio Carcus schien es zu überhören. Vielleicht konnten die Dorgonen die unterschiedliche Betonung der aus ihrer Sicht Fremden noch nicht so recht interpretieren.

Dunkle Wolken zogen über Ceriusanon. Ein eisiger Wind wehte plötzlich und es begann zu schneien. Ein blaues Energiefeld baute sich im Himmel um sie herum auf und umschloss offenbar die ganze Garnisonsstadt. Nach einigen Momenten wurde es wieder wärmer.

»Consus Ojemus hasst Schnee und Kälte«, sagte Carcus. Offenbar war das genug an Konversation, denn der Dorgone erhöhte sein Tempo und ging voraus.

Trabon Saranos informierte Aurec und Tifflor darüber, dass der Dekurio identisch war mit dem Mann, der das Massaker auf Jungle zu verantworten hatte.

»Was du nicht sagst. Ich habe den Namen dieses Schlächters im Gedächtnis behalten«, murmelte Aurec ruhig.

Tifflor nickte nur bestätigend.

Bewundernd nahmen sie das gediegene Ambiente des Palastes in sich auf. Wieder hatte Tifflor den Eindruck eines Volkes, das durchaus einen recht guten Sinn für Ästhetik hatte, zumindest vom Standpunkt eines Galaktikers aus gesehen.

Nach etwa einer halben Stunde, in der sie durch die Gänge des Palastes flanierten, erreichten sie ein großes zweiflügeliges Tor, das sich vor ihnen automatisch öffnete. Zwei Wachen standen vor dem Tor, die sie ungehindert passieren ließen. Gemeinsam betraten sie einen geräumigen Saal, der an einen Thronsaal aus der Antike der Erde erinnerte, wären da nicht die zylinderförmigen Servoroboter und die Hologramme von Fernsehprogrammen und Nachrichtensendungen, die in bunten Farben an die Wände projiziert wurden.

Auf der gegenüberliegenden Seite sahen sie den Thron, in dem der Consus Platz genommen hatte. Seine Gefolgschaft hatte sich um ihn gruppiert, offensichtlich war ihre Ankunft bereits angekündigt worden.

Julian hatte nichts anderes erwartet. Ein Volk wie dieses, hatte sicher eine recht gut funktionierende Organisation, allerdings mit Sicherheit auch einen verkrusteten Beamtenapparat zu bieten. Man musste abwarten, inwiefern sich diese Tatsache ausnutzen ließ.

Langsam folgten sie dem Dekurio, der gemessenen Schrittes vor ihnen ging. Vor dem Thron stoppte er, machte eine Ehrenbezeigung in Richtung des Statthalters und verkündete das Eintreffen der Delegation aus einer anderen Galaxie.

Der Statthalter nickte wohlwollend. Der Dekurio trat zur Seite und ließ Aurec, Tifflor und den Rest der Delegation vortreten.

»Wie man mir mitteilte, seid Ihr an einer Handelsbeziehung mit unserem Volk interessiert. Nun, Handel ist sicher eine gute Sache und wir sind gern bereit, dieses Ansinnen in Erwägung zu ziehen. Allerdings kann ich dazu keine endgültige Entscheidung treffen. Ihr werdet Euch noch eine Weile gedulden müssen, bis wir Kontakt mit der Regierungswelt Mesoph aufgenommen haben. Ich muss den Princips Protector von Harrisch informieren. Jener wird den Senat auf Dorgon informieren. Erst dort wird eine endgültige Entscheidung getroffen werden.

Wir haben den Imperator bereits über Euer Anliegen informiert. Sicher werdet Ihr Euch so lange gedulden, bis eine Antwort von Dorgon eintrifft. Ich biete Euch an, solange in meinem Palast Quartier zu nehmen.«

Damit machte der Herrscher eine Handbewegung, welche die Delegation aus seiner Gegenwart entließ.

»Wenn der Typ weiter so gequollen redet, sprenge ich ihm seinen fetten Wanst weg«, murmelte Tyler unwirsch zu seinem Springerfreund.

Tifflor war befremdet von der schnellen Art, die der Dorgone an den Tag gelegt hatte. Er wollte sie offensichtlich schnell aus seiner Nähe verschwinden sehen, wahrscheinlich hatte er einfach keine Zeit, sich um sie zu kümmern. So, wie sich die Situation dargestellt hatte, war er wohl eher an seinem Privatvergnügen interessiert als an seinen Regierungsgeschäften.

»Wir nehmen in voller Demut Euer großzügiges Angebot an, edler Consus Ojemus«, sprach Aurec und verneigte sich galant vor dem Dorgonen, der entzückt zu lachen anfing.

Der Dekurio geleitete sie in die Bereiche des Palastes, die den Gästen vorbehalten waren und wies ihnen ihre Quartiere zu. Bis zum Einbruch der Dunkelheit ließ sich niemand bei ihnen blicken.

*

Aurec fiel die Sauberkeit und Perfektion in der Stadt auf. Schon der Weg zum Regierungssitz war peinlich sauber. Und auch das Administrationsgebäude erstrahlte in prächtigem Glanz. Dutzende Wartungsroboter huschten durch die Räume. Es gab hierbei unterschiedliche Roboter. Die Reinigungsroboter waren flach und klein. Sie schwebten über den Boden und an den Wänden entlang. Aurec beobachtete einen dieser kleinen, piepsenden, kastanienbraunen Helfer. Er entdeckte offenbar einen Mangel im Badezimmer. Nur wenige Minuten später schwebte ein Reparaturroboter hinein und behob den Schaden, der Aurec verborgen blieb.

Als die Nacht hereinbrach, winkte Tifflor Trabon Saranos zu sich heran.

»Trabon, ich habe einen delikaten Auftrag für dich. Im Schutz der Nacht wirst du eine genaue Erkundung des Palastes vornehmen. Dein Ziel wird sein, etwas zu finden, was sich gegen den Statthalter verwenden lässt. Wenn es etwas gibt, wirst du es finden.«

Trabon nickte nur knapp und winkte einen der anderen zu sich heran. Der Terraner, für den sich der Akone entschieden hatte, war einer der Syntronikspezialisten der GOLDSTAR. Zusammen mit dem cheborparnischen Wissenschaftsoffizier machten sie sich auf den Weg in eines der anderen Zimmer und aktivierten eines der Infoterminals. Konzentriert machten sie sich auf die Suche nach brisanten Informationen, die ihnen vielleicht in der Zukunft noch nützen könnten.

»Warum sollen sie etwas suchen, was wir gegen Ojemus verwenden können?«, forschte Aurec nach, der sich müde in einen sehr weichen und pompösen Sessel gesetzt hatte.

»Nun, ich glaube nicht, dass wir bei diesem Typen sehr weit kommen werden. Es wäre gut, etwas gegen ihn in der Hand, ein Druckmittel zu haben!«

Aurec nickte nachdenklich.

»Er ist immerhin nur Provinzstatthalter. Mich wundert jedoch eines«, murmelte er.

»Was?«

»Dass die Dorgonen es offenbar als völlig selbstverständlich ansehen, dass wir aus einer anderen Galaxie kommen. Entweder ist es völlig normal für sie, intergalaktischen Handel zu treiben oder sie wissen, dass wir keine Schogoten sind«, vermutete Aurec.

»Ist das nun gut oder schlecht für uns?«, fragte der Zellaktivatorträger.

»Das wird sich noch herausstellen …«

*

Einige Stunden später – die Nacht war bereits hereingebrochen – kehrten die drei Hacker erfolglos zurück. Die virtuellen Sicherheitsvorkehrungen waren zu stark. Aurec überraschte das wenig.

»Sämtliche Rechner werden streng überwacht. Es reicht schon, sich als Unbefugter zu nähern, schon droht ein Alarm ausgelöst zu werden. Auch über Funk haben wir keine Chance. Dazu müssten wir dorgonische Rechner haben, um deren Software und Syntroniken zu analysieren«, sagte Trabon Saranos. Der Akone wirkte nachdenklich.

»Du hast einen anderen Plan?«, forschte Aurec nach.

»Nun, vielleicht finden wir ja etwas in Ojemus’ Privatgemächern?«, vermutete der Akone selbstbewusst.

Aurec verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.

»Das ist sehr gefährlich. Wenn wir entdeckt werden, fliegt alles auf. Wir wissen nicht, wann er seine Gemächer betritt und verlässt.«

Tifflor hob die Hand. Ihm war eine Idee gekommen.

»Nicht, wenn ihn jemand ablenkt. Ich denke da an den Fürsten unserer Handelskarawane«, sprach der Unsterbliche grinsend.

Aurec verdrehte die Augen und stieß innerlich einen Fluch aus. Dann erklärte er sich wohl oder übel einverstanden.

*

Diesmal machten sich Trabon Saranos, Sam Tyler und Japar auf dem Weg. Sollten sie entdeckt werden, wollte Aurec sichergehen, dass sie auch mit heiler Haut herauskamen.

Dem Kanzler von Saggittor wurde eine Audienz bei Ojemus gewährt. Der dicke Dorgone mit dem Oberlippenbart und einer blauen, fellartigen Kopfbedeckung thronte auf einer Liege und sah zwei üppigen Frauen bei einem anregenden Tanz zu. Neben ihm stand ein Gefäß, einer Wasserpfeife nicht unähnlich. Aurec wollte die SAGRITON verwetten, dass darin kein Wasser war. Schnell wurde seine Vermutung bestätigt, als der Consus den Saggittonen zu sich winkte und auf seiner Nebenliege einen Platz anbot.

»Nehmt etwas davon, Fremder!«

Aurec sog an der Pfeife und ein scheußliches Getränk füllte seine Kehle. Er war froh, als er das Zeug heruntergeschluckt hatte. Definitiv war es alkoholischer Natur. Dem Geschmack nach zu urteilen, mehr als hochprozentig.

»Schmeckt es Euch nicht, Fremder?«, blubberte der Dicke.

»Doch, Eure Exzellenz. Nur … nur bin ich kaum würdig, aus demselben Gefäß zu trinken wie Eure Heiligkeit. Eure Gnade verwirrt mich«, schmeichelte sich Aurec ein.

Ojemus fing an, amüsiert zu lachen.

»Ihr seid von richtiger Natur, Aurec! Nicht jeder weiß meine Arbeit hier zu würdigen. Harrisch ist ein undankbarer Sektor. Die Provinz Harridon ist langweilig. Es passiert hier sehr wenig und auch die Abgaben der einheimischen Völker sind sehr niedrig.«

»Oh, wie schrecklich«, heuchelte Aurec weiter.

Ojemus nickte lebhaft.

»Doch, doch. Besonders schlimm ist es, dass die Consi nach Abgaben belohnt werden. Daher gehöre ich nicht zu den bestbezahltesten Statthaltern Dorgons, sehr zu meinem Leidwesen«, erklärte er.

»Nun, dafür müsst Ihr allerdings der sparsamste aller Statthalter sein, denn der Prunk des Palastes ist unübersehbar«, meinte Aurec und sah sich in der großen Halle um, deren Säulen aus Gold waren.

Ojemus fing an zu husten und spuckte sein alkoholisches Getränk auf den Boden. Erst langsam beruhigte er sich wieder.

»Nun … das … das hat man sich eben im Laufe der Jahre so angespart«, erklärte er höchst verlegen.

Aurec schmunzelte innerlich. Er konnte sich schon denken, was das bedeutete. Anscheinend hatte der Consus von Harridon einige Abgaben für sich selbst behalten.

»Außerdem ist das hier Dorgon. Diese Stadt repräsentiert den Kaiser Thesasian. Überall wo Dorgon ist, herrscht der gleiche zivilisatorische Standard. Das unterscheidet uns von den Primaten«, ergänzte Ojemus mit einer Selbstverständlichkeit, die Aurec faszinierte und zugleich auch erschreckte. Die Dorgonen hielten sich offenbar für die fortschrittlichste Rasse im Universum. Doch sie taten offenbar auch viel dafür. Und das machte sie gefährlich.

Eine der Tänzerinnen stolperte und stieß eine edle Vase um, die in tausend Scherben zerbrach. Besorgt versuchte sie, die Scherben wieder aufzusammeln, da packten sie bereits zwei Wachen und zerrten sie vor den Statthalter. Der war anscheinend wenig amüsiert über den Verlust des edlen Kunstgegenstandes.

Zuerst nahm er einen kräftigen Schluck Alkohol, der anscheinend seine Wirkung nicht verfehlte. Ojemus versuchte aufzustehen, taumelte jedoch nach hinten. Geistesgegenwärtig stand Aurec auf und stützte den Dorgonen.

»Du … du … elende Nymphe«, begann er zu lallen. Der Statthalter machte keinen sonderlich würdevollen Eindruck.

»Du hast die Vase von … von … von wem auch immer zerstört. Dafür wirst du bestraft werden!«

Die Frau flehte um Vergebung. Sie schien auch eine Dorgonin zu sein, zumindest ein Mensch. Vielleicht eine Kolonistin. Auf jeden Fall schienen auch Menschen in dieser Galaxie versklavt zu werden.

»Einhundert Peitschenhiebe auf leichter Energiestufe«, ordnete Ojemus an.

Aurec packte ihn am Arm.

»Eure Weisheit, es wäre doch Verschwendung, eine zerstörte Kostbarkeit zu rächen, indem man eine weitere Kostbarkeit verschandelt«, sprach er eindringlich.

»Huh?«, machte der Consus verwirrt, dann schien er zu verstehen, was Aurec damit meinte. Er betrachtete die Schönheit noch einmal genau und grinste dabei breit.

»Genau, also Bastonade mit mittlerer Energiestufe. Fünfzig Elektrostockhiebe auf die Fußsohlen. Mein letztes Wort!«

Aurec schüttelte den Kopf und warf der Sklavin, die von den Wachen weggezerrt wurde, einen verzweifelten Blick zu.

»Ich weiß, ich weiß, ich bin viel zu großzügig … Prost!«, murmelte Ojemus und ließ sich wieder auf die Liege fallen.

»Ist sie keine Bürgerin Dorgons?«, fragte Aurec.

Ojemus wedelte mit der Hand.

»Nein, nein! Sie ist Bürgerin III. Klasse. Eine Jerrer. Die haben vor langer Zeit ihren Status verloren, als sie revoltierten. Sie sind zwar Dorgonen und somit besser als so ein Harride, aber sie genießen nicht die Grundrechte eines Dorgonen. Sie dürfen also versklavt werden.«

Aurec nickte.

»Sicher mit gutem Grund«, meinte er.

Ojemus kicherte.

»Oh ja. Aber …«

»Aber, Eure Exzellenz?«

Der Consus zuckte mit den Schultern.

»Es gibt eine Reihe von Senatoren, die für eine Gleichberechtigung aller Dorgonen sind. Thesasian ist dem nicht abgeneigt, aber woher nehmen wir dann die gut ausgebildeten Sklaven? Die Wirtschaft und das Volk wehren sich dagegen. Sieh, mein fremder Freund, eine Jerrer ist hübsch, begabt und reinlich. Die tausche ich doch nicht gegen einen beharrten Harriden ein.«

»Natürlich nicht«, erwiderte Aurec rasch. Langsam verstand er das System in Dorgon ein wenig.

»Aber der Kaiser hat für alles eine Lösung«, ergänzte Ojemus und nuckelte an der Wasserpfeife.

»Hat er das?«

»Natürlich! Er ist der Kaiser!«

Ojemus kicherte wie ein kleines Kind, sah sich um und beugte sich dann zu Aurec. Dem Saggittonen war das unangenehm. Er roch die Fahne, die aus dem Mund des Dorgonen drang. Doch er spielte mit. Ojemus sprach mit gedämpfter Stimme: »Der Kaiser bereitet eine Invasion in eine fremde Galaxie vor. Dort gibt es Menschen, dem Dorgonen nicht unähnlich. Nach der Eroberung werden wir eben die versklaven und den Dorgonen II. und III. Klasse ihre Gleichberechtigung geben. Ich finde, das ist genial. Der Kaiser verbessert die Rechte der Dorgonen in unserer Galaxie und wir haben trotzdem hochwertige Sklaven.«

»Euer Kaiser ist weise«, meinte Aurec einsilbig. Er ahnte, um welche Galaxie es sich handelte: die Milchstraße. So sah dann also die Zukunft aus. Doch der saggittonische Kanzler hatte auch nichts anderes erwartet.

Aurec sah besorgt auf sein Chronometer und hoffte, Saranos und Tyler würden sich beeilen.

*

Langsam und vorsichtig arbeiteten sich der Akone, der Terraner und der Springer durch den dunklen Palast. Weit und breit war niemand zu sehen und Trabon fragte sich, ob er nur einfach Glück hatte oder sie ihm hier eine Falle stellten. Aber versteckt hatte sich hier niemand, wie ihm seine Instrumente verrieten. Es gab auch keine geheimen Apparate, die seine Annäherung meldeten. Er hätte einfach durch die Gänge gehen können, ohne sich zu verstecken. Aber das erschien ihm dann doch zu riskant.

Nicht dass der Bereich des Statthalters vollkommen ungesichert gewesen wäre. Bevor man überhaupt in diesen Bereich gelangen konnte, wiesen eine Unmenge von Schildern darauf hin, dass man sich verbotenem Gebiet näherte. Unmittelbar davor konnte man sogar Wachen antreffen. Allerdings hatten die ihn und die anderen nicht bemerkt. Lautlos wie Schatten waren sie an ihnen vorbei geschlichen. Sie benutzten einen der vielen Versorgungsschächte, um in die Räumlichkeiten des Statthalters zu gelangen. Dies war Tylers Idee. Trabon merkte schnell, dass dieser martialische Typ ein Könner war.

Niemand hatte sie bis jetzt bemerkt, keiner hatte versucht, sie aufzuhalten. Anscheinend waren diese Dorgonen nicht daran gewöhnt, dass man in ihre privaten Räume eindrang. Andererseits hatten sie aber kein Problem damit, die Räume anderer zu betreten, wie ihr Eindringen in die Milchstraße bewies.

Egal, der Akone hatte nicht vor, lange darüber nachzudenken. Er wollte den Vorteil ausnutzen und machte sich auf den Weg in die Schlafräume des Herrschers, gefolgt von Tyler und Japar, die zur Sicherheit bereits ihre Nadelstrahler gezogen hatten.

*

Tifflor verschwendete einige Gedanken daran, ob es richtig gewesen war, diesen Ausflug zu genehmigen. Aber letztendlich beantwortete er diese Frage mit einem klaren Ja. Erstens waren sie auf die Erkenntnisse angewiesen und zweitens war der Akone ein durchaus vorsichtiger Mann, der es verstand, nicht nur auf sich, sondern auch auf seine Umgebung aufzupassen, und das war in dieser Situation sicher das Wichtigste.

Um Tyler und Japar machte er sich mehr Sorgen. Sicherlich verstanden auch sie es, sich unbemerkt einzuschleichen, aber er hatte die Befürchtung, sie könnten zu unüberlegten Handlungen neigen. Dennoch schien alles glatt zu gehen. Er nahm Verbindung mit seinem Stellvertreter an Bord der GOLDSTAR auf. Auch dort war alles in Ordnung.

Wunderbar, dachte der Terraner. Keine Nachrichten sind in diesem Fall mit Sicherheit gute Nachrichten.

Allerdings sorgte dieser Umstand dafür, dass er sich beinahe wieder langweilte. Er war schließlich hier, weil er endlich mal wieder seinem Schreibtisch entkommen, endlich mal wieder etwas erleben wollte. Wenn das so aussah, dann hätte er eigentlich auch getrost zu Hause bleiben können.

Tifflor verschwendete nur einen Augenblick an diesen Gedanken, dann wurde ihm klar, dass sie doch eigentlich noch immer in Gefahr schwebten. Schließlich waren sie die Eindringlinge in einer fremden Galaxie und niemand konnte sagen, wie sich die Dorgonen verhalten würden, wenn herauskam, wer sie wirklich waren. Dann konnte es mit ihnen schnell zu Ende sein. Tifflor setzte sich und versuchte zu entspannen. Dank seiner Erfahrung gelang ihm das auch nach kurzer Zeit.

*

Cauthon Despair und Sanna Breen erreichten die Quartiere. Sie hatten sich auf dem Planeten etwas umgesehen. Natürlich in Begleitung einer dorgonischen Delegation. Was sie zu sehen bekamen, war durchaus beeindruckend. Cermium war hauptsächlich von Harriden besiedelt. Es gab auch dorgonische Niederlassungen außerhalb von Ceriusanon. Sie waren sofort zu erkennen, denn sie wirkten sauberer und besser saniert als die Stadtteile der einheimischen Harriden. Zumeist wohnten dort dorgonische Händler und Unternehmer. Die Harriden lebten relativ unbehelligt auf Cermium und doch war die Furcht vor den dorgonischen Herren spürbar.

Ceriusanon war die einzige Garnisonsstadt auf Cermium. Von dort aus wurde offenbar alles kontrolliert. Auf anderen Kontinenten befanden sich gewaltige Fabriken und Raumhäfen. Die Raumhäfen dienten als Umschlagplätze für die abgebauten Rohstoffe, neue Sklaven oder auch Güter, die in die Provinz verschifft wurden.

*

Die Gemächer des Statthalters erwiesen sich als geschmackvoll eingerichtet. Sie folgten der hier vorherrschenden Mode von gedeckten Farben, die fremdartig, zugleich aber durchaus bezaubernd auf den Akonen wirkten. Tyler und Japar interessierten die Farben an den Wänden und der Decke jedoch herzlich wenig. Sie begannen bereits, die Schubladen und Schränke zu untersuchen.

Trabon nahm diese Tatsache allerdings nur am Rande wahr, während er seinen Orter checkte. Alles im grünen Bereich, wie er feststellte. Zielstrebig steuerte er auf eine Konsole zu, die in einem niedrigen Tisch eingearbeitet war. Dieses Möbelstück wirkte auf ihn wie der Arbeitsplatz des Regenten und genau danach suchte der Akone. Hier gab es offenbar keinen Zugriffsschutz. Saranos fand dies verdächtig. Liefen sie in eine Falle oder wollte Ojemus nicht, dass die Syntronik des Administrationskomplexes Sicherheitsprotokolle über sein Privatgemach führte? Der Akone beobachtete mit Herzklopfen den Rechner vor ihm. Eine Eingabekonsole schrie förmlich danach, sie zu benutzen. Wenn es allerdings doch eine versteckte Sicherheitseinrichtung gab, würde der unberechtigte Zugriff sofort einen Alarm auslösen. Wie sollte er sich entscheiden? Er vermutete, dass Ojemus absichtlich unabhängig vom Netzwerk agierte. Doch wenn er falsch lag, war alles aus. Er musste eine Entscheidung treffen. Sie waren bis hierher unbemerkt vorgedrungen. Das sprach dafür, dass die Sicherheitsvorkehrungen zwar in diesem Trakt aktiviert waren, bis auf die Lüftungs- und Wartungsschächte offenbar, jedoch nicht im privaten Quartier des Consi. Saranos atmete tief durch und tippte auf die Konsole. Es passierte nichts. Erleichtert stieß er einen Pfiff aus. Er aktivierte die Konsole und machte sich an die Arbeit.

»Kein Alarm«, meinte Tyler.

Saranos nickte beiläufig.

»Ojemus hat die Sicherheitsvorkehrungen deaktiviert. Er verhindert damit eine Überwachung seines eigenen Rechners. Das kann nur eines bedeuten: Er verbirgt etwas, was eben nicht von der hiesigen Syntronik ausgewertet werden soll.«

»Dachte ich es doch. Schon was gefunden?«, wollte Sam Tyler wissen.

»Kann ich noch nicht sagen«, antwortete der Akone.

Wie er erwartet hatte, erwies sich die Konsole als nicht mit dem Cermium-internen Verbindungsnetz verbunden.

Konzentriert arbeitete er sich durch die Beschreibungen, die in den Schriftzeichen der Dorgonen auf dem Bildschirm erschienen.

Es dauerte nicht lange und er hatte gefunden, was er suchte. Eine der Dateien hatte einen Namen, der auf finanzielle Transaktionen hinwies. Der Akone rief die Datei auf und ließ sich die Inhalte anzeigen.

Scheinbar handelte sich um eine Art geheimes Konto. Es wies einen nicht unbeträchtlichen Kontostand auf. Saranos fertigte eine Kopie an, die er umgehend per Funk an Tifflor weiterleitete. Danach machte er sich an eine erweiterte Suche und konnte noch einige Dateien entdecken, die über die Art der Transaktionen berichtete, die der Statthalter getätigt hatte.

»Der Kerl hat sich ja wohl ganz offensichtlich an Steuergeldern vergriffen.«

»Gut, dann haben wir ja jetzt was gegen diesen Sack in der Hand. Machen wir, dass wir hier wegkommen«, meinte Tyler.

Unwillkürlich fragte sich der Akone, ob der Dekurio Carcus über die Machenschaften seines Herrschers Bescheid wusste.

Er hatte eigentlich einen loyalen, dem Reich treu ergebenen Eindruck gemacht. Saranos konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass ein wahrer Krieger, wie es Carcus war, mit einem dekadenten und versoffenen Kerl wie dem Statthalter unter einer Decke stecken würde. Andererseits – Geld korrumpiert. Man konnte nie wissen. Vorsicht war angebracht.

»Nun mach schon«, drängte Sam Tyler den Akonen.

Ruhig und besonnen deaktivierte er den Computer des Regenten. Dann machte er sich daran, einige andere Spuren zu verwischen, die sie in den Räumlichkeiten hinterlassen hatten. Langsam und vorsichtig machten sie sich auf den Rückweg durch die Schächte. Eine halbe Stunde später betraten Tyler, Japar und er die ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten und setzten sich neben den schweigenden Tifflor, der die von Saranos geschickten Daten aufmerksam studierte.

Dann blickte der Unsterbliche auf.

»Gute Arbeit, meine Herren«, meinte er lakonisch.

*

Ojemus hatte inzwischen die zweite Füllung der Wasserpfeife geleert. Er stank aus dem Mund nach dem Gebräu und hatte große Probleme, sich zu artikulieren.

»Weißt du was, Fremder. Ich habe eine Entscheidung getroffen.«

»Die wäre, Eure Hoheit?«

»Ich erlaube dir und deinen Leuten nicht zu handeln. Wo kommen wir denn da hin? Ihr seid Außergalaktische. So einen Abschaum brauchen wir hier nicht«, erklärte er hart.

Aurec rang nach Worten. Er dachte einige Sekunden nach, bevor er eine Antwort gab.

»Consus, wir haben wertvolle Güter, die Eure Wirtschaft ankurbeln könnten. Ihr könntet viel Reichtum damit anhäufen«, versuchte sich der Saggittone zu rechtfertigen.

Ojemus winkte ab.

»Den kann ich auch hier bekommen. Und nebenbei gesagt: Das Ausbluten der Harriden macht viel mehr Spaß.«

Er lachte fies.

Bevor Aurec einen erneuten Versuch starten konnte, hatte der Dorgone bereits die Wachen zu sich gerufen, die Aurec packten und fort brachten.

*

Ohne Vorwarnung wurden die Türen ihrer Gemächer aufgerissen. Ohne Hast, aber mit gezogener Waffe betrat der Dekurio den Raum, gefolgt von einer Abordnung der Palastwache.

»Es wäre angeraten, sich zu ergeben und die Güter zu übergeben, die ihr mit euch führt. Ich verabscheue Gewalt, also zwingt mich nicht, von der Waffe Gebrauch zu machen.«

Die Stimme Carcus’ triefte vor Sarkasmus.

»Und nur damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt – die Schiffe sind umstellt. Sie sind durch Traktorstrahlen mit der Oberfläche von Cermium verbunden und werden ohne unsere Erlaubnis nicht mehr starten können.«

»Ich verstehe nicht ganz, was ihr damit bezweckt. Wir sind friedliche Händler«, rief Julian Tifflor überrascht.

»Der Consus Ojemus hat anders entschieden. Ihr seid als Feinde des Imperators eingestuft worden. Für den gesamten Wirtschaftsverkehr in diesem Sektor ist Ojemus zuständig. Wir werden euch erst einmal verhören. Für gewöhnlich meiden Außergalaktische Dorgon und reisen im weiten Bogen um uns herum, wohl wissend, dass Dorgon sie besucht, wenn es etwas will. Es interessiert mich brennend, woher ihr so plötzlich kommt.«

Wie aufs Stichwort betrat der volltrunkene Fettsack Ojemus die Gemächer. An seiner Seite wurde Aurec, von den Wachen eskortiert, geführt.

»Ich protestiere nochmals gegen diese Behandlung. Dafür wirst du Rechenschaft ablegen müssen, Ojemus«, drohte Aurec.

Tifflor dachte fieberhaft nach, konnte sich allerdings keine Möglichkeit vorstellen, wie sie aus dieser Falle entkommen sollten. Verzweifelt blickte er in die Richtung seines Sicherheitsoffiziers. Der Akone wirkte erstaunlich ruhig.

»Ich verstehe sehr gut, was du meinst«, meldete sich Saranos zu Wort. »Dein Herrscher scheint eine ganz eigene Meinung über die Verwendung von Geldmitteln in eurem Reich zu haben. Ich vermute, die Regel hier lautet, alles zum Wohle des Imperators?«

Der Dekurio nickte, wirkte allerdings eher gelangweilt, während er mit Genugtuung beobachtete, wie seine Männer die Fremden entwaffneten und mit Energiefesseln an jeglicher Flucht hinderten.

»Nun, dann frage ich mich, wie es ein kleiner Statthalter wagen kann, den Herrscher um seine Steuern zu betrügen«, meinte der Akone fröhlich.

Tifflor warf ihm einen Seitenblick zu. War Trabon Saranos nicht auf die Idee gekommen, dass die beiden unter einer Decke stecken könnten? Er konzentrierte sich auf den Dekurio und musste feststellen, dass seine Befürchtung anscheinend nicht zutraf. Das Gesicht des Soldaten war zu einer Maske erstarrt. Er wirkte alles andere als fröhlich, als er sich dem Akonen näherte.

»Ihr klagt den mächtigsten Mann des Protektorats Harrisch an, den Imperator zu betrügen. Darauf steht die Todesstrafe!«

Carcus’ Stimme bebte!

»Ich habe Beweise.«

»Welche Beweise?«

»Ja, genau, welche Beweise?«, bellte Ojemus Carcus nach. »Was soll das überhaupt? Erschießt sie, sofort!«

Die ersten Soldaten zogen bereits ihre Waffen.

»Wartet, wartet!«, schrie Aurec und wandte sich Carcus zu.

»Was glaubst du, woher diese ganzen prunkvollen Sammlungen im Palast kommen? Die hat sich Ojemus unter den Nagel gerissen, obwohl sie dem Kaiser zustehen.«

Der Dorgone machte einen nachdenklichen Eindruck.

»Glaubt ihm kein Wort. Ich bin hier der Herrscher. Tötet sie endlich!«, brüllte der Consus und torkelte durch den Raum.

»Wie lange bist du schon in seinem Dienst, Carcus?«, wollte Aurec wissen.

»Seit zwei Jahren, warum?«

»Stand dann bereits dieser Palast in seiner vollen Pracht?«, forschte der Saggittone weiter nach.

»Ja … ja!«

Carcus verstand. Er hatte keinen Verdacht geschöpft, weil die prunkvollsten Bauten bereits standen. Die anderen Steuern hatte er wahrscheinlich irgendwo gehortet.

»Ich kann dir einige Dateien zeigen, die uns in die Hände gefallen sind. Sie beweisen, dass Ojemus einige Milliarden eurer Währung auf ein Geheimkonto überwiesen hat. Willst du die Beweise sehen?«

»Selbstverständlich.«

»Du vertraust doch nicht etwa diesen dahergelaufenen Sternenbarbaren?«

Der Statthalter fühlte sich offenkundig nicht gerade wohl. Allerdings gedachte er nicht, sich von diesen dahergelaufenen Fremden aufhalten zu lassen.

»Wenn sie an solche Daten herangekommen sind, dann müssen sie in meine privaten Gemächer eingedrungen sein. Das ist ein Vergehen, das ebenso mit dem Tode bestraft wird.«

»Du gibst also zu, dass diese Daten aus deinen Gemächern stammen? Dann sind sie echt!«

Beschämt senkte der Statthalter seinen Blick.

»Also … und wenn schon. Der Staat hat genug. Carcus, ich gebe dir ein Viertel meiner Ersparnisse ab. Dann müssen wir das nicht vor den Praefektes Fabrum bringen«, schlug Ojemus vor.

»Wer oder was ist ein Praefektes Fabrum?«, wollte Aurec wissen.

»Ihr habt keine Fragen zu stellen«, herrschte der Dekurio ihn an. Dann besann er sich wieder. »Er ist mein Vorgesetzter. Der Praefektes Fabrum von Cermium ist Carilla.«

Carcus überprüfte die Unterlagen, dann machte er eine Handbewegung, die man nur auf eine Weise deuten konnte. Einer seiner Soldaten griff nach seiner Waffe und richtete sie auf den Statthalter, der wimmernd auf die Knie fiel.

»Wartet«, befahl der Dekurio. Er ging zu einer Konsole und stellte die Verbindung zum Praefektus Fabrum her. Die lebensgroße Holografie eines kantigen, muskulösen Dorgonen erschien. Das Gesicht war mit einer Narbe von der Stirn bis hinunter zur Wange verunstaltet. Das Haar des beinahe eckigen Kopfes war kurz. Die Bartstoppeln untermauerten das martialische Aussehen des militärischen Oberbefehlshabers der Provinz Harridon.

Carcus verneigte sich.

»Sprich Dekurio!«

»Kommandant Carilla, ich habe betrübliche Kunde. Unterlagen entlarven Consus Ojemus als Tributhinterzieher.«

Carilla blickte zum winselnden Statthalter. Dann musterte er die Galaktiker und den Saggittonen.

»Wer sind die?«

»Sie sagen, sie seien Händler aus einer fernen Galaxie. Sie wollen Handelsbeziehungen mit Dorgon knüpfen.«

»Soso. Wieso wurde ich darüber nicht informiert, Dekurio?«

Carcus wurde totenbleich im Gesicht.

»Nun, Herr, ich dachte, eure Mission auf Herrisch II sei wichtiger.«

»Ich kehre in wenigen Tagen nach Cermium zurück. Bis dahin sollen diese Händler Dorgon verlassen haben«, sprach Carilla verächtlich. Das hatte für die Galaktiker nichts Gutes zu bedeuten.

»Was nun Ojemus angeht. Köpft ihn. Nein! Ich habe eine bessere Idee. Gebt ihm zweihundertfünfzig Elektrostockhiebe höchster Stufe auf die Fußsohlen, den Hintern und den Rücken. Bastonade für den Consus, das löst das Problem«, befahl der Praefektus Fabrum.

»Carcus, informiere Dom von diesem Zwischenfall. Informiere sie, dass Ojemus bereits bestraft wurde und nicht überlebt hat. Wir brauchen einen neuen Consus!«

»Was ist, wenn er die Strafe doch überlebt?«, hakte Carcus nach.

Carilla sah zu Ojemus hinüber.

»Das wird er nicht!«

Ojemus schrie auf und griff zu seinem Schwert. Er stürmte auf Carcus zu und versuchte, allerdings vergebens, ihn zu treffen. Der Dorgone zog sein silbernes Schwert und parierte die ersten beiden Schläge. Die nächsten zwei landeten im Nichts, dann schlug der Dekurio dem dicken Dorgonen die Waffe aus der Hand und durchbohrte ihn mit seinem Schwert. Mit einem lauten Schrei sank Ojemus zu Boden. An seinem gebrochenen Blick konnte jeder schnell erkennen, dass er den Tod gefunden hatte.

»Schade, ich hätte die Bastonade gern mitverfolgt«, meinte Carilla lakonisch. »Nun gut, die Angelegenheit hat sich erledigt. Ich befördere dich zum Centrus. Du hast meine Befehle, Centrus Carcus.«

Carcus salutierte, indem er strammstand und die rechte Faust gegen die Brust schlug. Das Hologramm Carillas erlosch.

»Was geschieht jetzt mit uns?«, wollte Aurec wissen.

Carcus warf ihm einen eigentümlichen Blick zu. Tifflor verstand nicht so richtig, was diese Augen aussagten – Triumph, Grausamkeit, Genugtuung oder Enttäuschung? Jedenfalls traute er dem Centrus nicht.

»Die Wachen werden sich um sein Gefolge kümmern. Seine Frau, seine Kinder, seine Verwandten, ja sogar seine Sklaven werden als abschreckendes Beispiel hingerichtet. Wer einen Fehler begeht, wird bestraft. Wer seinen Herrscher bestiehlt, wird hundertfach bestraft. Nun geht, Fremde, und lasst euch in dieser Galaxie nie wieder blicken.«

Der Saggittone hielt dem Blick des Dorgonen für einen Moment stand, dann nickte er. Er drehte sich zu seinen Begleitern um und winkte sie zu sich heran. Gemeinsam verließen sie den Palast und setzten sich in einen Gleiter. Den Weg zum Schiff legten sie schweigend zurück.

Als sie schließlich die Schiffe betraten, untersuchten sie als Erstes, ob sie noch durch Fesselfelder behindert wurden. Aurec stellte fest, dass dem nicht so war. Er nahm über Funk Verbindung mit der Raumhafenkontrolle auf, um um Starterlaubnis zu bitten. Es meldete sich Carcus.

»Verschwindet einfach. Ich warne euch! Kommt nicht zurück«, meinte der Centrus.

Aurec zögerte kurz, dann richtete er allerdings doch noch eine Frage an den Zenturio.

»Warum lasst Ihr uns gehen?«

Carcus schwieg für einen Augenblick und der Saggittone dachte schon, er würde keine Antwort erhalten.

»Der Praefektus hat keine gegenteiligen Befehle gegeben. Außerdem habt ihr mir einen Gefallen erwiesen«, meinte der Centrus schließlich doch noch, dann deaktivierte er die Verbindung.

Aurec befahl den Start und setzte sich in seinen Kommandosessel. Er blickte nicht zurück.

*

Drei Tage später war die Flotte wieder vereint. Tifflor und Aurec ließen die Kommandanten kommen und erstatteten ihnen Bericht über die Geschehnisse auf Cermium. Niemand schien allzu verblüfft über die rauen Umgangsformen der Dorgonen zu sein. Allerdings waren auch nicht alle bei der Sache. Tifflor bemerkte mit leichter Verunsicherung, dass sowohl Cauthon Despair als auch Joak M. Cascal einen merkwürdig abwesenden Eindruck machten. Allerdings verschwendete er nicht allzu viele Gedanken daran, denn er musste sich auf die nächsten Schritte konzentrieren, um sich der Hauptwelt Dom zu nähern. Leider war der erste Plan mit der Landung auf Cermium schiefgegangen.

Sam meldete sich zu Wort.

»Ich würde vorschlagen, angesichts der Brutalität der Dorgonen unsere Flotte zu verstärken.«

»Das können wir nicht. Bis wir Nachschub aus der Milchstraße erhalten haben, sind wir schon längst besiegt«, meinte Cascal pessimistisch.

»Wer redet von der Milchstraße? Habt ihr vergessen, wo ich herkomme? Ich fliege mit meiner SIOM SOM nach Siom Som und im Handumdrehen haben wir eine Flotte der Somer hier. Was meint ihr dazu?«

Tifflor lehnte sich zurück. Siom Som war etwas mehr als elf Millionen Lichtjahre von Dorgon entfernt. Ein Flug durch das Sternenportal war möglich, wenngleich auch riskant. Bei einem Überlichtflug von fünfundsiebzig Millionen benötigte die SIOM SOM jedoch fast drei Monate hin und ebenso wieder drei Monate zurück. Das war eine lange Reise.

»Ich schlage vor, dass ich unseren besten Kreuzer ebenso nach Saggittor schicke. Er wird durch das Sternenportal fliegen«, sagte Aurec.

»Ein Glück, dass wir überall im Universum Freunde haben, abgesehen von unseren Feinden, versteht sich. Ich bin einverstanden mit beiden Vorschlägen. Sie können gleich aufbrechen, Sam. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«

»Wir werden zusammen mit dem Kreuzer den Flug durch das Sternenportal nach Saggittor wagen. Von dort aus können wir ungehindert nach Siom Som weiterreisen«, erklärte das Vogelwesen.

»Ich hoffe, es ist wirklich so einfach, wie du es darstellst, Sam«, meinte Aurec etwas zurückhaltend.

»Wir werden sehen. Ich werde mein Möglichstes versuchen, das verspreche ich.« Mit diesen Worten erhob sich der Somer und verließ den Besprechungsraum.

Die Besprechung löste sich auf. Nur Aurec und Tifflor blieben zurück. Der Saggittone starrte aus dem Fenster und beobachtete die Sterne.

»Nachdenklich?«

»Ja …«

»Ich muss an die Worte von Ojemus denken. Die Dorgonen planen eine Invasion in eine fremde Galaxie, um dort neue Sklaven zu rekrutieren. Sie wollen dann die Sklaverei der einheimischen, menschlichen Völker in M 100 abschaffen, um Unruhen zu unterbinden.«

Tifflor atmete tief durch.

»Wir sollen also versklavt werden.«

»Richtig. Und um der Stabilität der eigenen Galaxie willen werden die Dorgonen von diesem Plan sicher nicht abweichen.«

Tifflors Zweifel

Nachdem auch die SAGRITON sich wieder in den Verband der zehn Schiffe eingegliedert hatte, beschlossen die beiden Expeditionsleiter Julian Tifflor und Aurec, noch tiefer in Dorgon vorzudringen.

Dank der Informationen von Cermium hatten die Navigatoren die Möglichkeit, erste Karten der Galaxie zu erstellen, die jedoch noch mehr als lückenhaft waren.

Demnach war Dorgon in vier Protektorate unterteilt. Sie selbst befanden sich bekanntlich im Protektorat Harrisch, welches etwas mehr als vierzehneinhalbtausend bewohnte Welten umfasste. Dessen Zentrum war der Planet Mesoph.

Die anderen drei Protektorate trugen die Namen Rosza mit der Hauptwelt Jerrat, Mesaphan mit der Welt Hesophia und Jusilus, dessen Hauptplanet auch der Nabel des Imperiums war: Dorgon.

Einige Tage lang kreuzte die Flotte in einem zehn Millionen Lichtjahre umfassenden Raumsektor umher, ohne großartige Entdeckungen zu machen.

Die ARAMIS hatte das Volk der Sublider entdeckt, eine primitive Arachnoiden-Spezies, von der man keinerlei brauchbare Information erlangen konnte.

In einer weiteren Besprechung beschlossen Aurec und Tifflor, die Schiffe wieder ausschwärmen zu lassen.

Die IVANHOE begab sich in nördliche Richtung und bewegte sich somit näher an das Zentrum der Galaxie Dorgon. Die TAKVORIAN, NELES und GOLDSTAR bildeten einen Verband, sowie die ARAMIS und RUDO und die SAGRITON, AKRAN und DRUSILLA. Die SIOM SOM war bereits auf dem Weg in die Mächtigkeitsballung ESTARTU, um dort nach eventuellen Verbündeten im Kampf gegen Dorgon zu suchen.

Aurec und Tifflor war inzwischen klargeworden, dass es schwer sein würde, einen friedlichen Dialog zu erreichen.

Das Volk der Dorgonen schien aus überheblichen, arroganten und nationalistischen Kriegern zu bestehen, die an die Laren oder Arkoniden erinnerten. Die Technik und die Macht des Imperiums waren gewaltig und schienen den Galaktikern weit überlegen – sowohl qualitativ als auch quantitativ!

Betrübt ließ sich Tifflor auf sein Bett fallen und schloss die Augen. Er genoss die Stille, lauschte ihr förmlich.

Ein unpassender Ton unterbrach diese Idylle – der Interkom summte auf.

Der Unsterbliche pfiff frustriert durch die Zähne und setzte sich wieder auf. Nachdem er die Aktivierungstaste betätigt hatte, erschien das wohlgebräunte Gesicht des Saggittonen Aurec, dem sofort die zerzausten Haare Tifflors auffielen.

»Ich hoffe, ich habe dich nicht aus dem Schlaf gerissen«, begann er entschuldigend.

»Nein, ich hatte mich nur etwas ausgeruht. Was gibt es, Aurec?«

»Wir sind etwa siebenhundert Lichtjahre von euch entfernt. Dieser Sektor scheint fast ausschließlich aus unbewohnten Systemen zu bestehen. Bisher keine einzige Station der Dorgonen. Wie sieht es bei euch aus?«

Tifflor verdrehte die Augen.

»Nun, wir haben uns bereits an einigen gut bevölkerten Systemen vorbei geschlichen. Jedoch scheint dieser Sektor wirklich keine Bevölkerungsballung darzustellen«

»Verstehe.«

Aurec bemerkte, wie bedrückt Julian Tifflor war. Vorsichtig erkundigte er sich, was nicht stimmte. Tifflor wehrte erst ab, dann dachte er einen Moment lang nach. Mit irgendjemandem musste er darüber reden.

»Weißt du … Ich bin mir so langsam nicht mehr sicher, ob ich der ganzen Sache gewachsen bin«, erklärte er leicht beschämt.

Aurec verstand nicht genau.

»Was meinst du damit?«

»Nun, ich bin nicht Perry oder Atlan. Oftmals hielt ich die Stellung zuhause, während die zwei das Universum retteten. Sicher, ich habe auch dreitausend Jahre Erfahrung. Doch je besser ich diese Dorgonen kennenlerne, desto mehr lerne ich, sie zu fürchten.«

Der Saggittone erwiderte nichts. Tifflors weitere Ausführungen ließen auch nicht lange auf sich warten.

»Wenn die Dorgonen die Milchstraße angreifen, werden Millionen, vielleicht sogar Milliarden Lebewesen sterben, die anderen sind von Sklaverei bedroht. Unser kleiner Trupp ist sehr wichtig, um die Invasion zu verhindern. Fast schon hängt die Existenz der Milchstraße von unserem Vorgehen ab. Was ist, wenn ich einen Fehler mache? Ich bin es einfach nicht gewohnt, wie Rhodan und Atlan …«

Seufzend erhob sich der Zellaktivatorträger von seinem Bett und lief durch sein Zimmer.

»Für uns alle ist die Expedition eine enorme Anforderung. Die Tatsache, dass wir genau wissen, welche Gefahr Dorgon darstellt, lässt uns nicht leichtfertig handeln. Du besitzt eine dreitausendjährige Erfahrung. Du wirst schon das Richtige machen. Falls nicht, bin ich auch noch da, um dir auf die Finger zu schauen. Umgekehrt funktioniert das genauso. Wir beide teilen uns die Verantwortung und ich denke, wir sind der Sache gewachsen«, sprach Aurec heroisch und versuchte, Tifflor aufzumuntern, der jedoch kopfschüttelnd stehenblieb und der Projektion von Aurec ins Gesicht sah.

»Ich bin mir nicht sicher …«

»Nun, dann schlage ich vor, du wirfst dich aufs Bett und heulst dich kräftig aus. Weine wie ein ängstliches Kind und bedauere dich selbst. Vielleicht erleichtert dich das, wird aber leider das Problem mit den Dorgonen nicht lösen!«

Der Saggittone ließ seine Worte auf den ehemaligen Ersten Terraner wirken. Tifflor kratzte sich am Hinterkopf und nickte unmerklich.

»Du hast recht, das bringt wenig. Das wäre doch gelacht! Wir stehen das durch und werden diesen Dorgonen zeigen, dass sie sich besser nicht mit uns anlegen sollten!«

IVANHOE

Die IVANHOE flog weiter in die Galaxie hinein – und damit mitten ins Reich der Dorgonen. Tifflor hatte die Anweisung gegeben, das Protektorat Harrisch genauer und gründlich zu untersuchen.

Im Moment befand sie sich in einer weiten Umlaufbahn um eine einsame Sonne, die etwa vom Sol-Typ war, jedoch keinerlei Trabanten hatte, sprich: keine Planeten. Eine Sonne, wie es unzählige in jeder Galaxie gab.

Nach dem Zwischenfall bei den Harriden waren alle noch geschockt von der Gnadenlosigkeit des dorgonischen Kommandanten. Bei ihrem Besuch auf dem relativ unwichtigen Planeten landete ein dorgonisches Schiff, um Steuern einzutreiben. Obwohl die harridischen Einheimischen alles gaben, was sie geben konnten, ließen die Dorgonen das Fischerdorf niederbrennen.

Bei zukünftigen Beobachtungen müsste man vorsichtiger sein – das war ihnen klargeworden. Das Einsatzkommando unter Mathew Wallace konnte im letzten Moment nur dank des Posbis Lorif, Wissenschaftsoffizier der IVANHOE, mit Hilfe eines mobilen Transmitters entkommen, bevor die Space-Jet JAYJAY II zerstört worden war.

Zurzeit beobachtete die Besatzung passiv das Geschehen in der fremden Galaxie. Kommandant Xavier Jeamour wollte jedoch so bald wie möglich weitere Erkenntnisse über die Dorgonen sammeln, ganz wie von Tifflor angeordnet. Nervös fuhr er mit einer Hand über seine Halbglatze. Dazu würde wohl wieder ein Einsatzkommando nötig sein.

Der Posbi Lorif saß mit an den Kontrollen der Ortung. Auch der Funk wurde die ganze Zeit überwacht und alle gewonnenen Informationen fein säuberlich zur späteren Auswertung gespeichert. Im Allgemeinen schien es sich um normalen Funkverkehr von Nachrichtensendungen aller Art zu handeln. An das Dekodieren von verschlüsselten Sendungen wollte man sich erst später machen. Als Posbi konnte er unglaublich schnell die Sendungen durcharbeiten und auswerten. Unterstützt wurde er bei seiner Arbeit von weiteren Besatzungsmitgliedern und vor allem dem Syntron der IVANHOE.

Plötzlich hielt Lorif inne und wandte sich an den Kommandanten.

»Sir, ich habe hier eine interessante Anomalie.«

Aus seinen Überlegungen aufgeschreckt, wandte sich Jeamour um. Seine innere Aufgewühltheit drang jedoch nicht nach außen. Er wirkte immer noch streng und diszipliniert.

»Um was handelt es sich?«

»In 2147,43 Lichtjahren Entfernung haben wir eine Art Konvoi geortet«, antwortete der Posbi und glaubte, damit sei alles gesagt.

»Und was ist daran so ungewöhnlich? Oder anders gefragt: Was sagt uns, dass es kein gewöhnlicher Handelskonvoi ist?«

Lorif hatte noch nicht so viel Erfahrung im Umgang mit Organischen, wenn er auch zweifelsohne wissenschaftlich sehr kompetent war. Daher war das Plasma des Posbi auch kurz erstaunt, während die kalte Computerlogik sofort die Begründung lieferte.

»Auf den ersten Blick ist an diesem Konvoi auch nichts Ungewöhnliches. Bei genauerer Betrachtung bemerkt man jedoch eine relativ kleine Jacht, die anscheinend von vielen weiteren Einheiten eskortiert wird. Der Funkverkehr lässt darauf schließen, dass sich eine wichtige Persönlichkeit an Bord befindet.«

Jeamour überlegte kurz.

»Das klingt wirklich interessant. Vielleicht sollten wir dem Konvoi folgen …«

»Vielleicht ist das keine besonders gute Idee, Sir!«, wandte Irwan Dove ein.

Der oxtornische Sicherheitschef der IVANHOE hatte die Vorgänge bisher weitgehend schweigend verfolgt.

»Wir haben bereits festgestellt, wie hart die Dorgonen vorgehen. Wenn wir dann noch einer hohen Persönlichkeit folgen, sind wir schneller eine Zielscheibe, als uns lieb ist.«

»Aber wir könnten sicher auch neue und wichtige Informationen über die Dorgonen sammeln«, entgegnete Jeamour.

»Das sehe ich ein, aber trotzdem weiß ich nicht so recht, ob das Risiko nicht zu groß ist«, sagte der Oxtorner, während sein Widerstand gegen das Vorhaben zusehends geringer wurde. Im Grunde hielt er seinen Einspruch nur für seine Pflicht als Sicherheitsoffizier der IVANHOE.

Der Posbi registrierte diese kleine Meinungsverschiedenheit mit Interesse – wie alles, was mit den Organischen zusammenhing.

»Also, ich bin dafür, wir folgen dem Konvoi. Wie schätzt du das Risiko ein, Lorif?«

»Nicht geringer als bei unserer ersten Erkundung. Höchstwahrscheinlich wäre dieses Vorhaben sogar risikoreicher – eben aus den von Dove genannten Gründen.«

»Ich wäre auch dafür, dem Konvoi zu folgen – mit sicherem Abstand natürlich«, sagte der Erste Offizier James Fraces.

»Für die Erfüllung unserer Mission, also der Informationsbeschaffung, halte ich das auch für eine gute Gelegenheit, Sir«, schloss Lorif sich an.

Jeamour warf einen Blick auf den gut zwei Meter großen Oxtorner. Dieser grinste zurück. »Wenn es sein muss, bin ich dabei.«

Xavier Jeamour nickte.

»Also gut. Folgen wir dem Konvoi in sicherem Abstand. Außerdem soll Wallace hier auftauchen.«

Der Oxtorner machte sich daran, mit dem Interkom Mathew Wallace zu erreichen.

Priamus

»Wann erreichen wir endlich Mesoph?«, herrschte Priamus den Piloten seiner Jacht an, welche er in aller gebotenen Bescheidenheit PRIAMUS I nannte. Ungeduld und Langeweile sprachen aus dem alten, ledrigen Gesicht des Dorgonen.

Der Pilot verzichtete auf eine Antwort. Er kannte seinen Herrn gut. Erstens wusste dieser ganz genau Bescheid und zweitens würde ihm eine Antwort nur weiteren Ärger einbringen.

Der Princips Protector war heute mal wieder unausstehlich. Seine Launen waren ausgesprochen wechselhaft. Er konnte ein gütiger, sogar ein humorvoller Herrscher sein. Doch wenn ihm etwas nicht passte, dann war er ein Scheusal. Trotzdem bewunderten ihn alle. Wieso auch nicht, fragte sich der Pilot. Priamus war ein Held, er gehörte zusammen mit seinem verblichenen Vater Skatus zu den Architekten der thesasianischen Dynastie, die seit immerhin sechsundsiebzig Jahren bestand. Priamus selbst regierte als Konsul über Mesoph und das Protektorat Harrisch seit zweiundsechzig Jahren.

Noch immer haftete ihm der legendäre Status des jungen Centrus der Prettosgarde an, der vor siebenundsiebzig Jahren den Mut bewiesen hatte, sich von seinen Vorgesetzten loszusagen, zu desertieren, nur um die jungen, schwachen Geschwister Thesasians – Alupia und Klausius – vor ihrem sicheren Tod durch ihren eigenen Vater zu retten. Priamus war von Dom nach Mesoph geflüchtet, wo er zusammen mit seinem Vater und Thesasian den Widerstand gegen den verhassten Kaiser Thesufus organisierte. Nur ein Jahr später war der alte Kaiser tot und Thesasian saß auf dem Thron. Mesoph hatte dieser Umstand den Aufstieg zur zweitwichtigsten Welt im Reich zu verdanken. Der Pilot fand, dass das eigentlich genügend Grund zur Zufriedenheit sei. Doch je älter Priamus wurde, desto grantiger wurde der Herrscher. Der Pilot diente nun schon einundzwanzig Jahre unter ihm.

Vor einer Dekade hatte Priamus seine Gnadenlosigkeit gezeigt. Die Jerrer hatten mal wieder revoltiert und Gleichberechtigung gefordert. Priamus selbst hatte die Strafexpedition befohlen und schätzungsweise dreihundertsiebzigtausend Jerrer hinrichten lassen. Danach war Ruhe, denn es hatte sich gezeigt, dass Priamus, der sonst als besonnener Politiker galt, mit brutaler Härte zuschlagen konnte, wenn er wollte.

*

Priamus hatte genug gesehen. Er verließ die Zentrale der PRIAMUS I und begab sich in seine luxuriöse Hauptkabine.

»So wahr ich der mächtigste Princips Protector Dorgons bin, diese Flüge dauern immer noch viel zu lange«, murmelte er, während er seine Nasszelle aufsuchte. Die Bordsyntronik erhöhte wunschgemäß die Temperatur, um das mit Marmor vertäfelte Bad rasch in eine Sauna zu verwandeln. Der Boden glitt zur Seite und offenbarte das sprudelnde Becken, welches in verschiedenen Farben leuchtete. Priamus ließ sich von einem Roboter per Antigravzugriff und fein dosiertem Traktorstrahl entkleiden. Mit gemischten Gefühlen stieg er in die feuchte Wonne. Trotz Musik, dem Zwitschern mesophischer Schwalben und einem köstlichen Wein, welchen ihm ein weiterer Servierroboter kredenzte, blieb die Laune des Konsuls äußerst misslich.

»Kann das nicht schneller gehen, bei Domulus! Bei all unserer Technik und Macht!«, zürnte Priamus weiter, während er eine Sklavin heranwinkte, die ihm den Rücken massieren sollte. Natürlich konnte so etwas auch ein Roboter machen oder gar eine in das Bad integrierte Massageeinheit, doch Priamus wollte die zarten, warmen Hände einer Frau auf seinem Körper spüren.

Für gewöhnlich kamen die Sklaven der Dorgonen aus allen anderen Völkern der Galaxie zusammen. Der alte Senator bevorzugte jedoch humanoide Sklaven, die ihnen möglichst ähnlich sahen, meist von dorgonischen Kolonisten, die zur III. Klasse gehörten. Alles andere empfand er als eine Beleidigung für seine Augen. Und selbst die Humanoiden sprachen ihn nicht immer so an, wie er sich das wünschte.

Seinen hochgepuschten Zorn ließ er an der hübschen Sklavin Saraah aus, die demütig und ängstlich die Launen ihres Herrn ertrug. Saraah war ausdrücklich nach Priamus’ Geschmack. Zart und schlank, tiefe braune Augen, dunkles, glattes Haar. Dieser Ausdruck der Schüchternheit in ihren Augen gefiel dem Princips Protector. Sie war scheu wie ein Moryh in den tiefen Wäldern vor Hesuk. Umso mehr genoss er es, sie zu tyrannisieren.

Saraah hoffte, eines Tages von einem edlen Mann errettet zu werden, doch sie wusste nicht, ob ihr Wunsch jemals in Erfüllung gehen würde und wer dieser Held in ihrem Leben sein würde …

IVANHOE

Als Mathew Wallace in der Zentrale ankam, erwartete Jeamour ihn bereits voller Ungeduld.

»Ich nehme an, wir haben wieder etwas Interessantes entdeckt, Sir?«, eröffnete Wallace das Gespräch ohne Umschweife.

Kommandant Jeamour nickte. »Exakt.«

Der Kapitän blickte zu dem hochgewachsenen und athletischen Piloten und Oberbefehlshaber der Space-Jets auf der IVANHOE und begann seine Erläuterungen.

»Wissen wir etwas Genaueres über das Ziel und die Fracht dieses Konvois?«

»Leider nichts, Mathew. Nur eben, dass es wohl eine sehr wichtige Fracht ist. Wir hoffen, am Ziel des Konvois mehr erfahren zu können.«

»Und das wird vermutlich ein Planet sein«, meinte Wallace.

»Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Für den Anflug auf einen geheimen Stützpunkt ist dieser Konvoi nun doch wieder zu auffällig. Der Zielplanet wird nichtsdestotrotz ein wichtiger Ort der Dorgonen sein. Wahrscheinlich eine Art Hauptwelt eines Sektors.«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir wissen nicht, wie viele wichtige Planeten es in dieser doch sehr prunkvollen Galaxie gibt. Was ist meine Rolle dabei?«, fragte Wallace, obwohl die Antwort ja eigentlich schon klar war.

»Dein Team wird wieder das Bodenkommando stellen. Außerdem werden Irwan Dove und Lorif dich begleiten. Das sollte helfen, möglichst viel herauszubekommen.«

Wallace nickte.

Damit war das Gespräch auch schon beendet. Die IVANHOE hielt sicheren Abstand zum dorgonischen Konvoi, ohne ihn jedoch aus der Ortung zu verlieren.

Nach zwei Tagen, am 8. August 1292 NGZ, schien der Konvoi sein Ziel zu erreichen, ein System mit orangefarbener Riesensonne. Laut den Informationen, die über Funk beschafft werden konnten, hieß das System Tovrus und der einzige bewohnte Planet Mesoph. Auf diesen Planeten hielt der Konvoi nun zu.

»Mesoph also«, sagte Jeamour nachdenklich. Er hätte sich eine andere Welt gewünscht. Der Name dieses Planeten war ihnen bereits seit ihren ersten Erkundungen bekannt. Denn Mesoph war die Zentralwelt des Protektorates Harrisch.

Die IVANHOE hielt sich weit außerhalb des Systems, um nicht entdeckt zu werden. Das Tovrus-System war gut gesichert. Mehr als zwanzigtausend Adlerraumschiffe befanden sich in der Nähe von Mesoph. Es wäre Wahnsinn, sich mit der IVANHOE auch nur in die Nähe zu begeben. Nein, ihre einzige Chance bestand darin, mit einem kleinen Raumschiff irgendwie durchzuschlüpfen. Tausende Raumschiffe schienen täglich Mesoph anzusteuern und wieder zu verlassen. Jeamour glaubte nicht, dass jedes Schiff kontrolliert wurde. Vermutlich gab es Automatismen. Eine kleine Space-Jet würde jedenfalls weniger auffallen als der 1000-Meter-Kahn IVANHOE.

Die letzten Vorbereitungen für das Einsatzkommando wurden gerade im Konferenzraum besprochen. Dort saßen neben Kommandant Xavier Jeamour natürlich Mathew Wallace und seine Crew, bestehend aus Hendrik Swahn, Tim Beranoh und Cerak Atz sowie dem Sicherheitschef Irwan Dove und dem Posbi Lorif.

»Also, wichtig ist erstmal, unentdeckt zu bleiben. Das ist Plan A. Solltet ihr entdeckt werden, können wir immer noch unsere friedlichen und vorsichtigen Absichten deutlich machen«, sagte Jeamour, was Dove ein Schmunzeln entlockte und Wallace mit einem Kopfschütteln kommentierte.

»Euer Ziel ist es«, fuhr Jeamour unbeirrt fort, »so viele Informationen wie möglich zu beschaffen. Sowohl wie die Politik dieses Reiches aussieht als auch genaue Informationen über ihre Technologie. Mit der Space-Jet CERO solltet ihr den Planeten relativ unbeschadet erreichen können.«

»Was wissen wir allgemein über Mesoph?«, fragte Tim Beranoh.

»Es herrscht eine erdähnliche Schwerkraft von etwa null Komma neun Gravo. Die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten beträgt etwa vierzig Grad Celsius«, antwortete Lorif. Der Posbi hatte Sinn für Details. »Er hat keine nennenswerte Achsenneigung, also keine Jahreszeiten. Es gibt zwei große Kontinente, der Rest des Planeten ist mit Wasser und Inseln überzogen. Dem Funkverkehr und sonstigen Emissionen nach zu urteilen, muss es sich um eine blühende Welt handeln. Aus der Entfernung schätzen wir die Bevölkerung auf etwa drei Milliarden Individuen. Auffällig ist die große Stadt Hesuk, welche sich recht symbiotisch mit der Natur, also den Wäldern und Bergen des ersten Kontinents, vermischt und sich über die Hälfte der Landmasse erstreckt.«

Beranoh nickte.

»Wissen wir schon irgendetwas Genaueres über die Zustände dort?«, wollte Swahn wissen.

»Nur eben so viel, dass es sich mit großer Sicherheit um eine sehr bedeutende Welt der Dorgonen handelt.«

Damit schien der Offizier zufrieden.

»Schon gut, du hattest recht«, meinte Wallace mit einem Schmunzeln. »Es ist eine wichtige Welt.«

Jeamour warf Wallace einen irritierten Blick zu, denn er hatte gar nicht mehr an ihr letztes Gespräch gedacht.

»Sonst noch irgendwelche Fragen?«, erkundigte sich der Kommandant abschließend. Da niemand etwas sagte, nickte er und lächelte. »Gut, dann viel Glück!«

*

Wallace traf zusammen mit seinen Freunden an der Space-Jet CERO ein. Der Oxtorner und Lorif hatten vor dem Start noch einige Dinge zu erledigen.

»Schade um die gute alte JAYJAY«, bemerkte Tim Beranoh.

Ein zustimmendes »Hmm« zeigte, dass ihnen ihre alte Space-Jet doch lieb gewesen war.

Doch die JAYJAY II war beim ersten Erkundungsflug in der fremden Galaxie zerstört worden. Dass Wallace und die anderen den Beschuss überlebt hatten, konnte man nur ihrer guten Ausbildung und einer großen Portion Glück zuschreiben – und natürlich dem Posbi.

Doch Wallace hatte schon einen Plan, um die Moral seiner Crew und vor allem seine eigene wieder aufzubessern. Nicht umsonst hatte er seine alte Space-Jet nach einer alten Flamme von ihm benannt.

»Syntron, weise der Space-Jet CERO eine neue Identifikation zu!«

Die drei Terraner schauten ihn verwundert an.

»Bestätige«, sagte die synthetische Stimme wie immer freundlich.

»Die CERO wird zur JAYJAY III umbenannt«, instruierte er die Syntronik und schaute dann in die Runde.

»He, hat jemand noch eine Flasche Sekt?«, grinste er seine Freunde an.

»Als ob ich etwas geahnt hätte«, erwiderte Hendrik Swahn gedehnt und zog eine Sektflasche aus einer Ecke des Hangars hervor.

Cerak Atz verzog beide Mundwinkel nach unten.

»So ein billiger Fusel«, sagte er todernst und musste dann selbst lachen.

In diesem Moment kamen Dove und Lorif in den Hangar. Wallace konnte die Flasche nicht schnell genug verschwinden lassen. Er ergriff die Flucht nach vorn und grinste den Sicherheitschef unverhohlen an: »Können wir endlich starten?«

Irwan Dove schluckte eine Bemerkung herunter und betrat die Space-Jet. Lorif sah sich verwundert zu dem Oxtorner um.

»Sir, ich finde es äußerst befremdlich, dass in den Ecken des Hangars alkoholische Getränke gelagert werden. Laut Paragraph 156, Absatz 19, Zeile 45 ist das Trinken alkoholischer Getränke im Dienst für Navigatoren verboten.«

Für den Posbi Lorif war das Ganze mal wieder ein interessantes Schauspiel. Wie unpassend seine folgenden, sehr detaillierten Informationen zu diesen Punkt waren, fiel ihm nicht weiter auf.

Dove ließ ihn reden, ohne ihm weitere Aufmerksamkeit zu schenken.

»Wir wissen nun übrigens mehr über diese vermeintlich wichtige Person. Es handelt sich um Princips Protector Priamus, der von einer wichtigen Versammlung auf Dorgon zurückkehrt. Dorgon mit der Hauptstadt Dom scheint das Zentrum des Imperiums zu sein.

Priamus ist Konsul und somit nicht nur der Beherrscher der Welt Mesoph, sondern auch des gesamten Protektorats. So gesehen gehört Priamus zur absoluten Elite des Imperiums«, erklärte der Posbi munter weiter, während die Crew die Space-Jet betrat.

NELES

Die NELES hatte ein bewohntes System entdeckt. Der zweite Planet war eine Dschungelwelt, die primitives Leben beherbergte. Viel interessanter waren einige Ruinen, die auf eine alte Kultur hinwiesen. Einige der Gebäude strahlten noch Energie ab, die wohl von alten Generatoren stammen musste.

Cauthon Despair informierte unverzüglich Julian Tifflor und Joak Cascal über den Fund.

»Ich bin der Meinung, wir sollten uns dort umsehen. Vielleicht könnten wir einige brauchbare Informationen über die Vergangenheit in Erfahrung bringen«, erklärte Despair seine Absicht.

Er blickte auf die Anwesenden im Besprechungsraum. Ihm gegenüber saß Julian Tifflor, links von ihm Joak Cascal und Sandal Tolk. Auf der rechten Seite befanden sich Sanna Breen, die ihm ein Lächeln zuwarf, Trabon Saranos, der Sicherheitschef der GOLDSTAR, und Sam Tyler, der sich auch gleich zu Wort meldete.

»Was bringen uns diese Informationen? Wir sollten die Dorgonen unschädlich machen und nicht in verstaubten Gemäuern nach Toten buddeln!«

Despair richtete den Blick auf den Terraner mit der hohen Stirn. Was jedoch niemand bemerkte, außer dem Silbernen Ritter selbst.

»Nun, Sie sollten Ihre Fähigkeiten besser auf das Töten des Gegners beschränken und nicht vergeblich versuchen, mit Ihrem beschränkten Geist die Hintergründe zu erkennen, Tyler!«

»Das lasse ich mir von so einem entstellten Freak nicht sagen«, brummte Tyler und stand auf.

Bevor er auf Despair losging, erhob sich auch Tolk und stellte sich zwischen die beiden.

»Wenn ihr euch jetzt auf die Rübe haut, bringt uns das keinen Schritt weiter«, ermahnte er die beiden Kontrahenten.

Tyler grinste breit, lief rückwärts wieder zu seinem Stuhl und setzte sich. Sanna Breen warf ihm einen verachtenden Blick zu. Sie hatte Mitleid mit Cauthon, dem es sicher wehtat, als entstellter Freak bezeichnet zu werden.

»Wie dem auch sei«, begann der Silberne Ritter erneut, »ich schlage vor, dass wir einen kleinen Trupp mit einer Space-Jet auf dem Planeten landen lassen und einige Untersuchungen anstellen.«

Tifflor warf Cascal einen flüchtigen Blick zu, der unmerklich nickte.

»Also gut, dann stellen wir eine Crew zusammen. Freiwillige?«

Sofort meldeten sich Cascal und Tolk. Der Veteran aus dem Solaren Imperium brauchte wieder Action. Er hatte sich zu sehr auf Nadine Schneider versteift. Nun konnte und wollte er sich wieder auf die Expedition konzentrieren. Außerdem machte sich Sandal bereits über ihn lustig und bezeichnete Joak als Pantoffelhelden. Es wurde Zeit, dass die beiden wieder in einen handfesten Einsatz gingen.

Auch Despair meldete sich. Er bestand auf seiner Teilnahme, da es seine Idee war. Tifflor sprach ihm sein Vertrauen aus und ernannte ihn zusammen mit Cascal zum Leiter der kleinen Expedition. Sanna Breen wollte ihren neuen Freund begleiten und auch Sam Tyler meldete sich. Tifflor akzeptierte, da Tyler ebenso hart wie fähig war. Sollten Gefahren auftreten, verfügten sie nun über eine schlagkräftige Truppe.

Die Space-Jet SETHOS unter dem Kommando des Japaners Hiroshi Musarata brach mit insgesamt zehn Besatzungsmitgliedern auf, darunter etlichen Wissenschaftlern unter der Leitung des alten Biologen Friedrich Shoens.

JAYJAY III

Es sah so aus, als könne sich die Space-Jet unentdeckt Mesoph nähern. Wahrscheinlich brachte die Rückkehr des Senators einigen Aufruhr mit sich. Das konnte dem Einsatzkommando nur recht sein. Mit ihnen würde sich hoffentlich so schnell niemand beschäftigen. Tatsächlich kamen sie unbescholten in einen planetennahen Orbit. Für die Landung wählte man ein abgelegenes Gebiet, wo man die Space-Jet problemlos tarnen konnte. Auch dies gelang ohne Probleme. Das Einsatzkommando war bereit.

»Okay, wir können loslegen. Hendrik, Tim, Cerak und ich versuchen, uns unter das Volk zu mischen«, erläuterte Wallace seinen Plan. »Da wir Humanoide auf einem ziemlich frequentierten Planeten der Galaxie sind, dürften wir nicht sonderlich auffallen – hoffe ich. Wie das mit euch aussieht, Irwan und Lorif, weiß ich nicht so genau …«

»Ich schlage vor, Irwan und ich operieren verdeckt«, brachte der Posbi Mathews Gedanken auf den Punkt.

Erstaunlich!, schoss es Wallace durch den Kopf, während Swahn, Beranoh, Atz und er die Antigravs unter ihrer scheinbar normalen Kombination aktivierten. Echte Seruns wären zu auffällig gewesen und so hatte man die Standardkombinationen, wie man sie normalerweise an Bord von Schiffen trug, mit etwas High-Tech ausgestattet. Allerdings gab es an den Kombinationen keinerlei Abzeichen, die irgendetwas verraten könnten.

Wallace nickte dem Oxtorner und dem Posbi noch einmal zu.

»In achtzehn Planetenstunden treffen wir uns wieder hier oder wenn jemand das Notsignal sendet. Ansonsten kein Kontakt. Viel Glück – falls einem Posbi Glück etwas bedeutet.«

Lorif wollte tatsächlich zu einer Entgegnung ansetzen. Schnell genug erhielt er jedoch von seinem Bioplasma die Information, dass jedes weitere Wort unnötig sei und auch nicht erwartet wurde. Außerdem entfernte sich das Quartett bereits ziemlich schnell.

»Irgendeine Idee, Lorif?«, fragte Irwan Dove.

»Bei unserem Anflug habe ich etwas Interessantes entdeckt. Vielleicht können wir dort Informationen beschaffen …«

*

Sie erreichten schon bald die Hauptstadt Hesuk. Der Planet war ziemlich dicht besiedelt. Vielleicht war ihr Landeplatz eine Art Naturschutz- oder Jagdgebiet. Am Ziel angekommen, deaktivierten sie ihre Antigravs und gingen auf das Stadtgebiet zu. Bisher hatten sie seltsamerweise noch keinen Einwohner zu Gesicht bekommen. Sie wechselten auf eines der Laufbänder über, die es hier ebenso wie in galaktischen Städten gab und die eigentlich niemals deaktiviert wurden. Ihr Energiebedarf war zu unbedeutend.

Es war sehr heiß und der Boden bestand zum größten Teil aus ockerfarbigem, weichem Belag. Ein Prachtbau reihte sich an den anderen. Viele der Häuser, Türme und Wolkenkratzer wirkten auf Wallace wie moderne Versionen antiker Bauwerke aus der römischen, der griechischen und der altägyptischen Epoche Terras.

Je weiter sie in die Stadt vordrangen, umso mehr Gleiter zogen über ihren Köpfen hinweg und umso mehr Wesen benutzten die Laufbänder. Vornehmlich waren es Dorgonen aller möglichen Hautfarben. Man kam sich schon fast wie in einer typischen Metropole in der Milchstraße vor. Es wirkte nur alles viel antiker als in Terrania oder Olymp. Imposante Kuppelbauten, Spitzdächer, Dome, Kathedralen und Tempel. Dazwischen gigantische Statuen, perfekt ausgeleuchtet und zur Geltung gebracht. Holografische Schriftzüge und Abbilder liefen als Laufschrift an der Skyline entlang.

Die vier Terraner schienen nicht im Geringsten aufzufallen. Bei der Fülle von verschiedenen Lebewesen war das auch nicht weiter verwunderlich. Wahrscheinlich traf man hier Wesen aus allen Bereichen Dorgons.

»Wir brauchen Informationen, Wallace«, drängten die anderen bald.

»Ja, das weiß ich. Wir sollten versuchen, eine Art Infoterminal zu finden«, entgegnete Mathew genervt. Er wusste im Moment auch nicht großartig weiter.

»Das halte ich für keine gute Idee«, meinte Beranoh. »Da erhalten wir doch nur zensierte, von der Regierung freigegebene Informationen.«

»Und was schlägst du vor?«, fragte Wallace.

»Nun, vielleicht sollten wir einfach die Leute fragen …«

»Guten Tag, mein Name ist Mathew Wallace. Ich komme aus einer anderen Galaxie, der Milchstraße, und hätte gern Informationen über diese Galaxie, ihre Bewohner und die Dorgonen«, äffte Wallace ihn nach. »Nein. Die Idee ist zwar gut, aber wie stellt man es an?«

»Wir sollten uns trennen und einzeln mit den Leuten ins Gespräch kommen. Fragt nach dem Weg zu irgendwas und versucht, sie nebenbei durch scheinbar unwesentliche Fragen auszuhorchen«, schlug Cerak Atz vor.

Mathew schien skeptisch, sagte dann jedoch: »Besser als gar nichts. Aber seht zu, nicht aufzufallen. Das könnte tödlich sein. Wir treffen uns hier in etwa einer Stunde wieder. Versucht, so viel wie möglich herauszubekommen.«

Damit trennte sich das Einsatzkommando.

Wallace bewegte sich auf dem Laufband weiter, bis er zu einem Marktplatz kam. Im Hintergrund wurde exotische Musik gespielt, meist von Bettlern oder Straßenmusikanten, die entweder versuchten, Geld zu verdienen oder das Volk zu belustigen. Diese Straßenmusikanten waren keine Dorgonen. Wallace erkannte sie als Angehörige der walrossähnlichen Ponas und der elefantenähnlichen Elevus. Während die Menschen in prachtvollen, schönen und vielfältigen Kleidern durch die Straßen flanierten, wirkten die nichtdorgonischen Wesen eher schlicht eingekleidet. Jedenfalls konnte man sehr gut zwischen Dorgonen I. und II. Klasse und dem Rest unterscheiden.

Mathew kam an einem Sklavenmarkt vorbei, wo eine hübsche dunkelhaarige Frau zusammen mit drei schweineähnlichen Kreaturen versteigert wurde. Der Käufer war ein fetter alter Dorgone, von Beruf wohl Landwirt. Die Frau sollte für ihn kochen und ihn befriedigen, während die drei Extraterrestrier wohl auf dem Acker schuften mussten.

*

Tatsächlich war es einfacher, an Informationen zu kommen, als sie zuerst angenommen hatten. Hendrik Swahn fand tatsächlich ein Infoterminal, welches er anzapfen konnte.

Die dabei erhaltenen Informationen sollten als Basis fungieren, quasi als Grundwissen. Swahn machte aus den Infos ein kleines, kompaktes Datenpaket und sandte es den anderen zu, die sich danach orientieren konnten. So fragte man, wie man als Tourist auf dieser bedeutenden Welt Dorgons möglichst schnell zu dieser oder jener Sehenswürdigkeit kommen konnte.

Bald scheute sich das Einsatzteam nicht mehr, mit den Einheimischen zu reden, da dies nicht weiter auffiel und ganz normal schien. Nur mit Lorif und Dove hatte man keinen Kontakt. Das hätte für die beiden auch gefährlich enden können, da sie verdeckt unterwegs waren.

Nach etwa einer Stunde kontaktierte sich das Quartett gegenseitig, um sich später in der Nähe der Hauptstadt des Planeten zu treffen. Mit der öffentlichen Rohrbahn konnte man schnell dorthin gelangen und außerdem lag sie von ihrem Landepunkt nur knapp siebenhundertfünfzig Kilometer entfernt. Die Nutzung der Rohrbahn war wie die der öffentlichen Laufbänder kostenfrei.

Mangels dorgonischer Zahlungsmittel brauchte man erst gar nicht versuchen, ein Gleitertaxi zu nehmen oder in eine Bar zu gehen. So traf man sich auf einem der vielen großen Plätze, mit denen die prächtige Metropole regelrecht gespickt war. Dieser hier trug den Namen Sulvetius-Platz. In der Mitte des großzügig mit Bäumen und Wiesen gestalteten Platzes stand die fast fünfzig Meter große Statue eines Dorgonen. Das Besondere an dieser Statue: Sie bewegte sich. Der Abgebildete, vermutlich jener Sulvetius, hob sein Schwert und zeigte damit in den Himmel. Dann steckte er es wieder an seinen Gürtel und verharrte in einer gebieterischen Pose, ehe sich das Schauspiel wiederholte. Das Team ging zu einem Infoterminal an der Säule. Dort hieß es:

Kaiser Sulvetius ist der Begründer des galaktischen Imperiums Dorgon, das seit achtzigtausend Jahren unerschütterlich steht. Sulvetius beendete den zehntausendjährigen Krieg mit der Vernichtung der gefürchteten Charkos und dem Sieg über die Tutsamanen und Zarkos. Durch diesen Sieg sicherten sich die Dorgonen die immerwährende Vormachtstellung in unserer Galaxie.

Wallace blickte mit Respekt und einem Hauch von Ehrfurcht auf die monumentale, lebendig wirkende Statue des Sulvetius. Dann wandten er und sein Team sich davon ab und sahen sich weiter um. Tausende Dorgonen und andere Wesen tummelten sich auf dem Platz. Einige flanierten und begutachteten die Verkaufsstände, andere aßen, andere wiederum saßen oder lagen auf dem Rasen und genossen die Sonne. Es war recht friedlich und schön hier. Solch ein Schauspiel konnte sich auch mühelos an einem schönen Sommertag in Terrania City bieten. Nichts deutete auf eine aggressive Spezies hin, deren Vertreter einige tausend Lichtjahre entfernt so brutal eine Siedlung der Harriden vernichtet hatten. Sie setzten sich auf eine weiche Parkbank. Aus dem Boden fuhren kleine Beistelltische hoch.

»Das könnte jetzt interessant werden«, grinste Tim Beranoh.

»Ja, ich denke, wir haben eine Menge herausgefunden«, stimmte Wallace ihm zu. »Also, was haben wir hier alles?«

»Ich hätte da einen kleinen zusammenfassenden Bericht«, sagte Cerak Atz. Die anderen nickten ihm zustimmend zu.

»Gut. Also, es scheint, als wären die Dorgonen die alleinigen Herrscher über die Galaxie. Und zwar unumschränkt und unangefochten. Alle anderen Völker spielen für die Dorgonen nur untergeordnete Rollen. Dazu zählen auch Abkömmlinge der Dorgonen selbst. Diese können den Status als Bürger II. Klasse genießen oder als Bürger III. Klasse auch Sklaven sein. Viele dieser Kolonisten sind Sklaven mächtiger dorgonischer Persönlichkeiten. Schon allein daraus spricht der Nationalstolz der Dorgonen, der noch dadurch verstärkt wird, das alle wichtigen …«

Cerak stockte und schaute direkt in die Menge.

Mathew schaute sich schnell um, konnte jedoch nichts erkennen. »Was ist los, Cerak?«

Atz wandte seinen Blick ab und entgegnete: »Ich dachte nur kurz, ich hätte etwas gesehen. War aber nichts. Tut mir leid, wenn ich euch erschreckt habe …«

»Okay, fahr fort«, nickte Wallace ihm zu, schaute sich jedoch noch etwas verunsichert um.

»Also, die Dorgonen besitzen einen wirklich großen Nationalstolz. Alle wichtigen Positionen in Wirtschaft und Politik sind von Dorgonen besetzt und werden es wohl auch immer sein. Selbst die Armee besteht nur aus Dorgonen. Außerdorgonische Söldner oder ähnliches gibt es nicht. Auch nicht so etwas wie die Naats bei den Arkoniden. Viele andere Völker stammen von den Dorgonen ab, so ähnlich wie bei uns, wo sich aus Kolonialvölkern der Arkoniden später neue Völker abgespalten haben: wie die Springer, die Aras und viele mehr. Dazu zählen die Jerrer, die Goner, die Algonnen, Jarvaren oder Tasumen.«

»Das klingt schon mal ganz interessant. Aber wir wissen immer noch nicht viel mehr über den Regierungsapparat und die Technik der Dorgonen. Die Stadtarchitektur verrät uns da nicht allzu viel. Sie ist prachtvoll, aber wirkt unserer Technologie nicht überlegen. Eben nur anders.«

Wallace schien enttäuscht.

»Wobei es schwierig sein wird, unauffällig Informationen über die Regierung zu erhalten … obwohl, das geht eigentlich noch. Zumindest die allgemeinen Informationen, nur eben keine Staatsgeheimnisse. Aber was ist mit Technologie?«, fragte Swahn.

»Da finden Lorif und Irwan hoffentlich mehr heraus«, hoffte Atz. »Aber wir sind hier schließlich auch noch nicht fertig.«

»Genau. Ich schlage vor, wir gehen vor wie bisher und teilen uns wieder auf. Der Regierungsapparat sollte unser vorrangiges Ziel sein. Technologie fällt eher in den Bereich von Dove und Lorif.«

Damit trennte sich das Quartett wieder.

Verlassener Planet

Die SETHOS schleuste aus der NELES aus und ging nur wenige Sekunden danach in den Hyperraum.

An Bord waren Cauthon Despair und Joak Cascal als Einsatzleiter, Sandal Tolk, Sanna Breen, Sam Tyler, Japar, der Biologe Doktor Friedrich Shoens sowie zehn Besatzungsmitglieder der SETHOS unter dem Kommando des Asiaten Hiroshi Musarata.

Nach nur knapp zwanzig Minuten hatte die SETHOS das sieben Lichtjahre entfernte System erreicht. Die Abtaster zeigten keine Raumschiffaktivitäten an.

Despair gab Musarata ein Zeichen, sich dem Orbit des Planeten zu nähern, der laut dorgonischer Sternenkarte Churash hieß.

»Fliegen Sie den dritten Kontinent an. Dort haben wir einige Energieemissionen geortet«, meinte Cascal und deutete auf die Landmasse, die auf einer Holographie dargestellt war.

Musarata folgte der Anweisung und tauchte mit der SETHOS in die Wolkendecke ab. Als die Space-Jet diese passiert hatte, sahen die Besatzungsmitglieder bereits den grünen Kontinent.

»Laut Messungen ist der Kontinent zu achtzig Prozent mit Dschungel bedeckt. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei fast hundert Prozent und die Durchschnittstemperatur bei etwa vierzig Grad Celsius«, erklärte Friedrich Shoens.

»Tolle Aussichten«, brummte Cascal.

»Können Sie die Ruinen bereits genau lokalisieren?«, forschte Cauthon Despair nach.

Der Ortungschef der SETHOS, der Topsider Trok Korat, gab einen unwirschen Laut von sich und nickte. Er deutete auf einen Punkt auf einer holographischen Karte der Region.

»Dort liegt etwas. Ebenfalls scanne ich dort Lebensformen und Energieaktivitäten, Sir.«

Despair sah sich die Lage in der Karte genau an und blickte aus dem Fenster.

»Musarata, landen Sie etwa zehn Kilometer von der Ruinenstadt entfernt. Wir stellen derweil eine Einheit zusammen, die mich zu den Ruinen begleitet.«

»Warum landen wir nicht direkt bei den Ruinen?«, fragte Tolk.

»Ich will nicht riskieren, dass wir die Aufmerksamkeit von irgendwelchen Einheimischen auf uns ziehen. Daher marschieren wir durch den Dschungel. Ich denke, das dürfte mit unseren Anzügen kein Problem darstellen.«

Plötzlich sackte die Space-Jet ab.

»Was ist los?«, rief Cascal.

»Keine Ahnung, Sir! Alle Geräte sind gestört. Wir schmieren ab!«

Musarata hatte auf manuelle Steuerung gestellt und die Antigravfelder aktiviert, die jedoch nur für einen kurzen Moment den freien Fall stoppten. Dann sackte die SETHOS weiter ab und streifte einige Baumkronen.

»Reservegeneratoren!«, rief der Kommandant.

Wie aufs Stichwort raste sein Erster Offizier, der Olympgeborene Bruno Brunaris, los und versuchte, den Generator wieder zum Laufen zu bringen.

Für kurze Zeit bekam die SETHOS wieder Energie. Ausreichend, um sie wieder unter Kontrolle zu bringen, doch nach etwa einer Minute fiel auch der Notgenerator aus. Die SETHOS schmierte schräg ab und raste mitten auf das Dickicht des Dschungels zu.

»Festhalten!«, schrie Cascal.

Da stürzte die Space-Jet bereits durch die Baumkronen und schlug unsanft auf den Boden auf. Durch die Wucht wurde das Raumschiff einige Meter hochgeschleudert und prallte erneut auf. Es rutschte noch einige hundert Meter und hinterließ eine Schneise der Verwüstung, bevor das Schiff endlich stoppte.

Mesoph

Der Posbi und der Oxtorner hatten sich mittlerweile einem Hangar am Rande des Hauptraumhafens angenähert. Lorif hatte während der Ortung beim Anflug entdeckt, dass es sich um einen wichtigen Hangar handeln könnte, der jedoch verhältnismäßig lasch bewacht wurde.

»Ich halte das für eine hervorragende Möglichkeit, mehr über die Technologie der Dorgonen herauszufinden«, meinte der Posbi.

»Da kann ich dir zustimmen«, entgegnete der Oxtorner.

Sie hatten ihre Seruns mit spezieller Tarnvorrichtung angezogen.

Tatsächlich konnte sich das ungleiche Team dem Hangar nähern. Im Schutz ihrer Deflektoren betraten sie ihn. Einige Dorgonen standen herum, anscheinend Wachen. Sie schienen nicht besonders aufmerksam zu sein, man vertraute offenbar auf die Automatik oder war so überheblich, nicht damit zu rechnen, dass irgendjemand mit Tarnfeldern den Raum betreten könnte.

Das Wichtigste jedoch: Eines der ominösen Adlerschiffe stand dort und schien gewartet zu werden. Mehrere große Schotten standen offen und in eines davon glitt gerade ein Container. Die Emissionen des Schiffes schienen sie vor der Automatik abzuschirmen, sie wurden nicht entdeckt.

Irwan deutete Lorif an, ihm zu folgen. Mit seinen gut zwei Metern war der Oxtorner nicht mal viel größer als Lorif mit exakt einem Meter fünfundachtzig. Aber das konnte wegen der Deflektoren niemand sehen.

Dove schritt auf das nächste offene Schott zu und spähte hinein. Keine Personen bei der Arbeit! Er sah sich weiter um, nutzte auch die Passivortung seines Seruns. Dann entschloss er sich, das Schiff zu betreten.

»Es wäre doch sicher gut, in ein intaktes Adlerschiff zu gelangen, um mehr über die Technik zu erfahren, oder?«

»Natürlich, Irwan! Du meinst also, wir sollten dieses Schiff näher erforschen?«

»Eine bessere Gelegenheit bekommen wir so schnell nicht wieder! Also los!«

Noch einmal vergewisserte sich Dove, dass die Luft rein war, dann winkte er dem Posbi erneut, ihm zu folgen. Sie drangen in das Schiff ein. Niemand schien sie zu bemerken. Willkürlich wählte der Oxtorner die Richtung, in die er zu gehen gedachte.

»Moment, Dove. Ich denke, wir sollten diese Richtung wählen. Wenn meine Orter nicht alles täuscht, finden wir dort wichtige Aggregate. Jedenfalls vermute ich das aufgrund der Emissionen.«

Irwan schaute kurz in die Richtung, zog die Schultern hoch und schlich dann dorthin. Ihre Antigravs hatten sie längst deaktiviert, um die Gefahr einer Entdeckung zu verringern. Deflektoren waren jedoch weiterhin ein Muss, da sie sonst von jedem zufällig vorbeilaufenden Dorgonen entdeckt worden wären. Schließlich gelangten die beiden in eine riesige Halle, wo verschiedene Geräte summten und es insgesamt ziemlich konfus aussah.

Jemand mit technischem Fachverstand wie der Posbi entdeckte jedoch sofort, dass alles seinen optimalen Platz hatte und in gewisser Weise eine Art Ordnung herrschte. Ohne ein weiteres Wort machte sich der Posbi an die Arbeit und untersuchte die Maschinen mit seinen eigenen Mitteln und denen des Seruns. Der Oxtorner überprüfte die Umgebung auf Überwachungseinrichtungen und stand Schmiere, wie man in anderen Kreisen wohl gesagt hätte.

Mathew Wallace

Wallace betrat erneut einen großen Platz. Es schien sich um einen weiteren Marktplatz zu handeln, denn überall waren Stände verteilt, an denen alle möglichen Lebensformen ihre Waren anboten. Er schaute sich nach Leuten um, denen er Informationen entlocken konnte. Da entdeckte er sie!

Eine junge, humanoide Frau. Sie sah zwar traurig aus, war aber wunderschön. Die Frau trug ein purpurfarbenes Kopftuch und ein hellrotes Gewand. Interessiert starrte er sie an und ging dabei weiter. Mathew hätte fast einen anderen Passanten umgelaufen.

Die wunderschöne Frau, die er weiterhin gebannt ansah, trug einen ziemlich großen Korb mit Früchten, der seiner Ansicht nach viel zu schwer für sie war. Wieso benutzte sie keinen Antigrav? Er eilte hinter ihr her. Als er sie einholte, fragte er: »Kann ich dir helfen?«

Sie sah ihn aus ihren braunen Augen an und lächelte kurz, setzte dann jedoch wieder ihren traurigen Blick auf, der irgendwie zu ihren dunklen Augen passte. Ihr Lächeln gefiel Wallace jedoch besser.

»Du bist nicht von hier, oder?«, fragte sie.

»Äh …« Im gleichen Moment ärgerte er sich über dieses blöde Äh. »Nein, ich komme von weiter her. Was meinst du?«

»Was soll ich denn meinen?«, fragte sie irritiert und fing an zu lächeln. Auch Mathew Wallace grinste über beide Wangen.

»Den Korb, meine ich. Darf ich ihn tragen?«

Wieder wurde sie von einem Moment zum anderen ernst.

»Du solltest dich nicht mit einer Sklavin des Princips Protectors abgeben.«

»Und warum nicht?«

»Es könnte dir schaden.«

»Wenn ich dir helfen kann, trage ich keinen Schaden davon.«

Während Wallace sich fragte, woher er das hatte, errötete sie leicht und senkte den Kopf.

»Ähm, mein Name ist Mathew, Mathew Wallace.«

Sie schaute wieder zu ihm auf.

»Saraah.«

»Ein schöner Name.«

»Vielleicht solltest du jetzt besser gehen …«

»Kann ich dich denn wiedersehen?«

»Du weißt nicht, was du da sagst. Ich bin eine Sklavin. Und du …«

Sie stockte und schien ihn für einen Moment ernst zu mustern.

»Du bist wirklich von weit her, oder?«

Sie betonte das Wort seltsam.

Er nickte. Wallace wollte alles auf eine Karte setzen.

»Nun gut, ich möchte dir die Wahrheit sagen. Ich denke, ich kann dir vertrauen. Meine Freunde und ich kommen von einer etwa fünfzig Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie. Wir brauchen Informationen über deine Galaxie Dorgon.«

Sie schien nachzudenken.

»Du bist verrückt! Ich könnte dich jetzt einfach anzeigen. Du hättest nichts zu lachen!«

Dann erkannte sie den Ausdruck in seinen Augen.

»Du meinst es wirklich ernst? Vielleicht … vielleicht kann ich helfen, aber jetzt muss ich zurück. Sonst wird man mich vermissen und das wäre gar nicht gut. Ich … ich habe leider keine Möglichkeit …«

»Wir werden uns wiedersehen«, meinte Wallace und verabschiedete sich von ihr. Saraah lief eilig über den Platz und verschwand in der Menge.

Sie ließ ihn einfach stehen. Eine volle Minute lang konnte er sich nicht rühren. Er musste Saraah wiedersehen! Doch im Moment drängte die Zeit, er musste sich mit seinen Freunden treffen.

*

Als er den Treffpunkt erreichte, waren seine Freunde schon versammelt.

»Ah, der Chef ist auch endlich da«, grinste Cerak Atz.

»Ich bin etwas Interessantem auf der Spur. Aber erzählt erstmal, was ihr rausgefunden habt«, erwiderte Wallace.

»Nun, leider nicht viel Neues, nichts von großer Bedeutung. Wir können später einen detaillierten Bericht schreiben. Was nun? Ich glaube kaum, dass wir noch viel herausfinden können, ohne aufzufallen.«

Tim schaute Wallace fragend an.

»Wie gesagt, ich habe vielleicht eine interessante Informationsquelle.«

Er beschloss ihnen vorerst nichts von Saraah zu erzählen, jedenfalls nichts Genaues. »Ich treffe mich nachher mit ihr. Ist aber ziemlich gefährlich, weshalb ich allein gehen werde. Vorher muss ich aber noch herausfinden, wo dieser Konsul Priamus seinen Sitz hat.«

Swahn sah skeptisch drein: »Bist du sicher, dass du allein gehen willst? Vielleicht ist es auch eine Falle der Dorgonen!«

»Sei beruhigt, Hendrik. Ein Mann allein hat in diesem Fall bessere Chancen als mehrere.«

Hendrik Swahn schien immer noch nicht überzeugt zu sein, lenkte dann jedoch ein. »Gut, du bist der Boss.«

»Nun, wie steht es mit dem Konsul?«

»Oh, das ist nicht schwer …«

Cerak bediente sich seines Pikosyns, der in der Kombination verborgen war.

»Ich habe hier einen Stadtplan. Es gibt zum einen den Regierungssitz, in dem sich Priamus natürlich oft aufhält. Aber er hat auch ein Privatanwesen auf dem Pallatanus-Hügel am Rande der Stadt. Sein Grundstück ist eingezeichnet: Gut abgesichert und nicht zu übersehen. Der Konsul scheint eine Menge Geld zu haben. Er hat sich gleich nach seiner Ankunft dorthin zurückgezogen. Für morgen ist eine Parade angesagt. Er wird dann von seinen Untergebenen hier auf Mesoph begrüßt, wie es scheint. Moment, ich überspiele dir den Plan.«

»Und was machen wir, während du dich mit deinem Informanten triffst?«, wollte Cerak wissen.

»Unsere Zeit hier läuft ab. Ich schlage vor, ihr begebt euch zur JAYJAY zurück und wartet dort auf Irwan und Lorif. Hoffentlich konnten sie technische Erkenntnisse gewinnen. Wenn wir dann wieder alle zusammen sind, können wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen.«

Seine Freunde nickten ihm zu und entfernten sich Richtung Space-Jet. Er befasste sich kurz mit dem Stadtplan und schlug dann einen Weg ein, der ihn über Umwege zu Priamus’ Grundstück führen würde.

Ich muss verrückt sein, warf er sich in Gedanken vor. Es fühlte sich gut an.

Irwan Dove

Irwan Dove und der Posbi Lorif weilten jetzt schon einige Stunden an Bord des Adlerschiffes. Lorif hatte mittlerweile einiges Interessantes herausgefunden, das meiste zeichnete er zur späteren Verwertung auf.

Bisher hatte sie niemand entdeckt. Trotzdem ließ Doves Wachsamkeit nicht nach.

So kam es auch, dass er einen Trupp Dorgonen, der sich auf ihren Standpunkt zu bewegte, rechtzeitig entdeckte.

»Lorif, wir müssen sofort weg von hier. Dorgonen. Etwa zwanzig – bewaffnet!« Schon bedeutete er dem Posbi, ihm zu folgen, als er auch aus der anderen Richtung einen Trupp Dorgonen ortete.

Der Posbi löste sich nur langsam von den Instrumenten.

»Mist, sie scheinen uns entdeckt zu haben! Wie kommen wir jetzt weg? Mach schneller!«

Lorif schaltete schnell. Als alle Verbindungen getrennt waren, eilte er mit staksigen Schritten auf ein geschlossenes Schott zu und machte sich am Öffnungsmechanismus zu schaffen.

»Bist du dir sicher, was du da tust?« Der Oxtorner wirkte skeptisch.

Lorif fuhr unbeirrt fort. Einige Sekunden später öffnete sich das Schott.

»Hier entlang bitte!«, forderte er Dove auf.

Sie eilten einen weiteren Korridor entlang. Unterdessen mussten die dorgonischen Truppen bemerkt haben, dass sich Eindringlinge in dem Schiff befanden. Sie aktivierten ihre Antigravs und rasten den Fliehenden hinterher. Die Flüchtenden beschleunigten ihr Tempo noch. Eine Zeit lang schien der Posbi einen guten Plan zu haben.

»Sieht aus, als würden wir sie langsam abhängen, Lorif. Wo kommen wir hier raus? Solange wir in dem verfluchten Schiff sind, sehe ich auf Dauer schwarz.«

Plötzlich blieb Lorif vor einem verschlossenen Schott stehen.

»Was ist?«

»Das wäre ein Schott nach draußen. Aber es ist verriegelt und es sieht nicht so aus, als hätte ich genügend Zeit, es zu knacken«, erwiderte Lorif und deutete hinter sie, wo die Dorgonen in Schussposition gingen. Schon schlugen erste Strahlenschüsse auf ihren Schirmen ein.

»Verdammt!«

Der Oxtorner lief zur Seite in einen anderen Gang, der Posbi dicht hinter ihm. Punktfeuer belastete den Schirm des Posbis für kurze Zeit so stark, dass es fast schien, als würde er zusammenbrechen. Die Syntronik deaktivierte jedoch sofort den Deflektor und führte die freien Energien dem Schirm zu.

»Puh, das war knapp. Deflektoren aus, die bringen uns im Moment sowieso nichts. Sollten wir aber herauskommen, müssen die Anti-Ortung und die Deflektoren sofort wieder aktiviert werden!«, fügte Dove überflüssigerweise hinzu.

Die Dorgonen hinter ihnen hatten mittlerweile wieder aufgeholt und eröffneten erneut das Feuer. Akustisch verstärkt hörten sie die Aufforderung: »Fremde Eindringlinge, ergebt euch! Ihr habt keine Möglichkeit zu entkommen!«

Erste Treffer schlugen in die Schirme. Irwan feuerte mit dem Nadelstrahler zurück. Lorif schloss sich dem an. Doch auf Dauer hatten sie gegen die Dorgonen nicht den Hauch einer Chance, das war ihnen klar.

»Was machen wir jetzt? In diesem Schiff sind wir gefangen. Wir müssen raus! Sind die Schotten wohl gefeit gegen unsere Strahler?«

»Ich schätze, auf Dauer nicht. Aber wir haben wohl nicht die Zeit, lange genug auf das Schott schießen zu können«, meinte der Posbi. Sein Schirm glühte wieder grell blau auf und die beiden hasteten um die Ecke in einen anderen Korridor.

»Sie treiben uns in eine Falle«, vermutete Irwan Dove. »Vielleicht können wir ihre und unsere Strahler zusammen zum Öffnen einer Schleuse verwenden?«

Einen Moment schien Lorif zu überlegen, verstand dann jedoch, was Dove beabsichtigte.

»Ziemlich risikoreich.«

»Aber vielleicht unsere einzige Chance!«

Da wurden sie auch schon von vorn unter Beschuss genommen. Die Schirme erreichten ihre Belastungsgrenze. Wieder jagten die beiden um eine Ecke.

»Schnell, auf ein Außenschott zu!«

Der Posbi deutete in eine Richtung. Auf die dorgonischen Rufe achteten sie schon fast gar nicht mehr. Nach zwei weiteren Abbiegungen und weiterem gefährlichen Aufglühens der Schirme glitten sie auf ein Schott zu.

»Das ist es!«, rief der Posbi und beide zielten mit ihren Strahlern.

Der Oxtorner zog eine Mikrobombe aus einer der Seruntaschen und warf sie ebenfalls in Richtung Schott.

»Runter!«, rief er Lorif zu. Beide versuchten, am Boden in Deckung zu kommen.

Von hinten her fuhren schwere Strahlenschüsse über sie hinweg, und zwar ebenfalls auf das Schott zu, das schon bedrohlich rot aufglühte.

»Achtung! Sie versuchen, das Außenschott S45-9a aufzuschmelzen!«, rief einer der Soldaten.

Ihr Vorhaben war enttarnt, doch ob das etwas ändern würde?

Anscheinend schossen sich die Dorgonen auf den Posbi ein, der zumindest im Moment ein gutes Ziel abgab. Sein Paratron flackerte bedrohlich auf.

Plötzlich blendete sie etwas und eine Druckwelle fegte sie den Gang entlang. Doch die beiden Galaktiker hatten ihr Ziel erreicht: Im Schott klaffte ein riesiges Loch.

»Schnell!«, rief Dove. Dann sah er seinen Begleiter. »Lorif!«

Der Posbi war getroffen! Für einen kurzen Moment mussten die Strahlen den Schutzschild durchschlagen haben. Sicherlich hatte die Mikrobombe ihr Übriges dazu getan.

»Kein besonders schlimmer Defekt. Wir müssen los«, gab der Posbi lakonisch zurück und aktivierte Antigrav, Deflektor und Anti-Ortung.

Der Oxtorner tat es ihm gleich und flog hinter ihm her. Sie waren froh, als sie um die Ecke waren und somit nicht mehr unter direktem Feuer standen. Draußen mussten sie jedoch feststellen, dass man gerade dabei war, den Hangar zu schließen. Vor dem Ausgang stand ein Trupp Dorgonen und legte bereits auf sie an. Der Oxtorner reagierte schnell und machte einige chaotische Ausweichmanöver. In dem folgenden Energiegewitter konnten die Dorgonen sie nicht mehr so leicht entdecken. Den kurzen Moment der Unsichtbarkeit nutzend, flohen Dove und Lorif durch das sich noch immer schließende Hangartor. Draußen näherten sich jedoch bereits Gleiter, die sie vielleicht orten konnten.

Dove befahl, in Richtung Stadtzentrum zu fliehen. Wenn sie die Dorgonen erstmal abgehängt hatten, konnten sie in Ruhe zum Raumschiff zurückkehren. Zwischen den hohen zivilen Gebäuden würde man es nicht wagen, die Gleitergeschütze zu verwenden. Meinte zumindest Dove. Und er schien recht zu behalten.

Der gegnerische Kommandant sah sie wahrscheinlich erst einmal als entkommen an. Jedenfalls schickte er ihnen keinen weiteren Trupp mehr nach, was Lorif durchaus bemerkenswert fand.

»Sie werden sicher versuchen, uns später – eventuell beim Verlassen des Planeten – zu erwischen!«, meinte das künstliche Lebewesen.

»Das denke ich auch. Bei der nächsten Begegnung werden wir denen nicht so leicht entkommen. Das nächste Mal unterschätzen sie uns nicht. Aber für den Moment sind wir die erstmal los. Was ist mit deinem … Schaden?«, wollte Dove wissen.

»Oh, das ist nichts Schlimmes. Es wird sich an Bord der Space-Jet leicht beheben lassen.«

Sie kehrten unbehelligt zur Space-Jet zurück und fanden die JAYJAY III genauso vor, wie sie sie verlassen hatten. Sofort begab sich der Posbi in die Medostation, um sich reparieren oder heilen zu lassen – je nachdem, wie man es sah. Währenddessen überspielte Dove die gewonnenen Informationen aus ihren Seruns in die Bordsyntronik. Jetzt hieß es, auf die anderen zu warten. Und zu hoffen, die Dorgonen würden die Space-Jet nicht finden.

Dschungelplanet

Qualm drang aus der Space-Jet und Regentropfen platschten auf die graumetallische Außenhaut.

Der Krach war verhallt und die Geräusche der Tiefe ließen den Dschungel friedlich und lebendig wirken, ohne Rücksicht auf die Katastrophe, die sich vor wenigen Minuten zugetragen hatte.

Cauthon Despair kam als Erster wieder zur Besinnung. Sofort kümmerte er sich um Sanna Breen. Für einen kurzen Augenblick befürchtete er, dass sie den Absturz nicht überlebt hatte, doch er bemerkte schnell, dass sie noch atmete. Sanna hatte an der Stirn eine klaffende Wunde.

Sam Tyler begann zu brummen und stieß unsanft seinen Freund Japar an, der auch wieder erwachte.

»Oh Mann, der Typ hätte die Space-Jet vorher checken sollen!«, meckerte Tyler und stieß den Kommandanten an, der leblos vom Stuhl fiel.

»Er kann dafür nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden, Tyler«, erklärte Despair sarkastisch.

»Ich glaube auch nicht, dass er dafür verantwortlich war«, meldete sich Joak Cascal zu Wort. »Ich denke eher, dass auf diesem Planeten irgendwelche Störfelder installiert sind, die für den Ausfall aller Systeme verantwortlich waren.«

»Möglich«, meinte Despair und forderte die anderen auf, sich um den Rest der Besatzung zu kümmern.

Friedrich Shoens versorgte die Verletzten. Die Statusmeldungen waren sehr ernüchternd. Außer Despair, Cascal, Tolk, Tyler, Japar, Breen und Shoens hatten vier weitere Besatzungsmitglieder überlebt. Die Übrigen lagen leblos in ihren Sitzen.

»Können wir Funkkontakt mit der NELES aufnehmen?«, wollte der Silberne Ritter wissen.

Cascal setzte sich an die Apparaturen und versuchte vergeblich, die Funkanlage zu reaktivieren. Mit einem Kopfschütteln beantwortete er Despairs Frage.

»Nun gut, dann werden wir uns auf dem Planeten umsehen.«

»Fein! Ich habe schon große Lust, den Typen in den Arsch zu schießen, die dafür verantwortlich sind!« Tyler hob drohend seine Kombiwaffe.

Cascal griff sich seinen Serun, um ihn anzulegen, doch der Pikosyn reagierte nicht. Schnell begriff der Terraner.

»Verdammt, auch die Seruns sind ausgefallen!«

»Wenn jegliche Technik ausgefallen ist, was ist dann mit den Strahlern?«, erkundigte sich Sanna Breen, immer noch leicht benommen von der Wunde an ihrem Kopf, die jedoch bereits von Doktor Shoens verarztet wurde.

Tyler nahm einen Strahler und richtete ihn auf Sanna Breen, die erschreckt zurück wich. Dann drückte er ab! Nichts geschah. Cauthon Despair hatte bereits sein Schwert gezogen und sich vor Sanna gestellt. Mit einem geschickten Schlag entwaffnete er den ehemaligen Söldner.

»Du elender Bastard, das machst du nicht noch einmal!«, brüllte Tyler und rannte auf Despair los, doch der Mehandor Japar hielt ihn zurück. Der Silberne Ritter begab sich in Kampfposition und stand bereit, Tyler mit seinem Schwert zu enthaupten.

»Hört endlich auf!«, brüllte Cascal genervt. »Euer Streit hilft uns nicht weiter. Sam, benehmen Sie sich endlich, sonst arretiere ich Sie, verstanden?«

Tyler schnaufte aufgebracht durch und beruhigte sich in der Tat wieder. Er hob die Rechte zum Zeichen des Friedens. Auch Despair entspannte sich und steckte das Schwert wieder in sein Halfter.

»Gehen wir.«

Die elf Überlebenden verließen die Space-Jet und versuchten, die Ruinen zu finden, was jedoch schwer war, da ihnen keine Taster zur Verfügung standen. Die Außentemperatur lag bei siebenundvierzig Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit bei knapp neunzig Prozent. Es war unerträglich.

Sanna Breen beschloss, ihre Hose und die Ärmel ihres Hemdes zu kürzen. Cascal fiel es schwer, seinen Blick von der attraktiven Terranerin abzuwenden, doch Tolk erinnerte ihn mit einem freundschaftlichen Stoß an seine Freundin Nadine.

Nach etwa zwei Stunden machten sie eine erste Rast. Doktor Shoens untersuchte interessiert die Pflanzen und Tiere.

»Sehen Sie doch, Cascal. So eine Schlange haben wir noch nie gesehen!«, jubelte der Wissenschaftler und deutete auf das dünne blaue Reptil, das sich um einen ebenso blauen Baum schlang.

»Sie scheint mit diesem Baum verbunden zu sein«, erklärte Shoens und deutete auf das Ende der Schlange, welches tatsächlich mit dem Baum verwachsen war. Sein Kollege, Doktor Dorams, ging näher an den Baum und begutachtete das etwa fünf Zentimeter dicke und siebzig Zentimeter lange Tier.

»Seien Sie vorsichtig, Doc«, ermahnte ihn Cascal und schüttelte nur den Kopf über das manchmal kindliche Verhalten der Wissenschaftler, wenn sie etwas Neues entdeckt hatten.

Despair setzte sich auf einen Baumstumpf und ruhte sich aus. Sanna beschloss, sich neben ihn zu setzen.

»Wie geht es deiner Wunde?«, erkundigte sich der Ritter.

»Es geht wieder, danke!«

Sanna fuhr sich mit ihren Händen durch das verschwitzte Haar.

»Diese Hitze ist unerträglich. Wie machst du das?«

»Was?«

»In dieser Rüstung …«

»Ich habe eine eingebaute Klimaanlage. Sie funktioniert auf der Basis einfacher Technik.«

Sanna blickte ihn ernst an.

»Ich habe Angst …«

»Wovor?«

»Vor diesem Planeten. Irgendetwas stimmt hier nicht. Nenne es weibliche Intuition, aber ich habe Angst, dass wir diese Welt nicht mehr lebend verlassen«, erklärte sie und schlang sich unbehaglich die Arme um die Schultern.

Despair sah sie an. In diesem Moment sah sie für ihn schutzbedürftig und allein aus. Einst hatte er solche Leute verachtet – nun würde er sie am liebsten in den Arm nehmen und vor allem Bösen im Universum beschützen. Zum ersten Mal gestand er sich ein, dass er sich in Sanna Breen verliebt hatte.

Doch er beschloss, ihr seine Gefühle nicht zu gestehen. Cauthon war sich im Klaren darüber, dass sie kein normales Paar werden konnten. Er war für den Rest seines Lebens entstellt. Ihm war ein anderes Schicksal vorherbestimmt.

Ein lauter Schrei riss beide aus ihrer Unterhaltung. Es war Doktor Dorams! Der Baumstumpf entpuppte sich als eine Riesenschlange, die eigentliche Schlange! Das über ein Meter dicke und etwa zehn Meter hohe Reptil stürzte sich auf den Wissenschaftler und biss ihn in den Rumpf, danach verschlang sie den schreienden Terraner.

Tyler und Japar feuerten sofort mit ihren Kombiwaffen Projektilgeschosse auf die Schlange, die nun Friedrich Shoens angriff. Da außer ihnen nur noch Tolk und Despair mit funktionierenden Waffen bestückt waren, liefen die beiden sofort los und attackierten das Ungetüm. Tolk spannte seinen Bogen und beschoss es mit Brandpfeilen, während Despair Keile aus dem Körper der Schlange schnitt.

Nach wenigen Minuten war der Kampf vorbei und siegreich für die Galaktiker ausgegangen. Doch der Tod des Reptils rief Walt Dorams nicht wieder ins Leben zurück.

Despair befahl weiterzugehen. Er wollte vor Einbruch der Nacht die Ruinenstadt erreicht haben. Der Silberne Ritter hoffte, damit weiteres Unheil zu verhindern, doch er konnte nicht ahnen, was sie in der Stadt erwarten würde.

*

Tatsächlich erreichten sie die Stadt kurz vor Sonnenuntergang. Sie lag versteckt zwischen den unzähligen Bäumen.

Sie blieben den weiteren Weg von Zwischenfällen verschont, doch zur Sicherheit wich Despair Sanna Breen nicht von der Seite.

Sie merkte deutlich, dass er sich um sie sorgte. Einerseits verlieh ihr das Sicherheit, denn sie fühlte sich an seiner Seite nicht bedroht. Zum anderen spürte Sanna, dass er einiges für sie empfand – und auch sie selbst fühlte sich zu dem geheimnisvollen Mann hingezogen.

»Tyler, Japar und Sandal gehen vor«, kommandierte Cascal.

Die drei schlichen sich durch das Dickicht und erreichten die seltsam gebauten Ruinen. Meist waren es Türme mit vielen Etagen. An jeder Etage war eine Lücke, die wohl einen Eingang darstellte. Die Bauten waren oft bis zu einhundert Meter hoch und liefen nach oben oval aus. Größtenteils waren sie aus Stein gebaut.

Tolk empfand sie als äußerst hässlich und spartanisch.

»Seltsam …«, murmelte Tyler.

»Was ist?«, wollte Tolk wissen.

»Viele Etagen, aber keine Verbindungen, keine Treppen, keine Leitern … nichts. Das Haus beginnt mit einer Wohnung in der untersten Etage. Irgendwie müssen die Bewohner doch in die anderen Etagen gekommen sein.«

Tylers Gedanken waren gar nicht so falsch. Tolk sah sich verwundert um und grübelte nach der Lösung. Beim besten Willen fiel ihm jedoch nichts ein.

Sie konzentrierten sich wieder auf eventuelle Gefahren. Nachdem sie nichts finden konnten, gaben sie Cascal und Despair ein Zeichen, dass sie unbesorgt folgen konnten.

Die Stadt wirkte düster.

»Es ist so ruhig hier …«, flüsterte Sanna sehr leise, als hätte sie Angst, diese Stille zu durchbrechen.

»Zu ruhig«, sinnierte Despair.

Cascal und die anderen sahen ihn fragend an.

»Die Tiere sind verstummt.«

Die Gruppe lief weiter durch die Stadt. Sie schien fast nur aus gleichartigen Gebäuden zu bestehen. Viele waren auch eingestürzt.

»Wie alt sind diese Bauten, Shoens?«, erkundigte sich Cascal.

»Schwer zu sagen. Meine Instrumente funktionieren nur begrenzt. Ich würde allerdings sagen, dass sie einige zehntausend Jahre alt sind. Deshalb kann diese Stadt sehr wenig über ihre Bewohner aussagen. Vieles dürfte inzwischen verrottet oder von der Natur überwuchert sein«, erklärte der Wissenschaftler.

Tyler und Japar gingen auf eine Mulde im Boden zu. Sie entdeckten eine Höhle, deren Eingang von Spinnenweben förmlich zugesperrt war.

Despair entfernte mit seinem Schwert die Hindernisse und stieg in die Höhle hinab.

»Sei vorsichtig!«, rief Sanna hinterher.

Mit Taschenlampen bewaffnet, folgten ihm Tyler und Cascal sowie drei Besatzungsmitglieder der SETHOS.

»Die Luft ist viel trockener«, stellte Cascal fest.

»Es riecht nach Tod«, fügte Tyler hinzu.

Die sechs Galaktiker näherten sich zwei weiterführenden Durchgängen und beschlossen, sich aufzuteilen. Während Despair, Tyler und Cascal den rechten Gang nahmen, gingen die drei Crewmitglieder der SETHOS den linken Gang weiter hinein.

Cascal rutschte aus, konnte sich aber an der Wand festhalten.

»Vorsichtig Leute, am Boden liegt sehr viel Geröll.«

»Das ist kein Geröll.«

Tyler leuchtete auf den Boden. Cascal lief ein Schauer über den Rücken, als er erkannte, auf was sie liefen. Es waren Gebeine!

»Die ehemaligen Bewohner der Stadt?«, fragte er sich laut.

»Vielleicht. Wir sollten besser den Generator suchen. Ich glaube nicht, dass wir hier viel in Erfahrung bringen können«, sagte Despair und wollte sich auf den Rückweg machen, als er Schreie hörte.

Sofort liefen die drei los, bremsten aber ab, als aus dem linken Gang eine riesige Spinne auf zehn Beinen vorbeiraste. Geistesgegenwärtig blieben sie stehen und wurden von dem Tier nicht bemerkt.

Tyler rannte in den linken Gang hinein, wo er die Überreste der anderen drei fand.

»Das Vieh hat sie ausgesaugt«, erklärte er verbittert.

»Es ist zu gefährlich hier. Wir müssen sofort weg«, meinte Cascal.

Plötzlich fielen Schüsse!

Kaum waren die drei aus der Höhle, mussten sie bereits der Gefahr ins Auge sehen: Etwa sieben der mächtigen Arachnoiden trieben sich in der Stadt herum und griffen die Crew an.

Despair stürmte sofort auf eines der Ungeheuer zu und schlug ihm zwei Beine ab. Sanna eilte zu ihrem Beschützer.

»Sucht euch ein Versteck«, rief Despair, während er versuchte, die anderen Spinnen abzulenken.

Während Japar, Tyler und Tolk den Silbernen Ritter unterstützten, liefen Cascal, Sanna und Friedrich Shoens in eine zweite Höhle.

Tyler traute seinen Augen nicht, als noch ein weiteres Dutzend dieser Kreaturen auftauchte.

»Weg hier!«

Despair und die anderen beiden brauchten keine weitere Aufforderung. So schnell sie konnten, liefen sie auch in die Höhle. Zu ihrem Erstaunen folgten die Wesen ihnen nicht.

Sie erreichten festen Boden. Metallischen Boden. Das Surren von Maschinen wurde deutlich hörbar. Anscheinend befanden sie sich nun in der Nähe der Anlagen, die wahrscheinlich für ihren Absturz verantwortlich waren.

Cascal, Breen und Shoens standen an einigen technischen Apparaturen. Der Wissenschaftler fummelte an einigen Tastaturen herum und versuchte, irgendwelche Informationen zu bekommen.

»Die Eingänge und Durchgänge sind ziemlich groß …«, murmelte er.

Tyler, Japar und Tolk suchten inzwischen nach einem anderen Ausgang. Cascal half bei den Untersuchungen.

Sanna stand beunruhigt in der Mitte des Saals und sah sich um. Cauthon stellte sich zu ihr und nahm kurz ihre Hände. Er versuchte so zärtlich zu sein, wie es ihm möglich war.

»Alles wird gut werden!«

»Ich habe eine Spinnenphobie. Hätten es nicht irgendwelche anderen Wesen sein können? Aber nein, ausgerechnet Tarantula …«

Sie seufzte und lächelte dann spöttisch. Despair vergaß, dass Sanna sich durchaus zu verteidigen wusste. Allerdings war dieser Planet alles andere als gastlich. An jeder Ecke lauerte eine Gefahr und die Hälfte der noch lebenden Besatzung war unbewaffnet. Sannas Angst war daher durchaus verständlich. Und es gefiel Despair, dass sie sich an ihn wandte, um Schutz zu suchen.

Plötzlich erschien die Holographie einer Spinne im Raum. Sie sprach in einer seltsam anmutenden Sprache. Es klang wie das Zirpen einer Grille.

»Was ist das?«, wollte Cascal wissen und verzog das Gesicht beim Anblick des behaarten Arachnoiden.

»Ich vermute, ein Bewohner der Stadt«, erklärte der Wissenschaftler.

»Dieses Monster?«

»Arachnoiden müssen keine Monster sein, denken Sie nur an die Arcoana, Mister Cascal! Es ergibt doch Sinn. Die Bauten waren so angelegt, dass die Spinnen einfach nur in ihre Behausungen krabbeln mussten. Sie brauchten keine Treppen oder dergleichen«, führte er weiter aus.

»Fein, aber diese Viecher sind keine Arcoana und machen einen ziemlich primitiven und gefräßigen Eindruck«, meinte Tyler frustriert.

Shoens winkte ab.

»Diese Holographie ist bestimmt schon einige zehntausend Jahre alt, Tyler. Die Viecher, von denen du sprichst, könnten degenerierte Nachfahren sein.«

»Mir egal. Welche Anlagen könnten für unseren Absturz verantwortlich sein?«, wollte Tyler wissen.

Shoens fasste sich ans Kinn und grübelte eine Weile. Dann deutete er auf den größten der Generatoren, welcher mit einer Antenne bestückt war, die anscheinend aus der Höhle ging.

Tyler nickte kurz und beschoss dann die Maschine, bis sie ihren Dienst quittierte.

»Was machst du da?«, rief Shoens entsetzt. »Das sind kostbare Anlagen!«

Tyler schüttelte genervt den Kopf und sah zu Cascal, der seinen Hyperkom aktivierte.

»Es funktioniert!«

»Cascal an NELES! Bitte melden!«

Es meldete sich der Mehandor Dug Huran.

»Wo seid ihr? Was ist los?«, rief er aufgeregt.

»Uns geht es so weit gut. Wir sind am Leben, aber wir brauchen eure Hilfe! Die SETHOS ist abgestürzt und wir sitzen hier fest. Schickt uns eine Jet«, forderte Cascal den Springer auf.

»Wir haben auch Probleme. Vor etwa einer Stunde ist ein kleines Adlerschiff auf dem Planeten gelandet. Es hatte offensichtlich Schwierigkeiten«, erklärte Huran. Cascal wusste genau, was damit gemeint war. Auch beim Adlerschiff versagten anscheinend die technischen Anlagen.

»Holt uns trotzdem ab!«

»Also gut, wir kommen!«

Die Verbindung wurde von beiden Seiten gleichzeitig beendet.

Shoens starrte derweil immer noch auf den Arachnoiden, der in einer fremden Sprache etwas Unverständliches sprach.

»Was ist das bloß?«, fragte er sich.

»Ein Charkos!«, kam die Antwort in dorgonisch.

Erschreckt fuhr er herum. Etwa zwei Dutzend Dorgonen standen vor dem Eingang und hielten ihre Waffen auf die Galaktiker gerichtet.

»Wir … wir … sind …«, stammelte Cascal verlegen.

»Feinde des Reiches nehme ich an. Seid ihr Rebellen oder Sklaven?«

»Weder noch. Wir sind Touristen«, erklärte der Veteran aus dem Solaren Imperium mit etwas Ironie.

Beeinflusse ihn, Cauthon Despair. Nutze die Fähigkeiten eines Sohnes des Chaos.

Woher kam diese Stimme in Despairs Kopf? Der Silberne Ritter reagierte wie in Trance. Despair ging auf den dorgonischen Offizier zu.

»Wir sind in einer geheimen Mission unterwegs. Der Kaiser persönlich hat uns beauftragt. Ihr behindert uns. Ihr bittet uns um Verzeihung und geht.«

Der Silberne Ritter sprach die Worte mit einer seltsamen Betonung. Zu seiner Überraschung – und der Verwunderung seiner Begleiter – entschuldigte sich der dorgonische Centrus: »Bitte verzeiht mein Verhalten. Ich musste nur sichergehen.«

Despair selbst war erstaunt.

»Wie hast du das gemacht?«, wollte Sanna wissen.

»Ich weiß es nicht. Plötzlich sagte mir eine innere Stimme, ich soll ihn beeinflussen. Verrückt …«

Despair war in der Tat ratlos. Die Stimme war jedoch keine Einbildung gewesen. Er kannte sie. Oder glaubte, sie zu kennen. Cau Thon! War er hier?

Friedrich Shoens sammelte inzwischen einige Datenträger ein, um mehr über die Charkos herauszubekommen.

»Centrus! Ein fremdes Schiff ist plötzlich aufgetaucht. Es gehört sicher zu den Fremden!«

Auf einmal begriff der Centrus, dass er unter zeitweiser Beeinflussung stand. Er griff zu seinem Schwert und wollte Despair schlagen, doch der parierte sofort. Tyler und Japar feuerten laut brüllend auf die Dorgonen. Es entbrannte ein harter Kampf zwischen den Kontrahenten.

»Die Strahler funktionieren wieder. Benutzt sie«, rief Cascal und schoss einen Dorgonen nieder.

Shoens versteckte sich hinter einer Konsole, ebenso wie Sanna, die jedoch auch auf die Feinde feuerte.

»Konversation, Diplomatie und Verhandlungen scheinen drei Fremdwörter für die Dorgonen zu sein«, sinnierte sie.

Despair hatte wenig Mühe, die Schläge seines Gegners abzublocken. Er drehte sich und schlug ihm das Schwert aus der Hand. Im nächsten Moment streckte er den Centrus nieder. Dann stürzte er sich auf die weiteren Angreifer. Spielend schien er mit ihnen fertig zu werden. Elegant schwang er das Schwert von Schlag zu Schlag und setzte seine ungeheure Kraft ein. Ebenso erbarmungslos streckte er jeden seiner Gegner nieder und besiegelte deren Schicksal.

Sandal Tolk hatte seine Freude an dem Kampf. Er beschoss die Soldaten mit Brandpfeilen und traf fast immer.

Die Dorgonen waren innerhalb kürzester Zeit aufgerieben, die wenigen Überlebenden flüchteten. Erschöpft sanken alle bis auf Despair und Tolk auf die Knie und schnauften durch.

»Wir haben keine Zeit für Ruhephasen. Dieser Kampf war noch recht einfach, doch sie werden bald mit Verstärkung wiederkommen. Lasst uns gehen«, forderte der Silberne Ritter seine Begleiter auf.

So schnell es ging, verließen sie die Höhle. Die Dorgonen hatten die Spinnen, die wahrscheinlich Nachfahren der ominösen Charkos waren, niedergemetzelt. Gegen die präzise Kampftechnik und die überlegenen Waffen hatten die Arachnoiden keine Chance.

Doch die Dorgonen selbst hatten ihren Meister in den galaktischen Ausnahmekämpfern gefunden.

Die NELES peilte die sieben Überlebenden an und holte sie an Bord, bevor das Adlerschiff die Schäden repariert hatte und folgen konnte.

Einige Stunden später befand sich der Raumer von Despair bereits wieder auf dem Weg zur restlichen Flotte.

*

Die Helden der Mission saßen zusammen, wobei Tyler, Japar und Tolk mit ihren Kämpfen gegen die Dorgonen prahlten.

»Die Charkos werden in den Chroniken Dorgons als Erzfeind der Anfangszeit erwähnt. Sie beherrschten Jahrzehntausende lang die Galaxie, ehe sich der Ägone Domulus gegen sie wandte und damit Dorgon gründete. Nach langen Kriegen wurden die Charkos fast ausgerottet, ihre Kultur zerstört. Das muss etwa achtzigtausend Jahre her sein. Die Arachnoiden waren degenerierte Nachfahren«, erklärte Doktor Shoens.

Sanna wirkte verstört.

»Was hast du?«, forschte Despair.

»Der Kampf … hättest du sie nicht nur verletzen können? Musstet ihr denn alle töten? Es war grausam und unmenschlich!«

Despair versteifte sich. Er verstand sie nicht. Schließlich hatte er sie verteidigt.

»Krieg ist erbarmungslos. Das Leben eines Wesens ist manchmal sehr wenig wert. Sie hätten uns getötet. Ich hatte keine andere Wahl. Außerdem war es ein ehrenhafter und guter Kampf«, erklärte er ruhig.

Sanna kräuselte die Stirn.

»Und sonst? Hat es dir etwa gefallen? War es genugtuend?«

Despair beschloss, ihr keine Antwort auf diese Frage zu geben.

»Ruhe dich jetzt aus«, sprach er und verließ den Raum.

Ja, es war genugtuend … es hat mir richtig gut getan. Und die wollten dich töten.

Mathew Wallace

Das Domizil des Priamus erinnerte Wallace an die überzogenen Prachtvillen von Filmstars. Hohe Mauern umrandeten das gesamte Grundstück. Dahinter verbargen sich zunächst an den Hängen des Hügels gelegene, prächtige Weinberge, sogar ein kleiner Wald und eine große Wiese, die dann in einen breiten Swimmingpool – einen halben Ozean schon – mündete. Dort stand die erste Villa. Dahinter reihten sich weitere Gärten, ehe die Hauptvilla kam. Ringsherum standen Häuser für die Bediensteten, Garagen, Wartungshallen für die Gleiter und auch eine Kaserne für die Wachen.

Am Hügel angekommen, beobachtete Wallace das Domizil möglichst unauffällig, was ihm mit aktiviertem Deflektor und Anti-Ortung auch nicht allzu schwerfiel. Es schienen starke Sicherheitsvorkehrungen vorhanden zu sein.

Er fragte sich, wie er da hineinkommen wollte. Da die Technik hier noch höher stand als in der Milchstraße, was zweifelsohne an Hand des Angriffes des Adlerschiffes verfolgt werden konnte, fragte er sich skeptisch, wie viel das terranische Anti-Ortungssystem bringen würde.

Der Palast war prunkvoll und pompös! Zwei große Säulen zierten den Eingang zum Grundstück, welches von einem Dutzend Soldaten bewacht wurde. Eine lange Straße führte durch die prächtigen Gärten zum eigentlichen Sitz des Princips Protectors. Das gewaltige Gebäude, ebenfalls mit vielen Säulen verziert, glich einem Palast aus dem alten Rom oder Griechenland.

Die Dorgonen hatten wahrlich einen Sinn für Ästhetik und ansprechende Architektur, gestand sich Wallace beeindruckt ein.

Er beobachtete, wie zwei Humanoide das Grundstück durch eine Art Nebeneingang etwa zweihundert Meter westlich von ihm betraten. Sie schoben eine Antigrav-Plattform mit einer Kiste darauf vor sich her.

Sklaven!, schoss es Mathew durch den Kopf. Natürlich. Ein Eingang für die Sklaven, damit sich die Bewohner bei ihrem Anblick nicht belästigt fühlten.

Er fragte sich, ob Saraah auch hier gefangen war. Abgesehen von seinen Gefühlen für sie, die sich in ihm recht schnell entwickelt hatten, war sie wohl sehr wertvoll als Sklavin des Konsuls!

Wallace beschloss, sich genauer umzusehen. Dann kam wieder eine Sklavin aus der Stadt. Sie sah schrecklich abgemagert aus. Mühevoll ging sie zur »Sklavenpforte«, die unbewacht war.

Sie berührte die Konsole an der Pforte mit ihrer rechten Hand und das Energiefeld erlosch. Wallace sah seine Chance gekommen. Nachdem die Sklavin das Tor passiert hatte, schnellte er hindurch. Gerade noch rechtzeitig, wie er merkte. Das Energiefeld aktivierte sich hinter ihm sofort wieder und er hatte einen Moment lang Angst, dass es zu Überlagerungen mit seinem Deflektor kommen würde.

Er schien Glück zu haben, also näherte er sich dem abgelegenen, niedrigen Gebäude, nachdem er der Sklavin genügend Vorsprung gegeben hatte.

Nun musste er nur noch Saraah finden und zwar so, dass er mit ihr reden konnte. Für alle Fälle aktivierte er eine Mikrokamera siganesischer Fertigung auf seiner Schulter. Vielleicht konnte man die Aufnahmen später gebrauchen.

Wallace betrat einen kleinen Gebäudekomplex. Die Sklaven waren eigentlich seine potenziellen Verbündeten, doch vielleicht würden sie ihn gegen Belohnung verraten, daher achtete er darauf, unentdeckt zu bleiben.

Er irrte einige Zeit durch die Baracken. Keiner der Sklaven sah sonderlich glücklich aus. Einige schienen jedoch besser mit ihrer Lage zurechtzukommen als andere.

Fast alle, die sich hier aufhielten, lagen in kleinen Räumen auf einer Art Pritsche. Wahrscheinlich ruhten sie sich aus. Aber eine Menge Liegen waren auch leer, was entweder zeigte, dass die Baracken für mehr Sklaven gedacht waren oder – wahrscheinlicher – dass im Moment eine ganze Reihe im Einsatz waren.

Schließlich fand er Saraah in einem kleinen, etwas edleren Raum, wo sie auf einem Bett lag.

Sie ist wunderschön, durchfuhr es ihn wieder.

»Nicht erschrecken«, flüsterte er leise.

Verwirrt öffnete Saraah die Augen und schaute sich um. Da entstand aus dem Nichts, wie es schien, Mathew Wallace vor ihr. Er hatte seinen Deflektor und die Anti-Ortung deaktiviert.

»Mathew Wallace! Wie kommst du hier herein?«

Sie starrte ihn mit großen Augen an.

»Tja, die Dorgonen sind wohl nicht ganz so perfekt, wie sie glauben.«

»Du … du … hättest nicht herkommen sollen. Du bist hier in großer Gefahr!«

»Ich musste dich einfach wiedersehen.«

Sie schwieg und seufzte dann. »Ach, Mathew …« Tränen kullerten ihr Gesicht hinunter.

Wallace setzte sich neben sie und nahm sie behutsam in seinen Arm.

»Erzähl mir von dir. Das beruhigt«, versuchte er, ihr Halt zu geben.

Ersticktes Schluchzen drang an sein Ohr.

»Vielleicht hast du recht. Aber was gibt es da schon zu erzählen? Ich bin eine Sklavin des Princips Protectors Priamus. Eine Sklavin wie viele andere Lebewesen unter der Herrschaft der Dorgonen.«

»Du musst doch auch eine Vergangenheit haben. Oder willst du nicht darüber sprechen?«

Sie schwieg einen Moment, streifte eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht und begann zu erzählen: »Ich bin auf dem Planeten Jerrat geboren worden. Jerrat ist die Hauptwelt des Protektorates Rosza. Unsere Familie lebte lange Zeit glücklich auf der schönen Welt. Wir Jerrer haben keine anspruchsvolle Technik entwickelt und lebten auch ohne sie glücklich. Wir waren Dorgonen II. Klasse, doch als es zu Widerstand kam und mein Volk Gleichheit forderte, wurden wir zu Dorgonen III. Klasse degradiert. So wurden viele Jerrer versklavt. So auch meine Mutter, meine Schwester und ich.«

Er drückte sie stärker an sich und strich durch ihr Haar.

»Was ist aus deiner Mutter und deiner Schwester geworden?«

Er wollte sie nicht unter Druck setzen. Aber er wusste, dass es hilfreich sein würde, darüber zu reden. Er wollte ihr einfach helfen, ihr Elend mildern. Ja, eigentlich wollte er sie sogar befreien.

»Meine Mutter hielt das Leben hier nicht aus. Sie starb schon nach kurzer Zeit. Meine Schwester ertrug es auch nicht lange. Sie brachte sich selbst um.«

Er drückte sie nochmals und schaute dann in ihre schönen braunen Augen.

»Warum … warum …?«, setzte Mathew vorsichtig an.

»Warum ich noch lebe?«

Saraah hatte erfasst, was Wallace wissen wollte. Er nickte.

»Ich glaube an meinen Gott DORGON. Und ich glaube daran, dass eines Tages mein Retter kommen wird. Allein dieser Glaube und die Hoffnung haben mir die Kraft gegeben, das Sklavendasein so lange zu überleben. Es ist hart. Manchmal verzweifle ich schon fast. Aber ich habe bis heute durchgehalten!«

Dein Retter ist gekommen, wollte Mathew sagen, doch sein Verstand hielt ihn im letzten Moment zurück. Konnte er so etwas überhaupt versprechen? Konnte er sie überhaupt mitnehmen?

Saraahs Geschichte stimmte ihn traurig und wütend zugleich.

Eine Zeit lang saßen sie einfach da. Dann wurde ihr Zusammensein durch einen Summer an der Wand beendet. Mathew schaute Saraah fragend an.

Sie senkte den Kopf.

»Der Princips Protector ruft nach mir. Ich muss los.«

Sie stand auf. Er schaute sie an und schenkte ihr ein Lächeln. Dann nahm er sie noch einmal in die Arme.

»Ich komme wieder – ich verspreche es!«

Dann trat er einen Schritt zurück und aktivierte seinen Deflektor wieder. Saraah schaute verwundert auf die Stelle, wo er eben noch sichtbar gewesen war. Dann wurde ihr Blick wieder traurig und sie stand auf, verließ die Sklavenbaracken und schritt auf das große Haus des Konsuls zu.

Was sie nicht wusste: Wallace folgte ihr. Er wollte diesen verdammten Konsul sehen. Seine Vernunft lieferte ihm einen rationalen Grund dafür: Informationen. Vielleicht konnte er beim Lauschen etwas Interessantes erfahren.

Saraah betrat durch einen Seiteneingang das Haus. Sicherlich wurde sie dabei überprüft, jedoch gab es keine sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen. Wallace hoffte, dass die Unsichtbaren ihn nicht bemerken würden und lief in sicheren Abstand hinter ihr her – kein Alarm!

Er schien die Dorgonen ausgetrickst zu haben.

Nach einigen langen Gängen betrat Saraah einen großen Raum, in dem ein alter Dorgone auf einer Art Thron saß.

Zehn schwer bewaffnete Uniformierte standen im Raum verteilt. Sie trugen goldene Abzeichen und prächtige Mäntel. Die linke Wand des prunkvoll geschmückten Raums war eine Multimediawand, auf der verschiedene Sendungen, Nachrichten und Daten über Finanzen und das Wetter von Mesoph zu sehen waren. An der rechten Wand hingen dreidimensionale Bilder von Dorgonen und Landschaften, die Wallace nicht kannte

Der grauhaarige Dorgone trug ein prächtiges, imposantes schwarzes Gewand. Der Thron war eher ein Sessel, auf dem sich der Dorgone entspannt niedergelassen hatte. Überlegen schauten seine listigen grauen Augen aus dem ledrigen, alten Gesicht.

Priamus, durchfuhr es Mathew.

Eine dekadent wirkende Musik hallte durch den Saal.

Er beschloss, am Eingang zu warten, und drückte sich in eine Nische.

»Ihr habt gerufen, Meister!«

Saraah kniete vor Priamus nieder und senkte den Kopf.

»Das stimmt!«, sprach er mit eiserner Stimme.

Er sah sie auffordernd an.

Die Jerrer schien verwirrt. »Was wünscht Ihr, Herr?«

Der Senator schien erzürnt. »Solltest du vergessen haben, dass mein Fußbad ansteht, Saraah?«

Saraah schüttelte heftig den Kopf.

»Dann mach es bereit. Es gibt etwas zu feiern!«

»Jawohl, Herr.«

Saraah stand auf und trat durch eine Seitentür aus dem Raum. Dabei vermied sie es, den Senator anzuschauen. Fast wäre Wallace ihr gefolgt, doch dann erschien es ihm doch zu gefährlich, ihr durch den Raum zu folgen. Außerdem betrat gerade ein nicht minder gut gekleideter Dorgone den Raum. Er trat vor den Konsul und verbeugte sich.

»Princips Protector, es wurde alles wie besprochen vorbereitet.«

»Unserem Siegeszug auf Dom steht also nichts mehr im Weg?«

»Nein, Herr. Der Sieg ist Euer!«

Priamus führte einen Kelch an die Lippen und nahm genüsslich einen langen Zug. Er ließ sich die Flüssigkeit auf dem Gaumen zergehen und lächelte zufrieden.

»Gut. Sonst noch etwas?«

»Ja, wir haben etwas Interessantes entdeckt. Ihr solltet es Euch nachher in der Zentrale anschauen«, sprach der Dorgone geheimnisvoll.

Der Konsul nickte.

»Gut. Dann geht jetzt!«

Der Dorgone verbeugte sich noch einmal vor dem Senator und verließ dann den Raum.

Da kam auch Saraah schon wieder zurück. Vor sich her schob sie eine kleine Antigrav-Platte mit einer prunkvoll gestalteten Wanne.

»Beginne, Sklavin«, forderte der Senator bestimmend, aber nicht unfreundlich.

»Jawohl, Herr.«

Sie machte sich daran, dem Senator die Schuhe auszuziehen. Das konnte Mathew kaum mit ansehen, aber er hatte auch keine Chance gegen die Wachen. Es ekelte ihn an und er fühlte sich hilflos.

Ein Selbstmordkommando bringt weder ihr noch mir etwas, überlegte er. Aber ich werde später wiederkommen und sie befreien! Dies hier hat sie nicht verdient!

Seine Hand hatte sich zur Faust geballt, dann verließ er vorsichtig den Raum und das Haus genauso, wie er gekommen war. Am Tor brauchte er nicht lange zu warten, bis ein Sklave die Genehmigung der Wachen bekam, das Energiegitter zu deaktivieren und er hindurchhuschen konnte. Deprimiert trat er den Rückweg zur JAYJAY III an.

An der Space-Jet angekommen, traf er draußen auch schon auf Hendrik, Tim und Cerak.

»Mathew! Schön, dass du endlich da bist«, begrüßte ihn Cerak Atz. »Du siehst nicht gerade erfreut aus!«

»Das hat seine Gründe. Sind Dove und Lorif immer noch nicht zurück?«, wollte er wissen.

»Doch, sie waren schon da, als wir ankamen. Sie konnten sich an Bord eines Adlerschiffes schleichen und einige Informationen sammeln. Dann wurden sie jedoch entdeckt. Auf der Flucht wurde Lorif schwer beschädigt. War deine Informationsquelle doch nicht so gut, wie du dachtest?«

Wallace wirkte wegen des Posbis betroffen und überging die Frage seines Freundes.

»Hat es Lorif sehr schlimm getroffen?«, wollte er wissen.

»Nur etwas, was wir einen Kratzer nennen würden. Es sieht schlimmer aus, als es ist.«

»Eine interessante Formulierung«, kommentierte der Posbi, während er über die Rampe die Space-Jet verließ und auf die Gruppe zutrat.

»Schön, dich wohlauf zu sehen, Lorif!«, begrüßte ihn Mathew.

»Nun, es ist alles in Ordnung. Bevor wir jedoch zu den Detailergebnissen unserer Missionen kommen, sollten wir zur IVANHOE zurückkehren. Es könnte sein, dass man uns weiterhin sucht. Es war nicht gerade vorteilhaft, entdeckt zu werden. Sie werden jetzt darauf lauern, ein fremdes Raumschiff starten zu sehen.«

»Wahrscheinlich hast du recht, Lorif. Wo ist Irwan?«

»In der Zentrale der JAYJAY, an den Instrumenten.«

»Gut. Also los – brechen wir auf!«

Die anderen konnten ihm nicht ansehen, wie schwer es ihm fiel, den Planeten auf diese Weise verlassen zu müssen. Er warf einen sehnsüchtigen Blick in den Himmel.

Da flackerte über ihnen plötzlich ein blau flimmerndes Feld auf. Erstaunt sah er sich um.

»Was hat das …«, setzte er an, wurde jedoch jäh unterbrochen.

»Fremdlinge, ergebt euch! Es ist sinnlos, Widerstand zu leisten! Der Hypertronschirm ist unüberwindlich! In der Atmosphäre warten einige Abfangschiffe. Im Namen Dorgons, legt eure Waffen nieder!«, erklang eine Stimme, die scheinbar aus allen Himmelsrichtungen zu kommen schien.

In etwa zehn Metern Entfernung um sie herum wurden plötzlich Dorgonen sichtbar – mit gezogenen Waffen.

Wallace erkannte ihre Uniformen. Es waren die gleichen, die er im Haus des Konsuls gesehen hatte. Sie mussten ihm gefolgt sein. Er musste einsehen, wie dumm es gewesen war, Saraah ins Haus des Senators zu folgen und wie viel dümmer noch, ihr zu Priamus zu folgen.

Er blickte wieder hoch und sah einige Gleiter herankommen. Man brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich um kampfstarke Fahrzeuge handeln musste. Sie hatten diesen Kampf verloren.

»Die Sache ist gelaufen. Legt eure Waffen nieder, Freunde«, wandte er sich an seine Begleiter.

Seine Freunde schauten ihn kurz an, nickten dann und warfen ihre Waffen auf den Boden.

Dann wandte er sich an die Dorgonen. »Wir ergeben uns!«

Über das Gesicht des dorgonischen Kommandanten – jedenfalls schien dieser Dorgone mit der auffallenden Uniform so etwas zu sein – schien ein Lächeln zu huschen. Nur ganz kurz und Mathew war auch nicht sicher, ob er die dorgonische Mimik richtig interpretieren konnte.

»Da fehlt noch jemand«, bellte der Kommandant dann.

Wallace nutzte den Funk seines Seruns, um den Oxtorner zu kontaktieren.

»Dove, setze das Notfall-Signal ab, komme dann raus und ergebe dich auch. Im Moment haben wir keine andere Wahl!«

Er hörte nur ein Brummen. Wallace rätselte, ob das Hyperfunk-Signal den fremden Schirm durchdringen konnte. Er hoffte es.

Kurze Zeit später erschien der Oxtorner auf der Rampe. Demonstrativ warf er seinen schweren Desintegrator und den Thermostrahler zu Boden und trat zu seinen Freunden.

»So ist es gut«, grinste der dorgonische Kommandant.

ENDE

Band 27 stammt von Aki Alexandra Nofftz und Ralf König und wechselt die Handlungsebene in die Mächtigkeitsballung ESTARTU. Auch dorthin hat das dorgonische Reich seine Fühler ausgestreckt und bedroht

DIE ESTARTISCHE FÖDERATION

DORGON-Kommentar

In diesem Roman haben wir einiges über die Struktur des dorgonischen Imperiums herausgefunden. Es war bereits bekannt, dass Dorgon in vier Protektorate unterteilt ist, die wiederum in einzelne Sektoren aufgeteilt sind, über die ein Consus regiert. Auf Cermium, der Hauptwelt der Provinz Harridon, regierte ein korrupter Statthalter namens Ojemus, dessen unrühmliches Ende für sich spricht.

Die wahren Machthaber scheinen jedoch auf den zentralen Welten zu sitzen, wie auf Mesoph, der Hauptwelt des Protektorates Harrisch, zu der auch Cermium gehört. Priamus ist Senator und Konsul des Imperiums und offenbar ein Freund des Kaisers.

Ob die Senatoren vom Volk gewählt werden, ist derzeit unbekannt. Eine gewisse Demokratie könnte aber durchaus existieren. Es scheint, als würden die Administratoren der Welten einen Senat bilden, den dann der Kaiser konsultieren muss.

Allerdings sind unsere Expeditionsteilnehmer noch fern davon, sich der Welt Dom – dem Zentrum des Imperiums – zu nähern. Oder geht alles schneller, als man annimmt? Das Vorgehen der Expedition ist gewagt, wie sich auf Cermium gezeigt hat. Auf Mesoph haben Wallace, Dove, Lorif und ihre Leute von der IVANHOE nun größere Probleme.

Was wird passieren, wenn die Galaktiker und Saggittonen enttarnt werden? Vermutlich noch relativ wenig, doch sollten die Galaktiker auch identifiziert werden, dürften die Dorgonen nervös werden …

Nils Hirseland

GLOSSAR

Protektorat Harrisch

Protektorat Harrisch ist ein Sektor in der Nordseite von M 100. Hier befindet sich auch das Sternenportal am Rand des Spiralarmes. Das Protektorat gehört zu vier großen Zonen des dorgonischen Imperiums in M 100 und umfasst knapp 15.000 bewohnte Welten.


Bekannte Welten

Mesoph: Regierungssitz des Princips Protectors. Der Princips Protector von Mesoph ist automatisch einer der vier Konsuls von Dorgon.

Cermium: Regierungssitz der Provinz Harridon.

Herrish VII: Sklavenmarkt

Jungle: Dschungelwelt mit einem Stamm der Harriden, den Bahuta und auch etwas weiter entwickelten Harriden.

Provinzen

Harridon: Ungefähre Ausdehnung von 2700 Lichtjahren. Hauptsitz ist die Welt Cermium. Harridon umfasst 1834 bewohnte Planeten, von denen viele jedoch nur mit kleinen Stationen zum Abbau von Rohstoffen besiedelt sind. Das am meisten verbreitete Volk sind die Harriden in unterschiedlichen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

Völker

Harriden

Sublider (Arachnoiden)

Cermium

Cermium ist die Hauptwelt der Provinz Harridon in M 100 Dorgon. Sie wird als erdähnlich mit einer üppigen Vegetation beschrieben. Auf Cermium liegt auf einem Felsplateau die Garnisonsstadt Ceriusanon. Sie hat eine Ausdehnung von sieben mal drei Kilometern. Starke Mauern aus weißem Material mit Geschütztürmen verlaufen entlang des tiefen Abgrundes des Plateaus. Überall ragen Geschütze aus dem Bergmassiv hervor. Eine wahre Festung. Im Zentrum befindet sich der vier mal zwei Kilometer große Raumhafen und ein großes Gebäude.

In Ceriusanon wirkt alles akkurat, sauber und gepflegt. Im Administrationsgebäude sind ständig Wartungs- und Putzroboter unterwegs, um das Gebäude instand zu halten.

Am Fuße des Gebirges liegt eine größere Stadt: die Hauptstadt, in der die Zivilbevölkerung lebt.

Zwar sind die Städte der Harriden auch modern, wirken jedoch im Vergleich zu den dorgonischen Vierteln außerhalb der Garnisonsstadt Ceriusanon eher schäbig und verfallen. Hier wird deutlich der Unterschied zwischen Dorgonen und den anderen Völkern klar.

Geschichte

Im Jahre 1292 NGZ ist Cermium Sitz der Provinz Harridon, die sich über etwa 2700 Lichtjahre erstreckt. Statthalter ist der Consus Ojemus. Seine rechte Hand ist der aufstrebende Dekurio Carcus, der mit eiserner Hand die Tribute von den Harriden einholt.

Ende Juli 1292 NGZ geben sich Aurec, Tifflor an Bord der GOLDSTAR und SAGRITON als intergalaktische Händler aus und können so den ersten echten Kontakt in M 100 mit den Dorgonen herstellen.

Carcus

Geboren: 1260 NGZ

Geburtsort: Asorph

Größe: 1,80 Meter

Gewicht: 79 Kilogramm

Augenfarbe: blau

Haarfarbe: schwarz

Bemerkungen: sportlich gebaut, arrogant und selbstherrlich, stets loyal dem Kaiser und dem Reich ergeben, hart und kompromisslos setzt er seine Ziele durch


Carcus ist auf der Welt Asorph geboren. Seine Mutter hat die Geburt nicht überlebt, so ist der Junge bei seinem Vater, der General gewesen ist, aufgewachsen. Dies hat Carcus sehr geprägt. So ist es auch nicht außergewöhnlich gewesen, dass auch Carcus in die Armee eingetreten ist und dort eine brillante Laufbahn hinter sich hat.

Carcus bekleidet 1292 NGZ den noch niedrigen Rang eines Dekurio. Er ist ehrgeizig und ambitioniert. Durch sein brutales, aber effektives Vorgehen bei der Eintreibung des Tributs für die Provinz Harridon steigt Carcus in der Gunst des Praefektus Fabrum, Carilla.

Im Juni 1292 NGZ vernichtet Carcus eine ganze Stadt der Harriden auf der Welt »Jungle«. Einige Wochen später trifft er auf die Galaktiker und Saggittonen auf Cermium. Dort entlarven die Galaktiker den aktuellen Consus Ojemus als korrupt. Carcus handelt und lässt auf Befehl Carillas den Statthalter töten.

Ojemus

Geboren: 1215 NGZ

Geburtsort: Cermium, Dorgon M 100

Größe: 1,75 Meter

Gewicht: 140 Kilogramm

Augenfarbe: blaugrau

Haarfarbe: schwarz

Bemerkungen: fett, versoffen, korrupt, selbstherrlich, inkompetent und brutal


Ojemus ist der Consus der Provinz Harridon. Er ist zudem der Statthalter des Planeten Cermium, wo er sich als brutaler Alleinherrscher aufspielt und die Wesen ausbeutet. Viele der Steuern hinterzieht er, was natürlich nicht auffallen darf. Daher werden die Bewohner der Provinz mehr und mehr geschröpft.

Sein Treiben wird jedoch durch den akonischen Sicherheitschef der GOLDSTAR Trabon Saranos aufgedeckt, als die Galaktiker den ersten Kontakt zu den Dorgonen herstellen. Infolge dessen wird Ojemus von dem dort zuständigen Dekurio Carcus auf Anweisung seines Praefektus Fabrum Carilla hingerichtet.


2. überarbeitete Auflage


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN-FanZentrale e. V. — Copyright © 1999-2020

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— Special-Edition Band 26, veröffentlicht am 27.09.2020 —

Titelillustration: John Buurman • Innenillustration:

Lektorat: Alexandra Trinley • Digitale Formate: René Spreer