Band 21

Mordred-ZYKLUS

 

Jagd durch den Hyperraum

Ein TLD-Agent und ein Somer auf der Flucht

 

Ralf König & Dominik Hauber

 

Was bisher geschah

Seit September 1290 NGZ ist die selbsternannte Separatistenorganisation Mordred nach jahrelangen geheimen Operationen in den Angriff übergangen. Federführend bei der Vernichtung von fünf Camelotbüros war der Silberne Ritter Cauthon Despair.

Während die Mordred als selbst ernannte Beschützer der Lemuriden sogar den Planten Sverigor mitsamt dessen Bevölkerung zerstört, versuchen der TLD-Agent Will Dean und der Somer Sam in einer Agentenoperation das Versteck der Mordred ausfindig zu machen. Sie erhalten auf der BASIS wichtige Informationen und müssen fliehen. Es entbrennt eine JAGD DURCH DEN HYPERRAUM …

 

Hauptpersonen

Sruel Allok Mok – Der Somer wird auch Sam genannt.

Will Dean – Der TLD Agent muss vor der Mordred fliehen.

Walther Eyke – Der General der Mordred auf der Jagd.

Joak Cascal und Sandal Tolk – Sie ermitteln auf der BASIS.

Tek Cyrus – Der Ertruser macht Urlaub.

 

 

 

 

Auf der Flucht

Will Dean schaute sich in der Zentrale des kleinen Raumschiffes um. Der TLD-Agent befand sich zusammen mit dem Somer Sruel Allok Mok allein an Bord der 35 Meter durchmessenden Space-Jet. Dean wusste nicht einmal genau, welchen Typs diese Variation des Kleinraumschiffes war. Es gab viele Modifizierungen und Weiterentwicklungen der Space-Jets. Jedenfalls verfügte diese über einen Überlichtantrieb und einen Paratronschutzschirm. Jedoch haperte es an der Offensivbewaffnung. Mit Impulsstrahlern und nur einem 200 Gigatonnen Transformgeschütz kamen sie nicht sehr weit im Kampf gegen den übermächtigen Gegner, dessen Raumschiff in diesem Moment unweit von ihrem Standort materialisierte.

Sam beugte sich gerade über die Funkanlage und hantierte bedächtig mit den Kontrollen. Nachdem sie im Besitz der Koordinaten der Hauptwelt der Mordred waren, wollten sie einen Funkspruch nach Camelot absenden, um den Erfolg nach Hause zu melden. Sam wollte gerade den Text eingeben, als die Orter dringenden Alarm gaben und die Ankunft des Raumers ankündigten.

»Die TOBRUK«, stieß Dean aus.

Sam wandte sich sofort von der Hyperfunkkontrolle ab und ließ sich in den Sessel des Bordschützen fallen. Doch dann hielt er inne. Auch er erkannte, dass ein kleines Schiff wie ihres wohl kaum eine Bedrohung für ein 1.500 Meter Raumschiff, wie es die TOBRUK darstellte, war. Er wollte sich gerade erheben, als ein Treffer das Schiff erschütterte.

Der Somer hatte Glück, denn die Wucht schleuderte ihn wieder in den Sessel. Krampfhaft hielt er sich fest, bis Dean den Flug der Space-Jet stabilisierte hatte.

Seine Greifarme tasteten nach den Gurten. Er schaffte es, sie einrasten zu lassen, da wurde die Jet erneut getroffen. Glücklicherweise lag dieser zweite Treffer nicht ganz so nahe an ihnen, sonst wäre ihre Flucht hier zu Ende gewesen.

Dean hatte Schweißperlen auf der Stirn, als er das Schiff in einen schnellen Zickzackflug zwang. Er bediente selber die Steuerung, obwohl die Syntronik das Schiff sicher reaktionsschneller gesteuert hätte. Aber die Bewegungen eines Menschen waren nicht vorauszuberechnen, und so hantierte er an den Knöpfen der Steuerung, wie es der Situation angemessen war: als hinge sein Leben davon ab.

»Syntron«, stöhnte er. »Greif sofort ein, wenn die Schüsse wieder näherkommen.«

»Verstanden«, signalisierte die Recheneinheit ihre Zustimmung kurz und knapp.

Schneller und schneller wurde das Schiff, allerdings nicht so schnell, wie sich die Besatzung dies gewünscht hätte, denn die Ausweichbewegungen verhinderten eine höhere Beschleunigung.

Dean entschloss sich zu einem riskanten Manöver. Er wendete den Raumer und hielt genau auf den Gegner zu. Immer näher kamen sie dem riesigen Gebilde aus Stahl und damit auch den Kanonen. Aber der Winkel wurde für die Geschütze der TOBRUK immer ungünstiger.

»Die wollen uns lebend«, stöhnte der Somer. »Sonst hätten sie schon längst die Transformkanonen eingesetzt.«

Dean erwiderte nichts darauf. Die Masse des Schiffs machte ihm immer mehr zu schaffen, je näher sie dem Raumer kamen. Er nützte diesen Umstand aus, indem er die Space-Jet in eine enge Kurve zwang. Für einen Moment kamen die Aufbauten der TOBRUK dem Schiff immer näher, dann hatte er einige der Antennen umflogen und nutzte nun die Beschleunigung, die ihm der kreisförmige Vektor verlieh, noch zusätzlich.

Er hieb auf den Schalter für den Projektor des Pseudo-Black-Hole. Der Antrieb reagierte ohne Verzögerung, trotzdem schien es dem Piloten, Minuten zu dauern, bis sich eine neue Masse vor dem Schiff bildete. Zehn Meter von der Hülle der TOBRUK entfernt wurde das Schiff unter den Ereignishorizont gerissen. Ein letzter Treffer schlug in die Schilde, die mittlerweile eine Belastung von 109 Prozent anzeigten, dann verschwand das normale Kontinuum für einen Augenblick von den Schirmen. Schließlich übernahmen die Orter und lieferten ein Bild aus dem Standarduniversum, das allerdings den Gegner nicht mehr anzeigte.

Der Schild existierte nicht mehr, wie Dean feststellte. Schnell checkte er den Grigoroff-Projektor, konnte aber keine Unregelmäßigkeiten erkennen. Das Schiff befand sich immer noch innerhalb der Blase, die der Projektor erzeugte. Keine Gefahr mehr, wie er feststellte.

Er seufzte vernehmlich und ließ sich in seinen Sitz zurücksinken.

»Syntron, einen Kurs berechnen. Wir kehren für einen Moment in den Normalraum zurück, orientieren uns, dann verschwinden wir von hier. Kurs: Der nächste erreichbare Planet.«

Langsam erhob er sich und wandte sich zu Sam um. Der Somer hing im Sessel und regte sich nicht mehr. Für einen Moment dachte der Terraner, sein Kampfgefährte wäre tot, aber dann erkannte er an einem Zittern des Gefieders, dass der Freund wohl nur bewusstlos war. Erschrocken erkannte er Blut auf dem Gefieder des Somers.

Er stürzte zu dem Sessel, aber die Verletzungen waren wohl nicht allzu schlimm, denn das Vogelwesen regte sich bereits wieder und öffnete die braunen Augen.

»Was ist geschehen, Mister Dean? Ist es Ihnen endlich gelungen, uns mit Ihren infernalischen Manövern ins Jenseits zu jagen?«

»Ich stelle mir das Paradies anders vor. Wir sind entkommen«, beruhigte ihn der Terraner.

Dann griff er nach einem medizinischen Scanner, der die Wunden des Wesens behandelte. Außer einer leichten Blutung war allerdings nichts zu tun.

»Glück gehabt«, meinte der Terraner, dann sah er die Bescherung. Das Hyperfunkgerät rauchte. Das konnte einfach nichts Gutes bedeuten.

»Kein Funk mehr«, seufzte Will Dean.

Sie hätten früher eine Nachricht nach Camelot senden müssen. Nur wann? Sie waren ständig auf der Flucht gewesen. Die TOBRUK stets in der Nähe gewesen, um einen möglichen Hyperfunkspruch abzufangen. Ein Kommunikationssignal hätte außerdem ihre Position verraten. Weder Sam noch der TLD-Agent hatten eine ruhige Minute gehabt, um Camelot oder dem Terranischen Liga-Dienst diese wichtigen Informationen zu senden.

Nun machte sich Dean daran, die Schäden des Schiffes zu untersuchen. Schnell fand er heraus, was der letzte Treffer angerichtet hatte.

»Wir haben ein Problem«, meinte er. »Das Triebwerk arbeitet nicht mehr richtig. Mehr als 30 Lichtjahre pro Etappe schaffen wir nicht mehr. Außerdem sind die Antennen auf der Hülle geschmolzen, als uns der Treffer erwischte. Syntron, wohin kommen wir mit dem Schiff noch?«

In diesem Moment wurde die Space-Jet langsamer, sie fielen zurück in den Normalraum.

»Wir haben dreißig Lichtjahre zurück gelegt«, erklärte der Syntron.

Dann legte er eine kurze Pause ein, was ungewöhnlich war, weil ein Syntron normalerweise überlichtschnell arbeitete. Ein Knacken deutete an, dass der Fehler allerdings eher in einem der Lautsprecher lag. Dann hatte der Syntron einen anderen Lautsprecher aktiviert.

»Holiday ist die nächste Welt, die wir erreichen können. Eine Urlaubswelt, die in 127 Lichtjahren Entfernung liegt.«

»Also gut. Bevor auch deine Schaltkreise durchbrennen: Kurs setzen«, befahl der Terraner.

Dann ließ er sich wieder in seinen Pilotensessel sinken. Das Raumschiff beschleunigte ohne sein Zutun, der Grigoroff begann wieder zu arbeiten. Dean lauschte besorgt, aber natürlich konnte er nichts hören, was auf Probleme hingedeutet hätte. Hoffentlich schafften sie es noch.

 

Ein General wird wütend

»Was heißt das, er ist entkommen?«

Der General baute sich drohend vor seinem Untergebenen auf, der ihm nicht in die Augen zu schauen wagte.

»Das Schiff hat einige ungewöhnliche Manöver gemacht, unsere Masse zur Beschleunigung genutzt und den Metagravantrieb gestartet.«

Die Stimme war kaum zu verstehen.

»Ist es beschädigt?«

Natürlich war das Unsinn, aber dem Mann kam es vor, als würde Eis in der Stimme des Generals klirren.

»Wir wissen es nicht. Wir haben noch einen Treffer gelandet, aber dann war das Schiff weg. Wir haben es allerdings noch in der Überlichtortung. Wir folgen dem Schiff und werden es sicher wieder erreichen.«

Wenn der Mann gedacht hatte, damit den General zu besänftigen, dann sah er sich getäuscht.

»Wie lange sind Sie schon unter meinem Kommando?«

»Zwei Jahre, General.«

Der Sprecher schien im Boden versinken zu wollen.

»Glauben Sie, dass Sie sonderlich erfolgreich waren?«

»Nein, Herr.«

Die Gestalt schrumpfte noch mehr zusammen. Er wusste, was jetzt kommen würde.

»Was machen wir hier mit Versagern?«

»Wir entlasten sie von der Mordred, Sir.«

Die Stimme war kaum noch zu verstehen, also fragte der General nach. Der Sprecher wiederholte den Satz lauter.

»Dann vollstrecke das Urteil.«

Der Sprecher blickte nun doch auf und begegnete dem stahlharten Blick des Generals. Kein Erbarmen war darin zu erkennen. Kein Zweifel, der General erwartete, dass er das Todesurteil an sich selbst vollstreckte.

»Jawohl, Sir.«

Die Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber deutlich zu verstehen war die Geste, mit der der Mann seine Waffe zog. Ohne zu zögern setzte er sie an die Stirn und drückte ab. Der Energiestrahl verbrannte den Kopf des Mannes.

Ungerührt verfolgte der General jede Bewegung des Mannes. Nicht einen Moment lang schien er zu fürchten, dass der Untergebene es sich anders überlegen und auf seinen Herrn schießen könnte, aber wer genau hinsah, erkannte den kleinen Nadler in der Hand des Generals. Der Mann war schon tot, er hätte keine Chance gehabt, seinen kommandierenden Offizier in Gefahr zu bringen.

Der Körper schlug auf den Boden und ab diesem Moment war er uninteressant für den General geworden. Langsam drehte er sich wieder dem Bildschirm zu, auf dem ein Punkt das Raumschiff der Fliehenden anzeigte. In diesem Moment erlosch der Punkt. Das Schiff verließ den Überraum, und der General beobachtete die schnelle Reaktion seiner Besatzung, als sie dem Raumer folgte. Nichts war zu sehen und als die Besatzung die Space-Jet endlich ortete, verschwand es bereits wieder im Überraum.

Endlich wandte sich der General an einen Roboter.

»Schaff' ihn hier raus«, befahl er akzentuiert und beobachtete noch einen Moment lang den Roboter, der sich den Körper des Mannes auf die Schultern lud. Wieder endete die Karriere eines Mannes unter seinem Kommando in einem Konverter.

General Eyke wandte sich dem erhöht stehenden Sessel zu, der sein Kommandositz war. Mit knappen, energischen Bewegungen stieg er die zwei Stufen hoch und ließ sich auf den Sitz niedersinken.

»Keine Fehler mehr«, äußerte er.

Dann lehnte er sich zurück. In dieser Stellung verharrte er.

 

Urlaubsidylle

Der Ertruser strich sich langsam über seinen Sichelkamm, während er seine Tochter im Auge behielt. Das Mädchen rannte über den Strand und stürzte sich in das Wasser, als gäbe es keine Gefahren auf dieser Welt. Auf Holiday gab es sie auch nicht. Alle Brennpunkte der Galaxis waren weit entfernt. Wer sich hierher begab, tat es, um sich zu erholen.

Der schwere Mann setzte sich in einen Liegestuhl, der den Ausmaßen eines Ertrusers gewachsen war und beobachtete das Mädchen noch einen Moment lang. Hier gab es nichts, was ihr schaden konnte. Und genau deshalb wollte er ein Nickerchen einlegen.

Ein schlanker Mann näherte sich seinem Liegestuhl, den der Ertruser aber nicht beachtete. Erst als der Mann die Sonne verdeckte und ein Schatten auf den Riesen fiel, öffnete Tek die Augen und blinzelte für einen Augenblick, weil das helle Licht ihn blendete. Er wollte sich gerade beschweren, als der Mann mit dem großen Zeh im Sand hängenblieb. Er hob fast ab und landete mit seiner Nase direkt vor den Zehen des Ertrusers im Sand.

Tek Cyrus schloss den Mund wieder und saß für einen Moment bewegungslos. Dann brach er in lautes Gelächter aus.

Der Umweltangepaßte streckte eine Hand nach dem dürren Burschen aus und ergriff ihn hinten im Hosenbund. Mit einem energischen Griff half er dem Burschen auf die Beine. Immer noch lachend schob er den Mann ein Stück zu Seite.

»Das kommt davon, wenn man einem Ertruser in der Sonne steht.«

Der Mann schaute verstört, dann setzte er ein verlegendes Lächeln auf.

»Verzeihung«, stotterte er. »Aber könntest du jetzt vielleicht meine Hose wieder loslassen?«

Verblüfft blickte der Ertruser auf seine Hand, die immer noch das Kleidungsstück des Mannes hielt. Dann lachte der Ertruser erneut. Er hatte nicht bedacht, dass seine Kräfte viel zu stark für den dünnen Stoff sein würden, und nun hielt er die Beinkleider des Mannes in der Hand. Er warf dem verstörten Urlauber die Überreste seiner Hose zu, der sie auffing und dabei erneut zu Boden ging. Schnell erhob sich der Unglücksrabe, bevor Tek wieder Hilfestellung leisten konnte, und rannte über den Strand, um sich eine neue Hose zu holen. Das Gelächter der Menschen am Strand verfolgte ihn noch einige Minuten lang.

Nicht, dass ein nackter Mann allzu großes Aufsehen erregt hätte. Ein solcher Anblick war auf einer Urlaubswelt an einem Badestrand durchaus nicht besonders ungewöhnlich. Aber es kam schon selten vor, dass jemand von einem Ertruser entblättert wurde.

An Schlaf war nun nicht mehr zu denken und so erhob sich Cyrus und gesellte sich zu seiner Tochter, die im Wasser neue Bekanntschaften geschlossen zu haben schien.

Nach einiger Zeit hatte er allerdings genug von der Planscherei mit seiner Tochter. Kurzerhand lud er sich das Mädchen auf die Schulter und stapfte aus dem Wasser.

»Nur noch ein bisschen«, bettelte das Mädchen.

»Was meinst du zu einem großen Eisbecher?«

»Au ja! Einen Ertruser-Split, oder vielleicht einen Becher mit Ertrusbeeren und Eis, oder...«

»Nun komm erst einmal mit«, meinte der große Mann gutmütig.

Mit einer sanften Handbewegung, die keiner dem Giganten zugetraut hätte, strich er dem Mädchen liebkosend über die Haare. Die Bewegung hätte einen Normalsterblichen wohl getötet.

»Dann sehen wir weiter.«

Mit geschickten Griffen raffte Tek die Handtücher zusammen und versenkte sie in seiner Tasche. Dann stapfte er über den Sand zu den Gleiter-Parkplätzen. Er schob seine Tochter auf den Beifahrersitz, die Tasche warf er auf die Rückbank und stieg dann einfach über die Tür des nach oben offenen Gefährts. Der Gleiter startete, am Strand blieben viele Menschen zurück, die sich noch immer über den Vorfall mit dem nackten Mann unterhielten.

Alles war in Ordnung im Paradies.

 

Die Flucht geht weiter

Lichter blinkten, irgendwo konnte Will ein Gerät enervierend piepsen hören und der Syntron maulte auch hin und wieder dazwischen. Es war schwer nachzuvollziehen, aber irgendwie fühlte sich der TLD-Agent in seinem Element. Für solche Dinge war er ausgebildet worden, endlich hatte er einmal Gelegenheit, sein Wissen in die Tat umzusetzen. Mit Genugtuung beobachtete er die Anzeigen, die ihm zwar bedenklich erschienen, aber immerhin flog die Space-Jet noch.

Allerdings in diesem Moment nicht mehr mit Überlichtgeschwindigkeit, denn als der Terraner über seine Situation nachdachte, waren wieder einmal dreißig Lichtjahre zurückgelegt. Nein, diesmal waren es sogar nur noch 28 Einheiten á fast 9,7 Billionen Kilometer.

»Syntron, ist das normal?«

Will wandte sich an seinen elektronischen Helfer, auf seine überlichtschnellen Rechenprozesse vertrauend. Die Reaktion kam auch nur Sekunden später.

»In Anbetracht der Leistungsschmälerung des Antriebs ist die zurück gelegte Distanzetappe im Rahmen der Toleranzwerte.«

Dean glaubte, die Syntronik sei mit Sam verwandt. Immerhin sprachen beide so distanziert und umständlich.

»Wo ist der Gegner?«

»Die TOBRUK materialisierte vor einer halben Minute vierzig Lichtstunden vor uns. Es wäre an der Zeit, die neue Etappe einzuleiten.«

Sam drehte sich nur kurz um, als er das sagte, dann schaute er wieder konzentriert auf die Ortungen.

»Syntron, ist der neue Kurs schon berechnet?«

»Noch 48 Sekunden«, äußerte die Maschine.

»Beschleunigen«, befahl der Terraner. »Grigoroff bereithalten und sofort aktivieren, wenn die Daten vorliegen. Sam, wie lange noch?«

»In vier Minuten wird die TOBRUK Ihr Schicksal. Und meines dazu.«

»Nicht so grimmig, teurer Freund«, erwiderte Dean.

»Wenn Fremde sich in unsre Lage fühlen, sind sie wohl näher als die Nächsten, die oft unsern Gram als wohlbekanntes Übel mit lässiger Gewohnheit übersehen«, zitierte Sam und erklärte daraufhin, dass diese Aussage von dem terranischen Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe stammte.

Will grinste, ließ sich aber nur kurz ablenken. Doch er erwiderte zu Sams Überraschung.

»Gemäßigte Klage ist das Recht des Toten, übertriebener Gram der Feind des Lebenden. Shakespeare.«

Der Somer gab eine Art von Zwitschern von sich, welches Dean als anerkennend interpretierte. Mit Kultur und Geschichte konnte er bei Sruel Allok Mok punkten. Das Wesen aus der Galaxie Siom-Som war besonders von der terranischen Kultur aus der prärhodanistischen Zeit angetan. Es war ungewöhnlich, dass ein Wesen von einer anderen Sterneninsel so starkes Interesse, ja sogar Verehrung für eine ihm gänzlich fremde Kultur entwickelte, doch das machte Sam wohl so besonders und einmalig. Das Vogelwesen war terranischer als so mancher gebürtiger Terraner.

Die Jet hatte inzwischen die nötige Geschwindigkeit für ein Eintauchen in den Überraum erreicht, allerdings fehlte noch die Klarmeldung vom Syntron. Wenige Sekunden noch, dann würden sie den Verfolgern wieder ein Schnippchen geschlagen haben. Wie lange würde das noch gut gehen?

Die TOBRUK tauchte erstmals auf dem großen Frontschirm auf. Das Schiff wirkte immer noch bedrohlich, aber das Bewusstsein, in einem kleinen Schiff zu sitzen, mochte da seinen Teil beitragen. Dean beobachtete konzentriert die Anzeigen, die immer noch wild durcheinander blinkten. Wie man da die Übersicht behalten konnte, musste jedem Menschen eigentlich ein ewiges Rätsel bleiben. Jedenfalls schaffte der Terraner es, immer im richtigen Moment auf den richtigen Knopf zu drücken, und meistens funktionierte der auch.

»Übergang«, meldete der Syntron.

Nur wenige Augenblicke später tauchte die Space-Jet in den Halbraum ein, die Orter übernahmen wieder die Verbindung zur Außenwelt. Die TOBRUK blieb hinter dem Schiff zurück, aber es war sicher nur eine Frage der Zeit, wann sie wieder die Verfolgung aufnehmen würde.

 

Nummer Drei auf der Jagd

»Wird das langsam mal was?«

Einige der Menschen in der Zentrale der TOBRUK senkten den Blick, als sie die Stimme des Generals hörten. Aber die meisten reagierten gar nicht, denn sie kannten den Mann. Wenn man reagierte, lief man Gefahr, dass auch der General reagierte. Keiner wollte dieses Risiko eingehen, daher senkten selbst die Ängstlichsten ihre Blicke nur für einen Augenblick.

Niemand antwortete auf die Frage des Generals, aber das war schon in Ordnung. Er hatte keine Antwort erwartet, seine Frage war mehr rhetorischer Art gewesen. Die Finger des Mannes trommelten unentwegt auf die Lehne seines Kommandosessels.

Oberst Hanz Willoch presste die Lippen fest aufeinander. Der Stellvertretende Kommandant des Schiffes konnte die Ungeduld des Generals noch mit am ehesten nachvollziehen. Es konnte eigentlich nicht sein, dass dieses kleine Schiff ihnen solche Probleme bereitete. Schon dass die beiden Männer überhaupt entkommen waren, war eigentlich ungeheuerlich. Viel schlimmer wog jedoch die Tatsache, dass sie an sensible Daten gelangt waren und offenbar Imperator Bostich vor dem Attentat gewarnt hatten. Die zwei wieder einzufangen, war die einzige Möglichkeit von Eyke und der gesamten Crew, nicht von Rhifa Hun umgebracht zu werden. Denn sollten dieser Terraner und der Somer die Daten von Stützpunkten, Kontaktleuten und Lieferanten an die LFT und Camelot weiterleiten, bedeutete das vermutlich das Ende der Mordred.

Willoch, ein persönlicher Freund und Adjutant Eykes, musterte den Kommandanten. Er schien so besorgt über diese Situation zu sein wie die anderen.

Der Oberst zuckte zusammen, als Eyke sich abrupt erhob. Der General machte auf dem Absatz kehrt, dann wandte er sich der Tür zu seinem Bereitschaftsraum zu.

»Oberst, übernehmen. Ich möchte über alles informiert werden, was geschieht...«

»Jawohl, General.«

Der Oberst nahm Haltung an bis der Kommandant in seinem Bereitschaftsraum verschwunden war, dann ließ er sich mit einem erleichterten Seufzer in den Sessel des Kommandanten sinken. Für den Moment hatten sie ihre Ruhe, aber dieser Moment konnte von kurzer Dauer sein. Es war angeraten, sich diese Augenblicke der geistigen Entspannung zu gönnen.

Allerdings war dem Oberst durchaus klar, was der General mit seiner letzten Bemerkung gemeint hatte. Er wollte eigentlich nur eine Meldung hören, nämlich dass die beiden Agenten endlich gestellt und vernichtet, besser allerdings gefangen gesetzt waren. Entspannung war also nur bedingt möglich.

Auf jeden Fall war es wichtig, den General nicht noch mehr zu reizen.

 

Camelot – Eine kurze Visite

11. Januar 1291 NGZ

Port Arthur lag in tiefe Dunkelheit gehüllt.

Wieder einmal stand der Unsterbliche Homer G. Adams an seinem Panoramafenster, wieder einmal musste er sich eine Nacht um die Ohren schlagen.

Vor gerade zehn Minuten hatte er noch friedlich geschlafen, als ihn der Syntron sanft geweckt hatte.

»Eine Hyperfunknachricht«, meldete die freundliche Stimme, die Homer G. Adams sofort hellwach werden ließ. Was mochte diesmal passiert sein, fragte er sich, wieder ein Angriff auf eines der Büros?

Dennoch gab es einen Grund zur neuen Hoffnung. Gucky, Icho Tolot, Julian Tifflor und Mike Rhodan waren im November aus der Galaxis Puydor zurückgekehrt. Michael hatte den Einsatz jedoch nicht so gut überstanden.

Während Julian Tifflor auf Camelot geblieben war, hatten Gucky und Tolot Michael nach Mimas zur weiteren Behandlung gebracht.

Tolot und Gucky waren inzwischen nach Camelot zurückgekehrt. Sie erwarteten, wie auch Adams, die Rückkehr der SOL mit Perry Rhodan und Reginald Bull an Bord.

Die SOL war am 29. Dezember im Sonnensystem aufgetaucht und hatte nach Problemen mit SENECA und einem unfreiwilligen Rendezvous mit der Kosmischen Fabrik MATERIA nun Kurs auf Camelot genommen.

Julian Tifflor hatte sich auf seinen Bungalow am Strand zurückgezogen und verarbeitete alle Informationen der letzten Wochen.

Mit gemischten Gefühlen ließ er den Anruf durchstellen.

Freude durchzog ihn, als er die charakteristischen Gesichtszüge eines seiner ältesten Freunde erkannte. Der Unsterbliche sah sehr müde aus.

»Perry«, rief er aus.

»Hallo Homer.«

Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Freundes.

»Wo bist du, hast du gute Nachrichten mitgebracht?«

Homer hatte noch eine Menge mehr Fragen, allerdings hielt er diese vorerst zurück. Andere Dinge waren wichtiger, da hatten persönliche Gefühle keinen Platz. Wie eigentlich immer, wenn wir uns unterhalten, dachte der ehemalige Widder-Anführer.

»Ich fliege gerade Camelot an. Erwarte mich in zwei Stunden. Ich komme mit der SOL.«

Für einen Moment schwang Stolz in der Stimme des ehemaligen Großadministrators. Die Rückeroberung dieses legendären Raumschiffes hatte viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet, jetzt aber gehörte das Schiff wieder der Menschheit. Eigentlich dem Sechsten Boten von Thoregon, aber von diesen Dingen Adams am Hyperkom zu erzählen, hätte mehr als zwei Stunden gebraucht.

Mit einem knappen Nicken bestätigte Homer, dann erlosch der Bildschirm wieder. Die eigentliche Begrüßung musste verschoben werden.

Mit auf dem Rücken verschränkten Armen stellte Adams sich vor das Fenster und ließ seine Blicke über das nächtliche Port Arthur schwärmen. Bald würde er kommen. Bis dahin blieb ihm nur seine Ungeduld zu zügeln. Eine Kunst, die jeder der Unsterblichen im Laufe seines langen Lebens zu beherrschen gelernt hatte.

Adams' Augen lösten sich von den wenigen Lichtern, die die dunkle Stadt erhellten. Die Sterne standen am Himmel, es war eine schöne Nacht. Bald würde ein neuer Stern an diesem Himmel stehen. Die SOL war sicher mit dem bloßen Auge zu erkennen, wenn sie als neuer Mond Camelot umkreiste.

 

Urlaubsparadies

Tek Cyrus schwang sich aus dem Gleiter und ging auf die Tür des Bungalows zu. Das Haus war das einzige in der Gegend. Der Ertruser hatte sich extra ein Heim geben lassen, das weit entfernt von jeglicher Zivilisation lag. Einsamkeit war genau das, was er brauchte.

Das stimmte allerdings nicht ganz, die einzige Ausnahme bildete seine kleine Tochter. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er an seinen Augenstern dachte. Das Mädchen bereitete ihm viel Freude, auch wenn es ohne seine Mutter aufwachsen musste. Simone war gerade vier Jahre alt gewesen, als ihre Mutter nicht mehr zurückkehrte. Ein betrunkener Kreyter hatte sie mit seinem Gleiter im Tiefflug angefahren, die Sicherheitssysteme seines Gleiters waren überlistet worden und konnten den Zusammenprall nicht verhindern. Sie hatte noch gelebt, als sie in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Aber nicht einmal die moderne Medizin des 2. Jahrtausends neuer galaktischer Zeitrechnung hatten etwas an ihrem Tod ändern können.

Sein Lächeln erlosch, als er daran dachte. Versonnen öffnete er die Tür des Bungalows und betrat das Wohnzimmer, das direkt dahinter lag. Es war bereits dunkel, seine Tochter schlief sicher schon.

Drei Jahre war es nun her, aber der Ertruser hatte den Tod der geliebten Frau bisher nicht wirklich überwunden. Er lebte allein, versuchte, ein guter Vater zu sein. Seine Stellung als Leiter einer Energielieferstation auf Ertrus brachte ihm genug ein, um ein sicheres Leben und für seine Tochter einen gute Ausbildung zu gewährleisten, aber irgendetwas fehlte da. Seit drei Jahren änderte sich nichts an seiner inneren Einsamkeit, er wollte auch nichts daran ändern.

Niemand hätte ihm zugetraut, so leise sein zu können, aber der schwere Körper des Ertrusers bewegte sich absolut lautlos durch den Raum. Einen Stock höher warf er einen Blick in das Zimmer des Mädchens. Wie erwartet schlummerte es friedlich. Ein Plüschgucky ruhte in dem Arm seiner Tochter, den sie fest an sich presste. Ihr Gesichtsausdruck verhieß Ruhe und Frieden und brachte das Lächeln augenblicklich auf die Züge des Mannes zurück.

Leise schloss er die Tür und begab sich wieder nach unten. Er versank in dem Sessel und aktivierte mit einem kurzen Kommando den Nachrichtensyntron. Keine Mails waren eingegangen, er schaltete auf den Informationskanal von Holiday um.

Mit leiser Stimme verlangte er nach einem Bier, das ein Servoroboter auch prompt lieferte. Er ließ die Nachrichten an sich vorbei rieseln, ohne wirklich hinzuhören. Plötzlich richtete er sich aus seiner entspannten Haltung auf und nahm die Füße von Tisch. Ein großes Raumschiff war zu sehen, das dem Ertruser sehr wohl bekannt war, obwohl er es noch nie zuvor gesehen hatte. Die Geschichten um die SOL waren allerdings in der Galaxis immer noch sehr verbreitet, man berichtete sich wahre Wunderdinge von diesem gigantischen Schiff. Perry Rhodan hatte es für die Menschheit zurückerobert, es trug nun den Namen THOREGON SECHS. Sein Wert für die Menschheit würde sie allerdings erst noch unter Beweis stellen müssen.

Nach wenigen Augenblicken ließ er sich wieder zurücksinken. Mit leiser Stimme gab er den Befehl, den Monitor zu deaktivieren. Dann lehrte er den Rest seines Bieres mit einem Schluck und erhob sich.

Müde stieg er die Treppen wieder nach oben und erreichte sein Zimmer. Wenige Augenblicke später lag er schon im Bett und schlief sofort ein. Alles war in Ordnung, jedenfalls von Standpunkt des Urlaubers aus gesehen.

 

Der Absturz

Das künstliche Black Hole erlosch. Die Normalortung stellte die Umgebung des Schiffes dar, der Syntron erstatte Meldung.

»Holiday liegt vier Lichtjahre von uns entfernt. Ich berechne den neuen Kurs.«

»Verstanden«, reagierte Will.

Seine Augen waren bleischwer, er wurde langsam sehr müde. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm den Somer, der in einem der anderen Sessel saß und die Augen geschlossen hatte. Ein Verband zierte seinen Kopf. Das Wesen war in einen tiefen Schlummer gefallen.

Deans Augen suchten nach den Ortungen, die auf einem Monitor direkt vor ihn geschaltet waren. Nichts war dort zu sehen, allerdings war er sicher, dass sich das Ortungsbild der TOBRUK dort bald zeigen würde. Er konnte den Blick nicht von der Ortung nehmen, nur einen kurzen Blick warf er auf die Zeitansage, die die Zeit bis zum Wiedereintritt in den Halbraum anzeigte. Noch drei Minuten, verrieten die Zahlen.

Ein gewaltiges Orterecho ließ die Anzeigen ausschlagen. Ein großer Körper taucht in wenigen Lichtminuten Abstand aus dem Überraum zurück ins Normaluniversum. Diesmal sah es wirklich schlimm aus.

»Sam«, brüllte der Terraner.

Es tat ihm leid, den Somer wecken zu müssen. Das Wesen brauchte den Schlaf noch dringender als er selbst, aber wenn sie schon sterben sollten, dann sollten sie auch beide bewusst miterleben, was geschah. Das war er dem Kameraden schuldig.

Ein unwilliges Gurren verriet den Unmut des Wesens, als es sich aufrichtete.

»Sorry, dass ich Sie nicht mit der dritten Arie des ophalischen Kinderchors wecken kann, aber wir haben Probleme.«

»Die Oper Sonnenaufgang über Zaatur von Vogan Dool wäre ein passenderer Vergleich gewesen, Mister Dean! Ist die TOBRUK erneut aufgetaucht?«

Die Worte waren bedächtig gesprochen. Der Somer wirkte keineswegs aufgeregt, vielmehr müde und fast schon genervt von dem ständigen Katz und Maus Spiel mit dem Raumschiff der Mordred.

»Ja, Sir, die TOBRUK. Sie haben uns«, sprach der Terraner die Worte aus, die Sam sicher nicht hören wollte.

Eher erwartete er ein freudiges »Wir haben es geschafft«. Es tat dem Terraner weh, ihm diese Nachricht nicht bieten zu können.

»Zwei Minuten bis zum Übertritt.«

Der Syntron kannte kein Erbarmen.

»Wie lange noch, bis uns die TOBRUK erreicht hat?«

»Eine halbe Minute.«

Ein weiteres Katz und Maus Spiel, diesmal allerdings mit den schlechteren Karten für die beiden Agenten.

»Ausweichmanöver.«

Äußerlich blieb der Terraner sehr ruhig, was Sam zu schätzen wusste, wenn er es auch nicht nachvollziehen konnte.

Der Syntron übernahm die Steuerung und führte das Schiff in die Nähe eines Asteroidenfeldes, das mitten im Nichts lag. Mit einigen schnellen Manövern um kurvte er die kleinen Gesteinsbrocken, die TOBRUK verschwand im Schatten eines der Brocken und entzog sich einer direkten Ortung. Allerdings zeigte der Syntron nach wie vor ein Bild an, das die vermutete Position des Schiffes zeigte.

Bald schon erschien das Raumschiff wieder in ihrer Nähe. Der Syntron hatte Probleme, den Abstand konstant zu halten.

»Eine Minute«, verkündete die Stimme. »45 Sekunden bis zum Eintreffen der TOBRUK.«

Will verharrte in seinem Sessel, nur äußerlich Ruhe ausstrahlend. Die Space-Jet konnte nicht mehr weiter beschleunigen, ohne mit einem der Brocken zu kollidieren. Die TOBRUK flog einfach weiter, die kleinen Brocken verglühten in seinem Schirm.

»Die Geschwindigkeit ist viel zu niedrig.«

Besorgnis schwang in der Stimme des Somers.

»Wir werden es schaffen«, äußerte der Terraner wider besseres Wissen.

Erste Schüsse schlugen in der Nähe der Jet ein. Bis jetzt verglühten allerdings nur die Asteroiden im Feuer der TOBRUK. Wieder beschränkten sich die Angreifer auf den Einsatz von Impulsgeschützen und Desintegratoren. Für das kleine Schiff allerdings würden sie mehr als genug sein.

»Noch zwanzig Sekunden.«

Immer noch konnte nichts die Stimme des Syntrons ins Schwanken bringen, das wäre allerdings auch sehr verwunderlich gewesen.

Langsam zählte sie die Sekunden herunter.

Ein Treffer lies den Raumer leicht erzittern, die Belastung sprang sofort auf 98 Prozent. Noch ein Treffer und die Zukunft der beiden Agenten war besiedelt.

Ohne Vorwarnung löste der Terraner das Schiff aus der Steuerung des Syntrons. Er zwang die Jet in eine scharfe Kurve, umkreiste zwei der Asteroiden und übergab den Raumer dann wieder der Automatik. Zwei Sekunden später sprang der Antrieb an und riss die Jet in den Hyperraum. Beide Agenten hielten den Atem an, erwarteten jeden Augenblick ein Zurückfallen des Schiffes, aber nichts geschah. Die Geschwindigkeit der Jet war gefährlich niedrig gewesen. Es war gerade noch einmal gut gegangen.

»Wir erreichen den Orbit des Planeten Holiday«, verkündete der Syntron.

»Willkommen auf der schönsten Welt der Galaxis. Wir wünschen einen fröhlichen Aufenthalt.«

Will drehte sich grinsend in seinem Sessel um.

Sam schüttelte nur den Kopf, stieß dann auch ein meckerndes Lachen aus. Dieser Terraner verlor wohl nie seinen Humor.

»Einen Urlaub würde ich nicht verwehren, doch die Herren und Damen der Mordred werden ihn uns nicht gönnen«, erwiderte Sam. »Dieses Mal war es eine sehr knappe Flucht«, fügte er hinzu.

Will nickte. Fünf Sekunden später und das Schiff wäre – mitsamt den beiden Passagieren – nur eine verwehende Energiewolke im All gewesen. Hoffentlich ergab sich auf Holiday eine Möglichkeit, die Verfolger abzuschütteln.

 

Auf der Brücke der TOBRUK

Oberst Hanz Willoch hieb wütend auf die Armlehne, nur knapp einen roten Knopf verfehlend, der eine Breitseite der TOBRUK ausgelöst hätte. Schnell deaktivierte er alle Funktionen, die eine Katastrophe auslösen könnten. Das hätte gerade noch gefehlt, dass er durch einen solchen Fehler den Unmut des Generals auf sich gezogen hätte. Verstohlen warf er einen Blick auf die Tür zum Bereitschaftsraum des Generals, die immer noch geschlossen war.

Hier hätte sich für ihn eine Gelegenheit ergeben, sich auszuzeichnen. Leider war sie verstrichen. Willoch beherrschte sich mühsam.

Die TOBRUK war wieder hinter der Jet her, diesmal jedoch schien sich ein Ende der Verfolgung abzuzeichnen. Der Syntron hatte gemeldet, dass sich ganz in der Nähe ein Sonnensystem befand. Eine bekannte Urlaubswelt umkreiste die Sonne und es sah ganz so aus, als wäre dieser Planet das Ziel der Agenten. Auf Holiday hatten sie hoffentlich endlich die Gelegenheit, die Verfolgung zu einem Ende zu bringen. Blieb nur abzuwarten, ob eine Entscheidung gelingen würde, bevor die beiden Agenten einen Hyperfunkspruch nach Camelot auf den Weg bringen konnten.

Wenn das schiefging, konnte sich der Oberst an einem Finger abzählen, wie das Resultat seiner Bemühungen aussehen würde.

Wie hatte der General zu Beginn ihrer Jagd so schön gesagt? Ein einziges Urteil kam für Versagen in Frage. Und dieses Urteil würde das Leben des stellvertretenden Kommandanten beenden.

Besorgt lehnte er sich im Kommandosessel zurück. Die Zukunft sah ziemlich düster aus und damit meinte er nicht einmal die Zukunft der Mordred.

Er dachte nur an seine eigene Zukunft.

 

Camelot – Ein Unsterblicher kehrt Heim

Adams beobachtete den hellen Punkt, der im Orbit über Port Arthur erschienen war. Die SOL? Er drehte sich halb um und sprach seinen Syntron an.

»Ein Objekt mit einer Länge von 8.000 Metern ist in einen stationären Orbit über Camelot gegangen. Es handelt sich um ein Raumschiff. Die Kennung lautet THOREGON SECHS.«

Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen des Unsterblichen. Rhodan war endlich wieder da. Ein großer Teil der Verantwortung würde von ihm genommen werden. Er ließ sich die Anzeigen der Orter auf die Scheibe vor seinen Augen projizieren und verfolgte, wie sich die SOL aus ihrer Umlaufbahn löste und in einen Sinkflug überging. Ein Mythos war in die Galaxis zurückgekehrt und hatte einen anderen Mythos aus den Weiten des Alls zurückgebracht. Homer G. Adams fragte sich für einen Moment, wie lange Perry diesmal in seiner Heimat sein würde, bevor ihn das Fernweh und sein Verantwortungsgefühl wieder ins Universum hinausziehen würden.

Die Bahn des Schiffs näherte sich immer mehr dem Planeten. Schließlich verriet die Ortung, dass es auf dem Raumhafen niedergegangen war. Es war ein gewaltiger Anblick. Das goldene Hantelraumschiff schwebte langsam auf den fast zu klein wirkenden Landeplatz hinab und stützte sich mit den Antigravfeldern ab. Die SOL schimmerte in einem glorreichen Antlitz voller Pracht und zeigte den Stolz der Menschheit. Kein Schiff war wie die SOL. Sie war einzigartig. Sie gehörte zur Menschheit, nur sie war würdig das Flaggschiff des Erben des Universums zu sein.

Perry Rhodan war heimgekehrt und der Unsterbliche erwartete das Erscheinen des Freundes in seinem Büro. Versonnen blickte er auf die Lichter der Stadt, die jetzt, trotz der späten Stunde, mehr geworden waren. Viele Menschen hatten von der Heimkehr des Terraners gehört und waren von dieser Nachricht um ihren Schlaf gebracht worden. Trotzdem blieben sie in ihren Häusern, keiner der Menschen, die alle nur wegen der Organisation der Unsterblichen auf diesen Planeten gekommen waren, ging zum Raumhafen um den Freund und sechsten Boten zu begrüßen.

Auf den Straßen der Stadt blieb es sehr ruhig.

Die Zeit verging und Adams ließ sich einen Drink bringen. Langsam leerte er das Glas, immer noch durch das Fenster nach draußen schauend. Vor dem Gebäude landete jetzt ein Gleiter. Nicht mehr lange und er würde die Hand des Freundes schütteln können.

Ein Geräusch an der Tür ließ ihn innehalten. Langsam stellte er das Glas auf das schwebende Tablett neben sich, dann drehte er sich um.

Hochgewachsen, in einen blauen Raumanzug gehüllt, stand der Freund aus drei Jahrtausenden in der Tür des Raumes. Seine Augen hatten immer noch den gleichen Glanz, die Narbe an seiner Nase trat in diesem Moment deutlich hervor. Der Freund lächelte nicht als er Adams vor sich sah.

Mit bedächtigen Schritten näherte sich Adams seinem Schreibtisch, Rhodan kam ihm langsam entgegen. Nur noch ein Schritt trennte die beiden Männer. Wenige Augenblicke vergingen in Schweigen, dann streckte Perry die Hand aus. Adams ergriff sie und drückte sie fest.

Immer noch schweigend wies Adams auf den Sessel vor seinem Schreibtisch. Er selbst ließ sich schwer in seinen eigenen Stuhl fallen und lehnte sich für einen Moment zurück.

»Willkommen zu Hause«, sprach Adams die ersten Worte.

Rhodan nickte ernst, dann war die Begrüßung auch schon wieder zu Ende. Ein unspektakulärer Moment, bedachte man, wie lange der Freund unterwegs gewesen war und welche Abenteuer er in den Tiefen des Universums erlebt hatte.

Ohne auf Rhodans Schilderung seiner Erlebnisse zu warten, drückte Adams auf einen Knopf und ließ eine Grafik als Hologramm über seinem Schreibtisch entstehen. Dargestellt wurden die Verluste, die sie durch die Mordred erlitten hatten. Er kommentierte die Grafik nicht.

Dann ließ er sie wieder verschwinden. Das Bild wurde durch ein Neues ersetzt, das das Symbol der Mordred zeigte. Dann wurde ein kurzer Bericht über die Organisation abgespielt.

Gespannt beobachtete Adams das Gesicht seines Freundes, dem nicht die geringste Regung abzulesen war. Für einen Augenblick verschleierte Trauer den Blick des Terraners, als er das Ausmaß der Gefahr erkannte und die Zahl der Toten realisierte, dann wurde der Gesichtsausdruck des Freundes undurchdringlich.

»Du kommst damit alleine zurecht«, äußerte der Terraner.

»Wie?« Für einen Moment kennzeichnete Unverständnis das Gesicht von Adams, dann verstand er. »Wohin geht es diesmal?«

Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit, die Perry sehr wohl erkannte. Er ignorierte die Gefühle des Freundes. Jahrhunderte lang hatte Adams Erfahrungen sammeln können, er konnte mit der Situation leben. Er würde nicht lange brauchen, um seine deutlich sichtbare Enttäuschung zu überwinden und sich wieder seiner Verantwortung zu stellen.

Rhodan verzichtete darauf, ihn durch zusätzlich Worte zu ermutigen. Ein Adams brauchte das nicht.

»Ich vertraue dir vollkommen in dieser Angelegenheit.«

»Lass mich raten. Du gehst mal wieder das Universum retten, oder?«

»Dieser Zynismus steht dir nicht sehr gut, Homer. Ich habe meine Verantwortung, du hast die deine. Beide müssen wir damit leben. Ich werde auf die SOL zurückkehren, um nach MATERIA zu suchen. Tiff wird derweil mit Imperator Bostich verhandeln. Ich muss vor dem Galaktikum sprechen. MATERIA geht alle etwas an.«

Perry verstummte. Adams erkannte die Last, die auf den Schultern des Unsterblichen ruhte. Verständnis bahnte sich seinen Weg an die Oberfläche seines Bewusstseins, dennoch machte es sich Rhodan zu leicht.

»Ich werde versuchen, gegen die Mordred vorzugehen. Doch eines solltest du verstehen! MATERIA mag von kosmischer Gefährlichkeit sein, doch wenn die Mordred so weitermacht, wird MATERIA zu spät Unheil anrichten, weil dann bereits die Galaxis im Chaos steckt.«

Rhodan sah ihn vorwurfsvoll an.

»Es gibt noch etwas, was ich dir zeigen wollte, Perry«, meckerte Adams fast seinen Freund an.

Mit Wucht schlug er auf die Startleiste des Trivid. Die Gestalt des Silbernen Ritters wurde sichtbar. Seine Ansprache nach dem Angriff auf Olymps Camelotbüro wurde gezeigt, unterlegt mit Bildern aus Sverigor.

Rhodan stand auf und blickte dem Hologramm starr entgegen, als er den Namen Cauthon Despair hörte. Rhodan begriff schnell, dass Cauthon nicht gestorben war, doch irgendetwas war mit ihm passiert.

»Bleibt ihr noch eine Weile auf Camelot, oder werdet ihr sofort wieder verschwinden?« fragte Adams provozierend.

»Wir fliegen in ein paar Stunden. Doch vorher muss eine Konferenz einberufen werden. Folge mir in das Schiff und rufe die wichtigsten Leute zusammen, dann besprechen wir alles. Komm schon, einige Freunde erwarten dich schon.«

Zum ersten Mal seit Adams den Freund gesehen hatte, erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Die Augen lachten allerdings nicht mit. Diesmal war es anscheinend wirklich schlimm.

»Dich auch, dich auch!«, grinste Adams trotzdem.

Sie durften den Mut nicht verlieren.

*

Langsam erhoben sich beide Männer und verließen den Raum. Das Licht erlosch hinter den Männern. Die Dunkelheit dieser Nacht erfüllte den Raum. Wenige Minuten später erschien auf dem Orterbild, das immer noch auf dem Fenster lag, eine neue Bahn. Ein Schiff näherte sich dem Raumhafen von Port Arthur.

Perry Rhodan und Homer G. Adams waren unterwegs zur SOL. Nach langen Jahren würde Adams wieder seinen Fuß in das Schiff setzen, sich wieder mit SENECA unterhalten können. Dann würde wieder die Last seiner Aufgabe auf ihn warten.

Die SOL kam Adams viel gewaltiger vor als vor knapp 1.000 Jahren. Rhodan klärte seinen Freund darüber auf, dass Shabazza die SOL vergrößern ließ. Ebenso wurde das ehemals vorhandene Triebwerk durch ein Hypertakttriebwerk ersetzt und die Außenhaut mit einer Legierung bedeckt, die den ultimativen Stoff beinhaltete. Daher die goldene Farbe, die die SOL wahrlich wie eine Perle des Universums aussehen ließ.

Rhodan rief einen seiner Adjutanten auf Camelot an und bat ihn darum, einige persönliche Gegenstände in die Kabine auf die SOL kommen zu lassen. Er wollte sich heimisch auf dem Legendenschiff fühlen – wie damals, als er damit knapp 40 Jahre durch das Universum streifte.

 

Urlaubsidylle?

Tek Cyrus zog seine Tochter auf den breiten Schoß. Das Mädchen sträubte sich nur für einen Moment, aber dann ließ sie sich kichernd hochnehmen. Entspannt lehnte sie sich an den muskulösen Körper ihres Vaters.

»Daddy, wann kommen die Ritter?«

»Gleich, mein Engel«, meinte der große Mann gutmütig.

Er tätschelte sanft das Knie des Mädchens. Die Stärke des Tätschelns hätte jeden menschlichen Oberschenkel gebrochen, aber der Körper der kleinen Ertruserin konnte die zärtliche Berührung des Vaters auch als solche empfinden.

In diesem Moment kündigte ein Fanfarenstoß den Beginn des Schauspiels an. Als es wieder ruhig wurde, preschte ein schwarzes Ross in die Mitte der Arena und der böse Held des Schauspiels gab sich zu erkennen.

»Ich bin Mordred, Sohn von Morgana. Ich werde meinen Vater töten«, kündigte die Gestalt an.

Ihre Stimme klang dumpf unter dem Helm. Dann riss der Android sein robotisches Pferd herum und preschte wieder aus der Arena.

Ein weißes Pferd erschien, es gehörte Artus, dem König der Briten. Dann erschien Lanzelot, und so stellten sich nach und nach die Figuren des Schauspiels vor.

Simone Cyrus klatschte begeistert und bejubelte die Helden des Stückes. Bei den Bösewichtern beschränkte sie sich auf ein wütendes Pfeifen. Sie begleitete so die Vorstellung mit einer mächtigen Geräuschkulisse, die sogar einige der Nachbarn, die doch eigentlich an Ertruser gewöhnt sein sollten, zu einem erstaunten Seitenblick veranlasste.

Vor den Augen der beiden Urlauber spielte sich eine bunte Geschichte ab, von einem König, der seine Legitimation offensichtlich aus der Tatsache bezog, dass er ein Schwert aus einem Stein gezogen hatte.

Jeder Ertruser hätte das mit dem kleinen Finger gemacht, dachte Cyrus.

König Artus suchte sich dann erst einmal eine Frau und anschließend noch eine Horde von Spießgesellen, die er als Ritter der Tafelrunde um sich versammelte. Die ganze Bande siedelte sich in einem Schloss namens Camelot an, und genau da begann das Schauspiel, den Ertruser zu interessieren.

Camelot? Saßen da nicht diese Unsterblichen unter der Führung Perry Rhodans? Gespannt beugte sich der Ertruser vor, nachdem er seine Tochter auf den Sitz neben sich platziert hatte.

Offensichtlich begann dieser König eine Affäre mit einer Hexe namens Morgana und war so der Erzeuger seines schlimmsten Widersachers, Mordred. Gleichzeitig begann die Königin eine Affäre mit einem der Ritter, einem gewissen Lanzelot.

Was für ein Unsinn, dachte der Ertruser. Mit solchen Seitensprüngen kann man doch heute niemanden mehr schockieren.

Am Ende jedenfalls konnte Artus seinen Widersacher in einer gewaltigen Schlacht besiegen. Er selbst wurde in dieser Schlacht tödlich verletzt und ließ daraufhin sein bestes Schwert in einem See versenken, wo es von einer geisterhaften weißen Hand aufgefangen wurde.

Dann kamen einige merkwürdige Gesellen, schafften den König auf ein Boot und schifften mit ihm davon. Angeblich wollten sie ihn an einen Ort namens Avalon bringen, allerdings wusste keiner, wo er lag. Das galt allerdings auch für Camelot, den Planeten der Unsterblichen. Gab es da irgendwelche Parallelen?

Als das Boot mit dem heldenhaften König im Nebel verschwand und in der Arena nur noch blutüberströmte Androiden zurückblieben, begannen sich die ersten Besucher zu erheben. Nur wenige Augenblicke danach erhoben sich die scheinbar toten Androiden und verließen die Arena.

Simone saß immer noch auf ihrem Platz und applaudierte heftig.

»Komm«, meinte der Ertruser. »Fliegen wir ein bisschen in der Natur herum.«

Seine Tochter schaute nicht sehr begeistert. Offensichtlich wollte sie eher noch einmal ein solches Schauspiel erleben. Aber sie erhob sich wortlos und verließ an der Hand ihres Vaters die Arena, deren Sand von Maschinen vollautomatisch geglättet wurde. Eine weitere Aufführung der Artus-Sage wurde vorbereitet.

Die beiden Ertruser verließen die Arena und betraten den Gleiter-Parkplatz. Ein Android fragte sie nach dem Gleiter, den sie mitgebracht hatten und forderte das Gefährt dann von einem nahegelegenen unterirdischen Großparkplatz an. Nur wenige Augenblicke dauerte es, dann senkte sich ihr Gefährt vor ihnen nieder, ein weiterer Android stieg aus und übergab ihnen den Schlüssel. Schweigend nickte der Ertruser, setzte seine Tochter in den Gleiter und sank dann selbst auf den Fahrersitz.

Der Gleiter hob sich auf das Prallfeldkissen und verließ den Schauplatz, der Teil eines größeren Komplexes war, in dem noch weitere solcher abenteuerlicher Stücke aufgeführt wurden, aber auch bekannte Theaterstücke wurden dort von Androiden vorgespielt und antike Filme aus der Frühzeit terranischen Filmschaffens konnte man dort auch sehen.

Der Ertruser lenkte den Gleiter aus dem Stadtgebiet und fuhr in Richtung einiger künstlicher Landschaften, die allerdings sehr natürlich aussahen. Ein riesiger Garten mit Pflanzen aus allen Teilen der Galaxis erwartete sie. Der Ertruser steuerte den Gleiter unter die ersten Bäume.

 

Die SOL

Die SOL hatte inzwischen wieder abgehoben und lag im Orbit Phönix'. Adams stand in der Zentrale und schaute auf den Planeten Camelot, der groß auf dem Zentralbildschirm des Schiffes dargestellt wurde.

»Hallo SENECA«, flüsterte er. »Erkennst du mich noch, oder hast du mich in all den Jahren vergessen?«

Natürlich konnte der Computer so etwas nicht so einfach vergessen, das war auch dem Unsterblichen klar. Aber er wollte eine bestimmte Reaktion provozieren und die Recheneinheit tat ihm auch den Gefallen.

»Das wüsste ich aber«, äußerte SENECA pikiert.

Wenn die Maschine ein Gesicht gehabt hätte, dann hätte sie sicher die rechte Augenbraue nach oben gezogen und äußerst missbilligend geschaut.

Adams grinste zufrieden und gab sich dann für einige Augenblicke seinen sentimentalen Gefühlen hin. Der Unsterbliche erinnerte sich, wie er nur wenige Momente zuvor das Schiff nach so langer Zeit wieder betreten hatte. Seine Freunde, allen voran Reginald Bull, hatten ihn schon erwartet, und die Wiedersehensfreude war groß gewesen.

Aber auch Gucky und Icho Tolot waren an Bord. Schnell hatten auch Julian Tifflor, Joak Cascal, Sandal Tolk und Aurec die SOL erreicht. Besonders Cascal, Tolk und Aurec zeigten sich vom Legendenschiff beeindruckt.

Rhodan wäre beinahe umgefallen, als er den Veteran des Solaren Imperiums vor sich sah. Erst das tiefe Freudenknurren von Sandal Tolk warf ihm aus seinem Zustand. Bull machte den ersten Schritt und umarmte Cascal.

»Wer hätte das gedacht? Wie bist du denn hierhergekommen? Keiner konnte eine bessere Mischung Vurguzz-Wodka als Cascal machen!«, grinste Bull breit.

»Alter Säufer, reicht dir dein Bierbauch nicht schon?«, hänselte Gucky seinen alten Freund.

Cascal und Tolk erzählten in Stichworten von ihrer Geschichte. Während Rhodan den beiden lauschte, bemerkte er auch den Saggittonen. Mit einem herzlichen Lächeln trat er seinem Freund aus M 64 entgegen und drückte ihn.

»Ich bin froh, dich wiederzusehen, mein Freund Aurec«, sprach er gerührt.

Trotz all der Sorgen, um MATERIA, die Mordred, Shabazza, Torr Samaho und auch dem Gesundheitszustand seines Sohnes fühlte sich Rhodan für ein paar Momente zufrieden, erleichtert und optimistisch. Es waren seine Freunde, die ihm Mut gaben.

Mit solchen Gefährten kann mir nichts passieren, dachte er still.

Jetzt stand der Mann mit dem schütteren Haar nur einfach stumm in der Zentrale und lauschte der munteren Konversation seiner Freunde. Währenddessen erzählte SENECA Adams jede Einzelheit der Abenteuer in DaGlausch. Es schien, als haben die neuen Besitzer zeitweilig einen anderen Rechner installiert, jedenfalls konnte sich SENECA nicht an alles erinnern. Vielleicht wollte er auch einfach nicht.

Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren. Aurec sah sich begeistert auf der SOL um. Er ging quer durch die gewaltige Kommandozentrale des Mittelteils und machte eine beeindruckte Geste.

»Was für ein Raumschiff«, schwärmte er. »Mit dem werden wir die Mordred sicher bald besiegt haben.«

Adams senkte für einen Moment den Blick. »Hast du ihm noch nicht gesagt...«

Der Blick, den er Rhodan zuwarf, konnte man nur als vorwurfsvoll bezeichnen. »Nein, ich habe ihn bisher nur begrüßt. Wir haben uns lange nicht gesehen.«

Dann wandte er sich dem Freund zu. »Kommt bitte in den Besprechungsraum. Wir müssen uns schnell einiges einfallen lassen...«

Zuerst schilderten Rhodan und Bully die Ereignisse in DaGlausch und erklärten die Zusammenhänge zwischen Thoregon, MATERIA und dem Feind der Koalition und Menschheit Shabazza.

Gucky, Tifflor und Tolot berichteten von – im Gegensatz zu den anderen Abenteuern – relativ harmlosen Mission in Puydor und der Vernichtung Jii'Nevevers. Adams, Aurec, Cascal und Tolk waren die Erzählungen bereits bekannt, denn die beiden relativ Unsterblichen waren schon im November mit Michael Rhodan nach Camelot zurückgekehrt. Nachdem es den camelotischen Medizinern nicht gelungen war, den Sohn Rhodans erfolgreich zu behandeln, waren sie nach Mimas aufgebrochen. Nachdem sie von der Rückkehr der SOL erfahren hatten, waren sie mit einer Space-Jet nach Phoenix geflogen. Ob sich Michael Rhodan wieder komplett erholen würde, stand in den Sternen.

Zuletzt hielt Adams ein trauriges Dossier über die Attacken der Mordred.

Rhodan und Bull hörten lange zu. Reginalds Kopf lief rot an, als er die Bilder von der Zerstörung Sverigors sah. Rhodan war über die Zerstörung Sverigors entsetzt. Doch ebenso war er traurig und schockiert über den Hass der Sverigen und dem Plan der Korrektheitsbehörde, die gesamte Menschheit auszulöschen. Was war nur geschehen? Woher stammte plötzlich all diese Verachtung für Andersdenkende? Hatte Perry seine Terraner und die gesamte Milchstraße zu sehr vernachlässigt? War das Exil auf Camelot vielleicht doch verkehrt gewesen? Durfte er sich der Regierungsverantwortung seiner Menschheit wirklich dauerhaft entziehen, denn sie schien nicht so emanzipiert zu sein, wie er es sich erhofft hatte. Quälende Fragen, deren Antworten warten mussten. Jetzt galt es erst einmal die Gefahren irgendwie zu beseitigen.

»Wir sollten MATERIA erst einmal links liegen lassen und diesen Bastarden in den Hintern treten!«, meinte Bully zu den anderen.

»MATERIA ist die größere Gefahr, Bully. Die SOL kann sich nicht darum kümmern...«, erklang Rhodans Stimme wehmütig.

Es entbrannte eine Diskussion. Schließlich zuckten alle zusammen, als eine laute Stimme um Ruhe bat. Es war der Haluter Icho Tolot, der bis jetzt still der Konferenz gefolgt war.

»Beide Gefahren sind nicht zu unterschätzen, Freunde!«, sprach er eindringlich.

Seine drei rot leuchtenden Augen blickten über die Runde.

»Wir müssen unsere Aktionen koordinieren und uns nicht nur stur auf eine Sache konzentrieren. Wir müssen geballt gegen die Mordred und MATERIA vorgehen können. Aber im Moment müssen wir auf den nächsten Schritt der Mordred warten. Bis dahin sollten wir aber auch keine Zeit vergeuden und uns um MATERIA kümmern.«

Es lag viel Wahrheit in Tolots Worten.

»MATERIA hat Priorität. Sie kann mehr Unheil anrichten.«, sagte Rhodan.

Icho Tolot lenkte auf ein anderes Thema.

»Mein Volk scheint etwas zu planen. Was es genau ist, kann ich nicht sagen, aber ich bin mir sicher, dass die Haluter uns helfen werden«, erklärte der Gigant ruhig.

»Ich erwarte einige schlagkräftige Raumschiff meines Volkes in wenigen Tagen. 200 Raumschiffe sind vor einem Monat bereits eingetroffen und sichern Camelot«, erklärte Aurec.

»Wir haben durch die Chearth-Expedition bereits viele fähige Agenten abgeben müssen«, murmelte Adams, der um die Sicherheit Camelots besorgt war.

»Wir brauchen noch mehr für die SOL, Homer. Das besprechen wir nachher«, sagte Rhodan leise.

Adams verstand, erwiderte darauf allerdings nichts.

Aurec erklärte, dass die LFT sich jedoch quer stellte, was den Schutz ihrer Welten anging, auf denen sich Camelotbüros befanden. Sie wollten nicht, dass Raumschiffe eines fremden Sternenreiches dort patrouillierten. So beschränkte sich derzeit der Schutz der Saggittonen auf Camelot. Jedoch reichte dies mit Sicherheit aus, um Phönix vor einem Angriff der Mordred zu schützen. Sie wussten, dass die Mordred zwar über kampfkräftige Superschlachtschiffe verfügte, die jedoch zahlenmäßig einer Raumflotte der Saggittonen unterlegen waren.

Julian Tifflor meldete sich zu Wort.

»Perry hat mir die Ehre zuteil kommen lassen, Sprecher Camelots im Galaktikum zu werden. Ich werde mich mit Bostich in Verbindung setzen und um eine Rede Perrys in wenigen Tagen bitten. Die Probleme gehen die ganze Galaxis etwas an.«

Rhodan nickte knapp.

»Also gut, wir behandeln MATERIA vordringlich! Daran gibt es keinen Zweifel. Ich werde alle Kraft auf MATERIA konzentrieren... solange die Mordred nicht eine Großoffensive startet oder Systeme bedroht. Ich werde nicht zusehen, wie die Milchstraße von außen durch MATERIA oder von innen durch die Mordred vernichtet wird!«

Die Worte Rhodans klangen entschlossen. Es gab nichts hinzuzufügen. Die Ereignisse überschlugen sich in den letzten Tagen, daher musste man schnell handeln. Alle Beteiligten einigten sich auf diesen Kompromiss.

Cascal und Tolk wurden eingeteilt, um Sam zu suchen, währenddessen es Aurecs Aufgabe war, für die Sicherheit Camelots zu sorgen. Rhodan störte es nicht, dass die Verantwortung in den Händen einer Macht aus einer anderen Galaxie lag. Er vertraute Aurec und den Saggittonen.

 

Willkommen auf Holiday

Die Space Jet taumelte bedenklich, als sie – ganz in der Nähe der Atmosphäre des Planeten Holiday – aus dem Überraum stürzte. Mittlerweile waren noch ganz andere Maschinen ausgefallen und der Zustand des Gefährts war nur noch als bedenklich zu bezeichnen.

Will Dean machte auch keine großen Umstände, er sendete einfach mit den nicht sehr leistungsfähigen Anlagen der Anzüge, die immerhin auf kurze Entfernungen zuverlässig funktionierten, Notrufe auf allen Frequenzen ab. Das Schiff tat sowieso, was es wollte, es näherte sich der Atmosphäre des Planeten in einem viel zu steilen Winkel. Wahrscheinlich würde das Schiff explodieren, bevor sie überhaupt in der Atmosphäre waren.

»Wir müssen das Schiff verlassen. Hoffentlich reichten die Anlagen der Schutzanzüge, um uns sicher auf den Planeten zu bringen. Darf ich bitten, Sam? Es pressiert ein wenig.«

Er stieß den Somer aus dem Sessel, in dem dieser wie angewachsen gesessen hatte.

»Finden Sie nicht, es gibt einen zivilisierteren Weg, als mit einem Raumanzug über einen Planeten abzuspringen?«

Sam war offenbar sichtlich unwohl bei dem Gedanken.

Wortlos packte Dean den Somer, aktivierte den Antigrav seines Anzugs und schob ihn einfach wie ein Frachtstück vor sich her.

»Ich protestiere!«, zwitscherte der Somer.

Dean seufzte.

»Pikosyn von Serun II«, sagte Dean zur Rechnereinheit des Raumanzuges, der aus einem elastischen Material bestand, welches sich der Größe und Form anderer humanoider Wesen anpassen konnte.

»Unterhaltungsprogramm aktivieren. Klassik. Beethoven.«

Aus den Lautsprechern der internen Kommunikationsanlage donnerte nun Beethovens Fünfte.

»Nein, nein, nein«, murmelte Sam. »Pikosyn, etwas beruhigenderes. Ein ophalischer Gesang.«

Dean verdrehte die Augen. Er zählte die Sekunden. Sie hatten ja alle Zeit der Welt…

»Nicht im Speicher enthalten«, bekam der Somer als Antwort.

»Hm«, machte Sam.

»Bei allem Respekt, Herr Diplomat. Wir stürzen ab. Entscheiden Sie sich bitte jetzt«, rief Will ungehalten.

»Also gut, Ave Maria von Schubert. Das ist schön sanft.«

Der Pikosyn spielte die Musik. Der Gesang der weiblichen Stimme, untermalt von einem Klavier schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Sam wirkte beruhigte.

Sie erreichten die Schleuse. Will wies den Syntron an, den unteren Ausstieg zu öffnen. Nach der üblichen Warnung, das Schiff befinde sich noch im Raum und man möge doch bitte die Anzüge schließen, bequemte sich der Syntron endlich, das Außenschott aufgleiten zu lassen. Der Sauerstoff entwich sofort. Mit ihm verließen die beiden Wesen das Schiff.

Sam gab keinen Ton mehr von sich, er taumelte einfach durch die Schwerelosigkeit des Raumes.

Das einzige, was Dean und der Somer vernahm war die wohlige Stimme der Sängerin, die ihr Ave Maria sang. So schwebten sie eine kurze Weile friedvoll im Orbit, ehe es in Richtung Atmosphäre ging.

»Piko, aktiviere den Antrieb und bring uns in die Atmosphäre von Holiday«, befahl der TLD-Agent und registrierte, wie sich die Anzüge in Bewegung setzten. Er steuerte neben dem Somer.

Gemeinsam steuerten sie auf den Planeten zu, von dem sich die ersten Raumschiffe lösten.

Die Musik wechselte auf ein weiteres beruhigenderes Stück Abigail’s Song, einem Filmmusikstück einer Serie über einen zeitreisenden Außerirdischen, der inzwischen von 212 Schauspielern verkörpert wurde und unzählige Folgen aufwies.

»Wahrlich ein erhabener Anblick, Mister Dean«, sprach Sam ruhig, als er den Planeten betrachtete, die aufsteigenden Raumschiffe sah und sie der Welt kontrolliert immer näher kamen.

 

 

Holiday war eine Urlaubswelt, daher waren hier keine Kriegsschiffe stationiert. Einige Space-Jets verließen die Oberfläche der Welt, um zu versuchen, das Raumschiff abzufangen. Dean ignorierte die Versuche der Besatzungen einfach, er hatte genug damit zu tun, die Anzüge zu stabilisieren.

Die Atmosphäre wurde erreicht, die sich steigernde Hitze der Reibungsenergie von den Anzügen ausgeglichen. Fasziniert beobachtete Dean den Effekt, der immer dann entstand, wenn man in eine Atmosphäre eintrat. Das Nachtdunkel des Himmels wurde nach und nach durch die Helligkeit eines richtigen Himmels ersetzt, wohl der schönste Moment jeden Starts und jeder Landung. Obwohl die schützende Hülle eines Schiffes diesmal fehlte und die Kräfte der Natur wesentlich unmittelbarer an den Gestalten rüttelten, konnte der Agent die Augenblicke des Eintritts in die Atmosphäre von Holiday trotzdem genießen.

Will Dean war schon immer ein Mensch gewesen, den Gefahren nicht schrecken konnten. Jauchzend fiel er der Oberfläche des Planeten entgegen.

Da fiel der Antrieb am Anzug des Somers aus. Dean hörte einen lauten Seufzer in seinem Kopfhörer und sah, wie der Körper des Freundes schneller zu fallen begann.

»Ich nehme an, das ist nicht planmäßig?«

»Nein, Sam, das ist es nicht. Ganz ruhig. Schön dem Liedchen zuhören.«

»Ihre… Ihre Zuversicht möchte ich haben!«

Glücklicherweise waren beide Körper inzwischen so langsam, dass sie von der Reibung nicht mehr zerstört werden konnten. Trotzdem schwebte der Somer in höchster Gefahr, die Oberfläche kam rapide näher.

Dean schaute dem Freund entsetzt hinterher.

 

Ausflug in die Natur

Cyrus steuerte den Gleiter durch die üppig blühende Natur. Die künstlichen Gärten waren eine besondere Attraktion, allerdings waren sie um diese Zeit nicht sehr gut besucht.

Langsam ließ er den Gleiter über die schmalen Wege gleiten und ließ die Pflanzen einfach auf sich wirken. Ein Überschallknall ließ ihn für einen Moment aus seiner Beschaulichkeit hochschrecken, aber es blieb bei dem einen Knall, und so entschloss er sich, ihn zu ignorieren.

Er schloss die Augen und atmete tief ein. Die Gerüche betäubten ihn fast. Akazien von der Erde standen da, ein Rhododendron stand auch dazwischen. Ein Bild seiner Frau entstand in seinem Kopf. In solchen Momenten kamen ihm immer wieder sentimentale Gefühle in die Quere. Er sollte eigentlich endlich den Schmerz abgeschüttelt haben, aber immer wieder musste er erkennen, dass der Weg dahin doch noch sehr weit war.

So ließ er sich für einige Minuten dahin treiben. Aber dann wurde die Idylle des Augenblicks jäh gestört.

 

Absturz

Nur für eine Sekunde gab sich der Agent seinem Schrecken hin, aber diese Sekunde war fast schon zu lang. Dann schlug seine Hand auf die Kontrolle des Rückenantriebs, er richtete seinen Kopf nach unten und folgte dem Freund.

»Pikosyn, was ist los?«

»Ausfall sowohl des Antriebs als auch des Antigravs. Systemversagen.« Der Syntron verstummte angesichts der Ausweglosigkeit der Situation. Auch die Musik hörte auf zu spielen.

»Jetzt haben wir echte Probleme«, murmelte Dean. Sam schwieg.

Will gab nicht auf, er schoss hinter dem Somer her, der immer schneller wurde. Ein Blick auf den Höhenmesser, der auf die Innenscheibe seines Helmes gespiegelt wurde, verriet ihm, dass nur noch 2.000 Meter fehlten, bis er auf den Boden aufschlagen würde.

Noch zwanzig Meter fehlten zu Sruel Allok Mok. Er beschleunigte noch einmal stark, erreichte den Körper des Somers, der bewusstlos zu sein schien und synchronisierte seine Bewegungen. Dann schloss er die Arme um den Somer.

Nun durfte er nicht zu schnell abbremsen, sonst würde ihm der Körper des Freundes wieder aus den Armen gerissen.

»Syntron«, keuchte er. »Bremse uns so vorsichtig ab, dass ich den Halt nicht verliere. Mach schon!«

Diesen letzten Hinweis hätte er sich sparen können. In seinem Helm erschien eine weitere gespiegelte Anzeige, die ihre Geschwindigkeit anzeigte. Langsam, fast quälend, wurden sie immer langsamer. Der Boden kam beständig näher, der Somer konnte schon Einzelheiten erkennen. Unter ihnen waren viele Pflanzen.

Für einen Augenblick schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass viele dieser Pflanzen auf Holiday nichts zu suchen hatten, aber dann machte er sich doch wieder Sorgen, ob sie es schaffen würden. Er traute sich nicht, den Syntron zu fragen. Die Recheneinheit gab allerdings auch keine Warnung von sich, also würden sie es wahrscheinlich schaffen.

Ein Gleiter tauchte unter ihnen auf.

Will Dean konnte verschwommen zwei Gestalten darin erkennen, aber er hatte keine Zeit, näher hinzuschauen. Mittlerweile hatten sie es fast geschafft. Aber sie waren immer noch sehr schnell.

»Achtung, Aufprall in drei Sekunden ab jetzt...«

Der Syntron war erbarmungslos, als...

 

Die Rettung

...der Aufschlag erfolgte. Der Somer rutschte aus der Hand des Terraners, Dean kugelte von der weichen Oberfläche, auf der sie gelandet waren, und fand sich zwischen den Sitzen des Gleiter wieder.

Glücklicherweise hatte der Absturz auf der Rückbank des Gleiters geendet, den Will Dean gesehen hatte. Das weiche Polster hatte den harten Aufprall abgefangen, auch das Prallfeld des Gleiters hatte dafür gesorgt, dass die Landung nicht ganz so hart ausgefallen war.

Stöhnend richtete sich der Terraner auf, als er eine große Hand in seinem Nacken verspürte.

»Was ist denn das?«

Die Stimme hörte sich verwundert an, weniger erschrocken.

Der harte Griff tat dem Terraner weh, aber er hatte nicht die Kraft, sich zu wehren. Der Mann hatte die Kraft eines Ertrusers. Ein erster Blick auf die fast quadratische Gestalt des Mannes zeigte dem Terraner, dass er es auch mit einem solchen zu tun hatte. Auch das kleine Mädchen auf dem Beifahrersitz hätte ihn ohne weiteres vom Boden der Rückbank hochheben können.

»Hilf uns. Wir sind abgestürzt.«

»Ich informiere die Behörden«, meinte der Ertruser.

»Nein!«

Will Dean hielt die Hand des Mannes fest. Wenn der Ertruser nicht freundlicherweise stillgehalten hätte, dann wäre er über die Rückenlehne der Vordersitze geschleudert worden.

»Warum nicht?«

»Nun, das ist etwas kompliziert. Zuerst einmal sollten wir von hier verschwinden.«

»Erst einmal erzählt ihr mir eine Geschichte. Was habt ihr gegen die Behörden?«

»Nun, eigentlich nichts. Aber sie arbeiten vielleicht mit der Mordred zusammen, das wäre unser Ende. Frag nicht, flieg' einfach los. Bring' uns doch bitte von hier weg.«

»Na gut.«

Der Gleiter beschleunigte, die Pflanzen huschten an dem Gefährt vorbei.

»Mein Name ist übrigens Tek Cyrus. Ich mache hier eigentlich Urlaub.«

»Will Dean. In geheimer Mission, aber da inzwischen sowieso jeder Bescheid weiß, kann ich dir auch gleich davon erzählen. Ich arbeite für den TLD.«

»Der Dienst? Was will denn der auf Holiday? Sicher keinen Urlaub machen, oder?«

Der Ertruser brach in brüllendes Gelächter aus. Dean grinste, der Mann war ganz nach seinem Geschmack.

»Nein, Urlaub kann man das nicht nennen. Da du uns schon hilfst, werde ich dir was erzählen. Wir werden von einem Raumschiff verfolgt, das einer Organisation namens Mordred gehört. Diese Organisation hat die Absicht, die Unsterblichen zu vernichten, den Planeten Camelot zu finden und die Bewohner zu töten. Im Augenblick haben sie sich auf uns eingeschossen.«

Der Terraner brach ab, als er erkannte, dass er gerade dabei war, alles auszuplaudern. Schließlich kannte er den Ertruser nicht, ebenso gut konnte er selbst zu Mordred gehören. Aber dann hätte er sie wahrscheinlich schon umgebracht. Er zögerte einen Augenblick, dann entschloss er sich allerdings, dem Ertruser doch Vertrauen entgegenzubringen.

Cyrus aktivierte einen kleinen Syntron und stellte die Nachrichten ein. Berichte wurden verlesen, die den Terraner allerdings nicht interessierten. Dann allerdings horchte er auf.

»...zu einem Unfall im All gekommen. Eine Space-Jet ist dort havariert, die Besatzung rief über Funk um Hilfe. Einheiten der planetaren Raumüberwachung konnten den Absturz der Jet verhindern. Von der Besatzung fehlt jede Spur. Offensichtlich hat sie den Planeten erreicht. Falls jemand aus der Bevölkerung die Insassen gesehen hat, soll er sich bei den Behörden melden. Die Jet wurde sichergestellt und zum Raumhafen gebracht.«

Das Schiff war also noch verfügbar. Dean speicherte die Information, dann konzentrierte er sich wieder auf den Ertruser.

»Du willst uns doch hoffentlich nicht verraten?«

»Eigentlich sollte ich es tun. Aber ich werde euch helfen. Ich halte meine Versprechen.«

Dean glaubte ihm merkwürdigerweise immer noch, obwohl er einem Unbekannten sonst nicht so schnell vertraute. Aber seine Instinkte sagten ihm, dass er Cyrus nicht fürchten musste. Der Terraner hatte gelernt, seinen Instinkten zu vertrauen.

Endlich konnte er sich auch um Sam kümmern. Er öffnete den Helm und ermöglichte dem Vogelwesen aus Siom Som etwas frische Luft zu atmen. Der Pikosyn war vermutlich komplett dahin.

»Bedauerlich, er spielte zumindest exquisite Musik«, meinte Sam gelassen.

Dean seufzte und warf den Helm in den Laderaum. Sie konnten ihn vermutlich sowieso nicht mehr gebrauchen.

 

Oberst Willoch

»Verdammt, die waren schon wieder entkommen.«

Wütend ballte der Oberst die Fäuste. Ein Seitenblick auf die Tür verriet, dass der General immer noch nicht die Absicht hatte, sie zu beehren. Sie hatten das Erreichen von Holiday gemeldet, aber der General hatte nur knurrend bestätigt und dann befohlen, nicht mehr gestört zu werden.

»Findet diese Kerle!«

Willoch verhielt sich schon genauso unfreundlich wie sein Vorgesetzter, aber er konnte es nicht ändern. Im Augenblick stand er derart unter Druck, er würde die beiden Agenten mit Freuden erwürgen, wenn er es könnte.

»Sie sind auf dem Planeten gelandet«, meinte einer der Ortungsoffiziere melden zu müssen.

»Ich weiß, verdammt. Schickt einige unsere Außenagenten los. Es muss doch eine Möglichkeit geben, die beiden zu finden.«

Wortlos wandte sich der Orter wieder seiner Anlage zu, während die Funker mit dem Planeten Kontakt aufnahmen. Verschlüsselte Nachrichten wurden auf den Planeten geschickt.

Hoffentlich änderte sich bald etwas an dieser Situation. Lange würde der General sicher keine Geduld mehr haben. Verstohlen äugte der Oberst zur Tür. Sie rührte sich immer noch nicht.

 

Flucht

Agenten trafen sich, versuchten, den Landeort der feindlichen Agenten ausfindig zu machen. Besonders schwierig war das nicht, sie zogen einfach eine Linie von dem gesicherten Raumschiff bis zur Oberfläche des Planeten. Aber als Agenten in dem künstlichen Garten angekommen waren, konnten sie niemanden finden. Die Suche begann.

»Bring uns zum Raumhafen!«, forderte Will Dean.

»Warum?«

»Unser Schiff steht dort. Wir werden es uns zurückholen. Dann setzen wir unsere Flucht fort. Ach ja, ein Hyperfunkgerät könnten wir auch noch brauchen. Unseres wurde bei der Flucht leider zerstört.«

»Ich habe eines in meiner Unterkunft. Ich werde es euch geben.«

Cyrus begann, Spaß an der ganzen Situation zu haben.

Endlich einmal ein Abenteuer und ich bin nicht nur Zuschauer in einem Film, sondern daran beteiligt, dachte er. Außerdem, wenn es gegen die Mordred geht...

Cyrus hatte das Theaterstück noch sehr gut in Erinnerung.

Er steuerte seinen Gleiter in Richtung seines Ferienhauses und brachte erst einmal seine Tochter darin in Sicherheit, dann suchte er nach der Hyperfunkanlage. Er übergab die Anlage und verließ dann mit den beiden Agenten sein Haus.

*

Die Agenten der Mordred hatten unterdessen die Kontrolle der Gleiterüberwachung angezapft und beschafften sich Informationen über die Gleiter, die zum fraglichen Zeitpunkt in dem künstlichen Garten gewesen waren. Genauere Auswertungen reduzierten den Kreis der Verdächtigen, bis nur noch ein Gleiter übrig blieb, der in der Nähe der vermuteten Absturzstelle zu finden war.

Oberst Willoch rieb sich zufrieden die Hände. Er koordinierte die Aktionen der Agenten auf der Oberfläche von der Brücke der TOBRUK aus. Auf seinem Bildschirm erschien der Name eines Mannes, auf den der fragliche Mietgleiter zugelassen war.

»Tek Cyrus, Heimatwelt Ertrus«, stand da zu lesen. Außerdem die Adresse eines Miethauses, in dem der Ertruser, zusammen mit seiner Tochter, abgestiegen war.

»Schnappt ihn euch und bringt mir die Agenten«, funkte der Oberst nach Holiday.

Die Agenten der Mordred machten sich auf den Weg.

In dem Haus fanden sie allerdings keinen der Gesuchten. Nur die Tochter war dort, die aber von den Agenten unbehelligt blieb. Einige der Agenten wurden abgestellt, um das Haus zu überwachen. Falls die Gesuchten zurückkehrten, würde sofort Alarm gegeben werden.

Nach dem Gleiter wurde eine planetenweite Fahndung ausgegeben, die sehr schnell von Erfolg gekrönt war. Der Gleiter befand sich auf dem Weg in die Hauptstadt des Planeten, wo sich auch der Raumhafen befand. Offensichtlich wollten die feindlichen Agenten von Holiday verschwinden.

Die Mordred setzte ihre Leute in Bewegung, der Standort des Gleiters wurde langsam, aber sicher, eingekreist.

*

»Irgendwas stimmt hier nicht.«

Will Dean blickte sich unbehaglich um, konnte aber nichts entdecken, was seinen Verdacht erhärten konnte.

»Was ist los?«

Sam sah unruhig zu dem TLD-Agenten, dann aus dem Fenster.

»Ich glaube, wir werden bald Ärger bekommen.«

Entschlossen wandte er sich an den Ertruser.

»Lande auf dem Parkplatz. Wir nehmen einen Umweg und gehen durch den Vergnügungspark.«

»Ancient Worlds«, stand da zu lesen. Ein Themenpark, der sich mit den Geschichten verschiedener Welten befasste, lag direkt vor den Fliehenden.

Cyrus reagierte sofort und steuerte den Gleiter auf den Parkplatz. Die drei Männer verließen den Gleiter und betraten den Park. Dean hielt die Augen offen und beobachtete mindestens drei Gleiter, die ihm verdächtig vorkamen. Sie landeten ebenfalls auf dem Parkplatz, jeweils zwei Männer verließen die Fahrzeuge.

»Sie sind uns auf den Fersen«, meinte er. Dann folgte er den Männern in den Park.

*

»Wir haben sie.« Diese drei Worte aus dem Funkempfänger erlösten den Oberst. Willoch lehnte sich in dem Kommandosessel zurück. Zum ersten Mal, seit er die Verantwortung übertragen bekommen hatte, entspannte sich der Mann. Ein Erfolg war in greifbare Nähe gerückt.

»Schnappt sie euch. Nehmt keine Rücksicht. Ich will Erfolge sehen«, mahnte er seine Mitarbeiter.

Die Männer gehorchten und folgten den Flüchtigen in den Park. Sie hielten noch einen gewissen Sicherheitsabstand ein, arbeiteten sich aber immer näher an die drei Männer heran.

Der Ertruser war zwar nicht der einzige seiner Art, aber ein Ertruser in Begleitung eines Terraners und eines Somers waren in dem Park nicht sehr oft anzutreffen. So gelang es den Agenten, den flüchtigen Männern auf den Fersen zu bleiben.

*

»Rein da«, meinte Dean.

Direkt vor ihnen war der Eingang in ein Fahrgeschäft zu sehen. Eine Art Antigrav-Achterbahn, die an bedeutenden geschichtlichen Ereignissen aus der Vergangenheit vorbei führte. Das Hauptaugenmerk des Fahrgeschäfts lag allerdings auf Dinosaurier.

Schnell drängten sich die drei an einigen wenigen wartenden Kunden vorbei, die nicht einmal böse waren. Wenn man Urlaub machte, wollte man sich nicht aufregen. Dementsprechend ließen die Wartenden die drei Fliehenden passieren. Schnell erreichten sie die Achterbahn und ließen sich in eine der Kabinen fallen. Das Fahrgeschäft setzte sich in Bewegung. In der nächsten Bahn allerdings waren einige der Verfolger. Es wurde immer knapper.

Mitten auf der Strecke hielt die Bahn an. Einige der anderen Passagiere lachten, als sie zum Stillstand kamen. Offensichtlich warteten sie auf ein besonderes Vergnügen. Das wurde ihnen auch geliefert, allerdings anders, als sie es sich vorgestellt hatten. Aus einer Ansammlung von Schachtelhalmen löste sich ein Energiestrahl. Erste Entsetzensschreie waren zu hören. Einer der Passagiere wurde getroffen.

Dean ließ sich aus der Bahn fallen, der Somer folgte sofort. Mit Hilfe der Flugaggregate stoppten sie ihren Sturz nur wenige Meter über dem Boden und verschwanden in der Sicherheit der urwüchsigen Natur. Sam und Dean griffen nach ihren Strahlern und machten sich auf die Suche nach dem Gegner.

Erst jetzt merkte der Terraner, dass Cyrus ihnen nicht gefolgt war. Er warf einen Blick auf die stehende Bahn über ihnen und erkannte die breite Gestalt des Ertrusers, der sich gerade über die Rückenlehne mehrerer Kabinen schwang und sich zu der Frau hin bewegte, die von dem Schuss getroffen worden war.

»Nein«, wollte Dean rufen, aber erstens würde ihn sein Helfer nicht hören können und zweitens gab es kaum eine bessere Möglichkeit, sich zu verraten. Irgendwo vor ihnen musste sich der Schütze befinden. Wenn er jetzt rufen würde, dann hatten sie gute Chancen, zu sterben. Wenn er den Ertruser retten wollte, dann musste er den Gegner schnell finden.

Eine weitere Strahlbahn löste sich und diesmal erwischte es einen der Fliehenden. Cyrus stieß einen Schrei aus und kippte nach vorn. Einen Augenblick hing er noch über einer Rückenlehne, dann verlor er den Halt. Er stürzte in die Tiefe und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf.

»Sehen Sie nach dem Ertruser«, wies er Sam an, dann schlug er sich tiefer in die Büsche und suchte nach dem Schützen.

Sam erreichte den Ertruser, konnte aber nur noch seinen Tod feststellen. Entsetzt wandte er sich ab und folgte Will Dean, der irgendwo vor ihm war. Einige Schreie alarmierten ihn, er beeilte sich, dem Terraner zu helfen.

Als er eine kleine Lichtung erreichte, musste er sich erst einen Überblick verschaffen. Da waren einige robotische Dinosaurier. Weiter hinten konnte er Bewegung erkennen. Er kam gerade zurecht, um mitzubekommen, wie Dean einen Gegner außer Gefecht setzte. Ein weiterer der Verfolger lag schon auf dem Boden. Ob sie tot waren oder noch lebten, konnte er nicht erkennen. Schnell folgte er dem Wink des Freundes und rannte mit ihm durch das Dickicht.

»Cyrus?«

»Er ist tot«, sagte Sam mit Bedauern.

Dean hielt sich nicht auf. Schnaufend erreichten sie einen der Ausgänge aus der Vergnügungswelt, die für sie so wenig Vergnügen geboten hatte. Sie rannten ins Freie, keiner der Verfolger war zu sehen. Hatten sie sie abgehängt?

Ohne Verzögerung erreichten sie einen anderen Ausgang aus dem Themenpark. Mit seiner Ausrüstung hatte Dean keine Probleme, einen Gleiter aufzubrechen und in Gang zu setzen. Er nahm direkten Kurs auf den Raumhafen. Mittlerweile war Dunkelheit über diesen Teil Holidays hereingebrochen. Vielleicht schafften sie es im Schutze der Nacht, ihre Jet zu entführen.

Der Raumhafen lag unter ihnen. Erstaunlicherweise trafen sie keine Wächter an. Nach den Ereignissen der letzten Zeit hatten sie das nicht erwartet, aber offensichtlich hatten die Agenten der Mordred die Verwaltung des Planeten so in die Irre geführt, dass das Schiff weitgehend unbewacht war.

Die Jet selbst allerdings war durchaus gesichert, aber das war kein Problem. Den Instrumenten eines TLD-Agenten konnte die Sicherung nicht standhalten.

Gegen die drei Wachen, die im Schiff waren, halfen allerdings keine Instrumente. Die drei Agenten, die vermutlich der Mordred angehörten, merkten erst, was passierte, als Sam und Dean im Schiff angekommen waren. Gegen die Strahlwaffe Will Deans hatten sie allerdings keine Chance.

Wenige Augenblicke später hatte Dean die Space-Jet in Bewegung gesetzt. Nun befanden sie sich wieder im Weltraum, glücklicherweise auf der Seite des Planeten, wo sich die TOBRUK nicht befand. So schafften sie es wieder einmal, den Schergen der Mordred zu entkommen.

Fast schon zu viel des Zufalls, dachte Dean. Aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, und so nutzte der TLD-Agent einfach die Chance zur Flucht.

»Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sich jemand um das Kind kümmert«, sagte Sam.

Dean schüttelte traurig den Kopf. Nun hatte Simone Cyrus auch noch ihren Vater verloren. Agenten von Camelot oder dem TLD würden sich um das Kind kümmern. Hoffentlich würde sie jemals darüber hinwegkommen.

Wütend blickte er auf die Welt, die im Heckbildschirm noch zu sehen war. Dann tauchten sie in den Hyperraum ein und verließen das Sonnensystem. Wieder einmal meldete der Syntron Probleme mit dem Antrieb. Das kannten sie schon. Davon unberührt schaltete der Agent.

Urlaubsparadies? Vielleicht. Aber nicht für jeden.

 

Oberst Willoch

Zitternd blickte der Oberst auf die noch immer verschlossene Tür. Die Nachricht über das Scheitern ihrer Mission wollte immer noch nicht richtig in seinen Kopf, aber offensichtlich hatten die Fliehenden auf Holiday einige der Agenten getötet und waren dann mit dem eigentlich schon gesicherten Raumschiff, das sie aus der TOBRUK gestohlen hatten, ins All verschwunden. Im Moment hatte er nicht einmal eine Spur der Agenten, aber er hoffte, dass wenigsten die Ortung bald eine gute Nachricht für ihn haben würde.

Er betrat den Raum des Generals und erstattete Meldung.

»Ich dulde kein Versagen«, erklärte Eyke ruhig.

»Du kannst mich ja aus der Schleuse werfen«, riet Willoch sarkastisch.

Eyke musterte seinen Ersten Offizier.

»Ich ziehe es in Erwägung, alter Freund. Solltest du noch einmal versagen, drücke ich persönlich auf den Schleusenknopf«, drohte der Kommandant. »Und nun Marsch auf deinen Posten!«

Willoch salutierte, drehte sich um und verließ die Kapitänskabine. Dieses Mal hatte er noch Glück gehabt, doch er wusste, würden sie die zwei Flüchtlinge nicht zur Strecke bringen, war das Schicksal aller an Bord der TOBRUK besiegelt.

 

TAKVORIAN

Die TAKVORIAN hatte ihren Metagravflug beendet und trat in einen Orbit um Stiftermann III ein.

»Wir sind da, Sir. Vor uns liegt die BASIS«, meldete Coreene Quon, der weibliche erste Offizier.

Joaquin Manuel Cascal, dem die Meldung gegolten hatte, wandte sich dem Hauptschirm zu und meinte: »Zeigen Sie mal her.«

Der Bildschirm, der bisher Stiftermann III mit den dazugehörigen Daten gezeigt hatte, flackerte kurz, dann konnte man auf dem Bildschirm das gewaltigste Raumschiff sehen, das die Menschheit jemals gebaut hatte – außer dem legendären OLD MAN, versteht sich.

Cascal schluckte hörbar.

»Großer Gott, was für ein Raumschiff!«

Aus dem hinteren Teil der Kommandozentrale vernahm er ein zustimmendes Knurren, das wohl von Tolk stammte.

Man hatte Cascal während des Flugs schon einiges über die BASIS erzählt – aber dieser Anblick übertraf seine kühnsten Erwartungen.

Der Grundkörper des Schiffes war ein Diskus mit 9.000 Metern Durchmesser. Der Diskus wurde von einem 1.500 Meter dicken Ringwulst umgeben, der an zwei Stellen durchbrochen war, an denen sich vorne das 2.500 Meter lange, keilförmige Zentralsegment und hinten der Triebwerkssektor mit einem Durchmesser von 6.000 Metern befanden. Insgesamt hatte die BASIS die phantastische Länge von 14 Kilometern.

»Eine Schande, was sie mit diesem Schiff gemacht haben«, sagte Cascal dumpf. »Das wäre uns nicht passiert.«

»Sir?« fragte Quon verwirrt.

»Vergessen Sie's.«

»Wie Sie wünschen.«

Cascal war immer noch überrascht, wie schnell die von ihm eingeführte Kommandostruktur gefruchtet hatte. Eigentlich war es ja nur eine Änderung, die dazu dienen sollte, dass Cascal und Tolk sich etwas heimisch fühlten. Cascal war eben der Überzeugung, dass es nichts brachte, wenn man die Leute dazu zwang, sich gegenseitig zu duzen.

Darüber hinaus war er erfreut, wie gut die Zusammenarbeit mit seinem weiblichen Ersten Offizier klappte. Seine anfängliche Skepsis war längst dahingeschwunden.

Die Besatzung der TAKVORIAN war überhaupt sehr diszipliniert. Das hatte jedoch bei der Vernichtung Sverigors auch nichts genützt. Zwar hatte Cascal am eigenen Leib und an der eigenen Seele erfahren, dass die Sverigen mit ihrer Korrektheitsbehörde genauso fanatisch und skrupellos waren, wie die Mordred. Doch die Zerstörung eines Planeten und damit der Tod von fast zwei Milliarden Lebewesen war unentschuldbar. Es hätte einen besseren Weg geben müssen. Doch die Mordred wollte solche Wege nicht gehen.

Nun mussten sie auf der BASIS nach dem Somer Sruel Allok Mok suchen, der seit Oktober des letzten Jahres Undercover ermittelte. Der Kontakt zu Sam war vor einigen Tagen abgebrochen. Cascal wollte den Somer finden.

 

Jäger und Gejagte

»So ein Mist«, fluchte Dean und schlug mit der Faust auf eine unschuldige Konsole.

Sam schwang in seinem Sessel herum.

»Ihre blumige Ausdrucksweise deutet auf ein Problem hin?«

»Dieses Antriebssystem arbeitet etwas anders wie unsere Modelle. Vor allem habe ich hier nicht das nötige Werkzeug. An Bord eines LFT- oder Camelot-Schiffes wäre das hier vermutlich kein Problem.«

Beim letzten Angriff der TOBRUK waren sie nur mit knapper Not in den Hyperraum entkommen. Der Paratronschirm hatte noch gehalten, aber diverse Aggregate waren überlastet worden. Daher arbeitete an Bord der Space-Jet nicht mehr alles so, wie es sollte. Zudem war es Dean noch nicht gelungen, das private Hyperfunkgerät des Ertrusers einzubauen. Die Reichweite des Gerätes war begrenzt. Eine Verschlüsselung von Daten nach Standard von Camelot unmöglich. Sie würden mit einem Hyperfunkspruch nur die TOBRUK auf sich aufmerksam machen und die würden vermutlich den Hyperfunkspruch auch noch abfangen und das Signal nach Phoenix unterbinden.

»Wird uns die Reise nach Phoenix gelingen?«, wollte der Somer wissen.

»Natürlich. Wenn du aussteigst und ein paar tausend Lichtjahre schiebst...«, meinte Will grinsend.

»Das erachte ich für wenig effektiv, Mister Dean.«

»Das war ein Scherz.«

»Ihr eigenartiger Humor ist mir aufgefallen. Was unternehmen wir nun?«

»Zurück nach Stiftermann III.«

»Sie meinen...«, begann Sam, wurde aber vom durchdringenden Geräusch der ausschlagenden Massetaster unterbrochen.

»Raumflugkörper, Durchmesser 1.500 Meter. Das ist die TOBRUK.«

»Oh, welch eine Überraschung!«, rief Will theatralisch. »Also gut, Trick Nummer zwölf...«

*

General Walther Eyke lief unruhig in seiner Kabine auf und ab.

Schon seit drei Tagen jagten sie nun die beiden Agenten. Diese waren nur in einer Space-Jet unterwegs, und dennoch war es der TOBRUK noch nicht gelungen, das Schiff der Infiltranten zu zerstören.

Eyke bestrafte Versager für gewöhnlich hart, und ebenso hart ging er mit sich selbst ins Gericht. Er wollte kein Versager sein. Für seine Ziele und Ideale war er bereit, das letzte zu geben. Ja, er war sogar bereit, für sie zu sterben.

Eyke blieb lange vor einem Bildnis des plophosischen Diktators Iratio Hondro, seinem Idol, stehen.

Nein, er würde nicht versagen.

Das Summen des Interkoms riss ihn aus seinen Gedanken.

»Sir, wir haben sie wieder.«

»Ich komme.«

Eyke verließ sein Quartier, das direkt an die Kommandozentrale der TOBRUK grenzte.

Er ließ sich in seinen Sessel fallen und befahl: »Transformkanonen einsatzbereit. Auf meinen Befehl feuern.«

Eyke nahm einen Schluck aus einem Wasserglas, das er dann auf der Armlehne seines Sessels abstellte.

Er schloss langsam die Augen und gab den Feuerbefehl.

Anstelle einer Erfolgsmeldung hörte er allerdings vom Waffenleitstand: »Sir, ich habe Schwierigkeiten, das Ziel zu erfassen.«

»Feuer!«, schrie Eyke nochmals.

»Zwecklos, Sir. Sie sind weg. Sie scheinen eine Art... Störsender eingesetzt zu haben.«

Eyke verlor die Fassung.

»Verdammt!«, brüllte er und warf das Wasserglas an die Wand der Zentrale, wo es klirrend zerschellte.

»Tyken«, sagte er mit bebender Stimme zu dem Offizier am Waffenleitstand. »Stellen Sie fest, was geschehen ist und melden Sie sich dann in meinem Quartier.«

Jeder in der Zentrale wusste, was das bedeutete.

 

BASIS

Auf der BASIS angekommen, begaben sich Tolk und Cascal in das erstbeste »Etablissement« (wie es in ihrem Reiseführer hieß, »Spelunke« wäre zutreffender gewesen), in dem sie vermuteten, Informationen erhalten zu können.

Cascal ließ seinen Blick über den großen Saal schweifen. Der Boden war grau und metallisch. Breite Panoramafenster zogen sich am Ende der Halle entlang. Dazwischen standen etliche Spieltische und Monitore, an denen die Wesen spielten, wetteten und vermutlich ihr Geld verprassten.

An den Seiten stiegen etwa vier Meter hohe, offene Aussichtstürme empor, an denen Pflanzen und Blumen rankten. Zu ihrer rechten diskutierten zwei Topsider, links schob sich ein Cheborparner an ihnen vorbei.

Aus den Lautsprechern dröhnte schlechte Synthoklassik, eine Musikrichtung, die im 49. Jahrhundert alter Zeitrechnung einer erstaunlichen Wertschätzung unterlag. Cascal empfand es als Beleidigung für die Ohren.

Das ohnehin schon gedämpfte Licht wurde von Zigarettenrauch weiter abgeschwächt.

Der Genuss von Nikotin war ein Laster, das die Galaktiker immer noch nicht abgeschafft hatten. Entsprechende Initiativen waren am Widerstand der jeweiligen Völker gescheitert.

An der Theke saßen allerlei zwielichtig dreinblickende Gestalten. Von Swoon über Arkoniden bis Epsaler war alles vertreten, was in der Galaxis Rang und Namen hatte, beziehungsweise gehabt hatte.

Cascal gesellte sich zu einem Unither, der mit leerem Blick auf seinem Hocker saß und mit seinem Rüssel eine bräunliche, blubbernde Flüssigkeit aus einem seltsam in sich verschlungenen Glas saugte.

»Kennst du diesen Mann?«, fragte Cascal mit gedämpfter Stimme. Er suchte auf seinem Pad ein Bild von Sam und aktivierte die Anzeige. Dann hielt er das Display dem Unither unter den Rüssel.

»Kommt drauf an«, meinte dieser gelangweilt und bestellte einen weiteren Drink.

»Worauf?«

»Naja... Es heißt ja, der Galax löst die Zunge. Warum probierst du das nicht mal?«

Cascal holte seufzend eine Karte aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Der Unither nahm sie und überwies sich mit einem tragbaren Lesegerät die gewünschte Summe.

»Und, was ist? Kennst du ihn?«

»Nein, tut mir leid. Ich habe diesen Mann noch nie gesehen.«

Tolk brummte ärgerlich.

»Aber ich kenne jemanden, der etwas über ihn wissen könnte.«

Cascal blickte ihn ungeduldig an.

»Und?«

»Meine Zunge wird schon wieder ganz schwer...«

Mit einem wütenden Schnauben packte Tolk den Unither am Rüssel und zog daran. Sofort wurde der Unither unruhig. Der Rüssel war ein empfindliches Organ. Das etwa ein Meter lange Körperteil diente zur Atmung und als Tast- und Greifwerkzeug. Es galt als Körperverletzung, einen Unither am Rüssel zu packen. Tolk störte es nicht. Er wollte die Informationen.

»Rede!«

Der Unither fuchtelte röchelnd mit seinen Armen um sich.

»Sandal«, sagte Cascal besänftigend. »Lass ihn los.«

»Warum?«, fragte Tolk und wandte sich zu Cascal um.

»Nun, so kann er nicht atmen. Und Tote haben nun mal die Eigenart, recht wenig zu reden.«

»Stimmt«, gab Tolk zu und ließ den Rüssel des Unithers los. Das elefantenähnliche Wesen atmete tief durch und schüttelte den Rüssel nach links und rechts.

Joak Cascal war eigentlich nicht sonderlich angetan von Sandals Vorgehensweise, aber er vertrat die Auffassung, dass der Zweck die Mittel heiligte, und daher beschloss er, die Situation auszunützen.

Der Unither rückte schließlich gezwungenermaßen mit der Information heraus, dass sein Bekannter der Blue Ysür war. Er war offenbar berühmt, oder vielmehr berüchtigt, über alles und jeden an Bord der BASIS Bescheid zu wissen. Seine Informationen beschaffte er sich nicht immer legal, und deshalb wechselte sein Aufenthaltsort ständig.

Auf einem normalen Raumschiff hätte es vermutlich kein großes Problem dargestellt, ihn zu finden, aber auf einem Koloss wie der BASIS konnte es unter Umständen Wochen dauern, bis man eine einzelne Person aufspürte.

Tolk und Cascal begannen ihre Suche.

 

Der Trick

»Sie kennen unsere Ziele«, stellte General Eyke fest.

»Die Zerstörung und Eliminierung Camelots und Erreichen einer Vormachtstellung in der Galaxis«, bestätigte Leutnant Tyken.

»Weil unser gemeinsames Ziel so bedeutsam ist, brauchen wir ein Höchstmaß an Perfektion bei unseren Aktionen.«

Tyken lief der Angstschweiß über das Gesicht.

Eyke goss sich etwas Wasser nach und trank einen Schluck, bevor er weiter sprach.

»Aus diesem Grund können wir natürlich keine fehlerhaften Elemente in unseren Reihen dulden.«

Tyken begann zu zittern. Er hielt sich mit den Händen an den Stuhllehnen fest.

»Unglücklicherweise musste ich feststellen, dass Sie ein solches fehlerhaftes Element sind«, sprach Eyke weiter. Seine Stimme war nun völlig emotionslos. »Daher muss ich Sie zum Wohle der Mordred eliminieren.«

Tyken sank auf die Knie. Tränen flossen ihm über das Gesicht.

»Sir, ich flehe Sie an...« rief er verzweifelt.

»Erheben Sie sich und nehmen Sie ihre Strafe wie ein Mann entgegen.«

Man konnte hören, wie Eyke seinen Desintegrator entsicherte. Er wartete einige Sekunden, bevor er fortfuhr:

»Gut, wenn Sie es vorziehen, im Sitzen zu sterben...«

Er richtete seinen Strahler auf Tyken und schoss.

Leutnant Edward Tyken hatte aufgehört zu existieren.

*

»Ihr Einfall, die Forschungssonden mit Störsendern auszustatten, war, gemessen an Ihren bisher unüberlegten Taten, ein Glanzstück, Mister Dean.«

»Kein Wunder, sie stammte ja auch von mir«, entgegnete Will lachend.

»Mir scheint aber, als hätten wir nur einen kurzen Vorsprung gewonnen«, fuhr er nach einem Blick auf seine Kontrollen fort.

»Sie sind uns schon wieder auf den Fersen.«

In diesem Moment trat die TOBRUK aus dem Hyperraum. Kurs und Geschwindigkeit ließen keine Zweifel an ihrem Ziel zu.

»Jetzt aber schnell hier weg, sonst werden wir geröstet!«

In ihren Verschnaufpausen hatten sie sich immer wieder Pläne zurechtgelegt, wie sie der TOBRUK beim nächsten Mal entwischen konnten. Denn sie hatten schließlich noch einen langen, gefahrvollen Weg vor sich. Und der begann genau hier.

Die Space-Jet musste einige schwere Treffer hinnehmen. Neben Sam explodierte eine Leitung, so dass er zu Boden geworfen wurde. Außer etwas versengtem Gefieder schien er sich aber keine größeren Verletzungen zugezogen zu haben.

Will Dean allerdings steuerte die Space-Jet unbeirrt auf einem Kurs, der sie in die Korona der Sonne führte. Dort nämlich war es für die TOBRUK schwierig bis unmöglich, sie zu orten, geschweige denn zu treffen. Außerdem konnte ein derart großes Schiff wie die TOBRUK dort nur mit äußerster Vorsicht agieren.

Die Space-Jet trat in einem steilen Winkel in die Korona ein. Dean flog ein extrem gefährliches Manöver, und er wusste es.

Die wabernde Hitze umgab die Space-Jet. Sie waren nur von einem Paratronschirm vor den zigtausend Grad beschützt, die draußen wüteten. Allerdings war es mit diesem Schirm, der aufgrund einiger schwerer Treffer Fluktuationen unterlag, wie mit einer Seifenblase: Er konnte jederzeit den Geist aufgeben, und Will sagte in Gedanken jeden Psalm auf, den er kannte, dass das nicht gerade jetzt geschehen möge.

Ihre Flugbahn im Verhältnis zur Sonne entsprach in etwa einer Tangente. Als sie schließlich nach einigen halsbrecherischen Manövern auf der anderen Seite wieder aus der Korona austraten, aktivierten sie das Triebwerk und waren ihrem Ziel wieder ein Stück näher gekommen.

 

BASIS

»Es muss doch möglich sein, diesen Kerl zu finden«, brachte Tolk lautstark seine Meinung zum Ausdruck.

Cascal und er befanden sich jetzt seit 17 Stunden auf einer Tour durch die verschiedenen Casinos, Bars und Kneipen, die die BASIS zu bieten hatte.

»Noch ein Versuch«, meinte Cascal und gähnte.

Sie betraten ein weiteres Casino. Überall blitzten bunte Lichter, auf drei Ebenen gab es Spieltische und Automaten, die nur darauf warteten, den Spielern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Hunderte von Terranern, Blues, Springer, Topsider, Unithern, Arkonide, Akonen und Ferronen vergnügten sich an Spielen jeder Art.

Cascal blickte sich um. Es war schwer, in diesem Durcheinander die Übersicht zu behalten. Unter den Leuten waren natürlich auch einige Blues, aber keiner passte auf die Beschreibung, die ihnen der Unither gegeben hatte.

»Ich habe irgendwie das dumme Gefühl, der hat uns reingelegt«, befürchtete Cascal.

»Ich werde diesmal einen Knoten in seinen Rüssel machen«, versprach Tolk.

»Moment. Was ist mit dem da drüben?«, fragte Cascal und zeigte auf einen Blue, der alleine an einem Tisch saß, weitab vom Geschehen.

»Nur etwa 1,80 Meter groß, leicht deformierter Schädel, rotes Fleckenmuster am Kopf. Passt«, befand Cascal und näherte sich dem Blue.

»Bist du Ysür?«

»Kommt drauf an«, entgegnete dieser mit hoher Stimme.

Dann näherte sich der Hals dem Strohhalm seines Getränkes. Mit zittrigen Händen legte er den Halm an den Mund im Hals und schlürfte das weiße Getränk, welches vermutlich normale Milch war, die jedoch ziemlich belebend auf Blues wirkte.

»Dieses Jahrhundert kotzt mich irgendwie an«, raunte Cascal seinem Freund zu.

»Es muss doch auch noch eine andere Möglichkeit geben, hier an Informationen zu kommen.«

Zu dem Jülziisch gewandt meinte er: »Ich lade dich zu einer warmen Milch ein. Vielleicht können wir ja ins Geschäft kommen.«

Der Jülziisch nickte zustimmend. So begaben sie sich an die Bar.

»Milch für den Kleinen, Vurguzz für mich«, bestellte Cascal, und sie begannen ihre Konversation. Cascal zeigte dem Jülziisch das digitale Foto auf dem Pad.

»Wir sind auf der Suche nach diesem Somer...«

 

TOBRUK

General Walther Eyke stand kreidebleich vor dem Hauptschirm der TOBRUK. Sein Kinn war nach unten geklappt. Er sah in dieser Situation ziemlich dämlich aus, allerdings gab es niemanden an Bord, der sich darüber amüsierte.

Nach knapp einer Minute schloss er den Mund wieder.

Er konnte es einfach nicht fassen. Die beiden feindlichen Agenten waren mittlerweile das siebte Mal entwischt.

Wut keimte in ihm auf. Wut über Sam und Will Dean. Wut über sich selbst, weil er sie nicht erwischt hatte. Wut über die Besatzung der TOBRUK, weil seiner Meinung nach eigentlich alles und jeder an Bord unfähig war.

»Ich werde diesen Abschaum aus der Galaxis tilgen, und wenn es das letzte ist, was ich in meinem Leben tue!«, brüllte er plötzlich.

In der Zentrale herrschte nach wie vor betretenes Schweigen.

Eyke spürte, wie jemand zu ihm herantrat.

Es war Willoch, mit dem er schon lange befreundet war.

»Walther, kann ich dich einen Moment unter vier Augen sprechen?«, flüsterte er ihm zu.

»Wieso?«, fragte Eyke gereizt.

»Bitte, Walther. Es ist wichtig.«

Eyke gab nach, weil er Willoch vertraute. Sie begaben sich in Eykes Quartier, um ungestört reden zu können.

»Also, was ist?«, fragte Eyke.

»Ich... du scheinst nicht mehr Herr deiner selbst zu sein. Du kannst dich nicht mehr kontrollieren.«

»Ach was«, widersprach Eyke.

»Das ist nicht gut, Walther. Noch gehorcht dir die Besatzung. Aber du machst den Eindruck eines Cholerikers. Ich weiß nicht, ob du noch in der Lage bist, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Vielleicht solltest du das Kommando abgeben. Noch steht diese Besatzung hinter dir. Wenn du dich aber weiterhin so aufführst, verlierst du ihr Vertrauen.«

»Ich warne dich, Normen. Wir sind gute Freunde, aber noch habe ich die Kontrolle über dieses Schiff. Ich entscheide hier. Ist dir bewusst, dass ich das Recht und die Möglichkeit habe, dich jederzeit zu exekutieren?«

»Walther!«, rief Normen erschreckt.

Der General schenkte sich ein Glas Wasser ein.

»Ich meine es gut mit dir. Deswegen schenke ich dir das Leben.«

»Ich verstehe nicht ganz...«

»Da gibt es auch nicht viel zu verstehen«, bemerkte Eyke und drückte einen Knopf.

»Sicherheit. Oberst Willoch steht bis zum Ende unserer Mission unter Arrest.«

»Du bist von Sinnen«, stellte Willoch fassungslos fest.

Eyke nahm einen Schluck Wasser.

»Vielleicht bin ich das.«

Die Sicherheitsleute kamen in Eykes Quartier und führten Willoch ab, der keine Gegenwehr leistete.

»Aber im Prinzip spielt es auch gar keine Rolle.«

»Glaub mir, du wirst es bereuen«, rief Willoch, bevor sich die Tür schloss und Eyke allein in seinem Quartier war.

»Schon möglich«, sinnierte er mit einem Blick auf das Porträt von Iratio Hondro. »Aber vorher habe ich noch eine Mission zu erledigen...«

 

BASIS

»Stütz mich«, befahl Cascal seinem Freund Tolk.

Dieser bewahrte den torkelnden Mann vor dem Fall, indem er ihm unter die Arme griff und hinter sich her schleifte.

Joak stöhnte.

»Vielleicht hättest du lieber die Milch trinken sollen«, stellte der Barbar fest.

»Du hast gut reden... Woher hätte ich wissen sollen, dass Blues so viel vertragen?«, erwiderte Cascal ächzend. »Alleine hätte ich ihn ja nicht trinken lassen können, sonst wäre er misstrauisch geworden.«

Sie befanden sich mittlerweile wieder in einem Gang, irgendwo auf der BASIS.

Cascal würgte.

»Warte mal!«

Tolk ließ ihn los, worauf er auf die Knie sank und gerade noch das schlimmste verhinderte.

»Tja, so eine Agententätigkeit fordert nun mal ihren Tribut«, meinte Tolk grinsend. »Da muss man mit vollem Einsatz zu Werke gehen.«

Ihr Informant, der Blue Ysür, war erst nach der achten Runde Milch beziehungsweise Vurguzz für Cascal mürbe und redefreudig geworden. Aber es hatte sich gelohnt. Sie wussten jetzt zumindest, dass sich Sam bei seinen Ermittlungen mit einem TLD-Agent namens Will Dean zusammengetan hatte, und dass die beiden schließlich von drei Parteien, nämlich der Mordred, den Galactic Guardians und den Pfestern, einer rivalisierenden Bande, gejagt wurden.

Ihnen war offenbar die Flucht mit einer Space-Jet gelungen. Über ihr weiteres Schicksal war Ysür nichts bekannt.

»Unsere... Suche… geht jetzt... im All weiter. Also... zurück zur TAKVORIAN«, brachte Cascal hervor und begann den langen Weg zurück zu seinem Raumschiff.

 

Will Dean und Sam

Die Space-Jet mit Will Dean und Sam alias Sruel Allok Mok an Bord befand sich auf einer ihrer Metagravetappen. Die TOBRUK war ihnen nach wie vor auf der Spur.

Will Dean ließ sich völlig ermattet in einen Sessel fallen.

»Lange halte ich das nicht mehr durch.«

»Naja, es ist nicht mehr allzu weit.«

»Wie sind Sie eigentlich zu Camelot gekommen?«, fragte Dean, während er sich nun daran machte, das Hyperfunkgerät zu installieren und sich überlegte, wie er unbemerkt einen Funkspruch in Richtung Camelot schicken konnte.

»Das ist eine lange Geschichte. Mein Vater war ein einflussreicher somerischer Diplomat. Wohl auch wegen seines Einflusses habe ich mich seit frühester Kindheit für die Kultur der Galaktiker interessiert. Ich entschloss mich, Botschafter zu werden und zwischen den Völkern zu vermitteln.

Das ist mir, glaube ich, bisher auch ganz gut gelungen.«

Beiläufig übergab der Somer dem TLD-Agenten einen Datenträger mit Verschlüsselungscodes und speziellen Funksprüchen für Camelot. Dean hoffte, dass das Hyperfunkgerät keine spezielle Hard- oder Software zur Übermittlung benötigte. Sam fuhr fort.

»Vor etwas mehr als fünf Jahren, also im Jahre 1285 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, signalisierte Camelot, dass es Interesse an mir hätte. Ich teilte ihnen jedoch mit, dass mich nur Perry Rhodan persönlich zum Beitritt bewegen könnte. Denn ich sympathisierte mit Camelot in erster Linie deswegen, weil es mit Rhodan unter der Führung eines Mannes stand und immer noch steht, der dieselben hohen ethischen und moralischen Vorstellungen besitzt wie ich auch.

Schließlich trafen wir uns bei der Jungfernfahrt der LONDON. Er...«

Sam legte eine Pause ein. Die Erinnerung war noch zu gegenwärtig. Das Geschehene hatte tiefe Spuren hinterlassen. Bei dem tragischen Untergang des Schiffes fanden fast 10.000 Lebewesen den Tod.

Sam litt bis heute darunter. Immer wieder wurde er von schrecklichen Alpträumen geplagt. Außerdem hatte das Ereignis bei dem Somer eine krankhafte Furcht vor Wasser hinterlassen.

Er traute sich an keinen See und an kein Meer mehr heran.

»Nun, die Katastrophe der LONDON ist Ihnen sicher ein Begriff. Die Erinnerungen sind noch sehr lebhaft, weshalb ich auf eine detaillierte Ausführung des Unterganges verzichte.«

Will nickte verständnisvoll.

Er wusste von dem Schicksal der LONDON. Die Medien hatten das Thema vor fünf Jahren ausgeschlachtet.

»Und was machen Sie seither?«

»Ich setze mich öffentlich für Camelot ein und versuche, das Image der Organisation zu verbessern. Außerdem...«

»Wir treten wieder in den Normalraum ein«, unterbrach ihn Dean.

Sam las die Daten ab, die er von seinen Geräten erhielt.

»Wir befinden uns im Dwarf-System, 89 Lichtjahre von Stiftermann III entfernt. Gewissermaßen ein Katzensprung. Durchmesser der Sonne 673.000 km, ein Planet, Dwarf I, Durchmesser 4570 Kilometer. Und so weiter. Wir sind knapp 18 Kilometer von der berechneten Position entfernt herausgekommen. Die Sonne ist übrigens zu klein, um uns als adäquater Ortungsschutz dienen zu können.«

»Wann können wir wieder eine Etappe fliegen?«

»In frühestens zehn Minuten. Die Berechnungen laufen noch.«

»Hoffentlich halten wir bis dahin durch.«

Dean seufzte. Dann lächelte er kurz. Es war ihm gelungen, das Hyperfunkgerät zu installieren und die Codes von Camelot einzugeben. Er wählte zwei Frequenzen nebst Empfänger aus: Camelot und den TLD. Die Nachricht lautete selbstironisch: Eine Schwalbe und ein unheimlich gut aussehender Terraner im System der Zwerge. Kurs nach El Dorado der Galaxis. Hilfe!

 

TAKVORIAN

Cascal und Tolk hatten sich mittlerweile mit ihrer Space-Jet in die TAKVORIAN eingeschleust.

Der erste Offizier, Coreene Quon, empfing die beiden im Hangar.

»Sir, hast... haben Sie irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte Quon knapp und schien verwundert über den offensichtlich angeschlagenen Zustand ihres Kommandanten zu sein.

Cascal lächelte. Es freute ihn, dass sich die Besatzung an seine Anweisungen hielt.

»Ja, die habe ich.«

Sie setzten sich in Bewegung.

»Aktueller Status?«

»Das Schiff ist voll funktionsbereit. Alle Systeme arbeiten zufriedenstellend. Die TAKVORIAN ist bereit für den Metagravflug, Sir.«

Das Metagravtriebwerk war eines der technischen Neuerungen, die die beiden letzten 1.400 Jahre, die Cascal nicht miterlebt hatte, mit sich gebracht hatten.

Cascal war fasziniert von dem Prinzip dieses Triebwerks.

Der wesentliche Unterschied des Antriebs bestand darin, dass er sich seine Energie mittels eines sogenannten Hypertrops aus dem Hyperraum beschaffte. Damit entfiel die Notwendigkeit, große Mengen an Treibstoff mitzuführen.

Ein weiterer Vorteil war, dass das Metagravtriebwerk bewirkte, dass sich das Raumschiff praktisch ständig im freien Fall befand. Statische Überlegungen spielten somit bei der Entwicklung von Raumschiffen keine Rolle mehr.

Cascal gab seinem Ersten Offizier einen Datenchip.

»Wir wissen, dass sie mit einer Space-Jet unterwegs sind. Berechnen Sie ein Suchmuster. Wir müssen den Sektor abgrasen.«

»Aye, Sir!«

Quon wandte sich der ihr zugeteilten Aufgabe zu und begab sich zur Zentrale in die Ortungssektion zum Cheforter Ali Susbeke, während Tolk mit Cascal sprach. Sie waren bereits vor Tagen aufgebrochen und offenbar jagte sie die Mordred. Der Blue hatte preisgegeben, dass ein Raumschiff namens TOBRUK, immerhin 1.500 Meter durchmessend, am Rande des Systems gewartet hatte und kurz nachdem die Space-Jet in den Hyperraum verschwunden war, ebenfalls das System verlassen hatte. Welche Chance hatte eine Space-Jet gegen einen Kugelraumer, der die Größe der einstigen VIVIER BONTAINER besaß? Doch sie durften nicht aufgeben.

Cascal und Tolk erreichten nun auch die Zentrale. Joaks Blick fiel zuerst auf die schöne Istanbuler Funkerin Sybel Yaciskü. Sie erwiderte seinen Blick und sah ihn aufgeregt an.

»Sir«, meldete Sybel. »Wir empfangen einen… seltsamen Funkspruch. Er wird auf einem Camelotkanal gesendet.«

Eine Schwalbe und ein unheimlich gut aussehender Terraner im System der Zwerge. Kurs nach El Dorado der Galaxis. Hilfe!

»Das sind sie«, stellte Tolk zufrieden fest.

Cascal stimmte ihm zu. Er rief die Sternenkarten auf und listete die nächstgelegenen Sonnensysteme alphabetisch auf. Zwar gab es keinen Eintrag bei Zwerg, jedoch bei Dwarf, welches in der alten, terranischen Sprache Englisch Zwerg bedeutete.

»Setzen wir den Kurs dorthin. Informieren Sie die Saggittonen. Wir könnten Hilfe gebrauchen.«

 

Rede vor dem Galaktikum

15. Januar 1291 NGZ

»Ich habe Camelot vor der Öffentlichkeit verborgen und in aller Heimlichkeit einen Machtfaktor geschaffen. Heute darf ich mich nicht wundern, wenn es Misstrauen gegen meine Schöpfung gibt; wenn die galaktischen Mächte das verborgene Camelot fürchten. Diese Furcht soll abgebaut werden. Camelot besitzt einen Platz im Galaktikum, obwohl niemand Camelot kennt. Für diese Vorleistung möchte ich mich bedanken. Ich werde das Vertrauen heute zurückzahlen, das die galaktische Öffentlichkeit bewiesen hat.

Camelot – und das erfahren die Völker der Milchstraße nun zum ersten Mal – ist identisch mit dem Planeten Phönix, Sonne Ceres, am Rand des Sternhafens M 30, im Halo der Milchstraße. Die galaktonautische Position ergibt sich wie folgt...«

Perry Rhodan bei seiner Rede in Mirkandol, bei der er um Hilfe der Galaktiker gegen MATERIA bat. 87 Prozent der Delegierten sprachen sich jedoch gegen eine Hilfe aus.

*

»Ich kann es einfach nicht fassen, Perry.«

Julian Tifflor und Perry Rhodan saßen in einer Diplomatenlounge bei einer Tasse Kaffee. Tifflor meinte Zweierlei damit. Zum einen, dass Rhodan tatsächlich die Koordinaten von Phönix verraten hatte, zum anderen, dass diese aufgeblasenen, korrupten Delegierten des Galaktikums mit 87 Prozent gegen Rhodans Antrag gestimmt hatten. Und das obwohl, der weiße Haluter Blo Rakane mit der Ankündigung, dass alle Haluter nach Chearth aufbrechen würden, um dort Hilfe zu leisten, doch ein mehr als deutliches Signal gesetzt hatte. Nicht nur die ganzen Völker der Jülziisch oder das Kristallimperium hatten sich gegen sie gestellt. Nein, auch die Liga Freier Terraner hatte den Antrag abgelehnt. Die eigenen Terraner hatten Perry wieder einmal im Stich gelassen. Das hatte Rhodan tief getroffen. Tifflor spürte dies.

»Es wäre ohnehin nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis die Galaktiker die Koordinaten Camelots  erfahren hätten. Besser die Galaktiker erfahren den Standpunkt durch mich als durch Cauthon Despair. Dennoch ist mir die Mordred oft zu gut informiert gewesen. Es gab vieles, was selbst Despair nicht wissen konnte, wie zum Beispiel den Standpunkt des Camelotbüros auf Zalit. Die Niederlassung wurde erst 1287 NGZ eröffnet, Despair ist 1282 NGZ verschwunden.«

Perry seufzte abermals.

»Ich vermute einen Verräter in den eigenen Reihen.«

Rolf Friebel, der Stellvertreter der TAXIT, der sich inzwischen in der Lounge befand, schaltete sich in die Diskussion ein.

»Ist das dein Ernst?«

»Aber natürlich. Schwarze Schafe gibt es schließlich überall.«

»Wir sollten einige Leute beobachten lassen«, meinte Tifflor

»Ja, und wo willst du da anfangen? Ich meine, der Verräter kann schließlich jeder sein. Wir können ja unmöglich ganz Camelot observieren.«

Ein Summen ertönte, das anzeigte, dass jemand den Raum betreten wollte.

Rhodan erkannte durch einen Blick auf einen Wandmonitor, dass es sich um Wirsal Cell handelte.

Wirsal Cell war im Kampf gegen die Mordred bisher eine große Hilfe gewesen. Immerhin war er einst die Chefausbilder Despairs gewesen. Er kannte den Silbernen Ritter vielleicht besser als jeder andere. Rhodan eingeschlossen.

Rhodan hatte nicht viel Zeit. Er plante, schon bald Arkon wieder zu verlassen. Er musste sich um MATERIA kümmern. Doch er wollte mit dem Plophoser sprechen.

So ließ Rhodan Cell eintreten, denn ihm lag auch nichts daran, die Diskussion mit Tifflor weiterzuführen. Außerdem wäre es unhöflich und auch unklug gewesen, den Mann vor der Tür stehen zu lassen.

Cell grüßte freundlich. Es war das erste Wiedersehen mit Perry Rhodan seit Jahren.

»Ich denke, wir sollten die Galaktiker erneut um Hilfe bitten, und zwar um Hilfe gegen die Mordred.«

»Sie haben mir die Hilfe gegen MATERIA verweigert. Wieso sollte es beim Thema Mordred anders aussehen?«

»Die Mordred stellt eine unmittelbare Gefahr für die Galaxis dar. Denn wer garantiert den Galaktikern, dass sie sich mit der Zerstörung Camelots begnügen? Schließlich kennen wir ihre genauen Ziele nicht. Außerdem sollte doch die Zerstörung Sverigors die Völker der Galaxis aufrütteln.«

»Ich finde aber, ein Versuch könnte nicht schaden«, warf Tifflor ein.

»Ich könnte diese Aufgabe übernehmen«, erbot sich Cell.

Rhodan überlegte kurz, ob es Cell wirklich ernst war und meinte dann: »Warum auch nicht? Aber ich würde mir an deiner Stelle nicht zu viel davon versprechen.«

»Ich werde die Herren Tifflor und Cell unterstützen«, erklärte Friebel. »Ich habe ohnehin noch einige Taxit-Geschäfte mit den Delegierten zu besprechen.«

»In Ordnung«, willigte Rhodan ein. »Ich hoffe, dass ihr die Sache mit der Mordred in den Griff bekommt. Ich werde jetzt den weißen Haluter Blo Rakane aufsuchen.«

Mit diesen Worten erhob sich Rhodan aus dem weichen Sessel und verließ den Raum. Tifflor blickte ihm traurig hinterher. Er war noch immer wütend auf Perry. Die Preisgabe der Koordinaten Camelots war der Todesstoß für die Organisation. Die Saggittonen konnten und würden Camelot vor der Mordred beschützen können, aber nicht vor einer Flotte des Kristallimperiums. Tifflor hoffte, dass sein alter Freund wusste, was er tat.

*

Nachdem sich Julian Tifflor beruhigt hatte, begaben sich der Zellaktivatorträger, der saggittonische Kanzler Aurec, Wirsal Cell und Rolf Friebel zu dem großen Redesaal.

Auf dem Weg durch die endlosen Korridore und weit gestreckten Räumlichkeiten, empfing Aurec eine Botschaft von Serakan, Aurecs Adjutant und Ersten Offizier der SAGRITON. Serakan meldete die Ankunft weiterer zweihundert saggittonischer Einheiten in der Milchstraße. Aurec befahl, dass ein Dutzend Raumer Kurs nach Stiftermann III nehmen sollten, um Joak Cascal bei der Suche nach dem Somer Sam zu unterstützen. Nachdem der Saggittone die Verbindung beendete, wandte er sich an den Wirtschaftsexperten der Taxit, Rolf Friebel.

»Welcher Art sind denn die Geschäfte, die du auf Arkon zu tätigen gedenkst?«

»Dazu kann ich leider keine Angaben machen«, meinte Friebel kurz angebunden.

»Bitte?«

Aurec war überrascht, dass er von Friebel so schroff abgefertigt wurde.

»Ich kann dazu keine Angaben machen, diese Geschäfte gehen nur die Taxit etwas an. Kümmere dich lieber um deine Angelegenheiten.«

»Keinerlei Geldgeschäfte sind wichtig im Vergleich zu unseren momentanen Problemen«, konterte Aurec, der wenig Lust hatte, sich von dem aufgeblasenen und mürrischen Cameloter abfertigen zu lassen.

Was konnte schon so wichtig sein? Diese Händler nahmen sich selbst immer viel zu wichtig, fand der Saggittone. Bevor die Auseinandersetzung jedoch eskalierte, trat Wirsal Cell zwischen die beiden und meinte beruhigend: »Wir wollen doch jetzt keinen Streit anfangen, oder? Konzentriert euch lieber auf unsere bevorstehende Aufgabe. Eure Differenzen könnt ihr ein anderes Mal erörtern.«

Aurec wandte sich von Friebel ab, jedoch nicht, ohne ihm zuvor einen unverhohlen feindseligen Blick zuzuwerfen.

*

Mirkandol, etwas nördlich des Äquators von Arkon I inmitten der Wüste Khoukar gelegen, war eine gigantische Palaststadt. Das zentrale Gebäude Mirkandols war der Sitzungssaal des neuen Galaktikums, ein 800 Meter hoher Trichterbau.

Wirsal Cell, der Gesandte Camelots, befand sich in der Mitte des Bauwerks. Um ihn herum saßen wie in einer Arena die Zuhörer. Das war in diesem Fall nur eine kleine Runde der wichtigsten Außenminister. Cell räusperte sich, atmete tief durch und trat an das Rednerpult.

»Galaktiker!«

Er blickte sich in der Menge um.

»Ihr seid die Vertreter der Völker unserer Galaxis. Ich bin heute hier, um eure Hilfe zu erbitten. Um Hilfe gegen die unheimliche Gefahr, die Camelot droht. Ich spreche von der Organisation Mordred.

Manche unter Ihnen mögen die Taten der Mordred zunächst mit Genugtuung beobachtet haben. Camelot weiß, dass es bei vielen Galaktikern nicht sonderlich beliebt ist.

Aber bei den Angriffen auf die Camelotbüros wurden unschuldige Wesen ermordet. Geschöpfe mit Familien und Kindern. Ich frage euch, können wir ein solches organisiertes Verbrechen in der Galaxis dulden?

Möglicherweise sympathisierten viele Galaktiker zunächst mit der Mordred, da sie Camelot, die unerwünschte Macht, die bisher stets im Verborgenen agiert hat, geschwächt hat.

Doch spätestens seit dem Massaker auf Sverigor muss auch dem letzten unter ihnen klar geworden sein, mit was für einer skrupellosen Gruppierung wir es hier zu tun haben.«

Cell legte eine kurze Pause ein, um seine Worte etwas wirken zu lassen. Er sah sich unter den Delegierten um und war zutiefst angewidert. Zwei Blues spielten mit ihren mobilen Computern gegeneinander, ein Ertruser stand auf und holte Kaffee, während der unithische Botschafter mit dem Kopf auf den Tisch sackte und einschlief. Das waren nun die Vertreter der Galaxis. Eine Schande! Er bis sich auf die Lippen und versuchte unbeirrt fortzufahren.

»Die Mordred vernichtete über zwei Milliarden intelligente Lebewesen! Auch wenn die sverigische Korrektheitsbehörde ebenso boshafte Machenschaften im Sinn hatte, dürfen wir zulassen, dass die Mordred mit brachialer Gewalt unsere galaktischen Probleme löst?«

Cell blickte einzelne Personen in der Zuhörerschaft an, damit sie sich direkt angesprochen fühlten. Er starrte in die Runde.

»Die Mordred ist mehr als nur ein Unsicherheitsfaktor für die Galaxis. Diese Organisation setzt sich über jede jemals getroffene Vereinbarung hinweg, untergräbt jegliches galaktische Recht. Es handelt sich hierbei um eine kriminelle Vereinigung, die den Frieden in der Galaxis zu stören versucht. Ich frage euch nochmals, können wir das dulden? Können wir das zulassen?«

Er schüttelte den Kopf und lieferte sogleich auch selbst die Antwort auf seine eigene Frage.

»Nein, das können wir mit Sicherheit nicht. Unsere Aufgabe muss sein, dem Treiben der Mordred ein Ende zu setzen. Es gilt, diese Organisation zu eliminieren.«

Er blickte abermals in die Runde.

»Diese Aufgabe müssen wir, die Völker der Galaxis, gemeinsam angehen. Nur gemeinsam sind wir stark! – Ich danke euch.«

Verhaltener, vereinzelter Applaus signalisierte Cell, dass immerhin ein paar zugehört hatten. Die Delegierten wurden vom arkonidischen Vorsitzenden gebeten, ihre Stimmen abzugeben. Jedoch gab er vorher noch den Hinweis, dass das Kristallimperium die Mordred für ein terranisches Problem halte und deshalb nicht für eine Hilfe stimmen würde. Damit war die Abstimmung bereits vorentschieden. Innerhalb von einer Minute stand das Ergebnis fest.

Das Endergebnis sah noch düsterer aus. Nur 10 Prozent stimmten für eine Hilfe. 40 Prozent dagegen und 50 Prozent enthielten sich der Abstimmung.

*

Aurec trat zu Wirsal Cell heran, der nach der Verkündung bekümmert und niedergeschlagen war.

»Bedauerlich. Unsere Chancen waren ohnehin nicht sonderlich groß. Die Galaktiker scheinen eine Völkeransammlung aus Egoisten zu sein. Ich bin froh, dass Saggittor über solche Zeiten lange hinweg ist. Wir sollten zurückkehren. Hier zu verweilen, ist verschwendete Zeit.«

Cell seufzte.

»Wahrscheinlich.«

Er blickte sich suchend um.

»Wo ist denn Friebel?«

Auch Aurec konnte ihn nirgendwo entdecken. In dem Sitzungssaal befand er sich jedenfalls nicht. Ebenso wenig war er im Rest des Sitzungsgebäudes aufzufinden.

»Er wird schon wieder auftauchen«, meinte Aurec zuversichtlich.

»Ich denke, ich mache noch einen Rundgang durch die Stadt. Sie ist wirklich beeindruckend. Kommst du mit?«

»In Ordnung«, willigte Aurec ein.

Sie machten sich auf den Weg, um das Gebäude zu verlassen.

Irgendetwas stimmte nicht. Es war zwar niemand zu sehen, aber Aurec konnte förmlich spüren, dass sich noch eine weitere Person in diesem Korridor aufhielt.

Der Saggittone und Cell gingen weiterhin in Richtung Ausgang. Etwa alle zehn Meter zweigte nach links und rechts ein Seitengang ab. Ein ideales Versteck – für einen Verfolger?

Aurec verwarf den Gedanken, denn es fiel ihm einfach kein vernünftiger Grund ein, weshalb sie jemand verfolgen sollte.

Noch 40 Meter bis zum Ausgang.

Merkwürdig. Er hatte keine konkreten Anhaltspunkte, aber er war dennoch nervös.

»Ich frage mich immer noch, wo Friebel steckt«, meinte Cell, aber anstatt zu antworten, blieb Aurec unvermittelt stehen und legte einen Finger auf die Lippen. Aurec blickte sich abermals um.

Cell war nichts aufgefallen, und daher starrte er Aurec fragend an.

Wie eine Katze sprang Aurec plötzlich auf Cell und warf ihn zu Boden. Keinen Moment zu früh, denn gleichzeitig pfiff ein Schuss über die Stelle hinweg, an der Cell soeben noch gestanden hatte.

Aurec rollte sich zur Seite und beeilte sich, Cell in einen Seitengang zu ziehen. Sie mussten jetzt erst einmal schnell weg.

Erneut fegte ein Schuss scharf an Cells Kopf vorbei und schlug hinter ihm in der Wand ein. Die Verkleidung verflüssigte sich sofort.

Cell und Aurec rannten im Zickzack durch die Gänge. Ihr Ziel war es, dort hinzukommen, wo sich andere Leute befanden, denn dorthin würde sie der Attentäter vermutlich nicht verfolgen.

Es war Aurec nicht gelungen, den Angreifer zu Gesicht zu bekommen. Dessen Identität war ihm im Moment auch gleichgültig, er wollte zunächst mal heil aus dieser Sache herauskommen.

Immer wieder schlugen hinter ihnen Strahlschüsse ein. Nur durch ständiges Wechseln der Richtung konnten sie den Feind abhängen.

Aurec sah ein Schild, das die Richtung zu einem Aufenthaltsraum der Minister wies.

Er zog Cell in diese Richtung.

Mit einem Hechtsprung erreichten sie den Raum, in dem sich etwa siebzig Minister aufhielten, die sie allesamt entgeistert angafften. Die Situation war etwas peinlich, wie sie vor den Leuten auf dem Bauch lagen, aber sie waren dem Aggressor entkommen.

*

Wirsal Cell und Aurec saßen an einer Bar im Eingangsbereich des Gebäudes. Sie hatten den Vorfall selbstverständlich an die Sicherheitsbeamten weitergeleitet, diese machten ihnen jedoch nicht viel Hoffnung auf eine schnelle Aufklärung des Falls. Sie vermuteten einen radikalen Gegner Camelots hinter dem Anschlag. Aurec glaubte das zwar, stellte sich aber die Frage, wieso in diesem Hochsicherheitstrakt jemand mit einer Strahlenwaffe umher laufen konnte. Hatte die Mordred bereits das Galaktikum infiltriert? Oder das Kristallimperium?

Wirsal Cell blickte trübe in sein Glas. Ihm war anzusehen, dass er sauer war. Natürlich war er sauer auf Friebel, denn dieser hatte sich seit seiner Rede nicht mehr blicken lassen. Er sah die Sache jedoch noch relativ gelassen, im Gegensatz zu Aurec, der im Zweiminutentakt üble Flüche und Verwünschungen gegen Rolf Friebel von sich gab. Das war in seiner Situation auch durchaus verständlich, er war seit dem unangenehmen Zwischenfall auf dem Hinflug nicht sonderlich gut auf den Vizechef der TAXIT zu sprechen.

Seit Friebels Verschwinden waren mittlerweile gut vier Stunden vergangen.

»Sollen wir ihn als vermisst melden und von der Sicherheit suchen lassen?«, regte Cell an.

»Ach was, der alte Sack wird schon wieder auftauchen. Unkraut vergeht nicht, sagen doch Terraner, richtig? Vermutlich macht er gerade wichtige Geschäfte…«, lehnte Aurec ab.

»Hüte deine Zunge, Saggittone!«

Aurec wandte sich überrascht um. Der Einwurf war von der Person gekommen, die direkt hinter ihm stand, und das war Rolf Friebel.

Aurec hatte bis jetzt versucht, seiner Rolle als Staatsoberhaupt Saggittors gerecht zu werden und sich zu beherrschen. Aber diese Arroganz, mit der Friebel diese Worte ausgesprochen hatte, waren zu viel. Vor allem die verächtliche Art, auf die er »Saggittone« gesagt hatte, kränkte Aurec in seinem Stolz.

Aurec schnellte nach vorne und packte Friebel am Kragen.

Bevor die Situation wirklich eskalieren konnte, griff jedoch Wirsal Cell ein und trennte die beiden Männer.

»Ich schlage vor, wir verlassen diesen Ort jetzt erst einmal«, zischte Cell ihnen zu. »Eine öffentliche Schlägerei zwischen zwei Beauftragten Camelots wäre dessen Image sicher nicht dienlich.«

Widerstandslos ließen sich die beiden von ihm nach draußen eskortieren.

In der Space-Jet angekommen, ging der Streit erst richtig los.

»Wo warst du denn die ganze Zeit?«, wollte Aurec von Friebel wissen.

»Ich war... in einer wichtigen Besprechung.«

»Soso, in einer wichtigen Besprechung.« Aurec lachte sarkastisch. »Darf man wenigstens erfahren, worum es dabei ging?«

»Nein, diese Information ist vertraulich.«

Aurec stieß einen verächtlichen Laut aus.

»Ich glaube es einfach nicht. Da versuchen wir, Camelot und die Galaxis zu retten, werden so eben mal von einem Attentäter angegriffen und fast erschossen, und unser Freund befindet sich in einer wichtigen Besprechung und will uns nicht einmal verraten, worum es ging.«

Friebel war das Thema sichtlich unangenehm, daher versuchte er, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

»Haben euch die Galaktiker wenigstens Zugeständnisse gemacht?«

»Nein. Bis auf die inoffizielle Unterstützung durch LFT-Kommissar Khan haben wir nichts«, berichtete Wirsal Cell.

Friebel schüttelte den Kopf.

»Unglaublich, wie ignorant diese Galaktiker sind. Aber was will man von derart degenerierten Völkern auch anderes erwarten?«

Aurec sendete ein Signal an die IVANHOE. Das Raumschiff lag am Rande des Systems und würde sie zurück nach Camelot bringen, da die SOL bereits weiter geflogen war. Unverrichteter Dinge verließen die drei Menschen die arkonidische Welt.

 

Die Verfolgten

»Haben Sie Kinder?«, wollte Dean wissen.

»Nein, Will. Ich habe keine...« Sam stockte einen kurzen Moment, Will schaute schon zu ihm herüber, da sagte er schnell: »In meiner Tätigkeit wäre ich wohl ohnehin kein guter Vater, da ich so gut wie nie Zuhause sein könnte...«

Will Dean, der TLD-Agent, und Sam der Somer unterhielten sich über alle möglichen Dinge, um ihre Nervosität zu überspielen. Ihnen waren nämlich die Hände gebunden, solange sie keine weitere Metagravetappe fliegen konnten. Stiftermann III war noch weit, und die TOBRUK, die sie seit Tagen quer durch den Sektor verfolgte, konnte jeden Moment aus dem Hyperraum auftauchen.

»Acht Minuten«, erwiderte Dean.

»Möglicherweise acht Minuten zu viel«, meinte Sam düster.

Sam kam nicht dazu, einen neuen Satz zu beginnen, denn in diesem Moment wurde er von dem Piepsen der Massetaster unterbrochen.

»Die Sensoren orten ein Raumschiff, 1.000 Meter Durchmesser. Ich übertrage die Daten auf deine Konsole«, sagte Will.

»Eintausend Meter? Das kann nicht die TOBRUK sein«, erkannte Sam. »William Dean... die Werte, die ich hier habe, deuten darauf hin, dass dieses Schiff von Camelot stammt.«

Die Identifizierung war schnell erfolgt. Es handelte sich um die TAKVORIAN. Wenige Momente später nahm das Raumschiff der Cameloter Kontakt mit der Space-Jet auf.

Die Bildverbindung zeigte das Antlitz von Joaquin Cascal.

»Mister Cascal«, stieß Sam erleichtert aus.

Er hatte den ehemaligen Offizier des Solaren Imperiums auf einem Empfang kurze Zeit nach den Vorfällen auf der LONDON II kennengelernt.

»Höchstpersönlich«, grinste ihm Cascal entgegen. »Ich nehme an, Sie brauchen unsere Hilfe?«

»Allerdings«, entgegnete Dean. »Und zwar so schnell wie möglich. Ein Kriegsschiff der Mordred ist uns auf den Fersen, und es kann jeden Moment hier eintreffen. Ich schlage vor, ihr beeilt euch, ansonsten könnt ihr uns mit 'nem Staubsauger einsammeln.«

Cascals Miene versteinerte sich.

»Das werden wir.« Zu Tolk gewandt meinte er: »Sandal, es wird Zeit. Es wird Zeit, mal wieder eine zünftige Schlacht zu schlagen.«

Dean überlegte, auf welcher seiner Aussagen sich Cascal bezogen hatte.

»Hören Sie, Sam.« Cascal weigerte sich nach wie vor, das seit über 1400 Jahren gebräuchliche »Du« zu verwenden, was den Somer jedoch nicht störte, sondern sehr erfreute. »Wir werden in einigen Minuten bei Ihnen sein. Bis dahin müssen Sie durchhalten. Können Sie das Metagravtriebwerk einsetzen?«

»Frühestens in...« Sam schaute auf ein Display, auf dem ein Countdown zu sehen war. »...sechs Minuten, achtundvierzig Sekunden.«

»Die TAKVORIAN ist auf dem Weg«, gab Cascal bekannt.

 

Auf der Flucht

Sam und Will saßen nach wie vor in ihrer Space-Jet. Noch knapp zwei Minuten mussten sie warten, bis sie wieder den Metagrav einsetzen konnten. Zwei Minuten, die sich endlos lang zu ziehen schienen.

Ein nervendes Piepsen erklang von der Ortungsanlage. Sam schloss die Augen. Noch nie hatte er ein Geräusch so gehasst wie dieses Piepsen. Denn es war eigentlich klar, was die Anlage zu melden hatte. Die TAKVORIAN war zu weit entfernt gewesen, um bereits jetzt einzutreffen.

Ein Blick auf die Kontrollen bestätigte die Befürchtungen von Sam und Will.

*

Ein geradezu diabolisches Grinsen zierte General Walther Eykes Gesicht, nachdem ihm gemeldet worden war, dass die gesuchte Space-Jet vor der TOBRUK im Raum lag.

»Diesmal entkommt ihr nicht«, flüsterte er.

Diese Angelegenheit war kein Auftrag mehr, den er zu erledigen hatte. Vielmehr betrachtete er diese Geschichte mittlerweile als Privatfehde. In den letzten Tagen wurde er derart von dem Gedanken besessen, diese Infiltranten zu vernichten, dass er sein ganzes Handeln einzig auf dieses Ziel ausrichtete. Darunter schien seine Urteilsfähigkeit gelitten zu haben, jedenfalls traf er seine Entscheidungen nicht mehr so besonnen, wie es die Besatzung eigentlich von ihm gewohnt war.

In der letzten Stunde hatte er sich gezwungen gesehen, drei Meuterer hinzurichten. Ein Großteil der Besatzung stand allerdings dennoch hinter ihm, entweder, weil sie die radikalen Ansichten ihres Captains teilten, oder weil sie eingeschüchtert waren und Angst vor der Bestrafung im Falle von Ungehorsam hatten.

Eyke erkundigte sich nach dem Status der Space-Jet.

»Sie beschleunigt, ihr Paratronschirm ist aktiviert. Anhand unserer bisherigen Erfahrungen vermuten wir, dass sie noch nicht in der Lage sind, auf Überlichtgeschwindigkeit zu gehen.«

Eyke setzte sich lächelnd auf seinen Sessel. Jetzt, da der Triumph so nahe war, wollte er ihn auskosten. Er nippte noch kurz ein seinem Wasserglas, dann befahl er:

»Beschleunigen und feuern, sobald die Space-Jet innerhalb der Reichweite ist.«

*

Ein schwerer Treffer erschütterte die Space-Jet. Der Paratronschirm hielt – noch. Zudem schien er nicht die ganze Energie in den Hyperraum abzuleiten, wie er es eigentlich sollte. Statt dessen schmorten überall Leitungen durch, sprühten Funken aus Konsolen und explodierten kleinere Apparaturen.

»Oh Mist, ich hatte eigentlich vor, noch ein wenig zu leben. Ich habe Karten für das Fußballendspiel, die will ich nicht so einfach verfallen lassen«, fluchte Dean.

Über seinem Kopf hingen einige Leitungen herab, die es aus der Decke der Space-Jet gehauen hatte. »Wie lange dauert das denn noch?«

»Fünfundzwanzig Sekunden!«, krächzte Sam gegen den Lärm an, der um sie herum herrschte.

»Zwanzig.«

Dean riss die Space-Jet hart zur Seite, so dass er und der Somer kurz in den Sitz gepresst wurden.

»Fünfzehn.«

Der TLD-Agent holte alles aus der Space-Jet heraus. Er flog von Loopings bis zu Schrauben alles, was er in seinem Repertoire hatte. Es war dennoch nicht genug, sie wurden immer wieder getroffen.

»Zehn.«

Dean flog wie ein Irrer. Immer wieder steuerte er die Jet in unbeschreiblichen Bahnen.

»Fünf.«

Sam umfasste mit der rechten Hand einen Hebel.

»Vier, drei, zwei, eins...«

Er zog den Hebel nach hinten und es passierte – nichts.

Das Metagravtriebwerk war offenbar ausgefallen.

»Hups!« machte Will vielsagend.

Sam schluckte.

»Hups? Was meinen Sie mit hups, Will Dean?«

»Naja, eben hups... du verstehst?«

Sam verstand und seufzte.

»Ich versuche, einen Notruf an die TAKVORIAN abzusetzen.«

Ein Leuchten signalisierte ihm, dass sein Funkspruch abgeschickt worden war.

»Und? Antworten sie?«, rief Will.

Ein weiterer Treffer schüttelte die Space-Jet.

»Hups«, machte nun der Somer.

»Wieso sagst Sie jetzt hups?«, fragte Will aufgeregt.

»Nun, soeben hat das Funkgerät auch den Geist aufgegeben.«

 

Der Kampf

»Wie lange halten die Schilde noch?«, fragte Sam.

Dean antwortete nicht, aber sein panikerfülltes Gesicht sprach Bände.

Immer neue, schwere Treffer erschütterten die Space-Jet. Es konnte eine Sache von Minuten, aber auch Sekunden sein, bis der Schirm kollabierte.

*

Walther Eyke atmete schwer. Eine seltsame Mischung aus Hass und Genugtuung erfüllte ihn.

Sie hatten sie, die Space-Jet. Sie hatten sie, endlich, und diesmal würde sie nicht entkommen.

Diese Erkenntnis stimmte Eyke zuversichtlich, und er hatte auf einmal ein merkwürdig verzerrtes Grinsen im Gesicht.

Auf dem Hauptschirm konnte er sehen, wie die TOBRUK die Space-Jet immer wieder traf. Eyke wusste, es konnte nicht mehr lange dauern, und er lächelte.

Sein Lächeln erstarb blitzartig, als der Hauptschirm die Ankunft eines weiteren Schiffes zeigte.

*

Cascal spürte es in dem Moment, als auf dem Schirm die TOBRUK zu sehen war. Da war es wieder, dieses Nostalgiegefühl. Er fühlte sich zurückversetzt in die Zeiten des Solaren Imperiums.

Er seufzte.

Dann wurden seine Gesichtszüge hart und entschlossen. Es würde ein harter Kampf werden, darüber war sich Cascal im Klaren.

Die TOBRUK war mit ihren 1.500 Metern Durchmesser fast doppelt so groß wie die TAKVORIAN.

Aber die TAKVORIAN hatte Cascal und Tolk, und das wog die Ungleichheit in Bezug auf die Technik wieder auf.

Cascal hielt sich an seinen Sessellehnen fest. Er räusperte sich und befahl dann: »Feuer auf mein Kommando!«

»Aber Sir!«, protestierte Coreene Quon.

»Stellen Sie etwa meinen Befehl in Frage?«

»Nein, Sir... es ist nur... wir sind Cameloter... ich meine, wir können doch nicht ohne Vorwarnung das Feuer eröffnen!«

Tolk warf ihr einen undefinierbaren Blick zu, und Cascal lächelte gönnerhaft.

Dann meinte er: »Gut. Übermitteln Sie dem Feind eine Botschaft mit folgendem Inhalt: ›Mordred-Schiff, kapitulieren Sie sofort bedingungslos und übergeben Sie uns Ihr Raumschiff. Andernfalls sehen wir uns leider gezwungen, Sie zu vernichten. Hochachtungsvoll, die TAKVORIAN.«

Die Funkerin Sybel betrachtete Cascal, als wäre er ein Geist.

»Zu unfreundlich?«, fragte Cascal.

»Nein, Sir«, erwiderte die Terranerin vom Bosporus knapp und übermittelte die Botschaft wie ihr aufgetragen, und Cascal blickte Quon lächelnd an.

»Sind Sie jetzt zufrieden?«

»Nein, Sir!«

»Ihr Pech. Der Befehl gilt: Feuer auf mein Kommando!«

*

Das Auftauchen der TAKVORIAN hatte die Leute auf der TOBRUK zunächst mehr als beunruhigt. Der Funkspruch aber, in dem Cascal sie aufforderte, sich sofort zu ergeben, sorgte dann aber für allgemeine Heiterkeit.

»Sir, was soll ich antworten?«, fragte der Kommunikationsoffizier.

General Walther Eyke ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Er trank etwas Wasser, lief in der Kommandozentrale auf und ab und setzte sich dann gemächlich wieder in seinen Sessel.

»Machen Sie Ihnen klar, dass wir uns weigern, uns zu ergeben«, befahl er schließlich. »Senden Sie mit voller Leistung.«

Der Kommunikationsoffizier wandte sich um und machte sich auf den Weg zu seiner Station.

»Ach, und noch was«, fügte der General hinzu.

»Sir?«

»Schicken Sie unsere Botschaft über die Transformkanonen.«

*

Sam und Will Dean hatten schon jede Hoffnung aufgegeben, als endlich die TAKVORIAN erschienen war.

Die TOBRUK hatte daraufhin das Feuer eingestellt. Offenbar konzentrierte sich Eyke nun auf die bevorstehende Konfrontation mit der TAKVORIAN. Sam vermutete, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis eine der Parteien das Feuer eröffnete.

Sam seufzte. »Zivilisiert« nannten sich die Völker dieser Galaxis, und trotzdem konnten sie nicht umhin, ihre Konflikte mit Waffengewalt zu lösen. In dieser Hinsicht waren sie genauso primitiv wie ihre affenähnlichen Vorfahren. Wie auch immer, als Botschafter war es ja nicht seine Aufgabe, über Völker zu urteilen, sondern um zwischen ihnen zu vermitteln.

»Wir sollten uns eine sichere Position suchen. Ein einziger verunglückter Transformbeschuss reicht, um uns endgültig zu zerbröseln«, äußerte sich Sam zu ihrer momentanen Situation.

»Die Idee ist gut«, erwiderte Dean. »Nur ist sie so... wie soll ich sagen... nicht ganz umsetzbar.«

»Wie belieben, Mister Dean?«

»Naja, das soll heißen, sämtliche Triebwerke sind ausgefallen, kein Funk mehr... Wir driften wie ein Stück Weltraumschrott durchs All. Und die TAKVORIAN kann uns nicht aufnehmen, weil sie dazu ihren Paratronschirm deaktivieren müsste.«

»Können sie keine Strukturlücke schaffen?«

»Vergessen Sie es, Sam. Es ist mittlerweile zwar möglich, eine solche Lücke zu erschaffen aber...

Sie müssen sich das ungefähr so vorstellen, wie wenn Sie in der Badewanne das Wasser ablassen.

Um die Strukturlücke herum würde sich die Energie konzentrieren, um eben diese Lücke erhalten zu können, und dazu müsste eben Energie aus anderen Teilen des Schirms abgezogen werden. Das wäre sehr riskant, weil es für die TOBRUK so ungleich leichter würde, den Schirm zu knacken. Unsere einzige Hoffnung ist deswegen, dass die TAKVORIAN diese Hunde aus dem All fegt.«

»Ich verstehe«, erwiderte Sam resigniert. »Also wieder mal hups...«

»Ich kann dieses Wort nicht mehr hören«, seufzte Will.

In diesem Moment brach draußen im Weltraum die Hölle los. Durch ihr Panoramafenster konnten Will und Sam beobachten, wie tausende Gigatonnen zur Explosion kamen.

Die Schlacht hatte begonnen.

*

Fast zeitgleich mit Eyke hatte Cascal den Feuerbefehl gegeben. Die 25 Mega-Transformkanonen der TAKVORIAN nahmen ihre Arbeit auf.

Salve auf Salve schlug auf beiden Seiten ein. Doch mit zunehmender Dauer des Kampfes wurde immer deutlicher, dass die TAKVORIAN der TOBRUK im offenen Kampf unterlegen war. Es gelang ihnen trotz Punktbeschusses einfach nicht, den Schirm der TOBRUK überhaupt erst ernstlich zu gefährden. Auf der anderen Seite sah es etwas anders aus. Laut den Meldungen seiner Offiziere musste der Paratron der TAKVORIAN kurz vor der Überlastung stehen.

Cascal bekam feuchte Hände.

Tolk trat zu ihm heran.

»Joak, was ist denn los mit dir? Du wirkst so... hilflos.«

»Ich weiß nicht, Sandal.«

»Früher hast du vor Ideen in solchen Fällen nur so gestrotzt.«

Cascal atmete schwer aus.

»Vielleicht haben sich die Zeiten ja geändert.«

»Ach was«, entgegnete Tolk ärgerlich. »Das redest du dir ein. Den Casaro hattest du doch auch in den Hintern getreten!«

Cascal stützte sein Kinn in die rechte Hand und überlegte. Und er ließ sich Zeit, während die Schlacht ohne ihn weitertobte. Nach einer Weile erhob er sich langsam aus seinem Sessel, stellte sich breitbeinig vor den Panoramaschirm hin und stemmt die Hände in die Hüften.

»Ich werde den verweichlichten Typen in diesem Jahrhundert zeigen, was ein Offizier des Solaren Imperiums so alles draufhat!«

Coreene Quon eilte zum Funkleitstand, da Yaciskü sie zu sich winkte. Kurz darauf drehte sie sich in Cascals Richtung um.

»Sir, wir erhalten einen codierten Funkspruch. Die Saggittonen erreichen uns mit zwölf Raumschiffen«, rief Quon aufgeregt.

Cascal stand auf. Er verwarf den Gedanken, eines waghalsigen Manövers und betrachtete auf der Anzeige, wie das volle Dutzend an Scheibenraumschiffen aus dem Hyperraum fiel. Drei davon durchmaßen 1.300 Meter, sechs Saggittonenraumer wiesen einen Durchmesser von 800 Metern auf, während die anderen drei 500 Meter Raumer waren. Sofort sendete Cascal einen Funkspruch an die Saggittonen und erklärte, die Space-Jet gehöre zu ihnen, während die TOBRUK und ihre Beiboote feindlich seien. Innerhalb weniger Momente schleusten die saggittonischen Schiffe ihre Jäger und Kreuzer aus, während sich die drei großen Scheibenraumer um die TOBRUK postierten. Zusammen mit der TAKVORIAN eröffneten sie das Feuer.

*

An Bord der TOBRUK saß General Walther Eyke in seinem Kommandosessel und lächelte zufrieden. Die Schlacht verlief im Prinzip nach seinem Wunsch, und er war guter Hoffnung, dass die TOBRUK diesen Kampf für sich entscheiden konnte.

Eyke nippte an seinem Wasserglas.

»Männer, dies wird ein weiterer, wichtiger Sieg für die Mordred!«

Die Mienen seiner Offiziere drückten Zuversicht aus. Und Vertrauen. Vertrauen in erster Linie in die überlegene Technik der TOBRUK, und darüber hinaus auch Vertrauen in sich selbst.

Es war seltsam. Sie befanden sich mitten in einer Schlacht, aber dennoch schien es keinen Grund zur Beunruhigung zu geben.

Die TAKVORIAN ließ sich brav von den Transformgeschützen der TOBRUK treffen, der Paratronschirm hielt den Treffern der TAKVORIAN mühelos stand, und es konnte aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr lange dauern, bis die Schilde der TAKVORIAN geknackt sein würden.

»Sir!«

Der entsetzte Ruf eines Offiziers unterbrach Eykes Gedankengänge.

»Was ist los, Varson?«, fragte Eyke leicht verwundert.

»Sir!«

Der Mann konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Er konnte einfach nicht fassen, was geschehen war.

»Sir, zwölf uns unbekannte Raumschiffe sind aufgetaucht!«

»Was?«

Eyke sprang auf.

»Identifizierung!«

»Ich weiß es nicht, Sir. Es könnten Saggittonen sein...«

In diesem Moment wurde die TOBRUK von einem schweren Einschlag erschüttert. Von sämtlichen Decks und Stationen kamen Meldungen.

»Sir, wir werden von den Raumschiffen attackiert!«

Der General war ratlos. Er setzte sich in seinen Sessel und trank einen Schluck Wasser.

Dann ging alles plötzlich sehr schnell.

Die TOBRUK musste eine Serie von schwersten Treffern hinnehmen. Voller Panik vermeldete Varson, dass der Paratronschirm kurz vor dem Zusammenbruch stand. Allgemeine Konfusion griff um sich. Alle rannten hektisch umher, keiner wusste, was zu tun war.

»So tun Sie doch etwas!«, schrie jemand Eyke zu.

Varsons verzweifeltes Kreischen verriet, dass das Ende der TOBRUK kurz bevorstand. Eyke vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er hatte versagt.

Mit zitternder Hand griff er zu dem Wasserglas, das neben ihm auf der Armlehne stand.

Das Glas war leer.

Eyke lachte irre. Sein Lachen wurde immer lauter und höher und wurde schließlich zu einem nicht mehr enden wollenden, allen in ihm befindlichen Hass und Zorn und Verzweiflung zusammenfassenden Schrei.

Der Schirm kollabierte.

In einer grellen Lichtentfaltung explodierte die TOBRUK. Zunächst riss es das Schiff in der Mitte auseinander, dann zerbarsten die zwei Hälften und nahmen die gesamte Besatzung, einschließlich General Walther Eyke, mit in den Tod.

Mit ihm zusammen starb auch Normen Willoch, der in seiner Arrestzelle von alledem nichts mitbekommen hatte.

*

Von einem Traktorstrahl wurde die Space-Jet mit Will Dean und dem Somer Sruel Allok Mok, auch Sam genannt, an Bord in einen Hangar der TAKVORIAN befördert.

Als die Space-Jet auf dem Boden abgesetzt worden war, wandte sich Will Dean zu Sam um und reichte ihm die Hand.

»Es war mir eine Ehre, mit Ihnen diesen Einsatz durchzuführen.«

Sam lächelte und gab das Kompliment zurück.

Das Schott glitt auf und Joaquin Cascal trat herein.

»So, meine Herren. Willkommen auf der TAKVORIAN. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug...«

 

Der Anfang vom Ende

18. Januar 1291 NGZ

Cauthon Despair befand sich in seinem Raum auf der VERDUN.

Noch immer war er von leichten Zweifeln besessen, was die Zerstörung Sverigors anging. Er hätte einen anderen Weg gewählt. Despair erhob sich aus seiner Meditation, als eine Hyperkomverbindung ihn erreichte. Es war eine Anweisung von Rhifa Hun an alle Führungsmitglieder der Mordred. Sie hätte schlimmer kaum sein können.

TOBRUK vernichtet. Cameloter und TLD haben sensible Daten von Stützpunkten, Mittelsleuten und Operationen erhalten. Räumung der Welt Dejabay, Abbruch des Kontaktes zu den Galactic Guardians. Sämtliche Aktivitäten der Mordred werden bis auf Weiteres abgebrochen. Camelot hat eine Schlacht gewonnen, doch den Krieg werden wir gewinnen.

Despair gab die Anweisungen an den Kommandanten der VERDUN, Kenneth Kolley, weiter. Da das Netzwerk der Mordred enttarnt war, sie wegen eines lächerlichen Attentatsversuch gegen Bostich die Gunst des Kristallimperiums verloren hatten, war es nun wirklich an der Zeit, vorerst unterzutauchen.

Vielleicht war dies in Anbetracht der Gefahr durch die Kosmische Fabrik MATERIA auch notwendig. Der so verhasste Rhodan und seine Zellaktivatorträger-Clique waren vermutlich die letzte Chance für die Milchstraße.

Cauthon Despair zweifelte immer mehr an der Integrität der Mordred. Er erinnerte sich an die Worte Cau Thons. Sie waren für eine Zeit nützliche Verbündete, doch Despair würde ein anderes Schicksal erwarten. Despair war sich über sein weiteres Schicksal im Unklaren. War er wirklich Rhodans Widersacher? Waren seine Verbündeten der Mordred denn besser als Rhodan? Despair musste abwarten. Doch irgendwann musste er sich diese Frage selbst beantworten und die Entscheidung fällen, auf welcher Seite er stand.

ENDE

 

 

Die Mordred scheint doch verwundbar. Der Somer Sam und der TLD-Agent Will Dean erbeuteten wertvolle Informationen und der Silberne Ritter Cauthon Despair zweifelt offen. Doch die Mordred gibt nicht so schnell auf. In Band 22 wird »DER SYNTRONKILLER« auf die Galaxis losgelassen. Ralf König und Aki Alexandra Nofftz schrieben den Roman.

 

 

 

 

Kommentar

Heute stammt der Kommentar ausnahmsweise von mir, da Jürgen aktuell mit dem Schreiben der Romane beschäftigt ist. In Band 21 ist die vierbändige Odyssee von Sam und Will Dean am Ende angelangt. Beiden ist es gelungen, der Mordred einen empfindlichen Schaden zuzufügen. Das Bündnis mit dem Kristallimperium ist dahin, die TOBRUK dazu noch vernichtet. Ist die Mordred an ihre Grenzen gestoßen? Selbst Cauthon Despair zweifelt an der Kompetenz Rhifa Huns.

Derweil ist Perry Rhodan mit der SOL wieder zurückgekehrt und konzentriert sich auf die Verteidigung der Milchstraße gegen die Kosmische Fabrik MATERIA. Verständlich, dass die Mordred für unseren Erben des Universums nebensächlich ist. Auch wenn man den Eindruck gewinnt, dass Rhodan die Gefahr durch die Mordred unterschätzt, so dürfte das nicht so sein.

Er muss sich allerdings zuerst der wichtigsten Gefahr stellen: MATERIA. Hierbei startet er sogar eine Verzweiflungstat und verrät die Koordinaten Camelots. Auf der anderen Seite nimmt er damit der Mordred – vielleicht unbewusst – einen großen Trumpf. Denn die Terrororganisation kennt die Koordinaten. Die Suche nach galaktischen Verbündeten wurde damit erschwert, denn welche Geheimnisse könnte man noch verraten? Auf der anderen Seite ist Camelot nun das Ziel aller möglichen Feinde. Dennoch hofft Rhodan, dass über kurz oder lang, so Vertrauen in ihn und seine Anhänger gefasst wird.

Ein Vertrauen, welches offenbar dem Inneren Zirkel der Mordred fehlt, da nun langsam einige anfangen, ihr eigenes Süppchen zu kochen…

Nils Hirseland

 

 

GLOSSAR

Walther Eyke

Geboren: 12.12.1200 NGZ

Geburtsort: Plophos

Größe: 1,87 Meter

Gewicht: 87 kg

Augenfarbe: blau

Haarfarbe: graublond

Bemerkungen: Militarist, sehr diszipliniert wirkend, kantiges Gesicht, spricht in kurzen ausdrucksvollen Sätzen duldet keinen Widerspruch, bestraft Versager hart, kann Zusammenhänge sehr schnell erkennen, Intelligent, gefährlich und kompromisslos.

Walther Eyke war der Sohn eines plophosischen Politikers. Schnell machte er Karriere in der plophosischen Flotte und wechselte in die LFT-Sternenflotte. Dort wurde der sehr harte Militarist jedoch aufgrund zu radikaler Ansichten gefeuert. Seine Karriere war beendet und niemand wollte mehr seine Dienste. In Eyke baute sich viel Frust und Hass auf, bis ihn Nummer Eins für die Mordred gewann. Dort konnte der Militarist seine Träume und Ideale verwirklichen. Eyke half, nachdem ihn Nummer Eins in einer Bar auf Stiftermann III angeheuert hatte, maßgeblich mit, die Mordred aufzubauen. Er trainierte und bildete die meisten Anhänger der Terrorgruppe aus und bekleidet einen hohen Rang in der Hierarchie.

Walther Eyke war der Kommandant der TOBRUK, einem der stärksten Schlachtschiffe der Mordred. Bei einem Duell gegen Joak Cascals TAKVORIAN und Einheiten der Saggittonen zog er den Kürzeren und starb mit der Zerstörung der TOBRUK.

TOBRUK

Die TOBRUK war ein Raumschiff der Terrororganisation Mordred. Das 1.500 Meter durchmessende Schlachtschiff war ein Eigenbau und wurde von dem Plophoser Walther Eyke befehligt.

Die TOBRUK verfolgte den TLD-Agenten Will Dean und den Somer Sam Ende 1290 NGZ. Sie wurde im Duell mit Joak Cascals TAKVORIAN und saggittonischen Schlachtschiffen, darunter die SAGRITON, vernichtet.

Technische Daten

Durchmesser: 2000 Meter

Bewaffnung: 30 Transformkanonen

100 Impuls/Thermo/Desintegratorgeschütze

10 Arkonbomben

10 Sternfusionsbomben Typ Dorgon

500 Transformraketen

500 Jäger

200 SHIFTs

10 Destruction-Kreuzer

50 Space-Jets

Triebwerk: Metagravtriebwerk

Beschleunigung: 1000 km/sec²

Sonstige technische Geräte: Virtuellbildnern, Maxim-Ortern, Hyperraum-Resonator

Schutzschirm: Paratronschirm

Besatzung: 400 Mann Stammbesatzung, 1300 Mann Boden,-Lufteinheiten

Kommandant: General Walther Eyke

Stelv. Kommandant: Oberst Hans Willoch

Tek Cyrus

Ein Ertruser vom Planeten Kreyt, der Ende 1290 NGZ Urlaub mit seiner Tochter Simone auf der Welt Holiday macht. Cyrus ist Witwer. Er trifft auf Holiday Will Dean und Sam und entschließt sich, ihnen zu helfen. Dabei stirbt Cyrus durch die Mordred.

Hanz Willoch

Oberst Willoch ist der 1. Offizier an Bord der TOBRUK. Er hat zu seinem Kommandanten Walther Eyke ein freundschaftliches Verhältnis. Beide traten gemeinsam der Mordred bei und galten als glühende Verehrer des einstigen Obmannes Iratio Hondro.

Die Freundschaft zwischen Willoch und Eyke wird zur Zerreisprobe während ihrer Jagd auf Sam und Will Dean. Schließlich lässt Eyke seinen kritischen 1. Offizier arrestieren. Willoch stirbt bei der Zerstörung der TOBRUK.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 21, veröffentlicht am 22.05.2015

Titelillustration: Heiko PoppInnenillustration: Sarah Rosenhahn

Lektorat: Jürgen Freier, Nils Hirseland und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel