D O R G O N
Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs
MORDRED-ZYKLUS
Band 16
Nils Hirseland
Titelbild von Stefan Lechner
Fremde Welten
Gejagt in der Galaxie Zerachon
Was bisher geschah Ende des Jahres 1290 NGZ sorgt die Organisation Mordred in der Milchstraße für Terror und Schrecken. Sie agiert im Sinne des geheimnisvollen Rodroms und dessen Sohn des Chaos Cau Thon, die offenbar die Milchstraße in ein Chaos stürzen wollen. Doch es regt sich Widerstand aus den Tiefen des Universums. So sollen die Ritter der Tiefe aus Shagor den Terranern neue Verbündete werden. Allerdings greift Cau Thon den Sitz der Ritter an und tötet alle, bis auf zwei, die entkommen und in der Galaxie Zerachon stranden. Derweil bricht das Passagier- und Transportraumschiff THEBEN von Terra nach Olymp auf. Doch die Crewmitglieder und Passagiere ahnen nicht, dass sie schon bald Teil eines kosmischen Abenteuers werden und ihr Ziel nicht Olymp, sondern FREMDE WELTEN sein werden … |
Hauptpersonen Jonathan Andrews – Ein charismatischer Terraner. Remus und Uthe Scorbit – Das Ehepaar versucht sich von dem Abenteuer auf der LONDON II zu erholen. Marqués Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro – Ein Mensch aus einem längst vergangenen Zeitalter. |
»Der Orden der Ritter der Tiefe in Shagor wurde ausgelöscht.«
Die traurig gesprochenen Worte der Alyske Elyn bedrückten auch Sato Ambush. Elyn berichtete dem Alysker und dem Terraner aus Japan über den Angriff Cau Thons und der Zerstörung des Doms sowie dem Massaker an den fast 100 Rittern, einem Orden, der abseits der wahren Ritter der Tiefe gegründet worden war.
»Nur ein Raumschiff der Ritter entkam dem Inferno. Allerdings wurde es wohl unfreiwillig in die ferne Galaxis Zerachon transferiert, als es durch das Sternenportal flog. Ich rematerialisierte dort ebenso, obwohl ich die Koordinaten für das Portal in der Lokalen Gruppe eingab. Ich vermute, Rodrom hat Zugriff auf die Steuerung des Portals erlangt«, erklärte Elyn.
»Wir müssen Gegenmaßnahmen ergreifen, sonst kontrolliert Rodrom bald alle Portale«, beschloss der Alyske.
Sato wusste, dass der Alysker über Kenntnisse der uralten Technologie des Portals verfügte. Sie hatten schon einige Portale im Laufe der Jahre gewartet, repariert oder mit neuer Software versorgt, deren Algorithmen Ambush jedoch ein Rätsel blieben. Jene gigantischen Transmitter wurden sowohl von den Chaosmächten Rodroms als auch dessen Feinden genutzt. Es gab wohl keinen strategischen Vorteil für eine der beiden Parteien, diese zu vernichten, jedoch sie zu benutzen oder zum eigenen Vorteil zu manipulieren.
»Rodrom war jedoch auch hier aktiv«, stellte Ambush fest und spielte dabei auf die Ereignisse vor wenigen Stunden hin. Ein terranisches Passagierraumschiff wurde vor kurzer Zeit direkt zum Standort des Transporters der Casaro gebracht.
»Rodrom will offenbar, dass die noch lebenden Wesen an Bord gefunden werden. Zu welchem Zweck ist uns unbekannt. Allerdings werde ich dem Roten die Suppe ein wenig versalzen«, sagte Alysker und lächelte wieder seltsam.
Über Elyns Lippen huschte ein feines Lächeln, bevor sie wieder ernst wurde. Ambush wunderte sich, dass sie mit dem terranischen Sprichwort etwas anzufangen wusste. Alysker hatte natürlich im Laufe der Jahre viele terranische Redeweisen von Ambush erlernt und verwendete sie nun auch öfters. Aber vermutlich mochten die Alysker auch nicht zu viel Salz in einer Suppe.
»Du solltest nicht achtlos mit dem Leben der Terraner umgehen«, mahnte Elyn.
Der Alysker schüttelte den Kopf. Sein wirres blaues Haar wedelte dabei in alle Richtungen.
»Nicht doch! Wir werden den letzten Rittern der Tiefe aus Shagor etwas Hilfe schicken und dabei sehen, ob diese Terraner, welche aus der Gefangenschaft der Casaro stammen, wirklich Rodrom von Nutzen sein werden oder sie im Umfeld von guten Wesen sich auf die richtige Seite schlagen. Im Zweifelsfall rettet mein Plan das Leben der Personen.«
»Ich hoffe es«, sprach Elyn. »Ich kehre zum Kreuz der Galaxien zurück. Ich wünschte, ich könnte helfen und mit den Terranern oder Saggittonen in Kontakt treten, doch …«
»… dein alter Herr verbietet es dir«, ergänzte der Alysker.
Elyn ging nicht darauf ein. Sie wünschte ihrem Artgenossen und Sato Ambush viel Glück. Dann verschwand die RIVEDELL im Dunkel des Weltraums.
24 Stunden zuvor
Die THEBEN war ein 250 Meter durchmessender Kugelraumer, welcher der eher kleinen Olymp-Terra-Sternen-Linie angehörte und als Passagierschiff zwischen Terra nach Olymp pendelte.
Insgesamt 800 Passagiere konnte die THEBEN bei voller Auslastung der Kapazität fassen, hinzu kamen 217 Besatzungsmitglieder. In diesen Tagen befand sich jedoch der gesamte Tourismusmarkt in einer Krise. Nur 157 Passagiere hatten sich beim Start der THEBEN vom Aldebaran-Spaceport in Terrania City an Bord eingebucht.
Captain Harold Fatzar konnte sich bereits das Stöhnen des Reeders vorstellen. Seit der Dscherrokatastrophe schienen die Terraner nicht mehr so viel Geld für Reisen zu haben, was auch durchaus verständlich war. Die Bewohner Terranias kümmerten sich um den Wiederaufbau der Stadt und viele Euro-, Amerika-, oder Afroterraner hatten den Obdachlosen und Opfern große Spenden zuteilwerden lassen. Dafür mussten sie allerdings wieder anderweitig sparen.
Diese Krise hatte sich auf die ohnehin schon verschuldete Reederei niedergeschlagen. Die Folgen waren einige Kündigungen und Ausmusterungen. Die THEBEN stand ebenfalls auf der Schwarzen Liste. Der Chef der Linie gab Fatzar noch sechs Monate Zeit, bevor er auch die THEBEN aus dem Verkehr ziehen würde.
Der Kapitän selbst gehörte nicht zu den angesehensten Kommandanten der terranischen Passagierraumfahrt. Einst war er Erster Offizier auf dem Passagierliner EMPRESS OF OUTER STARS gewesen, doch die OTSL-Reederei hatte ihn mit viel Geld und einem Kommando gelockt, als ihm ein neuer Kapitän vor die Nase gesetzt wurde. Dass er jedoch auf dem alten Kahn THEBEN landete, hätte er sich nicht träumen lassen. Die THEBEN hatte immerhin stolze 123 Jahre auf dem Buckel. An allen Ecken und Enden des Rosteimers waren Reparaturen notwendig, die sich die Reederei jedoch nicht leisten konnte oder wollte. Fatzar hatte gedanklich die THEBEN abgehakt und suchte bereits nach Möglichkeiten, mit einem Haufen Galax ein neues Leben zu beginnen. Bisher fehlte ihm jedoch die zündende Idee.
Zusammen mit seinem ersten Offizier, dem Topsider Gavron Yark und dem Jülziisch von Gatas Zypülü, der die Ortung übernahm, saß er in der kleinen Kommandozentrale und zog genüsslich an einer Zigarette.
»Dann lasst uns mal los fliegen«, nuschelte er lustlos und schaltete die Bordsprechanlage ein.
»Meine lieben Passagiere, mein Name ist Harold Fatzar und ich bin der Kommandant der THEBEN. Wir starten soeben und erreichen in zwei Tagen Olymp. Diese zwei Tage werden für sie zu einem unvergesslichen, großartigen und erholsamen Ereignis. Ich möchte nochmals auf den tollen Service der OTSL hinweisen, jedes Crewmitglied steht euch für alle möglichen bescheuerten Fragen zur Verfügung, ihr könnt euch für wenig Geld total zukippen und jede Kabine hat sogar ein eigenes Klo, na wenn das nichts ist. Viel Spaß wünscht euch die Olymp-Terra-Sternen-Linie!«
Fatzar steckte sich wieder die Zigarette in den Mund und sah zu den beiden anderen in der Zentrale, die ihren Kapitän verblüfft anschauten.
»Was denn? Wir werden doch sowieso bald alle entlassen. Wenn wir und die OTSL Glück haben, enden wir wie die LONDON. Dann kriegt die Linie eine fette Versicherungssumme und wir haben es hinter uns ...«
*
Uthe Scorbit sah ihren Mann Remus verwundert an, nachdem sie die Ansage des Kapitäns gehört hatte. Remus konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
»So viel Service hatte ich dann doch nicht erwartet. Eine eigene Toilette, ich bin sprachlos …«
Die beiden wollten nach Olymp fliegen, um die Großeltern von Remus zu besuchen. Das Ehepaar hatte schon schwere Zeiten hinter sich gebracht. Sie waren Passagiere auf der LONDON II gewesen, die bekanntlich von dem arkonidischen Mascanten Prothon von Mindros entführt wurde. Dort hatten sie allerhand Abenteuer erlebt. Kurz nach der Entführung konnten beide zusammen mit dem terranischen Wissenschaftler Timo Zoltan entkommen. Sie waren in eine Raumzeitfalte geraten, in der sich eine Station der Casaro, einem schlangenähnlichen Volk, befunden hatte. Dort hatten sie ein Schlachtschiff des Solaren Imperiums entdeckt und waren mit dessen Crew unter dem Kommando von Joak Cascal und Sandal Tolk entkommen. Nachdem die Passagiere der LONDON einige Zeit später gerettet worden waren, hatten sich die beiden nach ihrer Rückkehr erst einmal ein paar Monate in New Roge, einem Dorf unweit von Terrania City, erholt. Nun mussten sie erneut eine Reise antreten.
Uthe hatte zuerst große Bedenken gehabt, noch einmal ein Raumschiff zu betreten. Sie fürchtete noch immer, dass wieder etwas passieren könne, doch Remus versicherte ihr immer wieder, dass es einen so großen Zufall nicht zweimal hintereinander geben könne.
Nachdenklich blickte sie auf ihr silbernes Multifunktionalchronometer am Handgelenk.
»Hoffentlich kommt Yasmin bald ...«
Damit meinte die junge Terranerin ihre beste Freundin, Yasmin Weydner, die ebenfalls an der Reise teilnehmen wollte. Remus war insgeheim nicht sonderlich davon begeistert, da er lieber mit seiner Frau eine harmonische Kreuzfahrt zu zweit unternehmen wollte und die ohnehin manchmal nervige Yasmin Weydner als störend betrachtete.
»Naja, wenn sie den Flug verpasst, können wir auch nichts dafür. Lass uns erst mal zu den Kabinen gehen. Falls sie doch noch aufkreuzt, findet sie sicher auch alleine den Weg zu uns«, meinte er und ging weiter.
Wenn ich Glück habe, dann nicht, fügte er schmunzelnd in Gedanken hinzu.
Die Empfangshalle wirkte nicht sonderlich ansprechend. Dunkelroter, schmutzig wirkender Teppich und blaue, teilweise verschmierte Wände beherrschten den Saal. Wenig Prunk, wenig Luxus. Das Schiff war ein ganz normales Transportschiff, welches den Titel Kreuzfahrtraumer kaum verdiente. Der Vorteil wurde jedoch beim Preis sichtbar. Die Passage mit der THEBEN kostete die Scorbits zusammen nur halb so viel, wie für jeden Einzelnen bei der LONDON II.
Nachdem die Scorbits eingecheckt hatten, begaben sie sich zu ihren Kabinen, die natürlich nicht so luxuriös eingerichtet waren, wie die auf der LONDON II, doch das war dem Ehepaar völlig egal, solange die THEBEN heil Olymp erreichte.
*
»Hey, seid etwas vorsichtig mit diesem Prachtstück!«
Besorgt blickte Jonathan Andrews auf den roten Gleiter, welcher mit einem Antigrav langsam in einen Frachtraum transportiert wurde.
»Keine Sorge, wir machen die Karre schon nicht kaputt«, murmelte ein in Andrews Augen wenig vertrauenerweckender Ertruser, der am Antigrav stand und den Gleiter lenkte.
Jonathan Andrews war ein 24-jähriger Terraner, der im Auftrag einer Gleiterfirma unterwegs war. Er sollte diesen Prototyp des XE-Thunder 1291 I, kurz XETY, sicher und unbeschadet nach Olymp bringen, dem Heimatplaneten des Kunden.
Andrews bedauerte es, dass er sich selbst nicht den XETY leisten konnte, denn Gleiter bedeuteten ihm vieles. Sie waren nicht nur wichtiger Bestandteil seines Berufes, sondern auch sein größtes Hobby. Für Jonathan gab es nichts Schöneres, als am Wochenende an seinem Gleiter, einem älteren Cliox herumzubasteln.
Beruhigt nahm der 1,80 Meter große Euroterraner die Beendigung der Verfrachtung des »Prachtstückes« zur Kenntnis. Anschließend ging er zu seiner Kabine, in der eine Überraschung in Form einer 1,55 Meter kleinen, blasshäutigen, attraktiven brünetten Terranerin auf ihn wartete.
»Yessica, was machst du denn hier?«, fragte Andrews total verblüfft.
»Ich wollte dich überraschen. Eigentlich war ich auf dem Weg nach Ferrol, da habe ich dich beim Verladen dieses tollen Flitzers gesehen und mir gedacht, ich begleite dich nach Olymp. Der alten Zeiten wegen ...«
Andrews schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, ob er sich freuen oder eher weinen sollte. Eine kurze Romanze verband ihn mit Yessica Brahzz, doch diese hatte er eigentlich, genau wie sie, ad acta gelegt.
Der Terraner ging ins Bad und zog sich eine andere Kombination an. Yessica schmiegte sich an ihn.
»Ich mag deinen kräftigen Körper«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Jonathan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er mochte es, wenn man ihm Komplimente machte.
Andrews war ein höflicher Mensch, der aber auch sehr direkt war, was ihm ab und zu übel genommen wurde. Er zeigte gerne, was er hatte und ließ jeden wissen, welch herausragende Taten er bereits vollbracht hatte. Er fühlte sich natürlich von solch einem Kompliment aus dem Mund einer attraktiven Frau bestätigt.
»Nur dein Bierbauch muss weg!«
Eingeschnappt löste sich Andrews vorsichtig aus der Umklammerung seiner Freundin und streifte sich ein neues Shirt über.
»Nun, ich bin müde und würde mich gerne für ein paar Stunden hinlegen. Wir sehen uns beim Abendessen, okay?«
Yessica lächelte verlegen und schaukelte mit ihrem Körper leicht hin und her.
»Da gibt es ein Problem ...«
»Und welches?«
»Naja, der Flug nach Ferrol wäre wesentlich billiger gewesen. Ich hatte nicht mehr soviel Geld und habe mich deshalb als deine Verlobte ausgegeben und musste so nur die Hälfte zahlen ...«
Andrews sah sie verwundert an, während er sich auf sein Bett legte und es sich gemütlich machte.
»Seit wann geben die hier Rabatt für Paare?«
»Seitdem diese dieselbe Kabine teilen ...«
*
Die beiden Scorbits waren gerade dabei, es sich in der Kabine gemütlich zu machen. Während Uthe die Sachen in die Schränke einräumte, fläzte sich Remus auf die Couch und sah Trivid. Auf allen Kanälen liefen Berichte über die Zerstörung des Planeten Sverigor durch die Mordred. Dabei wurde ebenfalls erwähnt, dass die Sverigen wohl an einer Geheimwaffe gearbeitet hatten, um die Menschheit genetisch auszurotten. Remus waren sowohl diese Mordred als auch die Sverigen unsympathisch. Sollten sie sich doch ruhig gegenseitig ausradieren. Das machte die Galaxis vermutlich ein Stück sicherer.
Die Suite war durchaus gemütlich, wenn auch bescheiden eingerichtet. Sie bestand aus zwei Räumen mit einer sanitären Nasszelle.
Links schwebte das große Doppelbett, daneben ragten metallische Schränke mit Holzvertäfelung aus der Wand. Im gegenüberliegenden Teil des Raumes befand sich ein großer gläserner Tisch, welcher rund 50 Zentimeter über dem Boden schwebte, zwei Sesseln und eine Couch aus Formenergie sowie diverse Multimediagerätschaften, wie einem Holoprojektor, Interkom, Musikwiedergabegerät und ein Interface zum Abruf von Daten aus dem Galaktonet.
Nachdem sich Remus endlich dazu aufraffte, seiner Frau beim Auspacken zu helfen, ging der Türsummer.
»Wer kann das nur sein ...?«, murmelte der Terraner und kannte bereits die Antwort. Er betätigte den Schalter neben dem Eingang. Das Schott glitt mit einem erstaunlich lauten Zischen und Ächzen zur Seite.
Ihn strahlten die großen blauen Augen einer etwa 1,65 Meter großen, leicht untersetzten Terranerin mit einer roten, gelockten Mähne und einem putzigen Gesicht an.
»Yasmin ...«, stellte Remus wenig begeistert fest.
Uthe warf ihm einen schrägen Blick zu. Sofort wurde der unfreiwillige Farmer überschwänglicher.
»Wie schön dich zu sehen!«
Die beiden schauten sich gegenseitig kurz in die Augen, dann fiel Yasmin ihrer besten Freundin um den Hals.
»Uthchen, Umarmchen! Sorry, dass ich so spät komme, aber ich hatte Probleme, den Raumhafen zu finden und dann noch dieses Schiff. Aber ich habe es dann doch noch geschafft.«
Wieder strahlte die junge Terranerin, die genauso wie Uthe in New Roge, einem bäuerlichen Dorf nahe Terrania City, aufgewachsen war.
Yasmin, fand Remus, war mit ihren weiblichen Rundungen durchaus attraktiv und nicht so zierlich wie Uthe. Was ihn jedoch störte, war ihr infantiles Verhalten.
Dennoch hatte sie eine erfrischende Art und Weise an sich, was selbst er nicht leugnen konnte.
»Ich gehe erst einmal in meine Kabine und packe alles aus. Wir treffen uns in einer Stunde beim Essen, Winkchen.«
So schnell, wie Yasmin gekommen war, war sie auch wieder aus der Suite der Scorbits verschwunden. Remus atmete kurz tief durch und wandte sich Uthe zu.
»Eine Stunde, hmm, die Zeit sollte man nicht ungenutzt verstreichen lassen«, sprach er zärtlich, da ging zum zweiten Mal der Türsummer. Einige Verwünschungen ausstoßend, lief Remus zur Tür und schlug auf den Öffner. Wieder gab das Schott einen knackenden Laut von sich. Die Apparatur musste vermutlich mal repariert werden.
»Was ist denn noch, Yasmin?«, wollte er wissen, doch nicht die junge Terranerin, sondern ein altes Ehepaar stand vor ihm.
Zuerst glaubte Remus an eine Halluzination, an einen Albtraum, an eine Pararealität, dann begriff er, dass diese beiden Menschen echt waren.
Ein Schrei des Entsetzens hallte durch die Kabine, den Uthe hochschrecken ließ. Besorgt eilte sie zur Eingangstür.
»Was ist denn los?«
»Guten Tag, wir sind die Braunhauers. Könntet ihr uns bitte einmal beim Tragen der Koffer helfen? Vatichen kann das nicht mehr so wegen seines Rückens. Er wurde ja im Cantarokrieg damals verschüttet. Seitdem geht das nicht mehr so, wie er will, und ich kann die schweren Koffer auch nicht mehr heben, seitdem ich gesehen habe, wie Frau Jarnus sich dabei einen Hexenschuss zuzog. Nein, also da hebe ich nichts mehr an. Dafür habe ich ja die jungen Leute, nicht? Ihr beide seht doch jung aus, ihr könnt doch ... Sagt mal, kennen wir uns nicht irgendwoher?«
Remus Scorbit blieb wie angewurzelt stehen, nachdem die Frau in ihrem schweren und schleppenden Tonfall ihre lange Rede beendet hatte.
Uthe verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Unbehagens. Sie konnte auch nicht verstehen, wie sie dieses Ehepaar ausgerechnet hier wiedertreffen konnte.
Karl-Adolf Braunhauer, ein herrischer, alter, melancholischer Rentner von erzkonservativer Gesinnung und einem ständigen Drang alles besser wissen zu müssen, der keinen Widerspruch duldete und seine Frau Ottilie, eine nervende alte Dame, die ständig in der Vergangenheit schwelgte und über ihre Leiden klagte, waren auch Passagiere an Bord der LONDON II gewesen und hatten die Entführung durch ihre Art nicht gerade leichter gemacht. Gerüchte besagten, dass einer der brutalen Casaro sich selbst umgebracht hatte, nachdem er eine Weile mit den gefangenen Braunhauers verbracht hatte.
Das kann ja heiter werden, sagte sich Uthe innerlich und blickte zu ihrem Mann hoch, der sich nur schwer von diesem Schock erholte.
»Ach, nun weiß ich es. Du bist doch der, na ... na ... der ... der ... Dings ... na, der Mann da von der ... naja, dem Ding, was durch das All fliegt und nach der Hauptstadt von Italien benannt wurde ...«
»Das war England, Ossi«, berichtigte Karl-Adolf und fasste sich ans Herz, womit er allen sein unendliches Leid demonstrieren wollte.
»Ach, ich verwechsle immer diese Planeten miteinander. Na, die LONDON II war es. Ich bin ja nicht dumm, nicht?«
Doch, dachte Remus und sagte: »Aber keineswegs, Frau Braunhauer.«
»Na, auf jeden Fall ist das aber ein Zufall, dass wir uns hier wiedertreffen. Wir sind nämlich hier, um die Cousine meines Mannes aus der Irrenanstalt abzuholen«, begann sie zu erzählen.
Abholen? Ich dachte, ihr gesellt euch zu ihr.
»Das ist doch die liebe Inge. Sie kommt jetzt in ein nettes ruhiges Heim hier in der Nähe. Ja, ja, habe ich euch schon die Geschichte von Weihnachten 1147 erzählt? Nein, sicher nicht. Also, da war es Weihnachten eben, und ich und Oma Ella wollten kochen. Da fiel ihr doch ein, Oma Ella ist übrigens die Mutter von Vatichen.« Die Frau hielt einen Augenblick inne, dann fuhr sie fort. »Was wollte ich jetzt sagen? Ach ja, da fiel Oma Ella, der Mutter von Vatichen, ein, dass wir noch Grünkohl machen sollten. Grünkohl zu Weihnachten! Das war ja was! Da stand ich damals in der Küche und habe Grünkohl gemacht und das zu Weihnachten. Also wirklich!
Dann kam es ja noch dicker. Dann kam die Inge in einem sooo feinen Kleid! Und ich stand in der Schürze da, weil ich ja Grünkohl zu Weihnachten machen sollte. Das war mir vielleicht wieder peinlich.«
»Nun rede nicht so viel Ossi, ich muss mich lösen. Nun schleppe mal die Koffer, junger Mann, ich habe nicht ewig Zeit!«, befahl Karl-Adolf Braunhauer herrisch.
»Ja, Sir!«, rief Remus, sodass alle in dem Korridor es hören konnten. Wütend nahm er drei der vier Koffer und schleppte sie in die gegenüberliegende Kabine. Offensichtlich gab es auf der THEBEN keine Servoroboter oder Antigravtransporter. Leider waren die Koffer selbst auch ohne Antigravmodul eingerichtet. Dabei waren die heutzutage spottbillig. Der moderne Koffer folgte dem Besitzer mittels eines Sensors und schwebte allein via Antigrav hinterher.
Uthe wollte den letzten Koffer nehmen, doch Karl-Adolf hielt sie zurück.
»Nein, mein Schatz, du musst das doch nicht machen. Das kann doch dein Mann machen«, sprach er freundlich und tätschelte ihr mehrmals auf die Hand, worüber Uthe wenig erregt war, im Gegensatz zu dem alten Rentner, der sie gierig ansah.
Ottilie Braunhauer stierte durch die Gegend, als sich Remus laut hüstelnd meldete.
»Wo ist die ID-Karte?«
»Was für ein Ding?«
»Die ID-Karte für die Suite.«
»Ach, die hat Vatichen.«
Der alte Terraner aus der großen europäischen Metropole Berlin suchte in seiner Tasche vergeblich die Karten. Es entbrannte eine Diskussion darüber, wo er nun die ID-Karte hin gepackt hatte. Remus schien einem Nervenzusammenbruch nahe. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte Karl-Adolf Braunhauer die ID-Karte endlich gefunden. Sie steckte in seiner Hosentasche. Im Tempo einer Schnecke schlich der Rentner zur Tür und steckte zitternd die Karte in die Öffnung. Natürlich kommentierte er jede Bewegung mit einem lauten Stöhnen und fasste sich ans Herz oder an den Rücken.
Nachdem Remus alle vier Koffer abgeladen und die Braunhauers keine Befehle mehr für ihn hatten, schleppte er sich erschöpft in seine Kabine und ließ sich auf das Bett fallen.
»Warum ausgerechnet die? Von mir aus hätte Prothon da Mindros oder der Anführer der Casaro an Bord der THEBEN sein können, aber nicht die!«
Uthe setzte sich neben ihren Mann und streichelte ihn zärtlich.
»Wir sehen sie doch nur zwei Tage«, versuchte sie ihn zu beruhigen.
»Nur zwei Tage ...«, sprach er langsam nach. »Wer weiß, was sie alles in der Zeit anrichten.«
*
Jonathan Andrews hatte kaum Schlaf gefunden, denn Yessica hatte einfach nicht locker gelassen, ihn zu bezirzen. Noch konnte sich Andrews erfolgreich den Reizen dieser Frau erwehren, doch allmählich grübelte er darüber nach, ob er das eigentlich wollte.
Was er auf alle Fälle wollte, war erst einmal gut und reichlich essen. Deshalb ging er zusammen mit seiner vermeintlichen Romanze in das Bordrestaurant.
Jonathan hatte einen Platz am Kapitänstisch und bekam sehr bald die zweifelhafte Ehre, Bekanntschaft mit den Kommandanten des Schiffes zu schließen, der natürlich wieder eine Zigarettenkippe im Mundwinkel hängen hatte.
Ebenfalls am Tisch waren die Scorbits, die Braunhauers und sechs weitere Personen. Einer von ihnen war Vulfgersh, ein blauhäutiger, rothaariger, ferronischer Unternehmer im Finanzwesen. Vulfgersh war in teuren Zwirn gekleidet und wirkte in Andrews Augen bestenfalls wie ein Spießer.
Rechts von ihm thronten zwei Epsaler. Bjordahl Sott und dessen Mutter Regy. Andrews hoffte, niemals mit den beiden wohl beleibten Umweltangepassten in einem engen Raum festzusitzen.
Links neben Vulfgersh befand sich das Ehepaar Urksmarzk. Sie stammten von einem recht unbekannten Volk, den fischartigen Col’Phall, die auf Wasserwelten in der Eastside lebten und in den letzten Jahrzehnten durch Geschäfte mit den Jülziisch für galaktisches Interesse sorgten. Col’Phall lebten zwar im Wasser, hatten aber auch Lungen und waren so in der Lage, längere Zeit in feuchten Gebieten zu überleben.
G‘Urksmarzk und seine Frau S’Urksmarzk waren Fischer und Händler. Es gab seltene Mineralien auf dem Heimatplaneten Col’Phall’Wet. Zudem existierten dort Krabben und Krebse, die eine Delikatesse bei den Terranern und Arkoniden waren. Offenbar gehörten die Urksmarzk zu jenen Händlern und Fischern der Delikatessen.
Jedoch wirkten die beiden aufgrund ihrer Physiologie auf Andrews extrem befremdlich. Das lag natürlich nicht daran, dass sie aussahen, wie ein terranischer Fisch, sondern hauptsächlich, dass sie ihre Geschlechtsteile unter dem Kinn trugen. Was mit viel Fantasie wie ein Spitzbart aussah, war in Wirklichkeit der Penis bei G’Urksmarzk. Seine Frau S’Urksmarzk hatte hingegen eine Öffnung am Hals.
Die letzte Person saß direkt neben den Scorbits und hieß Yasmin Weydner. Andrews fand die Rothaarige durchaus attraktiv.
Harald Fatzar erhob sein Glas.
»Ja, Leute, ich heiße euch herzlich willkommen an Bord der edlen und einmaligen THEBEN, einem Schiff, wogegen die EOS und LONDON verblassen würden, wenn sie noch könnten.«
Fatzar lachte glucksend. Sein Witz kam jedoch nicht besonders an, besonders nicht bei den Scorbits.
Jonathan Andrews ergriff das Wort.
»Ich danke dir, Harold, für die freundliche Begrüßung, ich bin sicher, dass ...«
Jonathan verschlug es kurzzeitig die Sprache, als er sah, wie der Zigarettenstummel in das Bierglas des Kommandanten fiel und er anschließend das Glas in einem Zug leerte.
»Wie dem auch sei, ich bin sicher, wir sind hier in guten Händen und verleben zwei unvergessliche Tage auf die eine oder andere Weise.«
Zwei Blues servierten die Speisen. Hungrig stürzte sich Jonathan Andrews auf die Delikatessen.
»Sehr lecker«, stellte er zufrieden fest und verzehrte das zarte Fleisch, welches von Käse überbacken war. »Was genau ist das?«, wollte er weiter wissen.
»Oh, das ist zalitisches Rindergehirn überbacken mit Käse in einer delikaten Pilzsoße von Ferrol«, beantwortete der Blue wahrheitsgemäß.
Uthe Scorbit spuckte das Fleisch sofort aus und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Getränk. Auch Yasmin verzog das Gesicht und schob den Teller langsam von sich weg.
»Darf ich das haben?«, fragte der Epsaler Bjordahl Sott und schaute dabei gierig auf die Teller der beiden Frauen.
»Bitte greif ruhig zu«, meinte Uthe und deutete auf den Teller.
Ottilie Braunhauer räusperte sich.
»Also mir schmeckt es. Hauptsache, es ist nicht zu fett, denn zu fette Sachen mag Vatichen nämlich nicht.«
Karl-Adolf warf seiner Frau einen zustimmenden Blick zu.
»Mir mundet das hier so lieblich zubereitete Gericht auch sehr«, sprach er geschwollen, womit er seinen nicht vorhandenen Intellekt vortäuschen wollte.
Yasmin, die angewidert Bjordahl Sott zusah, wie er das Hirn des Tieres in sich hinein stopfte und dabei genüsslich schmatzte, bemerkte, wie Uthe misstrauisch in ihrem Salat herumstocherte.
Als sie die fragenden Blicke des Kommandanten bemerkte, legte sie die Gabel zur Seite und lächelte verlegen.
»Ach, ich wollte nur nachgucken, ob da auch etwas Gehirn drin ist«, erklärte sie der Runde.
Fatzar schüttelte den Kopf.
»Nein, nur ein paar Muuhrt-Würmer.«
»Alles klar, ich faste heute.«
Bjordahl Sott blickte gierig auf Uthe Scorbits Teller herüber, die sofort verstand und den Salat auch dem Nimmersatt herüberreichte.
»Habe ich eigentlich von meinem Hammerzeh erzählt?«, fragte Ottilie Braunhauer.
Nur Remus Scorbit wusste, was da auf ihn zukommen würde. Ottilie Braunhauer rückte mit dem Stuhl etwas zurück und zog ihren Schuh aus. Sie zeigte ihren verkrumpelten Zeh jedem, der ihn sehen oder auch nicht sehen wollte.
Nun war auch Remus Scorbit und Johnny Andrews der Appetit vergangen. Uthe ergriff die Initiative und nahm Yasmin bei der Hand.
»Wir gehen noch etwas shoppen. Vielen Dank, Kapitän, für das Abendessen.«
Remus sah seiner Frau erstaunt hinterher und überlegte, welche Ausrede er sich einfallen lassen könnte.
»Jonathan, was hältst du davon, wenn wir mal an der Bar einen Drink nehmen?«
»Von mir aus auch zwei«, sagte Andrews, als er den Geschichten der Rentnerin zuhörte, deren Stimme immer schleppender wurde, je mehr Vurguzz sie trank.
Remus Scorbit und Jonathan Andrews setzten sich an die Bar und bestellten bei der attraktiven Barfrau einen Whiskey. Jonathan war sofort von der bildhübschen Terranerin fasziniert, welche goldblonde schulterlange Haare und eine atemberaubende Figur besaß. Die beiden verbrachten etliche Stunden an der Bar, bevor sie sich entschlossen, den Abend in Andrews rotem Gleiter zu beenden. So torkelten sie in den Frachtraum, wo sie bei lauter Musik die restlichen Flaschen bis in die Morgenstunden leerten.
Harold Fatzar war gerade aufgestanden. Wie jeden Morgen empfand er es als viel zu früh. Wider Willen schleppte sich der Terraner in die Kommandozentrale, wo bereits der Blue und der Topsider an der Arbeit waren.
»Kapitän, da ist was«, meinte Zypülü und deutete auf den Ortungsschirm. Fatzar schlurfte, nur mit einem Unterhemd und einer Hose bekleidet, zu dem Blue und betrachtete das Objekt auf dem Bildschirm.
»Was ist das?«, wollte er wissen und schlürfte seinen Becher Kaffee aus.
»Ich würde sagen ein fremdes Raumschiff. Die Trapezform ist uns nicht bekannt. Deshalb fremd«, erklärte der Gataser.
»Na und?«
»Es verharrt an seiner Position. Wir orten kein Leben, empfangen kein Funkverkehr. Es ist auch kein Schutzschirm aktiviert.«
Harold kratzte sich am Hinterkopf und gähnte laut, wobei ihm wieder die Kippe in sein Getränk fiel.
»Also ein Geisterschiff. Glaubst du, da ist etwas Wertvolles zu holen?«
»Vielleicht ...«
Der Terraner blickte zu dem Topsider herüber, der sich bis jetzt aus der Diskussion heraus gehalten hatte.
»Nachsehen«, schlug Gavron Yark vor.
Fatzar dachte kurz nach, dann ließ er den Antrieb ruckartig stoppen. Er griff zum Interkom und sprach eine Nachricht an die Passagiere: »Sehr verehrte Damen und Herren, wir machen einen unplanmäßigen Zwischenstopp. Es besteht kein Grund zur Panik. Bis zum Mittag sind wir wieder unterwegs, danke!«
Er fragte den Blue nach den aktuellen Koordinaten. So wollte er berechnen, wie viel Zeit sie hatten.
»Die aktuellen Koordinaten sind ... äh. Naja, da muss ein Fehler vorliegen.«
»Quatsch nicht rum. Rede!«
»Wir befinden uns irgendwo zwischen der Milchstraße und Andromeda.«
*
Remus Scorbit hatte im Halbschlaf die Nachricht gehört. Mühevoll öffnete er die schweren Augenlider und blickte sich in der Kabine um. Er entdeckte nirgendwo seine Frau. Nach einer Weile gelang es ihm, sich aufzurichten und aus dem Bett zu steigen. Der Schädel brummte gewaltig und auch ein flaues Gefühl im Magen machte sich breit.
»Ich hätte das Bier zwischendurch nicht trinken sollen ...«, murmelte der Terraner zu sich selbst und schlich zum Bad.
Auf dem Weg dorthin fand er auf der Kommode eine Nachricht von Uthe. Sie war im Vergnügungstrakt des Schiffes und schien dort ein Sonnenbad unter der kleinen Kunstsonne zu genießen.
Es klingelte an der Tür. Remus traute sich gar nicht aufzumachen, denn wahrscheinlich waren es die Braunhauers. Wieder summte der Ton auf. Der Besucher schien nicht locker zu lassen.
»Ich komme ja schon«, rief er laut und öffnete die Tür. Der Besucher entpuppte sich als Jonathan Andrews.
»Guten Morgen, hast du auch die Ansage des Kommandanten gehört? Sehr seltsam, oder?«, begann Jonathan forsch.
Remus war sichtlich verwundert, wie fit der junge Terraner war, obwohl er genauso viel getrunken hatte, wie er selbst.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte Andrews freundlich und trat in die Kabine ein.
Remus brummte nur laut und schüttelte mit dem Kopf, was ihm wieder Schmerzen bereitete.
Andrews schmunzelte.
»Ich hatte noch eine gute Nacht. Ich habe mich von Yessica verführen lassen. Aber um ehrlich zu sein, bereue ich es schon wieder etwas. Sie ist wirklich nichts für mich.«
»Na dann ...«
Remus schlurfte in die Küche und suchte nach einem erfrischenden Getränk. Er kramte in dem Kühlschrank herum und fand eine Flasche Orangensaft. Dann dachte er wieder über die Worte von Jonathan Andrews nach.
»Wie meinst du das eigentlich? Vielleicht ist ja irgendetwas mit dem Schiff nicht in Ordnung, oder es wird von einem wahnsinnigen arkonidischen Mascant entführt«, sinnierte Remus bei seinem Glas Saft, welches er nun sehr genoss.
Andrews winkte ab.
»Nein, ich denke, dass vielmehr das unbekannte Raumschiff für unseren Zwischenstopp verantwortlich ist, welches mit sehr geringer Geschwindigkeit an uns vorbeizieht.«
»Wie kommst du darauf?«
»Seit dem Zwischenstopp hat die THEBEN ihre Geschwindigkeit jener des Raumschiffes angepasst.«
Remus nickte langsam mit dem Kopf.
»Was machen wir nun?«
»Wir gehen zu diesem Fatzar und sprechen mit ihm darüber. Mich interessiert es brennend, was an diesem Raumer dran ist«, erklärte Andrews und war bereits auf dem Weg aus der Kabine.
Scorbit zog sich schnell etwas über und hastete seinem Freund hinterher, der forschen Schrittes zur Kommandozentrale lief.
*
In der Zentrale waren Fatzar, Yark und Zypülü bereits damit beschäftigt die Ausrüstung für den Besuch auf dem Trapezraumschiff zusammenzustellen.
»Einen Moment! Wir wissen, dass ihr zum Raumschiff wollt. Ihr braucht es gar nicht abzustreiten«, begann Andrews selbstsicher.
Die drei Crewmitglieder der THEBEN sahen sich verwundert an.
»Du hattest doch gesagt, niemand würde Wind von der Sache bekommen«, zeterte der Jülziisch los und bestätigte somit Andrews Theorie.
Fatzar wäre seinem Orter am liebsten an den dünnen Hals gegangen. Stattdessen riss er sich aber zusammen und wandte sich den beiden ungebetenen Gästen zu.
»Was wollt ihr?«
»Hat niemand mit diesem Raumer Funkkontakt aufgenommen?«, wollte Remus wissen und sah sich das Raumschiff auf dem Ortungsbildschirm. Es kam ihm befremdlich bekannt vor.
»Nö, wieso auch? Es funkt uns auch nicht an. Wir haben keine Lebensformen geortet«, erklärte Fatzar gleichgültig.
»Vielleicht sollten wir es mal probieren?«, schlug Andrews vor.
Doch damit stieß er nur auf Widerwillen beim Kommandanten. Offenbar hoffte die Crew auf ein verlassenes Schiff, um sich an den Habseligkeiten der Besatzung bereichern zu können. Da waren sie ja auf einem feinen Schiff gelandet. Andrews schwor sich, das nächste Mal etwas mehr für eine Kreuzfahrt zu bezahlen.
»Wir sollten schleunigst unseren Weg nach Olymp fortsetzen. Ich weiß jetzt, wo ich das Raumschiff schon einmal gesehen habe. Die Casaro verwenden solche Bautypen«, erklärte Remus.
Doch niemand bis auf Andrews schien ein Lichtlein aufzugehen. Andrews wusste von dem geheimnisvollen Volk, welches in einer Raumzeitfalte Joak Cascal und die VIVIER BONTAINER sowie wohl eine Vielzahl Terraner aus verschiedenen Epochen entführt und observiert hatten. Die Raumzeitfalte wurde vor wenigen Monaten vernichtet. War das vielleicht ein Rettungsraumschiff gewesen?
»Wäre es möglich, dass ein Raumschiff dieser Schlangenwesen sich ohne Crew abgesetzt hat, als die Raumzeitfalte zerstört wurde?«, sprach Andrews seine Vermutung laut aus.
Doch Remus schüttelte den Kopf.
»Und dann legt es, natürlich rein zufällig, den weiten Weg bis in die Milchstraße zurück?«, wandte Remus ein.
»Wir befinden uns nicht mehr in der Milchstraße«, sagte Yark trocken.
»Was?«, stießen Andrews und Scorbit gleichzeitig aus.
Fatzar fühlte sich wohl genötigt, zu antworten.
»Warum wissen wir auch nicht. Aber wir sind wohl über Nacht in den Leerraum zwischen Andromeda und der Milchstraße versetzt worden.«
»Dann mit Höchstgeschwindigkeit zurück. Wir sollten dieses Raumschiff meiden. Die Casaro …«
»Jaja, schon klar. Wollt ihr mit oder nicht? Wir gehen jetzt«, entschied Fatzar.
Remus sah Jonathan vielsagend an.
»Mir gefällt das nicht. Aber vielleicht können wir größeres Unheil verhindern, wenn wir mitgehen«, meinte Scorbit.
Andrews war einverstanden. Zusammen mit den drei Crewmitgliedern der THEBEN machten sie sich auf den Weg zur Space-Jet und flogen das unbekannte Flugobjekt, welches vermutlich ein Raumschiff der Casaro war, an.
Die Space-Jet steuerte langsam auf das Raumschiff zu. Die Crew lokalisierte eine Schleuse. Zwar war sie nicht kompatibel mit den Standardschleusen, doch durch den Einsatz von Energiefeldern und Formenergie konnten sie andocken.
Gavron Yark holte fünf Thermogewehre aus einem Schrank und verteilte sie unter den Mitgliedern des Erkundungstrupps.
»Sicher ist sicher, wir wissen nicht, was uns in der Station erwartet«, erklärte der Topsider, während der das Gewehr entsicherte.
»Doch, das wissen wir. Casaro!«, stellte Remus demonstrativ klar.
Was tat er hier eigentlich? Wieso wurde ausgerechnet die THEBEN plötzlich zu einem Casaroraumer versetzt? Das konnte doch kein Zufall sein. Vielleicht wäre die beste Lösung, die drei Idioten von den Casaro umbringen zu lassen und mit der THEBEN so schnell wie möglich abzufliegen. Doch welche Chance hatten sie? Wenn die Casaro sie hätten töten wollen, hätten sie es bereits getan. Ihre Technologie war denen der Terraner weit überlegen. Jedenfalls ganz gewiss der Technik der abgewrackten THEBEN.
Vielleicht suchten sie neue Versuchsobjekte? Vermutlich würden die Psychologen der Casaro an seiner Frau Uthe, und erst an deren Busenfreundin Yasmin, viel Freude haben. Remus wusste sich nicht, wovor er sich mehr fürchten sollte. Vor möglichen Casaro an Bord des Raumschiffes oder der Standpauke seiner Frau, wenn er wieder zurückkehrte.
Falls er wieder zurückkehren würde ...
Die Ladeluke öffnete sich und Fatzar stieg als Erster aus. Er aktivierte den Orter und einen Scheinwerfer am Serun. Der Mikrogravitator des Raumanzuges glich die geringe Schwerkraft des fremden Raumschiffes aus. Als Zweiter folgte Gavron Yark, danach Scorbit und Andrews. Als Letzter traute sich der Jülziisch Zypülü hinaus.
»Boss, wie wäre es, wenn wir uns diese Sache doch noch mal durch den Kopf gehen lassen? Ich finde das hier alles ziemlich unheimlich ...«
»Halt die Klappe«, brummte Fatzar zurück und ging festen Schrittes durch den Korridor. Gavron Yark hielt sein Gewehr schussbereit. Das Tor zum nächsten Raum war verschlossen.
Yark zielte auf den Kontrollkasten, doch Andrews hielt den Topsider vom Schuss ab. Stattdessen holte er ein paar Schraubenzieher und Magnetkarten aus seiner Tasche und öffnete den Schaltkasten. Scorbit assistierte ihm dabei und in kurzer Zeit konnten sie das Tor öffnen.
Andrews lächelte den Topsider breit an und sagte: »Wir sollten hier mit etwas mehr Gehirn vorgehen.«
»Weiter jetzt«, rief Fatzar und eilte durch den Eingang.
Nachdem der Erkundungstrupp den Schleusentrakt passiert hatte, schloss sich automatisch das Außenschott. Daraufhin öffnete sich eine weitere Luke, die zu einer weiteren Kammer führte. Diese wurde mit Luft gefüllt. Diese war, zumindest nach den Angaben des Pikosyns, atembar. Allerdings wagte es keiner von ihnen, den Falthelm zu segmentieren.
Jonathan war schließlich der Erste, der den Mut zusammenbekam, den Projektionshelm zu deaktivieren. Dann folgten Yark, Scorbit und Fatzar. Nur Zypülü behielt weiter den Verschlusszustand bei.
Das Raumschiff wirkte düster und verlassen. Die Wände waren schwarz, mit einer alten, vermoderten Biomasse überzogen, die Korridore wirkten dunkel und unheimlich.
»So sah es auf der LONDON II auch aus. Nur war die organische Materie frischer«, erklärte Scorbit.
Die Fünf erreichten schließlich einen großen Raum, der wohl so etwas wie eine Kommandozentrale darstellte. Jonathan Andrews versuchte, sich mit den Anlagen vertraut zu machen. Er war zwar kein Wissenschaftler, hatte jedoch einen überdurchschnittlichen technischen Sachverstand. Der Raum war kreisförmig angelegt. In der Mitte standen etliche Pulte, anscheinend Kontrollkonsolen. Direkt vor ihnen war ein großer Monitor, rechts daneben verlief ein weiterer Gang zu einem Nebenraum. Aus dem Raum flackerte es bläulich. Yark und Fatzar schlichen langsam durch den Gang und leuchteten hinein.
»Das müsst ihr euch ansehen«, rief er zu den anderen, die auch prompt folgten.
Andrews, Scorbit und Zypülü verschlug es die Sprache. Als Erstes nahmen sie das Energiefeld wahr, welches dunkelblau leuchtete, dann die Leichen von drei Reptilienwesen, die Scorbit eindeutig als Casaro identifizierte. Zuletzt richtete sich der Blick auf das Innere des Energiefeldes.
»Ein Haluter«, stellte Scorbit überrascht fest.
»Vielmehr die Leiche eines Haluters«, ergänzte Jonathan und ging näher zum Energiefeld. Die drei Augenlider des 3,50 Meter großen schwarzhäutigen Giganten waren geschlossen. Die vier Arme waren vom Körper weggestreckt. Der rote Kampfanzug war an einigen Stellen verbrannt und aufgerissen, was auf einen Kampf hindeutete.
»Seht euch doch einmal genauer um«, meinte Fatzar und blickte durch den Raum.
Tatsächlich waren auch hier Spuren eines Kampfes feststellbar. Am anderen Ende des Raumes klaffte ein großes Loch.
Während Zypülü wieder zurück in die Kommandozentrale ging, kletterten die anderen vier durch das Loch und entdeckten eine große Kammer.
In dieser Kammer arbeiteten noch einige Aggregate, die an etwa zwei Meter große Behälter angeschlossen waren. Andrews ging näher heran. In den meisten lagen humanoide Körper im Verwesungsstadium herum.
»Was zum Teufel ist das hier?«, murmelte Jonathan und betrachtete eine Kammer nach der anderen. Jede bot dasselbe Bild.
»Die sind vermutlich erst seit Juli diesen Jahres tot und modern jetzt langsam vor sich hin«, stellte Scorbit bedrückt fest.
»Hier, hier sind noch welche intakt«, rief Gavron.
Sofort eilten die anderen zu dem Topsider, der vor einer Kammer stand, bei dem das Aggregat noch zu funktionieren schien.
»Leicht verwest sieht der aber auch schon aus«, meinte Jonathan Andrews, als er den alten Menschen vor sich sah. Er war gekleidet, als ob er von einem Kostümball kam. Das weiße Hemd mit Rüschen verziert, darüber ein roter Mantel mit goldenen Knöpfen. Die Hose war schwarz. Die weißen Strümpfe gingen bis zu den Knien. Feine Schuhe mit einer goldenen Schnalle rundeten das Bild eines Edelmannes aus längst vergessenen Tagen ab.
Andrews musste an alte Historienfilme denken. Oder an Dokumentationen über Perry Rhodans Sohn Michael und die einstigen Freihändler von Olymp. So sah dieser Mann in Stase auch aus.
»Was machen wir mit denen?«, wollte nun Gavron wissen.
»Zwei Möglichkeiten, entweder wir wecken das Wesen, oder wir nehmen den Behälter mit«, meinte Andrews und suchte nach einigen Schaltern, blieb jedoch erfolglos.
»Das kommt nicht infrage! Wir lassen den Typen hier. Was sollen wir denn mit dem?«
Fatzar war wütend. Er hatte sich wohl viel mehr erhofft, vielleicht einen Schatz, aber bis jetzt hatte er nur Leichen gefunden und einen uralten Terraner.
»Dieser Mensch lebt noch. Wir können ihn unmöglich hier liegen lassen. Irgendwann würde sich der Energievorrat der Aggregate erschöpfen, dann müsste auch er sterben!«
Harold zündete sich eine seiner heiß geliebten Zigaretten an und nahm einen kräftigen Zug. Dann nickte er wortlos. Andrews machte sich sofort an die Arbeit. Er lief wieder zur Kommandozentrale und versuchte dort eine Kontrollkonsole für die Kammern zu finden.
»Hey, Leute, ich hab was!«, schrie Zypülü laut.
Sofort rannten Fatzar und Yark zu dem Blue, der in einen weiteren Nebenraum etwas gefunden hatte.
Die Augen des Kapitäns leuchteten auf, als er das viele Gold, Silber und die vielen Diamanten sah. Ein Pfiff der Begeisterung hallte durch den gewaltigen Saal.
Diese Reichtümer stammten aus vielen Epochen der Terraner. Vermutlich hatten die Casaro, als sie die Terraner entführt hatten, gleich noch einige wertvolle Materialien aus dieser Zeit mitgenommen. Der Wert der Gold- und Silbermünzen, der Schmuckstücke und Diamanten musste in die Milliarden gehen.
»Das kriegen wir alles gar nicht in die Space-Jet. Gavron, Zypülü, kehrt zur THEBEN zurück und dockt mit ihr an den Raumer an. Und sagt den Passagieren, dass wir hier wissenschaftliche Untersuchungen durchführen.«
Endlich war Harold Fatzars Traum in Erfüllung gegangen. Bald war er ein gemachter Mann. Er brauchte nun nicht mehr virtuelle Frauen aus Formenergie, sondern konnte sich echte Damen leisten, während er an den weißen Stränden von Hendro-Luxux liegen und Vurguzz-Likör in sich schütten würde.
Scorbit hingegen warf einen Blick auf die Leiche des Haluters. Irgendetwas kam ihm seltsam vor, er wusste jedoch nicht genau was. Es war einfach ein ungutes Gefühl.
Zwei Wissenschaftler, die eigentlich auf dem Weg nach Olymp zu einer Tagung waren, sowie der Schiffsarzt wurden auf das Casaroschiff gebracht, während Gavron und Zypülü heimlich den gefundenen Schatz zur THEBEN transportierten. Fatzar beschwichtigte noch einmal die Passagiere über Interkom und informierte Uthe Scorbit in einer schriftlichen Mitteilung, dass sich ihr Mann an Bord des Casaroraumers befand. Den Fund des Schatzes verschwieg er jedoch, sowohl seiner Crew als auch gegenüber den Passagieren. Je weniger davon wussten, desto besser.
Remus Scorbit und Jonathan Andrews wurde ein zehnprozentiger Anteil versprochen, damit sie schwiegen. Beide wussten nicht, ob sie sich an die Vereinbarung halten würden, wollten jedoch den versprochenen Anteil auch nicht sausen lassen.
Remus hätte ausgesorgt und könnte sich und Uthe jeden Wunsch erfüllen, Jonathan könnte sich endlich seinen Traumgleiter kaufen. Doch beide plagten die ungeklärten Fragen zu dem Schiff der Casaro. Inzwischen hatten die Wissenschaftler insgesamt vier intakte Kammern gefunden.
Alle waren bereits etwas älter, insbesondere der erste Fund. Der Schiffsarzt, Doktor Wallik, ein gedrungener, grauhaariger Plophoser untersuchte die Stasiskammern und machte einige Tests. Ungeduldig erkundigte sich Jonathan nach dem Stand der Untersuchungen.
»Nun, ich bin mir inzwischen sicher, dass wir die Kammern öffnen können. Es ist kein Problem die Personen zu retten«, erklärte der Wissenschaftler.
Andrews pfiff laut durch die Zähne.
»Doc, fang an.«
»Sicherlich, doch dazu muss ich in die Zentrale. Dort müsste sich ein Mechanismus zur Desaktivierung der Kammern befinden.«
Sofort stürmten die drei Doktoren an die Anlagen und versuchten den richtigen Schalter zu finden. Wie kleine Kinder kamen sie den beiden Terranern vor, als sie mit strahlenden Augen an den Geräten herumspielten und mit heller Begeisterung die Resultate sahen und darüber diskutierten.
Plötzlich schrie einer der Wissenschaftler laut auf.
»Ich habe den Schalter«, jubelte er und drückte wie wild auf den Tasten herum.
»Kommt mal schnell her. Da tut sich was«, rief Fatzar aus der Space-Jet via Interkom.
Scorbit, Andrews und die drei Wissenschaftler eilten zurück zum Raumschiff. Auf dem Monitor sahen sie, wie sich ein kreisrundes Energieportal hinter der THEBEN aufbaute. Es hatte einen Durchmesser von 280 Metern und bewegte sich auf die THEBEN zu. Schließlich umschloss es die THEBEN und das Raumschiff verschwand in dem wabernden lila dieses unbekannten Etwas.
Einfach weg!
»Was? Wo?«, stammelte Harold Fatzar fassungslos.
Auch Scorbit und Andrews konnten nicht glauben, was da passiert war.
Das runde Portal schwebte nun vor dem Raumschiff der Casaro und bewegte sich nicht.
»Wo ist sie hin?«, wollte Andrews wissen und rüttelte Wallik an der Schulter.
»Ich weiß es nicht. Womöglich war das ein Transmitter, der sie abgestrahlt hat. Ich versuche, die Koordinaten zu bestimmen.«
»Beeilung!«
»Nichts!«
»Das ist ein Transmitter. Das sieht mir so aus, wie ein Sternenportal. Als wir damals in die Raumzeitfalte versetzt wurden, hatte ich auch so etwas gesehen«, resümierte Scorbit.
»Das bedeutet, die THEBEN befindet sich jetzt in einer Raumzeitfalte?«, wollte Andrews wissen.
»Ich weiß es nicht.«
Die Männer kehrten zu den Stasiskammern zurück und versuchten ihre Überraschung zu verdauen.
Plötzlich öffneten sich auch die Stasiskammern und das Energiefeld um die Leiche des Haluters brach zusammen.
Die drei Terraner eilten zu den Kammern und sahen nach den vier Menschen, die sich langsam regten.
Die Medoroboter kümmerten sich unverzüglich um die vier Terraner und gaben ihnen stabilisierende Medikamente.
»Doc, was ist mit der THEBEN?«, rief Jonathan Andrews durch den Raum.
»Ich kann nichts machen. Wenn es ein Portal ist, müssen wir wohl selbst hindurch ...«
»Na wunderbar!«
»Das müssen wir riskieren. Meine Frau ist auf der THEBEN. Vielleicht schwebt sie in Gefahr«, meinte Scorbit ernst.
Andrews stimmte vorbehaltlos seinem Freund zu und begann seine Ausrüstung zusammenzupacken, doch Harold Fatzar hatte einige Einwände. Er wollte zuerst noch etwas Gold auf die Space-Jet laden, dann nach Terra fliegen und die Regierung über den Zwischenfall informieren. Der gierige Terraner war auf jeden Fall nicht dazu bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen.
Doch auch Doktor Wallik riet zur Vorsicht. Zuerst wollte er mehr über die das Raumschiff der Casaro herausfinden. Es konnte auch sein, dass der Transmitter oder dieses Portal in eine Sonne oder in den leeren Raum führte, weitab von der Milchstraße oder einen anderen zivilisierten Punkt des Universums. Wallik hegte die Vermutung, dass dieses Portal durch das Raumschiff aktiviert wurde. Remus hatte jedoch seine Zweifel, denn damals waren andere Kräfte für ihren Transport in die Raumzeitfalte verantwortlich gewesen.
Einer der Medoroboter unterbrach ihre Beratung.
»Sir, die vier Terraner sind bei Bewusstsein und möchten mit euch sprechen.«
»Haben sie schon etwas gesagt?«, wollte Andrews wissen.
»Das ist das Problem, wir können die Sprache nicht identifizieren.«
*
Verwundert sahen sich Andrews und Scorbit an und begaben sich in den Raum mit den Kammern. Dort waren provisorisch vier Liegen aus Formenergie aufgestellt. Einer der Leute, der alte Mann, den man als Erstes entdeckt hatte, war bereits auf den Beinen. Sein Gesicht war runzelig und eingefallen. Lange weiße Haare hingen wie abgestorben vom Haupt. Jonathan dachte sich, dass so ein Zellaktivatorträger nach Verlust seines Lebensspenders kurz vor seinem Ableben aussehen musste.
»¿Dónde estoy?«, fragte der Terraner in einer für die Menschen aus der Neuen Galaktischen Zeitrechnung nicht bekannten Sprache.
»Wie belieben?«
»¿Dónde estoy? ¿Quién sois?«
»Äh ...?«
Andrews sah fragend zu den anderen, doch auch sie kommentierten die Worte nur mit einem ratlosen Schulterzucken.
Remus wandte sich dem alten Mann zu.
»Sprichst du kein Interkosmo?«
»¿Qué es Interkosmo?«, krächzte der Terraner aus vergangenen Tagen, wenn man die antike Kleidung als Grundlage nahm.
Scorbit seufzte laut und war ebenso ratlos, wie die anderen. Der alte Mann wanderte durch den Raum und betrachtete die Anlagen. Er war sichtlich beeindruckt.
»¡Qué castillo impresionante! ¿Sois ingleses, franceses o alemanes?«
Jonathan schüttelte nur den Kopf.
»Ich verstehe kein Wort von dem Kauderwelsch«, brummte Fatzar wütend und lief auf den alten Mann zu und packte ihn am Kragen.
»Sprich endlich Interkosmo, du alter Sack!«
Andrews und Scorbit rissen den Kommandanten der THEBEN von dem alten Mann los, der sich an den Hals fasste, sich dann jedoch erbost und furchtlos vor Fatzar stellte und ihn böse anblickte.
»No arriesga de tocarme! No sabéis qiuén soy yo? Soy el Marqués Don Philippe Alfonso Jaime de la provincia española Siniestro.«
»Holt endlich den Translator her«, rief Fatzar zu Doktor Wallik, der schnellen Schrittes in den anderen Raum rannte und einen Universalübersetzer mit sich brachte.
Einer der Medoroboter wiederholte die Worte und gab damit dem Translator die ausreichenden Informationen. Sofort konnte das Gerät die unbekannte Sprache erkennen, es war die alte terranische Sprache Spanisch.
»Wage es nicht, mich anzufassen! Wisst Ihr nicht, wer ich bin? Ich bin der Marqués Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro, einer spanischen Provinz«, gab der Übersetzer fehlerlos weiter.
Andrews und Scorbit stellten sich vor, mussten jedoch dabei vorsichtig sein. Für den Spanier war es sicher ein Schock, wo und vor allem wann er sich befand. Sie konnten herausfinden, dass der Marqués von Siniestro ein einflussreicher Marktgraf Spaniens gewesen war.
Das Datum seiner Geburt schockierte die Terraner: 13. Januar 1761 alter terranischer Zeitrechnung. Dieser Mann war älter als Homer G. Adams! Er war 210 Jahre vor Rhodans Flug zum Mond geboren worden. De la Siniestro entstammte einer Adelsfamilie, die Ländereien in Spanien und Amerika besessen hatte, die sie zu großem Reichtum gebracht hatten. Der Marqués erklärte, er verweilte die letzten Jahre in Abgeschiedenheit auf seinem Landsitz. Er wusste nichts von Entführern.
Behutsam erklärten Andrews und Scorbit dem alten Spanier aus dem 18. Jahrhundert, dass er sich im Jahre 1290 Neuer Galaktischer Zeitrechnung befand und sich viel verändert hatte.
Sie wussten nicht den genauen Zeitpunkt seiner offensichtlichen Entführung durch die Casaro, doch vermutlich musste der alte Mann aus der Vergangenheit Terras gerade den Schock verdauern, dass er sich 3.100 Jahre in der Zukunft befand.
Der europäische Edelmann kannte keine Raumfahrt, keine extraterrestrischen Völker, nicht einmal Elektrizität und Fahrzeuge.
Er hatte zu einer Zeit gelebt, in der die Französische Revolution tobte und Europa zu verändern begann. Sein Land Spanien hatte die Vorteile und Schattenseiten der Ära Napoleons miterlebt und in dieser Epoche viel seiner alten Macht eingebüßt, wenngleich auch Verbesserungen, wie die Abschaffung der Inquisition, erlebt.
Der Translator übersetzte alles ins Spanische. Der Edelmann aus längst vergangenen Tagen wirkte recht gefasst.
»Der Marqués befindet sich demnach im Jahre des Herren 4878? Er wurde entführt von Lebewesen, die nicht von der Erde stammen und in einem Zauberfeld für Tausende von Jahren am Leben erhalten?«
»Richtig«, bestätigte Jonathan Andrews.
»Würde es die heilige Inquisition noch geben, so hättet ihr alle die peinliche Befragung über euch ergehen lassen müssen, Senóres! Jedoch sieht er mit seinen eigenen Augen diese prachtvollen Wunder. Er befindet sich demnach auf einem Himmelsschiff?«
Andrews nickte.
»An Bord unseres Raumschiffes befindet sich ein Gerät, welches Wissen vermittelt. Vielleicht solltet Ihr das nutzen?«, schlug Scorbit vor.
»Hypnoschulung? Das könnte ihn überfordern«, warf Andrews ein.
»Er macht auf mich einen gefestigten Eindruck«, fand Scorbit.
»Si, meine Herren! Er wäre bereit für den Empfang solch einer schier göttlichen Weisheit.«
Andrews und Scorbit warfen einen Blick auf Harold Fatzar. Immerhin war er ja der Kommandant der Space-Jet.
»Was machen wir jetzt mit dem? Ihr wollt den doch nicht wirklich mitnehmen?«, wollte Fatzar wissen und warf einen abfälligen Blick auf den alten Mann.
»Doch, wir nehmen ihn mit, was sonst? Kümmern wir uns auch um die anderen Drei«, meinte Andrews.
Er lief zu den drei Männern, die inzwischen auch zur Besinnung gekommen war. Diese sprachen Deutsch, was auch kein Problem für den Translator darstellte. Die drei seltsamen Gestalten stellten sich vor. Der Erste war ein Mann im mittleren Alter, trug einen Bart und hatte einen Bierbauch. Er stellte sich als der Berliner Reinhard Katschmareck vor, der im Jahre 1932 geboren wurde.
Der Nächste war wesentlich kleiner, fast schon ein Zwerg. Auch dieser Mann kam aus Deutschland und war der Cousin von »Reini«, Werner Niesewitz.
Der Dritte im Bunde ähnelte beinahe dem Marqués. Die Tränensäcke hingen ihm fast schon an der Nasenspitze, die Augen waren rot unterlaufen. Der Deutsche Eberhard Wieber wurde 1921 geboren und hatte sein ganzes Leben beim Militär verbracht.
Die Drei erzählten eine ähnliche Geschichte, wie sie sie schon von dem Marqués de Siniestro gehört hatten. Alle drei hatten zusammen bei einem Glas Bier gesessen, als sie sich plötzlich in einem leeren Raum wiederfanden und kurz danach betäubt worden waren.
»Könnt ’n wa vielleicht hier ’n Bier kriegen tun?«, wollte Reinhard Katschmareck in einem befremdlichen Dialekt wissen.
»Was machen wir also jetzt mit den vier seltsamen Gestalten?«, fragte nun auch Remus Scorbit langsam ungeduldig nach.
Andrews war langsam in die Rolle des Anführers gewachsen, was er als sehr ungewöhnlich empfand, ihn jedoch aber auch irgendwie stolz machte.
»Ich denke, wir verabreichen allen eine Hypnoschulung auf der Space-Jet, dann entscheiden wir, ob wir durch den Transmitter gehen. Auf alle Fälle senden wir einen Funkspruch ab. Fatzar, Gavron und Zypülü kommen mit dem Marqués, Katschmareck, Wieber und Niesewitz mit zur Space-Jet. Doktor Wallik und seine beiden Assistenten forschen hier weiter herum.«
Andrews hate klare Worte gesprochen, die von allen auch widerspruchslos entgegengenommen wurden. Remus Scorbit machte sich große Sorgen um seine Frau Uthe. Er hoffte, dass ihr nichts passiert war. Während der Terraner an dem Haluter vorbeiging, fiel ihm zum ersten Mal der weiße, wurmähnliche Wulst um den Nacken des Giganten auf.
Er vermutete, dass dies eine Art Sicherheitskontrolle der Casaro war, um ihn unter Kontrolle zu halten.
*
Der Marqués lernte am schnellsten von allen. Er verarbeitete die Hypnoschulung ohne Probleme. Auch Werner Niesewitz schien sich gut im neuen Zeitalter einzufinden.
Wäre nicht die Sorge um den eigenen Verbleib und dem der THEBEN, so hätten Remus und Jonathan stundenlang mit den drei alten Terranern philosophieren können, doch so erfragten sie zuerst das Nötigste.
Sie vermuteten, dass der Marqués um 1830 oder 1840 entführt worden war. Er musste demnach so oder so mit 80 Jahren schon recht alt sein. Niesewitz, Katschmareck und Wieber waren offenbar im Jahre 1984 entführt worden, denn sie besaßen keinerlei Wissen über Ereignisse, die später erfolgt waren. Alle vier Terraner hatten demnach in Hologrammräumen auf der Welt Test gelebt und waren von den Casaro beobachtet worden. Allerdings wurden sie vermutlich auch immer wieder in Tiefschlaf versetzt. Ihr Schicksal war demnach ähnlich verlaufen, wie das der Crew der VIVIER BONTAINER von Joak Cascal und Sandal Tolk.
»Wenn ick dit mal zusammenfassen darf, waren wah seet knapp 3.000 Jahren in Tiefschlaf, aber dieser Rhodan tut immer noch leben tun?«
Andrews bestätigte die Theorie von Reinhard Katschmareck. Der Deutsche blickte erst nachdenklich auf den Boden, dann grinste er breit.
»Mensch, dann ist ja meine olle Dorle schon lange unter der Erde! Dit muss jefeiert werden!«
Andrews schüttelte genervt den Kopf.
Die Drei mit dem sonderbaren Gemüt verlangten nun etwas zu essen und zu trinken, am besten Bier. Fatzar konnte ihren Wünschen problemlos nachkommen.
Der Marqués war mehr in sich gekehrt. Er beobachtete die anderen genau und schien sehr schnell zu lernen. Er stellte sich neben Jonathan Andrews und sah aus dem Fenster der Space-Jet.
»Vor wenigen Momenten wähnte er sich noch im heimatlichen Spanien, nun blicket er ... oder ich, wie es wohl linguistisch gemäß dieser Epoche heißt, aus dem Fenster und sehe in die Unendlichkeit des Weltalls. Für fast jeden anderen in meinem Jahrhundert wäre dies hier ein Kulturschock gewesen.«
»Warum für Sie nicht?«
Der Marqués de la Siniestro verzog das faltige Gesicht zu einer Art Lächeln.
»Ich bin stärker und intelligenter als die Anderen. Schon als junger Spross begeisterten mich die Werke der aufgeklärten Dichter, Denker und Wissenschaftler. Ich sehe diese Entführung als einen Segen, als Bestimmung des Herren. Diese neue Epoche bietet viel mehr Aussichten.«
»Aber vermisst Ihr denn niemand aus Eurer Zeit, Marqués?«
»No, Senór Andrews! Mein geliebtes Weibe Isabella war schon vor vielen Jahren verstorben. Ich führte das einsame Dasein eines Eremiten auf meinem Schlosse und wurde von der Dienerschaft verachtet, obwohl ich immer gütig zu ihnen war ...«
Ein seltsamer Unterton lag in der Stimme des Spaniers, den Andrews nicht richtig zu deuten vermochte. Don Philippe faltete seine Hände vor dem Bauch und schien den Anblick des Weltalls zu genießen. Wahrscheinlich war er der Einzige.
»Ihr habt Schwierigkeiten, Señor Andrews?«
Jonathan nickte nur.
»Es ist mir nicht entgangen, worum es hier geht. Anscheinend seid Ihr und Eure Freunde nur zufällig auf das Himmelsschiff gestoßen und habt mich und diese anderen naiven Geschöpfe entdeckt. Euer Schiff ist im Nebel des Weltenraums verschwunden, durch diesen ... Transmitter, das ist doch das richtige Wort?«
»Ja.«
»Nun, sofern keine unentbehrlichen Personen an Bord dieses Schiffes waren, so bitte ich doch, mich nun zur Erde zu bringen, Señor Andrews.«
Der Terraner biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Der Marqués rümpfte die Nase, was ihn noch hässlicher aussehen ließ.
»Es tut mir leid, Marqués, aber ich kann Sie nicht zur Erde bringen. Wir müssen zuerst die THEBEN finden. Wir sind es den Lebewesen an Bord schuldig. Wir müssen sie retten.«
Don Philippe verzog sein Gesicht zu einem Grinsen, wobei Andrews nicht genau erkennen konnte, ob es ein herzhaftes Lächeln war oder ein verachtendes und abfälliges Lachen.
»Euer Altruismus in Ehren, aber meint Ihr nicht, dass dieser Edelmut für diese nichtssagenden Menschen fehl am Platze ist?«
»Nein!«, entgegnete Jonathan erbost. »Die Menschheit hat sich etwas weiterentwickelt seit Ihrer Zeit. Wir helfen einander und respektieren jedes Leben. Nicht jeder mag diese Einstellung besitzen, doch ich für meinen Teil werde nicht eher ruhen, bis wir die Passagiere der THEBEN gefunden haben, verstanden?«
Der Marqués hob beschwichtigend die Hände.
»Ich wollte Sie nicht verärgern, Señor. Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet, denn ohne Euch wäre ich immer noch in dieser Kammer. Daher werde ich Euch bei der Suche nach Euren Gefährten, so gut es geht, unterstützen.«
»Danke, ich kann jede Hilfe gebrauchen.«
Jonathan Andrews war sich nicht sicher, was er von dem Marqués von Siniestro halten sollte. Auf jeden Fall kam der Mensch sehr gut mit den neuen Gegebenheiten klar. Er war hochintelligent, man sollte sich nicht von seinem abschreckenden Äußeren täuschen lassen. Dennoch fieberte Andrews zuerst den neuen Ergebnissen von Doktor Wallik entgegen. Er hoffte, dass sich der Wissenschaftler bald melden würde.
Wallik schlürfte eine Tasse Kaffee und arbeitete mit seinem tragbaren Syntron an den Konsolen der Casaro.
»Hanz, bring mir doch noch etwas Kaffee.«
Sein Kollege ging an dem Korridor mit dem toten Haluter vorbei zur Kabine, in der man ein kleines Lager aufgestellt hatte, und besorgte seinem Freund mehr von dem schwarzen Getränk. Wallik war damit beschäftigt, die Logbucheinträge der Casaro zu übersetzen.
Der Translator arbeitete auf Hochtouren.
»Wo bleibt der Kaffee?«, rief der Wissenschaftler ungeduldig und sah zu seinem anderen Kollegen herüber, der eine der halb verwesten Leichen aus den Kammern genauer sezierte. Wallik bekam von ihm keine Antwort, dafür jedoch vom Translator. Er konnte die nicht verstandenen Wörter nun einwandfrei übersetzen.
Der Text war folgender: Zeitpolizist und Terraner verladen. Raumzeitfalte instabil. Fliehen aus Raumzeitfalte.
Wallik stockte der Atem. Er überprüfte den Translator, doch die Übersetzung war korrekt. Überrascht winkte er Allan D. Donalds zu sich, der nur widerwillig von seinen Untersuchungen abließ.
Donalds verinnerlichte den ersten Satz des Casaro. Auch er war ziemlich überrascht gewesen. Das Wesen nannte sich Zeitpolizist!
»Du dickes Ei. Das heißt, dass die Casaro auch einen Dolan samt Zweitkonditionierten entführten.«
Wallik nickte stumm.
In der nächsten Aufzeichnung berichtete der Casaro von der Vernichtung der Raumzeitfalte und einer Beschädigung des Antriebs und der Lebenserhaltungssysteme. Die Casaro desaktivierten die meisten Kammern und schienen den Freitod zu wählen, um die konservierten Terraner zu beschützen.
Die Kammern wurden von den Energiefeldern umspannt. Dann endete die Übertragung des letzten Logbucheintrages.
»Was soll das jetzt bedeuten?«, fragte Donalds ahnungslos.
Wallik dachte angestrengt nach.
»Nun«, murmelte er und ließ sich ein paar Daten über das Energiefeld geben. Er zog die Augenbrauen hoch, als er herausfand, um was es sich dabei handelte.
»Das war ein Stasisfeld, mein Freund. Anscheinend sollte es nur auf bestimmte Zeit eingestellt werden, doch die Schlange hatte den Countdown abgestellt, sodass es solange aktiviert blieb, bis die Energie zusammenbrach«, erklärte der Plophoser seinem Kollegen.
»Schön und gut, aber warum haben die Casaro auch ein Stasisfeld um den toten Zeitpolizisten gelegt. Das nutzt doch nur etwas, wenn man eine lange Zeit überleben will ...«
Donalds hatte die Antwort bereits selbst gegeben. Erschrocken blickten sich beide Wissenschaftler an. Schnell reaktivierte Wallik wieder das Feld. Er wollte auf Nummer sicher gehen.
»Hoffentlich lebt das Ding nicht mehr«, murmelte er aufgeregt.
»Hanz, wo ist der Kaffee?«
Plötzlich hörten sie ein lautes Schreien. Zuerst war das Zerbrechen eines Porzellanstückes zu hören, dann das Zerbrechen von Knochen. Das Schreien verstummte. Die beiden Wissenschaftler blickten sich an, da trat auch schon der gewaltige Gigant auf sie zu. Die drei feuerroten Augen strahlten nicht nur Lebensenergie, sondern auch Hass aus.
»Weg hier«, schrie Donalds und lief auf den Ausgang zu, doch da hatte ihn der Zeitpolizist bereits einholt und gegen die Wand geschleudert.
Mühsam rappelte sich Donalds auf. Der Gigant bäumte sich vor dem Wissenschaftler auf und schnaubte laut. Schweiß lief Donalds von der Stirn. Tränen flossen dem Terraner vom Gesicht. Der Zeitpolizist grollte laut und schlug mit zwei Fingern gegen den Kopf des Wissenschaftlers, dessen Kopf regelrecht abgeschossen wurde und gegen die Wand prallte.
Wallik wollte nun auch wegrennen, doch der Riese stellte sich ihn in den Weg und brach dem Plophoser die Beine. Wallik konnte vor Schmerzen kaum bei Besinnung bleiben. Der Zweitkonditionierte packte ihn und warf ihn auf die Konsole.
»Rede, Terraner, was habt ihr mit mir angestellt? Welche Waffe ist das?«
Der Translator konnte die Zentrumssprache mühelos übersetzen.
»Gar nichts. Das war ein Volk mit dem Namen Casaro. Es ... es existieren schon seit 2.000 Jahren keine Zweitkonditionierten und Uleb mehr.«
Die Bestie fauchte Wallik an und verengte die Augen. Der Plophoser wusste, sein Leben war vorbei. Mit dem unteren Greifarm hob der Zeitpolizist den Wissenschaftler hoch und drückte ihn gegen die Konsole, die sofort nachgab, genauso wie Walliks Rückgrat.
Was macht der bloß solange?«, fragte sich Andrews ungehalten.
»Wen meinst du?«, wollte Remus wissen.
»Diesen Wissenschaftler namens Wallik! Er soll keine Doktorarbeit schreiben, sondern nur feststellen, ob wir mit diesem Raumschiff durch das Portal fliegen können.«
Den beiden war die Aufregung sichtlich anzumerken. Im Gegensatz zu den drei Deutschen aus dem 20. Jahrhundert, die offenbar die Lage noch nicht so ganz begriffen.
Jonathan nahm den Interkom und wählte Walliks Kommunikationsgerät an, erhielt jedoch keine Antwort. Er versuchte es noch zweimal, dann spürte er, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein konnte. Andrews machte ein besorgtes Gesicht.
»Stimmt etwas nicht?«, erkundigte sich Don Philippe de la Siniestro.
»Ich weiß es nicht. Ihr bleibt hier, während Remus und ich mal nachsehen.«
Kaum hatte er die Worte zu Ende gesprochen, war der Terraner bereits aus dem Schott und rannte zur Kommandozentrale. Remus lief ihm ebenso schnell hinterher und hielt sein Thermogewehr bereit.
Was die beiden dort vorfanden, entsetzte sie. Die Wissenschaftler waren übel zugerichtet. Jonathan rief sofort Fatzar, Yark und den Blue Zypülü herbei.
Niemand konnte sich erklären, was passiert war. Auch die Medoroboter waren vernichtet. Dafür war das Kraftfeld wieder aktiviert, doch der Haluter fehlte.
Die Fünf wussten nun, dass sie es mit einem wild gewordenen Zweitkonditionierten zu tun hatten. Warum dieser lebte, konnten sie sich nicht erklären, doch im Moment war das auch nebensächlich. Das Wichtigste war wohl im Augenblick das Überleben.
»Wir müssen hier weg. Am besten sofort mit der Space-Jet durch das vermeintliche Portal«, schlug Scorbit vor.
Andrews stimmte ihm mit einem Kopfnicken zu und machte sich bereits auf den Weg, doch der Topsider Gavron Yark hielt ihn zurück.
»Was soll das?«, maulte Andrews.
»Hier trennen sich unsere Wege. Wir brauchen den Platz in der Space-Jet für unser Gold. Zur Hölle mit der THEBEN, zur Hölle mit diesen vier steinalten Relikten in der Space-Jet, zur Hölle mit der Bestie und vor allem zur Hölle mit euch«, sagte Harold Fatzar entschlossen.
Das Gold war ihm wichtiger als alles andere, doch seine beiden Kameraden waren nicht anders.
Er gab Gavron den Befehl, die beiden in Schach zu halten, während er und Zypülü den Marqués und die Drei aus dem 20. Jahrhundert aus der Space-Jet werfen würden.
Der Topsider legte das Thermogewehr auf seine Armbeuge und zielte auf Remus Kopf. Andrews wollte dazwischen springen, da stürmte die Bestie in den Raum und bäumte sich vor den Dreien auf. Der Topsider wich zurück und hielt nun die Waffe auf den Zeitpolizisten, der sich, laut brüllend, vor dem Echsenwesen aufbaute.
»Hau ab! Verschwinde!«, schrie Yark verzweifelt und eröffnete das Feuer, was dem Zweitkonditionierten wenig ausmachte, da er sein Äußeres verhärtete. Andrews und Scorbit nahmen ihre Waffen und rannten zur Kabine mit den Stasisbehältern.
Der Topsider hatte nicht den Hauch einer Chance. Die Energiesalven prallten ab, die Bestie stützte sich auf die Laufarme und rannte Yark einfach nieder. Das Ende des Ersten Offiziers der THEBEN war besiegelt.
»Scheiße, jetzt sind wir dran«, meinte Andrews. Seine Stimme überschlug sich, als er sah, wie der Zeitpolizist um die Ecke schoss.
»Bloß raus hier«, rief er zu Scorbit und eilte los.
Beide rannten in einen Nebenraum und verbarrikadierten die Tür. Schweißgebadet lehnten sie sich an die Wand und atmeten erleichtert auf. Die Bestie durchbrach die andere Wand und versuchte die beiden mit den Armen zu erwischen. Remus und Jonathan rannten unter den Säulenbeinen hindurch, geradewegs zur Kommandozentrale. Als sie bemerkten, dass das Monster sie verfolgte, liefen sie zur Halle, in der sich ihr Schatz befand. Fatzar und Zypülü waren dabei, die nächste Ladung in Richtung Space-Jet zu transportieren.
»Lauft! Lauft!«, riefen die beiden und sausten an dem Terraner und dem Blue vorbei, die ihnen nur verständnislos hinterher blickten.
Fatzar versuchte Yark zu erreichen, doch er konnte nicht mehr mit ihm sprechen. Der Boden begann zu vibrieren, immer schneller und heftiger. Der Gataser schrie laut auf und begann auf die Bestie zu schießen, doch der Zeitpolizist packte den Blue am Arm, hob ihn hoch und schleuderte ihn gegen die Wand. Fatzar eilte zu dem Gataser. Schnell stellte er fest, dass Zypülü nicht mehr atmete.
So schnell seine Beine ihn tragen konnten, versuchte er dem Ungetüm zu entkommen. Doch die Bestie hatte ihn mit einem gewaltigen Satz bereits eingeholt, hob auch ihn hoch. Mit einer Hand umfasste er Fatzars Arme, mit der anderen seine Beine. Der Zeitpolizist bog den Terraner solange, bis er in der Mitte durchbrach.
Wütend stapfte er durch die Korridore. Remus und Jonathan konnten sich erfolgreich verstecken. Beide waren mehr als aufgeregt. Weder Scorbit noch Andrews waren Feiglinge, doch angesichts dieses Monsters rutschte ihnen das Herz buchstäblich in die Hose.
»Was ... was machen wir jetzt?«, fragte Remus zögerlich.
»Zurück zur Space-Jet und durch das Portal.«
So schnell sie konnten, rannten die beiden Terraner zur Schleuse und liefen zur Space-Jet. Der Marqués erwartete sie bereits.
»Da bin ich aber froh, dass Fatzar oder der Zweitkonditionierte Sie nicht umgelegt hat«, meinte Andrews ehrlich und gab dem alten Spanier ein Klaps auf die Schulter.
»Wo sind die anderen?«
»Sie liegen betrunken in der Ecke und singen befremdliche Lieder.«
Das kümmerte die beiden weniger. Remus verschloss die Schleuse und begann mit dem Abdockvorgang, während sich Andrews an die Navigationskontrollen setzte. Bevor der Zweitkonditionierte ihnen bedrohlich nahe kommen konnte, setzte die Space-Jet bereits ab. Andrews flog einen Bogen und hielt wieder auf das Trapezschiff zu. Er blickte Remus an, der sofort verstand und sich an das MHV-Geschütz setzte – die einzige Bewaffnung dieser Space-Jet.
Zwei Schüsse reichten gegen das Raumschiff mit desaktiviertem Schutzschirm. Dann verging es in einer großen Explosion. Die Gefahr durch den Zweitkonditionierten war gebannt. Vielleicht wäre er in der Lage gewesen, das Casaroraumschiff flugtüchtig zu bekommen und ihnen durch das Portal zu folgen.
Die Space-Jet flog durch das Sternenportal. Die Zukunft der Terraner, die sich auf dem Raumschiff befanden, war ungewiss.
Die Space-Jet rematerialisierte nahe einem Planeten mit schroffer, karger Landschaft und wenig Wasser. Das Schiff war etwa zwei Millionen Kilometer von dieser Welt entfernt. Hinter ihnen befanden sich die vier Stationen des Sternenportals. Der Transmittertunnel wurde kurz nachdem die Space-Jet das Portal verlassen hatte, deaktiviert. Die vier Energiestationen trieben im gleichen Abstand nun im Kreis umher.
Es war nun zumindest gewiss, dass es sich um ein Sternenportal handelte, wie es die Terraner aus der Lokalen Gruppe, Saggittor und Siom Som kannten. Allerdings war ihnen nicht klar gewesen, dass es offenbar auch mobile Versionen davon gab.
Remus Scorbit glaubte noch immer an einen Zusammenhang zwischen dem Flug in der Raumzeitfalte vor einigen Monaten und dieser Reise. Vermutlich steckte dieselbe Person dahinter: Der Alysker. Auch wenn dieser diesmal nicht mit ihnen in Kontakt getreten war, so vermutete Remus, dass er auch jetzt die Finger im Spiel hatte. Das letzte Mal waren sie so auf die VIVIER BONTAINER gestoßen und hatten Joak Cascal und Sandal Tolk in die Normalzeit geholt. Allerdings waren auch viele Menschen dabei gestorben, als die Casaro sie angegriffen hatten.
»Seht mal ein Satellit«, sagte Werner Niesewitz und deutete auf die kleine, ovale Weltraumapparatur.
»So weit abseits von dem Planeten? Sonderbar«, murmelte Jonathan Andrews.
Da änderte der Satellit bereits seinen Kurs und hielt auf die Space-Jet zu. Weniger Momente später wurde die Space-Jet von einem einzigen Schuss des Satelliten getroffen.
»Reini, die Russen kommen. Alle Mann in die Gräben, 8,8 Flak bemannen«, rief der kleine Werner Niesewitz erschrocken.
»Ja, ja ... so ist das«, kommentierte Eberhard Wieber gelassen, während Reinhard Katschmareck mit weit geöffnetem Mund die Situation auf dem Monitor verfolgte. Der Satellit drehte ab und nahm Kurs zum Sternenportal.
»Wir sind getroffen«, erklärte Andrews.
Zuerst hatte Jonathan einige Probleme mit der Navigation. Es gelang ihm jedoch, die Space-Jet in den Orbit des Planeten zu bringen und ein Landemanöver einzuleiten.
Remus setzte sich an die Ortungskontrollen.
»Der Planet hat eine atembare Atmosphäre«, stellte Remus fest, nachdem er die Bordsyntronik Scans durchführen ließ.
»Außerdem lokalisiert die Abtastung die THEBEN«, fügte Remus mit vibrierender Stimme hinzu.
»Dann werden wir dort in der Nähe landen. Erwartet aber keine Musterlandung«, entschied Jonathan.
Halbwegs elegant landete das Schiff auf einem Sandhügel, der den Absturz immerhin dämpfte. Der Besatzung der Space-Jet war nichts geschehen. Sie waren 23 Kilometer von der THEBEN entfernt.
»Welch ein turbulenter Tag, den der Herr mir hier beschert«, meinte de la Siniestro, atmete tief durch und bekreuzigte sich.
Andrews und Scorbit bewaffneten sich und legten die Seruns an, um zur THEBEN zu gelangen.
»Ich bleibe bei den anderen«, meinte der Marqués und setzte sich in den Kommandosessel, denn kommandieren konnte er, nach eigenen Angaben, am besten.
*
Dieser Planet war ein ungastliches Fleckchen im Universum. Es gab kaum Vegetation unter den heißen Strahlen der blauen Sonne. Der Boden war abwechselnd sandig und steinig. Allerdings legten die beiden den Großteil des Weges ohnehin mit dem Gravopak ihrer Seruns zurück.
Nach einer halben Stunde erreichten sie die THEBEN. Hastig suchten sie nach Schleusen oder Rissen in der Hülle, durch die in das Innere gelangen konnten. Als sie schließlich durch ein Loch in der Hülle in das Schiff eindringen konnten, fanden sie nur noch Trümmer, Asche und ein paar verkohlte Leichen vor.
Dort wo sich einst das Quartier der Scorbits befand, war nun ein großer Trümmerhaufen aus Metall. Der Individualabtaster zeigte keinerlei Lebensformen an. Sie fanden einige Leichen, jedoch waren zum Glück weder Uthe noch Yessica dabei.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Remus besorgt.
»Wir kehren zur Space-Jet zurück und versuchen auf dem Planeten menschliche oder extraterrestrische Lebensformen zu orten.«
Kaum dass sie die ersten Schritte getan hatten, ließ ein gellender Schrei sie wie angewurzelt stehen bleiben.
»Woher kam der?«
»Keine Ahnung«, meinte Scorbit und hielt den Abtaster in alle Richtungen. In Richtung Norden schlug er aus und zeigte eine Ansammlung von Lebewesen.
Ohne zu zögern eilten die beiden los, in der Hoffnung dort ihre Angehörigen und Freunde unverletzt wiederzufinden.
*
Der Marqués wanderte durch das terranische Schiff und betrachtete jedes Detail genau.
Der Marqués war ein Adliger, ein Ehrenmann, der Benehmen besaß. Seine drei Begleiter hingegen waren für ihn nichts weiter als gewöhnliche Bauern.
Dennoch musste sich Don Philippe allmählich überlegen, was nach diesem Abenteuer aus ihm werden sollte. In diesem Alter war er stark gefährdet. Dank der Hypnoschulung wusste er von lebensverlängernden Mitteln, die jedoch teuer waren.
Gold befand sich genug in dieser Space-Jet. Einiges stammte sogar aus seinem Vermögen. Diese Casaro hatten nicht nur sein eigen Leib gestohlen, sondern auch sein Hab und Gut.
Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro sinnierte über die Vergangenheit, die er vor wenigen Tagen noch als Gegenwart wähnte. Ihm fiel die stumme Bedienstete ein. Sie war wunderschön gewesen. Eine zarte, spanische Senorita. Doch sie hatte sich ihm verwehrt und ihn angestochen. Nichtsdestoweniger war diese Puta inzwischen längst vermodert und vermutlich ihre Knochen in alle Winde verstreut. Wer hätte ihr schon ein Begräbnis finanziert?
Der Marqués fragte sich, in welchem Jahr er wohl entführt worden war? Als er von dem Weibsbild angegriffen worden war, schrieben sie das Jahr 1841. Nach jenem Angriff war er lange krank gewesen und hatte eine neue Dienerschaft erhalten. Vermutlich war das das Werk der Casaro gewesen.
Eigentlich war mit 80 Jahren seine Zeit schon abgelaufen. Im Jahre seiner Geburt hatte der Siebenjährige Krieg getobt. Der Bourbonische Hausvertrag war abgeschlossen worden, welcher für seine Heimat Spanien richtungweisend gewesen war. Er hatte den Fall und den erneuten Aufstieg des französischen Königshauses miterlebt.
Als junger Mann hatte er die Ehre gehabt, den alternden Friedrich, König von Preußen kennenzulernen. Er hatte kulturelle Größen wie Mozart, Beethoven, Voltaire und Goethe getroffen. Er hatte Napoleon Bonaparte kennengelernt und ihm für eine Nacht Quartier auf seinem Schloss angeboten.
Er hatte dann mit ansehen müssen, wie das ohnehin angeschlagene Königreich Spanien immer mehr an Bedeutung verlor. Wie er aus der Hypnoschulung wusste, so hatte Spanien nie mehr zu einstiger Größe gefunden und war nun nichts weiter als ein bedeutungsloser Bundesstaat Terras.
Die Zeiten hatten sich geändert. Was sollte ein betagter Adliger aus dem 18. Jahrhundert AD im 13. Jahrhundert NGZ tun? Sich in ein Pensionsheim begeben und auf den Tod warten? Das tat er doch eigentlich schon seit dem Tod von Isabella. Schwermütig dachte de la Siniestro an seine liebliche, zarte Frau zurück, die viel zu früh an Kummer gestorben war. Seitdem hatte der Marqués zurückgezogen und kaum mehr sein Schloss verlassen.
Der 13. April 1817 war der Todestag seiner geliebten Frau. Nie würde er dieses Datum vergessen. Mit ihrem Tod waren die herrlichen Zeiten vorbei gewesen. Was hatte ihn der große Krieg Napoleons gekümmert? Als es ab 1813 brenzlig geworden war, waren Isabella und er nach Mexiko auf seinen Landsitz gezogen. Sie hatten dort schöne Zeiten verbracht, doch Isabella hatte es wohl anders gesehen. Als sie 1815 zurückgekehrt waren, hatte sie das ganze Elend aus den Kolonien und in Spanien krankgemacht. Zwei Jahre lang hatte er sich um seine geliebte Frau gekümmert, ihr sogar die Last der ehelichen Pflichten genommen und dies hübschen Mägden überlassen. Doch Isabella war trotzdem gestorben.
An jenem 13. April 1817. Und von dieser Zeit an war alles so unbedeutend für ihn geworden. Nichts hatte von da an mehr geschmeckt. Keine Wildente, keine Trüffel, kein Schwein hatten ihm noch zu munden vermocht. Kein Wein hatte seinen Gaumen mit Wohl gestreichelt. Keine Gesellschaft hatte ihm noch ein Vergnügen bereitet. 24 Jahre lang hatte er sich in seinem Schloss eingeigelt, ehe das junge Ding ihn angestochen hatte und er dann offenbar von den Casaro entführt worden war.
Wieso wusste nur Gott allein. Denn seine Entführer existierten offenbar nicht mehr in diesen Gefilden des Alls. Sie konnte er nicht fragen.
De la Siniestro dachte an seine Zukunft – wie lang oder kurz sie auch sein würde. Diese Entführung und die Befreiung aus der heimlichen Knechtschaft dieses Schlangenvolkes der Casaro war ein Zeichen Gottes, des Allmächtigen. Er sollte diese Chance auf ein neues Leben nutzen. De la Siniestro dachte an das Gold.
Ihm war klar, dass einige versuchen würden, ihm das Vermögen streitig zu machen, doch wenn er es schaffte, geschickt Mitleid zu erregen, würde man ihn sicher gewähren lassen. Zuerst würde er Siniestro zurückfordern, um sich dann ein neues Fürstentum aufzubauen, was jedoch sehr schwer war, da die gesamte Erde geeint war. Der Don überlegte, ob er vielleicht lieber einen neuen Planeten kolonisieren sollte?
Doch zuerst brauchte er Diener, die ihm bei seinem Vorhaben unterstützten, als auch die Dinge des Lebens abnahmen. Er brauchte einen Koch, eine Magd, einen Wäscher, einen Ankleider, einen Majordomus, Gärtner, Putze. So viele Leute brauchte er.
Doch wer war da? Diese drei trostlosen Gestalten aus dem 20. Jahrhundert, die jenseits eines arbeitsfähigen Alters waren. Da die Auswahl nicht sonderlich groß war, wandte er sich an Werner Niesewitz. Der kleine Deutsche schien ihm noch am intelligentesten zu sein. Dieser Wieber war völlig träge und Katschmareck dumm wie ein Stein in der Sierra Nevada.
»Hören Sie zu, Señor. Ich bin ein Marqués, ein einflussreicher Mann mit einem großen Vermögen.«
Sofort wurde der kleine Terraner hellhörig.
»Ich brauche aber auch in diesem Jahrhundert Gefolgsleute, die mir dienen. Sie werden natürlich gut bezahlt«, erklärte der Don weiter.
Nun lauschten auch Reinhard Katschmareck und Eberhard Wieber dem Gespräch.
»Und Ihre Wahl fällt auf uns?«, forschte Niesewitz nach.
Welche Wahl habe ich?, dachte sich der Spanier aus dem 18. Jahrhundert.
»Si, Señor! Ihr werdet natürlich für Eure Dienste fürstlich belohnt. Hier ist eine Vorauszahlung.«
Der Marqués drückte Niesewitz drei Goldklumpen in die Hand, die er aus der Kammer genommen hatte. Zur Sicherheit hatte Don Philippe den Raum abgeriegelt. Die Drei wussten offenbar nichts von dem Fund, den der Kapitän der THEBEN und seine Leute gemacht hatten.
Mit leuchtenden Augen starrten die Drei auf das glänzende Metall. Niesewitz strahlte über beide Wangen.
»Wir nehmen Ihr Angebot gerne an, mein Herr!«
Plötzlich wurde die Space-Jet erschüttert. Der Marqués eilte, so schnell es seine alten Knochen zuließen, in die Kommandozentrale und sah aus der Kuppel. Erschrocken wich er zurück, als er die Riesenspinne erkannte, die versuchte, die Außenhaut zu durchdringen. Das Untier war etwa so groß wie die Space-Jet selbst.
Der Raumer wurde durchgeschüttelt.
Der Don befahl der Bordsyntronik, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Sofort fuhr der Schutzschirm hoch und verscheuchte die Spinne. Ihm gefiel diese Maschine. Sie war klug und effektiver als ein Dutzend Offiziere. Vielleicht sollte sich der Marqués solche Roboterwesen als Dienerschaft zulegen. Sofern sie nicht von der Riesenspinne verspeist wurden. Doch er wusste durch die Hypnoschulung, dass das Energiefeld jegliche Materie vom Eindringen abhielt.
Erschöpft setzte sich der Spanier in den Kommandosessel.
»Wir sind verloren! Dieses Spaceshuttle kann nicht mehr starten und dieser Planet ist die Hölle«, schluchzte Katschmareck.
»So ist das ...«, meinte Wieber wie üblich.
Der alte Spanier fasste einen Entschluss.
»Syntronik, sende er einen Notruf in die Weiten des Weltenraums. Auf allen Frequenzen und in allen bekannten Sprachen. Da draußen muss doch ein tapferer Recke sein, der uns zu Hilfe eilt!«
*
Mir tut ja so mein Rücken weh. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten«, stöhnte Ottilie Braunhauer und wippte unruhig auf dem unbequemen Stein hin und her. Ihr Mann schlurfte durch die dunkle Höhle und klagte sein Leid.
Uthe Scorbit und Yasmin Weydner konnten dieses Gejammer langsam nicht mehr ertragen. Seitdem die THEBEN von diesem Portal regelrecht verschlungen wurde und auf dem Planeten notlanden musste, nachdem der fremde Satellit sie abgeschossen hatte, nervte das alte Ehepaar und trug nichts Konstruktives zu einer Lösung des Dilemmas bei. Nein, sie verschlimmerten die Situation eher noch.
Uthe ließ die letzten Stunden noch einmal Revue passieren. Viele Passagiere und Besatzungsmitglieder waren beim Absturz bereits gestorben. Die THEBEN brannte aus – offenbar hatte die Reederei an aktuellen Sicherheitsmaßnahmen gespart. Die Besatzung war völlig überfordert gewesen. Als dann noch diese gigantischen Spinnen auftauchten, war das Chaos perfekt gewesen.
Nur wenige konnten sich in diese Höhle retten. Es waren inzwischen nur noch elf Galaktiker übrig. Uthe musterte die Anwesenden. Die meisten kannte sie sogar. Neben Yasmin und ihr selbst waren Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer, die Col’Phall G’Urksmarzk und S’Urksmarzk, die Epsaler Bjordahl und Regy Sott, eine der terranischen Bardamen mit dem Namen Jezzica Tazum, dann die Freundin von Jonathan Andrews Yessica und der Banker von Ferrol, Vulfgersh. Insgesamt elf Überlebende umzingelt von gigantischen Arachnoiden. Die Lage stand gelinde ausgedrückt katastrophal für die elf Galaktiker. Sie hatten keine Nahrung und keine Waffen. Sie waren alleine auf einer fremden Welt.
»Ich habe ja solche Rückenschmerzen! Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen, Kinder! Also mein Rücken bringt mich noch einmal um. Vatichen, nun setzte dich mal hin, du machst mich ja ganz nervös ...«
»Halt doch endlich deine Klappe, du dusselige Kuh! Ich muss nachdenken!«, brüllte der alte Rentner durch die Höhle.
Uthe konnte das Gejammer der beiden nicht mehr lange ertragen. Ihre einzige Hoffnung war Remus. Sie betete, dass er eine Möglichkeit fand, sie zu retten.
Yasmin blickte zu ihrer Freundin und seufzte leise. Sie war, wie die anderen auch, sehr angespannt, versuchte sich jedoch zusammenzureißen. Die Temperatur war zudem schier unerträglich.
Doch obwohl die Hitze immer drückender wurde, öffnete der Ferrone Vulfgersh nicht einmal den obersten Kragen seines Oberhemdes. Der Banker saß in Anzug und Krawatte in der Höhle. Allerdings schwitzten Ferronen nicht. Die Bewohner des Sonnensystems Wega regulierten ihre Körpertemperatur über eine erhöhte Speichelbildung.
»Ich habe Termine, die ich einhalten muss! Wir müssen endlich weiterfliegen«, forderte der Geschäftsmann und fuchtelte mit den Armen umher.
Er stand ganz offensichtlich unter Schock, denn er hatte den Ernst der Lage nicht begriffen.
Uthe stand auf und wollte den Ferronen beruhigen.
»Hör zu, wir können hier nicht weg. Wir sind umzingelt von Riesenspinnen. Unsere einzige Chance ist, auf Hilfe zu warten«, erklärte sie und legte ihre Hände auf Vulfgersh Schultern, doch der Blauhäutige stieß sie weg und schlug der jungen Scorbit ins Gesicht.
»Fass mich nicht an! Ich bin Leiter einer wichtigen Abteilung in meinem Institut, da kann mich nicht jeder Bittsteller einfach so anfassen«, brüllte er laut.
Yasmin kümmerte sich sofort um ihre Freundin, die den Tränen nahe war. Die rothaarige Terranerin nahm ihre Freundin tröstend in den Arm.
Außer Jezzica Tazum mischte sich niemand ein. Das Crewmitglied der THEBEN schrie den Unternehmer an, dass er sich zusammenreißen solle. Jezzica schien eine resolute Frau zu sein. Am liebsten hätte sie sich wohl gleich mit dem Bankier geprügelt. Viel Frust und Angst hatte sich in jedem der elf Leute aufgestaut. Die Angst vor den Arachnoiden und die Furcht diesen Planeten nicht lebend zu verlassen, zehrte an den Nerven und vor allem an den Manieren der Terraner. Diese Furcht machte sie alle beinahe wahnsinnig.
»Können die nicht mal ruhiger sein«, brummte Karl-Adolf Braunhauer und fasste sich ans Herz.
»Herr Vulfermann, könntest du vielleicht etwas leiser sein? Vatichen ist sehr nervös ...«
Der Banker blickte sie wütend an und sah auf die Uhr.
»Ihr könnt hier verrecken. Ich muss zu meinem Termin«, sagte er und kletterte aus der Höhle.
Jezzica wollte ihn noch zurückhalten, doch sie hatte keine Chance. Der Ferrone schien völlig durchzudrehen. Mit seiner Aktentasche in der rechten Hand lief er durch die Sand- und Steinwüste. Doch er kam nicht weit. Plötzlich bebte der Boden und zwei riesige Beine gruben sich aus der Erde aus. Schnell hob sich die Spinne hoch und stand in ihrer vollen Größe vor Vulfgersh, der schreiend wegrannte. Die Spinne spritzte etwas von ihrem klebrigen Netz auf den Mann, der sich sofort darin verfing. Anschließend zog der Arachnoid den schreienden Ferronen in die Tiefe.
Eine gespenstische Stille herrschte in diesem Augenblick in der Höhle. Niemand glaubte mehr an eine Rettung.
*
Was Remus Scorbit und Jonathan Andrews entdeckten, war schwer mit Worten zu beschreiben. Sie sahen vielleicht knapp 100 Galaktiker in Spinnennetzen eingeflochten über einer Schlucht hängen. Einige lebten noch, schluchzten und riefen um Hilfe.
Beide mussten sich zusammenreißen, um nicht zusammenzubrechen. Es war grauenerregender Anblick. Sie konnten den Leuten nicht helfen, denn vier gigantische Spinnen krabbelten am Netz herum und verschlangen ab und zu einen aus ihrer Beute.
Remus fütterte den Abtaster mit den Daten seiner Frau, fand jedoch zu seiner Erleichterung keine Übereinstimmungen.
»Sie muss woanders sein. Wir müssen weitersuchen.«
Andrews war ratlos. Er konnte nicht mit ansehen, wie diese Wesen bei lebendigem Leibe aufgefressen würden. Jonathan suchte in seiner Beuteltasche und entdeckte einen Thermaldetonator. Fragend sah er zu seinem Freund herüber. Der Detonator sollte die Erlösung für die Lebewesen in den Netzen sein.
Remus nickte. Sie hatten scheinbar keine andere Wahl. Schweren Herzens machte Andrews den Sprengsatz scharf und setzte zum Wurf an, doch er führte die Bewegung nicht zu Ende.
»Ich kann es nicht ...«
»Wir sind zu zweit, Johnny! Wie sollen wir gegen vier dieser Monster bestehen? Wir wissen nicht, wie viele noch von den Spinnen hier lauern. Die Energie der Seruns wird nicht ewig halten. Das ist kein Kampfraumanzug, sondern ein ziviler Serun.«
»Den Zeitpolizisten konnten wir auch überlisten«, warf Andrews ein.
Scorbit dachte kurz nach, dann erklärte er sich einverstanden. Die beiden flogen zurück zur Space-Jet, um mehr Waffen zu suchen. Selbst wenn sie die Galaktiker befreien konnten, mussten sie auch beschützt werden, um nicht sofort wieder ins Netz weiterer der Riesenarachnoiden zu gehen.
Nach etwa 15 Minuten war das diskusförmige Raumschiff bereits sichtbar. Plötzlich bebte der Boden. Hinter den beiden bohrte sich eine Spinne aus einer Wüste und lief rasend schnell auf die beiden zu.
»Weg hier!«, rief Andrews. Remus blieb stehen und zielte mit dem Strahler auf die Spinne.
Plötzlich tauchte ein V-förmiges Schiff hinter der Space-Jet auf und feuerte auf den Arachnoiden, der unter dem Beschuss zusammenbrach. Die beiden Terraner beeilten sich, um zurück zur Space-Jet zu gelangen. Dort wurden sie vom alten Spanier erwartet. Der Marqués hieß die beiden Willkommen. Völlig außer Atem lehnten sich Andrews und Scorbit gegen die Wand und versuchten durchzuatmen.
»Was war das für ein Schiff?«, wollte Andrews wissen.
»Es war mein Raumschiff«, beantwortete eine fremde Gestalt die Frage. Der stattliche Humanoide mit langen braunen Haaren und einem Kinnbart, bekleidet mit einem ockerfarbenen Poncho, schwarzer Hose und schwarzen Stiefeln, an dem braunen Gürtel ein goldenes Schwert hängend, stellte sich als Ritter der Tiefe Gal'Arn vor.
Andrews winkte ab und nahm den Mann nicht für voll.
»Es gibt nur noch uns zwei, eigentlich drei bekannte Ritter der Tiefe. Einer von ihnen ist Perry Rhodan. Dann gibt es noch Atlan, aber der hat seinen Ritterstatus selbst nie anerkannt. Dazu kommt noch Jen Salik, der jedoch seine körperliche Existenz aufgegeben hat, und dessen Bewusstsein in den Dom Kesdschan eingegangen ist, um den Bann der Kosmokraten gegenüber Perry Rhodan und Atlan aufzugeben. Zusammen mit Tengri Lethos, dem letzten Überlebenden der Hüter des Lichts und der psionischen Substanz des Gründers des Ordens Terak Terakdschan wacht er nun über den Dom Kesdschan. Die anderen Ritter existieren wohl schon lange nicht mehr und der Orden ist völlig bedeutungslos«, erklärte er und verschränkte die Arme vor dem Bauch.
Gal'Arn lächelte. Er strahlte viel Ruhe und Sympathie aus.
»Ihr irrt. Solange der Dom Kesdschan existiert, existieren auch die Ritter der Tiefe. Ich selbst komme aus der Galaxis Shagor und bin ein Ritter der Tiefe. Zwar sind wir ein Orden, der abseits der kosmokratischen Herrschaft gegründet wurde, dennoch sind meine Freunde und ich im Auftrag des Kosmokraten Sipustov unterwegs, um nach Dorgon zu fliegen und dem Volk der Terraner zu helfen.
Wie mir dieser freundliche Mann erklärte, gehört ihr der Rasse der Terraner an. Vielleicht könnt ihr uns weiterhelfen, denn wir haben uns leider verirrt.«
Andrews konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Er erzählte seine Geschichte und wie sie hierher verschlagen wurden. Gal'Arn verstand sofort und bot seine Hilfe bei der Suche nach den restlichen Passagieren an. Der Ritter der Tiefe sprach Interkosmo. Die TERSAL hatte vor etwa einer Stunde den Hilferuf der Space-Jet empfangen und war zur Wüstenwelt zurückgekehrt.
»Eure Sprache befindet sich in unseren Speicherbänken. Unser verstorbener Rittermeister befand sich vor 26 Jahren auf einer Mission in der Milchstraße, eurer Heimat.«
Remus und Jonathan waren noch ganz verwundert. Sie blickten aus der Space-Jet und sahen vier weitere Wesen. Zwei davon sahen aus wie auf zwei Beinen wandelnde Esel oder Pferde. Der andere ähnelte einem Ara mit dem spitzen Kegelkopf. Die Frau hingegen sah – wie Gal’Arn – den Terranern sehr ähnlich.
Andrews Augenmerk fiel dabei auf das pferdeähnliche Wesen, welches gerade stolperte und unsanft auf den Boden krachte. Gal'Arn stellte ihn als Thobenar vor.
Die anderen waren der Ritter der Tiefe Irasuul, ein Pontanare mit einem kegelförmigen Kopf, der größtenteils haarlos war. Nur hinten am Schädel hing ein langer Zopf herunter.
Nirisar war eine Elarin, also vom selben Volk, wie auch Gal'Arn. Der Letzte im Bund war der Ghannakke Jaktar, der Vetter von Thobenar und Orbiter, also ständiger Begleiter, von Gal'Arn. Schnell fassten alle zueinander Vertrauen. Sie hatten auch keine andere Wahl in dieser Situation.
Die TERSAL brach mit Gal'Arn, Jaktar, Remus Scorbit und Jonathan Andrews auf, um die Verschollenen zu suchen.
Ein schwieriges Unterfangen, denn es wurde dunkel und bekanntlich waren Spinnen zur Nachtzeit am aktivsten.
*
Es war in Uthe Scorbits Augen nur noch eine Frage der Zeit bis noch mehr Leute durchdrehen würden. Der Boden vibrierte, denn etliche Spinnen krabbelten über die Wüstenlandschaft. G’Urksmarzk kroch leise zu Yasmin Weydner, die versuchte, etwas Schlaf zu bekommen. Behutsam stupste das Fischwesen sie an.
»Hey du!«
»Was ist?«, fragte Yasmin verschlafen.
»Ich bin etwas nervös. In unserer Rasse hilft es Nervosität und Ängste abzubauen, wenn unser Shepip massiert wird.«
Der Col’Phall deutete dabei auf das spitze Körperteil an seinem Hals.
»Und?«
»Nun, es ist uns Col’Phall verboten, dies selbst zu tun. Meine Frau möchte nicht, also hättest du vielleicht die Güte?«
Yasmin lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie wusste, dass das sein Genital war. Sie fragte sich, ob das Fischwesen das wirklich ernst meinte? Waren die denn alle hier durchgedreht?
»G’Urksmarzk! Was machst du da? Komm gefälligst her«, zeterte seine Frau, sehr zu Yasmins Glück.
Sie wechselte mit Uthe einen kurzen Blickkontakt und seufzte erneut. Die Situation war wirklich durchwachsen. Außerhalb der Höhle warteten riesige Spinnen, die ihrer Natur entsprechend, auf Nahrungssuche waren. Innerhalb der Höhle schienen alle durchzudrehen. Vermutlich litten die Col’Phall unter Wassermangel.
Ängstlich schlich das Fischwesen wieder zu seiner Frau zurück, die sich unter einer Spalte in der Wand angelehnt hatte. Der Col’Phall holte eine Flasche aus seiner Tasche und stellte ihn in den Spalt. Durch eine ungeschickte Bewegung stieß er ihn ungewollt tiefer in den Spalt. Vor sich hinfluchend versuchte er, sein Getränk wiederzubekommen.
G’Urksmarzk konnte die Flasche schon spüren, als er plötzlich einen starken Schmerz im Arm fühlte. Schreiend riss er ihn aus der Öffnung und blickte entsetzt auf den blutenden Stummel. Plötzlich krabbelte eine »nur« vierzig Zentimeter große Spinne aus dem Spalt und stürzte sich auf G’Urksmarzk. Zwei weitere Arachnoiden krochen aus der Öffnung und fielen seine Ehefrau an.
Nachdem es den drei Spinnenjungen gelungen war, die Fischwesen zu töten, machten sie sich auf die Suche nach neuer Beute.
Laut schreiend versuchte Regy Sott aus der Höhle zu kriechen, doch da hatte sie bereits eine Spinne am Bein gepackt und saugte die schwergewichtige Epsalerin förmlich aus. Ihr Sohn schaffte es aus der Höhle, fiel dort jedoch einer dort lauernden großen Spinne zum Opfer.
Uthe zündete eine Fackel an und versuchte so die Tiere zu verscheuchen. Yasmin, Yessica, Jezzica Tazum und die Braunhauers versteckten sich hinter der Scorbit, was ein sonderbares Bild abgab.
Etwa eine halbe Stunde verweilten die restlichen Überlebenden in dieser Haltung, dann erlosch das Feuer der Fackel.
Entsetzt versuchten Yasmin Weydner und Uthe Scorbit ein neues Feuer zu entfachen, da krabbelten die Spinnen bereits langsam auf sie zu, mit weit geöffneten Beißwerkzeugen.
Alle wichen langsam zurück, Yasmin stolperte und fiel auf den Boden, als sie sich aufrappelte, starrte sie in die schwarzen Facettenaugen des Arachnoiden, der gerade seine Fangzähne weit öffnete.
Buchstäblich im letzten Augenblick sprangen zwei Humanoiden dazwischen und bekämpften die Spinnen mit ihren goldenen Schwertern.
Gal'Arn schlug der ersten Spinne die beiden Fangzähne ab, danach die Vorderbeine und somit wurde das Tier paralysiert. Irasuul sprang mit einem Salto auf die Spinne und bohrte sein Schwert in den Körper des Wesens.
»Raus hier!«, befahl der Ritter der Tiefe und half Yasmin Weydner auf. Ein grelles Licht erhellte die Region vor der Höhle. Die TERSAL landete und beschoss die großen Spinnen, die fluchtartig das Gelände verließen.
Remus stürmte heraus und lief seiner Frau entgegen. Beide fielen sich in die Arme. Remus beruhigte seine Frau, die sichtlich mitgenommen war.
Yessica verließ als letzte die Höhle. Sie wurde beim Verlassen von der dritten Spinne attackiert.
Irasuul versuchte, das Ungetüm zu erledigen, wurde jedoch von weiteren Arachnoiden angegriffen, die aus den Spalten kamen. Sie befielen auch die Terranerin.
Für Yessica kam jede Hilfe zu spät. Sie war bereits tot, als Andrews sie erreicht hatte. Der Terraner und Irasuul erledigten die anderen Spinnen mit Strahlern. Jonathan nahm Abschied von seiner Romanze Yessica. Sie hatte ihm eigentlich nie viel bedeutet, doch er hatte ihr aufrichtig ein schönes Leben gewünscht. Dieses Ende hatte sie nicht verdient gehabt. Andrews unterdrückte sich die Tränen, als er Yessicas Leichnam Lebe Wohl sagte.
*
Als immer mehr Spinnen auftauchten, startete die TERSAL mit den restlichen Überlebenden und flog zur Space-Jet zurück.
»Was für ein Horror«, murmelte Thobenar verängstigt.
»Ein Horror, den uns die Natur bietet«, erklärte Gal'Arn. »Diese Spinnen, die anscheinend die primitiven Beherrscher dieses Planeten sind, folgen nur dem natürlichen Kreislauf der Natur; sie suchen nach Nahrung.«
»Bedauerlicherweise standen die Terraner heute auf dem Speiseplan«, fügte Irasuul mit einem leichten Bedauern hinzu.
Kurz danach startete der TERSAL erneut, um die anderen Gefangenen zu befreien, doch Gal'Arn kam mit leeren Händen zurück.
Die Opfer waren entweder bereits aufgefressen, verhungert oder erstickt. Er fand keine Überlebenden mehr.
»Wir werden euch mit nach Dorgon mitnehmen«, erklärte der Ritter der Tiefe den Galaktikern. »Wenn wir es finden werden. Diese Galaxis ist offenbar nicht Dorgon.«
Der Marqués und seine drei neuen Diener wechselten ebenfalls zur TERSAL über, auf der sich langsam Platzprobleme bemerkbar machten.
»Meister, wir sind doch kein Kreuzfahrtunternehmen. Diese Leute sind doch eher hinderlich als nützlich«, wandte Irasuul abfällig ein.
Gal'Arn ermahnte seinen ehemaligen Schüler.
»Du sollst nicht so über Lebewesen urteilen. Sie brauchen unsere Hilfe und wir verweigern ihnen diese nicht.
Ja, es wird etwas eng werden, doch die Terraner können sich für uns als hilfreich erweisen, denn Sipustov sprach davon, dass wir auf Terraner treffen, was bereits geschehen ist. Ich sehe dies als sehr glückliche Fügung.«
Der Pontanare musste die Wahrheit, die in Gal'Arns Worten lag, akzeptieren und tat dies auch wortlos.
Während die Frauen damit beschäftigt waren, die Quartiere einzurichten, die Braunhauers wie üblich stöhnten und die drei aus dem 20. Jahrhundert nichts taten, setzten sich Gal'Arn, Irasuul, Remus Scorbit und Jonathan Andrews zusammen.
»Die Galaxis Shagor verfügt ebenfalls über ein Sternenportal. Damit sind wir hier gelandet. Wir wollten in die Galaxis Dorgon, doch anhand von Jaktars astronomischen Berechnungen scheinen wir uns woanders zu befinden«, erklärte der Elare.
Der Ghannakke fügte hinzu: »Die Koordinaten von Dorgon waren im Bordcomputer der TERSAL gespeichert. Anhand dessen habe ich Sternenkonstellationen berechnet und mit den Abtastungen verglichen, die wir gemacht haben, seitdem wir hier sind. Irgendwie passt das nicht zusammen ...«
»Was?«, fragten Jonathan Andrews und Remus Scorbit gleichzeitig.
»Wie?«, erwiderte Jaktar irritiert. »Ich dachte, ihr seid auch auf einer Mission und kennt euch mit so etwas aus?«
Der Ghannakke senkte die Ohren ein wenig. Er schien verdutzt zu sein. Gespannt blickte er die beiden Terraner an.
»Also wir sind eher durch Zufall hier gelandet«, sagte Andrews und schilderte ihre Situation.
»Ich glaube nicht, dass es ein Zufall war. Vermutlich haben die Hohen Mächte euch hierher gebracht. Zu welchem Zweck ist uns nicht klar. Vielleicht, damit wir in Kontakt mit den Terranern treten«, vermutete Gal’Arn.
»Wie gehen wir jetzt weiter vor?«, wollte Andrews wissen.
»Wir versuchen erst einmal herauszufinden, wo wir sind. Etwa 7.000 Lichtjahre von hier entfernt, liegt ein Kugelsternhaufen in dieser Galaxie. Dort sollten wir hinfliegen«, schlug der Ritter der Tiefe vor.
Niemand hatte Einwände.
Die TERSAL verließ diesen ungastlichen Planeten und wechselte schnell in den Überlichtmodus.
*
Gal'Arn zog sich in seine Kabine zurück und dachte über die neu gewonnenen Freunde nach. Die Terraner schienen ein seltsames Volk zu sein, sehr unterschiedlich und mit sehr vielen Eigenarten. Der Elare musste lachen, als er an das seltsame alte Ehepaar dachte.
Dann wurde er wieder ernst, als die Erinnerungen an den Verrat Goshkans in sein Gedächtnis drängte, die Zerstörung des Doms, der Mord an Arib'Dar und die Vernichtung des Ordens. Die Verluste, auch bei den Terranern, die er hier getroffen hatte, waren sehr groß.
Ob er es wollte oder nicht, er war nun mitten in eine kosmische Auseinandersetzung geraten, doch er war nicht allein. Seine Weggefährten aus Shagor, wie auch die Terraner aus der fremden Milchstraße, mussten sich dieser Verantwortung stellen. Er hoffte, dass jeder dazu in der Lage sein würde.
Gal'Arn blickte nachdenklich auf die Projektion des in Flugrichtung liegenden Weltraums. Vor ihm lag eine fremde Galaxie. Der Elare war beeindruckt von der Schönheit dieser gigantischen Ansammlung von Systemen, die imposant und in goldenen Farben leuchtend vor ihm schwebte.
Sein Gesicht spiegelte sich in der Holodarstellung, die die Illusion eines Fensters erzeugte und zog für einen kurzen Moment seine Aufmerksamkeit auf sich. Den Kopf voller Sorgen wanderte der Ritter der Tiefe durch den spärlich erhellten Raum. Die Beleuchtung war absichtlich gedämmt, damit sein Freund und langjähriger Orbiter Jaktar ruhig schlafen konnte. Eigentlich hatte der Ghannakke seine eigene Kabine, doch aufgrund der Galaktiker, die unverhofft zu der Expedition dazu gestoßen waren, herrschte Platzmangel an Bord.
Die TERSAL war nur 110 Meter lang. Der meiste Platz wurde von den Maschinen und technischen Einrichtungen ausgefüllt. Insgesamt sechs Kabinen standen für sechzehn Personen zur Verfügung. Gal'Arn hatte die Aufteilung bestimmt. Er wählte natürlich seinen Orbiter als Zimmergenossen. Ebenfalls teilten sich Irasuul und Thobenar eine Kabine.
Die Frauen waren, mit Ausnahme von Ottilie Braunhauer, die mit ihrem Mann eine eigene Räumlichkeit besaß, in einer gemeinsamen Kabine untergebracht. Remus Scorbit und Jonathan Andrews bewohnten mit dem Marqués ein weiteres Quartier. Die drei Freunde aus dem terranischen Bundesstaat Deutschland, Katschmareck, Niesewitz und Wieber schließlich bewohnten die übrig gebliebene Kabine, die der technischen Sektion am Nächsten lag.
Gal'Arn versuchte die neuen Begleiter kennenzulernen, was ihm jedoch bei der in seinen Augen recht ungewöhnlichen Rasse etwas schwer fiel. Da waren zum Beispiel die Braunhauers. Bereits fünf Minuten nachdem er sich ihnen vorgestellt hatte, schienen die beiden Vertrauen zu ihm gefasst zu haben und berichteten dem Elaren von Intimitäten ihrer Person, die er niemals im Leben jemanden anvertrauen würde. Das einzig Lästige war für Gal'Arn jedoch, dass Ottilie Braunhauer nicht wusste, wann sie aufhören sollte.
Gal'Arn hatte sich von ihr verabschiedet, nachdem sie von ihrem Stuhlgang berichtet hatte. Ihr Mann, Karl-Adolf schien nur noch ein psychisches und physisches Wrack zu sein. Gepeinigt von Schmerzen schlurfte er durch die Gegend und klagte jedem, ob es ihn interessierte oder nicht, sein Leid. Der Ritter der Tiefe hoffte, dass dieser alte Mann nicht im Verlauf des Fluges dahinscheiden würde.
Ähnlich seltsam waren die drei Terraner, die anscheinend aus einer anderen Epoche stammten. Gal'Arn hatte wenig Mühe die Geschichte nachzuvollziehen, doch die drei Männer wirkten auf ihn ziemlich gewöhnlich und beschränkt. Sie hatten etliche Vorräte an Genussmitteln aus der Space-Jet in ihrer Kabine gelagert, obwohl der Ritter der Tiefe ihnen nahelegte, nur das Nötigste mitzunehmen, worauf Niesewitz jedoch entgegnete, dass das für sie das Nötigste sei.
Als er an ihrer Kabine vorbeiging, schienen sie bereits viel von den Genussmitteln konsumiert zu haben.
Die illustre Runde saß an einem Tisch, etliche Flaschen eines Getränks, das sie Bier nannten, auf dem Tisch stehend, und sangen Lieder, deren Sinn der Elare nicht kannte. Es waren wohl Loblieder auf ihre einstige Heimat.
Von Jonathan Andrews wusste der Ritter, dass die Erde, der Heimatplanet der Terraner, schon seit Jahrtausenden eine geeinte Nation war, fern von jeglichem falsch geleitetem Patriotismus oder Nationalismus. Der Elare war der Überzeugung, dass Ideologien wie Nationalismus und Rassismus Probleme waren, die vielleicht ewig auftreten würden. Die Terraner schienen scheinbar diese Entwicklungsstufe überwunden zu haben. Doch sie verachteten nicht mehr andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder ihres Aussehens, dafür hatten sie nun andere Völker, die nicht ihrem Idealbild entsprachen. Doch auch diese Völker schienen ebenfalls nicht anders zu denken und zu handeln.
In Shagor hatte man diese Probleme weitestgehend beseitigt, doch an seine Heimatgalaxis vermochte der Ritter gar nicht zu denken. Er wusste nicht, wie es weitergehen würde. Alle Ritter der Tiefe, außer ihm und Irasuul, waren ermordet worden. Die Republik war in ihren Grundfesten erschüttert. In Momenten wie diesem machte er sich Vorwürfe. Vielleicht hätte Gal'Arn lieber in Shagor bleiben und die Republik unterstützen sollen. Neue Ritter hätten ausgebildet werden müssen.
Doch die Gefahr, die von den sogenannten Mächten des Chaos ausging, konnte er nicht ignorieren. Der Kosmokrat Sipustov hatte sie davor gewarnt. Obwohl der Ritterrat gegen eine Expedition nach Dorgon gestimmt hatte, war Gal'Arn aufgebrochen. Nach dem brutalen Überfall und dem Massaker hatte er gar keine andere Wahl mehr gehabt. Verfolgt von den fremden Aggressoren, musste er durch das Sternenportal Shagors fliehen.
Wieder betrachtete der Elare die fremde Galaxie. Noch nie hatte er eine andere Sternenballung als Shagor aus nächster Nähe gesehen. Gal'Arn war neugierig, was ihn und die anderen dort erwarten würde. Jaktar fing an zu schnarchen. Der Ritter zog es vor, lieber noch einmal durch das Schiff zugehen und sich nach dem Wohlbefinden seiner neuen Gäste zu erkunden.
Nirisar und Irasuul hielten auf der Kommandostation Wache, während Thobenar ebenfalls im Reich der Träume schwebte.
Dort kann er wenigstens nichts anstellen, dachte Gal'Arn mit einem Schmunzeln.
Der tollpatschige Vetter Jaktars schlitterte von einer Peinlichkeit in die andere. So auch heute wieder. Die sanitären Anlagen waren ebenfalls knapp bemessen, es gab nur zwei Räume. So teilte Gal'Arn sie in eine Örtlichkeit für die Männer und eine für die Frauen auf.
Thobenar verwechselte jedoch die Toiletten und stürmte in die falsche hinein, sehr zum Entsetzen von Yasmin Weydner, die gerade unter der Dusche gestanden hatte. Allerdings hegte der Elare starke Zweifel, ob der Ghannakke sich etwas aus nackten terranischen Frauen machte.
Der Ritter der Tiefe führte seinen Rundgang weiter. Aus dem Raum von Katschmareck, Niesewitz und Wieber drang laute Musik. Anscheinend verfügte der Syntron der ausgeschlachteten Space-Jet auch über eine Datenbank von verschiedenen Musikstücken.
Gal'Arn entschied sich weiterzugehen. Andrews und Scorbit schliefen ebenfalls. Auch die beiden hatten anstrengende Stunden hinter sich gebracht. Sie hatten sich noch eines gefährlichen Giganten erwehren müssen, den sie auf demselben Raumschiff getroffen hatten, wie den Marqués und die drei Deutschen.
In Andrews spürte Gal'Arn viel Potenzial. Er war ein fähiger, talentierter und verantwortungsbewusster Vertreter seiner Rasse. Auch Remus Scorbit schien ähnlicher Natur zu sein. Doch beide hatten auf jeden Fall noch viel zu lernen.
Auch Gal’Arn selbst musste noch viel lernen. Die Aufzeichnungen in der TERSAL, welche Arib’Dar vor 26 Jahren während seiner Mission in der Milchstraße gemacht hatten, halfen ihm zwar dabei, doch es war sehr viel, was er verstehen musste. Insbesondere die Einmischung von Entitäten in das Leben der normalen Lebewesen war etwas, woran er sich erst gewöhnen musste. Er fühlte sich wie eine virtuelle Figur, die von fremden Spielern durch ein virtuelles Abenteuer geschickt wurde, ohne zu wissen, wieso und weshalb. Jedoch war das alles nicht virtuell, sondern sein Leben und das seiner Gefährten.
Wer waren die Söhne des Chaos? Wer war Rodrom und was verbarg sich hinter der Entität MODROR? Wer waren die Fremden, die die Terraner durch ein mobiles Sternenportal geschickt hatten. Mehr als den Namen Alysker kannte Remus Scorbit nicht. Wer waren die Dorgonen? Was wird sie in Dorgon erwarten? Freunde oder Feinde?
So viele Rätsel. Gal’Arn ging weiter durch die TERSAL.
Die Frauen schliefen bereits tief und fest. Thobenar wanderte jedoch inzwischen durch den Korridor und watschelte in die Küche.
»Kannst du auch nicht schlafen, Thobenar?«, fragte der Ritter der Tiefe freundlich.
Der Ghannakke erschrak und warf ein Glas Milch in die Luft. Angestrengt versuchte er es wieder aufzufangen, jonglierte mit dem Behälter mehrmals von einer Hand zur anderen, bis das Glas letztendlich auf dem Boden landete und den Inhalt vergoss. Thobenar blickte sich verlegen um und grinste den Ritter der Tiefe an.
»Ja, ich kann auch nicht schlafen ...«
Das Pferdewesen entblößte sein weißes Gebiss und hoffte, dass der Elare nicht sauer auf ihn sein würde.
Gal'Arn stemmte die Hände an die Hüfte und schüttelte nur den Kopf, danach nahm er ein Handtuch und half Thobenar das Chaos zu beseitigen.
»Warte, ich schenke dir ein Glas ein, bevor du noch unsere restlichen Vorräte verschwendest«, erklärte Gal'Arn und goss dem Ghannakken die weiße Flüssigkeit in einen blauen Becher.
Langsam ließ Thobenar seine Zunge aus dem Mund herausfahren und schlabberte genüsslich die Milch aus.
Gal'Arn lächelte schwach und dachte an die bevorstehende Mission. Er wusste nicht, wie er sie mit diesen »Helfern« bewältigen sollte. Von den sechzehn Lebewesen an Bord traute er nicht einmal der Hälfte zu, in Gefahrensituationen richtig zu reagieren. Unter diesem Gesichtspunkt waren sie, so hässlich dieses Wort auch für ihn klang, eine Behinderung für die Mission, denn er musste auch auf ihr Leben aufpassen. Er korrigierte sich. Vermutlich würde das jetzt seine Hauptmission sein.
»Ich hoffe, wir werden herausfinden, wo wir uns befinden, sobald die TERSAL diese Galaxie erreicht hat«, murmelte er und trank ebenfalls ein Glas von dem terranischen Getränk, das sie aus dem Wrack der THEBEN geholt hatten. Die TERSAL hatte nicht genügend Vorräte für so viele Personen und so hatte man alle Vorräte, die irgendwie noch brauchbar waren, aus der THEBEN und dem Beiboot geholt. Zwar hatte Vergana vor ihrem Start den Proviant aufgefüllt, doch dieser war für zwei bis vier Personen und nicht sechzehn hungrige Mäuler ausgelegt.
»Beten wir zu Jedar Balar, dass dieser Rothäutige uns nicht findet«, fügte er nachdenklich hinzu.
»Du meinst das böse Männlein, das alle Ritter auf Elaran getötet hat?«
Gal'Arn nickte.
Der Ghannakke winkte ab.
»Ach, den werden wir schon schaffen«, wieherte Thobenar entschlossen und schlug mit der Faust auf den Tisch, dadurch jedoch sein Glas nochmals umwarf.
Der Ritter ersparte sich diesmal einen Kommentar und ließ den Ghannakken das Durcheinander alleine in Ordnung bringen.
Thobenar war nicht nur ein Tollpatsch, er war auch geistig zurückgeblieben. Er hatte manchmal Probleme sich richtig zu artikulieren und erkannte viele Zusammenhänge auch zu spät. Thobenar war wie ein kleines Kind, dennoch war er ein treuer Gefährte und konnte sogar gut kämpfen. Das Wichtigste für Gal'Arn war jedoch, dass der Ghannakke das Herz am rechten Fleck sitzen hatte. Das war die wichtigste Qualifikation von allen für einen Angehörigen des Ritterordens.
*
Am nächsten Morgen saß die grundverschiedene Gruppe bereits am Frühstückstisch, als der Ritter der Tiefe noch etwas schläfrig die Küche aufsuchte. Er begrüßte die Anwesenden freundlich und erkundigte sich nach ihrem Wohlbefinden.
Natürlich begann Ottilie Braunhauer, umgehend ihr Leid zu klagen.
»Uns geht es ja so schlecht. Ich weiß auch nicht warum. Vatichen hat ja solche Kopfschmerzen und ich habe dicke Beine ...«
Gal'Arn nickte verständnisvoll. Er war sehr darüber verwundert, warum es den Braunhauers auf einmal so schlecht ging, denn gestern Abend verfügten sie noch über genügend Energie, um eine ausschweifende Feier mit ihren neu gewonnenen Freunden Katschmareck, Niesewitz und Wieber zu veranstalten.
»Also wenn das mit meinem Bein schlimmer wird, muss es vielleicht amputiert werden«, seufzte die Terranerin weiter und verbreitete schlechte Stimmung.
»Bitte, wir essen gerade«, mahnte Uthe Scorbit und quälte sich die Nahrung herunter.
Reinhard Katschmareck verdarb ihr noch mehr den Appetit, indem er wieder Geräusche von sich gab, die man sich besser beim Essen verkniff.
Jaktar und Irasuul gingen in die Kommandozentrale und bereiteten alles für das Erreichen der fremden Galaxie vor. Die ersten Funksprüche konnten aufgefangen werden. Sofort begann natürlich die Analyse der unbekannten Sprache.
Auch Gal'Arn begab sich in den kleinen Raum, in dem sich die Steuereinheiten der TERSAL befanden. Er schien die Gedanken Irasuuls lesen zu können. Zur Beruhigung legte er dem Ritter der Tiefe seine Hand auf die Schulter.
»Ich weiß, was du über die Terraner denkst«, begann der Elare einfühlsam.
Irasuul atmete tief durch und drehte sich zu seinem Meister um. Er blickte ihm tief in die Augen. Seine Mimik verriet Wut.
»Diese erbärmlichen Kreaturen behindern uns doch nur. Vielleicht sind ein oder zwei von ihnen brauchbar, der Rest wird uns wahrscheinlich noch den Erfolg dieser wichtigen Mission kosten!«
Die Worte waren hart. Gal'Arn suchte nach einer passenden Antwort, doch es war schwer, da er selbst dieselben Gedanken gehegt hatte, wenn auch nicht so vehement.
»Irasuul, zuerst sind diese Kreaturen, wie du sie nennst, lebende Wesen. Sie verdienen Respekt und Achtung. Wenn du über sie sprichst, solltest du das nicht vergessen. Sicherlich sind sie unerfahren und keine Ritter der Tiefe, dennoch sind sie hier an Bord. Wir haben die Verpflichtung auf sie aufzupassen, während wir nach Dorgon müssen. Ich weiß, die Lage ist schwer, doch wir werden sie meistern.«
Die Rede seines Mentors beeindruckte den Pontaren. Er wusste genau, dass Gal'Arn im Recht war, doch er hatte ebenfalls die Toten vor Augen, all die Ritter, die ihr Leben gelassen hatten. Irasuul wollte unter keinen Umständen, dass seine Freunde und Vorbilder umsonst gestorben waren. Die Mörder sollten ihren Preis zahlen. Die Terraner sah er dabei als Hindernis, die die Mission gefährden könnten, dennoch nickte er schweigend seinem Mentor zu und zeigte damit seine Bereitschaft, die Terraner in Ruhe zu lassen.
»Leute! Ich habe einen bewohnten Planeten geortet«, rief Jaktar dazwischen und schlug hastig ein paar Tasten an, bis auf dem Holodisplay der Planet samt den entsprechenden Daten angezeigt wurden.
Auf einer dreidimensionalen Darstellung wurde das sehr große Sonnensystem dargestellt. Es bestand aus einer gigantischen blauen Sonne und etwa 90 Planeten, von denen jedoch zwei Drittel riesige Gasplaneten waren und nur der fünfzehnte Planet bewohnt war.
Jaktar zeigte eine Vergrößerung der Wüstenwelt. Sie durchmaß 8.918 Kilometer und besaß zwei große Kontinente, von denen einer mit mehreren Siedlungen bevölkert war.
»Laut unseren Abtastern verfügen die Bewohner über fortgeschrittene Technik. Ich orte einige Raumschiffe, die das System verlassen und erreichen. Allerdings nur in bestimmten Ballungszentren. Der Rest wirkt auf mich technologisch rückständig.«
»Gut, Jaktar! Wir werden zu diesem Planeten fliegen«, erklärte Gal'Arn. »Zuerst gehen wir jedoch in den Orbit um einen der Gasriesen und studieren ihre Sprache.«
Die TERSAL flog das System an und machte beim zwanzigsten Planeten halt, wo sie sich in Lauschposition begab. Sie fanden heraus, dass der Planet Zorryk hieß und offenbar eine Art Attraktion für Wesen von anderen Planeten war. Die Bevölkerung lebte tatsächlich weitestgehend ohne Technologie. Gal’Arn wusste nicht, ob das freiwillig geschah oder weil die Besucher von anderen Planeten ihre Technik nicht teilen wollten. Die Elaren lebten ja auch teilweise in freiwilliger »Primitivität« und verzichteten der Natur und des Lebensbewusstseins wegen auf einigen technologischen Kram. Jedenfalls schien dieser Planet mit dem Namen Zorryk für einen Besuch gut geeignet.
*
Jonathan Andrews schlenderte durch das Raumschiff und langweilte sich schrecklich. Es gab für den Terraner nichts zu tun. An einer Ecke traf der Jezzica Tazum. Die blonde Schönheit joggte durch die TERSAL. Unfreiwillig musste sie ihre Fitnessübungen abbrechen, als sie mit Andrews zusammenstieß. Sofort entschuldigte er sich bei ihr und legte seinen ganzen Charme in die Waagschale. Er »lud« sie zu einem Drink ein. Beide gingen in die Küche, wo sich niemand anderes befand.
Mit einem Lächeln schenkte Jonathan ihr ein Glas Vurguzz ein. Von Vurguzz und sonstigen alkoholischen Getränken gab es sehr viel auf der TERSAL, was man besonders Niesewitz und seinen Begleitern zu verdanken hatte.
Jezzica erwiderte das Lächeln und bedankte sich. Sie war eine aufregende Frau. Knapp 1,75 Meter groß, schulterlange, leicht gelockte blonde Haare, blaue Augen und ein Traumkörper ließen Andrews in den Siebten Himmel schweben.
»Wie kommst du mit allem zurecht?«, erkundigte er sich.
Sie sah kurz auf den Tisch und wirkte etwas verlegen.
»Ich weiß es nicht. Alles hat sich völlig verändert. Vor ein paar Tagen noch hatte ich meinen üblichen Nebenjob auf der THEBEN und nun bin ich Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, umgeben von völlig fremden Menschen und Pferden.«
Andrews musste über ihre Bezeichnung der Ghannakken lachen.
»Andererseits ist es ein aufregendes Abenteuer«, erklärte sie weiter. »Zuhause besuchte ich jeden Tag eine Party nach der anderen, um etwas zu erleben. Jetzt habe ich die Chance ein wirkliches Abenteuer zu erleben ...«
»Ein ziemlich gefährliches Abenteuer«, stellte Andrews mit einem leichten Unterton fest. Er kratzte sich am Kopf und ließ etwas Unbehagen andeuten.
Jezzica wirkte wieder etwas bedrückter.
»Ja, ich weiß. Vielleicht sterben wir alle ...«
Sofort legte er seine Hand auf ihre und streichelte den Handrücken.
»Nein, das werde ich nicht zulassen!«
Langsam bewegten sich ihre Lippen näher und näher zueinander, bis sie in voller Leidenschaft innig verbunden waren.
Am nächsten Tag hatte Jaktar genügend Informationen über die Sprache der fremden Bevölkerung gesammelt. Er erklärte, dass sie aus mehreren Kulturen bestanden, deren Oberbegriff Zerachonen war. Damit war der Name der Galaxis bekannt: Zerachon!
Gal'Arn hegte die Hoffnung, dass sich auf dieser Welt, mit dem Namen Zorryk, eine Art Sternenobservatorium befand, mit dessen Hilfe sie den Weg nach Dorgon bestimmen konnten.
Er rief eine Besprechung ein. Alle sechzehn Besatzungsmitglieder der TERSAL waren anwesend.
Gal'Arn erklärte seine Absichten.
»Wir werden in mehreren Gruppen agieren. Jaktar, Andrews, der Marqués und ich werden die erste Gruppe bilden. Wir werden nach einem Observatorium suchen. Die zweite Gruppe besteht aus Irasuul, Thobenar und Remus Scorbit. Auch sie werden versuchen mehr über diese Galaxis herauszufinden und wo genau wir uns befinden.
Während Nirisar, Niesewitz, Karl Adolf Braunhauer, Katschmareck und Wieber hierbleiben, werden sich Uthe Scorbit, Yasmin Weydner, Ottilie Braunhauer und Jezzica Tazum nach neuen Vorräten und nützlichen Rohstoffen, die wir für diese Reise gebrauchen könnten, umsehen.«
Niemand hatte große Einwände, aber Ottilie Braunhauer stöhnte über die bevorstehende Belastung. Gal'Arn sprach jedoch ein Machtwort. Da Ottilie Braunhauer ihr ganzes Leben lang Hausfrau gewesen war, konnte sie sicher am besten einschätzen, was man alles für eine sechzehnköpfige Besatzung brauchte.
Die TERSAL landete wenige Minuten nach der Besprechung in einer abgelegenen Talsohle, zehn Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt. Der Ortungsschutz funktionierte einwandfrei und nach ersten Einschätzungen waren die Zerachonen technisch nicht so weit entwickelt, um die TERSAL trotzdem zu orten.
Die Gruppen teilten sich auf, nachdem sie mit den zwei Gleitern, die zur Ausstattung der TERSAL gehörten, die kleine Stadt erreicht hatten.
Die Siedlung wirkte sehr primitiv. Andrews verglich sie mit dem frühen europäischen Mittelalter auf Terra. Die Leute waren entsprechend gekleidet und schienen meist Bauern oder Handwerker zu sein.
Die Gruppe um Gal’Arn fühlte sich, mit Ausnahme des Marqués, in dieser Ansiedlung äußerst unbehaglich. Die humanoiden Zerachonen stierten den Ghannakken an, als hätten sie noch nie so ein Wesen gesehen. Wahrscheinlich war dem auch so, dachte sich Gal'Arn.
Doch schnell wurde er eines Besseren belehrt. Ein dreiköpfiges Wesen marschierte durch den Marktplatz. Wenige Sekunden danach schwirrte ein Wesen vorbei, welches man am besten mit einem fliegenden Ball beschreiben könnte. In einem der vier Tentakel hielt es eine Tasche. Außerirdische schienen den hiesigen Eingeborenen also nicht unbekannt zu sein.
Jaktar mutmaßte, dass diese Siedlung nur eine Art Vorort war. Auf einem Berg lag wohl die eigentliche Stadt. Einige Gleiter flogen in diese Richtung, was seine Vermutung bestätigte.
»Sehen wir uns erst einmal hier etwas um, bevor wir zum Hauptort gehen«, schlug Gal'Arn vor.
Der Marqués fühlte sich recht heimisch. Die Baracken und Steingemäuer erinnerten ihn sehr an das alte Spanien.
»Señores, ich schlage vor, dass wir erst einmal etwas essen gehen. Die Wirte sind meist sehr redselig, das dürfte auf jedem Planeten so sein.«
»Vielleicht haben Sie recht, Marqués. Gehen wir in das nächste Gasthaus«, unterstützte der Ritter der Tiefe den Vorschlag des alten Spaniers.
Die Vier begaben sich in eine knapp 200 Meter weiter entfernte Gaststätte. Sie machte von außen nicht viel her. Das Haus war ein Holzbau und die Tür knarrte schrecklich. Innen war es fast noch schlimmer. Es stank nach Alkohol und Exkrementen. Jaktar rümpfte seine große Nase und war im Begriff wieder umzukehren, doch Gal'Arn hielt ihn zurück.
»Vielleicht finden wir hier etwas heraus ...?«
»Deinen Optimismus möchte ich haben. Bevor wir etwas Wissenswertes in Erfahrung gebracht haben, sind wir schon erstunken oder haben uns ein tödliches Virus eingefangen.«
Ein unbeteiligter Gast kommentierte Jaktars Aussage mit einem grollenden Rülpsen.
Der Ghannakke verdrehte die Augen und trottete Gal'Arn und den anderen hinterher. Andrews hatte einen Tisch gefunden. Er schob die Essensreste beiseite und setzte sich. Schnell zündete er sich eine Zigarette an.
»Wirt!«, rief der Marqués in Interkosmo.
Gal'Arn machte ihn darauf aufmerksam, dass diese Wesen bestimmt nicht über einen Translator verfügten. Sie mussten die per Hypnoschulung erlernte Sprache anwenden.
»Wie primitiv«, erwiderte der Spanier mit einer gewissen Ironie, denn vor wenigen Tagen noch war er jenen Zerachonen nicht unähnlich gewesen und hatte kein Wort Interkosmo verstanden. Doch der Terraner aus dem 18. Jahrhundert hatte sich bewundernswert in das neue Zeitalter eingefügt. Das sprach für große Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und Weltoffenheit, glaubte Gal’Arn. Ein engstirniger, dummer und ignoranter Mensch hätte sicherlich seine Probleme gehabt, zu akzeptieren, dass seine Welt nicht mehr existierte, so wie sie einst gewesen war.
De la Siniestro wiederholte seine Aussage diesmal in der Sprache der Zerachonen.
Diesmal verstand der Wirt besser. Es war ein Tier von einem Menschen. Mindestens zwei Meter groß, grobschlächtig gebaut, dreiäugig und mit einem weißen Fell beharrt.
»Was?«, grollte er bedrohlich.
Gal'Arn ließ sich jedoch nicht beirren.
»Wir möchten etwas zu trinken haben.«
Der Wirt gab einen kehligen Laut von sich und schlurfte zurück in die Küche. Es dauerte eine Weile. Niemand sagte etwas, sondern beobachtete die anderen Gäste.
»Sind die hier vielleicht Gastaltenwandler?«, fragte Jaktar ungläubig, als er den Wirt sah, der sich sehr zu seinem Vorteil verändert hatte.
Er war auf einmal eine sehr schöne Sie mit langen schwarzen Haaren, einem Schmollmund und wohlproportionierten Brüsten.
»Ein Engel ...«, murmelte der Marqués und grinste freudig. Seine gelben Zähne wurden dabei entblößt.
Andrews empfand dies als keinen sonderlich angenehmen Anblick. Ganz im Gegensatz zu der jungen und hübschen Bedienung, welche die Getränke brachte. Jonathan lächelte ihr zu. Verlegen schenkte auch sie ihm ein Lächeln.
»Vielen Dank, schöne Frau«, bedankte sich der Terraner charmant.
Sie verbeugte sich unmerklich und wischte den Tisch mit einem feuchten Tuch ab, bevor sie die Getränke darauf abstellte.
»Wie ist dein Name?«, wollte Andrews wissen.
»Jereta.«
»Ein wunderschöner Name.«
»Danke!«
Andrews nahm ihre Hand und streichelte sie sanft.
»Setze dich doch bitte zu uns«, bat er sie, doch sie lehnte ab.
»Ich muss arbeiten. Mein Vater wird sonst böse ...«
Sie deutete auf den Wirt, der mit seinem Beil gerade ein hundeähnliches Wesen häutete.
»Nachher?«
Sie lächelte wieder. »Also gut. Ich habe in einer Stunde frei.«
Nachdem sie wieder bei der Arbeit war, fragte Gal'Arn, was das sollte. Andrews erklärte, dass er vielleicht von ihr etwas herausbekommen könnte. Der Ritter verstand und kontaktierte erst einmal die anderen beiden Gruppen.
Remus Scorbit und Irasuul hatten immerhin schon herausgefunden, dass in der Burg der Regierungssitz war und seit zwei Stunden Sperrstunde herrschte. Sie hatten versucht in den inneren Ring einzudringen, doch das war ihnen verboten worden. Nur außerhalb der Sperrstunde war es möglich. Gal'Arn empfahl ihnen wieder zur TERSAL zurückzukehren und es morgen wieder zu versuchen.
Die andere Gruppe hatte weniger Erfolg. Ottilie Braunhauer fühlte sich nicht so gut. Nirisar entschied den Einkauf auf den morgigen Tag zu verlegen. Da Gal'Arn und seine Begleiter heute sowieso nichts mehr ausrichten konnten, erklärten sie sich damit einverstanden. Sie mieteten Zimmer für die Nacht, auch wenn Jaktar es lieber gewesen wäre, auf der TERSAL zu schlafen, doch Gal'Arn wollte in aller Frühe in den Innenkreis der Stadt aufbrechen.
*
Nach einer Stunde widmete sich dann Andrews der bezaubernden Jereta. Beide saßen lange Zeit zusammen, dann beschlossen sie, durch die Stadt zu gehen.
»Woher kommst du, Jonathan? Etwa vom Himmel?«
Andrews war sich nicht sicher, was er antworten sollte. Anscheinend kannten diese primitiven Menschen andere Sternenvölker, doch sie selbst hatten nicht einmal die Elektrizität erfunden. Das galt zumindest für die Bürger des Vorortes.
»Ja, ich komme von einer anderen Welt. Das muss sehr schwer für dich sein, oder?«
»Naja, ich weiß, dass es höhere Wesen als uns gibt. Diese kommen oft hierher und besuchen uns oder kaufen einfach nur ein. Anfangs war es für unser Volk unvorstellbar und unser Glauben brach zusammen, doch der Fürst hat uns alle gerettet und klug gemacht«, erklärte sie. Dabei blickte Jereta Andrews tief in die Augen.
Was für ein hinreißender Anblick, dachte der Terraner und fixierte ihren Schmollmund, der ihn geradezu einlud, sie zu küssen. Doch er riss sich zusammen. Er musste mehr über diese Welt herausfinden. Die Mission hing davon ab.
»Welcher Fürst?«, hakte er nach.
»Fürst Baf-Ruar-Thomun, unser Herrscher. Er lehrte uns, mit den Außenweltlern umzugehen und ihnen zu dienen.«
»Ich verstehe ... und wo ist dieser Baf-Ruar-Thomun?«
»Dort!«
Sie deutete auf die große Burg im Innenkreis der Stadt. Andrews verstand. Heute Nacht konnten sie nichts mehr erreichen. Zur Sperrstunde hatte niemand Zugang zu der Burg. Vielleicht hätten sie sich mit der TERSAL anmelden sollen, da dieser Baf-Ruar-Thomun anscheinend alle Extraterrestrier sehr zu respektieren schien.
»Wie ist es auf anderen Planeten?«, fragte Jereta nach.
Andrews musste schmunzeln. Wie sollte er ihr das alles erklären?
»Auf meinem Heimatplaneten, der Erde, ist es wunderschön. Es ist ein blauer Planet mit viel Wasser und sieben Kontinenten. Es ist anders als hier, nicht so idyllisch, aber es ist moderner, sauberer und bietet viel mehr Möglichkeiten.«
Sie nahm Jonathans Hand und drückte ihren Körper an den seinen. »Nimmst du mich dorthin mit?«
Er wusste nicht genau, was er antworten sollte, da spürte er bereits ihre Lippen, während ihre Zunge stürmischen Eingang begehrte.
Das H-förmige Schiff landete unweit von der Siedlung auf einem Hügel. Unsanft setzte das Raumschiff auf den Boden auf. Etliche Bäume mussten der Stahlmasse weichen. Sie fielen wie Streichhölzer zu Boden. Das laute Grollen der Triebwerke ließ die Tiere am nahegelegen Wald aufschrecken und flüchten.
Eine Luke öffnete sich und zwei Gestalten traten hervor. Einer von ihnen trug eine schwarze Kutte, an seiner rechten Hand hielt er einen langen Stab, der am oberen Ende in einen zweigehörnten Totenschädel mündete.
Der Zweite überragte ihn um etwa zweieinhalb Köpfe. Die Kreatur schnaubte laut. Sein Rüssel schwang rhythmisch von einer Seite zur anderen.
Der Erste nahm seine Kutte ab und entblößte damit sein kahlköpfiges, rothäutiges Haupt. An der Stirn war ein Mal zu erkennen, welches drei ineinander verschlungene Sechsen darstellte. Diese Wesen waren auf der Jagd, auf der Jagd nach den Helfern der Kosmokraten. Gal'Arn und seine Begleiter sollten im Auftrag des Kosmokraten Sipustov nach Dorgon reisen. Doch Rodrom hatte sie durch die Manipulation des Steuerungsprogramms des Sternenportals in Shagor in die Galaxie Zerachon umgeleitet. Hier würden sie fernab von Dorgon oder der Lokalen Gruppe von jeder Hilfe abgeschnitten sein. Cau Thon und Goshkan konnten Jagd auf sie machen und damit den Plan des Kosmokraten vereiteln. Sofern Sipustov und nicht DORGON selbst der Initiator dieses Plans war.
Gal’Arn schien ein starkes Wesen zu sein. Trotz des Angriffs auf Elaran, der Ausrottung der Ritter der Tiefe, war er nicht geneigt, aufzugeben. Es musste eine Ironie des Schicksals gewesen sein, dass Gal'Arn nun auch noch terranische Unterstützung erfahren hatte. Wieder hatte ihnen jemand in die Suppe gespuckt. Hatte es etwas mit dem Auftauchen der RIVEDELL in Shagor zu tun gehabt? Jedenfalls hatte Rodrom vorgehabt, die in Stasis gehüllten Terraner im Transporter der Casaro auf andere Terraner stoßen zu lassen, die sie dann nach Terra bringen sollten. Offenbar plante Rodrom, sich die Zeit etwas mit einem Nebenplan zu vertreiben. Allerdings waren die Terraner aus unerklärlichen Gründen ebenfalls in Zerachon gelandet.
Rodrom hatte Cau Thon umgehend informiert. Die Rote Entität, die sich selbst als Inkarnation des großen Herren und Meisters MODROR bezeichnete, hatte nun das Interesse an seinem Spielchen verloren. Sein Auftrag an Cau Thon und Goshkan war eindeutig: die Auslöschung der Shagoer und Terraner.
Ein Hilferuf des terranischen Schiffes hatte den Rothäutigen aufmerksam gemacht. Er kam jedoch zu spät. Alles, was er vorgefunden hatte, waren zwei zerstörte Raumer terranischen Ursprungs. Doch er hatte die TERSAL wiedergefunden. Sie befand sich auf diesem Planeten. Jetzt musste er nur noch den Ritter der Tiefe suchen. Er befand sich nicht auf dem Schiff, das dokumentierten die Individualabtaster. Es nützte nichts, die TERSAL zu vernichten. Cau Thon musste Gal'Arn, den gefährlichsten Kontrahenten dieser, in Thons Augen, so lächerlichen Mission, endlich ausschalten.
»Goshkan, was siehst du?«, fragte der Rothäutige den elefantenähnlichen Hünen, als sie über das Tal blickten und die Stadt sahen. Eine idyllische Ruhe lag über der Stadt. Die Sterne funkelten hell und niemand von diesen primitiven Wesen ahnte die nahende Bedrohung.
»Viele erbärmliche Kreaturen. Ich sehe Schlachtvieh!«, fauchte der Katrone, der die Ritter der Tiefe verraten und Thon bei deren Ermordung geholfen hatte.
»Geduld, mein junger Schüler, habe Geduld.«
Cau Thon aktivierte den Individualabtaster, der die gesamte Stadt scannte. Das Fiepen und Piepsen dauerte nur einige Minuten, dann war die Abtastung komplett. Das Ergebnis überraschte Cau Thon wenig.
»Gal'Arn ist dort unten. Wir werden ihn jagen und zur Strecke bringen.«
Goshkan grunzte stupide und zog seine Axt, mit der er laut schreiend durch die Luft wedelte. Cau Thon schenkte diesen Drohgebärden keine Aufmerksamkeit und machte sich auf den Weg zur Stadt.
Der Katrone folgte seinem Meister. Er konnte es nicht mehr abwarten zu morden. Dieses Wesen war in einem Blutrausch!
*
Jonathan legte seinen Arm sanft um ihre Schulter. Jeretas Haut fühlte sich weich und wohlig an. Sie lagen in ihrem Bett auf ihrem Zimmer. Andrews hoffte, dass ihr grobschlächtiger Vater nicht auftauchen würde.
Leise rekelte sich die Zerachonin und gab im Schlaf einen Seufzer von sich. Jonathans Herz pochte stärker, als er ihren Kopf an seiner Brust spürte.
Er wollte es sich nicht eingestehen, doch er hatte sich in die Wirtstochter verliebt. Sie war eine Frau voller Unschuld und Energie. Genau das, was ein Mann brauchte, der sich in einer kosmischen Mission befand, für den sich das Leben von einem Moment zum anderen grundlegend geändert hatte. Der auf einmal weit entfernt von seiner Heimat war, von seinen Freunden, von seiner Familie und dem Tod trotzen musste.
Andrews fühlte sich trotz seiner neuen Freunde und Begleiter einsam. Jereta vermochte dies innerhalb weniger Stunden zu ändern.
Sie hatte einen positiven Einfluss auf ihn und gab ihm neue Energie.
Er küsste sie zärtlich auf die Stirn. »Ja, ich nehme dich mit ...«
*
Zwei schemenhafte Gestalten näherten sich im morgendlichen Nebel dem Vorort der großen Burg. Wolken waren aufgezogen und es nieselte. Der Boden war modrig. Jeder Schritt der beiden Fremden wurde mit einem Knirschen kommentiert.
Ihnen machte dieses ungastliche Wetter wenig aus. Das Ziel lag unweit vor ihnen im gespenstischen Nebel, durch den die Lichter der Stadt schimmerten. Das Heulen einiger domestizierten Tiere ließ sie kurz stoppen. Cau Thon hob die Hand und gebot Goshkan damit völliges Schweigen. Sie hörten die Stimme eines alten Hirten, der zu seinen Tieren sprach. Der Katrone zog einen Dolch und sprang in das Gebüsch, während Cau Thon auf den nahenden Einheimischen wartete.
Der Zerachone erschrak, als er die Gestalt im Dunkel des Nebels und des Morgengrauens erblickte. Beinahe fiel der Mann nach hinten.
»Wer ... wer bist du, Fremder?«
»Wie du schon sagtest, ein Fremder!«
Der Mann zitterte vor Angst. Er glaubte in Cau Thon einen Dämon erkannt zu haben, womit er in gewisser Weise gar nicht so falsch lag.
»Erzähle mir mehr über diesen Planeten, Bauer«, forderte der Rothäutige den primitiven Einwohner auf, der nicht verstand, was um ihn geschah.
»Ich ... ich ... weiß nichts ... ich sehe nichts ... nur Nebel, nur Nebel ...« sprach er verwirrt, fast ohnmächtig vor Angst.
Plötzlich stürmte Goshkan aus dem Gebüsch hervor und stürzte sich auf eines der Tiere. Mit seinem Dolch durchschnitt er die Halsschlagader, dann stach er immer wieder zu, bis das Tier tot war.
Der Hirte fing an, laut zu schreien und wollte weglaufen, doch sein schwaches Herz spielte nicht mit. Er fiel vorn über und blieb tot liegen. Goshkan kümmerte das wenig, er schnitt ein großes Stück Fleisch aus dem Kadaver des toten Tieres heraus und stillte seinen Hunger.
»Wir leben in einer zivilisierten Zeit. Fleisch wird nicht mehr roh gegessen«, stellte Cau Thon angewidert fest.
Er setzte seinen Weg in Richtung Stadt weiter fort.
Der Katrone rannte nach einer Weile seinem Meister hinterher, in der linken Hand noch ein großes Stück Fleisch. Sie kamen Gal'Arn näher. Die Gefahr wuchs von Minute zu Minute.
*
Bereits sehr früh piepte Andrews Interkomgerät auf. Es war Gal'Arn, der dem Terraner damit verständlich machte, dass es Zeit zum Aufbruch war. Sanft schob er Jereta zur Seite und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Dann zog er sich leise an, doch die hübsche Zerachonin war bereits aufgewacht.
»Wohin gehst du?«
»In den Innenkreis. Wir müssen dort etwas erledigen.«
Er ging zu ihr und setzte sich auf die Bettkante.
»Kommst du wieder?«
In ihrer Stimme lag etwas Unbehagen. Sie schien Angst davor zu haben, dass er nicht wiederkam. Andrews nahm ihre Hand und küsste sie.
»Ja, ich komme wieder und nehme dich mit.«
Sie konnte es kaum glauben und fing an laut zu jubilieren. Jereta warf sich Jonathan um den Hals und küsste ihn mehrmals. Sie war überglücklich.
»Ich liebe dich!«
»Ich liebe dich auch, Jereta!«
Mit diesen Worten verließ der Terraner das Zimmer seiner Geliebten. Er spürte ein kribbeliges Gefühl in seiner Magengegend, was im terranischen Volksmund als »Schmetterlinge im Bauch« bezeichnet wurde. Er hatte sich verliebt!
Gal'Arn stand bereits am Eingang mit vor den Bauch verschränkten Armen. Ein leichtes Schmunzeln konnte er sich nicht verkneifen, dennoch blickte er anschließend den Terraner mit vorwurfsvoller Miene an.
»Unter Beschaffung von Informationen gehört nicht mit den Gefühlen einer Frau zu spielen«, ermahnte er Andrews.
»Ich habe nicht mit ihren Gefühlen gespielt. Ich liebe sie und nehme sie mit!«
Der Ritter atmete tief durch, da trabten schon Jaktar und der Marqués an.
»Wie? Kommt noch jemand mit? Wir bekommen langsam Platzprobleme auf der TERSAL ...«, schnaubte der Ghannakke.
»Mich würde eher beunruhigen, was der Vater dazu meint«, entgegnete Gal'Arn leicht amüsiert, als er den dicken Zerachonen näherkommen sah.
Andrews nahm allen Mut zusammen, den er hatte und ging auf den Wirt zu.
»Sir, ich ... ich ... liebe Ihre Tochter und will sie mitnehmen«, sprach er tapfer.
Der fette Mann sah ihn verständnislos an und hob seine Axt.
»Ich schlage dir unterhalb des Bauchnabels alles ab, wenn du sie noch einmal siehst«, sabberte er Andrews bedrohlich ins Ohr, der einige Schritte zurückwich.
»Darüber reden wir nachher«, mischte sich Gal'Arn ein und deutete auf das Chronometer.
Die Vier verabschiedeten sich vorerst von ihrem so freundlichen Gastgeber und begaben sich auf den Weg zum Innenkreis.
Jaktar war ganz froh, die primitive Siedlung verlassen zu können, während Andrews nur noch an Jereta denken konnte. Die Grenze zwischen dem Vorort und der modernen Stadt war unübersehbar. Ein großer Wall umschloss die gesamte Burg. Es gab nur zwei Eingänge, die kontrolliert wurden.
Zum ersten Mal traf man auch auf moderne Technik. Ein Individualabtaster untersuchte sie nach ihrer Herkunft. Nicht jeder Bewohner des Planeten durfte den Innenkreis der Stadt betreten. Extraterrestrische Lebewesen waren aber herzlich willkommen, so auch Gal'Arn, Jaktar, Andrews und der Marqués von Siniestro.
Die innere Stadt unterschied sich grundlegend von den alten Gemäuern des Vororts. Moderne Häuser, Roboter und Gleiter fanden die Vier vor.
»Hier wird es bestimmt ein Observatorium geben«, überlegte sich Gal'Arn und beschloss sich etwas umzusehen.
Andrews informierte Irasuul und die anderen. Gal'Arn hielt es für besser, wenn Irasuul, Remus Scorbit und Thobenar auf der TERSAL blieben. Nur noch die Frauen sollten endlich für den Einkauf sorgen, was eine Tragik für sich darstellte ...
»Frau Scorbut, ich kann nicht so schnell. Mein Bein schmerzt so sehr. Vielleicht muss es ja amputiert werden, aber dann bringe ich mich um, das sage ich dir«, seufzte die alte Frau laut.
Ihre Gesprächspartnerin war nicht sonderlich über diese Konversation angetan. Sie versuchte darüber hinweg zu hören und den Einkauf so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, doch das war nicht so einfach. Sie mussten für 16 Personen Nahrungsmittel, Kleidung und Hygieneartikel kaufen. Bei dem Tempo von Ottilie Braunhauer würde das wohl den ganzen Tag dauern.
»Warum bist du denn so ruhig?«, hörte sie die nervige Stimme fragen.
»Was? Ach ja, ähm ... ich habe Kopfschmerzen.«
»Ja, ich auch. Ich weiß auch nicht, das muss am Wetter liegen. Vatichen und ich sind ja auch nur noch müde. Jeden Tag. Das muss am Wetter liegen. Das Wetter im Weltenraum bekommt uns beiden nicht so gut. Du solltest mal eine Schmerztablette nehmen. Ich nehme jeden Tag welche!«
Uthe schüttelte nur noch den Kopf und prüfte einige Früchte auf ihre Frische. Sie suchte Nirisar und Yasmin Weydner, doch die beiden hatten es geschickt verstanden, am anderen Ende des Marktplatzes ihre Einkäufe zu tätigen.
Plötzlich kamen einige Soldaten auf die junge Terranerin zugeritten. Sie stiegen von ihren grauen Pferden mit dem zotteligen Fell ab und stellten sich vor Uthe Scorbit.
»Der Fürst Baf-Ruar-Thomun wünscht dich zu sehen, Frau«, sprach einer der ungehobelten Soldaten. Er packte sie mit einem Arm und deutete mit dem anderen auf eine Sänfte, auf der ein bärtiger Mann in edlen Gewändern saß.
»Wir kaufen aber gerade ein. Kannst du mir vielleicht sagen, wo hier die ... die ... na, ... die ... die ...«, versuchte sich Ottilie Braunhauer einzumischen, doch der Soldat verbot ihr mit einer unmissverständlichen Geste das Wort.
Uthe nutzte die Gelegenheit und aktivierte ihr Interkomgerät. Sie sendete schnell einen Hilferuf an alle anderen. Sofort tauchten Nirisar und Yasmin Weydner auf. Die junge Elarin zog ein Schwert und näherte sich langsam den Wachen.
»Wo wir herkommen, ist Entführung strafbar«, erklärte sie entschlossen und hob ihr Schwert.
Die beiden Soldaten drehten sich um und begannen sie auszulachen. Vier weitere Wachen kamen dazu und zückten Strahlwaffen.
Nirisar war überrascht, dass sie über diese Technik verfügten.
»Zum letzten Mal; Fürst Baf-Ruar-Thomun wünscht euch ...« Der Soldat blickte zu seinem Gebieter hoch, der ein Zeichen gab. »... wünscht euch alle zu sehen!«
Der Soldat gab den anderen einen Wink, die schnell Nirisar entwaffneten, wobei die Elarin freiwillig den Widerstand aufgab. Alle vier Frauen wurden zu einer zweiten Sänfte gebracht. Jeder Widerstand schien im Moment sinnlos, doch Uthe Scorbits Hilferuf war sicher auch bei den anderen angekommen und die würden nicht untätig herumsitzen, dessen war sich die junge Terranerin sicher.
*
Gal'Arn bemerkte den Hilferuf sofort. Er setzte die anderen darüber in Kenntnis. Erstaunlicherweise drängte der Marqués am meisten auf eine schnelle Befreiung.
»Von Jereta weiß ich, dass dieser Baf-Ruar-Thomun der Fürst dieser Stadt ist, wir werden es also nicht so leicht haben«, erklärte Andrews.
Der Ritter der Tiefe dachte eine Weile nach und setzte sich danach mit Irasuul in Verbindung. »Ich kann Remus Scorbit kaum mehr davon abhalten etwas Unüberlegtes zu tun, doch Meister, ich bin auch dafür, dass wir sie befreien. Wir sind Ritter der Tiefe, das sind nur dumme Bauern.«
»Mag sein, Irasuul, doch ich werde es auf friedliche Weise versuchen. Wir werden dem Fürsten einige Kostbarkeiten anbieten. Der Marqués ist sicher gerne dazu bereit, etwas von den Reichtümern abzugeben, die er gehortet hat.«
Gal'Arn warf dem Spanier einen leicht vorwurfsvollen Blick, der wiederum ziemlich überrascht aus der Wäsche guckte.
»Woher?«
»Ich weiß alles, was auf meinem Schiff vor sich geht, mein Freund!«
Der Marqués blickte verlegen auf den Boden.
»Das ist meine Rente. Wovon soll ich denn sonst leben?«, versuchte er sich zu rechtfertigen.
»Einen Teil wirst du sicher für die Errettung dieser vier Damen hergeben, oder?«
Der Marqués wurde wütend. »Für das Geld könnte ich mir Hunderte Señoritas kaufen, ich sehe nicht ein, warum ...«
Weiter kam er nicht, denn Jonathan Andrews hatte den alten Mann bereits am Kragen gepackt. Gal'Arn griff ein und überzeugte Andrews, den Marqués loszulassen.
Der alte Spanier dachte eine Weile nach, dann sagte er: »Also gut, aber nur für Scorbit, Weydner und Nirisar. Die alte Braunhauer kann bleiben, wo der Pfeffer wächst!«
»Wir werden alle befreien, ansonsten könnte es durchaus sein, dass ich dich hier zurücklasse, alter Mann«, entgegnete der Ritter.
Der Marqués wollte noch etwas darauf entgegen, doch der Ritter der Tiefe lief bereits in Richtung Palast. Andrews und Jaktar folgten ihm sofort, während der alte Spanier noch einige Sekunden unentschlossen seinen drei Begleitern hinterher blickte. Dann spürte er plötzlich ein Zupfen an seinem Mantel. Er blickte herab und sah einen schmutzigen Bettler, der ihn breit angrinste.
»Eine milde Gabe, Herr ...«
Der Marqués verzog das Gesicht und versetzte dem Mann einen leichten Tritt gegen die Schulter.
»Ich glaube, ich habe heute bereits mein Pensum erfüllt ...«
Jereta lag auf ihrem Bett und zupfte an einem Blümchen. Es war das typische Spiel eines verliebten Menschen. Nach jeder abgezogenen Blüte sprach sie »er liebt mich« oder »er liebt mich nicht«.
Jereta konnte es nicht fassen. Jedes Mädchen im Dorf träumte von ihrem Prinzen, doch sie hatte ihn wirklich getroffen. Sie war über beide Ohren verliebt und wollte ihrem geliebten Jonathan überall hin folgen.
Auf einmal hörte sie das Brüllen ihres Vaters. Er rief nach ihr. Wahrscheinlich sollte sie wieder abwaschen oder betrunkene Gäste heraus komplimentieren. Doch diese Tage waren für die junge Zerachonin bald gezählt.
Ihr Vater trottete zu seiner Bar und zapfte sich ein Bier, als zwei Personen die Gaststätte betraten. Die anderen Gäste verließen abrupt den Saal. Verwirrt drehte sich der Wirt um und erschrak für einige Sekunden.
Der eine war etwa zwei Meter groß, rothäutig und in einem schwarzen Gewand gekleidet, der andere noch größer mit einem Elefantenrüssel, Stoßzähnen, Teufelshörnern und drei Augen. Ein schreckliches Abbild, selbst für den ansonsten grobschlächtigen Wirt. Doch er fasste sich schnell und bot den beiden einen Platz an.
»Was wünschen die Herren?«
Cau Thon hantierte an seinem Abtaster herum und gab Goshkan ein Zeichen zur oberen Etage zu gehen.
»Ich lokalisiere deutlich terranische Gene in einem der oberen Zimmer«, sprach er zu seinem Schüler, der sofort aufstand und die Treppe hinaufstapfte.
Der Wirt stellte sich dem Katronen in den Weg, doch er wurde unsanft beiseite gefegt.
»Was soll das?«, rief er Goshkan hinterher, doch Cau Thon machte ihm klar, er solle schweigen.
Goshkan brach eine Tür auf. Das dort befindliche Mädchen schrie in Panik laut auf. Es war Jereta. Sie war noch in ihrem Nachthemd und kauerte auf dem Bett, die Decke hochgezogen.
Goshkan blieb schnaubend an der Türschwelle stehen und wartete auf seinen Meister, der wenige Sekunden später den Raum betrat.
Wieder blickte der Rote auf seinen ID-Abtaster und blickte verächtlich das Mädchen an.
»Es sind Spermien, kleine terranische Organismen, die bei den Paarungsakten entstehen. Ich orte es auf dem Bett und in diesem Bauernmädchen.«
Der Vater glaubte nicht richtig zu hören. »Was, ich verstehe nicht, was die Männer da sagen, aber hast du es mit diesem Lump getrieben?«, brüllte er verständnislos seine Tochter an. Er rannte zu ihr und packte sie am Arm.
Thon gab Goshkan ein Zeichen, den zeternden Vater aus dem Raum zu schaffen. Der Hüne packte den Mann und warf ihn gegen die Wand. Der Vater wehrte sich und schlug auf den Katronen ein, doch Goshkan kugelte ihn einem Arm aus und warf den Zerachonen die Treppe hinunter.
»So, mein Kind, jetzt wirst du mir sagen, wo wir Gal'Arn und seine Gefährten finden«, sprach Cau Thon düster und näherte sich dem ängstlichen Mädchen.
Jereta fing laut an zu weinen und klammerte sich an ihrer Decke fest.
»Ich weiß doch nichts, ich will zu Jonathan!«
Cau Thon nahm an, dass dieser Jonathan der Terraner war, mit dem sie geschlafen hatte. Es kümmerte ihn jedoch herzlich wenig. Er überließ nun Goshkan das Verhör. Der Riese packte das zierliche Wesen am Bein und zog es näher. Jereta kreischte angsterfüllt. Sie rappelte sich auf und biss dem Elefantenwesen in den Finger. Goshkan schrie kurz auf und schlug das Mädchen zweimal ins Gesicht.
Ihre Nase zerbrach wie ein Streichholz. Blut strömte aus beiden Nasenwinkeln auf ihr Gesicht und den Oberkörper. Jereta schrie immer noch. Sie konnte sich nicht mehr beruhigen. Sie schrie um ihr Leben.
Goshkan sah fragend zu Cau Thon herüber.
»Mach mit ihr, was du willst. Sie ist wertlos!«
Goshkan grinste und zog seinen Dolch. Er zog ihr das Nachthemd vom Körper und begann mit dem Dolche an ihrem Bauchnabel herumzufahren, dann tiefer und tiefer.
»Jonathan!«, schrie die panikerfüllte Stimme Jeretas wieder und wieder, doch er konnte sie nicht hören, er konnte ihr nicht helfen. Ihr Herz pochte immer schneller und schneller, das Blut schien aus den Adern zu platzen, ihr Herz stillzustehen, soviel Angst hatte sie. Sie schrie und zappelte, Tränen schossen ihr ins Gesicht, doch ihr Peiniger genoss es und stieß den Dolch in ihren Körper!
Cau Thon wandte sich ab. Er war kein Sadist, wie Goshkan. Der Xamouri bereitete seinen Feinden ein schnelles Ende, während der Katrone sie so lange wie möglich quälte. Die Bauerstochter schrie und schrie und schrie, während Goshkan den Dolch langsam quer durch ihren Torso zog, um ihr einen so grausamen Tod, wie möglich zu bereiten.
Uthe, Yasmin und Nirisar wurden in einen großen Saal gebracht. Es war ein prachtvoll ausgestatteter Raum. Ein Schwimmbad stellte das Zentrum dar, um dem ringsherum etliche Grünpflanzen und Diwans aufgestellt waren. Eine leise und friedlich anmutende Musik wurde gespielt. Viele Frauen tummelten sich in dem Saal. Sie waren der unterschiedlichsten Herkunft, es waren Schöne aber auch Hässliche unter ihnen, meist sehr knapp bekleidet.
Uthe schwante bereits Übles. Solche Einrichtungen kannte sie eigentlich nur aus alten Filmen, doch dies war Realität.
»Wo sind wir?«, fragte Yasmin unbehaglich.
Ein dicker Mann stierte sie an. Er trat an die drei Frauen heran und sprach mit sehr hoher Stimme: »Willkommen im Palast des Baf-Ruar-Thomun, der Königlichen Hoheit, dem Großfürsten der Welt Zorryk.«
»Jetzt weiß ich, wo wir sind, in einem Harem«, stellte Uthe wenig begeistert fest und bestätigte damit ihre Vermutungen.
Yasmin schluckte hörbar. Sie zog instinktiv ihre Jacke etwas höher und blickte sich ängstlich um. Der Diener des Fürsten strahlte die drei Frauen immer noch freundlich an. Nirisar wünschte sich ein Schwert, dann hätte sie wenigstens den Versuch eines Ausbruchs starten können.
»Der Fürst möchte, dass ihr euch umzieht. In dem Nebenraum liegen entsprechende Kleidungsstücke. Bitte beeilt euch, der Fürst hat heute noch nicht gefrühstückt, wenn ihr versteht, was ich meine ...«
Nirisar stemmte ihre Arme in die Hüften. »Ich werde einen Teufel tun, du feister Eunuch!«
Das Lachen des Dieners verschwand. Er schien auf eine gewisse Weise verletzt von Nirisars Beleidigung zu sein. Er rümpfte die Nase und rief eine Wache herbei. Der zwei Meter große Mann schwenkte mit seinem Schwert in die Richtung der Umkleideräume. Der Elarin blieb nichts anderes übrig, als dieser unmissverständlichen Aufforderung Folge zu leisten.
»Ich fühle mich wie ein billiges Flittchen«, murmelte Yasmin, als sie sich in die viel zu engen Sachen zwängte.
Bevor Uthe etwas darauf antworten konnte, kam der Diener in den Raum. Nirisar hatte sich noch nicht ganz fertig angezogen.
Der Eunuch grinste breit, doch schon Sekunden später fing er sich einen Tritt in den Magen ein, der ihn keuchend zu Boden sinken ließ. Ein Ausbruchsversuch war vergeblich, denn sofort stürmten einige Wachen in den Raum, gefolgt vom Fürsten selbst.
Er lief um die drei Frauen umher und musterte jede Einzelne. Er fuhr mit einem Finger an Yasmin Weydners Rücken herab, war aber am meisten von Uthe angetan. Baf-Ruar-Thomun schenkte ihr ein Lächeln, das die Terranerin nur schwerlich erwiderte.
»Die anderen heraus, lasst mich und diese exotischen Blume allein«, sprach er sanft und bot Uthe einen Platz an.
Widerwillig setzte sie sich hin und verwünschte die Wache, die ihr das Armbandinterkom abgenommen hatte.
»Möchtest du etwas zu trinken?«, erkundigte sich der Zerachone aufmerksam, doch Uthe schüttelte nur den Kopf. »Nun, dann nicht. Ich pflege mit meinen Haremsdamen auch ab und an etwas Konversation zu betreiben, besonders mit neuen Errungenschaften, wie du eine bist, Blume ...«
Er lächelte sie an. Es war eine Mischung aus Bewunderung und Lust. Uthe Scorbit beschloss, wieder aufzustehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Hör zu, ich bin terranische Staatsbürgerin. Mein Name ist Uthe Scorbit und nicht Blume. Ich komme ja auch nicht auf die Idee, dich Kaktus zu nennen. Ich fordere unverzüglich meine Freilassung, ebenfalls verlange ich, dass meine drei Begleiterinnen mit mir kommen können. Solltest du darauf eingehen, wird dein Leben verschont. Wir haben mächtige Freunde, die nicht unweit sind!«
Baf-Ruar-Thomun blickte die forsche Terranerin kurz ungläubig an, dann fing er schallend an zu lachen. Er lachte Uthe Scorbit aus!
Plötzlich verflog sein Lachen. Er holte eine Peitsche aus einem Schrank heraus und schlug mehrmals auf den Boden.
»Du bist eine wilde Orchidee, die gezähmt werden muss. Soll ich etwas mit der Peitsche spielen?«
»Nein! Wir sollten uns doch besser unterhalten und ich nehme auch etwas zu trinken!«
»Brave Blume ...«
*
»Du weißt ja gar nicht, wie schlecht mir das geht. In dem Zustand kann ich beim besten Willen nicht kochen«, stöhnte die terranische Rentnerin, sehr zum Unverständnis der fürstlichen Chefköchin, einer 200 Kilogramm schweren Zerachonin, die ihre beste Kundin war.
»Da du zu hässlich und zu alt für den Harem bist, musst du kochen«, schimpfte die dicke Frau und schwang den Zeigefinger in der Luft umher. »Du kannst die Wein- und Alkoholvorräte des Fürsten in Ordnung bringen. Koste, welche Vorräte noch gut sind, und registriere sie!«
Ottilie Braunhauer hatte auf einmal ein Funkeln in den Augen. Ein Energiestoß schoss durch die alte Frau. Ohne Widerrede machte sie sich auf den Weg zu ihrer Aufgabe.
Baf-Ruar-Thomun rutschte auf dem Sofa der Terranerin immer näher. Er begann sie an ihren Schenkeln zu berühren. Uthe versuchte alles, um sich dieses aufdringlichen Zerachonen zu entledigen.
»Fürst, ich bin verheiratet.«
»Na, und?«
»Mein Mann wird dich umbringen!«
Thomun lachte wieder schallend. Es war eine widerliche Lache, die Uthe Scorbit hasste.
»Ich habe eine Armee, ich werde ihn töten. Du bist jetzt meine Blume!«
Er setzte seine Lippen auf ihre Wangen an, da riss sich die Terranerin von ihm los und stand auf. Wütend sprang Thomun auf und nahm die Peitsche.
»Wie du willst, dann werde ich dich solange auspeitschen, bis du gefügig bist!«, brüllte er ihr ins Gesicht.
Langsam bekam es Uthe wirklich mit der Angst zu tun. Sie erkannte die Gefahr, die dieser Mann darstellte. Doch was konnte sie tun? Unter keinen Umständen wollte sie sich ihm hingeben, auch wenn die Verweigerung große Schmerzen mit sich tragen würde.
»Fürst, Euch wünschen ein paar Außenwelter zu sprechen«, meldete der Diener.
»Nicht jetzt!«
»Sie sagen, sie sind gekommen, um die Frauen zu holen!«
»Was?«
Hinter dem Vorhang trat Gal'Arn hervor, gefolgt von Andrews und Don Philippe. Der Ritter der Tiefe wirkte elegant und imposant auf den Fürsten. Er senkte die Peitsche und versuchte wieder etwas Würde zu erlangen, in dem er sein Haar und seine Kleidung richtete.
»Wer seid ihr?«
»Mein Name ist Gal'Arn. Ich komme von einem anderen Planeten, gehöre also zu den erlauchten Gästen der Welt Zorryk.«
Der Fürst rang nach Worten. Der in seinen Augen Fremde hatte in gewisser Weise recht. Vor vielen Jahrzehnten waren Außerirdische auf dem Planeten gelandet und hatten damals unmissverständlich klar gemacht, dass sie den Zorrykern überlegen waren.
Zorryk gehörte zu den rückständigen Welten der Galaxie Zerachon. Das Begriff auch Baf-Ruar-Thomun, der erst vor zwei Jahren den Thron bestiegen hatte. Er war es gewesen, der aus der Stadt eine blühende Stätte für die außerirdischen Besucher gemacht hatte. Die fremdartigen Touristen zahlten gut und Thomun konnte sich bereichern. Das Volk sah nichts von dem Geld und musste mit dem Evolutionsschock umgehen, den nicht jeder verkraftete. Doch die Außerirdischen waren ihnen überlegen, deshalb tat Thomun alles daran, diese nicht zu verstimmen.
»Und ... und was wünscht ihr?«, fragte Thomun nun endlich.
»Diese Frau dort ist eine Freundin von mir. Sie stammt auch von einer anderen Welt. Ich bin hier, um sie mitzunehmen, wie auch ihre Begleiterinnen. Es ist besser, Ihr übergebt sie mir unverzüglich!«
Schweiß lief von der Stirn des Fürsten. Peinlich berührt blickte er zu Uthe Scorbit herüber, die ihre Arme in die Hüften gestemmt hatte und dem Fürsten einen bösen Blick zuwarf.
»Ich hoffe, dir ist kein Leid geschehen?«, erkundigte sich der Elare bei der Terranerin.
Uthe lächelte und sprach zynisch: »Ich sehe über das ungehobelte Verhalten dieses Trampeltiers hinweg, wenn wir sofort gehen können!«
Der Fürst schrie auf und wollte mit der Peitsche Uthe Scorbit schlagen, da hatte Gal'Arn schon längst sein goldenes Schwert gezückt und den Griff der Peitsche abgeschlagen. Verwundert und mit weit aufgerissenen Augen starrte Baf-Ruar-Thomun sein Gegenüber an.
»Übergebt mir nun die vier Frauen, oder muss ich erst unfreundlich werden?«
Nun mischte sich auch der Marqués ein. »Hören Sie zu, Señor! Wir wollen uns doch gütlich einigen. Es gibt doch Frauen wie Sand am Meer, doch diese Vier gehören nun einmal zu uns. Auf unserem Raumschiff haben wir nur fünf Frauen. Ihr versteht, wie knapp das ist?«
Der Fürst nickte verständnisvoll.
»Seht Ihr, deshalb sind diese Frauen immens wichtig für uns. Nun, aber wir lassen Euch nicht mit leeren Händen zurück«, sprach der Spanier weiter.
Andrews grinste. »Wir haben viel Gold.«
Der Marqués warf dem Terraner einen unfreundlichen Blick zu, dann sagte er zu dem Zerachonen: »Gold wäre eine Beleidigung für einen so reichen Mann. Ich habe etwas viel Wertvolleres. Diesen Memowürfel.«
Don Philippe drückte das zehn Zentimeter große Pad dem Zerachonen in die Hand. Fragend blickte Baf-Ruar-Thomun den Spanier an.
»Dort ist ein Programm enthalten. Eine Art Holografieprogramm, welches Euch in eine virtuelle Welt bringt. Dort könnt Ihr Euch Eure Frauen selbst gestalten, so viele Ihr wollt und wann immer Ihr wollt!«
Zur Demonstration aktivierte der Marqués das Holoprogramm. Eine virtuelle Welt wurde geschaffen. Zwei unbekleidete Frauen hüpften auf den Fürsten zu und umgarnten ihn. Am Zucken der Mundwinkel und dem Leuchten in seinen Augen konnte man ansehen, dass es Thomun gefiel. Dann deaktivierte der Marqués den Würfel wieder.
»In diesem Würfel ist ein Computer. Ihr braucht ihm nur Eure Wünsche zu sagen und er erfüllt sie. Was sind schon vier Frauen gegen eine ganze Welt voll mit Frauen, die nur Euch wollen?«
Diese Worte schienen den Fürsten zu überzeugen. Er erklärte sich für einverstanden und riss den Würfel um sich. Yasmin und Nirisar wurden in den Raum gebracht. Gal'Arn bat sie, sich wieder umzuziehen.
»Wo ist Ottilie Braunhauer, die alte Frau?«, erkundigte sich der Ritter.
Thomun erklärte, sie sei noch in der Küche. Er schickte seinen Diener los, um sie zum Ausgang zu bringen. Während sich die Frauen umkleideten, spielte Thomun schon an seinem Geschenk herum.
»Eines müsst Ihr mir jedoch noch verraten, Fürst. Wo finde ich ein Observatorium, ich muss die Koordinaten einer bestimmten Galaxis herausfinden«, wollte Gal'Arn wissen.
»Ich verstehe nicht genau, was Ihr meint, aber eine Sternenkarte befindet sich auf dem Planeten Zechon, auf dem Schloss des Prosperoh.«
»Wo finde ich diesen Planeten?«
»Zwanzig Lichtjahre von hier Richtung Zentrum. Aber ich warne Euch, der Tod regiert dort, der Tod!«
Wieder funkelten die Augen des seltsamen Fürsten. Gal'Arn empfand die gesamte Welt als einzigen Widerspruch. Er hatte selten gesehen, dass primitive Völker so gut mit der Tatsache umgingen, dass es Leben auf anderen Planeten gab. Andererseits war er auch von den Raumfahrern beeindruckt, da diese die primitiven Völker nicht versklavten.
Nachdem Nirisar, Yasmin und Uthe sich umgezogen hatten, verließen sie die Burg des Baf-Ruar-Thomun. Ottilie Braunhauer stand bereits beim Ausgang und schaukelte von links nach rechts.
»Was hat die denn?«, fragte sich Andrews.
Schon recht bald fand der junge Terraner heraus, was die alte Frau hatte. An dem Atem von Ottilie Braunhauer konnte Andrews erkennen, dass sie die Registrierung und das Vorkosten der Alkoholvorräte des Fürsten Baf-Ruar-Thomun zu ernst genommen hatte.
»Die ist stockbesoffen«, murmelte er zu Gal'Arn, der mit verschränkten Armen dem Wanken der Braunhauer zusah.
»Uthe, Nirisar bitte kümmert euch um Ottilie Braunhauer.«
Die beiden Frauen folgten dem Wunsch und versuchten die Rentnerin zumindest wieder gehtauglich zu machen, denn sie mussten noch den Weg zum Schiff zurücklegen.
Jaktar schüttelte nur dem Kopf, dabei schlackerten seine Ohren, was unfreiwillig komisch aussah.
»Marqués, ich muss Euch ein Kompliment aussprechen. Die Idee mit dem Holoprojektor war sehr gut. Wo habt Ihr den her?«, forschte Gal'Arn nach.
Der alte Spanier schwellte die Brust an und entblößte seine gelben Zähne. »Dieser Harold Fatzar, der Kommandant der THEBEN, hatte einige interessante Dinge an Bord der Space-Jet gehabt. Darunter auch diesen Holoprojektor.«
Andrews schmunzelte.
»Mich würde interessieren, was er sonst noch so alles hatte ...«
Der Marqués schwieg, was Jonathan Andrews allerdings wenig überraschte. Der Marqués war ein sehr gerissener und intelligenter Terraner, der sicherlich noch für einige Überraschungen gut sein würde.
»Ich hoffe, ihr habt trotzdem eine Lehre daraus gezogen. Dieser Baf-Ruar-Thomun hat nur aus Geldgier und Lust gehandelt. Jedes Wesen, welches nur aus diesen niederen Motiven handelt, wird irgendwann verlieren«, stellte der Ritter der Tiefe mahnend in die Runde.
Jaktar wieherte beistimmend, da erhob Andrews die Hand.
»Wo wir gerade bei Lust sind, ich muss Jereta abholen ...«
»Wer ist das?«, wollte Uthe Scorbit wissen.
»Das erkläre ich dir später, nur soviel; sie ist die schönste Frau in dieser Galaxie!«
»Alles klar«, lächelte die Scorbit, während Gal'Arn weniger freundlich in die Runde schaute.
»Du willst sie wirklich mitnehmen? Bist du dir der Konsequenzen bewusst? Es wird viel auf das Mädchen hereinbrechen. Ich frage mich, ob sie das alles bewältigen wird ...«
»Mit meiner Hilfe schon, Gal'Arn! Das verspreche ich!«
Der Ritter erklärte sich einverstanden und sie begaben sich auf den Weg zum Wirtshaus. Irgendwie waren alle froh, dass sie bald diesen ungastlichen Planeten verlassen würden. Eine Menschenmenge stand vor dem geschlossenen Haus. Andrews ging zur Tür und versuchte sie vergeblich zu öffnen.
»Warum hat er geschlossen?«
Ein Mann mit einer Kapuze trat an Andrews näher. Er roch übel. »Das fragen wir uns auch. Die hässliche Hiltru von drüben soll Schreie gehört haben. Aber wir wissen auch nichts.«
Andrews warf einen kurzen Blick zu Gal'Arn, der bereits sein Schwert gezogen hatte. Andrews nahm seinen Thermostrahler und verschaffte sich gewaltsam Einlass.
Niemand war in den Bewirtungsräumen. Doch, jemand war da, aber die beiden erkannten ihn erst später, da er weinend hinter dem Tresen kauerte.
Inzwischen waren auch die vier Frauen angekommen. Ottilie Braunhauer war sichtlich benommen. Sie hatte große Gehschwierigkeiten, doch Uthe Scorbit und Nirisar stützten sie ab.
»Ich weiß auch nicht, warum mir auf einmal so schwindlig ist. Ich verstehe das gar nicht ...«, lallte die alte Frau.
Die anderen beiden Frauen sahen sich nur kopfschüttelnd an. Nirisar sorgte dafür, dass niemand anderes das Wirtshaus betrat. Sie verschloss die Tür, nachdem die Braunhauer von Scorbit und Weydner hinein geschleppt wurde.
Gal'Arn und Andrews gingen langsam auf den schluchzenden Wirt zu. Jonathan beugte sich vor den Mann, der ihn mit wässrigen Augen ansah.
»Was ist passiert, Wirt?«
Doch der Mann antwortete nicht und starrte auf die Treppe. Sofort rannte Andrews voller Angst die Stufen hoch, gefolgt von Gal'Arn. Jaktar beschloss, dem Wirt zu helfen.
»Nein!«, hörte der Ritter aus dem Zimmer. Er rannte hinein und sah Andrews, der sich an der Tür festhielt. Tränen strömten über sein Gesicht. Langsam blickte Gal'Arn zum Bett. Es war ein Anblick des Grauens. Gal'Arn brauchte viel Mut und Selbstbeherrschung, um sich das anzusehen. Er vermochte gar nicht zu erahnen, was in Andrews vorging.
Da lag sie – oder besser, das, was von ihr noch übrig war.
»Wir kommen hoch«, rief Uthe Scorbit besorgt, doch Gal'Arn brüllte zu Jaktar zurück, er solle nicht zulassen, dass die Frauen hochkämen.
Zögerlich ging der Ritter der Tiefe zu dem verstümmelten Körper der Zerachonin. Dann lief er zu einem Schrank und holte eine Decke, die er über die Leiche legte. Für ein paar Sekunden betete er, dass ihre Seele jetzt Frieden gefunden hatte.
Er drehte sich wieder um und sah in die traurigen Augen des Terraners. Sie schienen »Warum?« zu rufen.
Gal'Arn nahm Jonathan in den Arm und versuchte seinen Schmerz zu lindern. Ungehemmt weinte der Terraner in den Schultern des Ritters.
»Warum? Wer hat ihr das angetan?«, schluchzte er verzweifelt. »Wir hätten doch eine Zukunft gehabt ... wir ...«
Gal'Arn musste sich zusammenreißen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren, was angesichts dieser tragischen Situation sehr schwer war.
Langsam gingen beide die Treppe hinunter. Andrews starrte traurig in die Gesichter seiner Freunde, die ihn teils fragend, teils bemitleidend ansahen.
Als Erstes ging er zum Vater Jeretas und legte seinen Arm auf dessen Schulter.
»Es tut mir leid«, stotterte Andrews mit feuchten Augen.
Der Wirt stand auf und umarmte ihn. Andrews versuchte die Tränen zurückzuhalten, doch wieder liefen sie ihm das Gesicht herunter.
Gal'Arn erklärte, was passiert war. Entsetzen und Bestürzen machten sich unter den Leuten breit. Nur Ottilie Braunhauer bekam nicht so recht mit, was geschehen war.
»Wer hat diese abscheuliche Tat begangen?«, fragte schließlich Jaktar.
Schweigen.
Der Wirt rappelte sich auf und schien etwas sagen zu wollen, doch geschwächt durch den Schock stürzte er zu Boden. Dieser Mann war am Ende. Seine Tochter schien alles gewesen zu sein, was er hatte. Nun war sie tot.
Plötzlich wurde die Tür eingetreten. Mit einem Lauten Grollen flogen die Scharniere aus den Fassungen und das Holz gab unter der Wucht des Drucks nach.
Gal'Arn zog sofort sein Schwert, wie auch Nirisar. Jaktar nahm seinen Strahler und stellte sich schützend vor die Frauen.
Vor ihnen standen Cau Thon und Goshkan. Sofort erkannte Gal'Arn die beiden.
»Gal'Arn, welch Freude, dich wiederzusehen«, begrüßte Cau Thon den Elaren mit einem überheblichen Grinsen.
Gal'Arn schwieg.
»So, du dort hinten musst Jonathan sein, richtig? Dein Bauernmädchen plärrte von dir, als Goshkan ihr die Eingeweide herausschnitt«, sprach der Rote gedehnt.
Sofort stürmte Andrews brüllend auf den Abgesandten des Chaos zu, doch Jaktar hielt ihn zurück. Andrews hätte gegen Cau Thon keine Chance. Der Ghannakke hatte die Kampfkünste dieses Wesens gesehen. Langsam schritten die beiden Aggressoren näher.
Goshkan grinste höhnisch.
»Es hat mir großes Vergnügen bereitet, sie zu töten. Sie winselte um Gnade und schrie immer wieder deinen Namen.«
Andrews zitterte am ganzen Leib. Es ging nur noch Hass durch seinen Kopf. Er war davon beseelt diesen Goshkan umzubringen, selbst wenn er dabei sterben würde.
»Genug der Worte! Ritter der Tiefe, du bist zu einer Mission angetreten, deren Sinn du nicht verstehst. Du stellst eine Gefahr für uns dar. Deshalb wirst du, genau wie deine Gefährten, jetzt sterben ...«
Mit diesen Worten aktivierte Cau Thon seinen golden schimmernden Stab. An beiden Enden wurden Klingen ausgefahren, die von einem grünlichen Feld umgeben waren. Goshkan holte ein Beil aus seinem Rucksack.
Andrews riss sich los und feuerte mit seinem Strahler auf Cau Thon, doch dieser aktivierte eine Art Schutzfeld an seinem Stab und ließ die Schüsse geschickt abprallen.
Dann sprang er auf den Terraner zu, doch da hatte Gal'Arn bereits sein Schwert dazwischen und parierte die ersten Schläge Thons.
Nirisar zog nun ihr Schwert und widmete sich Goshkan.
»Es wird mir eine Ehre sein, dich zum Teufel zu jagen, du elender Verräter«, sprach sie und fuchtelte mit ihrem Schwert umher.
Goshkan konterte die ersten Schläge und warf die Elarin zu Boden.
Jaktar wusste nicht, was er machen sollte. Er sah Andrews hilflos an, der sich auf Goshkan stürzte, jedoch einfach abgeworfen wurde. Dann fasste der Ghannakke einen Entschluss.
»Uthe, Yasmin! Nehmt die Braunhauer und fliegt mit dem einen Gleiter zur TERSAL. Wir versuchen nachzukommen. Beeilt euch!«
Sofort packten die beiden Frauen die alte Braunhauer und zerrten sie aus dem Wirtshaus. Ottilie protestierte laut, doch Uthe schrie sie nur an, sie solle endlich die Klappe halten.
Ottilie Braunhauer konnte jedoch nicht so schnell. Sie schnaufte und keuchte bei jedem Schritt, doch der Gleiter war noch einige Hundert Meter weit entfernt. Da sah Uthe einen Mann das Fluggefährt besteigen.
»Marqués! Helft uns!«, brüllte sie. Überrascht drehte sich der Spanier um und lief zu den drei Frauen.
»Oh, Señorita Uthe! Ich dachte, ich hole schon einmal besser den Gleiter, damit wir schneller fliehen können.«
Plötzlich krachte Ottilie zu Boden und fing laut an zu Schreien. Sie hörte nicht auf zu jammern und zu schreien.
»Oh, mein Kopf, mein Kopf«, heulte die alte Frau. Vergeblich versuchte Uthe sie hochzuziehen. Blut floss aus einem Finger der Braunhauer.
»Nicht, nein! Ich habe Markomane genommen. Mein Blut ... mein Bl ... ut ist dadurch dünner. Mir ist so schlecht ... !«
Da lag sie nun, alle Viere von sich gestreckt, wie ein Marienkäfer auf dem Rücken, nicht in der Lage sich aufzurichten.
»Ich weiß ja auch nicht, woher das kommt. Ich habe doch nur die zwei Flaschen Wein bei diesem Mann da getrunken, ich muss irgendwas am Kopf oder Nackenwirbel haben ...«, stöhnte die Rentnerin.
Es kam Uthe wie in einem Albtraum vor. Sie versuchte die gewichtige Frau zum Gleiter zu zerren, doch bei jedem bewegten Zentimeter schrie die Braunhauer auf.
Unterdessen tobte der Kampf in dem Wirtshaus weiter. Jaktar und Andrews versuchten dem mächtig gebauten Goshkan beizukommen, doch der Riese hatte sie bereits entwaffnet. Es war ein ungleicher Kampf.
Gal'Arn lieferte sich ein Fechtduell mit Cau Thon, das keinen Sieger ermitteln konnte. Der Kampf verlagerte sich langsam auf die Straße. Jaktar sah bereits den Gleiter und winkte dem Marqués zu.
Dieser blickte fragend zu Uthe Scorbit. »Soll ich losfahren und sie holen? Aber was, wenn diese beiden Monster uns dann töten? Ich schlage vor, wir warten und schaffen erst einmal die Alte in den Gleiter.«
Uthe nickte und nahm all ihre Kraft zusammen, doch Ottilie Braunhauer sträubte sich.
»Ich ... muss noch fünf Minuten so liegen, dann ... dann geht es wieder«, lallte sie.
»Wir haben keine fünf Minuten!«, rief Uthe.
»Ich bin alt und krank, ich muss mich ausruhen. Ich habe nun einmal diese Schwindelanfälle, ich weiß auch nicht ...«
Uthe wurde wütend und packte die Braunhauer am Kragen.
»Du bist nicht krank, du bist nur besoffen und hast eine totale Meise!« Sie nahm alle Kraft zusammen und hievte zusammen mit Yasmin Weydner die Braunhauer in den Gleiter, dann sprang sie selbst herein.
»Ich habe bereits die TERSAL informiert, sie sollen die Kraftwerke anwerfen«, sagte der Marqués aufgeregt und startete den Gleiter.
Er wollte zuerst zur TERSAL fliegen, doch Uthe Scorbit deutete ihm an, zu den anderen zu fliegen, um sie zu retten. Widerwillig folgte der Spanier der Order.
Andrews blutete an der Stirn. Er hatte keine große Chance gegen den übermächtig scheinenden Goshkan. Das Elefantenwesen grinste diabolisch und schlug mit seiner Axt umher. Nirisar versuchte wieder die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, doch sie hatte größte Mühe, sich den Hieben des Goshkan zu erwehren.
Da tauchte plötzlich der Gleiter über ihren Köpfen auf und ging herunter. Jaktar sprang als Erstes herein. Nirisar nutzte die Gelegenheit, um Goshkan an der Schulter zu verletzten. Als Nächster konnte sich Andrews in den Gleiter ziehen. Er nahm einen Strahler und schoss auf Cau Thon, der getroffen zu Boden fiel. Gal'Arn sprang gegen Goshkan und hielt ihn in Schach.
»Spring, Nirisar!«, rief er.
Die junge Elarin setzte zum Sprung an, da schnellte Cau Thon hoch und stieß seinen Stab in den Rücken der Frau.
Andrews packte sie und zog die Verletzte in den Gleiter. Auch Gal'Arn konnte auf das Vehikel springen, das sofort mit voller Geschwindigkeit die Stadt verließ.
Cau Thon aktivierte einen Sender und nur wenige Sekunden später kamen zwei robotgesteuerte Flugräder angeflogen. Er und Goshkan schwangen sich auf die Fluggeräte und nahmen die Verfolgung auf.
Nirisar war schwer verletzt. Blut trat aus der offenen Wunde. Besorgt kümmerte sich Gal'Arn um seine Schülerin.
Die TERSAL war bereits in Sichtweite, da schlugen zwei Energiesalven in den Gleiter ein, der wie ein Stein abschmierte und auf den Boden krachte.
Gal'Arn hatte sich zwei Rippen gebrochen, er kümmerte sich sofort um die anderen. Ottilie Braunhauer war bewusstlos, der Marqués hatte eine Kopfverletzung davongetragen, alle anderen waren in Ordnung, bis auf ... Nirisar.
Die junge Elarin hatte den Absturz nicht überlebt. Trauer und Hilflosigkeit überkamen den Ritter der Tiefe – da sah er bereits die beiden Fluggeräte auf sich zukommen. Cau Thon und Goshkan sprangen ab.
Wütend rannte Gal'Arn auf den Roten zu und schlug mit seinem Schwert auf ihn ein, doch dieser konnte die Angriffe parieren.
Irasuul, Thobenar und Remus Scorbit kamen aus der TERSAL gestürmt und griffen sofort in das Geschehen ein.
Soldaten der KARAN tauchten mit zwei Gleitern plötzlich auf und beschossen die Galaktiker und Shagoer. Cau Thon schlug Gal'Arn nieder und hechtete zum Gleiter.
Uthe Scorbit rappelte sich gerade auf. Das erste was sie erblickte, war jedoch Cau Thon. Er packte sie am Hals und zog die Terranerin zu sich heran.
»Ich spüre deine Angst. Angst ist mein Gefährte, mein Verbündeter. Zusammen sind wir stark. Jeder hat Angst, die Helden, die Starken, die Schwachen, die Korrupten und auch du. Ja, ich spüre, dass du dich fürchtest ...!«
Und er hatte damit recht. Uthe fürchtete um ihr Leben. Die kalte und tödliche Ausstrahlung dieses Wesens ließ sie erstarren. Es war, als stand sie dem Tod direkt gegenüber. Sie hatte fürchterliche Angst vor diesem Wesen!
Cau Thon ließ sie los und wirbelte mit seinem Stab herum, als Irasuul angestürmt kam. Die beiden lieferten sich einen kurzen, aber heftigen Schlagabtausch, während Goshkan Gal'Arn immer wieder angriff.
Andrews, Remus Scorbit und Jaktar versuchten die Soldaten Cau Thons in Schach zu halten, während Yasmin Weydner und Thobenar alles versuchten, um die anderen in die TERSAL zu bringen.
Irasuul zeigte seine perfekten Kampfkünste. Seine Haare waren durchgeschwitzt. Es war der Kampf seines Lebens gegen seinen größten Gegner. Hass und Verachtung waren die einzigen Empfindungen, die er für sein Gegenüber, den Mörder so vieler ehrbarer Ritter der Tiefe, übrig hatte.
Irasuul parierte die Schläge Cau Thons, der ein unsicheres Lächeln kurz über seine Lippen huschen ließ. Dann ging der junge Pontanare in einen Angriff über, doch Cau Thon duckte sich ab und schlug Irasuul die Beine weg. Er krachte zu Boden und wollte sofort wieder aufspringen, doch er sprang direkt in die Klinge Cau Thons.
Gal'Arn konnte nicht glauben, was er sah. Sein Schützling wurde von dem Stab Cau Thons durchbohrt. Irasuul war tot.
»Auf die TERSAL!«, rief Gal'Arn und rannte so schnell, wie ihn seine Beine tragen konnten.
Cau Thon begab sich nun in den Schutz seiner angreifenden Skurit-Soldaten, die in schwarzen Exoskelettrüstungen anmarschiert kamen und auf alles und jeden feuerten.
Andrews, Jaktar und Remus Scorbit standen an der Luke und feuerten zurück. Sie gaben Gal'Arn Feuerschutz, der entgeistert an der Leiche seines Schülers vorbeiging. Tränen liefen ihm vom Gesicht, als er auch die Leiche Thobenars entdeckte. Der getreue Orbiter hatte versucht seinem Ritter beizustehen, doch der Ghannakke war im Energiehagel der Angreifer vergangen.
Jaktar fasste sich ein Herz und rannte auf das Feld. Er packte seinen Meister und Freund und zerrte ihn in die TERSAL. Kaum hatten sich die Luken geschlossen, startete auch schon das Schiff.
Cau Thon und Goshkan zogen sich sofort mit einem Gleiter zurück, denn kaum hatte die TERSAL an Höhe gewonnen, feuerte sie auf die Soldaten und löschte sie alle aus.
Doch das war nur ein schwacher Trost, für den Verlust der drei gefallenen Freunde ...
Niemand wagte etwas zu sagen. Sie starrten sich alle nur schweigend an. Jaktar manövrierte die TERSAL aus dem Orbit und ging, so schnell es möglich war, auf Überlichtgeschwindigkeit.
Gal'Arn stierte auf den Boden und versuchte den Tod Irasuuls, Nirisars und Thobenars zu überwinden. Es war sehr schwer.
Die Welt Zorryk war eine blutige Welt gewesen. Diesen Beigeschmack hatte sie Cau Thon und Goshkan zu verdanken.
Auch Jonathan Andrews war voller Trauer. Er hatte die Frau verloren, die er liebte. Sein Hass gegen diesen Goshkan war ins Unermessliche gestiegen. Was hatte er diesem Wesen getan? Was hatte Jereta diesem Wesen getan? Nichts! Sie musste sterben, weil es seine niedrigen Gelüste befriedigte. Dafür sollte er büßen, schwor sich der Terraner.
Ottilie Braunhauer schlurfte in den Besprechungsraum, immer noch sichtlich benommen. Gal'Arn bemerkte kaum, dass sie da war. Sie musste wohl immer noch betrunken sein.
»Ach, mir geht es wieder besser. Das ist doch das wichtigste«, meinte die Braunhauer.
In diesem Moment hätte der Ritter das erste Mal einen Mord begehen können, doch er riss sich zusammen.
Jaktar legte seine Hand auf die Schulter seines Freundes.
»Wir alle haben heute Wesen verloren, die wir liebten. Doch wir müssen weitermachen, sonst haben unsere Feinde obsiegt!«
Gal'Arn wusste, dass sein Orbiter recht hatte. Er musste sich jetzt zusammenreißen, ein Vorbild für die anderen sein. Und er tat es!
»Wir werden Irasuul, Nirisar, Thobenar ... und Jereta stets in Ehren gedenken. Sie wurden Opfer der Mächte des Chaos, was immer auch damit gemeint sein mag. Sie wurden Opfer eines Plans, einer Verschwörung von der wir nur wenig wissen. Antworten werden wir erst in der Galaxie Dorgon finden, doch dazu müssen erst einmal ihren Standort lokalisieren«, sprach der Ritter mit neu gewonnener Energie. Er wusste selbst nicht, woher diese kam. Gal'Arn blickte in die Runde.
»Fürst Thomun sprach von einem Prosperoh. Dort soll ein Observatorium sein. Dorthin werden wir fliegen.«
*
Uthe Scorbit lag in den Armen ihres Mannes Remus. Der Terraner machte sich selbst Vorwürfe, dass er sie nicht begleitet hatte, doch wer konnte diesen Verlauf schon erahnen.
Liebevoll streichelte er ihr Haar. »Es wird alles wieder gut. Du musst jetzt schlafen und diesen Tag vergessen!«
Er gab ihr einen Kuss und sagte, dass er sie liebte.
Uthe blieb still. Einschlafen konnte sie nicht. Sie hatte Angst vor dem Einschlafen. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, erschien das Bild Cau Thons. Sie hörte seine Stimme.
Ich spüre deine Angst. Angst ist mein Gefährte, mein Verbündeter. Zusammen sind wir stark. Jeder hat Angst, die Helden, die Starken, die Schwachen, die Korrupten und auch du. Ja, ich spüre, dass du dich fürchtest ...
In der Tat fürchtete sie dieses Wesen. Ihr war noch nie eine Gestalt mit solch einer kalten, tödlichen und diabolischen Ausstrahlung begegnet. Sie hatte seit heute Angst vor der Zukunft, denn sie wusste, dass Cau Thon nicht eher ruhen würde, bis er seine Ziele verwirklicht hatte. Er würde über Leichen gehen und jeden auslöschen, der ihm im Weg stehen würde.
Welches seine Ziele waren, wusste die Terranerin nicht, doch sie wusste um Cau Thons Gefährlichkeit. Dieses Wesen war nicht nur eine Bedrohung für die Besatzung der TERSAL oder die Galaxie Dorgon, nein, auch für die Milchstraße und vielleicht für das ganze ihnen bekannte Universum.
ENDE
Eine kleine Gruppe versprengter Terraner ist auf die Shagoer auf der TERSAL gestoßen. Gemeinsam haben sie ihr erstes Abenteuer erlebt, das zu tragischen Verlusten durch die Brutalität der Söhne des Chaos führte. Mehr zu diesem Thema schildert Jens Hirseland in Band 17 »Rodroms Spiel«.
Mit dem vorliegenden Band geht das "Recycling" der "alten Dorgonhefte" weiter. Grundlage bilden die Nummern 17 und 26, die zu einem Roman zusammengefasst wurden. Dabei wurde die Handlung gestrafft und kleinere Ergänzungen vorgenommen.
Inhaltlich erleben wir das erste Auftreten einer weiteren Hauptperson, die später eine tragende Rolle spielen wird. Marqués Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro hat seinen ersten Auftritt. Die Figur des Marqués ist eine der schillerndsten (und zugleich umstrittensten) Charaktere der gesamten Serie. Und, in diesem Punkt möchte ich mich outen, ich persönlich mag ihn überhaupt nicht.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die endgültige Vernichtung der Ritter der Tiefe von Shagor, die bis auf Gal’Arn durch Cau Thon und den herzallerliebsten Goshkan ausgelöscht werden.
Ein weiteres Highlight des Romans stellt der manchmal skurrile Humor von Nils dar, der einige fabulöse Kabinettstückchen in die Erzählung einbringt. Aber, und auch das sei mir als dem „Erstleser“ gestattet, bitte, bitte Nils, mach den Braunhauers ein Ende, sonst bekomme ich noch Bauchschmerzen, Kopfweh und furchtbare Albträume. Vielleicht, und das wäre mein Herzenswunsch, könnte doch Goshkan sich ein wenig mit ihnen beschäftigen … Du weißt schon, so mit Bauchaufschlitzen, Beine abreißen oder … hm, das verkneife ich mir lieber, wir wollen ja einigermaßen jugendfrei bleiben …
JF
Geboren am 15.08.1266 NGZ in Deutschland auf Terra. Größe: 1,81 Meter, Gewicht ca. 87 Kilogramm. Augenfarbe ist blau, die Haarfarbe braun. Jonathan Andrews ist sehr freundlich und ehrlich, oftmals jedoch etwas zu direkt, kann schwer mit Kritik umgehen und stellt seine Fähigkeiten gerne in den Vordergrund, ist talentiert auf vielen Ebenen, flirtet viel, ist oftmals zu voreilig, aber gewissenhaft und loyal. Ab und zu ein Hitzkopf.
Andrews ist in Schleswig-Holstein geboren und ein junger Terraner, der das Leben genießen will. Nach Beendigung seiner Ausbildung jobbt er bei diversen Firmen und schließlich in einer Gleiterwaschanlage. Eines Tages bekam er ein Angebot vom Leiter der Gleiterwaschanlagenkette, einen nagelneuen Gleiter an einen Kunden auszuliefern. Der Gleiter sollte nach Olymp transportiert werden. Mit einer Extrazulage und Bezahlung der Reisekosten erklärte sich Andrews einverstanden und tritt die Reise an. Die Reise entwickelt sich jedoch anders, als er es erwartet hatte.
Die THEBEN entdeckt ein Raumschiff der Casaro im Leerraum zwischen der Milchstraße und Andromeda. Zusammen mit Remus Scorbit und der geldgierigen Crew der THEBEN untersucht Andrews das Raumschiff. Dabei entdecken sie nicht nur viele angesammelte Schätze, sondern Stasiskammern mit Wesen, die als Studienobjekte für die einstigen Erbauer dieser Station dienten. Andrews kann vier Wesen befreien. Es sind vier Terraner, drei Deutsche aus dem 20. Jahrhundert und ein spanischer Marqués aus dem 18. Jahrhundert.
Die THEBEN wird durch ihnen unbekannte Kräfte durch ein Sternenportal in die Galaxis Zerachon verschlagen. Mit einer Space-Jet folgen Andrews, Scorbit und die vier befreiten Terraner der THEBEN. Dort treffen sie auf den Ritter der Tiefe Gal’Arn und schließen sich ihm an, nachdem sie die restlichen Passagiere und Crewmitglieder der THEBEN befreien.
Auf der Welt Zorryk verliebt sich Andrews in die Wirtstochter Jereta, die jedoch von Goshkan ermordet wird.
Geboren am 13.01.1761 in Siniestro, Spanien auf der Erde. Er ist 1,70 Meter groß, hager und hat braune Augen und schlohweißes Haar.
Sein Gesicht ist voller Falten und Runzeln, seine Haare sind lang und weiß. De la Siniestro trägt den Titel des Marqués und in den einstigen spanischen Kolonien den eines Don. Sein Vater ist ein reicher Adliger gewesen mit Ländereien in Spanien und Mexiko. Nach dessen Tod erbt Philippe alles und führt ein einflussreiches Dasein in Spanien. Er lernt viele bekannte Persönlichkeiten kennen und verkehrt an den Höfen der europäischen Königshäuser.
1795 heiratet er die bezaubernde, junge Isabella, die jedoch 1817 stirbt. Um den Spanier wird es einsamer und schließlich zieht er sich komplett zurück. Nachdem er versucht hatte einer Leibeigenen Gewalt anzutun, wird er wohl um 1841 von dieser verletzt und liegt im Sterben. Da wird er von den Casaro entführt, geheilt und in die Raumzeitfalte im Leerraum zwischen Andromeda und der Milchstraße zu Forschungszwecken gebracht.
Während für den Spanier nur wenige Jahre in dem Stasisfeld vergehen, verstreichen in Wirklichkeit über 3.000 Jahre. Nach der Vernichtung der Raumzeitfalte im Sommer 1290 NGZ durch die VIVIER BONTAINER wird de la Siniestro zuvor auf einem Transporter in Sicherheit gebracht. Dort verweilt er in Stase auf dem verlassenen Raumschiff, ehe – wohl durch Rodrom beabsichtigt – die THEBEN auf das Raumschiff stößt und de la Siniestro aus der Stase befreit. De la Siniestro kann sich dank seines Intellekts gut an die neue Situation anpassen und verkraftet eine Hypnoschulung. Zusammen mit Jonathan Andrews, Remus Scorbit und den anderen drei gerät er in die Galaxie Zerachon, wo sie auf die TERSAL mit Gal’Arn treffen und sich ihm anschließen. Dabei werden sie von den Söhnen des Chaos gejagt.
Eine Spiralgalaxie mit unbekanntem Standort. Es befindet sich jedoch ein Sternenportal in einem Seitenarm der Galaxie, was zumindest auf eine gewisse Bedeutung hinweist. Bekannte Welten sind bisher nur ein von Intelligenzwesen freier Wüstenplanet nahe des Sternenportals und die Planeten Zorryk sowie Zechon. Es scheint eine gewisse Einigkeit in einigen Teilen der Galaxie zu herrschen, da von Zerachonen die Rede ist. Auf der Welt Zorryk hingegen leben die Bewohner in mittelalterlicher Primitivität, wissen jedoch von Bewohnern anderer Welten.
Ein Planet in der Galaxie Zerachon. Er verfügt über üppige Vegetation und Landschaften. Die Bevölkerung Zorryks ist auf dem geistigen und technologischen Stand des terranischen Mittelalters. Allerdings sind sie an Besucher von anderen Planeten gewöhnt. Ihr Herrscher hat ein Geschäft aus den Besuchen der anderen Zerachonen gemacht, die offenbar die Beschaulichkeit dieser Welt mögen. Im Jahre 1290 NGZ landet die TERSAL dort, um nach einem Observatorium oder Sternenkarten zu suchen und herauszufinden, wo sich die Galaxie Zerachon genau befindet. Allerdings werden sie dabei von Cau Thon aufgespürt. Dabei verlieren Irasuul, Nirisar und Thobenar ihr Leben.
Jereta ist im Jahre 1290 NGZ eine Bewohnerin des Planeten Zorryk in der Galaxie Zerachon. Sie ist eine junge, hübsche Wirtstochter mit langem schwarzen Haar, einer gesunden Naivität und Verträumtheit. Sie lernt Jonathan Andrews kennen und beide verlieben sich prompt ineinander. Sie will mit ihm zu den Sternen reisen, doch die Romanze endet bereits nach einem Tag, denn sie wird Opfer von Goshkan, der sie grausam foltert und schließlich ermordet.
Das DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.
Special-Edition Band 16, veröffentlicht am 26.9.2012 • Autor: Nils Hirseland • Titelillustration: Stefan Lechner • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2012 • Alle Rechte vorbehalten