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D O R G O N

Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs

 

MORDRED-ZYKLUS

Band 14

 

Nils Hirseland

Titelbild von Lothar Bauer

 

 

Terror der MORDRED

Der Fanatismus zweier Ideologien führt zur Katastrophe

 

Was bisher geschah

Seit September 1290 NGZ ist die selbst ernannte Terrororganisation MORDRED nach jahrelangen geheimen Operationen zum offenen Angriff übergangen. Federführend bei der Vernichtung von fünf Camelotbüros war der Silberne Ritter Cauthon Despair.

Es gelingt den Camelotern in Zusammenarbeit mit der LFT, der MORDRED die erste Niederlage zuzufügen. Zwei Führungspersonen der Terrorgruppe sind tot. Auf Mashratan entdecken die Cameloter Hinweise auf einen unbekannten Verbündeten der MORDRED: die Dorgonen, welche offenbar ein Volk aus einer fernen, unerforschten Galaxie sind.

Auf Sverigor bereitet die MORDRED ihren nächsten Schlag vor, während der Saggittone Aurec, Joak Cascal sowie Sandal Tolk auf dem Weg zu diesem Planeten sind, um mehr über die MORDRED in Erfahrung zu bringen. Es scheint, als würde Sverigor den TERROR DER MORDRED
zu spüren bekommen …

Hauptpersonen

Cauthon Despair – Der Silberne Ritter soll auf Sverigor ein Exempel statuieren.

Aurec – Der Kanzler der Saggittonen kann sich mit den Bräuchen Sverigors nicht anfreunden.

Joak Cascal und Sandal Tolk – Sie wirken wie uralte Relikte auf Sverigor.

Sanna Breen – Die LFT-Profilerin sucht nach Cauthon Despair.

Wirsal Cell – Der Cameloter möchte seinen einstigen Schüler retten.

Nersonos – Der Neffe des Kaisers der Dorgonen übt sich an einem Epos.

Sha-Hir-R’yar – Die geheimnisvolle Assassinin der MORDRED geht auf Sverigor auf Menschenjagd.

 

 

 

 

1. Die Assassine

24. Oktober 1290 NGZ, New Malmö, Sverigor

Blitze zuckten durch den Himmel und erhellten die Nacht. Erste Regentropfen prasselten auf die weiche Körperbehaarung von Sha-Hir-R’yar. Zuerst zögerlich, dann nahm der Regen stark zu und ergoss sich geradezu über sie. Der von der leichten Kampfkombination ungeschützte Teil ihres gelbschwarzen Fells war innerhalb weniger Momente völlig durchnässt.

Es störte sie nicht, auch wenn Feliden generell zu viel Wasser auf dem Körper nicht mochten. Sie säuberten sich auf andere Weise und galten dennoch als äußerst reinliche Geschöpfe.

Shahira, wie sie von jenen genannt wurde, denen ein kartaninischer Name zu lang war, hatte sich auf dem Nachbargebäude des Krankenhauses von New Malmö Zentrum eingerichtet. Von hier aus bereitete sie ihre Operation vor. Der Auftrag ihres Herren und Meisters war eindeutig. Die Zielperson befand sich im fünften Stockwerk – der Entbindungsstation. Die trächtige Terranerin hieß Zantra Solynger und war zum Tode verurteilt, weil die Führung der MORDRED annahm, dass der Silberne Ritter Cauthon Despair nicht richtig funktionieren würde, wenn er sich romantischen und melancholischen Gefühlen hingab. Diese Solynger war offenbar eine Verflossene des geheimnisvollen Ritters gewesen.

Shahira war das eigentlich gleich, obwohl sie von ihrem selbst ernannten Meister den Auftrag erhalten hatte, persönliche Informationen über die Nummer Zwei der MORDRED zu sammeln.

Darüber hinaus verachtete Shahira die MORDRED. Sie war eine Organisation der Menschen. Menschen logen, töteten und kannten keinerlei Moral. Wieder drohte der Hass sie zu überwältigen. Sie dachte an ihre geschändeten, ermordeten Schwestern. Sie dachte an das Versprechen, das ihr diese Terranerin einst gegeben hatte. Lügen und schändlicher Verrat! Niemand war gekommen, um sie und ihre Schwestern zu retten. Und ihre Schwestern hatten den Preis bezahlt. Für einen Moment versank sie in eine kurze Meditation. Sie musste den Hass und ihr Streben nach Rache tief in sich verschließen. Noch war ihre Zeit nicht gekommen. Noch war sie ihrem Herren und Meister zu Dank verpflichtet, der ihr einst das Leben gerettet hatte, doch irgendwann würde ihre Lebensschuld erlöschen: Leben gegen Leben. Und dann würde sie auch ihm die Rechnung präsentieren. Unwillkürlich fuhr sie ihre Krallen aus und spürte den Schmerz, als diese sich in ihre Unterarme bohrten.

Leben gegen Leben!

Fast war es eine bittere Ironie des Schicksals, dass sie sich auf einer Welt befand, die die Menschheit ebenso verachtete. Angeblich zählte hier nur das Individuum. Vorgeblich genossen Extraterrestrier besondere Rechte. Sie durften nach Herzenslust ihre Sitten und Gebräuche ausleben. Hier wäre Shahira vielleicht ein Teil der Gesellschaft gewesen. Ja, aber als Monster und genetische Absurdität. Die Menschen auf Sverigor glaubten, dass sie mit ihrer antilemurischen Haltung und dem Hass auf die eigene Rasse die einzig vernünftigen Menschen in der Galaxis wären. Doch inzwischen wusste sie es besser. Auch hier zogen die Menschen im Hintergrund die Fäden und pfuschten der Natur ins Handwerk. Genmanipulation, allein durch den Gedanken an diese verfluchte Wissenschaft drohte wieder der Hass sie zu verschlingen.

Alle Menschen waren Rassisten, entweder glaubten sie wie die MORDRED an die Überlegenheit der lemurischen Rasse, oder wollten wie die Sverigen die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rassen einfach abschaffen. Ein Wesen wie sie hatte in ihren Augen keine Daseinsberechtigung.

Shahira konzentrierte sich und esperte in das hell beleuchtete Krankenhaus hinein. Sie nahm ein wenig Angst wahr, hier und da Freude. Allerdings waren viele Sverigen emotionslos.

Ihr Gegenüber lag etwa zehn Meter tiefer der Entbindungstrakt. Hier gebaren die Frauen ihre Kinder. Shahira korrigierte sich gedanklich. Es existierten auf Sverigor keine Frauen, sondern unisexuelle Individuen.

Sie hatte sich zuvor über die Praktiken informiert. Nachdem das Baby das Licht dieser Welt erblickte, wurde es einem Säuglingsbetreuungsroboter der Korrektheitsbehörde übergeben. Dieser brachte das Kind in eine Kinderbetreuungsstätte. Das Austrägerindividuum wurde nach einem Tag entlassen, damit es wieder arbeiten konnte. Es wurde dann den Eltern überlassen, inwiefern sie sich um das Neugeborene kümmerten. Familiensinn gab es auf Sverigor kaum. Im Gegenteil, es war zutiefst verpönt, wenn intakte Familien existierten. Zwar wurde es nicht gänzlich verboten, doch in der Gesellschaft wurden junge Familien nicht gerne gesehen.

Für gewöhnlich wurden die Babys in eine Ganztagesbetreuung geschickt, damit die Elternteile arbeiten konnten und die Kinder nicht von dem »kruden Gedankengut« potenzieller schlechter Eltern infiziert wurden. Zudem galt es auf Sverigor als Schande, wenn sich ein Wesen der Arbeit entzog und »antiken« Traditionen frönte. Nach einigen Jahren kümmerten sich die Eltern mehr um ihre Sprösslinge, wenn es sich mit dem Beruf vereinbaren ließ. Die Kinder bekamen jedoch per Gesetz einen Nachwuchsbetreuungsroboter zur Seite gestellt.

In jedem Fall wurde die Erziehung der Kinder nur selten den Eltern überlassen. Insbesondere bei den Menschen wurde auf eine Betreuung geachtet, da die Eliten eine »Terranisierung« Sverigors verhindern wollten.

In den ersten Lebensjahren konnten sich die Kinder entscheiden, ob sie einem Gendering unterzogen wurden. Sie wurden dadurch zu Zwittern. Shahira hielt nichts von genetischen Manipulationen. Die Menschen schienen daran ihren Gefallen zu haben. Sie schreckten vor nichts zurück. Ein genmodifiziertes Individuum auf Sverigor war wohl das Beste für diese Gesellschaft. Die Regierung hatte wohl das Ziel, alle Menschen so eines Tages umzuwandeln. Wenn das zur Folge hatte, dass diese Art auf diesem Planeten aussterben sollte, war das Shahira nur recht. Allerdings würden sie wohl im Reagenzglas weitergezüchtet werden.

Shahira konzentrierte sich wieder auf ihren Auftrag. Zantra Solynger gebar ein Kind. Sie befand sich in einem Raum, der an die Außenwand grenzte. Shahira hätte sie mit Leichtigkeit von hier aus erledigen können. Ein Schuss mit einem Thermostrahler hätte die Gebäudewand abgesprengt und den Raum verwüstet.

Sie hatte einen anderen Plan. Shahira aktivierte ihren Picopad und rief via Interkom ihre Komplizen herbei. Wenige Minuten später – es hatte endlich aufgehört zu regnen – schälten sich drei Blues, ein Gurrad, ein Unither und zwei Naats aus der Dunkelheit der Nacht.

Der Gurrad stellte sich vor Shahira und beschnupperte sie. Er verzog das Gesicht und entblößte sein scharfes Gebiss. Der Gurrad wirkte attraktiv auf Shahira. Doch er schien wenig begeistert zu sein.

»Du stinkst nach Mensch!«

»Und du nach Kot«, erwiderte Shahira und fauchte. Sie fuhr ihre Krallen aus und zeigte bedrohlich in die Richtung des Gurrads. Damit machte sie klar, dass er sich solche Späße nicht ein zweites Mal erlauben durfte.

»Wie viel?«, fragte der eine Blue.

Shahira musterte das tellerköpfige Wesen mit den zwei Augenpaaren. Arürk war bis an den Stängelhals bewaffnet. Er war der Anführer des »Roten Kreaturen«-Klans. Sie beherrschten Vororte von New Malmö und profitierten von der laschen Justiz der Sverigen. Denn bei all den multikulturellen Bestrebungen vergaben sie sogar den Extrateresstriern Verbrechen, um sie nicht zu verstimmen. Für Wesen wie Shahira waren das ideale Bedingungen.

Diese naiven Menschen. Entweder waren sie gewissenlos brutal oder fanatische Galaxisverbesserer, die an das Gute in jedem Wesen glaubten. Als ob das organisierte Verbrechen lukrative Geschäfte sausen lassen wollte, nur weil sie hier unbescholten Leben durften. Viele Immigranten auf Sverigor hatten auf ihren Welten nichts anderes als den rücksichtslosen Überlebenskampf erlebt. Warum sollten sie hier anders sein? Wieso sollten sie den Sverigen vertrauen?

Sverigor war ein El Dorado für Verbrecherorganisationen. Da die Justiz sehr verständnisvoll bei Verbrechen der Extraterrestrier war, lachten sie nur über das Staatswesen.

Der wichtigste Grund war, dass die Regierung und Gesellschaft sich niemals ein Versagen ihres Models eingestehen würde. Es war wie eine Mutter, die sich nicht eingestehen wollte, dass ihr Kind verzogen war. Ein treffender Vergleich, wenn er jedoch auf diesem Planeten nicht die gleiche Bedeutung hatte.

»Es sind dreizehn Neugeborene«, sagte Shahira. »Wie vereinbart holt ihr sie und ich kümmere mich um meine Zielperson.«

Arürk kicherte schrill. Der Kinderhandel auf Sverigor war beliebt. Es lag wohl daran, dass Kinder keine große Bedeutung auf dieser Welt hatten. Sie waren heranwachsende Individuen, mehr nicht. Die Eltern vermissten ihre gestohlenen Babys jedenfalls nicht.

Arürk gab Shahira ein Zeichen. Er wollte die Sache hinter sich bringen. Shahira nahm ihren Toser und visierte die fünfte Etage an. Sie feuerte. Das Raketenprojektil zerschlug die Hauswand. Einen Moment später zerbröselte die Fassade.

Der Gurrad brüllte, dann startete er sein Raketenpack. Die Gangster schwebten zum Krankenhaus. Shahira aktivierte auf ihrem Picopad die Sprengladungen. Drei Detonationen erschütterten den Komplex. Das Licht fiel aus. Shahira setzte ihre Brille auf und aktivierte die Nachtsicht. Nun flog sie mit ihrem Gravopak ins Krankenhaus. Ihr war egal, was Arürk und seine Leute jetzt trieben. Sie waren die Ablenkung. Das Schicksal der Bälger war ihr völlig gleich. Sie würden als Sklaven irgendwo hin verkauft werden. Es geschahen halt schlimme Dinge im Universum.

Sie flog durch die zerstörte Mauer und landete. Überall schrien die Wesen. Vereinzelt zuckten Blitze von Energiewaffen durch die Räume. Sie spürte überall Angst. Shahira eilte in den Entbindungsraum und fuhr ihre Terkonitkrallen aus. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal kauerten irgendwo in den Ecken.

Vor ihr lag Zantra Solynger. Das Kind trug sie noch in sich. Solynger schrie und zappelte. Einen Moment zögerte sie, doch dann stand wieder das Gesicht der Terranerin vor ihr. Lügen, grenzenlose Grausamkeit und schändlichster Verrat war das Wesen ihrer verfluchten Rasse.

Leben gegen Leben!

Mit dem Gefühl unendlicher Befriedigung versenkte sie ihre Krallen in den Unterleib der Menschenfrau und riss ihr den Bauch auf. Solynger schrie vor Schmerzen wie am Spieß. Dann riss sie das Baby heraus, durchtrennte die Nabelschnur und warf das Kind achtlos beiseite. Wenn die Terraner gnädige Götter haben würden, dann würde es nicht überleben. Das Geschrei war in ein dumpfes Wimmern übergegangen, es war an der Zeit, ihre Aufgabe zu Ende zu bringen.

»Mit den besten Grüßen von der MORDRED, Cameloterin!«, flüsterte sie und legte ihre Hände fast zärtlich um den Hals von Zantra Solynger. Dann schloss sie ihre Finger mit den ausgefahrenen Krallen. Die Menschenfrau lebte nur noch wenige Sekunden.

Shahira ließ von ihr ab.

»Arürk«, rief sie, während sie den Raum verließ. »Da ist noch ein Balg im Raum.«

Sie hatte ihren Auftrag beendet. Niemand würde die MORDRED mit dem Mord in Verbindung bringen. Ihr Herr und Meister würde zufrieden sein.

 

2. Nachforschungen

Aurec wartete mit Spannung auf die Übertragung der IVANHOE. Das Raumschiff der Cameloter übermittelte ein Datenpaket an die TAKVORIAN, welches Informationen von Ali Judäa el Kerkum über die Dorgonen enthielt. Außerdem war eine Analyse des Wissenschaftsoffiziers Lorif beigefügt.

Neben dem Saggittonen befanden sich Joak Cascal, der Kommandant der IVANHOE, dessen martialisch anmutender Freund Sandal Tolk, der Cameloter Wirsal Cell und die LFT-Profilerin Sanna Breen in dem eher dunkel wirkenden Besprechungsraum.

Ein zweigeteiltes Hologramm baute sich vor ihnen auf. Rechts sah der Saggittone einige Inschriften und Symbole, mit denen er nichts anzufangen wusste. Links erschien das Bild des Posbi Lorif.

»Auf dem Datenträger von Oberst Kerkum haben wir Abbildungen der Artefakte gefunden, die offenbar auf Mashratan entdeckt wurden«, berichtete Lorif. »Es sind allerdings eher dürftig abgefilmte Bilder und Videos eines Raumes.«

Vor Aurec baute sich nun der besagte Raum auf. Er war alt, staubig und dunkel. Eine große Statue eines Wesens war darauf zu erkennen. Es ähnelte einem Vogel. Ein wenig sah es sogar aus wie Sam. Obgleich diese Statue den Körper eines Menschen besaß, während der Kopf einem Vogel oder Falken glich.

»Wahnsinn«, meinte Sanna Breen.

»Wie belieben, meine Dame?«, fragte Aurec.

»Das ist Horus.«

»Du kennst den da?«

Aurec war nun ziemlich überrascht. Joak Cascal räusperte sich. Er lehnte sich vor und stopfte seine Zigarette in den Aschenbecher.

»Horus ist ein mythologisches Wesen aus der terranischen Antike. Vor 7.000 Jahren gab es die Zivilisation der alten Ägypter. Sie hatten viele Götter. Horus war ein hohes Tier«, erklärte Cascal.

»Genau genommen ist er der Sohn von Osiris und galt als Gott auf Erden«, fügte Sanna Breen hinzu.

Cascal warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Er war offensichtlich überrascht über die Geschichtskenntnisse der LFT-Profilerin.

»Archäologie hat mich schon immer interessiert. Außerdem ist eine Freundin von mir mit der Materie sehr vertraut.«

Breen musste lächeln.

»Denise hat immer geglaubt, dass mehr hinter den ägyptischen Göttern steckt, als der Einfluss von Atlan.«

Aurec kombinierte, dass also auf Mashratan Artefakte gefunden wurden, die eigentlich von der Erde stammten. Die naheliegende Schlussfolgerung wäre, dass die Mashraten diese Artefakte von Terra nach Mashratan gebracht hatten. Allerdings hatte diese These einen Schönheitsfehler. Wieso interessierten sich die Dorgonen dann dafür? Sie mussten offenbar die Bedeutung der Symbole kennen.

»Lorif, konnten die Hieroglyphen entziffert werden?«, wollte Breen wissen.

»Negativ, Miss Breen! Sie ähneln zwar den altägyptischen Hieroglyphen von der Erde, weisen jedoch einige gravierende Unterschiede auf. Diese Schrift ist komplizierter und umfangreicher. Leider haben wir keine Vergleiche. Die dorgonische Übersetzung existiert zwar, doch auch diese Sprache haben wir bisher nicht entziffert.«

Auf dem Hologramm wurde ein Text in der hieroglyphischen Schrift und daneben in einer ebenso für Aurec unleserlichen dorgonischen Schriftart gezeigt. Sie tappten also im Dunkeln.

»Also gut, wir kümmern uns darum. Die IVANHOE soll mit der NORTH CAROLINA weiterhin nach diesem dorgonischen Raumschiff suchen«, befahl Cascal.

Er wandte sich an Sanna Breen und grinste sie an.

»Hat ihre Freundin etwas auf dem Kasten?«

»Denise Joorn ist eine bekannte Archäologin. Sie hat mehrere Universitätsabschlüsse in Geschichte und Archäologie. Sie bevorzugt die Feldforschung, weiß mit dem Energiestrahler umzugehen, schreit nicht beim Anblick einer Riesenspinne und ist überaus attraktiv. Das wollten Sie doch wissen, Oberst Cascal?«, antwortete Sanna Breen schnippisch.

»Naja, eigentlich wollte ich wissen, ob sie sich die Texte anschauen kann.«

Sanna Breen schwieg. Cascal schien sich ein Lachen zu unterdrücken. Doch seine grauen Augen blitzen vielsagend. Schließlich willigte Breen ein, mit dieser Denise Joorn so bald wie möglich in Kontakt zu treten. Wenn es tatsächlich Parallelen zwischen diesen Ausgrabungen und einer antiken terranischen Kultur gab, dann war eine Spezialistin hilfreich.

Aurec bedankte sich bei Lorif für die Hilfe. Xavier Jeamour, der Kommandant der IVANHOE als auch Henry Portland, der Kommandierende der NORTH CAROLINA holten sich weitere Instruktionen von Joak Cascal ab. Sanna Breen segnete im Namen der LFT die Befehle Cascals für die NORTH CAROLINA ab.

Dann beendeten die beiden Raumschiffkapitäne die Verbindung und machten sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Adlerraumschiff der Dorgonen.

*

Aurec betrat zwei Stunden später die runde Kommandostation im Herzen der TAKVORIAN. Emsiges Treiben herrschte auf den beiden Etagen der Zentrale vor. In der Mitte des Raumes befand sich der Kommandosessel, auf dem Joak Cascal thronte. Um ihn herum saßen die wichtigsten Crewmitglieder an ihren Konsolen.

Navigation, Ortung, Funkverkehr, Waffensysteme und Wissenschaft galten auf einem camelotischen Raumschiff als primäre Funktionen. Jede Abteilung besaß zwar noch einen separaten Raum, doch ein Kommandant wollte seine Leute nahe bei einander haben. Einzige Ausnahmen bildeten die technischen Funktionen. Die Kontrollen von Antrieb, Energieversorgung, Syntronik, Waffen und Schutzschirme waren in einer anderen Ebene untergebracht.

Drei Meter abseits des Zentrums der Brücke befanden sich zusätzliche Kontursessel für die Besucher. Aurec nahm neben Sanna Breen und Wirsal Cell Platz.

»Wir haben Sverigor erreicht«, meldete Cascal und stieß einen begeisterten Pfiff aus. »Mit dieser Welt verbinde ich schöne Erinnerungen.«

»Sverigor ist berühmt für seine atemberaubende Natur«, meinte Wirsal Cell.

»Und für seine schönen Frauen«, fügte Cascal hinzu.

»Freuen Sie sich nicht zu früh, Oberst Cascal. Die Gesellschaft und das Staatswesen von Sverigor haben seit dem Ende der Monos-Diktatur starke Veränderungen vollzogen«, erklärte Sanna Breen kühl.

Cascal nickte.

»Ich habe natürlich recherchiert.«

Aurec hatte sich ebenso vorbereitet, wobei die meisten Welten für ihn fremd waren. Sverigor war eine terranische Kolonie. Im 25. Jahrhundert alter Zeitrechnung hatten sich Kolonisten einer Volksgruppe namens Schweden auf der Welt mit der atemberaubenden Natur angesiedelt und im Laufe der Jahrhunderte ein friedliches Paradies geschaffen. Sverigor war immer ein galaxisoffener Planet gewesen und bemüht gewesen, Differenzen zwischen Terranern und anderen Völkern abzubauen. Die Sverigen hatten – wie alle Kolonien – unter der Besatzungszeit durch die Laren zu leiden. In den Anfängen der NGZ hatten sie als glühende Befürworter der neuen Zeitrechnung und einer vereinigten Milchstraße gegolten. Doch durch die Isolation während der Monos-Diktatur hatte sich die Gesellschaft verändert. Es war ein Hass auf die eigene Rasse entstanden und der Wunsch zu einer totalen Gleichschaltung des Lebens.

Sverigor hatte sich dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung verschrieben und sah überall Anzeichen davon. Was an sich eine edle und absolut richtige Idee war, schien jedoch auf ein diktatorisches System abzuzielen. Zuerst entwickelte sich diese Ideologie langsam aber stetig. Nachdem die LFT konservativer wurde, entflammte regelrecht die Bestrebung, sich von der terranischen Kultur, den Traditionen und den eingesessenen Regeln und Ansichten zu verabschieden. Es schien, als wäre alles zutiefst verpönt, was früher als gut gegolten hatte.

Als Unbeteiligter aus einer anderen Galaxis empfand Aurec die ganzen Gesetze und Beschränkungen ziemlich verwirrend und gefährlich. Er war gespannt, wie sie sich auf der Welt zurechtfinden würden. Immerhin hofften sie hier, Spuren zur MORDRED zu finden.

Die Monos-Ära war offenbar ein herber Rückschlag für viele Zivilisationen in der Milchstraße gewesen. Selbst 143 Jahre danach waren die Nachwirkungen immer noch zu spüren.

 

3. Die paradiesische Welt

Cauthon Despair hatte den Tod von Zantra Solynger beinahe teilnahmslos zur Kenntnis genommen. Eine extraterrestrische Räuberbande hatte Säuglinge aus dem Krankenhaus gestohlen, in dem sich Zantra befunden hatte, um ihr eigenes Erstgeborenes zur Welt zu bringen. Es war das Produkt von ihr und diesem smarten camelotischen Schönlings Ygor gewesen, den sie ihm vorgezogen hatte.

Irgendwie war der Silberne Ritter sogar erleichtert, dass Zantra tot war. Damit wurde ihm eine schwere Entscheidung abgenommen. Ein wenig bedauerte er ihren Tod natürlich. Er hatte Zantra geliebt oder zumindest hatte er das geglaubt. Ein Hauch von Melancholie und Wehmut überkamen ihn. Was wäre gewesen, wenn sie sich für ihn entschieden hätte? Wäre das Kind dann das seine gewesen?

Müßig, sich darüber noch Gedanken zu machen. Es gab nun nichts mehr auf Sverigor, was in irgendeiner Weise positive Gefühle in ihm weckte. Sicherlich, die Natur war schön. Saftige grüne Wiesen, dichte Wälder mit gesunden Bäumen, herrlich geschwungene Täler und Berge, Seen mit türkisfarbenen, sauberen Wasser. Ja, es war eine paradiesische Welt – würde niemand auf ihr leben.

Cauthon Despair verließ die durch dorgonische Technologie getarnten Minor-Globe der KASKAYA-II Klasse. Sha-Hir-R’yar folgte ihm schweigend. Despair hatte sich an diese Hybride noch nicht gewöhnt. Es war ein genetisches Experiment, eine Kreuzung zwischen einer Kartanin und einem Terraner. Jedoch war es nicht das Ergebnis einer hastigen Liebesnacht zwischen Ronald Tekener und Dao-Lin-H’ay, sondern entstammte aus den Genlaboren von Shorne Industries. Willem Shorne hatte seit Jahrzehnten geheime und verbotene Genforschungen betrieben, für die sich vermutlich ein Doktor Moreau hätte begeistern könnten. Nach dem Tod des alten Shornes, hatte dessen Sohn Michael Shorne die Forschungen bereitwillig fortgeführt. Das Projekt um die Mischwesen war jedoch längst beendet. Despair glaubte, dass Sha-Hir-R’yar die letzte Überlebende dieser Kreuzungsgattung war. Nummer Vier hatte sie wohl gerettet und seitdem als Assassinin und wer weiß für was noch eingesetzt.

Sha-Hir-R’yar und Despair waren sich vielleicht gar nicht so unähnlich. Sie waren beide genetische Freaks und allein. Trotzdem vermied er es, mit ihr zu reden. Sie war eine Killerin. Nicht mehr. Gut möglich, dass Nummer Vier sie eines Tages auf ihn hetzen würde. Die Führungsriege der MORDRED war eine Schlangengrube. Rhifa Hun hatte keine Skrupel gezeigt, Nummer Sieben zu eliminieren. Und Oberst Kerkum hatte vor wenigen Tagen Nummer Fünf als Bauernopfer ermordet. Ob die Allianz zwischen Rhifa Hun, Mashratan und der ebenso geheimnisvollen Nummer Vier noch lange halten würde, bezweifelte er so langsam.

Er wünschte, Cau Thon wäre hier, um ihm Rat zu geben. An wen sollte er sich sonst wenden? Vielleicht an die Dorgonen? Doch der Kontakt mit ihnen war sehr rar. Zumeist hatten Rhifa Hun und Oberst Kerkum mit ihnen zusammengearbeitet.

Despair kannte nur zwei Dorgonen persönlich. Den Legaten des Kaisers Seamus und den militärischen Oberbefehlshaber ihrer Expeditionen, Admiral Petronus.

Nur Despair und Sha-Hir-R’yar betraten Sverigor. Die Mannschaft der Minor Globe blieb an Bord und bewachte das Raumschiff. Despair wollte kein großes Aufsehen erregen. Sverigor war eine gut überwachte Welt. Die Korrektheitsbehörde hatte überall ihre Roboter, die peinlich genau auf die Einhaltung der Sverikette achteten. Nun, zumindest bei Menschen. Extraterrestrier hingegen hatten beinahe Narrenfreiheit, es sei denn, die Verbrechen waren zu brutal und zu offensichtlich.

Ihr Auftrag war in zwei Phasen aufgeteilt. Zuerst sollten sie die Ankunft von diesem Aurec sowie Joak Cascal und Sandal Tolk abwarten. Homer G. Adams und Cistolo Khan würden nach neuesten Informationen nicht nach Sverigor kommen. Zellaktivatorträger galten ohnehin als Persona Non Grata und Verbrecher. Und Khan hatte offenbar besseres zu tun. Nachdem die Feinde observiert worden waren, würde Phase zwei beginnen, die Vernichtung des Camelotbüros und Eliminierung der Zielpersonen.

Dafür war hauptsächlich Sha-Hir-R’yar zuständig. Despair bedauerte es, Joak Cascal und Sandal Tolk umzubringen. Sie waren Idole für ihn, denn sie standen für eine bessere Zeit: Dem Solaren Imperium. Doch diese glorreichste Epoche der terranischen Geschichte wurde auf Sverigor zutiefst verachtet.

So empfand er mit dieser Welt wenig Sympathie. Jede Diktatur konnte von der Vorgehensweise Sverigors bestens lernen. Die Korrektheitsbehörde war ein riesiger syntronisch-positronischer Rechnerverbund, der die eigentliche Macht ausübte. Kein Lebewesen vermochte sich mehr einzumischen und es war sicher gestellt, dass die Ideologie über kommende Generationen fortbestehen würde. Despair verachtete zutiefst diesen Selbsthass auf die eigene terranische Rasse. Wahrlich, sie war keineswegs perfekt, doch zu großen Leistungen und Taten in der Lage. Seit sie auf die Arkoniden getroffen waren, hatten sie mehr vollbracht für das Gemeinwohl der Galaxis, als alle Blues, Topsider oder Unither zusammen.

Die Haltung Sverigors dagegen war eine Beleidigung jedes stolzen menschlichen Wesens. Doch das war vermutlich beabsichtigt.

Sha-Hir-R’yar stolzierte in ihrer knappen Lederkleidung neben ihm entlang. Doch die Felidin wirkte nicht erotisch auf ihn. Er erachtete die Beziehung zwischen Tekener und seinem Schmusekätzchen keineswegs als Kosmos offen, sondern schlichtweg als gestört. Dass die Zellaktivatorträger auch nicht mehr das waren, was sie früher darstellten – nun, wäre dem nicht so gewesen, würde Despair nicht aufseiten der MORDRED kämpfen.

»Das Camelotbüro wird gut bewacht. Sie sind gerüstet für einen Angriff«, erklärte Sha-Hir-R’yar.

»Vorschläge?«

»Ich habe Kontakte zu hiesigen Verbrecherklans aufgenommen. Sie könnten uns nützlich sein.«

»In diesem Fall wird der Abschaum der Galaxis uns in der Tat hilfreich sein. Setze dich mit ihnen in Verbindung und arbeite einen Plan aus. Ich werde mich auf Sverigor umsehen.«

Sha-Hir-R’yar gab ein zustimmendes Schnurren von sich, während Despair in einen Gleiter aus der Minor-Globe stieg und in Richtung New Stockholm flog.

Nachdenklich blickte die Schimäre dem Gleiter nach, sie hatte zwar den Kontakt mit den einheimischen Verbrecherklans hergestellt, aber bei der Hauptaufgabe, die ihr Meister ihr gestellt hatte, hatte sie kläglich versagt.

Sie wusste jetzt schon, wie die Strafe für ihr Versagen aussehen würde, unvorstellbare Schmerzen und grenzenlose Erniedrigung. Ihr Meister liebte es, sie für den geringsten Misserfolg auf abscheulichste Weise zu bestrafen. Das unvollkommene Werkzeug musste gehärtet werden, so nannte er es.

Oh ja, er hatte sie gehärtet, aber in einer Art und Weise, die er wohl nie für möglich halten würde. Jede Schmerzorgie, jede Vergewaltigung, die sie über sich ergehen lassen musste, machte sie härter, wie guter Stahl, der unzählige Male gefaltet und neu geschmiedet wurde, flexibel und unzerbrechlich.

Doch ihre Gedanken schweiften wieder zu dem Silbernen Ritter zurück. Seine Reaktion auf ihre offenen körperlichen Avancen verunsicherte sie zutiefst. Noch nie hatte ein Mann, beim Anblick ihrer offen zur Schau getragenen sexuellen Reize, so gleichgültig reagiert. Ihre empathischen Fähigkeiten hatten ihr einen tiefen Blick in die Gefühlswelt Despairs gestattet. Despair fühlte sich einsam und verlassen, sehnte sich nach Liebe, genau wie sie. Sie hatte erwartet grenzenlose sexuelle Gier vorzufinden, das war die Reaktion, die sie normalerweise hervorrief. Sie erfasste zwar, dass er sie als unnatürliches Wesen ablehnte, doch tief in seinem Innern war sie auf Mitleid gestoßen, Mitleid mit ihr als rechtloses Werkzeug der MORDRED und Mitleid mit ihm selbst, als verratenes und gebrochenes Wesen. Doch auch er war zu gefaltetem Stahl geworden, flexibel und unzerbrechlich.

Sie beschloss, den Silbernen Ritter weiter zu beobachten, aber nicht um ihrem vermeintlichen Herrn und Meister die Mittel in die Hand zu geben, um ihn zu vernichten, sondern um zu ergründen, ob er es verdiente, von ihrem Rachefeldzug verschont zu bleiben. Und vielleicht …, aber nein, das wäre Wunschdenken, und Wünsche, so schön sie auch waren, durften in ihrem Denken keinen Platz haben.

Mit diesen Gedanken wandte sie sich ab, um ihren Auftrag zu erfüllen.

 

4. Böse ist, was lindgrün trägt

»Guten Tag, Existenzen«, begrüßte der Jülziisch Aurec, Joak Cascal, Sandal Tolk, Wirsal Cell und Sanna Breen am Spaceport »Toleranz« von New Stockholm.

Es war sauber hier. Alles strahlte in einem fröhlichen weißgelb. Die Wände und der Boden waren blitzblank geschrubbt. Viele Pflanzen zierten den Weg mit den Rollbändern vom Gateway zum Check-in. Zuerst wurde ein kurzer Blick auf ihre Ausweise getätigt.

»Ihr seid angekündigt und als Wochengäste vermerkt. Am Ausgang B3 wartet die Korrektheitsbehörde auf euch. Bevor ihr jedoch diesen Weg beschreitet, möchte ich darauf hinweisen, dass ihr zuvor ein Einführungsvideo unserer Welt mit den wichtigsten Regeln anseht. Es dauert nicht lange, doch es ist Pflicht.«

Joak Cascal seufzte.

»Auf das Video bin ich schon gespannt.«

Er kramte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hose, doch bevor er den Glimmstängel anzünden konnte, fiepte der Jülziisch auf und hob erschrocken die sechsgliedrigen Hände.

»Rauchen ist auf Sverigor verboten!«

»Echt jetzt?«, fragte Cascal irritiert.

»Selbstverständlich.«

Cascal räusperte sich und steckte die Zigaretten wieder in die Tasche, doch damit war der Blue nicht zufrieden. Er streckte die Hand aus. Cascal verstand und übergab dem Jülziisch die Schachtel.

»Ihr werdet natürlich vor Verlassen des Raumhafens eingehend kontrolliert. Neben Zigaretten sind ebenfalls alle Formen von Alkohol verboten. Bewusstseinserweiternde Drogen sind erlaubt. Ferner ist es untersagt religiöse Bücher, Symbole oder Datenträger mitzubringen. Ebenso sind faschistoide Kleider und Symbole verboten, ebenso alles, was die Kulturen der Sverigen verletzen könnte.«

Aurec wechselte mit den anderen einen vielsagenden Blick. Es gab hier eine Menge Vorschriften. Der Kanzler der Saggittonen begab sich mit den vier Terranern in einen Vorführraum. Zu heiterer, verzerrter Marschmusik stolzierte ein Strichmännchen über das Trivid.

»Das ist Perry Rhodan«, sagte eine dumpfe Stimme. »Imperialist, Faschist und Diktator der Erde. Und außerdem hat er nur einen ganz kleinen Perrylein und ist sonst auch nicht der Hellste im Kosmos.«

Dann kam ein rundes Männchen, welches der Erzähler als Reginald Bull vorgestellte. Sie sahen die Begegnung mit den Arkoniden und in einer Kurzform die »Eroberung der Erde unter dem Regime Rhodan.«

»Die Rhodanisten unterjochten die Völker der Erde und zwangen sie im Gleichschritt zu marschieren. Sadistische Mutanten quälten die Gegner und sorgten für Angst und Unterdrückung. Das Motto der Rhodanisten war. Erst schießen, dann fragen.«

Joak Cascal bekam nun einen Hustenanfall, während Wirsal Cell sarkastisch kicherte.

»Es gab keine politische Opposition und das Rhodan-Reich wurde mittels moderner Technologie, skrupelloser Führung und grenzenloser Intoleranz innerhalb weniger Jahre errichtet. Es wurde keine Rücksicht auf kulturelle Besonderheiten, religiöse Anschauungen und die finstere Vergangenheit der Erde zu dieser Zeit genommen. Rhodan setzte den Plan des Weltreiches um und vollendete das, was der Diktator Adolf Hitler nur wenige Jahrzehnte vorher angestrebt hatte. Fortan überzogen die Terraner in Windeseile die Milchstraße mit Krieg. Sie sorgten mit ihrer Einmischung für eine Eskalation in einer eher harmlosen Grenzstreitigkeit zwischen Topsidern und Ferronen. Schändlich mischten sie sich in das Leben der Jülziisch ein, raubten ihnen Ressourcen und führten einen Expansionskrieg unter Rhodans Führung. Der Führer des Universums griff die Akonen mitten in ihrem Sonnensystem an und startete einige Jahrhunderte später seinen größten Clou: Der Krieg gegen die Nachbargalaxis Andromeda. Ohne Rücksicht auf Verluste brachte er damit auch die Existenz der friedlichen und zurück gezogen lebenden Uleb in größte Gefahr, die schließlich zum Krieg genötigt wurden. Doch wie so oft endete es im Völkermord. Unter Rhodans Regie wurden ganze Zivilisationen ausgelöscht.

Über 1.500 Jahre währte die Schreckensherrschaft des faschistischen Solaren Imperiums. Und besonders extraterrestrische Völker litten darunter. Rhodan stahl von ihnen die Technologie, erweiterte sie und setzte sie schließlich gegen sie ein. Erst durch die – zugegeben ebenso diktatorische Einmischung – der Laren wendete sich das Blatt. Die Pariczaner, ein Kolonialvolk der Mehandor, –von Terranern verächtlich Überschwere genannt – versuchten für Ruhe und Ordnung so sorgen. Doch Rhodans Schergen wie Atlan kämpften dagegen an.«

Aurec wusste nicht, ob er lachen sollte oder sich vor Grausen abwenden sollte. Die geradezu infantilen Zeichnungen huschten über das Bild. Überall floss Blut, explodierten billig erstellte Kugelraumer. Der Erzähler prangerte den Größenwahn Rhodans an und sprach von einer Episode des Friedens zu Beginn der Neuen Galaktischen Zeitrechnung. Natürlich sei die keineswegs Rhodans Verdienst gewesen. Doch dessen Habgier und Wunsch, das Universum zu erobern ließ die Milchstraße in die Dunkle Monos Ära fallen.

Monos war in der jüngeren Geschichte der Dreh- und Angelpunkt in der Milchstraße gewesen. Fast 700 Jahre lang war die Milchstraße von ihm beherrscht worden. Das Video verschwieg natürlich, dass Perry Rhodan maßgeblich an der Befreiung der Galaxis beteiligt war. Nach weiteren Schmähungen gegen die Unsterblichen und das Solare Imperium kam das Video offenbar nun zum Kern des Themas.

»Sverigor ist eine emanzipierte Welt. Wir haben uns von den faschistischen, archaischen terranischen Traditionen losgesagt. Vielmehr noch, wir haben uns komplett von den Menschen befreit. Wir haben Rassenhass und Diskriminierung besiegt. Toleranz, Frieden, Freude, strebsames Arbeiten, eine gesunde Umwelt und eine bunte, vielfältige Gesellschaft prägen den Vielvölkerplaneten Sverigor. Darauf sind wir stolz.«

Nun hüpften allerlei Strichwesen auf die Leinwand. Blues, Cheborparner, Topsider, Swoon und einige Völker, die Aurec noch nicht kannte. Sie tanzten glücklich durch die Gegend und es regnete bunte Blümchen.

»Wir sagen: Faschos raus! Rhodanisten raus! Lindgrüne raus! Hier ist kein Platz für Rassismus, Diskriminierung und Imperialismus!«

Nun kamen Perry Rhodan, Reginald Bull und der arkonidische Imperator Bostich ins Bild. Die anderen Sverigen stellten sich ihnen gegenüber. Statt Blümchen regnete es nun etwas Braunes auf Rhodan, Bull und Bostich. Diese fielen um, während die anderen lachten. Mit gesenkten Köpfen und voll der braunen Flüssigkeit triefend schlurften die drei »Schurken« aus dem Bild.

»Herzlich willkommen auf Sverigor. Bring Frieden, Liebe und Toleranz in unsere Gemeinschaft, dann bist du willkommen. Eine ausführliche Anleitung mit den Gesetzen und Regeln wird dir am Ausgang ausgehändigt. Wir wünschen einen wundervollen Aufenthalt.«

Damit endete dieses spezielle Video.

»Die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun«, murmelte Cascal und stieß einen Pfiff aus.

»Andere Welten, andere Sitten«, stellte Wirsal Cell fest und erhob sich ächzend.

Aurec war noch ganz verwundert über dieses Video. Er musste lernen, dass die Terraner offenbar sehr unterschiedlich waren und nicht dieses Gemeinschaftsgefühl hatten, welches die Saggittonen miteinander verband. Nie hätten Trötter, Holpigons, Multivons oder Varnider sich nicht als Saggittonen, als Mitglieder der Gesellschaft Saggittors gefühlt. Und nie hätte eine breite Masse an Saggittonen nichtmenschliche Wesen als minderwertig betrachtet. Natürlich gab es auch Ausnahmen. In jeder Gesellschaft gab es Andersdenkende. Hier jedoch schien die gesamte Bevölkerung einen Hass gegen Menschen entwickelt zu haben. Auf dem Weg zum Ausgang blitzten Hologramme an der Wand auf. Das Logo der LFT wurde in einem roten Kreis mit einem Strich durch die Mitte gezeigt. Cascal erklärte dem Kanzler Saggittors, dass dies ein Symbol gegen die Existenz der LFT war. Auch das Emblem der Arkonide fand sich in so einem durchgestrichenen Kreis wieder.

Aurec verstand die Ablehnung gegen totalitäre Systeme. Die LFT und das Kristallimperium gleichzusetzen, schien ihm jedoch übertrieben. Die Denkweise zu vereinfachen, Dinge in Schubladen einzuordnen, das war auch die Methode eben solcher Diktaturen. Endlich erreichten sie den Ausgang. Dort wurden sie bereits von einem kugelförmigen, etwa fünfzig Zentimeter durchmessenen Roboter sowie einem Jülziisch und einem Cheborparner empfangen. Das gehörnte Wesen mit den drei Nasenlöchern zeigte ihnen einen Ausweis.

»Wir geleiten euch direkt zum Kommissariat für außenplanetare Angelegenheiten«, sagte das Wesen mit dem drahtigen, grauschwarzen Fell.

Sie wurden zu einem gelbgrünblau gespritzten Gleiter geführt. Der Flug durch den angrenzenden Stadtteil dauerte zwanzig Minuten. Aurec sah aus dem Fenster und betrachtete die Straßen, Flugbahnen und Gebäude. Optisch unterschied sich die Hauptstadt Sverigors wenig von anderen modernen Metropolen. Die Architektur war abwechslungsreich. Charakteristische arkonidische Trichterbauten, terranische rechteckige Hochhäuser und Pilzgebäude wechselten sich mit jülziischen Kuppelbauten ab. Hier im Zentrum der Stadt war alles dicht besiedelt. Außerhalb der großen Metropolen waren die Gebäude flacher und weiträumiger angelegt und im größeren Einklang mit der Natur.

Sie hielten an einer Ampel. Rechts von ihnen lief auf einer schwebenden Leinwand der Trailer zu einer Trivid-Soap namens »Ürübryn – Das Retter von Terrania City«. Ein maskierter Blue mit allerlei technischen Ausrüstungsgegenständen und sein swoonischer Begleiter bekämpften das Unrecht in Terrania City. In dieser Episode schien es gegen gewissenlos, hirnlose Neofaschisten des Solaren Imperiums zu gehen, die kleine jülziische Kinder zwingen wollten, bei ihren Eltern zu bleiben, anstatt in eine Kinderbetreuungsstelle zu gehen.

Auf dem Video sah Aurec eine Reihe glücklicher Kinder in solch einer Einrichtung, während die Kinder zuhause traurig, allein gelassen und unbeholfen wirkten.

»Rassismus, Sexismus, Genderismus – den Terranern ist nichts heilig, denn eine skrupellose Behörde zwingt jülziische Familien archaische Traditionen auf. Doch Ürübryn wird sie retten!«

Der Gleiter fuhr weiter. Aurec dachte eine Weile über diese Serie nach. In Saggittor wäre es eher umgekehrt ein Verbrechen gewesen. Die Saggittonen schätzten und liebten das Familienleben. Sie empfanden es als Segen und Ehre, sich um die heranwachsenden Kinder zu kümmern. Die Frauen freuten sich darauf. Und sie konnten ganz schön grantig werden, wenn man sich in die Erziehung einmischte. Aurec fand, dass ein junges Kind zu seiner Mutter und zu seinem Vater gehörte. Aber die Sverigen vertraten eine andere Auffassung.

Sie erreichten nun das schmucklose Regierungsgebäude. Es wirkte im Vergleich zu anderen Gebäudekomplexen und vergleichbaren Palästen anderer Regenten eher spartanisch. Ein großes, weißes Gebäude mit einer Kuppel auf dem Dach. Der Cheborparner, der Jülziisch und der Roboter der Korrektheitsbehörde eskortierten sie in das Gebäude. Joak Cascal blieb vor einer Informationsprojektion stehen.

Aurec sah es sich genauer an.

Emanzipiere dich von der Last der Geschlechter. Gendering jetzt! Melde dich an und werde zu einer wahren unisexuellen Existenz Sverigors und leiste deinen Beitrag im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.

Aurec schmunzelte, während Cascal irgendwie fassungslos wirkte.

»Wenn sie sich so wohl fühlen, ist es ihre Entscheidung«, meinte der Saggittone und zupfte an Cascals Ärmel.

»Vor 1.500 Jahren waren die Frauen hier noch stolz Frauen zu sein. Und was hatten die für hübsche Mädels hier…«

»Achtung. Individuum Joak Cascal wird mit einer Strafe von 50 Galax belegt«, schnarrte der Korrektheitsroboter.

»Was? Wieso?«

»Du hast das Wort Frauen benutzt. Dies steht auf dem Verbotsindex der Sverikette. Das Wort Frau ist abwertend und diskriminierend, da es ein Geschlecht spezifiziert. In deinem Fall war es sogar noch mit chauvinistischen Äußerungen verbunden, der ein weibliches Wesen als sexuelles Objekt degradiert.«

Der Veteran aus dem Solaren Imperium lief rot an. Er setzte zu einer Antwort an, doch seine Lippen blieben versiegelt. Aurec war froh darüber, sonst würde Cascal vermutlich noch ein Vermögen verlieren. So reichte er dem Roboter 50 Galax.

»Bargeld existiert auf Sverigor nicht und ist verboten. Jedes Individuum verfügt über eine bargeldlose Karte, die im Handgelenkt implantiert wird. Diese ist in der Regel mit der Korrektheitsbehörde verbunden, so dass die Abbuchung automatisch vorgenommen wird. Besucher können sich im Tourismuszentrum eine solche Karte bestellen und aufladen«, erklärte der Roboter.

»Und was soll ich jetzt machen?«, wollte Cascal wissen.

»Ich nehme dich in Arrest, bis die Summe zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr bezahlt wird. Folge mir bitte, Existenz Joak Cascal.«

»Der spinnt wohl? Ich gehe nirgendwo hin.«

Der Cheborparner mischte sich nun ein und versuchte den Korrektheitsroboter zu überreden, Milde walten zu lassen. Der Jülziisch hingegen blickte auf sein Chronometer und seufzte schrill.

»Wir haben Termine einzuhalten«, wandte er sichtlich genervt ein.

»Wie wäre es, wenn Sie bitte auch mit dem Blechding reden, Herr Blue?«, gab Cascal verärgert von sich.

»Achtung!«, schnarrte der Roboter erneut. »Du hast das Wort Blue benutzt. Es ist eine Beleidigung gegenüber Sverigen mit jülziischen Migrationshintergrund. Deine Strafe wird auf 5.000 Galax erhöht.«

Der Jülziisch gab einen Klagelaut von sich und wirkte ziemlich bestürzt.

»Wie kann man mich nur so krude beleidigen? Es war ja nichts anderes zu erwarten von einem Relikt aus dem Faschismus. Mir wird ganz übel bei allen lindgrünen Kreaturen des Rassismus.«

»Jetzt kann ich auch nichts mehr für die Existenz tun«, murmelte der Cheborparner.

Nach einigen Momenten erreichten sechs weitere Roboter mit gezückten Strahlern die Gruppe. Aurec blickte die anderen an. Sandal Tolk wirkte so, als würde er am liebsten auf die Roboter einprügeln. Die Situation drohte zu eskalieren.

»Wir sind in diplomatischer Mission unterwegs. Aufgrund der Vielzahl möglicher Beleidigungen auf dieser Welt und die mangelnde Vorbereitungszeit aufgrund der ernsten Situation sind uns diese Fehler unterlaufen. Ich entschuldige mich in aller Form im Namen meiner Gruppe«, sagte Aurec eindringlich.

Doch die Korrektheitsroboter beharrten auf die Festnahme.

»Schon gut, ich gehe mit. Holt mir nur schnell da wieder raus«, meinte Cascal.

Umgegeben von den Robotern wurde er in einen anderen Gleiter gebracht. Bedrückt blickten Aurec, Tolk, Sanna Breen und Wirsal Cell ihrem Gefährten hinterher.

»Da das nun geklärt ist, das Kommissariat für außerplanetarische Angelegenheiten erwartet euch nun. Wir sind schon spät«, gab der Jülziisch unfreundlich von sich. Aurec biss sich auf die Lippen. Jede Antwort hätte ihn vermutlich gleich in Cascals Nachbarzelle gebracht.

*

Das Büro des Kommissars für außerplanetarische Angelegenheiten war farbenfroh eingerichtet. Die Möbel waren weniger praktisch, als für die Optik erschaffen worden. Sandal Tolk hatte Probleme auf den seltsam gewundenen Stühlen Halt zu finden.

Aurec blieb stehen. Nach fünf Minuten betrat der oder das Sverige den Raum. Der Kommissar trug ein Kleid mit rotgelb irisierenden Blümchen. Aurec schätzte ihn als Mann ein, als er der fein geschnittene Bart und das maskuline Gesicht betrachtete. Allerdings wies der Kommissar auch eine beträchtliche Oberweite auf. Aurec vermutete, dass es sich um einen unisexuellen Sverigen handelte. Der Kommissar stolzierte auf den klackernden Stöckelschuhen zu einem Sitzplatz und ließ sich echauffiert hinein fallen. Dabei entblößte er im Schritt mehr, als Aurec jemals sehen wollte. Zweifellos war der Sverige ein zweigeschlechtliches Wesen. Diese universelle Geschlechtsform sollte vor Diskriminierung und Ungleichheit der Geschlechter sorgen. Statt Mann und Frau gesellschaftlich gleichzusetzen, schaffte man sie einfach langsam auf Sverigor ab. Aurec hatte nichts dagegen, jedes Wesen sollte so leben, wie es am besten für es war. Allerdings waren die Saggittonen sehr naturverbunden. Er empfand es geradezu als Sünde gegen die Natur, diese Ordnung durch genetische Manipulation abzuschaffen. Denn die Natur hatte sich vermutlich etwas dabei gedacht, bei vielen Völkern Männlein und Weiblein einzuführen – und bei anderen Rassen eben andere Voraussetzungen zu schaffen. Doch je höher der technologische Sachverstand, desto geringer die Demut vor der Natur und je größer wurde die Versuchung, selbst Gott zu spielen.

Der Kommissar schwieg. Aurec stellte sich und seine Gefährten vor. Der Sverige betrachtete unbeeindruckt seine rot lackierten Fingernägel.

»Einer unserer Män …«, Aurec brach ab und setzte von vorne an. »Die Existenz Joak Cascal wurde inhaftiert. Ich fordere umgehend die Freilassung.«

Der Sverige hüstelte.

»Mein Name ist Johny Unarov. Ich bin das leitende Kommissariat für außerplanetarische Angelegenheiten und stellvertretendes Leiteres für den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung durch nichtsverigische Lebensformen auf unserer Welt.«

Unarov schlug die Beine umständlich übereinander und wippte auf dem Modestuhl hin und her.

»Die Erlaubnis, euch einen Besuch auf unserer Welt zu erlauben, war unserer Friedfertigkeit und Toleranz geschuldet. Doch innerhalb weniger Minuten auf Sverigor habt ihr uns beleidigt und aufgeführt, wie wilde Terraner. Ich bin einerseits erfreut, die Bekanntschaft mit das Regierungsoberhauptes von Saggittor zu machen, doch zutiefst bestürzt und erschrocken über die kruden Worte dieses Joak Cascals. Das arme Jülziisch stand kurz vor einer Herzattacke. Könnt ihr euch das vorstellen?«

Unarov seufzte laut.

»Ein Jülziisch würde euch ja auch nicht einfach als Tsi-yhü`iitschyn bezeichnen. Die Korrektheitsbehörde möge mir vergeben. Wir sagen klar nein zum Rassismus. Das hätte dieses Cascal auch vorher wissen müssen.«

Sanna Breen stellte sich neben Aurec und flüsterte ihm die Bedeutung des Wortes Tsi-yhü`iitschyn ins Ohr. Es hieß auf Jülziisch so viel wie Bleichhäutige ohne Pelz und war vorwiegend eine Bezeichnung für Terraner und andere Lemurerabkömmlinge.

»Bei allem Respekt. Es geht hier um wichtigeres als die Gefühle eines Jülziisch! Die Terrororganisation MORDRED agiert vermutlich auf dieser Welt und wird versuchen, die Niederlassung Camelots zu vernichten. Es sind Mörder, die keine Skrupel zeigen, Unschuldige zu töten. Deshalb sind wir hier«, sagte Aurec scharf.

Doch Johny Unarov schien weiter wenig beeindruckt zu sein.

»Uns ist davon nichts bekannt. Vielleicht hat die MORDRED ja auch einen Grund gegen die verbrecherische Unsterblichenorganisation vorzugehen.«

Unarov kicherte kurz, dann wirkte er oder sie wieder so ernst und teilnahmslos, wie zuvor. Aurec hatte langsam genug von diesen Albernheiten.

»Ich verlange den Staatschef sofort zu sprechen. Ich bin Kanzler einer Galaxie. Ich gebe mich nicht mit irgendwelchen inkompetenten Untergebenen ab!«

Aurec hasste es, so aufzutreten, doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Mit Johny Unarov kamen sie nicht weiter. Der Kommissar sprang nun auf und fuhr sich durch das schwarze, glatte Haar.

»Wer mit der Regierung spricht, entscheide ich. Ihr Menschen glaubt immer, dass alle nach eurer Pfeife tanzen müssen. Doch das ist nicht so. Sverigor ist eine autonome, autarke Welt. Hier entscheidet keine LFT, kein Kristallimperium und auch kein Chauvinist aus einer fremden Galaxis. Wir sind offen für alle friedliebenden Kulturen, doch die Saggittonen scheinen nicht dazuzugehören.«

Johny Unarov drehte sich demonstrativ weg von der Gruppe. Sandal Tolk stieß ein verächtliches Grollen aus. Sanna Breen und Wirsal Cell wirkten ratlos.

»Nun denn, die sverigische Gastfreundschaft scheint ja offenbar nur ein Gerücht zu sein. Wir bezahlen dann die 5.000 Galax und werden das Camelotbüro auflösen.«

Aurec blickte fragend zu Wirsal Cell, der mit einem leichten Nicken sein Einverständnis signalisierte. Für Aurec gab es hier keine Möglichkeit mehr, etwas zu erreichen. Dieser sture Sverige wollte ganz offensichtlich nicht einmal ansatzweise über die Gefahr durch die MORDRED sprechen. Doch ausgerechnet Sanna Breen wagte einen letzten Versuch. Sie schob sich sanft an Aurec vorbei und räusperte sich.

»Ist das Kleid aus Linar-Seide? Sieht wirklich hübsch aus. Ist schön, dass das wieder in Mode gekommen ist.«

Unarov drehte sich um und blickte Sanna schmollend an.

»Ja, ist Linar-Seide. Ein Traum auf dem Körper.«

Breen lächelte.

»Siehst du, wir sind gar nicht so unterschiedlich. Ich mag Linar-Seide auch. Wir brauchen wirklich die Hilfe von Sverigor und ihr die unsrige. Die MORDRED darf nicht unterschätzt werden. Das sind Faschisten und Imperialisten der aller schlimmsten Sorte. Die MORDRED hat ganz bestimmt etwas gegen unisexuelle Menschen.«

Johny Unarov wirkte nachdenklich. Immer wieder spielte er mit dem seidenen Kleid.

»Die LFT hat sicher ihre Fehler. Aber wir akzeptieren die sverigische Lebensweise. Darum sind wir doch hier. Wir wollen nicht, dass der Terror der MORDRED sich auf euren Planeten ausweitet«, erklärte Sanna Breen.

Aurec war über die diplomatischen Künste der LFT-Profilerin überrascht. Die Waffen einer Frau waren nicht zu unterschätzen, auch wenn er das auf Sverigor niemals laut sagen durfte. Doch seine Gedanken waren frei.

»Ich werde mal sehen, was wir tun können. Am besten ihr regelt das erst einmal mit eurer Existenz Joak Cascal. Tauscht euer Bargeld in einer Bank ein. Ihr erhaltet dann den Chip. Anschließend sucht mich wieder auf.«

»Vielen Dank«, sagte Sanna Breen und schenkte dem Sverigen ein breites Lächeln.

Aurec konnte sich nicht mehr als zu einem knappen Nicken hinreißen lassen.

*

Die Nacht war schwül. Cauthon Despair bekam davon in seinem temperierten Kampfanzug nichts mit. Allerdings informierte ihn die Wetteranzeige darüber. Despair und Shahira befanden sich in einem Vorort von New Stockholm. Hier lebten kaum Menschen. Dieser Stadtteil wurde von Banden der Blues und Topsider beherrscht. Hier lag wohl auch die Höhle von Shahiras Kontaktpersonen. Despair fiel auf, dass sich die Straßen und Gebäude in einem schlechteren Zustand befanden. Auch patrouillierten hier keine Roboter der Korrektheitsbehörde.

Ein schwebender, vollmechanischer Zeitungsverkäufer bot die Ausgabe der neuesten Medien zum Download oder auf einem Reader an.

Despair las die neuesten Schlagzeilen:

Süüpi-Mega-Schlau! Jülziisch mit Köpfchen hängen Menschen ab – nach der neuesten unabhängigen Bildungsstudie, sind Jülziisch klüger als Menschen und die besseren Schüler, Studenten, Unternehmer und Arbeitnehmer.

Jflr, Sülybylli und Chrok-Sor mischen Terramuffel auf – Alienpower rockt in Menschenbezirk in New Malmö – mit vielfältigem Charme, Witz und Intelligenz wird ein Stadtteil in die Gegenwart geholt.

Enthüllt: Iratio Hondro hasste Extraterrestrier und sympathisierte mit Perry Rhodan – Exklusive Enthüllungen moderner Wissenschaftler und Historiker entlarven die perfiden Ideen von Hondro und zeigen auf, dass Rhodan vor dreitausend Jahren mit Faschistenbräuten Sex hatte.

Neue Studie: Fleischessen macht dick und doof! Das Konsumieren von echtem Fleisch macht Lebewesen fett, hässlich und lässt das Gehirn schrumpfen.

Pauly Nemak: Menschen waschen sich nicht!

Despair überkam der Drang, den Zeitungsroboter zu zerstören. Doch nicht dieses mechanische Konstrukt war schuld, sondern die Journalisten, die jene Hetzartikel verfassten. Auf eine naive und groteske Art und Weise wurde die Menschheit schlecht gemacht. Doch es schien auf Sverigor zu funktionieren. Despair aktivierte seinen Picopad und sendete ein Signal zum Kreuzer. Shahira informierte den Silbernen Ritter, dass sie sich nun im Bezirk des Roten Kreaturen Klans befanden. Und schon gesellten sich jede Menge Blues um sie, spielten mit ihren Waffen und gaben abwertende Geräusche von sich.

Eine Gruppe hielt zielstrebig auf sie zu. Der Anführer Arürk war ein hochgewachsener Blue. Er wurde flankiert von einem Gurrad und einem Unither.

Despair hatte nichts gegen die unterschiedlichen Rassen in der Galaxis. Sie mussten eben nur ihre untergeordnete Rolle akzeptieren. Die Menschheit war zum Führen auserkoren. Das hatten die Blues, Topsider und anderen einfach zu akzeptieren.

»Was will der Mensch hier?«, fragte der Gurrad provozierend.

»Er gehört zu meinen Auftraggebern«, erklärte Sha-Hir-R’yar.

»Mir gefällt die Rüstung nicht. Ausziehen. Los«, schrillte Arürk und zeigte mit dem Finger auf Despair. Der Silberne Ritter blieb unbeeindruckt. Die anderen tuschelten.

»Los, runter mit den Klamotten«, forderte ein zweiter Blue. Die Gruppe fing an zu lachen. Sie machten sich über Despair lustig.

»Wohl so hässlich, dass er sich nicht traut?«, glaubte der Gurrad und fletschte die Zähne. »Keine Sorge, wir sind den erbärmlichen Anblick von Menschen gewöhnt.«

Cauthon atmete tief durch und blieb regungslos. Er schwieg und wartete den nächsten Schritt der Bandenmitglieder ab. Sha-Hir-R’yar schien die Situation interessiert zu beobachten. Sie konnte vermutlich nicht umhin, sich zu wünschen, dass Despair von den Roten Kreaturen gedemütigt wurde. Der Gurrad stürmte auf Despair zu und wollte ihm offensichtlich die Rüstung vom Leib reißen. Doch seine Hand verfing sich in einem Energiefeld der Rüstung, welches Despair soeben aktiviert hatte. Strom jagte durch den Körper des Gurrads. Er zitterte, versuchte sich vergeblich loszureißen, doch er hatte keine Chance. Rauch stieg auf, das Fell fing Feuer. Der Gurrad verkohlte langsam, während die anderen Bandenmitglieder wie aufgescheuchte Hühner um Despair herum tänzelten, aber zur Tatenlosigkeit verdammt waren. Arürk blieb als einziger abwartend. Despair deaktivierte den Stromzufluss. Er schubste den verkohlten Gurrad zu Boden.

»Ihr niederen Kreaturen seid dem Einfallsreichtum von Menschen nicht gewachsen. Sagt mir, wieso die MORDRED mit gewöhnlichen Straßenkötern kooperieren sollte?«, sprach Despair schließlich.

»Sha-Hir-R’yar hat uns angeworben. Wir haben vor einigen Tagen erfolgreich ein Krankenhaus in New Malmö überfallen«, erklärte Arürk und schien nicht sonderlich traurig über den Tod seines Kameraden zu sein.

Wie er vermutet hatte. Sha-Hir-R’yar und die Roten Kreaturen steckten hinter dem Mord an Zantra Solynger.

»Soso, ihr habt demnach junge, menschliche Mütter abgeschlachtet und die wehrlosen Kinder an den Sklavenmarkt verkauft.«

Arürk machte ein gleichgültige Handbewegung.

»Na und? Unsere Käufer sind Menschen. Auf Sverigor vermisst man die Kleinen nicht. Niemand hat uns gejagt. Ist das unsere Schuld, wenn die sverigischen Menschen ihren Nachwuchs nicht mögen?«

Despair wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Der Blue hatte recht. Niemand schien solche Überfälle und den Menschenhandel mit kleinen Kindern auf Sverigor unterbinden zu wollen. War es ihnen völlig gleichgültig? Sie ermutigten ja geradezu die Verbrecher, fröhlich ihren »Geschäften« nachzugehen.

»Dieser Planet ist wahrlich gottlos«, stellte Despair fest.

Der Blue lachte schrill.

»Natürlich ist er das. Gott ist hier außerdem für Menschen verboten. Beschimpft uns nicht deswegen. Sverigor ist ein Paradies für uns. Alle meine Bandenmitglieder stammen von zerrütteten Welten. Wir sind mit Gewalt aufgewachsen und beherrschen eben jene Gewalt perfekt. Wieso sollen wir das hier nicht ausleben? Wir sind auf Sverigor keine Bittsteller, die auf die Gunst der Menschen angewiesen sind. Hier sind wir die Herren und nicht ihr Tsi-yhü`iitschyn.«

Despair fällte eine Entscheidung. Die Idee mit diesen Wesen zusammen zu arbeiten, war ihm zuwider. Egal ob Cameloter, Menschen, extraterrestrische Bandenmitglieder – jeder auf Sverigor war ein Feind und verdammt. Er wandte sich Shahira zu.

»Suche die Cameloter und warte meine weiteren Instruktionen ab.«

Die Killerin tat, wie ihr befohlen wurde. Arürk erlaubte ihr, seinen Stadtteil zu verlassen.

»Und was wird jetzt? Willst du uns auf den Arm nehmen, Mensch?«

»Wir melden uns«, antwortete Despair knapp.

Ein Gleiter der MORDRED schwebte auf den Platz hinab. Arürk und die anderen ließen Despair gewähren. Damit hatten sie sich selbst etwas mehr Lebenszeit gekauft.

 

5. Rehabilitierung eines schlechten Menschen

Manuel Joaquin Cascal kauerte auf dem unbequemen Stahlbett mit der zerfransten Matratze in seiner Zelle und stierte vor sich hin. Vermutlich war es Inhaftierten in der Bastille besser ergangen. Denn in diesem Raum deutete aber auch gar nichts darauf hin, dass sie sich im 13. Jahrhundert NGZ befanden.

Cascal musterte seine Mitinsassen. Ein schweigsamer Ara, ein muskelbepackter Ertruser und ein unscheinbarer Terraner. Niemand sagte etwas, doch langsam machte diese Stille den Veteran aus dem Solaren Imperium nervös.

»Weshalb sitzen Sie hier, meine Herren?«

Die drei blickten sich entgeistert an. Schließlich stand der hagere, kleine Terraner auf.

»Denis Emot mein Name. Der werte Ara ist Trikolom Fernest. Der Ertruser nennt sich Conroy.«

Cascal stellte sich vor. Die drei sahen ihn ungläubig an. Joak erklärte seine Situation und erntete dafür mitleidige Blicke von dem Ara und dem Terraner, während der Ertruser wie ein wilder Tiger durch die Zelle stapfte.

»Nun, ich war Blogger im Galaktonet und hatte auf die hohe Kriminalität aufmerksam gemacht«, erzählte Emot. »Dann haben sie mich verhaftet und des Rassismus beschuldigt. Wie wir alle, sitzen wir in Untersuchungshaft.«

Cascal richtete seinen Blick auf den Ertruser.

»Und Sie, Conroy?«

»Ich, Sir, bin Offizier des Freikorps Sektor Morgenrot. Wir wollen die Alienbastarde von Sverigor werfen und die ganzen sozial schmarotzenden Gutmenschen ebenfalls. Das ist doch alles nur minderwertiger Dreck.«

Zumindest dieser Ertruser war ganz offenbar zurecht hier im Gefängnis, dachte sich Cascal.

»Das macht uns zu Weggefährten, Sir«, meinte der Ertruser und grinste.

Cascal schüttelte den Kopf.

»Ganz gewiss nicht. Typen wie Sie kann ich nicht leiden. Da ist kein Unterschied zu Menschenhassern. Sie alle glauben, sie wären etwas Besseres und könnten auf einer anderen Rasse herumtrampeln. Wir sind bestimmt keine Weggefährten!«

»Pass bloß auf!«, brüllte der Ertruser und spannte seine Muskeln an. Der Bizeps des Kolonialterraners war so groß, wie Cascals beide Oberschenkel zusammengenommen. Der Hüne mit dem roten Irokesenschnitt würde Cascal vermutlich mit ein, zwei Schlägen erledigen.

»Hört auf! Es ist doch völlig egal. Wir werden sowieso bald alle verurteilt und in die Behandlung kommen«, meinte der Ara.

»Was meinen Sie damit?«

Der Ara lachte bitter. Er erhob sich mit einem Ächzen und massierte sich mit der Hand kurz seinen Rücken.

»Der neueste Clou der Korrektheitsbehörde. Im Kampf gegen Terrorismus, Rassismus, Diskriminierung werden demokratiefeindliche, psychisch kranke Verbrecher einer Sonderbehandlung unterzogen. Ich war in der medizinischen Entwicklung beteiligt und nun…« Er seufzte und blickte an die Decke. »und nun frisst die Revolution ihre Kinder. Ich wollte aussteigen, aber das ging natürlich nicht. Deshalb bin ich hier.«

»Details!«, forderte Cascal.

Der Ara zuckte mit den Schultern.

»Ich wäre in einem Hochsicherheitstrakt, wenn ich Details wüsste. Ich war nur ein kleines Rädchen. Die Korrektheitsbehörde arbeitet an einem umfassenden Programm zur genetischen und psychischen Veränderung von Geisteskranken, um sie in die sverigische Gesellschaft zu reintegrieren. Wir sind hier nämlich der Auffassung, dass Rassismus, Sexismus und alles andere übel auf geistige und körperliche Krankheiten zurückzuführen sind. Wird der Verbrecher entsprechend behandelt und genetisch und psychisch umgebaut, wird er wieder gesund. So einfach ist das.«

Das musste ein schlechter Witz sein. Der Ara sprach von nichts anderem, als einer Gehirnwäsche. Einer Konditionierung im Sinne einer Ideologie. Das hatte nichts mit freiem Willen zu tun. Er musste so schnell wie möglich hier raus. Nur wie? Ein Ausbruch kam wohl nicht in Frage. Er musste auf Aurec, Sandal und Sanna Breen hoffen.

»Keine Bange, Terraner. Zuerst wirst du vor ein Untersuchungskomitee gestellt. Die Inspekteure führen ein Gespräch mit dir und erstellen ein Psychogramm. Dann wird entschieden, ob du der Behandlung unterzogen wirst oder eine Bewährung bekommst«, erklärte der Ara.

»Da geht es mir ja gleich viel besser«, knirschte Cascal.

»Ich habe gehört, dass die Korrektheitsbehörde an noch etwas viel schlimmeren arbeitet«, wandte Emot ein.

Die anderen blickten ihn neugierig an.

»Ich habe von mir gut bekannten Verschwörungstheoretikern gehört, dass die Korrektheitsbehörde an einer Nanokultur arbeitet, die die Gedanken der Träger kontrolliert, unkorrekte Gedanken an den Zentralrechner meldet, Schmerzimpulse aussenden kann und das ganze Individuum zu einer völlig kontrollierbaren Datei im großen Korrektheitsrechner macht.«

Das ging Cascal doch etwas zu weit. Auf der anderen Seite, traute er den Galaktikern jedes schändliche Verbrechen zu. Da waren sich alle gleich, egal ob Terraner, Arkonide, Blues, Topsider oder Akone. Die schöpferische Kraft für Verbrechen vereinte sie. Jedenfalls musste so eine Neuigkeit dringend an Adams und die LFT weitergegeben werden. Auch wenn Verschwörungstheoretiker die Quelle waren: Man sollte es zumindest überprüfen und nicht als lächerlich abtun.

Die Tür öffnete sich. Ein Korrektheitsroboter schwebte hinein.

»Individuum Joak Cascal zur Untersuchungskommission.«

Der Ertruser lachte schallend.

»Danach wirst du dir wünschen, dass wir das ganze Pack in Konverter schmeißen, Bübchen!«

Cascal machte einen gelassenen Eindruck, auch wenn es in ihm anders aussah.

»Am besten gleich dich und deine Kampfgenossen dazu.«

Cascal grinste den Ertruser an und folgte dann dem Roboter.

*

Joak Cascal saß auf einem Formenergiesessel und blickte in die Gesichter der drei Inspekteure. Zu seiner Überraschung waren es zwei Menschen und nur ein Blue. Aber das bestätigte seine Vermutung, dass ausgerechnet die Menschen die treibende Kraft in dem Menschenhass waren. Paradox.

Der Blue stellte sich als Trüttyülin vor. Er war der stellvertretende Inspekteur für Rassismusfragen in Verwahrungsanstalten. Die Vorsitzende des Komitees war eine Frau. Sie hatte ein unattraktives, kantiges Gesicht mit verbissenen Gesichtszügen. Das blonde Haar war kurz geschoren. Sie blickte Cascal aus ihren kleinen Augen grimmig an. Der dritte im Bunde wurde als Mediziner, Kosmopsychologe und Wissenschaftler vorgestellt. Frytzens schien neronischer Abstammung zu sein. Die Haut war hellblau und die Stirnwülste noch erkennbar.

»Individuum Manuel Joaquin Cascal, du wurdest aufgrund von erschwerten Rassismusvorfällen zu einer Geldstrafe verurteilt, die du nicht begleichen konntest. Die folgende psychologische und genetische Untersuchung dient dazu, dir auf den richtigen Weg zu helfen«, begann Trüttyülin die Untersuchung.

Frytzens tippte hastig Notizen in seinen Rechner und sah immer wieder musternd zu Cascal herüber.

»Du hast die diskriminierenden Wörter Frauen und Blue benutzt«, stellte die Terranerin namens Ranata Colfest fest und verzerrte das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. »Schrecklich. Mir fehlen die Worte zu derlei sexistischen Rassismus.«

Zustimmendes Nicken vom Ferronen und Blue.

»Wir stellen dir nun ein paar Fragen. Bitte so schnell wie möglich beantworten«, meinte Frytzens und legte sogleich los.

»Du bist ein Mann?«

»Ja.«

Kopfschütteln beim Ferronen. Colfest nuschelte ein »widerlich«, der Jülziisch seufzte.

»Das Solare Imperium war eine demokratische Institution, die Fortschritt, Zivilisation und Gerechtigkeit in die Milchstraße gebracht hat.«

»Ja, das war sie«, antwortete Cascal voller Inbrunst.

»Mhm, ja, das dachte ich mir«, murmelte Frytzens.

Auf einem Hologramm erschienen nun ein zierlicher Mann, eine vollbusige Frau und ein Topsider.

»Mit welcher der drei Individuen würdest du Sex haben wollen?«

»Wie belieben?«

Frytzens wartete auf eine Antwort.

»Der Fra…« Cascal stockte. »Dem Individuum mit den dicken Brüsten.«

»Ich ertrage diesen Chauvinismus nicht. Ich kriege gleich einen Herzinfarkt«, beschwerte sich Ranata Colfest und starrte Cascal voller Verachtung an.

»Was soll dieser Idiotentest, bitte sehr?«, wollte Cascal wissen. »Ich bin in diplomatischer Mission unterwegs. Das hier ist eine Farce! Wir wollen Sverigor gegen Terroristen beschützen und nun das!«

Ranata Colfest donnerte mit der Faust auf den Tisch.

»Jetzt halte deine freche Klappe, du lindgrüner Rassist! Wir brauchen eure Hilfe nicht. Was wir noch weniger brauchen sind – möge man mir vergeben – sexgesteuerte Männerschweine, die unsere heile, tolerante, bunte und vielfältige, multikulturelle Demokratie mit ihrer braunen Soße vergiften.

Du bist Faschist, Sexist, homophob, extraterrestrialphop und ein gefährlicher Rassist. Du hättest niemals unsere schöne Welt betreten dürfen.«

Trüttyülin fragte nun den Wissenschaftler nach dessen Meinung.

»Das Individuum ist leider krank. Ich habe eine schwere geistige Erkrankung festgestellt.«

»In einem Zweiminutengespräch?«, fragte Cascal irritiert.

»Ruhe«, brüllte Ranata Colfest.

»Ich schlage daher die Sonderbehandlung inklusive dem Gendering vor, damit das Individuum von sexuellen und geschlechtlichen Vorurteilen befreit wird.«

»Was? Ihr habt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Niemand verändert irgendwas an meinem Körper und Verstand.«

Cascal wollte aufstehen, doch der Formenergiesessel veränderte die Struktur und legte sich um Joaks Arme und Beine. Er war gefesselt. Eine Haube senkte sich von der Decke hinab und es wurde dunkel.

 

6. Die Korrektheitsbehörde

Aurec marschierte unruhig auf und ab. Das Knarren des laminierten Fußbodenbelags störte ihn nicht. Sanna Breen saß einige Meter entfernt zusammen mit Johny Unarov, dem so genannten leitendes Kommissariat für außerplanetarische Angelegenheiten und stellvertretenden Leiter für den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung durch nichtsverigische Lebensformen. Sie warteten nun schon seit Stunden auf eine Audienz mit der Regierung. Wirsal Cell hatte inzwischen die 5.000 Galax besorgt und den entsprechenden Behörden gegeben. Doch es hieß, Joak Cascal würde noch einigen Untersuchungen unterzogen werden.

Was sollte Aurec tun? Er hatte eine Beschwerde im Namen Saggittors eingereicht. Die LFT hatte davon abgesehen. Der Botschafter der Liga Freier Terraner wollte keine diplomatischen Verwicklungen für einen Cameloter riskieren. Aurec verstand diese Gleichgültigkeit nicht. Offenbar interessierte sich niemand bis auf Camelot für die MORDRED. Niemand wollte etwas mit den Problemen der anderen zu tun haben und am besten die Situation aussitzen.

Wirsal Cell war erneut aufgebrochen, um in der Vollzugsanstalt mehr über den Verbleib mit Joak Cascal herauszufinden. Sandal Tolk hatte bereits vorgeschlagen, dass in einer Kommandoaktion Cascal befreien würden. Aurec behielt sich diese Option als letzten Ausweg vor, sollten die Sverigen weiterhin so störrisch sein. Natürlich durfte dabei kein Lebewesen sterben.

Aurec setzte sich zu Sanna Breen und Johny Unarov.

»Hach, ihr macht mich ganz datterig, mit euren Geschlechtern. Sanna ist so demonstrativ weiblich und du so herb männlich. Das sind wir hier nicht gewohnt.«

»Ein Wunder, dass du überhaupt über Geschlechter sprichst«, meinte Aurec.

»Nun, als eine Sache dürfen wir darüber reden. Allerdings eben nicht sverigische Existenzen so bezeichnen. Das ist zutiefst beleidigend. So ist unsere Gesellschaft und das muss toleriert werden.«

»Dann toleriert ihr, dass es Völker gibt, in denen Männer und Frauen stolz auf ihr Geschlecht sind.«

Unarov seufzte und betrachtete seine lackierten Fingernägel. Sein Interkom summte plötzlich ein heiteres, schrilles Kinderlied. Offenbar sein Klingelton. Nach dem Akustikgespräch informierte Unarov, dass die Korrektoren für eine Audienz bereit sind.

Unarov führte Aurec, Sandal Tolk und Sanna Breen durch einen Transmitter, der sie in das Hauptregierungsgebäude strahlte. Dort wurden sie von topsidischen Sicherheitsleuten in Empfang genommen und durch eine schmucklose Halle geführt.

Vieles wirkte sehr steril in den offiziellen Gebäuden, fand Aurec. Es war ganz anders als die prachtvoll geschmückten Häuser Saggittors. Hier fehlte eindeutig etwas Leben, etwas Kunst und Kultur.

Es wirkte alles schrecklich einheitlich blass. Aber vermutlich war das beabsichtigt in einer Gesellschaft, in der Gleichschaltung offenbar sehr wichtig war. Das einzig verwirrende für den Saggittonen, war diese Heuchelei, denn Sverigor gab sich bewusst als weltoffen, vielfältig und tolerant. Es war so, als würde die Gesellschaft versuchen, dem Chaos eine Struktur zu verpassen.

»Dir merkt man sichtlich an, dass es dir auf Sverigor nicht gefällt«, meinte Unarov zu Aurec.

»Verzeih mir, aber eure Welt ist sehr befremdlich. Ich stelle mir eine tolerante, Vielvölkergesellschaft anders vor. Die Zwänge scheinen zu überwiegen. Wo ist der Unterschied zu einer Diktatur?«

»Wir morden nicht. Wir zerstören nicht. Wir gestalten. Wir konstruieren und erschaffen eine vorbildliche Gesellschaft. Es ist immer schwer für die ersten Generationen, sich an eine moderne, zukunftsorientierte Wertegesellschaft zu gewöhnen«, antwortete Unarov voller Überzeugung.

Aurec schwieg. Sverigor war nicht nach seinem Geschmack. Seiner Auffassung nach konnte eine Gesellschaft durchaus vielfältig und tolerant sein, ohne, dass sie den anderen ihre Doktrin aufzwang. Das Leben in einer Zivilisationen sollte doch Schlupflöcher und Nischen ermöglichen, damit sich unterschiedliche Wesen wohlfühlen konnten. Natürlich musste es so was wie eine Leitlinie geben, moralische Grundsätze, an die sich alle hielten und sich auch damit identifizierten. Wenn die Bewohner Sverigors sich wohl fühlten, so wie sie lebten, dann war Aurec der Letzte, der das in Frage stellte. Nur schien ihm aus den Berichten und dem bisher gesehenen, Sverigor eine Welt zu sein, die zweierlei Maß anlegte.

Doch Aurec war nicht hier, um den Sverigen ihren Lebensstil vorzuschreiben. Er war hier, um die Sverigen vor die MORDRED zu warnen.

Endlich erreichten sie einen geräumigen Konferenzsaal. In der Mitte schwebte ein Kristalltisch. Um ihn herum saßen die sverigischen Staatslenker auf Formenergiesesseln.

Das waren die Korrektoren. Sie waren die Repräsentanten Sverigors. Aurec musterte die vier Menschen, zwei Jülziisch, den Topsider, den Unither und den Cheborparner.

Nachdem die üblichen politischen Floskeln ausgetauscht wurden, übernahm Aurec sogleich die Initiative.

»Ich bin kein Galaktiker und doch sorge ich mich um die Sicherheit in eurer Galaxis. Vor einigen Jahren half mir Perry Rhodan selbstlos, Saggittor vor einer schweren Krise zu bewahren. Die Ehre erbietet es, dass ich auch seiner Galaxis helfe.«

Die Korrektoren bedachten den Kanzler Saggittors mit verständnislosen Blicken. Der Cheborparner kümmerte sich offenbar gar nicht darum, denn er beschäftigte sich nur mit seinem Picopad und schien ein Spiel darauf zu spielen.

Aurec fuhr unbeirrt fort: »Die MORDRED hat diverse Niederlassungen Camelots angegriffen und will die Milchstraße mit Terror überziehen. Camelot und die LFT haben das erkannt. Wir vermuten, dass die MORDRED auch auf Sverigor aktiv ist, und bitten daher um Unterstützung, um diesen Planeten vor Terror zu bewahren.«

»Die MORDRED ist demnach eine faschistische Menschenorganisation. Wie sollte es auch anders sein«, stellte einer der Topsider bitter fest.

»Überall wo Menschen sind, fließt Blut«, ergänzte einer der Jülziisch.

»Dieses Vorrecht haben Menschen nicht allein gepachtet«, wandte Sanna Breen ein.

Breens Einspruch stieß auf wenig Gegenliebe. Sie erntete spöttische Bemerkungen und wurde angewiesen, zu schweigen, da sie nichts weiter, als eine niedrige Beamtin der LFT sei. Aurec sei als Repräsentant einer Nation einzig das Wort erlaubt. Der Saggittone verstand diese Feindschaft nicht. Sie waren doch alle Galaktiker. Woher rührte dieser Hass gegen die Menschen?

»Wir Menschen auf Sverigor sind nicht stolz auf unsere Rasse. Faschismus, Imperialismus, Krieg, Mord, Gier, religiöser Fundamentalismus, Terror, Rassismus und Diskriminierung sind die Eigenschaften, die am besten die menschlichen Völker in der Galaxis beschreiben«, erklärte ausrechnet einer der Menschen. Nach Aurecs Empfinden war es eine Frau. Sie war ausgemergelt, hatte rotes Haar und leere blaue Augen.

»Ich empfehle den Korrektoren, Aurecs Worten die richtige Bedeutung beizumessen. Die Saggittonen, Terraner und Cameloter haben mich überzeugt«, warf Johny Unarov ein und lächelte zu Sanna Breen. Offenbar war es der LFT-Assistentin gelungen, Unarov zu überzeugen. Er hatte seine Vorbehalte abgelegt und verstand nun offenbar den Ernst der Situation.

»Wir danken höflichst für deine Empfehlung, liebes Johny Unarov«, sagte ein alter Mensch mit langem weißem Haar. Am auffälligsten an ihm oder ihr waren jedoch die knallrot bemalten Lippen.

»Wie auch immer ihr zu den Menschen in dieser Galaxis steht, ich denke, vordringlich ist die Bekämpfung der MORDRED. Wollt ihr denn, dass Blut auf euren Straßen vergossen wird?«

Aurec blickte fragend in die Runde. Der Cheborparner war immer noch mit seinem Computerspiel beschäftigt.

»Wir werden dein Anliegen prüfen und mit der Korrektheitsbehörde besprechen. Unsere Polizei wird sich um die Angelegenheit kümmern. Wir bitten euch nun, Sverigor zu verlassen. Wir veranlassen die Entlassung eures Verbrecherfreundes in Bälde. Wir danken für die Informationen und wünschen euch alles Gute für die Zukunft«, sagte die Rothaarige und widmete sich nun ihrem Reader.

Aurec blickte entgeistert zu Sanna Breen und dann zu Johny Unarov. Dieser wirkte sichtlich peinlich berührt.

»Das ist alles?«, wollte Aurec wissen.

»Korrekt. Geht nun«, forderte die Rothaarige erneut und zeigte den Ansatz eines Grinsens.

»Keine Zusammenarbeit? Keine koordinierte Suche nach der MORDRED auf Sverigor?«

»Nein, Kanzleres von Saggittor.«

»Kanzler!«, stellte Aurec fest.

»Da fällt mir noch etwas ein«, warf der Cheborparner ein, der sein Picopad kurz beiseitelegte. »Wir fordern euch auch auf, die Cameloter mitzunehmen. Wir streichen die Aufenthaltsgenehmigung. Wenn die Cameloter weg sind, wird die MORDRED keinen Grund haben, uns anzugreifen.«

»Das ist sehr kurzsichtig gedacht«, meinte Aurec knapp. Er wusste, dass es sinnlos war, mit diesen Leuten zu diskutieren.

»Wir auf Sverigor denken nie kurzfristig. Der Geist unserer Gesellschaft wird bald die ganze Galaxis umfassen. Eines Tages wird es keinen Rassismus und keine Diskriminierung mehr geben«, orakelte einer der Jülziisch.

Nun schwebten zwei Roboter der Korrektheitsbehörde in den Raum. Einer von ihnen fuhr einen Greifarm aus und deutete zum Ausgang. Damit war die Audienz bei den Korrektoren wohl beendet.

Johny Unarov begleitete Aurec, Sandal Tolk und Sanna Breen hinaus.

»Diese Wesen sind stur und verbohrt. Sie predigen Toleranz und sind intolerant gegenüber allen anderen Ansichten«, stellte der Barbar von Exota-Alpha mit Bedauern fest.

»Was meinte das Korrektoren mit der letzten Aussage?«, fragte Sanna Breen.

Unarov zauderte. Er sah sich um. Die Korrektheitsroboter waren fort, so waren sie relativ ungestört.

»Nun, wir arbeiten an einem Projekt zum Wohl der Galaxis. Schon bald wird die Krankheit Rassismus geheilt werden. Ihr müsst verstehen, besonders wir Menschen sind sehr krank. Doch wenn wir erfolgreich sind, wird es das alles nicht mehr geben. Wir können dann alle friedlich zusammenleben.«

Mehr wollte Johny Unarov nicht sagen. Doch Aurec beschlich ein ungutes Gefühl.

 

7. Despairs Entscheidung

Der Silberne Ritter wanderte durch die belebten Straßen von New Stockholm. Überall feierten die Sverigen, da der kommende Tag ein Feiertag war. Zwar durften sie offiziell keinen Alkohol trinken, Bio-Drogen waren jedoch erlaubt.

Es war ein seltsames Bild. In einigen Straßen feierten androgyne Menschen und schon in dem Nebenweg war es leer, denn dort regierten die Gangs. Und doch gab es hin und wieder Unbelehrbare oder Unwissende, die einfach in die falsche Straße abbogen. Despair beobachtete, wie ein junger Terraner von zwei Topsidern gequält und geschlagen wurde. Sie schoben ihm Gemüse in das Hinterteil und amüsierten sich köstlich über den Schmerz, dem sie ihn zufügten. Unweit davon surrte ein Korrektheitsroboter vor sich hin und unternahm nichts. Despair fand passende Vergleiche in der Geschichte Terras vor dem Beginn der Raumfahrt.

Ob es nun das junge Amerika gewesen war, in dem Latinos und Indianer vogelfrei gewesen waren oder in Europa Anhänger der jüdischen Religion: Die Staatsgewalt hatte weggesehen oder selbst den Terror ausgeübt. Die Situation war hier die gleiche. Nur, dass nicht der »böse« Mensch die Untaten beging, sondern andere Völker.

Und das war also der sverigische Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung? Ob der Terraner, der gerade auf perverse Art seine Prügel bezog, das genauso sah?

Das war also die Toleranz dieser Gesellschaft? Wegzusehen, wenn ein menschliches Wesen gequält wurde?

Despair ging weiter. Er mischte sich nicht ein. Der Terraner war selbst Schuld. Vermutlich war er ein naiver Student oder Lehrer, der Urlaub auf dem schönen Sverigor machte und nun verwundert feststellte, dass das Leben hier anders war.

Despair wanderte einen Kilometer, ehe er erneut stehen blieb. Der Morgen graute inzwischen. Auf der Straßenseite ihm gegenüber hatte sich eine Traube an Passanten gebildet. Despair ging hinüber und bahnte sich den Weg in die erste Reihe.

Ein Mann wurde aus dem Haus geführt. Er trug Energiefesseln. Dahinter eine Frau – ebenso gefesselt. Zwei Korrektheitsroboter eskortierten sie. Wenig später wurden zwei kleine Menschenkindern aus dem Haus gebracht.

»Was wirft man ihnen vor?«, wollte Despair von einem der Passanten wissen.

»Genderingverstoß«, erklärte dieser leise.

»Was bedeutet das?«

Der Andere sah sich um und flüsterte: »Sie haben sich geweigert, ihre Kinder in die Betreuungsstätten zu geben. Die Elternkreisrundkreuz hat den Beruf gekündet und wollte … Hausfrau … spielen. Der Elternkreisrundpfeil hat das unterstützt. Jetzt werden sie verhaftet und das Kind in eine Betreuungsstätte gegeben, bis es neue Eltern erhält.«

»Ihr Verbrechen besteht also darin, eine Familie zu sein?«

Der Passant lachte.

»Du hast es erfasst. Sie wollten außerdem nicht, dass ihre Kinder gegendert werden. Natürlich konnten sie sich die Strafe nicht leisten. Dann fingen sie noch an, sich darüber zu beklagen. Da hat es uns Nachbarn gereicht und wir haben sie gemeldet.«

Despair war kurz schockiert. Eine Familie wurde entzwei gerissen. Weshalb? Es gab keinen vernünftigen, logischen Grund. Sie wollten eine Familie sein, doch das war also auch auf Sverigor verboten. Eine Frau, die eine Mutter sein wollte – das durfte es auf Sverigor demnach nicht geben.

Was für eine verachtenswerte Welt. Despair widerte Sverigor von Minute zu Minute mehr an. Die Passanten buhten inzwischen das Ehepaar aus und feuerten die Roboter und Polizisten an.

Despair ballte die Fäuste. Wie leicht es doch wäre, sein Caritschwert zu ziehen und all dieses Pack in kleine Stücke zu hauen! Despair musste an eine Geschichte aus dem Alten Testament. Wo waren die zehn Gerechten von Sverigor?

Diese Gesellschaft war ein gescheitertes Experiment. Sie war völlig nutzlos. Die Sverigen heuchelten eine Toleranz vor, die es doch schon in weiten Teilen der Milchstraße gab. Viele wichtige Planeten der Milchstraße waren doch multikulturelle Metropolen. Niemand wurde auf zivilisierten Welten aufgrund seines Glaubens oder wessen Geschlecht er bevorzugte verfolgt oder benachteiligt. Weshalb also diese rigide, überspitzte Politik auf Sverigor?

Er ging weiter und erreichte etwas, was offenbar eine Art Jugendtreff sein sollte. Jedenfalls standen jede Menge halbwüchsige Blues, Topsider und Gurrads vor einem verfallenen Gebäude.

Despair war neugierig und ging zu ihnen.

»Haub Nsch. Soauffafresse, kapsch?«, fauchte ein Gurrad, der zwei Köpfe kleiner war als Despair. So recht wusste der Silberne Ritter nicht, was das Wesen ihm damit sagen wollte.

»Bisch beklopp, wa? Doofidumm!«, rief ein Jülziisch und lachte laut. Die anderen Stimmten im niveaulosen Gelächter ein. Offenbar war das eine Art Akzent. Eine Jugendsprache. Immerhin artikulierten sich diese beiden noch. Andere grunzten nur oder brüllten.

»Dast uns Vier!«

Despair fragte seinen Pikosyn nach Informationen über diese Sprache ab. Der integrierte Translator identifizierte es als Kiez-Interkosmo. Eine Jugendsprache, die viele Wörter vereinfachte und miteinander verband. Es gab Pädagogen, die diese Vergewaltigung des Interkosmo als ganz spannend und toll empfanden.

Die Fähigkeit zu sprechen und miteinander zu kommunizieren, war existenziell für das Zusammenleben in einer Zivilisation. Der Verlust dieser Fähigkeit, war für Despair keineswegs spannend oder gar toll. Interkosmo war die Sprache der Milchstraße. Ein Blues verstand sie genauso wie ein Terraner. Das war eine wichtige Errungenschaft. Aber auf Sverigor überraschte Despair nichts mehr. Ein Topsider zückte sein Vibratormesser und hielt es in Despairs Richtung.

»Du solltest dein Messer schnell wieder einstecken, bevor es dir leid tut«, drohte Despair.

Der Topsider schnellte die Zunge aus dem Mund und surrte bedrohlich.

»Alta, stihntod«, rief ein Unitherjunge.

Der Translator übersetzte dies mit: Alter, stich ihn tot.

Despair war entsetzt über die Verrohung der Jugendlichen. Sverigor war weitaus schlimmer als Mashratan, das Despair bisher als wohl schlimmste Welt in der Milchstraße betrachtet hatte. Immerhin waren die Mashratan nicht so heuchlerisch.

Despair zog sein Caritschwert. Umgehend ließ der Topsider sein Messer fallen und lief weg. Die anderen entfernten sich auch. Despair hatte nichts anderes erwartet.

Was tat er hier eigentlich? Hoffentlich würde Shahira endlich die Cameloter finden.

Über Interkom meldete sich Admiral Kolley von der VERDUN.

»Sir, Rhifa Hun wünscht Sie dringend zu sprechen. Bitte kehren Sie zur VERDUN zurück.«

Despair bestätigte und war erleichtert, dass er endlich diesen verfluchten Planeten verlassen durfte.

*

Despair war auf die Neuigkeiten von Rhifa Hun gespannt. Er war überrascht, dass sich Nummer Vier bisher noch nicht hatte blicken lassen. Nun, auf der anderen Seite hatte er ja seine Kartaninhybris als Handlangerin.

Das verzerrte Hologramm von Rhifa Hun baute sich vor dem Silbernen Ritter auf.

»Während Sie eine Sightseeingtour durch Sverigor gemacht haben, haben unsere Agenten einige Nachforschungen durchgeführt. Ich habe beunruhigende Nachrichten über die Korrektheitsbehörde auf Sverigor«, sagte der Anführer der MORDRED.

Links neben dem Abbild von Rhifa Hun wurden dreidimensionale Daten eingeblendet. Es waren wissenschaftliche Informationen. Despair war kein Experte, doch es handelte sich um Nanotechnologie und Virologie.

»Eine Gruppe von fehlgeleiteten Wissenschaftlern arbeitet auf Sverigor unter der Kontrolle des Zentralrechners der Korrektheitsbehörde an einer selbstreproduzierenden Nanokultur. Diese Kunstspezies arbeitet wie ein Bakterium oder Virus. Es ist offenbar speziell für Menschen entwickelt. Wenn ein Terraner davon befallen wird, setzt sich die Nanokultur im Körper fest und agiert als eigenständiges Programm. Es vernetzt sich über den Hyperraum mit anderen Nanokulturen und letztlich mit dem Zentralrechner der Korrektheitsbehörde.«

Ein Nanovirus für Lemurerabkömmlinge? Doch zu welchem Zweck? Despair lauschte schweigend den weiteren Ausführungen von Rhifa Hun.

»Ist ein Mensch davon befallen, kann die Nanokultur die Handlungen steuern und den Betroffenen suggestiv beeinflussen. Es kann Schmerzen auslösen oder den Metabolismus zerstören. Im humansten Fall sendet die Nanokultur via Hyperfunk nur Informationen an den Korrektheitsrechner auf Sverigor. Wenn es schlimm kommt, kann es ein Wesen völlig beeinflussen und kontrollieren.«

Jetzt verstand Despair. Sverigor wollte eine Art Virus entwickeln, den sie in der Milchstraße verteilen wollten, um Menschen kontrollieren zu können. Jeder Mensch, der nicht in die Weltanschauung der Korrektheitsbehörde passte, würde gemeldet werden. Die Gedanken waren dann nicht mehr frei. Dachte jemand etwas schlechtes, würde er mit Schmerzen bestraft werden. Verübte er ein Verbrechen, würde er vermutlich einen Todesimpuls erhalten. Oder sie beeinflussten seine Psyche und Handlungsweise völlig, so dass er zu einem seelenlosen Zombie im Sinne der Korrektheitsbehörde wurde.

Ein wahrlich diabolischer Plan.

Wieso war die MORDRED nicht auf so etwas gekommen?

»Können wir diese Waffe für uns nutzen?«, fragte Despair folgerichtig.

»Es wäre eine Überlegung wert, doch die Zeit drängt, mein Freund. Meine Quellen berichten mir, dass in wenigen Tagen ein Frachter mit der Nanokultur nach Terra aufbrechen wird. Wenn sie sich auf Terra verbreitet, liegt das Leben aller Terraner auf der Erde buchstäblich in den Händen der Korrektheitsbehörde. Die Wiege der Menschheit ist in Gefahr!«

»Befindet sich Eure Quelle auf Sverigor, Herr?«

»Negativ! Ich habe die Informationen von Oberst Kerkum. Er hat sie persönlich aus dieser psychopathischen Aktivistin Pauly Nemak herausgeprügelt. Es gibt eine Verschwörung unter diesen wahnsinnigen Terranern, die ihre eigene Rasse so sehr hassen. Sie wollen die Menschheit aus der Milchstraße vertilgen. Sie sind der festen Auffassung, dass es kein Reich der Menschen mehr geben darf.«

»Damit sind sie unsere Todfeinde«, stellte Despair nüchtern fest.

Er versuchte immer noch mit diesen Neuigkeiten klar zu kommen. Er verachtete diese Menschen, die alles daran setzten, ihre eigene Rasse zu vernichten. Sie verdienten für ihr schamloses und ehrloses Unterfangen keine Gnade!

»So ist es. Wir befinden uns im Krieg, Despair. Ich befehle Ihnen, innerhalb von 48 Stunden das Problem auf Sverigor mit allen erdenklichen Mitteln zu lösen.«

»Ich habe verstanden, Sir! Doch ich benötige mit Sicherheit weitere Verstärkungen. Die VERDUN und ihre sechs Begleitraumschiffe reichen nicht aus.«

Die MORDRED besaß bisher nur ein Schlachtschiff der NEO-UNIVERSUM-Klasse, eben die VERDUN! Das Schiff verfügte zwar als Weiterentwicklung der alten Ultraschlachtschiffe der UNIVERSUM-Klasse über eine Vielzahl kampffähiger und schlagkräftiger Beiboote, Trägerkreuzer und sogar Schlachtschiffen, doch um eine wirksame Blockade gegen den gesamten Planeten durchzuführen, waren es vielleicht zu wenig.

Hinzu kamen die sechs 500 Meter Schlachtkreuzer, die ihrerseits natürlich auch über Beiboote verfügten.

Doch Despair musste verhindern, dass dieser Frachter den Orbit verließ – und wenn möglich, den Zentralrechner der Korrektheitsbehörde vernichten.

Wieso auch nicht? Warum nicht die Gunst der Stunde nutzen und diesen Wahnsinn stoppen. Die Sverigen waren so sehr von ihrem Selbsthass beseelt, dass sie immer eine Gefahr darstellen würden. Doch nur dazu hatten sie diesen Korrektheitsapparat entworfen. Er kannte nur ein Ziel: die Umsetzung der svergischen Doktrin. Extraterrestrier und androgyne Menschen. Das war also die Zukunft, wenn die ihre Nanokultur über die Planeten verteilten.

Das war eine Kriegserklärung an die menschliche Rasse. Egal ob Terraner, Arkoniden, Akonen, Mehandor, Ara, Ertruser, Epsaler, Plophoser, Zaliter, Oxtorner, Freihändler – sie alle waren davon betroffen. Sverigor hatte ihnen allen den Krieg erklärt.

Offenbar wusste nur die MORDRED davon. Wie würden die LFT, Camelot und dieser Saggittone reagieren, wenn sie davon wüssten?

Welche Optionen gab es überhaupt? Eine Information an das Galaktikum würde vermutlich wenig bringen. Das Kristallimperium würde vermutlich am schnellsten reagieren, doch konnte es den Transport verhindern? Irgendwie würden die Korrektheitsfanatiker schon einen Weg finden, die Nanokulturen nach Terra zu transportieren. Niemand wusste, ob es ein Gegenmittel dafür geben würde.

Nein, der diplomatische Weg war ausgeschlossen. Despair musste das Problem hier und jetzt lösen.

Er aktivierte den Interkom und kontaktierte Shahira.

»Haben Sie Aurec und die anderen gefunden?«

»Positiv. Cascal sitzt im Knast. Diese Breen ist mit dem Außenkommissar im Stadtpark. Die anderen befinden sich auf dem Weg zu Cascal. Sie werden ihr Ziel nicht erreichen.«

»Angriff abbrechen. Eine neue Bedrohung ist aufgetaucht. Entführen Sie Sanna Breen und diesen Unarov und informieren mich. Wir brauchen sie lebend.«

Shahira stieß eine Verwünschung aus, doch sie war professionell genug, um seine Befehle nicht zu hinterfragen. Despair kam eine weitere Idee. Möglich, dass die Dorgonen ihnen weiterhelfen konnten. Vielleicht verfügten sie über die wissenschaftlichen Kenntnisse, um die Nanokulturen unschädlich zu machen. Despair sendete einen entsprechenden Hilferuf nach Dejabay, der Hauptstützpunktwelt der MORDRED. Ihnen lief die Zeit davon. Vielleicht musste Despair auch mit den ihm zur Verfügung stehenden Raumschiffen auskommen.

Der Silberne Ritter blickte auf den Planeten Sverigor hinab. Es war eine wunderschöne Welt. Sie wirkte so friedlich, imposant und naturgewaltig vom All aus betrachtet. Doch die Bevölkerung hatte vermutlich ihr Schicksal besiegelt.

 

8. Die Behandlung

»Prost!«

Das Klacken von anstoßenden Bierkrügen ließ Joak Cascal hochschrecken. Wo war er? Das war definitiv nicht der Verhörraum der Untersuchungskommission. Er befand sich in einer verräucherten, dunklen Kneipe.

»Komm, Joak! Stoß an!«, brüllte ein schwergewichtiger, glatzköpfiger Terraner.

Cascal blickte sich um. Er war umringt von solch grobschlächtigen Terranern.

Du bist Joak Cascal, Gleitermechaniker auf Terra. Das sind deine Freunde. Es ist euer wöchentlicher Stammtisch der Faschistenfreunde Terras.

Cascal schüttelte den Kopf über die Aussage seines Unterbewusstseins. Das stimmte doch gar nicht. Er war Manuel Joaquin Cascal, ehemaliger Oberst der Solaren Abwehr und nun im Dienste Camelots.

»Ich habe so die Fresse voll!«, blubberte der Hüne neben ihm. »Die Außerirdischen stehlen uns unsere Jobs oder leben von Vater Staat. Die meisten arbeiten doch gar nicht, außer in ihren ominösen Muurt-Wurm-Imbissen.«

»Genau!«, rief ein Anderer. »Lasst uns dagegen was unternehmen. Los!«

Die Meute stand auf. Cascal ebenso. Er tat es, wie in Trance. Die Gruppe stürmte heraus und fand in einer Nebenstraße eine jülziische Familie. Ohne Vorwarnung traten sie auf die Blues ein und jubelten dabei.

»Für das Solare Imperium«, rief Cascal und machte mit. Was tat er nur? Das war doch absurd. Das war er nicht. Ein schlechtes Gewissen überkam ihn.

Noch kannst du aussteigen. Sage dich los von Rassismus und Diskriminierung.

Wieder diese Stimme im Unterbewusstsein. Das musste ein Teil dieser Behandlung sein. Sie versuchten ihn zu konditionieren. Er musste sich dagegen wehren. Das Solare Imperium war keine faschistische Bande. Das Imperium hatte große Werte durch die Galaxis getragen.

Ein Schleier legte sich vor seinen Augen. Als er sich lichtete, befand sich Cascal in einem modernen Büro. Eine Menge Gesichter starrten ihn an.

»Was machen wir jetzt, Chef?«, fragte ein Terraner.

Cascal blickte automatisch auf zwei unithische Männer.

»Soso, zwei Alienschwuchteln. Das hat uns noch in unserem Unternehmen gefehlt. Ihr beiden Elefantenhomos könnt eure Perversionen woanders ausleben.«

Cascal grinste.

»Ihr seid gefeuert!«

Die Terraner lachten und freuten sich. Sie applaudierten Cascal zu. Doch das Bild verblasste und Cascal befand sich allein im Raum. Nun fühlte er sich schlecht. Schuldgefühle plagten ihn.

Plötzlich lag er auf einem Bett. Eine Blondine ritt auf ihm und schrie ihre Lust heraus. Bisher das angenehmste Szenario, fand Cascal. Nach dem Akt jedoch, schubste er sie zur Seite.

»Nun hau ab. Bin fertig.«

Sie blickte ihn ungläubig an.

»Hat es dir denn gefallen? Wollen wir nicht kuscheln.«

Was dachte sich diese dusselige Kuh eigentlich? Frauen waren doch nur zum Sex, Kochen oder sauber machen nütze.

»Kannst ja die Küche schrubben«, antwortete Cascal genervt und zündete sich eine Zigarette an. Frauen kamen sich immer so intelligent vor, dabei waren sie völlige Nieten auf der Arbeit und begriffsstutzig. Sie starrte Cascal immer noch verwirrt an. Joak fiel erst jetzt auf, dass ihre linke Brust kleiner war, als die rechte. Er warf ihr ein Nachthemd zu.

»Zieh dich an, bevor mir übel wird.«

Sie fing an zu weinen und rannte aus dem Zimmer. Joak entspannte sich, doch wieder überkamen ihn Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen. Wie konnte er nur so gemein zu dem Mädchen sein?

Sein Unterbewusstsein ermahnte ihn, sich zu bessern. Plötzlich befand sich Cascal wieder vor der Untersuchungskommission. Die Haube fuhr zur Decke und die Formenergiefesseln lösten sich. Cascal schüttelte den Kopf.

Erwartungsvoll blickten ihn die drei Gestalten an.

»Was für ein Schwachsinn. Das war alles? Das ist eure Gehirnwäsche? Keines der Szenarien hätte ich auch nur im Traum gemacht. Vielleicht solltet ihr kapieren, dass nicht jeder Terraner ein finsterer Faschist ist. Das Universum ist nicht nur schwarz und weiß.«

Verständnislos blickten die drei ihn an. Frytzens hämmerte wieder ein paar Notizen in den Rechner.

Cascal stand auf und lief wütend durch den Raum.

»Es ist unbegreiflich. Ihr lebt so, als würden wir uns in einer Zeit vor Perry Rhodan befinden. Wieso hasst ihr die Terraner so sehr? Perry Rhodan und seine Mitstreiter haben über viele Generationen großes geleistet. Längst bevor ich das Licht der Welt erblickte, hatten Rhodan und seine Gefährten aus einem zerstrittenen, egoistischen Völkchen ein vereintes Volk gemacht: Die Terraner! Wie oft hatten die Terraner den anderen Völkern die Hand gereicht? Wie oft die Galaxis gerettet? Euer Selbsthass tut mir für euch leid. Euer Wahn zu einer Gleichheit von allen – bis auf die Menschen offenbar – hat euch blind gemacht.«

Cascal machte eine Pause und atmete tief durch. Er hatte sich in Rage geredet. Doch er glaubte an jedes seiner Worte.

»Terraner, Arkoniden, Blues, Topsider. Mann, Frau, sächliches Wesen: Ganz egal, wir sind alle unterschiedlich. Deshalb ist der eine nicht besser als der andere. Nur halt unterschiedlich. Das wird immer so sein. Und das ist gut so. Wie sind individuelle Wesen, fühlen und denken eigenständig und differenziert. Haben divergierende Vorlieben. Und trotzdem können wir friedlich zusammenleben, wenn wir uns an allgemeine Regeln halten und nicht ständig beleidigt sind und egoistisch nur auf unsere eigenen Rechte pochen.«

Die drei Inspekteure starrten Joak Cascal an, als sei er völlig wahnsinnig. Aber das dachten sie vermutlich auch von ihm.

»Ich bin erst wenige Monate in dieser Epoche, doch sie gefällt mir nicht. Offenbar war die Milchstraße vor diesem Monos schon weiter. Der Weg von Sverigor ist wohl die logische Konsequenz aus der langen Isolation vieler Welten in der Monos-Ära. Aber er ist nicht richtig, sorry Jungs und Mädels. Geschlechter abzuschaffen, Geschichte zu verfälschen, Leuten Gehirnwäschen zu unterziehen und jeglichen Widerspruch im Keim zu ersticken – das ist eine Diktatur. Ihr macht es vielleicht subtiler als der Carsualische Bund oder das Imperium Dabrifa es zu meiner Zeit getan hatten, doch im Endeffekt kommt es auf das gleiche hinaus: die Unterdrückung von Lebewesen. Und ihr maßt euch wirklich an, das Solare Imperium zu kritisieren?«

Cascal spuckte mit Verachtung auf den Boden.

»Halt endlich die Klappe, du perverser Menschenmann!«, brüllte Ranata Colfest. »Was wir hier tun, wird uns in Generationen gedankt werden. Die Terraner sind ein Krebsgeschwür, welches sich tief in die Galaxis verankert hat. Wir bekämpfen es. Wir tragen die schlimmste Last von allen – denn wir sind Menschen. Wir quälen uns durch das Leben und hoffen, mit unseren Taten, zukünftigen Generationen ein Leben in Freiheit, in Frieden, Demokratie und Vielfalt bescheren zu können. Eine Galaxis ohne Imperium Terra und ohne das Kristallimperium. Dein krudes Patriotismus-Gedönse ist abartig, Joak Cascal!«

Nun mischte sich auch Trüttyülin ein.

»Du begreifst eben nicht, Joak Cascal, dass du ein Ewiggestriger bist. Rhodan geht es doch nur um Macht, Kraftmeierei und Machtgier. Dein Gefasel über die Terraner ist doch nur die Verherrlichung der Reinheit der terranischen Rasse!«

»Das ist doch völliger Quatsch!«, begehrte Cascal auf.

»Ist es das ja? Wie oft saßen Rhodan und Bull bei Leberwurststullen und Bier in ihren dunklen Kellern und heckten sadistische Pläne für ihr Imperium aus? Unzählige Male! Rhodan machte immer auf den starken Mann und ihr himmelt euren Gott ähnlichen Führer und Kriegsherr des kosmischen Menschenimperiums immer wieder an. Dabei ging es ihm nur um den Kampf um Lebensraum, die Vernichtung minderwertigen Lebens. Das Solare Imperium und Rhodans kleinkarierte Liebe zur Diktatur, sein Naturgesetz des Kampfes ist nichts weiter als ein Appell an niedere Instinkte. Die Verehrung der Menschheit, Rhodans und des Solaren Imperiums ist ein Zeichen mentaler Rückständigkeit!«

Trüttyülin wirkte echauffiert nach seiner Ansprache. Cascal wusste nicht mehr, was er darauf noch entgegnen sollte. Es war sinnlos. Diese Wesen hatten nichts verstanden. Es war traurig. Vor 1.500 Jahren war Sverigor so eine schöne Welt gewesen. Ja, damals da war sie ein Musterbeispiel für Harmonie und Vielvölkerei gewesen. In einer Zeit, in der es doch immer wieder zu Anspannungen zwischen den Völkern gekommen war, hatte Sverigor eine Vorbildfunktion gehabt. Friedlich hatten Blues, Topsider, Terraner und Arkoniden miteinander gelebt und versucht mit gutem Beispiel voran zu gehen. Doch damals war alles freier gewesen. Die Bewohner Sverigors hatten dieselben Ideale vertreten und einfach versucht, eine bessere Welt zu erschaffen. Die Sverigen waren stolz gewesen, ein Kolonialvolk von Terra zu sein. Sie hatten sich als friedlicher Nebenzweig des Solaren Imperiums verstanden, die eben auf ihre Art und Weise die Zustände in der Milchstraße verbessern wollten. Die Sverigen hatten sich als Botschafter der Terraner gesehen, um all den vielen galaktischen Völkern entgegen zu kommen und die Missgunst zwischen vieler Spezies zu überbrücken.

Ein relativ autarker Planet mit einer wunderschönen Natur war ideal dazu geeignet gewesen.

Was war nur aus dieser schönen Idee geworden? Sie war zu einer totalitären Doktrin verkommen.

Nicht mehr ein friedliches Miteinander zwischen Terraner und den anderen galaktischen Völkern war die Ideologie, sondern ein kontrolliertes Miteinander ohne Menschen.

»Ihr beschämt nicht nur das Solare Imperium, sondern auch die Gründerväter der sverigischen Zivilisation!«

Stille!

Nach einigen Momenten schrillte das Interkom auf. Trüttyülin aktivierte ihn. Nach dem Gespräch tuschelten er und Ranata Colfest etwas. Sie nickte schließlich und wandte sich an Cascal.

»Wider der Empfehlung unseres Arztes entlassen wir dich aus der Untersuchung. Du musst allerdings innerhalb von 24 Stunden Sverigor verlassen. Deine Freunde warten am Ausgang auf dich. Die Sitzung ist geschlossen.«

Ranata Colfest war nun kalt wie ein Eisblock. Trüttyülin erhob sich und verließ mit gesenktem Kopf den Raum, während Frytzens regungslos sitzen blieb und in die Leere starrte. Ein Roboter geleitete Joak Cascal zum Ausgang.

So plötzlich, wie er in Gefangenschaft geraten war, ebenso überraschend war er nun wieder frei. Und tatsächlich erwarteten ihn Sandal Tolk, Aurec und Wirsal Cell.

»Das waren ein paar heftige Stunden«, meinte Cascal.

Tolk schlug im freundschaftlich auf die Schulter.

»Sverigor ist ein Irrenhaus. Wir werden die Welt verlassen müssen.«

Cascal verstand.

»Das Camelotbüro wird gerade geräumt. Die 32 Mitarbeiter werden bis Morgen alles verladen haben«, berichtete Wirsal Cell.

»Wo ist Sanna Breen?«, wollte Cascal wissen.

»Nun, sie unterhält sich mit einem der sverigischen Beamten. Vielleicht kann sie noch etwas erreichen, sonst brechen wir zusammen mit den anderen Camelotern morgen auf«, sagte Aurec.

Cascal gefiel es nicht, dass sie unverrichteter Dinge Sverigor verlassen mussten. Es war bedauerlich, doch offenbar unabänderlich. Diese Generation der Sverigen wollte keine Hilfe und musste erst einmal ihre Identitätskrise bewältigen. Cascal hoffte, dass Sverigor eines Tages wieder zu jenem Paradies wurde, das es früher einmal gewesen war.

 

9. Eine neue Gefahr

Cauthon Despair entsandte mehrere Korvetten und Kreuzer in den Orbit um Sverigor. Die Tarnfelder funktionierten. Während Despair auf Sverigor landete, um sich mit Sha-Hir-R’yar zu treffen, erkundeten die Korvetten die Stärke der Abwehrforts und Teams von Agenten und Spezialkommandos begannen mit der Sabotage der Militäranlagen und Raumschiffe. Sverigor verfügte über keine große Armee oder Raumflotte. Das gereichte der MORDRED zum Vorteil.

Diesmal wollte er nicht durch die Städte flanieren, um die Gesellschaft Sverigors kennenzulernen. Von ihnen hatte sich der Silberne Ritter bereits ein Bild gemacht und er verachtete sie zutiefst. Drei Gleiter der MORDRED sausten durch die mit Signalbojen abgesteckte Flugstraße. An der Karosserie waren topsidische Insignien und Symbole gemalt. Vermutlich würde sie niemand aufhalten. Und selbst wenn – Despair hatte Schießbefehl erteilt.

Despair erreichte New Stockholm. Sha-Hir-R’yar sendete eine Signal. Ihre Arbeit war von Erfolg gekrönt. Die Gleitergruppe schwebte zu einer alten Industrieplattform über der Skyline von New Stockholm. Jede Menge Twonoser lebten hier in ärmlichen Verhältnissen. Despair kümmerte sich nicht weiter um sie. Twonoser führten sowohl in der Milchstraße als auch in Andromeda ein Nomadendasein. Ein MORDRED-Offizier erklärte Despair, während sie zur Lagerhalle gingen, dass die jülziischen und topsidischen Gangs und Eliten die Twonoser nicht mochten und die twonosische Gemeinschaft deshalb meist abgeschieden auf solchen Plattformen hauste.

Despairs Soldaten betraten zuerst die Lagerhalle mit den verrosteten Wänden und Geräten. Sha-Hir-R’yar erwartete Despair. Sanna Breen und Johny Unarov schwebten in der Mitte der Halle und waren von einem Fesselfeld umgeben.

»Gute Arbeit«, lobte Despair knapp und wandte sich sogleich Johny Unarov zu.

»Was wissen Sie über die Nanokulturen?«

»Wie? Nichts. Was … ist das?«

Despair nickte Sha-Hir-R’yar zu. Sie fuhr ihre scharfen Krallen aus Terkonitstahl aus und fletschte die Zähne.

Despair richtete seinen Blick wieder auf Unarov. Natürlich konnte dieser das nicht sehen, doch zumindest anhand der Kopfbewegung musste der Sverige wissen, dass Despair ihn erwartungsvoll anstarrte.

»Hallo? Ich bin auch noch da«, rief Sanna Breen und versuchte sich an einem Lächeln.

Despair betrachtete die Frau. Sie blickte ihn mit ihren smaragdgrünen Augen an. Sanna Breen hatte wunderschöne Augen. Despair verlor sich einen Moment darin. Er hätte stundenlang hinein sehen können.

»Nun begegne ich also dem legendären Cauthon Despair. Dem Silbernen Ritter in Person«, stellte sie fest. »Ich bin Sanna Breen, LFT«

»Ich weiß, wer Sie sind«, unterbrach Despair sie. »Löst die Fesseln der beiden.«

»Wieso?«, fauchte Sha-Hir-R’yar.

»Tun Sie es!«

Sha-Hir-R’yar deaktivierte mit ihrem Picopad die Energiefesseln und den Antigrav. Sanna Breen und der Sverige fielen zu Boden, wobei die LFT-Spezialistin sich schnell wieder aufrappelte. Sie half Johny Unarov hoch. Despair stellte erst jetzt fest, dass es sich um einen Zwitter handelte. Er hielt nicht viel davon. Die Menschen waren nun einmal entweder Männer oder Frauen. Alles dazwischen war unnatürlich. Sie waren schließlich Menschen und keine Haluter.

Verächtlich blickte er zu Unarov und näherte sich ihm. Doch Sanna Breen stellte sich dazwischen und berührte sanft mit ihren Fingern Despairs Brustpanzer.

»Bitte tut ihm nichts.«

»Ich bin ein es«, meinte Unarov.

»Diese armselige Kreatur verfügt vermutlich über wichtige Informationen. Die tolerante sverigische Gesellschaft ist alles andere als friedlich. Erklären Sie Miss Breen doch, was sich hinter den Nanokulturen verbirgt!«

Sanna starrte Unarov fragend an. Doch dieser schwieg. Despair hatte genug. Er schubste die Terranerin zur Seite, packte Unarov am Hals und zog ihn hoch. Da zappelte diese Missbildung in seinem Kleid in der Luft und versuchte nicht zu ersticken.

»Und nun sollten Sie die Güte haben, endlich zu reden!«

»Aufhören«, rief Sanna Breen und ging wieder zu Despair. Sha-Hir-R’yar wollte dazwischen, doch da ließ Despair den Sverigen fallen, um die Kartanin zurückzuhalten.

Die Terranerin beugte sich zu dem wimmernden Sverigen und streichelte ihn sanft.

»Hat das etwas mit den ominösen Andeutungen der Korrektoren zu tun?«, hakte Breen nach.

Johny Unarov nickte schniefend.

»Was haben die vor? Geht das auch uns Terraner etwas an?«

»Natürlich betrifft es die Terraner, Miss Sanna Breen«, sprach Despair dunkel mit einem Hauch von Zynismus. Diese schöne LFT-Assistentin von Cistolo Khan hatte offenbar keine Ahnung von den Plänen der Sverigen. Sie würde eine große Überraschung erleben.

»Sanna … wir … helfen euch«, meinte Unarov und sah die Terranerin traurig an.

»Ihr seid krank. Versteh das bitte. Du bist psychisch und physisch krank. Doch wir haben die Heilung.«

Unarov hatte sich beruhigt. Seine Augen glänzten. Er blickte Sanna Breen an, als würde er ihr eine Freude machen. Doch die Terranerin ging nun auf Abstand zu ihm. Langsam lehnte sie sich zurück und stand in Zeitlupe auf.

»Was meinst du damit? Inwiefern bin ich krank?«

»Deine sexuellen Ansichten sind archaisch. Du hältst dich für eine Frau. Du denkst in dieser kruden Geschlechtertrennung. Du arbeitest für ein faschistoides Sternenreich. Aber keine Sorge, Sanna. Wir haben die Lösung für all deine Probleme!«

Sanna Breen starrte den oder das Sverigen fassungslos an. Sie brauchte ein paar Momente, um etwas zu sagen. Immer wieder blickte sie Unarov ungläubig an.

»Ich bin krank, weil ich dazu stehe, eine Frau zu sein? Ich bin krank, weil ich an die LFT glaube?«

Breen atmete tief durch. Despair schwieg und genoss dieses Szenario. Nun erkannte die LFT-Beamtin das wahre Gesicht der Sverigen. Deren Ideale und Visionen von einer Milchstraße, in der Menschen keine Bedeutung mehr hatten, deckten sich nun einmal nicht mit einer Liga Freier Terraner.

Unarov nickte verständnisvoll. Der Sverige schien das als leidige Selbstverständlichkeit zu betrachten. Als handelte es sich wirklich um eine Krankheit wie eine Grippe oder Durchfall.

Breen bekam ihre Fassung wieder.

»Und wie wollt ihr mich und all die anderen kurieren?«

Unarov seufzte echauffiert und massierte sich die Schläfen. Shahira stieß ein bedrohliches Knurren aus. Nun beeilte er sich endlich mit der Antwort.

»Die Korrektheitsbehörde hat eine Nanokultur entwickelt, die wir auf Terra ansiedeln. Sie befällt jeden Menschen und bewirkt Veränderungen im Bewusstsein. Der infizierte Mensch steht unter Kontrolle der Korrektheitsbehörde. Die Nanokulturen bewirken eine Heilung des Gehirns. Rassismus, Faschismus und Diskriminierung werden terminiert und jeder Mensch wird unisexuell. Ist das nicht schön?«

Sanna Breen blickte zu Despair.

»Und die MORDRED unterstützt diesen Plan?«

»Nein, wir wollen ihn verhindern. Die MORDRED wünscht sich eine starke Menschheit und keine Zombies. Der syntronisch-positronische Rechnerverbund auf Sverigor ist eine Gefahr. Die Nanokultur muss umgehend vernichtet werden. Nehmen Sie diese jämmerliche Gestalt und informieren Aurec und die LFT darüber. Handeln Sie, ehe wir gezwungen sind zu handeln. Doch viel Zeit bleibt nicht!«

Sanna Breen betrachtete Despair mit einer Mischung aus Neugier, Überraschung und Interesse.

»Ich habe Sie über Monate hinweg studiert, Cauthon Despair. Sie überraschen mich …«

Der Silberne Ritter schwieg. Er musste sich eingestehen, dass Sanna Breen ihn faszinierte. Sie war bildhübsch und intelligent.

»Der brutale Silberne Ritter der letzten Monate zeigt Anstand und warnt uns vor einer Gefahr. Hm, ich weiß, dass hinter der harten Rüstung ein weiches, einsames Herz steckt, welches all die Rückschläge seiner Kindheit und Teenagerzeit nie verkraftet hat.«

»Übertreiben Sie es nicht, Sanna Breen. Gehen Sie nun.«

Doch die Profilerin schien keine Angst vor Despair zu haben. Sie lächelte ihn an, wirkte regelrecht angetan von seiner Gegenwart. Sie fuhr mit der Hand langsam über den Brustpanzer Despairs.

»Ob Sie es hören wollen oder nicht. Aber Sie sind für mich der interessanteste Mann in der Milchstraße.«

Despairs Herzschlagfrequenz erhöhte sich plötzlich. Er konnte kaum glauben, dass so eine atemberaubende Frau ihn für den interessantesten Mann in der ganzen Galaxis hielt. Meinte sie das wirklich ernst oder war das nur taktisches Gewäsch?

Despair versank erneut beinahe in ihren smaragdgrünen Augen. Er riss sich zusammen. Sie standen auf gegnerischen Seiten.

»Gehen Sie jetzt sofort. Nehmen Sie das Ding mit. Sie haben 24 Stunden Zeit, ehe die MORDRED sich der Angelegenheit annimmt.«

Sanna Breen wurde nun ernst. Sie forderte Johny Unarov auf, ihr zu folgen. Zögerlich erhob sich der Sverige und schlich mit gesenktem Kopf hinter Sanna Breen her.

Despair wandte sich an Shahira. Er merkte, dass die Kreuzung aus einer Kartanin und Terranerin unzufrieden war. Eigentlich kümmerte es ihn wenig, doch er wollte verhindern, dass die Assassine von Nummer Vier sich zu unüberlegten Aktionen hinreißen lassen würde.

»Wir brauchen nun vorerst die Cameloter, den Saggittonen und die Terranerin. Die Sverigen sind unsere Feinde. Deine Aufgabe ist hier erledigt. Kehre zurück zu deinem Meister.«

Shahira fletschte die Zähne.

»Das war ein Befehl«, sagte Despair entschlossen.

»Ihr Menschen seid alle Drecksgewürm!«

Mit diesen blumigen Worten verließ die Hybride die Lagerhalle. Despair gab zwei Wachen ein Zeichen, Shahira auch zum Raumschiff zu eskortieren. Vermutlich war ihr Ego angekratzt. Sie hätte sicherlich lieber alle Cameloter umgebracht, doch die Situation war nun eine komplett andere. Höchste Priorität hatte die Vernichtung dieser Nanokultur. Außerdem durfte kein Frachter von Sverigor nach Terra gelangen.

Die VERDUN verfügte über genügend Feuerkraft, kleine Schlachtschiffe, Kreuzer und Beiboote, um das zu verhindern. Zusammen mit den sechs Begleitraumern war der VERDUN-Verband vermutlich der schlagkräftigste Raumschiffverband in der Milchstraße.

Der Silberne Ritter blickte auf sein Chronometer. Sverigor blieben noch 23 Stunden und 45 Minuten, ehe dieser Planet die Kampfkraft der VERDUN zu spüren bekommen würde.

Im Interesse der sverigischen Bevölkerung hoffte er, dass es Aurec, Sanna Breen und den anderen gelingen würde, die Korrektheitsbehörde zu einem Umdenken zu bewegen.

 

10. Gegen die Zeit

Kaum hatten sie Joak Cascal aus dem Gefängnis geholt, brauste ihnen ein Gleiter entgegen. Sanna Breen stieg aus und eilte auf Aurec, Sandal Tolk, Wirsal Cell und Cascal zu.

Mit kurzen und knappen Worten berichtete sie im kalten Regen von New Stockholm über eine Nanokultur der Korrektheitsbehörde als Waffe gegen die menschliche Spezies und von dem Ultimatum des Silbernen Ritters Cauthon Despair.

Aurec kümmerte der Regen überhaupt nicht, auch wenn er völlig nass wurde. Auch die umherschwirrenden Korrektheitsroboter und die hektische Betriebsamkeit des Verkehrs vor der Vollzugsanstalt scherten ihn wenig.

Durch seinen Kopf geisterte dieser Nano-Virus, der alle Menschen zu Sklaven der sverigischen Korrektheitsbehörde machen sollte. Und er malte sich das Szenario aus, wenn die MORDRED losschlagen würde. Dann brach auf Sverigor wirklich der Terror aus.

»Demnach befinden sich Raumschiffe der MORDRED im System«, vermutete Cascal. »Ich werde die TAKVORIAN in Alarmbereitschaft versetzen und die IVANHOE als auch die LFT informieren.«

Aurec hatte nichts dagegen einzuwenden. Sie mussten jetzt schnell und konsequent handeln. Nicht nur die vermutlich durch einen Ortungsschutz versteckten Raumer der MORDRED waren eine Gefahr. Die Nanokultur musste vernichtet werden. Sie mussten sicherstellen, dass dieser Virus keine Menschen befiel. Doch was sollten sie tun? Sverigor den Krieg erklären? Aurec konnte das als außenstehender Kanzler eines fernen Sternenreiches sicher nicht tun. Camelot müsste sich vermutlich die Finger schmutzig machen – auch wenn es richtig war, denn auf welches Recht konnte eine Regierung, ein Planet oder eine Administration pochen, wenn es solch einen diabolischen Plan verfolgte?

Auf dem Weg zum Gleiter machte Aurec einen Vorschlag.

»Ich kann euch nicht befehlen, was ihr zu tun habt. Das ist eine Entscheidung von euch Dreien.« Aurec blickte zu Cascal, Sandal Tolk und Wirsal Cell.

»Ich schlage allerdings zwei Versuche vor. Joak und Sandal bereiten ein Kommandounternehmen vor, welches die Forschungseinrichtungen, den besagten Frachter und vielleicht den Hauptcomputer der Korrektheitsbehörde vernichten oder deaktivieren soll. Derweil versuchen Wirsal, Sanna und ich auf diplomatischem Weg etwas zu erreichen.«

Er fasste Sanna Breen an die Schultern. Die nassen Haare klebten an ihrer Stirn.

»Die LFT müsste über eine Blockade nachdenken. Wenn kein Raumer Sverigor verlassen kann, haben wir Zeit gewonnen«, sprach Aurec eindringlich.

Die Terranerin schüttelte den Kopf.

»Die MORDRED wird in knapp 23 Stunden mit ihrem Einsatz beginnen. Despair ist fest entschlossen. Die LFT wird sich niemals so schnell zu einer Entscheidung durchringen, noch ausreichend militärische Präsenz in dieser Zeit in dem System aufbringen können.«

»Rede trotzdem mit ihnen«, forderte Aurec.

Sanna Breen nickte und eilte zum Gleiter. Die Anderen folgten ihr. Johny Unarov saß drinnen.

»Das ist Entführung«, protestierte er. »Ich verlange sofort, zu meiner Behörde gebracht zu werden!«

»Sie haben nichts zu verlangen. Wir werden uns jetzt hübsch zusammensetzen und über den Standort der Nanokulturen unterhalten«, sagte Cascal mit einem süffisanten Grinsen.

*

Johny Unarov erwies sich als äußerst gesprächsbereit. Seine Schmerzschwelle war gering. Es genügte bereits das Muskelspiel von Sandal Tolk. Aurec war froh über diese Tatsache. Sie hatten noch 22 Stunden Zeit. Der nächste Schritt musste ein Gespräch mit den Korrektoren sein.

Unarov war als Kommissar für außerplanetare Angelegenheiten über das Projekt bestens informiert. Die Nanokultur war ein mechanisch-biologischer Virus, der darauf programmiert war, ausschließlich menschliche DNS zu befallen und zu manipulieren. Zuerst sollte das Programm eine Hyperfunkverbindung zu anderen Nanos und dem Zentralrechner der Korrektheitsbehörde aufbauen. Im Anschluss wurden zuerst Daten der Betreffenden gesammelt. Die Manipulation und Kontrolle sollte offenbar schrittweise erfolgen. Die »schlimmsten« Fälle wurden psychisch und physisch beeinträchtigt. Würde jemand negativ über eine andere Spezies denken, so würde er Schmerzen empfinden. Würde jemand stolz auf seine menschliche Rasse sein, würde dasselbe geschehen. Doch die Nanokulturen verfügten über ein größeres Repertoire. Sie würden die Psyche des Trägers so sehr beeinflussen, dass er anfing seine eigene Spezies zu hassen und für die Ideologie der Sverigen empfänglich wurde. War der Geist des Trägers zu stark, so gab es noch einen Todesimpuls, der zur Disfunktion der Organe führte. Die Nanokultur war ebenso für die Zukunft gedacht. Sie sollte Manipulationen in der DNS durchführen. Hierbei gab es zwei Möglichkeiten: Sie manipulierte den Trägerkörper soweit, dass er unfruchtbar wurde – oder sofern er reproduktionsfähig blieb, würde die DNS der Nachfahren verändert werden, so dass aus ihnen unisexuelle, androgyne Wesen entstanden. Hierbei würde sich die Korrektheitsbehörde vorbehalten, welche Variante angewendet wurde. Entweder die komplette Ausrottung der Menschheit in den nächsten Generationen oder die Umformung in eine neue Spezies.

Die Nanokultur verbreitete sich selbstständig und vermehrte sich auch ohne fremde Hilfe. Die Übertragung konnte durch Körperkontakt, Luft, Nahrung oder Berührung von Gegenständen erfolgen. Auf einer Welt wie Terra mit Milliarden von Terranern wäre die Verbreitungsrate enorm. Zumal – so der ursprüngliche Plan – niemand etwas von der Nanokultur erfahren würde.

Völlige physische und psychische Kontrolle des Trägers durch Gedanken- und Genmanipulation. Die Aussicht die menschliche Rasse durch DNS-Umstrukturierung zum Aussterben zu verurteilen oder eine Spezies zu erschaffen, die mental und körperlich den neuen Menschen auf Sverigor entsprach. Das war der perfide, grausame Plan der Korrektheitsbehörde. Aurec konnte nur schwer glauben, dass diese Idee eigentlich von Menschen stammen musste.

Wie groß und tief war der Hass der Sverigen auf ihre eigene Rasse, um so etwas zu billigen? Wie sehr mussten sie von dem fanatischen Eifer beseelt sein, dass die Menschheit die Wurzel allen Übels sei?

Unarov war asteroidenfest davon überzeugt, die Menschen seien krank. Nur die sverigische Lebensweise sei eben korrekt. Die Sverigen hatten nichts von Toleranz verstanden. Eine Gesellschaft konnte nur funktionieren, wenn die Wesen, die in ihr lebten sich respektierten, achteten und sich an eine gemeinsame Leitlinie hielten, welche das Leben miteinander ermöglichte und sicherte, ohne zu sehr die individuellen Freiheiten eines Lebewesens zu beschneiden.

Solch eine Leitlinie, so ein Gesetz musste gehegt und gepflegt werden. Das konnte nur im gegenseitigen Respekt funktionieren. Natürlich musste auf Minderheiten Rücksicht genommen werden, selbstverständlich sollte kein Wesen aufgrund seiner Abstammung benachteiligt werden. Aber mittels einer Diktatur, aufgebaut auf einschnürende Gesetze, Angst, Manipulation und Kontrolle durfte so etwas nicht durchgesetzt werden.

Aurec war ein Fremder in der Milchstraße und nun lag auf einmal das Schicksal der Terraner in seiner Hand. Seine Entscheidungen waren jetzt wichtiger denn je.

Er blickte zu Joak Cascal und Sandal Tolk. Sie schauten ihn neugierig an, wollten offenbar, dass er ihnen sagte, was sie als nächstes planen würden. Aurec atmete tief durch. Was immer er tat, es konnte völlig falsch sein. Doch er musste eine Entscheidung treffen. Was wohl Perry Rhodan jetzt getan hätte?

Sanna Breen kehrte blass von ihrem Hyperfunkgespräch mit dem LFT-Kommissar Cistolo Khan zurück.

»Und?«, wollte Cascal wissen.

Sie stöhnte traurig auf.

»Khan glaubt nicht, dass die Sverigen diesen Plan wirklich umsetzen. Daschmagan will Beweise und mahnt zur Ruhe. Sie möchte das Aussitzen. Immerhin werden sie sverigische Frachter kontrollieren und nicht nach Terra lassen. Die Diplomaten und TLD-Agenten nehmen sich der Sache an.«

Cascal schüttelte unwillig den Kopf.

»Die können Herkunftsdaten von Raumschiffen fälschen. Oder die Sverigen schicken die Nanokultur eben zu einem anderen Planeten.«

»Wir brauchen eine Probe der Nanokultur, damit Wissenschaftler ein Gegenmittel entwickeln können«, schlug Aurec vor.

Er hatte nun eine Entscheidung getroffen. Es war kurios. Vermutlich würde die MORDRED in knapp 22 Stunden ihre Probleme lösen. Doch um welchen Preis? Wenn die MORDRED über genügend Truppen und Raumschiffe verfügte, würden sie vermutlich New Stockholm kurz und klein bomben. Millionen würden sterben. Millionen unschuldige Wesen, denn natürlich wussten die meisten überhaupt nichts von den Plänen der Korrektheitsbehörde.

Sie mussten nicht nur verhindern, dass die Nanokultur Sverigor verlassen würde, sondern auch ein Massaker in der Bevölkerung abwehren. Sie mussten ihren offenkundigen Feind vor einem anderen Feind beschützen, der ihnen in diesem Fall sogar helfen wollte.

Die Zustände in der Milchstraße waren für Aurec verwirrend.

»Unarov, ich appelliere an deine Vernunft und die Fähigkeit, zu erkennen, dass euer Plan Milliarden ins Unglück stürzt. Führe uns in ein Labor. Wir brauchen eine Probe der Nanokultur.«

Johny Unarov zierte sich. Er blickte schmollend zu Boden. Sandal Tolk knurrte kurz auf und packte Unarov bei den Haaren.

»Ich bin nicht so milde, wie der Saggittone. Rede oder dein Schicksal ist besiegelt.«

Aurec wusste nicht, ob es ein Bluff war oder Tolk es wirklich so meinte. Jedenfalls wirkte es bei Unarov, der ohnehin durch das Verhör von Cauthon Despair und Sandal Tolk mitgenommen war.

»Das sind Hochsicherheitstrakte. Da könnt ihr nicht einfach rein. Der Forschungslaborkomplex liegt tief unter der Oberfläche. Sie sind genauso geschützt, wie der Zentralrechner der Korrektheitsbehörde. Doch in meinem Büro gibt es eine umfangreiche Datei dazu. Dort sind alle Informationen gespeichert.«

Tolk ließ Unarov los und nickte zufrieden.

»Also gut, Cascal und Tolk kehren zur TAKVORIAN zurück. Höchste Alarmstufe. Die MORDRED wird sich irgendwo mit einem Tarnfeld im Orbit befinden. Kontrolliert, dass keine Raumschiffe das System verlassen oder registriert sie wenigstens. Hofft auf baldige Unterstützung. Sobald wir die Datei haben, kehren wir zu euch zurück«, lautete Aurecs Plan.

»Keine Verhandlungen mit den Eierköpfen?«, fragte Cascal sarkastisch.

»Später! Wenn wir jetzt mit ihnen reden, sind sie gewarnt. Zuerst die Datei der Nanokultur.«

*

Aurec blickte nervös auf das Chronometer. Nur noch 21 Stunden, bis das Ultimatum der MORDRED ablief. Eine weitere wichtige Überlegung kam nun noch hinzu. Wenn Aurec mit der Korrektheitsbehörde sprach, bestand die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie sofort Raumschiffe mit den Nano-Frachtern losschickte. Immerhin war es offenbar nicht möglich via Hyperfunk den Virus zu versenden. Unarov berichtete jedoch, dass die Wissenschaftler der Korrektheitsbehörde bereits an einer neuen Form der Nanokultur arbeiteten. Sie sollte tatsächlich über das Galaktonet als eine Art Virus durch die angeschlossenen Kommunikationskanäle an Endgeräte wie Interkoms, Picopads oder Syntroniken verteilt werden, um jeden Haushalt zu erreichen. Danach konnten sie leicht vom Kommunikationsgerät eines Trägers auf eben diesen wechseln.

Aurec hoffte, dass den Wissenschaftlern damit kein Durchbruch in den nächsten Stunden gelingen würde. Endlich erreichten sie das Büro von Johny Unarov. Sie kamen problemlos an den Wachen vorbei. Sanna Breen kramte ein Picopad aus ihrer Tasche.

»Ein kleines TLD-Gadget. Auch die LFT verfügt über einige technische Raffinessen.«

Unarov deaktivierte die verbale Kommunikation mit seinem Rechner und suchte manuell die Datei heraus. Nach einigem Zögern öffnete er die Datei und begann mit einer Übertragung an die Syntronik der TAKVORIAN.

»Liebes Johny«, erschallte eine mechanische Stimme im Raum. »Du überträgst geheime Daten. Unterbinde dies sofort.«

Unarov sah Hilfe suchend zu Aurec und Sanna Breen.

»Weiter machen!«, forderte Aurec.

»Ich wiederhole, unterbinde sofort die Datenübertragung. Dein Handeln ist unkorrekt!«

Obgleich die mechanische Stimme des Zentralrechners der Korrektheitsbehörde monoton war, so glaubte Aurec einen bedrohlichen Tonfall heraus zu hören.

»Sie zwingen mich dazu«, kreischte Unarov.

»Verbindung unterbrochen. Unkorrekte Existenz wird terminiert.«

Der Zentralrechner deaktivierte die Verbindung zur TAKVORIAN. Die Datenübertragung war gestoppt. Aus der Decke fuhr ein Energiestrahler. Er zielte auf Unarov. Der Kommissar sprang von seinem Sitz auf, stolperte dabei aber. Er fiel hin. Hastig richtete er sich auf. Da traf ihn der Energiestrahl bereits zwischen die Augen. Unarov war sofort tot.

Aurec deaktivierte ein Signal. Er und Sanna versuchten aus der Schusslinie der statischen Waffe zu kommen, die sich zwar um 360 Grad drehen, aber nur um 45 Grad senken konnte. Doch wenig später öffnete sich die Tür und Roboter der Korrektheitsbehörde stürmen hinein.

»Wir müssen weg«, rief Aurec.

»Noch nicht«, meinte Sanna und starrte auf ihr Picopad.

Die Roboter der Korrektheitsbehörde forderten die beiden zur unverzüglichen Kapitulation auf. Da brach ein Gleiter durch die Fenster. Aurec warf sich zu Boden und zog Sanna Breen mit. Die Korrektheitsroboter eröffneten sofort das Feuer. Der Gleiter fuhr sie einfach um.

Aurec erhob sich und war froh in der Kanzel des Fluggerätes das strahlende Gesicht von Wirsal Cell zu entdecken.

»Können wir jetzt?«, wollte Aurec wissen.

Breen nickte.

»Ich habe die Datei. Das TLD-Picopad hat sie direkt von Unarovs Rechner gezogen. Wir können weg!«

Aurec half Sanna in den Gleiter. Schon schwirrten die nächsten Korrektheitsroboter an. Kaum war Aurec im Gleiter, da brauste Cell auch schon los. Die Roboter schwebten hinterher, erreichten jedoch nicht die Geschwindigkeit des Gleiters.

Allerdings dauerte die Freude nicht lang. Polizeigleiter und größere Roboter hefteten sich an ihre Fersen. Energiestrahlen schossen an ihnen vorbei.

Wirsal Cell steuerte den Gleiter tief durch die Skyline von New Stockholm. Allerdings nahmen die Roboter und Polizisten keine Rücksicht auf Passanten und andere Vehikel.

»Ein paar Kilometer noch«, meinte Cell.

Aurec blickte hinter sich.

»Das denken die sich auch.«

Wirsal Cell funkte die TAKVORIAN an. Es wäre jetzt an der Zeit, zu Hilfe zu kommen. Die orbitale Verteidigung von Sverigor war gering und nicht flächendeckend. Die TAKVORIAN konnte hindurch. Cell steuerte den Gleiter in die Höhe und flog im Zickzack-Kurs in eine Wolkendecke.

Die Robotgleiter und Polizeifluggeräte kamen näher. Ein Energiestrahl traf ihren Gleiter. Er wurde langsamer. Doch weitere Energieentladungen explodierten an einer unsichtbaren Wand.

»Wir haben euch«, krächzte es aus dem Interkom. Es war die Stimme von Joak Cascal. Die TAKVORIAN musste einen Schutzschirm um den Gleiter gespannt haben. Die 25 NIMROD-Jäger und 10 Minor-Globes der KASKAYA-Klasse flogen ihnen unter ständigem Feuer von sverigischen Abwehrforts und Raumern entgegen. Die Polizeieinheiten drehten ab. Der Gleiter erreichte eine Minor Globe und dockte an. Dann zog sich das Geschwader der TAKVORIAN zurück und erreichte unbeschädigt das 1.000 Meter durchmessende Kugelraumschiff.

Die TAKVORIAN nahm an Fahrt auf und verließ den Orbit Sverigors. Die Sverigen brachen nach drei Millionen Kilometer die Verfolgung ab.

Aurec, Wirsal Cell und Sanna Breen hatten inzwischen die Kommandozentrale erreicht und wurden von Joak Cascal und Sandal Tolk begrüßt.

»Gutes Timing«, meinte Breen lächelnd und überreichte Cascal den Picopad mit den Daten der Nanokultur.

»Wir senden die Daten unverzüglich an die IVANHOE. Sie ist nur noch 900 Lichtjahre von Sverigor entfernt«, erklärte Cascal.

»Bitte auch an die LFT. Khan und Daschmagan benötigen diesen Beweis.«

Cascal nickte und gab die Order an seine 1. Offizierin Coreene Quon weiter. Sie waren einen großen Schritt weiter, doch von einer Entspannung konnte nicht die Rede sein. Aurec wusste, was er als nächstes unternehmen musste.

*

Aurec saß in einem Kontursessel in einem Konferenzraum. Vor ihm baute sich das Hologramm der Korrektoren auf.

»Deine Aktionen auf Sverigor werden ein Nachspiel haben. Ein beispielloser Akt des Terrorismus«, begann der Cheborparner.

Aurec winkte ab.

»Spart euch eure künstliche Entrüstung. Wir wissen von euren Plänen mit der Nanokultur. Das Galaktikum dürfte das sicherlich interessieren.«

»Ihr wisst gar nichts!«, stellte ein Blue verachtend fest. »Es ist die Heilung. Nichts kann sie aufhalten.«

»Ihr verkennt den Ernst der Lage. Die MORDRED kennt ebenfalls euren Plan. Der Silberne Ritter Cauthon Despair hat uns über ein Ultimatum gestellt. Ihr habt noch 21 Stunden Zeit, um eure Laboranlagen zu vernichten und alle Nanokulturen zu zerstören. Sonst wird die MORDRED euch angreifen. Wir kennen nicht die Raumschiffstärke der MORDRED, fürchten aber, dass die Bevölkerung von Sverigor in ernster Gefahr ist. Wir müssen handeln! Ich bitte euch inständig, gebt euren verrückten Plan auf.«

»Wir lassen uns nicht von Terroristen und ihren Helfern erpressen. Saggittor, die LFT und Camelot zeigen uns deutlich, wessen Verbündete sie sind. Sverigor nimmt diesen Terrorismus nicht hin. Wir bitten das Galaktikum um sofortige Hilfe und fordern euch auf, umgehend das Sonnensystem zu verlassen, da wir sonst unsere Raumflotte gegen euch einsetzen.«

Das Hologramm der Korrektoren erlosch. Aurec saß eine Weile in dem spärlich beleuchteten Raum und dachte nach. Es war einfach keine Zeit, um diese Situation dem Galaktikum zu übergeben. Er wusste nicht, ob sie tatsächlich ein Gegenmittel für die Nanokultur entwickeln würden. Bis dahin konnte dieser Virus viel Schaden anrichten. Auf der anderen Seite musste unbedingt vermieden werden, dass die MORDRED Sverigor mit Terror überzog. Dass dieser Cauthon Despair keine Flugblätter über die Metropole New Stockholm abwerfen würde, dürfte selbst dem größten Träumer klar sein.

Aurec blickte auf die Projektion des Weltalls um die TAKVORIAN herum. Dort befand sich irgendwo Despair mit seinem Raumschiff. In knapp 21 Stunden würde er sich vermutlich zu erkennen geben.

Joak Cascal meldete sich über Interkom.

»Schlechte Nachrichten. Sverigor schickt uns 25 Raumschiffe entgegen. Weitere 200 Raumer starten ebenfalls. Darunter auch Frachter.«

Der Saggittone atmete tief durch. Er dachte nicht an Flucht. Im Gegenteil, denn die MORDRED war nun gezwungen zu handeln. Jeder Frachte konnte die Nanokultur mit sich tragen.

Aurec eilte in die Kommandostation. Kaum war er dort angekommen, tauchte ein 3.500 Meter großer Kugelraumer über dem Orbit von Sverigor auf. Er schleuste 40 500 Meter durchmessende Raumschiffe aus. Es folgten über einhundert weitere Beiboote zwischen 50 und 250 Meter Durchmesser. Dazu Hunderte Jäger und Space-Jets.

»Das Raumschiff trägt den Namen VERDUN«, stellte Cascal fest.

»Benannt nach einem Ort im Bundesstaat Frankreich. Dort fand vor mehr als dreitausend Jahren eine blutige Schlacht im sogenannten Ersten Weltkrieg statt. Sie ist bis heute ein Mahnmal«, ergänzte Sanna Breen.

So interessant Aurec diesen Exkurs in terranische Geschichte auch fand, er hatte andere Sorgen. Die VERDUN war eine fliegende Festung. Sechs weitere 500 Meter Raumer gesellten sich zu dem Verband. 45 Schlachtschiffe dazu Hunderte Kreuzer, Beiboote und Raumjäger. Die VERDUN war selbst eine kleine Flotte.

Es dauerte nicht lange, ehe das Feuer auf 325 sverigischen Raumschiffe eröffnet wurde. Es war ein Sperrfeuer. Die kleineren Raumer kehrten sofort um, während die 125 Kampfraumschiffe Sverigors in sicherem Abstand im Orbit verharrten.

Der VERDUN-Verband stellte das Feuer ein. Doch zwei kleinere Raumer verließen dennoch den Orbit. Sie kamen nicht weit. Sofort machten sich mehrere Dutzend Kreuzer auf den Weg und vernichteten die zwei Schiffe, ehe sie in den Hyperraum eintreten konnten.

»Wir empfangen eine Botschaft von der VERDUN. Es ist Cauthon Despair«, meldete Quon.

Auf fast jedem Bildschirm in der Kommandozentrale wurde das Konterfei des Silbernen Ritters gezeigt.

»Bewohner Sverigors! Eure Regierung und die Korrektheitsbehörde haben sich schweren Verbrechen schuldig gemacht. Sie wollen mit einem Virus die Menschheit vernichten. Die MORDRED wird das verhindern. Es gilt ab sofort ein Flugverbot. Kein Raumschiff darf den Planeten verlassen. Wir geben der sverigischen Regierung und ihrer Korrektheitsbehörde 20 Stunden Zeit, sämtliche Nanokulturen und Forschungseinrichtungen zu vernichten und uns dies nachzuweisen. Nach Verstreichen des Ultimatums werden wir handeln und mit der Bombardierung militärischer und wissenschaftlicher Einrichtungen sowie allen Anlagen der Korrektheitsbehörden beginnen.

Sollten Raumschiffe den Orbit passieren, werden sie ohne weitere Vorwarnung vernichtet.«

*

»Nur noch 15 Stunden«, murmelte Cascal müde.

In den letzten fünf Stunden hatte der MORDRED-Verband mit der Störung des Hyperfunks begonnen. Satelliten und Relaisstationen waren vernichtet worden. Raumforts und Abwehranlagen waren ebenso zerstört worden. Sverigor war der einzig bewohnte Planet des Malmö-Systems. So hatten die MORDRED-Schiffe ein relativ einfaches Einsatzszenario, sie mussten nur Sverigor blockieren.

Aurec und die anderen waren zu Statisten degradiert. Sie konnten nichts unternehmen. Die TAKVORIAN hatte keinerlei Chance gegen die VERDUN und ihre Beiboote. Die sverigische Flotte war ebenfalls zu schwach. Ihre größten Raumschiffe hatten gerade Mal den Durchmesser der 45 Großbeiboote der VERDUN.

Selbst mit der Feuerkraft der nahenden IVANHOE konnten sie immer noch nichts ausrichten. Vermutlich hätten sie zusammen mit der sverigischen Heimatflotte die Beiboote in Schach halten können. Doch die VERDUN war zu gigantisch. Sie hätten eine weitaus höhere Anzahl von Großkampfraumschiffen gebraucht – über die weder die LFT noch Camelot verfügte. Und das arkonidische Kristallimperium würde vermutlich wohl kaum zur Hilfe eilen. Es hieß zwar inzwischen, die LFT würde eine Untersuchungsflotte entsenden, doch es würde noch einige Stunden oder gar Tage dauern.

Als letztes Mittel hatte Aurec vor einer Stunde der VERDUN eine Nachricht mit allen Informationen zur Nanokultur übermittelt. Er hatte dies mit der Bitte verbunden, von militärischen Aktionen abzusehen und sich mit einer Blockade zu begnügen, während die Wissenschaftler an einem Gegenmittel arbeiteten.

Doch bisher hatte die TAKVORIAN noch keine Antwort von dem Superkampfraumschiff der MORDRED erhalten.

Die IVANHOE erreichte inzwischen das Malmö-Sonnensystem. Der Kommandant Xavier Jeamour, die Bordärztin Jennifer Taylor und der Wissenschaftsoffizier Lorif wurden per Transmitter auf die TAKVORIAN abgestrahlt.

Cascal, Tolk, Aurec und Breen empfingen die drei aus dem Schwesterschiff. Ohne einen großen Austausch von Förmlichkeiten begann die Ärztin mit dem blonden, kurzen Strubbelhaar und den leuchtenden blauen Augen mit ihrer Analyse.

»Es ist ein gut durchdachtes biomechanisches Programm. Wir werden sicherlich ein Mittel dagegen finden, doch das kann Wochen oder gar Monate dauern. Auch wenn die MORDRED den Hyperfunk von Sverigor aus blockiert, wie man mir gesagt hat, so besteht die Gefahr, dass bei einer Verbreitung der Nanokultur diese selbst die Initiative ergreift und Millionen Menschen schweren physischen und psychischen Schaden zufügt.«

»Neben einer medizinischen Behandlung und einem Serum wären Präventivmaßnahmen eine potenzielle Maßnahme. Individualabtaster könnten die Nanokultur bei einem Scan entdecken«, fügte der Posbi Lorif hinzu.

Die Erkenntnisse brachten sie nicht weiter. Es würde nicht ausreichen, um die MORDRED zu besänftigen. Aurec verfluchte sich. Hätte er doch nicht die SAGRITON nach Hause geschickt, um Verstärkung zu holen.

»Sendet pausenlos Funksprüche an die sverigische Regierung und die MORDRED. Für müssen einen Kompromiss aushandeln. Das ist die einzige Chance, eine Katastrophe zu verhindern«, schloss Aurec die Konferenz.

Mehr konnten sie nicht tun. Es lag nicht in ihren Händen, sondern in denen der MORDRED und Sverigors.

 

11. Der Klang der Adler

Cauthon Despair hatte in den letzten Stunden sicherlich einige Kilometer gerissen, so lange war er immer wieder die Kommandozentrale auf und ab gewandert.

Die Blockade von Sverigor stand. Sofern nicht zu viele Raumschiffe auf einmal einen Ausbruchsversuch starteten oder die gesamte sverigische Heimatflotte mit ihren 360 Raumern angreifen würde, könnten sie jedes Schiff von einem Hyperraumflug abhalten.

Doch damit war die Gefahr nicht gebannt. Sie konnten Sverigor nicht ewig bewachen. Irgendwann würden die Flotten der LFT und des Kristallimperiums, der Blues und Topsider sowie Akonen hier auftauchen. Das wäre dann selbst für die VERDUN zu viel.

Es war nun die Frage, ob Despair dann Sverigor in die Obhut des Galaktikums übergab, oder ob die MORDRED eine finale Lösung anstreben sollte. Diese Entscheidung oblag nicht ihm, sondern Rhifa Hun. Despair hatte den Anführer der MORDRED schon vor Stunden um neue Instruktionen gebeten, doch bisher keine Antwort erhalten.

Stattdessen sendete die TAKVORIAN pausenlos Friedensangebote an die VERDUN. Despair ignorierte sie. Admiral Kenneth Kolley hatte ein gewisses Unverständnis angedeutet, wieso die VERDUN nicht die TAKVORIAN angriff. Despair wollte das nicht. Er empfand Respekt für Aurec, Joak Cascal, Sandal Tolk und Sanna Breen. Sanna Breen mochte er irgendwie. Sie sollte nicht im Transformfeuer sterben. Diese Terranerin hatte ihn ein wenig in seinen Bann gezogen. Seit Zantra Solynger hatte ihn keine Frau so fasziniert, obwohl er sie nur ein einziges Mal getroffen hatte. Es dürstete Despair im Moment nicht nach Rache, Tod oder Vernichtung. Allerdings wusste er, dass es nur noch 10 Stunden bis zum Ende des Ultimatums waren. Dann würden die Waffen sprechen.

»Sir, zwei Raumschiffe haben das Malmö-System erreicht. Es sind die RANTON von Nummer Vier und die HESOPHIA der Dorgonen«, meldete Admiral Kolley.

Die versprochene Verstärkung traf ein. Es war Rhifa Hun tatsächlich gelungen, die Dorgonen zu kontaktieren. Ihre Technologie war allen Völkern in der Milchstraße überlegen. Davon hatte sich Despair schon des Öfteren ein Bild machen können. Der Vorsprung betrug zwar keine Jahrhunderte, dennoch waren die Dorgonen besonders militärisch den Galaktikern um einiges voraus.

»Nehmen Sie Kontakt mit den Dorgonen auf. Bitten Sie um eine Audienz bei Legat Seamus oder Admiral Petronus.«

»Jawohl, Sir!«

Wenige Momente später kehrte Kolley mit einer weiteren Meldung zurück.

»Audienz erteilt. Sie werden an Bord der HESOPHIA erwartet. Nummer Vier und Rhifa Hun werden sich holografisch dazuschalten.«

Despair verstand. Er begab sich in den Transmitterraum neben der Kommandozentrale und ging durch den flackernden Torbogen. Als er einen bauähnlichen Portalbogen an Bord des dorgonischen Adlerraumers verließ, wurde er von zwei Offizieren in golden schimmernden Rüstungen erwartet. Die Dorgonen wirkten auf Despair immer wieder wie moderne Römer mit ihrer edlen Rüstung, dem roten Umhang und den Helmen. Doch statt Schwerter trugen sie Energiewaffen und statt Sandalen feste Raumstiefel.

Hinter den beiden Offizieren, die den dorgonischen Rang eines Dekurios bekleideten, stand Admiral Petronus. Petronus war ein kräftiger, älterer Mann mit grauem Haar. Das schroffe von Furchen übersäte Gesicht wurde von einer dicken Knollennase dominiert.

Despair begrüßte ihn mit der dorgonischen Bezeichnung Dux. Das stand für einen Admiral. Eigentlich kommandierten Präfekten einzelne Raumschiffe, doch für die Expedition in die Milchstraße hatte der dorgonische Kaiser Thesasian einen erfahrenen Dux entsendet. Ihm zur Seite stand der Legat Seamus, ein persönlicher Berater und Vertrauter des Herrschers. Der Dritte im Bunde war ein gewisser Nersonos, ein Neffe des Kaisers. Despair hatte ihn bisher noch nicht getroffen, während Seamus und Dux Petronus ihm seit ihrer ersten Begegnung im Mashritun-System vor knapp etwas mehr als sieben Jahren.

Dux Petronus und die beiden Centrus führten Despair durch einen breiten Korridor. Die Wände waren sandfarben, während der Boden mit einem roten Teppich belegt war. Obwohl die HESOPHIA sicherlich ein Militärraumschiff war, so war dieses Deck zumindest sehr luxuriös ausgestattet. Es war selten, dass ein Galaktiker ein Raumschiff der Dorgonen betreten durfte. Despair glaubte, dass bisher nur Rhifa Hun und Oberst Kerkum neben ihm selbst diese Ehre vergönnt gewesen waren. Despair hatte jedoch meist nur militärische Bereiche betreten. Diese Etage schien der Schiffselite reserviert zu sein.

Sie betraten einen breiten Raum. Der Boden von weißem, marmorartigem Belag. An der Decke war das sverigische System projiziert. Sverigor lag friedlich im Zentrum der Abbildung. Despair stockte, als er eine Reihe Statuen erblickten, die aus einem blauweiß leuchtenden Material gefertigt waren. Einige von ihnen waren ihm unbekannte Dorgonen. Vermutlich Kaiser und Krieger. Oder fremde Gottheiten. Doch eine Statue sah aus, als würde sie von Terra stammen. Auf einem muskulösen, menschlichen Körper ruhte der Kopf eines Falken.

Horus, ein Gott aus dem alten Ägypten, einer der ersten Hochkulturen der Menschheit nach der Vernichtung von Lemuria und dem Untergang von Atlantis.

Die Statue neben Horus sah aus wie ein humanoides Krokodil. Auch hier glaubte Despair, dass es sich um eine altägyptische Gottheit handelte. Sobek musste der Name sein. Es war seltsam. Steckte mehr dahinter oder war es nur Zufall?

»Gefallen euch unsere Heiligen?«, wollte Dux Petronus wissen.

»Sie erinnern mich an Gottheiten Terras.«

Petronus zuckte die Schultern.

»Da waren wir noch nie. Doch wer weiß, wohin es unsere Götter und Heiligen im Laufe der Jahrtausende verschlagen hat. Folge mir, Legat Seamus und Prinz Nersonos erwarten euch.«

Plötzlich blieb Petronus stehen und verzog das Gesicht.

»Was immer du hörst, lobe den Neffen des Kaisers.«

Despair wusste nicht, worauf Petronus hinaus wollte. Sie durchschritten die Halle mit den Statuen und erreichten den nächsten Raum. Dort lagen Seamus und Nersonos auf Liegen, aßen und tranken. Sie sahen exotischen, dorgonischen Konkubinen mit langen schwarzen Haaren und samtbrauner Haut beim Tanzen zu.

Sie schwangen ihre Hüften zu Trommeln und Flöten. Seamus kannte Despair. Ein kleinwüchsiger Mann mit kantigen Gesichtszügen und hagerer Statue. Nersonos war rundlich und trug einen blauen Vollbart. Das Haar war mittellang und wirr. Er schien sich zu amüsieren und lächelte den Konkubinen zu. Dann erhob er sich ächzend und breitete die Arme aus.

»Oh ja, singe, edler Herr«, bat eine der Konkubinen und Nersonos ließ sich nicht zweimal bitten.

»Oh, was bin ich hier – so weit entfernt von Heim und Dom,

Oh, ja wir sind mehr als vier – und ersticken den Feind im Keim mit Chrom.«

Despair lief ein kalter Schauer über den Rücken bei der Stimme und dem Vers. Doch der Neffe des Kaisers, vermutlich im Rausch des Weins, hatte noch nicht genug. Er nahm einen tragbaren Synthesizer und klimperte auf den Tasten herum. Despair wusste nicht, ob das tatsächlich eine dorgonische Melodie war oder er einfach nur falsch spielte.

Er setzte zum zweiten Vers seines Epos an.

»Ja, die Macht des Adlers ist groß – seine Schwingen ragen hoch empor,

In einen Schacht fallen die Gegner tief – ihr Tod, ja der steht kurz davor.«

Die Konkubinen klatschten erfreut und kreischten entzückt, als handelte es sich um den legendären Zodiac Goradon höchst persönlich. Nersonos kicherte vergnügt. Dann endlich bemerkte er Despair.

»Oh, wir haben Gäste. Hach, wie witzig. Ein Eingeborener.«

Nersonos kicherte und setzte sich wieder auf die Sänfte.

»Sag, mein lieber Petronus. Kann er sprechen?«

Despair bewegte sich auf Nersonos zu. Mit Zufriedenheit bemerkte der Silberne Ritter, dass Nersonos sich ganz klein machte auf seiner Liege. Ein Zeichen von Respekt.

»Dorgonische Hoheit, die Kultur der Menschheit ist mehr als 50.000 Jahre alt. Mein Translator vermag unser Interkosmo in Dorgonisch zu übersetzen. Ich bedanke mich für diese Audienz …«

Despair räusperte sich leise.

»Und für diese spezielle Muse.«

Nersonos kicherte und nahm seinen goldenen Weinkelch.

»Ein Charmeur. Du bist der bekannte Silberne Ritter unserer Verbündeten. Fein, fein. Hat dir mein Gesang gefallen?«

»Ich habe noch nie so etwas gehört«, sagte Despair wahrheitsgemäß. Nersonos schien dies zu freuen. Er rutschte auf der Bahre hin und her und setzte sich schließlich im Schneidersitz hin, um auf seinem Keyboard etwas zu spielen. Eine atonale, dumpfe Musik schallte aus dem Musikgerät.

»Jetzt etwas verruchtes«, meinte Nersonos und lachte.

»Oh, siehe mein schmeidiges Gemächt – jedes Weib und jeder Manne ganz verzückt,

Oh, bereit auf ein Eiliges zu versenken – ich des Kosmos Waffe in ihrem Schmutz ganz entrückt.

Mein Phallus ist wie ein Tachyonen-Speer – labe dich an meiner Brust so männlich beharrt

Sei mein Geliebtes und setze dich nicht zur Wehr – bist in mich, ja ich weiß, so ganz vernarrt.«

»Hast du das Selbst komponiert?«, fragte Petronus heuchlerisch.

Nersonos nickte eifrig.

»Entzückend«, kommentierte Despair dieses grausame Gedicht, das selbst jedes Heimat- und Volkslied unterbot. Despair wechselte nun das Thema auf die Bedrohung durch Sverigor.

»Ah, ja. Ich habe keine Ahnung«, gestand Nersonos und blickte fragend zu Petronus und Seamus. Der Legat des dorgonischen Kaisers strahlte deutlich mehr Würde aus, als dessen Neffe, der an Dekadenz kaum zu überbieten war. Vermutlich hatte der Kaiser ihn zu dieser Mission geschickt, um Erfahrung zu sammeln und Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht war es die winzige Hoffnung, dass aus diesem Taugenichts einmal etwas werden würde.

»Unsere Wissenschaftler haben diese Nanokultur untersucht. Interessant und wirksam, dennoch haben wir bereits ein Feld entwickelt, das jegliche Nanoroboter vernichtet, sobald sie sich dem Raumschiff nähern.«

Der Legat wirkte gelangweilt und erwähnte das fast beiläufig. Dabei war es die Lösung. Wenn sie ein Mittel gegen die Nanokulturen besaßen, konnte sie alle auf Sverigor vernichten. Despair müsste dann von einem Bombardement absehen.

»Wir könnten diese Strahlung oder dieses Feld auf Sverigor einsetzen«, schlug Despair deshalb vor.

»Wir haben die Nebenwirkungen noch nicht getestet. Doch wie ich erfahren habe, gibt es andere Pläne für Sverigor.«

»Welche?«, fragten Despair und Nersonos gleichzeitig. Der kaiserliche Neffe quittierte das mit einem Kichern. Er fuhr sich mit dem Daumen über die Lippen.

»Oh, mächtiger Ritter der Milchstraße. Wir sind wohl Seelenverwandte. Singst du auch? Vielleicht ein Duett? Oder eine Prosa auf die Glorie DORGONs und meiner selbst?«

»Verzeiht, doch meine Stimme wäre eine Beleidigung in deinen Ohren. Ich verdiene nicht die Ehre, meinen Gesang in deine göttliche Sangeskunst zu mischen.«

Nersonos freute sich wie ein kleines Kind und rutschte kichernd auf der Liege auf und ab. Offenbar war ihm der beißende Spott in Despairs Worten entgangen.

Nun endlich erschienen die Hologramme von Rhifa Hun und Nummer Vier. Wie immer waren sie verzerrt. Niemand störte sich daran. Despair verbeugte sich vor seinem Herren und Meister.

»Wie sind Eure Befehle?«

»Wir müssen ein Exempel an Sverigor statuieren. Es ist zwar möglich, die Nanokulturen auf Dauer unschädlich zu machen, doch die Sverigen könnten eine neue Generation entwickeln. Diese Welt mit ihrem Korrektheitsroboter ist eine Gefahr für die Menschheit. Sie muss vernichtet werden.«

Despair ließ die Worte auf sich wirken. Meinte Rhifa Hun damit, den gesamten Planeten zu zerstören? Das konnte er nicht wirklich meinen.

»Es leben zwei Milliarden Wesen auf dieser Welt«, gab Despair zu bedenken.

»Abschaum«, meinte Nummer Vier nur.

»Ich teile die Ansicht von Nummer Vier«, sprach Rhifa Hun. »Die Zeit drängt. Dieser Status Quo wird nicht ewig dauern. Raumschiffe der LFT, der Blues, Topsider, Springer, Akonen und Arkoniden sind auf dem Weg. Bis dahin muss die Operation erledigt sein.

Heute ist ein großer Tag, mein lieber Despair. Wir befreien die Milchstraße von einer Vielzahl Verbrechern und Menschenfeinden. Es ist zum Wohle der Menschheit!«

Die Schmatzgeräusche von Nersonos unterbrachen diese ohnehin schon surreale Szenerie. Die Dorgonen kümmerte es offenbar wenig, dass es hier um zwei Milliarden Lebewesen ging. Es war das eine, Verbrecher und Agenten sowie Soldaten zu bekämpfen, aber zwei Milliarden Wesen, die meisten Zivilisten. Nersonos stopfte sich derweil eine Geflügelbrust in den Mund. Seine fettigen Finger leckte er schmatzend ab. Laute Kaugeräusche ließen Despair nervös werden.

»Meister, wäre es nicht sinnvoller mit den Völkern der Milchstraße zu kooperieren? Wenn wir die Blockade aufrechterhalten, bis die Raumschiffe der anderen eintreffen, verlieren wir vielleicht den Ruf von Terroristen.«

Rhifa Hun stieß eine Verwünschung aus.

»Ihr habt meine Befehle gehört, Despair! Sverigor wird ausgelöscht!«

»Ich habe den Sverigen ein Ultimatum gestellt. Sie haben noch 10 Stunden Zeit. Ich fühle mich daran gebunden. Wir könnten ihnen in dieser Zeit die Chance auf Evakuierung gewähren.«

»Ich fühle mich aber nicht daran gebunden«, stellte Rhifa Hun klar. »Wer würde sich wohl zuerst absetzen? Die Verbrecherbanden, die elitären Fanatiker, all der Abschaum. Und auch das restliche Volk ist nicht besser. Sie hätten eben nicht auf dieser abtrünnigen Welt leben dürfen. Meine Entscheidung ist unumstößlich. Fühlt Ihr Euch nicht imstande, meine Befehle umzusetzen?«

Despair zuckte zusammen.

Eine falsche Antwort konnte für ihn ebenfalls das Ende bedeuten. Rhifa Hun schien an Despairs Loyalität und Stärke zu zweifeln. Despair war über sein eigenes Zaudern selbst überrascht. Natürlich hatten sich die Sverigen schuldig gemacht und sie verdienten eine Bestrafung. Die Zerstörung der Korrektheitsbehörde und aller militärischen und biomechanischen Anlagen, die Zerschlagung der Verbrecherbanden – das würde vollkommen ausreichen. Vielleicht würde es ein paar hunderttausend Tote dabei geben, aber nicht zwei Milliarden!

»Wieso wurde das camelotische Raumschiff nicht zerstört?«, wollte Nummer Vier wissen. »Meine Assassine berichtete mir überdies, dass Ihr das Leben der Cameloter und ihrer Verbündeten geschont habt. Seid Ihr krank, Despair?«

Die Worte von Nummer Vier waren ebenso herausfordernd, wie die von Rhifa Hun. Und das vor den Dorgonen. Doch Nersonos war eher mit seinem Geflügel und den Konkubinen beschäftigt. Seamus süffelte gelangweilt seinen Wein. Nur Petronus verfolgte das Gespräch genau. Der dorgonische Dux schien verwundert zu sein.

»Werdet Ihr Eure Pflicht tun?«, fragte Rhifa Hun.

Despair wusste nicht, was er antworten sollte. Ganze Planeten zu vernichten, das wollte er nicht! Das war nicht, wonach er strebte.

Er straffte seinen Körper und nahm Haltung an.

»Ich erachte die Vernichtung Sverigors für unterranisch, Meister! Ich werde ohne Gnade die Schuldigen bestrafen, aber nicht ein ganzes Volk ausradieren!«

»Bedauerlich«, sagte Rhifa Hun. »Wir können wohl kaum unsere dorgonischen Verbündeten um diese delikate Angelegenheit bitten. Nummer Vier wird den Plan ausführen. Die VERDUN wird sich um die TAKVORIAN und IVANHOE sowie die sverigischen Verbände kümmern. Ich verlange, dass Sverigor binnen 60 Minuten aufhört zu existieren.

Diese antimenschliche Brut soll in der Glut des Feuers verbrennen!«

Das Hologramm von Rhifa Hun erlosch. Despair war wie vom Blitz getroffen.

»Ich hoffe, ich kann mich wenigstens in dieser Angelegenheit auf Sie verlassen. Halten Sie der RANTON den Rücken frei.«

Mit dieser Order erlosch auch die Holografie von Nummer Vier. Dabei war dieser Despair untergeordnet, doch Despair würde sich nicht über eine Degradierung wundern. Vielleicht würde Rhifa Hun ihn auch umbringen. Denn in dessen Augen hatte Despair versagt. Despair bekam weiche Knie. Er setzte sich neben Nersonos. Dieser reichte ihm ein Stück Fleisch.

»Hunger?«

Despair schüttelte schwach den Kopf.

»Dein neuer Freund, oh Prinz der Prinzen, möchte die Welt der Barbaren nicht vernichten.«

»Och, wie süß. Er ist so beherzt«, meinte Nersonos und lachte. »Ich war auch einmal in so einer Situation. Wir hatten in unserem Sommerhaus eine Mäuseplage. Die kleinen Dinger waren so süß, aber vermehrten sich schrecklich. Vetter Carigul wollte sie alle töten und ich zuerst nicht, aber es musste doch sein. Schade. Ich habe eine Träne vergossen.«

Despair hatte genug. Er erhob sich. Den Dorgonen war das Schicksal eines galaktischen Planeten völlig egal. Sie waren mehr oder weniger als Beobachter hier oder um sich einen Spaß daraus zu machen. Nersonos zumindest. Despair war sich gewiss, dass Seamus und Petronus die ganze Situation beobachteten und analysierten. Sie lernten über die Galaktiker und ihre Verhaltensmuster.

»Verzeiht, edle Dorgonen. Ich muss meine Pflicht tun. Haltet euch von Sverigor bitte fern.«

Despair verneigte sich und verließ den Audienzsaal. Er fand allein den Weg zum Transmitter und kehrte zur VERDUN zurück. Dort erwartete ihn Admiral Kolley mit bleichem Gesicht.

»Sie kennen die neuen Befehle?«, erkundigte sich Despair.

Der Admiral bestätigte.

»Überlassen wir dies der RANTON. Sorgen wir dafür, dass kein Kampfraumschiff die RANTON angreift.«

»Und die Cameloter?«

Despair zögerte. Er kannte die Befehle.

»Sollen Sie Zeugen diesen tragischen Tages werden«, sagte Despair und ließ Kenneth Kolley stehen. Er musste jetzt allein sein.

 

12. Das Ende von Sverigor

Der Angriff begann.

Die großen 500 Meter durchmessenden Kugelraumer verteilten sich nach einem bestimmten Muster um Sverigor. Zwischen ihnen schwebten die 250 und 100 Meter Kreuzer. Die Kampfraumjäger, Minor-Globes, Korvetten und Space-Jets machten sich für den ersten Bombenangriff bereit.

»Los«, sagte Despair knapp an Kenneth Kolley gewandt. Dieser gab den Befehl weiter. Zuerst eröffneten die 500 Meter Kugelraumer das Feuer und beschossen mit Transformgeschützen die Oberfläche. Sofort glommen die Schutzschirme über den großen Metropolen auf. Raumforts, Abwehrjäger und die gesamte sverigische Flotte von insgesamt 360 Raumern ging zum Angriff über.

Die waren der MORDRED zwar zahlenmäßig überlegen, jedoch nicht von der Kampfkraft. Despair beorderte die VERDUN in die vorderste Linie. Sie tauchte in den Orbit hinab und begann mit dem todbringenden Feuer. Sie setzte dabei nicht nur die Transformgeschütze ein – mit Transformbomben hätte sie auch von mehreren Millionen Kilometer Entfernung jedes nicht von einem Schutzschirm geschützte Ziel auf Sverigor angreifen können. Transformsalven legten einen Ring aus Sonnenfeuer in die Flugvektoren, während im Intervallmodus feuernde KNK-Geschütze die Schutzschirme der gegnerischen Schiffe zertrümmerten. Zusätzlich setzte der Riese sämtliche konventionellen Waffensysteme ein. Ein Inferno spielte sich im Orbit von Sverigor ab. Die Raumschiffe kamen wie Lämmer zur Schlachtbank. Sie waren völlig chancenlos gegen die Feuerkraft des 3.500 Meter großen Schlachtschiffes der MORDRED.

Innerhalb weniger Momente waren 27 Raumer vernichtet. Die anderen Einheiten der MORDRED sorgten ihrerseits für einen Kampf, der sich jedoch langsam außerhalb des Orbits verlagerte. Die RANTON von Nummer Vier blieb in der Nähe der VERDUN.

»Sir, die camelotischen Verräter funken uns erneut an«, meldete Kolley.

»Ignorieren«, sagte Despair leise.

Der Silberne Ritter betrachtete die ungleiche Schlacht. Im Sekundentakt wurden sverigische Raumschiffe vernichtet oder stark beschädigt. Einige Raumer versuchten durch die Blockade durchzubrechen, doch sie kamen nicht weit.

Einzig das Adlerraumschiff HESOPHIA verharrte ruhig abseits des Geschehens. Die Dorgonen beobachteten. Doch auch die TAKVORIAN und IVANHOE blieben auf ihrer Position, etwa 10 Millionen Kilometer von Sverigor entfernt. Was sollten sie auch tun? Jeglicher Angriff auf die VERDUN, RANTON und HESOPHIA war Wahnsinn und glich einem Selbstmordkommando.

Es hätte Hunderte besser ausgerüstete Schiffe bedurft, um die MORDRED heute aufzuhalten. Despair wechselte den Blick auf die Übertragung der Bomber. Sie zeigten aus der Vogelperspektive die Angriffswellen auf die sverigischen Metropolen. Die Schutzschirme hielten stand, während die Flotte immer kleiner wurde.

Raumschiffwracks stürzten hinab auf die Oberfläche und hinterließen eine Schneise der Verwüstung, dort, wo keine Schutzschirme aktiviert waren. Die kleineren Dörfer und Siedlungen waren verloren. Die Touristenzentren wurden getroffen. Unter Garantie war das der letzte Urlaub der Betroffenen auf Sverigor.

Die Kameras der Bomber erfassten immerhin die Tragik der Lebewesen in den kleineren Siedlungen. Auf klassische Art und Weise wurde im Sturzflug die tödliche Fracht entladen. Häuser und ganze Straßenzüge gingen in Flammen auf. Verzweifelt rannten die Wesen vor den Feuerwällen davon. Feuerstürme bildeten sich. Gigantische Windhosen aus Feuer brausten über die lodernden Siedlungen und Wälder Sverigors.

Doch das Schlimmste würde erst noch kommen.

Nach 21 Minuten war die sverigische Flotte aufgerieben. 360 Raumschiffe waren vernichtet oder zu Schrott geschossen.

»Konzentrieren Sie das Feuer auf die Schutzschirme der Großstädte«, befahl Despair.

»Sir, die beiden camelotischen Raumschiffe nähern sich uns.«

Wie konnten sie es wagen? Das war doch blanker Selbstmord. Despair hatte versucht, sie zu schonen, doch nun konnte er nichts mehr für sie tun.

*

Mit jedem abgeschossenen sverigischen Raumschiff stieg die innere Wut in Aurec. Doch nicht nur bei ihm, auch bei den anderen. Diese Tatenlosigkeit war ein grausamer Streich des Schicksals. Sie mussten zusehen und die vernichteten Raumschiffe zählen.

Ein direkter Kampf gegen die VERDUN und das 1.500 Meter durchmessende andere Raumschiff namens RANTON als auch gegen das inzwischen aufgetauchte Adlerraumschiff dieser geheimnisvollen Dorgonen und die zahlreichen Beiboote wäre ein Selbstmordkommando.

Dennoch erteilte Joak Cascal in Absprache mit Xavier Jeamour und Aurec den Befehl, sich den MORDRED-Raumschiffen zu nähern.

Sie mussten Zeit gewinnen und die MORDRED-Raumer hinhalten, bis Raumschiffe der LFT, des Kristallimperiums und der anderen galaktischen Völker eintrafen.

Es war vermutlich nur ein dummer Versuch, doch besser, als gar nichts zu tun.

Die IVANHOE meldete sich.

»Sir, unsere Abtastung hat ergeben, dass zwei LEKA-Disken die RANTON verlassen. Sie sind mit Arkonbomben bestückt«, erklärte der Posbi Lorif.

Cascal klärte Aurec über Arkonbomben auf. Sie waren in der Lage innerhalb von Stunden einen ganzen Planeten zu vernichten. Sofort versuchten die IVANHOE und TAKVORIAN mit Sperrfeuer ihrer Transformgeschütze die Annäherung der Space-Jet ähnlichen Beiboote an Sverigor zu verhindern.

»Wirkungsfeuer?«, fragte Tolk.

Cascal zögerte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. Er konnte Sverigor nicht mehr retten, außerdem trug die ehemalige Kolonie des Solaren Imperiums wohl auch eine gehörige Mitschuld an ihrem Schicksal.

»Nein, das wäre Selbstmord.«

Außerdem war es bereits zu spät. Die diskusförmigen Raumer waren schon nahe der Oberfläche und entluden ihre tödliche Fracht.

Der Atombrand begann.

»Rückzug«, sprach Cascal fast beiläufig und doch war es ein richtiger Befehl, denn die VERDUN fing an, auf die IVANHOE und TAKVORIAN mit ihren Transformgeschützen das Feuer zu eröffnen.

Sie entfernten sich von Sverigor. Dennoch war durch ihre ausgesetzten Sonden genau zu verfolgen, was passierte.

Durch die bei der Zündung der Arkonbombe freigesetzte harte Hyperstrahlung wurden die Atomkerne der angesprochenen Elemente hyperenergetisch anregt. Sie fusionierten unter Freisetzung derselben Strahlung. Nach dem Schneeballprinzip entstand so eine Kettenreaktion, die in nahezu Nullzeit von Atomkern zu Atomkern sprang.

Das Schicksal von Sverigor war besiegelt. Nichts konnte diesen Atombrand noch löschen. Kilometer hohe Feuerwände walzten über den Planeten und zerstörten diese so schöne Natur. Bäume brannten wie Streichhölzer ab, Seen verdunsteten und Siedlungen wurden von der Druckwelle zerrissen, ehe das erste Feuer sie erreichte.

Die Städte hielten noch stand, doch lange konnte der Schutzschirm nicht mehr standhalten, zumal der gesamte Planet in wenigen Stunden kollabieren würde.

Die Raumschiffe der MORDRED zogen sich zur RANTON und VERDUN zurück. Einige kehrten zurück und machten Jagd auf sverigische Raumer, die der Feuerhölle entkamen.

Aurec musste sich eingestehen, dass es unmöglich war, mit der MORDRED zu verhandeln. All das Bitten auf eine vernünftige Lösung war umsonst gewesen. Genauso wie die Sverigen hatte die MORDRED von hehren Zielen gesprochen – doch am Ende zählte für sie nur die völlige Vernichtung des Gegners. Genauso hatten es die Sverigen versucht. Nicht so brachial, wie die MORDRED, sondern auf eine feinere, langsamere und saubere Art und Weise. Die Ideologie war gleich: Auslöschung aller, die nicht in ihr Konzept passten.

Welch Ironie, dass erst durch diesen aggressiven Plan der Sverigen, die MORDRED, welche wohl das Musterbeispiel an finsteren Terranern für Sverigen war, die Entscheidung fällte, Sverigor auszulöschen. So grausam der Plan der Sverigen war, niemand hatte das Recht ein ganzes Volk deshalb zu vernichten.

Erneut sendete die TAKVORIAN die Bitte an die VERDUN, zumindest die Überlebenden zu verschonen. Viel Hoffnung hatte Aurec jedoch nicht. Der Schock über die Vernichtung eines ganzen Planeten, einer ganzen dazugehörigen Zivilisation saß tief im Saggittonen. Er blickte in traurige und wütende Gesichter. Der Terror der MORDRED hatte eine neue Dimension erreicht.

*

Das lodernde, zerstörerische Sonnenfeuer über Sverigor spiegelte sich im Visier des Silbernen Ritters.

Zwei Milliarden Lebewesen starben in der Gluthölle. Der durch die beiden Arkonbomben ausgelöste Kernbrand verwandelte den Planeten nach und nach in eine kleine Sonne. Die ersten Schutzschirme der Großstädte begannen zu flackern.

Wieder funkte die TAKVORIAN die VERDUN an und bat um Verschonung der Überlebenden. Hunderte Raumschiffe schwebten inzwischen im Orbit des Planeten.

»Scannen Sie die Flüchtlingsraumer nach den Nanokulturen. Lassen sie jene passieren, die keine an Bord haben. Die anderen werden vernichtet«, befahl Despair.

Es hatte genügend Blutvergießen gegeben. Doch würde die Nanokulturen bei der Flucht in die Galaxis importiert werden, wäre diese grausame Aktion völlig sinnlos gewesen.

So musste er dem Todeskampf des Planeten weiterhin beiwohnen. Die sverigischen Flüchtlingsschiffe formierten sich bei der IVANHOE und TAKVORIAN. Nummer Vier protestierte wütend, doch Despair stellte klar, dass die RANTON alleine in den Kampf ziehen müsste, sollte ihm Despairs Order nicht passen. So beschränkte sich die RANTON auf die weitere Bombardierung Sverigors, um die Schutzschirme der Metropolen zu schwächen.

»Die Dorgonen entsenden uns Glückwunsch zur erfolgreichen Operation«, meldete Kenneth Kolley.

Beiläufig registrierte Despair, dass die HESOPHIA im Hyperraum verschwand. Offenbar hatten die Dorgonen lange genug dem tödlichen Spektakel beigewohnt.

»Konzentrieren Sie das Feuer auf New Stockholm«, lautete der nächste Befehl. Millionen Gigatonnen TNT prasselten durch den Beschuss der Transformkanonen auf den Schutzschirm, der ohnehin den Atombrand abwehren musste. Unter den Hunderten Explosionen und dem Feuerwirbel war der Zusammenbruch nicht zu erkennen, doch die taktische Anzeige vermeldete den Erfolg. New Stockholm verging innerhalb weniger Momente. Auch die unterirdischen Anlagen der Korrektheitsbehörde hielten dem Feuer nicht stand.

Die Forschungseinrichtungen wurden zerstört. Der Zentralrechner der Korrektheitsbehörde ebenso. Die Gefahr war endgültig gebannt. Es dauerte eine weitere Stunde, ehe jeder Schutzschirm über einer Stadt erloschen war und die gesamte Oberfläche des Planeten von der Glut überzogen war.

17 der 534 Flüchtlingsraumschiffe wurden mit der Nanokultur zerstört. Der Rest rettete sich zur IVANHOE und TAKVORIAN. Despair musste sich nicht mehr die Auslöschung Sverigors antun. Schon jetzt existierte kein Leben mehr auf Sverigor. Wie viele hatten wohl überlebt? Vielleicht ein, zwei Millionen? Rhifa Hun hatte vielleicht recht. Es waren nicht die Besseren und Unschuldigen von Sverigor. Diese hatten vermutlich nicht die Chance gehabt, sich zu retten.

Despair erteilte den Befehl zum Abzug. In Feierstimmung war niemand auf der VERDUN. Zu groß war die Schuld, die sie sich aufgeladen hatten. Ja, sie hatten die Terraner vor einem gefährlichen Virus gerettet, doch um welchen Preis …

 

Epilog

Der 27. Oktober 1290 NGZ war ein düsteres Datum. Denn an diesem Tage wurde eine ganze Zivilisation ausgelöscht. Der Planet Sverigor und seine fast zwei Milliarden Bewohner hatten aufgehört zu existieren – verglüht in einer alles verschlingenden Feuersbrunst.

Der Planet Sverigor war ein mahnendes Beispiel, wohin Intoleranz, Fanatismus und Verblendung führt. Die sverigische Gesellschaft war kein unbescholtenes Blatt. Sie plante die völlige psychische Unterwerfung aller Terraner. In ihrem Wahn nach Selbstzerstörung der menschlichen Spezies wollte sie jedem menschlichen Individuum das Recht auf Freiheit, auf freie Gedanken und Gefühle rauben.

Sverigor war von einem Paradies zu einer Hölle mutiert. Doch dieses Schicksal hatte kein einziges Lebewesen verdient gehabt. Die Verantwortlichen hätten vor ein ordentliches Gericht gestellt werden müssen und die Bürger von Sverigor hätten einen Neuanfang ohne die Korrektheitsbehörde beginnen müssen.

Doch der eine Extremismus prallte auf den Nächsten. So unterschiedlich die Motivation und Ziele der MORDRED waren – weder für die MORDRED noch für Sverigor zählte das Leben wirklich. Die MORDRED war jedoch auf eine perfide und grausame Art und Weise effektiver. Sie handelte effizienter, zerstörerischer, kompromissloser.

Die MORDRED hatte die Legitimierung für diesen Genozid in der Tatsache gefunden, dass sie damit die Gedankenkontrolle von Milliarden Terranern verhindert hatten.

Doch der Zweck heiligte nicht die Mittel. Die Bevölkerung eines ganzen Planeten wurde innerhalb weniger Minuten ausgelöscht. Nur wenige Millionen überlebten das sverigische Armageddon. Es erinnerte mich an die Zeit vor Perry Rhodan, der Zeit des Kalten Krieges, in der die Angst vor »der Bombe« geherrscht hatte, die Furcht vor dem Atomkrieg und dem nuklearen Holocaust der Menschheit.

Anlass dazu war der Abwurf von Atombomben während des zweiten Weltkrieges auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki gewesen. Die Argumentation der Bombenabwerfer, der damaligen USA, war, damit Millionen amerikanischen Soldaten das Leben gerettet zu haben.

Allein bei den Abwürfen selbst waren 250.000 Menschen gestorben. Viele an den Spätfolgen der Verbrennungen und radioaktiven Strahlung noch lange Zeit danach. Die Bombenabwürfe hatten eine Reihe an Mutationen bei Menschen hervorgebracht. Und nicht zuletzt diese Mutanten dienten später im Mutantenkorps von Perry Rhodan. Doch dies war nur eine Notiz am Rande.

Was war moralisch gerechtfertigt? Wenige zu töten, um viele zu retten? Wo hörte dieser Wahnsinn denn auf? Eine Galaxie opfern, um zwei weitere zu retten? War das Wohl weniger immer geringer als das Wohl von mehreren?

In der Tat hatte es in Zeiten des Solaren Imperiums auch fragwürdige Einsätze der Arkonbombe gegeben. Vielleicht hätten sie mit etwas gutem Willen verhindert werden können.

Zwei Milliarden zivile Opfer waren eine grausame Zahl. Sicherlich wären noch mehr Wesen gestorben, hätte die Korrektheitsbehörde ihren Plan ausführen können. Die MORDRED damit als Retter zu betrachten, war jedoch keineswegs angebracht. Denn die MORDRED hatte überhaupt keine Alternative gewünscht. Sie hätte doch nur einfach die Blockade aufrechterhalten müssen und abwarten, bis Raumschiffe der LFT, des Galaktikums und Arkons Sverigor erreicht hätten.

Doch das Leben der zwei Milliarden Sverigen war der MORDRED nichts wert gewesen. Sie waren nicht die Mühe und das Risiko wert gewesen, nach einer Alternative zu suchen.

Doch die gleiche Schuld an dieser Tragödie trägt die Korrektheitsbehörde und jene fanatische Sverigen, die sie gründeten und unterstützten. Sie riskierten willig den Tod ihrer eigenen Bevölkerung oder waren vielleicht auch nur zu fahrlässig, um die Konsequenzen ihres Handelns zu erahnen.

Und wie bei der MORDRED, war ihnen das Leben Anderer völlig egal. In diesem Fall das der Menschen in der Milchstraße.

Ein paar tausend Terroristen der MORDRED hatten einen grausamen Plan von ein paar tausend sverigischen Fanatiker als Anlass genommen, um Milliarden in den sinnlosen Tod zu schicken.

Wie so oft in der Geschichte des Universums hatte eine Minderheit über Leben und Tod von Massen entschieden. Die Extremisten der MORDRED und der sverigischen Korrektheitsbehörde taten so, als wollten sie die Galaxis verbessern, ja gar retten. Doch sie hatten nur Unheil gebracht und durch ihre egoistische, rücksichtslose Art und Weise fast zwei Milliarden Wesen in das Verderben geschickt.

Heute war ein schwarzer Tag für die Milchstraße. Beten wir für die Sverigen. Trauern wir um die Sverigen. Und lassen wir uns dies ein mahnendes Beispiel dafür sein, dass Fanatismus und Extremismus überall lauern kann. Er tritt in vielen Facetten auf und rühmt sich damit, selbst für Toleranz, Freiheit und Frieden zu kämpfen. Doch wer ihm folgt, dessen Schicksal ist besiegelt. Wir müssen stets wachsam sein und dürfen uns nicht im Netz der Intrigen verheddern. Wir müssen unsere Prinzipien, unseren Anstand und unsere Moral wahren, um nicht so zu werden, wie unsere Feinde. Wir müssen schlichtweg besser, und uns selbst treu sein, um der Galaxis den Nährboden für solche Ereignisse zu entziehen.

Jaaron Jargon

ENDE

 

Der Planet Sverigor wurde von der MORDRED und ihren dorgonischen Verbündeten vernichtet. Fast zwei Milliarden Lebewesen verloren dabei ihr Leben. Im nächsten Roman wechseln wir vom galaktischen Terror in die ferne Galaxis Shagor.

DIE RITTER DER TIEFE lautet der Titel von Band 15.

 

 

 

Kommentar

Der vorliegende Roman von Nils ist die komplette Neufassung der alten Nummer 6 »Tod über Sverigor«, der damals ebenfalls aus der gleichen Feder stammte.

Alte Leser der Dorgon-Serie werden feststellen, dass Nils den Roman komplett neu geschrieben und eine völlig neue Storylinie entworfen hat.

In dem Roman werden bereits einige Handlungsebenen angesprochen, die erst viel später im Mittelpunkt der Saga vom Kampf der Kosmokraten um die Zukunft des Universums stehen werden. Mit der menschlich-kartaninischen Schimäre Shahira, oder auf kartaninisch Sha-Hir-R’yarl, wurde auch ein neuer Charakter eingeführt, der, das kann ich hier bereits verraten, in den späteren Folgen der Serie weiter eine Rolle spielen wird.

Doch zurück zum aktuellen Roman.

Die Geschehnisse zeigen der galaktischen Öffentlichkeit zum ersten Mal die tatsächliche Macht der Terrororganisation MORDRED. Nach Sverigor muss Camelot und auch die LFT erkennen, dass das Machtpotenzial der MORDRED weit über eine gewöhnliche Verbrecherorganisation hinausgeht. Vor allem die beiden Großkampfschiffe RANTON und VERDUN zeigen, dass die Organisation über beträchtliche Ressourcen verfügen muss. Auch wird klar, dass anscheinend mit den Dorgonen eine außergalaktische Macht die MORDRED unterstützt.

Spätestens jetzt muss der LFT klar werden, dass eine Erfolg versprechende Bekämpfung der MORDRED nur durch die Zusammenarbeit mit Camelot möglich ist.

Nun, die Folgebände werden zeigen, ob diese Erkenntnis in die Köpfe der LFT-Administration um Paola Daschmagan vorgedrungen ist.

*

Interessant war für mich die Idee von Nils, dass ausgerechnet die MORDRED durch ihr kompromissloses Vorgehen, das man als Genozid bezeichnen kann, die gesamte Menschheit vor einer ungeheuren Gefahr rettet. Der humanitäre Ansatz von Aurec und Cascal (der anscheinend bereits vom Geiste der „modernen Menschheit“ angesteckt ist), hätte in jedem Fall die Gefahr nicht ausschließen können, dass es der Korrektheitsbehörde gelingen könnte, die Nanokulturen weiterzuentwickeln oder auch in Umlauf zu bringen.

Dabei erhebt sich die Frage, wie Perry Rhodan oder Atlan gehandelt hätten. Die Geschichte des „alten“ Solaren Imperiums bietet einige aussagefähige Präzedenzfälle, dass sich der damalige Großadministrator Perry Rhodan nicht gescheut hätte, die Gefahr durch die Nanokulturen von Sverigor mit der »Ultima-Ratio« einer Arkonbombe zu beseitigen, wie es die MORDRED getan hat. Als Beispiele aus der Geschichte des „Solaren Imperiums“ seien hierfür nur die 1984 AD erfolgte Vernichtung des Mondes Laros um den Planeten Gom und die 2004 AD erfolgte Vernichtung des Gleam-Mondes Siren genannt. In beiden Fällen wurden bewohnte Welten vernichtet, was beispielsweise bei Siren den Genozid der Gleamors bedeutete.

Doch auch aus der neueren Geschichte der LFT ist der Einsatz einer Arkonbombe gegen eine bewohnte Welt bekannt.

Vor diesem Hintergrund relativiert sich möglicherweise der Genozid an den Sverigen, da nur so sichergestellt werden kann, dass die für die lemurstämmigen Menschen in der Milchstraße tödliche Gefahr durch die Nanokulturen endgültig beseitigt wird.

Als Fazit dieser Ereignisse lässt sich festhalten, dass die Milliarden Sverigen den Preis dafür zahlen müssen, dass die Korrektheitsbehörde selbst angesichts der Bedrohung durch die MORDOR-Flotte an ihrem Plan festgehalten hat, die genetische Identität der lemurstämmigen Völker der Milchstraße zu zerstören, was einem galaxisweiten Genozid der Nachkommen Lemurias gleichgekommen wäre.

Zum Abschluss meiner Betrachtungen möchte ich, frei nach K. H. Scheer, folgendes Zitat stellen:

»Homo Homini Lupus: Der Mensch ist des Menschen Wolf!«

Jürgen Freier

 

 

 

GLOSSAR

Sverigor

Sverigor war eine LFT-Kolonie, die im Jahre 2569 alter Zeitrechnung, also noch zu Zeiten des Solaren Imperiums, von schwedischen Emigranten gegründet wurde. Daher hatte diese Welt auch einen nordeuropäischen Touch. Sverigor lag im Malmö-System, 1.978 Lichtjahre von Sol entfernt. Die Sonne war ein gelber, mittelgroßer Stern. Das System besaß sieben weitere Planeten, doch nur Sverigor eignete sich als bewohnte Welt. Die Schwerkraft lag bei 0,93 Gravos, der Durchmesser betrug 10.867 Kilometer, die Durchschnittstemperatur in den bewohnten Regionen lag knapp 10 Grad Celsius.

Die Hauptstadt der Welt mit zwei Milliarden Einwohnern trug den Namen New Stockholm und bot knapp neun Millionen Galaktikern eine Heimat, weitere Metropolen waren New Trelleborg, New Göteborg oder New Malmö.

Eine beeindruckende Natur zeichnete diesen Planeten aus. Sverigor war ein beliebtes Ausflugsziel, wenngleich sich in den vergangenen 50 Jahren eine negative Stimmung gegen Bürger der LFT und des Kristallimperiums breitgemacht hatte. Sverigor löste sich Anfang des 13. Jahrhunderts endgültig von der LFT und entwickelte eine Gegenbewegung zu den menschlichen Machtblöcken. Angewidert von der nationalistischen Politik und dem Ersten Terraner Buddico Grigor und der Gründung des arkonidischen Kristallimperiums propagandierte Sverigor sich als galaxisoffene und vielfältige Welt. Allerdings übernahmen die Extremisten die Kontrolle und gründeten eine totalitäre Korrektheitsbehörde – eine künstliche Intelligenz – mit dem Ziel, eine Welt ohne die derzeitige Form des Menschen zu schaffen. Die sverigische Gesellschaft und Eliten waren tief davon überzeugt, dass Menschen die Wurzel allen Übels seien.

Im Oktober 1290 NGZ wurde Sverigor Ziel der MORDRED. Als die MORDRED von einem Plan der Sverigen erfuhr, die Menschheit mittels einer biomechanischen Nanokultur über Generationen hinweg auszulöschen, entschied Nummer Eins Rhifa Hun gegen den Willen Cauthon Despair die Vernichtung der Welt mit zwei Milliarden Lebewesen. Mittels Arkonbomben wurde Sverigor zerstört. Es gab nur wenige Millionen Überlebende.

HESOPHIA

Die HESOPHIA ist ein Adlerraumschiff des Kaiserreiches Dorgon. Die HESOPHIA entspricht einen mittleren Schiffstyp der Adlerraumschiffe. Es ähnelt von der Form einem Raubvogel. Der Rumpf des bisher einzig bekannten Adlerraumschiffes ist zylinderförmig und 900 Meter lang. Offenbar am Kopf des Rumpfes befindet sich eine keilförmige Kanzel. Die Breite liegt bei rund 150 Metern. Zwei mächtige Flügel sind an den Seiten des Hauptkörpers angebracht. Sie haben insgesamt eine Spannweite von 1.200 Metern.

Oberbefehlshaber ist Dux (Admiral) Petronus. Als prominente Beobachter sind der kaiserliche Legat Seamus und der Neffe des Imperators Nersonos an Bord.

Nersonos

Nersonos ist ein Dorgone. Über sein Alter ist nichts bekannt. Er ist der Neffe des derzeit amtierenden Kaisers Thesasian. Nersonos ist von gedrungener Statue, trägt einen blauen Vollbart und blaues, wirres Haar. Er gehört zu den Beobachtern einer Expedition der Dorgonen in der Milchstraße und zu den Verbündeten der MORDRED. Über die genauen Pläne dieser geheimnisvollen Macht ist nichts bekannt. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen am 27. Oktober 1290 NGZ wirkt Nersonos dekadent auf Cauthon Despair. Nersonos selbst sieht sich offenbar als großen und begnadeten Künstler, Sänger und Dichter.

Petronus

Der kaiserliche Dux (Admiral) ist Oberbefehlshaber der HESOPHIA und der dorgonischen Expedition in der Milchstraße. Er hat eine kräftige Statur, sein zerfurchtes Gesicht wird von einer dicken Knollennase dominiert. Viel ist über Petronus derzeit nicht bekannt, außer, dass es sich wohl um einen verdienten und erfahrenen dorgonischen Admiral handelt.

Sha-Hir-R’yar (Terranisch: Shahira)

Shahira ist eine weibliche Schimäre mit menschlichen und kartaninischen Genen, die von der MORDRED als Assassinin eingesetzt wird. Innerhalb der Hierarchie der MORDRED verfügt sie über einen hohen Rang, da sie nur direkt der geheimnisvollen Nummer Vier und natürlich der Nummer Eins unterstellt ist. Selbst der Silberne Ritter Cauthon Despair als Nummer Zwei hat keine unmittelbare Befehlsgewalt über sie.

Weitere Informationen sind nicht bekannt.

Planetenkiller, Massenvernichtungswaffen und der Genozid ganzer Planeten

Die galaktischen Großmächte des 13. Jahrhunderts NGZ verfügen über ein ganzes Arsenal von Waffen, mit denen man ganze Planeten auslöschen kann.

Innerhalb der galaktischen Öffentlichkeit wird vor allem die Arkonbombe als „Planetenkiller“ klassifiziert. Diese Betrachtungsweise ist jedoch unvollständig, da auch „konventionelle“ Waffensysteme wie überschwere Fussionsbomben, Gravitationsbomben oder auch Intervall- und Impulsstrahlungsgeschütze zur Vernichtung ganzer Planeten eingesetzt werden können.

Die im 13. Jahrhundert eingesetzten schweren Fussionsbomben mit einem Kaliber von bis zu 6.000 GT, die zur Standardbewaffnung größerer Schiffe der LFT und des Kristallimperiums gehören, haben eine verheerende Wirkung auf das Ökosystem der angegriffenen Planeten, die für die betroffene Bevölkerung der Wirkung einer Arkonbombe gleichkommt.

In beiden Fällen besteht das Prinzip der Waffenwirkung darin, den Planeten in eine atomare Hölle zu verwandeln und somit alles Leben zu vernichten. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Waffensystemen besteht darin, dass bei der Arkonbombe nicht nur die Planetenoberfläche durch das entfesselte Sonnenfeuer in eine atomare Hölle verwandelt wird, sondern der ganze Planet zuerst eine künstlich gezündete Sonne, und anschließend durch die niedrige Gravitation zu einer im interplanetaren Raum verwehenden Plasmawolke wird. Für die Lebewesen ist das Ergebnis im Endeffekt gleich: Sie verdampfen im atomaren Inferno.

 

Beschreibung: C:\Users\Juergen\Documents\PROCeBook77x48.pngDas DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.

Special-Edition Band 14, veröffentlicht am 8.8.2012 • Autor: Nils Hirseland • Titelillustration: Lothar Bauer • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2012 • Alle Rechte vorbehalten