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D O R G O N

Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs

 

MORDRED-ZYKLUS

Band 13

 

Nils Hirseland

Titelbild von Lothar Bauer

 

 

Brennpunkt Mashratan

Spurensuche auf der Wüstenwelt des Diktators Oberst Kerkum

 

Was bisher geschah

Im Oktober 1290 NGZ erschüttern Terror-anschläge die Galaxis. Die selbst ernannte Separatistenorganisation MORDRED erklärt der Unsterblichenorganisation Camelot den Krieg und vernichtet mit großer Brutalität die Nieder-lassungen auf Olymp, Plophos, Gatas, Zalit und Imart.

Homer G. Adams sieht sich einem Feind gegen-über, der die Schwächen von Camelot kennt, denn der Silberne Ritter Cauthon Despair ist selbst einst ein Cameloter gewesen und sinnt auf Rache, weil er Perry Rhodan persönlich für sein trauriges Schicksal verantwortlich macht.

Die Cameloter – aber auch die LFT – bleiben jedoch nicht inaktiv. Eine Spur könnte zu einer ungastlichen Wüstenwelt führen. Wie schon vor Jahren ist es der galaktische BRENNPUNKT MASHRATAN …

Hauptpersonen

Cauthon Despair – Der Silberne Ritter sinnt auf Rache.

Wyll Nordment und Rosan Orbanashol-Nordment – Sie forschen auf Mashratan.

Aurec – Der Saggittone bietet seine Hilfe an.

Oberst Ibrahim el Kerkum – Der Herrscher von Mashratan.

Xavier Jeamour – Kommandant der IVANHOE.

Lorif, Irwan Dove, Mathew Wallace und James Fraces – Sie ermitteln auf Mashratan.

Henry “Flak” Portland – Kommandant des LFT-Raumschiffes NORTH CAROLINA.

Argon tan Lasal und Dennis Harder – Sie treiben ein undurchsichtiges Spiel.

Wirsal Cell – Der ehemalige Mentor Cauthon Despairs wird aktiv.

 

 

 

 

1. Aus den Chroniken von Jaaron Jargon

Oktober 1290 NGZ

Die Lage bei der Unsterblichenorganistion Camelot war angespannt. Zwar hatte es nach Plophos keine Anschläge mehr auf Camelotniederlassungen gegeben, doch jeder wusste, wie trügerisch diese Ruhe sein musste. Diese war vermutlich nur ein taktisches Kalkül der MORDRED. Nach den Anschlägen auf Olymp und Plophos wurde jede Minute mit dem nächsten Anschlag gerechnet, Angst und Verunsicherung herrschten unter den Agenten und Mitarbeitern der Organisation.

Doch was war, wenn sich dieser Anschlag solange hinauszögerte, bis Nachlässigkeit unter den Mitgliedern eintrat? Vielleicht würde die MORDRED dann zuschlagen, wenn es niemand erwartete?

Ich selbst war vielleicht auch in Gefahr, denn ich stand in regem Kontakt mit Homer G. Adams. Ausgerechnet mein kleines, bescheidenes Domizil nahe Siena in Italien sollte als Konferenzort für ein Treffen zwischen dem saggittonischen Kanzler Aurec und Homer G. Adams auf der einen Seite und der Ersten Terranerin Paola Daschmagan und LFT-Kommissar Cistolo Khan dienen.

Aurec hatte auf diesem Treffen bestanden und Homer hatte den Ort vorgeschlagen, um mediales Aufsehen vermeiden. Als Termin war der 15. Oktober bestimmt worden. Seit dieser Zeit patrouillierten bereits mehrere TLD-Agenten umher, was wohl die Wichtigkeit unterstreichen sollte, die die Führung der LFT dem Treffen beimaß. Diese Maßnahme war umso bemerkenswerter, da ein Großteil der TLD-Mitglieder, samt ihrer Chefin, mit dem entsprechenden Tower durch das Heliotische Bollwerk verschwunden waren. Unter den Agenten, die für die Sicherheit der Konferenz sorgen sollten, befand sich mit Stewart Landry auch ein alter Bekannter. Daneben fiel mir auch eine grünäugige Schönheit mit dem Namen Sanna Breen auf. Sie erklärte, dass sie die persönliche Assistentin des LFT-Kommissars sei, der Glückliche …

So bereitete ich mich auf meinen bescheidenen Beitrag vor und freute mich, endlich auch den berühmten Aurec kennenzulernen.

 

2. IVANHOE

»Guten Morgen, Schatz«, flüsterte Wyll Nordment seiner Frau ins Ohr, die noch im Halbschlaf war. Er kuschelte sich an sie, was sie zuerst mit einem herzhaften Gähnen erwiderte. Als Rosan schließlich zu sich kam, blickte sie Wyll mit ihren rubinroten Augen an und schenkte ihm ein Lächeln.

»Guten Morgen.«

Rosan rekelte sich. Nordment stand nur widerwillig auf. Viel lieber hätte er noch mit Rosan gekuschelt, bis er wieder ins Land der Träume gefallen wäre. Doch der Interkomanruf von Xavier Jeamour vor wenigen Minuten hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass der Kommandant der IVANHOE in einer Viertelstunde eine Besprechung angesetzt hatte.

Wyll teilte das Rosan mit, die wenig Begeisterung zeigte.

»Es ist 05:40 Uhr. Schläft der Mann denn nie?«

Wyll zuckte mit den Schultern, während er in die Nasszelle ging, um wenigstens eine Katzenwäsche hinter sich zu bringen. Der Türsummer erklang. Rosan stieß eine Art »Grr« aus und schwang sich hörbar aus dem Bett. Wyll ließ sich derweil durch das Warmluftdüsensystem abtrocknen.

»Wer ist es?«, rief er fragend.

»Oh, Sir, da hinten sind Sie! Ihre Frau macht einen ermüdeten Eindruck. Nun denn, ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen die Besprechungsunterlagen bereits zu überreichen. Sie haben noch 11 Minuten Zeit, sie zu studieren.«

Wyll glaubte es nicht. Da stand er noch so wie Gott ihn schuf in der Nasszelle – törichterweise ohne sie zu schließen – und nun wurzelte der graue, metallische Posbi mit den großen, roten Kulleraugen vor ihm und reichte ihm einen Datenkristall.

Rosan schlenderte schmunzelnd ins Bad.

»Schamgefühl scheint Lorif nicht zu kennen …«

»Oh, mir ist durchaus bewusst, dass Mister Nordment nackt ist, Mrs. Orbanashol-Nordment. Allerdings kann ich kein Schamgefühl zeigen, da ich ein Roboter von der Hundertsonnenwelt mit Plasmazusatz bin. Da ich kein Mensch bin, zeige ich auch weder eine sexuelle Erregung noch eine peinlich berührte Entrüstung über die Tatsache, dass Mister Nordment nackt vor mir steht.«

Wyll hatte sich inzwischen den Bademantel übergezogen und die Nasszelle verlassen.

»Raus hier«, sagte Rosan ernst. »Das gilt für euch beide. Ich bevorzuge meine Privatsphäre.«

»Natürlich, Mrs. Rosan! Im Übrigen können Sie den Kristall auch in das Interface der Hygienezelle stecken. So können Sie während des physischen Reinigungsprozesses die Themen der nahenden Besprechung studieren. Ich finde, das ist eine sehr effektive Vorgehensweise«, erklärte Lorif weiter.

»Wir sollten tun, was meine Frau wünscht, sonst wird sie grantig«, wandte Wyll ein.

Lorif schien zu verstehen und folgte Nordment aus dem Bad heraus. Wyll schloss die Tür, sodass Rosan nun ungestört ihren »Reinigungsprozess« vollziehen konnte, wie es der Zweite Offizier der IVANHOE bezeichnete.

Lorif war der Wissenschaftsoffizier an Bord der IVANHOE, eignete sich aber auch als Navigator und Mädchen für alles. Er war ein Geschenk der Posbis an die Unsterblichenorganisation. Allerdings war er auch ziemlich geschwätzig und exentrisch, wovon sich Wyll nun auch ausgiebig überzeugen durfte.

*

Mit zehn Minuten Verspätung erreichten Wyll Nordment und Rosan Orbanashol-Nordment die Konferenz im Besprechungsraum neben der Kommandozentrale im Herzen der eintausend Meter durchmessenden IVANHOE. Als Erstes sah Nordment den vorwurfsvollen Blick des Kommandanten Xavier Jeamour.

Der hagere Terraner mit den wenigen Haaren kauerte in seinem Sessel und sagte kein Wort. Jeamour stammte aus Lüttich in Belgien und war früher Angehöriger der LFT-Flotte gewesen. Doch nachdem er sich mit dem Flottenkommando überworfen hatte, war er bereits 1279 NGZ nach Camelot gewechselt und lange Zeit Befehlshaber der FREYJA gewesen.

Für Wyll und Rosan war die FREYJA ein besonderes Raumschiff, denn es hatte sie vor fast fünf Jahren von Londons Grave gerettet.

»Entschuldige bitte, lieber Xavier Jeamour. Ich bin arkonidische Adlige. Wir stehen nicht so früh auf«, versuchte sich Rosan diplomatisch zu entschuldigen.

Jeamour räusperte sich, stand auf und zupfte seine Uniform zurecht.

»Entschuldigung akzeptiert. Guten Morgen erst einmal. Da wir die Recherche rund um Mashratan abgeschlossen haben, ist es nun an der Zeit, uns aktiv auf dem Planeten umzusehen«, erklärte Jeamour.

Rosan schnappte sich erst einmal eine Kanne Kaffee und schenkte sich und Wyll ein. Nordment begrüßte nun auch die anderen Teilnehmer der Besprechung. Neben Jeamour und dem redseligen Lorif waren noch der Erste Offizier James Fraces, ein bärtiger Haudegen aus Irland, der Sicherheitschef Irwan Dove, ein mächtiger Oxtorner sowie der jülziische Maschinenchef Zyrak Wygal und der Space-Jet Oberbefehlshaber Mathew Wallace anwesend.

Es würde der erste Einsatz der IVANHOE werden. In den vergangenen Tagen waren diverse Tests mit dem 1000 Meter durchmessenden Schlachtschiff durchgeführt worden, obwohl die Ausrüstung noch nicht abgeschlossen war. Besonders die fehlenden Trägerkreuzer und Korvetten, bei denen eine Lieferverzögerung eingetreten war, bedeuteten eine schwerwiegende Schwächung der Kampfkraft. Auch die Besatzung musste sich erst einmal einspielen. Allerdings hatten sie wahrlich nicht viel Zeit. Sollte es eine Verbindung zwischen Mashratan und der MORDRED geben, war ein Kampfeinsatz nicht ausgeschlossen. Doch sowohl Jeamour als auch Wyll und Rosan wollten diesen möglichst vermeiden. Vielmehr planten sie eine geheime Operation auf der Wüstenwelt.

Xavier Jeamour übergab das Wort an seinen dritten Offizier, den mächtigen, haarlosen Oxtorner mit der hellbraunen Haut namens Irwan Dove.

Irwan Dove war ein Nachfahre des legendären Hansespezialisten Stalion Dove. Seine Jugend hatte er auf der oxtornischen Kolonie Taulus verbracht, wo er eine fundierte Ausbildung als Waffensystemingenieur abgeschlossen hatte. Einige Jahre später war er nach Oxtorne zurückgekehrt und hatte geheiratet. Die anarchischen Zustände auf seiner Heimatwelt hatten es der LFT leicht gemacht, den begabten Oxtorner für den Ligadienst zu verpflichten.

Seine Frau war jedoch mit der Umsiedlung nach Terra nicht klargekommen, was 1265 NGZ zur Scheidung geführt hatte. Bei ihrem Rückflug nach Oxtorne war das Raumschiff von unbekannten Gegnern angegriffen und vernichtet worden. Dabei war nicht nur sie, sondern auch Irwans Sohn ermordet worden. Irwan gab sich noch immer die Schuld an ihrem Tod und war 1266 NGZ aus dem Ligadienst ausgeschieden. Eine Zeit lang hatte er sich ziellos von Planet zu Planet treiben lassen und fand schließlich in der Vision von Camelot eine neue Aufgabe. 1280 NGZ hatte er sich der Unsterblichenorganisation angeschlossen.

Der Oxtorner begrüßte die Anwesenden freundlich mit seiner sonoren Stimme. Dann fing Dove an, über die aktuelle Lage von Mashratan zu referieren.

»Auf Mashratan regiert Oberst Kerkum zusammen mit den Vhratopriestern mit eiserner Hand. Die Grundrechte der Bevölkerung sind allenfalls archaisch. Durch die sieben Jahre andauernden Sanktionen und Beschränkungen im Im- und Export sind Hungersnöte und Armut weit verbreitet. Trotz regelmäßiger Kontrollen verfügt Kerkum über eine schlagkräftige Armee und militärisch geschulte Polizeieinheiten. Dazu kommen die paramilitärischen Garden der Vhratopriesterschaft. Über eine Raumflotte verfügt Kerkum jedoch nicht mehr. Durch Beschluss von 1284 NGZ musste Mashratan seine Raumflotte abrüsten und entmilitarisieren«, erklärte der Oxtorner.

»Gefahr droht der IVANHOE also höchstens durch Abwehrraumforts im Orbit oder Abwehrgeschützen auf dem Planeten selbst«, schloss der Erste Offizier James Fraces daraus.

Jeamour winkte ab.

»Ich gedenke nicht, die IVANHOE in einen Orbit um Mashratan zu bringen. Wir halten erst einmal eine Position im inneren Planetensystem und werden ein Außenteam auf Mashratan absetzen.«

Jeamour erklärte weiter, dass er keinesfalls einen Konflikt provozieren wollte. Nordment wusste, dass der Kommandant damit recht hatte. Die Mashraten waren nicht gut auf die LFT oder andere Galaktiker zu sprechen. Durch die Sanktionen hatte sich die Bevölkerung größtenteils mit Kerkum solidarisiert, zumal ihn die Vhratopriesterschaft den Rücken deckte. Selbst wenn die Mashratan gegen ihren Despoten rebellierten, so konnte dies nie gegen den Willen der religiösen Führung geschehen, da die Bevölkerung tief religiös geprägt war. Die Verehrung des Dreieinigen Gottes und die Befolgung der Regeln des heiligen Buches Vhrashium war ihr wichtigster Lebensinhalt. Die Religion auf Mashratan verband den Vhratokult der Arkoniden und Akonen, das Christentum, den Islam und das Judentum Terras miteinander. Die Grundlage dieser Theologie war, dass sie alle den gleichen Gott hatte und die Propheten alle Kinder Gottes waren. Der nächste Messias wäre demnach der Vhrato.

Doch zwischen den religiösen Lehren und der gesellschaftlichen Realität herrschte wie so oft ein gewaltiger Unterschied. Die Mashraten lebten nach sehr strengen, uralten religiösen Gesetzen. Insbesondere die Rechte der Frauen waren arg beschnitten. Es gab Galaktiker, die verurteilten diese Behandlung, andere sprachen sich für mehr Toleranz gegenüber den Bräuchen und der Kultur Mashratans aus.

Für Rosan war diese Toleranz gegenüber dem autokratischen und klerikalen System des selbst ernannten »Obersten« ein rotes Tuch. Vor 15 Jahren war sie zusammen mit Cauthon Despair auf Mashratan von Unbekannten entführt worden und in eine Tuffa Jab-Jab Schule gebracht worden. Solche »Schulen« unterrichteten offiziell Kinder im »Tanzen«, was letztendlich nichts anderes bedeutete, dass den Kindern die Persönlichkeit gebrochen wurde, um sie als »Frischfleisch« den Gelüsten betuchter Perverser aus den herrschenden Kreisen zuzuführen.

Gucky hatte sie damals befreit und wohl den Besitzer der Schule in der Wüste ausgesetzt. Rosan hegte seitdem keinerlei Verständnis für die archaischen Bräuche der Mashraten. Außerdem war die tyrannische Familie der Kerkums verschlagen und durch und durch korrupt. Die Moral der teils verwilderten Bevölkerung war nicht sehr hoch. Alles in allem sicher keine Welt, auf der man seinen Urlaub plante.

»In der Hauptstadt Vhrataalis hat das Galaktikum eine großflächige Botschaft aufgebaut, wo Terraner, Ertruser, Akonen, Mehandor und Arkoniden die Einhaltung der Embargobeschlüsse überwachen sollen. Das religiöse Gesetz, wie es im sogenannten »Heiligen Buch Vhrashiator« niedergeschrieben ist, verbietet jeglichen Nichthumanoiden das Betreten des Planeten«, erklärte der Posbi Lorif weiter. »Vor einigen Jahren war es zu einem ernsten Zwischenfall gekommen, als das Galaktikum eine Untersuchungskommission aus Jülziisch, Unithern und Cheborpanern zusammenstellte. Die Folge war, dass der religiöse Mob die Extraterrestrier regelrecht vom Planeten jagte.«

»Was für ein gastfreundliches Paradies«, meinte Mathew Wallace zynisch.

»Aus diesem Grund können auch nur Menschen an der Mission teilnehmen«, sagte Jeamour und richtete seinen Blick auf den Blue Zyrak Wygal, der lässig mit der sechsgliedrigen Hand abwinkte.

»Ich habe sowieso genügend im Maschinenraum zu tun. Da verkrümel ich mich lieber mit einer schönen Flasche Milch und mache weitere Tests mit der Mühle.«

Jeder in dem Besprechungsraum musste schmunzeln und wusste, dass Milch auf die Blues die gleiche Wirkung wie Alkohol hatte. Jeamour hegte keinen Einwand, denn der Kommandant wusste genau, dass sein Maschinenchef sich nicht volllaufen lassen würde. Wygal war ein exentrischer Gataser, auf den jedoch Verlass war. Er war ein technisches Genie und besaß ein geradezu intuitives Verständnis für jede Art von Technik.

»Wir verbleiben zwischen dem Planeten Mashritun-IV und Mashratan. Die Inspekteure des Galaktikums auf Mashratan sind informiert. Wir schicken eine Space-Jet dorthin. Offiziell handelt es sich dabei um eine neue Kontrollkommission«, fasste Jeamour zusammen.

Ein Servoroboter brachte ihm eine heiße Tasse Tee. Jeamour kratzte sich am Nasenflügel und musterte die Runde.

»Mister Wallace, Mister Dove, Mister Lorif und Mister Nordment werden die Kommission bilden.«

»Und was ist mit mir?«, warf Rosan ein.

Jeamour räusperte sich verlegen.

»Das ist keine Mission für eine Dame. Schon gar nicht für eine aus dem arkonidischen Hochadel. Frauen werden hier anders behandelt.«

»Das musst du mir nicht sagen, Kommandant Jeamour! Ich war als Einzige schon einmal hier! Ich werde mich den primitiven Gepflogenheiten anpassen und nicht ohne meine Yeshi-Hihab das Haus verlassen …«

Jeamour seufzte. Wyll hielt sich fein aus der Sache heraus. Er glaubte, Jeamour bemerkte nun, wie resolut Rosan sein konnte. Sie war sicherlich nicht das zarte Püppchen, als das sie viele sahen. Während den LONDON-Katastrophen hatte sie genügend erlebt. Sicherlich wäre es Wyll auch lieber gewesen, wenn Rosan an Bord der IVANHOE bleiben würde, aber wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, hörte sie sowieso nicht auf ihn.

»Also gut. Aber achte auf dich. Nicht dass du auf einem Sklavenmarkt gegen vier Refrys getauscht wirst«, meinte der Kommandant der IVANHOE.

»Nur vier?«, scherzte Rosan.

Jeamour stand auf beendete die Konferenz. Sie begaben sich nun auf eine unwirkliche Welt, in der Hoffnung dort etwas über die MORDRED herauszufinden.

 

3. Mashratan

Rosan Orbanashol-Nordment betrachtete die IVANHOE, als die Space-Jet aus dem Hangar glitt. Es war ein beeindruckender Anblick, auch wenn die LONDON sogar größer und von der Form her einfallsreicher gewesen war. Doch eines wusste Rosan, auf Mashratan würde sie nirgends ertrinken. Hier gab es kaum Wasser. Das machte den Planeten auch wieder irgendwie sympathisch.

Der ockerfarbene Planet des binären Mashritun-Systems verfügte nur über wenige Flüsse und wies nur unterirdische Ozeane auf. Trockene Wüsten erstreckten sich über weite Teile des 13.678 Kilometer durchmessenden Planeten.

Es gab auch nur wenig große Städte. Die Hauptstadt Vhrataalis lag an dem größten Fluss der Welt. Zumeist verteilte sich die Population in den Oasen oder führte ein Nomadendasein. Mashratan war so völlig anders als Terra oder Arkon. Hier schien die Zeit förmlich anders zu ticken. Durch das Embargo wurde der Planet noch mehr vom Rest der Galaxis abgeschnitten.

Rosan wusste nicht, was sie von den Sanktionen halten sollte. Meistens traf dies nicht die eigentlichen Übeltäter, sondern die ohnehin schon arme Bevölkerung. Früher war Mashratan ein beliebter Handelspartner der LFT, des Kristallimperiums aber auch von kriminellen Organisationen gewesen. Vielleicht deshalb.

Nicht umsonst hatten Michael Shorne, der ehemalige Hansesprecher Arno Gaton, Uwahn Jenmuhs und ihr Stiefvater Spector Oberst Kerkum hofiert. Nur ihr Vater hatte damals den Geschäften mit Kerkum skeptisch gegenübergestanden und war wenige Monate später tot.

Rosan hatte immer vermutet, dass Spector oder seine Geschäftspartner, vielleicht auch Kerkum dahinter steckten. An einen Unfall hatte sie trotz Beteuerungen ihrer Mutter nie geglaubt.

Nun waren viele von ihnen schon längst tot. Mutter und Spector waren auf der LONDON gestorben und Arno Gaton hatte nach dem Desaster Selbstmord begangen. Allerdings waren Oberst Kerkum, Michael Shorne und Uwahn Jenmuhs noch am Leben und erfreuten sich offensichtlich bester Gesundheit.

An die Familie Jenmuhs dachte Rosan mit einem Schaudern. Die Erinnerungen an die Vergewaltigung durch Uwahns Zwillingsbruder Hajun an Bord der LONDON II waren noch zu frisch. Sie hatte versucht, es auszublenden. Was blieb ihr auch anderes übrig, um nicht vor Scham darunter zusammenzubrechen. Hajun war tot. Rosan war nicht ganz unschuldig an seinem Ableben gewesen. Zumindest hatte sie Jenmuhs seinem Schicksal überlassen. Doch sie fühlte dabei keine Reue, er hatte letztendlich das bekommen, was er verdient hatte.

Nun war also der nächste Widerling an der Reihe. Oberst Ibrahim el Kerkum. Was würde der sich wohl für sadistische Bosheiten ausdenken? Rosan schüttelte sich. Warum musste sie immer auf irgendwelche Psychopathen treffen? Das war vielleicht der Preis für ein abenteuerliches Leben. Insbesondere, wenn man es mit den Unsterblichen zu tun hatte. Die zogen ja geradezu die ganzen irren Schurken an, wie das Licht die Motten. Sie kamen immer näher an Mashratan heran und passierten die Umlaufbahn der beiden Monde.

Auf der Südhalbkugel lag die Hauptstadt Vhraatalis in einer Hochebene, die von hohen Gletschern umgegeben war. Nur in den Tälern der Bergregionen gab es offenes Wasser. Es war kein Wunder, dass sich das Leben an diesen Quellen tummelte, während große Teile des Planeten bis heute noch unerforscht waren.

»Wir nähern uns dem Orbit und haben Landeerlaubnis erhalten«, meldete Lorif. »Allerdings rate ich dir, Mathew, keine unüberlegten und zu waghalsigen Manöver durchzuführen. Flugabwehrgeschütze sind auf uns gerichtet.«

»Wieso? Ist er dafür bekannt?«, wollte Rosan wissen.

Mathew Wallace kicherte schelmisch.

»Nun während der Testflüge hat sich Mathew Wallace vor allem durch erhöhte Geschwindigkeit, Nichteinhaltens des korrekten Abstands zu anderen Objekten und weiteren Verstößen gegen die Vorschriften zur Steuerung von Raumschiffen hervor getan«, berichtete Lorif.

Wallace lachte.

»Keine Sorge, ich bringe euch sicher nach unten. Lorif übertreibt ein wenig.«

Wallace erinnerte Rosan ein wenig an Wyll. Der am 26. Januar 1270 NGZ geborene Terraner war nicht einmal 21 Jahre alt und schon ein aufstrebender, abenteuerlustiger Offizier.

Mathew Wallace hatte seine Laufbahn als ein sehr junger aber sehr talentierter Offizier begonnen. Seine Mutter war sechs Jahre nach seiner Geburt nach Camelot gezogen, wo Wallace aufgewachsen war. Auch wenn seine Wurzeln auf Terra lagen, so gehörte er zur »Generation Camelot«.

Schnell hatte er sein Interesse für die Raumflotte gefunden und den üblichen Weg absolviert. Als junger Kadett war er 1288 auf die TITANUS gekommen, die jedoch während der Kämpfe gegen die Tolkander zerstört wurde. Dank seinen guten Flugkünsten konnte Wallace mit seiner Crew auf einer Space-Jet entkommen.

Jeamour war auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihm angeboten, Kommandant der Space-Jets zu werden. Wallace hatte sofort akzeptiert und das Kommando über alle 25 Space-Jet Einheiten der IVANHOE erhalten.

Auf Rosan wirkte der schlanke Schotte mit den blauen Augen, dem Dreitagebart und den langen, wirren Haaren sympathisch. Überhaupt war die ganze Führungscrew der IVANHOE offenbar eine gute Auswahl für Camelot gewesen. Auch wenn der erst 1289 konstruierte Posbi Lorif ständig redete und redete, dass selbst der ruhige und besonnene Oxtorner Irwan Dove das ein oder andere Mal hörbar seufzte.

Rosan warf einen Blick auf einen Trividkubus, der die Aufnahmen der Feldkameras der Umfeldoptik in Echtzeit darstellte. Innerhalb der Projektion war die Oberfläche Mashratans in allen Einzelheiten erkennbar, als die Optik immer stärker in das dreidimensionale Bild hineinzoomte.

Sie erkannte die Hügelkette der Hochebene und auch der See mit seinen Nebenflüssen war gut sichtbar. Dort lag auch Vhrataalis, die einzige Millionenmetropole des sonst so ungastlichen Planeten.

Weiße und ockerfarbene Gebäude mit flachen Dächern dominierten das Erscheinungsbild der Stadt. Klotzförmige Hochhäuser reihten sich schmucklos aneinander. Einzig die großen Kirchen, Moscheen, Synagogen und Tempel erstrahlten in gleißendem Glanz.

Meist waren die verschiedenen Gotteshäuser in einem Komplex zusammengefasst und bildeten eine symbiotische Einheit. Diese sollte symbolisch für die vereinte Menschheit aller Kinder Lemurias stehen. Auch wenn Rosan diese Vorstellung auf der einen Seite faszinierend fand – gerade in einer Zeit, in der sich LFT und Kristallimperium in einer Art Kalten Krieg befanden –, so erfüllte sie der Vhratismus, wie er in der Religion des »Dreieinigen Gottes« zum Ausdruck kam, mit Abscheu. Zwar wurde auch auf Terra oder Arkon ein gemeinsamer Gott verehrt, doch die religiösen Gebote und moralischen Verhaltensregeln, wie sie aus dem »Heiligen Buch Vhrashium« abgeleitet wurden, waren archaisch und einer modernen und aufgeschlossenen Gesellschaft unwürdig.

Die Space-Jet überflog den Palastkomplex, ehe Mathew Wallace den Südteil der Stadt ansteuerte. Dort befand sich die Botschaft des Galaktikums, die eher einem kleinen aber feinen Hochsicherheitstrakt ähnelte.

Wallace machte sein Versprechen wahr und landete die Space-Jet sanft auf dem Hangar zwischen zwei 100 Meter Kreuzern. Als Rosan aus der Schleuse der klimatisierten Space-Jet stieg, glaubte sie kurz zu verbrennen, so heiß war es. Sie fasste sich wieder und sah an den gequälten Gesichtern von Wyll und Mathew, dass es ihnen ähnlich erging. Nur Irwan Dove wirkte entspannt. Und natürlich Lorif.

»Eine sonnige Welt«, meinte der Posbi.

»Zu sonnig«, erwiderte Dove kühl und blickte dann nach links. Dort hielt eine Gruppe Menschen auf sie zu.

Das Empfangskomitee bestand aus drei Männern und einer Frau. Natürlich war die Frau nicht die Botschafterin des Galaktikums, denn das hätte die Beziehungen zu den Mashraten belastet. Sie fungierte vielmehr als Beraterin für kulturelle und interreligiöse Aspekte und hieß Pauly Nemak. Rosan kannte die Dame aus einigen Talkshows. Der Terraner in der kakifarbenen Uniform mit dem dicken Bierbauch war offenbar der Botschafter. Er ging an der Spitze. Rechts neben ihm befand sich ein bärtiger Akone und auf der anderen Seite ein kleinwüchsiger Arkonide.

Ansonsten sah Rosan zumeist nur Roboter. Extraterrestrier würde sie hier nicht finden, denn auch nur die bloße Anwesenheit von Jülziisch, Unithern, Swoon oder Topsidern wurde von den Mashraten aus religiösen Gründen abgelehnt.

Der recht beleibte Mann mit der Halbglatze und dem Schnauzbart blieb vor ihnen stehen. Er stemmte die Arme in die Hüften und musterte die Cameloter.

»Soso, ihr seid also diese Rhodanisten! Naja, LFT-Kommissar Khan hat ja ein gutes Wort für euch eingelegt. Ich bin Petur Werna. Willkommen in der Hölle!«

*

Die Gebäude der Stationen machten nicht nur äußerlich einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck, auch die Einrichtung war spartanisch und passte zu dem Erscheinungsbild des Kommandanten Petur Werna. Alles war ungepflegt, geradezu dreckig. Darüber hinaus wunderte es Rosan, dass diverse Mashraten in der Niederlassung des Galaktikums anscheinend unkontrolliert ein- und ausgingen.

Werna erklärte beiläufig, dass sich nur fünfzehn Galaktiker hier befanden. Der Rest bestand aus einheimischem Personal. Haushaltskräfte, Sicherheitspersonal, Wartungspersonal und Techniker.

Der bärtige Akone hieß Argon von Lasal. Der Arkonide war nicht von Adel und trug den Namen Luff Gerbana. Die anderen elf Galaktiker bekam die Gruppe aus Camelot nicht zu sehen.

Mathew Wallace, Irwan Dove, Wyll und Rosan setzten sich. Lorif blieb stehen. Rosan war froh über etwas kühle Luft. Doch alles in allem war es schrecklich heiß und die Ausdünstungen der Anwesenden peinigten ihren Geruchssinn. Pauly Nemak musterte die Cameloter abfällig. Rosan erinnerte sich gut an einige Auftritte der Terranerin, die besonders scharf ihr eigenes Volk kritisierte. Sie war der Auffassung, dass das Solare Imperium sich zahlreicher Verbrechen schuldig gemacht hätte und Rhodan sowie seine unsterbliche Clique vor den galaktischen Gerichtshof für Lebewesenrechte gehörten, um sich für 1.500 Jahre Tyrannei, Rassismus, Krieg und Unterdrückung zu rechtfertigen.

Rosan konnte über so viel selbstherrliche Ignoranz und Dummheit nur den Kopf schütteln. Die modernen Sozialromantiker vom Schlage einer Pauly Nemak hatten sich geradezu in den irrwitzigen Glauben hineingesteigert, dass an allen Missständen in der Milchstraße Perry Rhodan und die anderen Unsterblichen die Schuld tragen würden. Gleichzeitig jedoch war in der terrazentrischen Bewegung um Buddcio Grigor und Medros Eavan eine nationalistische Ideologie entstanden, die die verklärte Großmachtstellung des Solaren Imperiums, und somit das vermeintliche »Goldene Zeitalter« Terras, wieder restaurieren wollte. Einig waren beide Gruppen natürlich darin, dass die Ursache am Niedergang nur bei den Unsterblichen liegen konnte. Als besonders bedenklich erschien es Rosan, dass es deutlich sichtbare Hinweise gab, dass die Mordred genau aus diesem nationalistischen Potenzial gespeist wurden.

Dabei musste es doch für jeden, der die jüngere galaktische Geschichte unvoreingenommen betrachtete, klar auf der Hand liegen, dass es nur der Organisation der Unsterblichen zu verdanken war, dass die Gefahr durch Goedda und die Dscherro gebannt werden konnten.

Diese Einsicht schien auch in den letzten Monaten bei den Galaktikern langsam an Boden zu gewinnen, was die zunehmende Entspannung zwischen Camelot und der LFT zeigte. Allerdings, und das bereitete ihr zunehmend Angst, konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass genau in dieser Entwicklung die Ursache für den zunehmenden Terror der Mordred lag.

Ein Räuspern der in eine sackähnliche Umhüllung gekleideten Terranerin, die Rosan an die »Yeshi-Halef« der weiblichen Landbevölkerung erinnerte, riss sie aus ihren Betrachtungen. Widerwillig rief sie sich nochmals die Informationen über den ehemaligen Medienstar ins Gedächtnis.

Nemak sollte als Vermittlerin zwischen Mashratan, der LFT sowie dem Galaktikum dienen, da sie im Zweifelsfall aufseiten der Mashraten stand, die auf der anderen Seite selbst die radikalsten Rassisten waren, da sie keine nicht humanoiden Lebensformen auf ihrer Welt duldeten und sogar nach den Geboten, die aus dem »Buch Vhrashium« abgeleitet werden konnten, den Genozid aller »Alienparasiten« forderten. Damit stand Pauly Nemak eigentlich mit sich selbst im Widerspruch, denn sie hatte einmal gesagt, dass es besser wäre, die Milchstraße würde sich in ein Schwarzes Loch verwandeln, als dass sie von Rassisten beherrscht würde.

Die einzige Erklärung für diesen Widerspruch konnte darin liegen, dass die ehemalige Moderatorin ihrer irrationalen Verachtung und dem Hass auf Camelot alle sachlichen Argumente unterordnete. Oder, und diesen Gedanken wollte Rosan gar nicht weiterdenken, das ganze sozialromantische Pathos der ehemaligen Moderatorin diente nur dazu, die galaktische Öffentlichkeit hinters Licht zu führen und ihre wahre Einstellung zu verschleiern.

Pauly Nemak gehörte, neben dem rechtskonservativen TV-Moderator Bekket Glyn, zu den unsympathischsten Gestalten der medialen Welt. Wie ihnen diese Personen auf Mashratan weiterhelfen sollten, war ihr schleierhaft.

Es wurden Tee und kalter Muxipsaft serviert. Irwan Dove übernahm die Gesprächsführung. Der Oxtorner erklärte gegenüber den Inspekteuren, dass sie nach Verknüpfungen zwischen Mashratan und der MORDRED suchen würden.

»Das ist noch mashraphob. Ihr wittert hinter allem gleich die bösen Mashraten und ihren Glauben als Unruhestifter. Kehrt lieber vor eurer eigenen Haustür«, warf Pauly Nemak ein.

Petur Werna war mehr damit beschäftigt, auf das Essen zu warten. Immerhin waren Argon von Lasal und Luff Gerbana etwas kooperativer.

»Wir sind Inspekteure und Beobachter aber keine Geheimagenten. Wir müssen mit der mashratischen Regierung zusammenarbeiten. Natürlich werden die uns nicht ihre Geheimnisse verraten. Wenn ihr uns sagt, wonach ihr sucht, können wir vielleicht helfen«, meinte der Akone.

»Ungewöhnliche Aktivitäten zum Beispiel«, sagte Dove. »Truppenbewegungen, unbekannte Raumschiffe, Bauaktivitäten oder das Verschwinden von Bewohnern«, fügte er hinzu.

Pauly schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Petur Werna hatte sich ächzend erhoben und war in die Küche gegangen, um zu überprüfen, wie lange der Kuhunbraten wohl noch brauchen würde.

Argon von Lasal prüfte auf seinem Rechner diverse Protokolle. Derweil servierte ein Roboter Speis und Trank. Es gab eben jenen Kuhunbraten mit mashratischem Gemüse und Kartoffeln. Rosan aß nur wenig davon. Sie wusste über die mashratanischen Schlachtgebräuche Bescheid, was ihr den Appetit verdarb. Die Tiere wurden mit Gebeten bei lebendigem Leib langsam auseinandergenommen. Rosan liebte Fleisch, jedoch war ihr beim Gedanken unwohl, dass die Tiere unnötig gequält wurden.

»Es gibt in der Tat einige Auffälligkeiten. Es wurden viele Transporte durchgeführt, die in den sogenannten Vorhof zur Hölle, also mitten in der unwirklichsten Wüste, endeten«, berichtete Argon von Lasal.

Der Akone war am hilfsbereitesten von allen. Er bot den Camelotern an, sie zu dieser Position zu führen. Die Cameloter sahen sich fragend an, schließlich antwortete Irwan Dove: »Wir nehmen das Angebot gerne an.«

 

4. Die nächsten Ziele

Anfang Oktober 1290 NGZ, Dejabay

Eine weitere Konferenz der obersten Führungsebene der MORDRED war durch Rhifa Hun auf Dejabay einberufen worden. Allerdings waren einige Führer der Terrororganisation nicht anwesend, darunter natürlich die Nummer Vier, der jedoch durch Rhifa Hun, die Nummer Eins, entschuldigt und vertreten wurde. Noch immer rätselten Despair und die anderen, wer sich hinter dem konturlosen Nebelfeld verbarg, doch nur Rhifa Hun selbst kannte die Identität von Nummer Vier. Nicht einmal Despair und Kerkum waren in das Geheimnis eingeweiht, obwohl die Nummer Vier formal ihnen unterstellt war.

Cauthon Despair betrat langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, den Besprechungsraum. Die meisten anderen waren bereits anwesend. Auch Nummer Drei und Nummer Fünf fehlten. Despair wusste, dass sie sich auf Mashratan befanden.

Despair musterte die einzelnen Wesen. Er fühlte sich wohl bei dieser Aktion. Er konnte aus den Gesichtern der Leute lesen, während niemand seine Gesten interpretieren konnte.

Besonders fiel ihm die Anspannung von Ben Trayir auf. Der Ertruser fürchtete sich. Bei der Eliminierung der Cameloter auf Plophos konnten sieben Menschen gerettet werden. Es war zu Verlusten aufseiten der MORDRED gekommen. Dies war zwar nur eine Teilniederlage, dennoch eine Niederlage. Trayir hatte Angst vor der Reaktion von Nummer Eins. Die anderen hingegen waren gespannt. Ihnen bedeutete das Leben von Trayir nichts. Jeder der Anführer war auf seinen eigenen Vorteil aus. Nur der große Respekt vor Nummer Eins hielt sie davon ab, auf eigene Faust zu handeln oder sich gegenseitig zu bekämpfen.

Eron Quartermagin, die Nummer Neun der Organisation schien sogar auf eine drakonische Bestrafung des Ertrusers zu hoffen. Damit würde Quartermagin nämlich in der Hierarchie der MORDRED aufsteigen.

Für Cauthon Despair waren diese Gedankengänge irrelevant. Einzig bedeutend war für ihn der Untergang Camelots. Despair verspürte immer noch großen Zorn und Hass gegen Rhodan und seine Anhänger. Er war fest von dem Willen besessen, die Unsterblichen zu brechen, um danach eine neue Ordnung in der Milchstraße einzuführen, darin lagen seine Motive, er strebte nicht nach Geld oder Macht.

Die Stimme von Rhifa Hun erklang durch das Holosystem. Synchron dazu erschien das Symbol der MORDRED.

»Wir haben uns hier versammelt, um über unsere weiteren Schritte zu beraten«, begann er mit verzerrter Stimme.

Keiner der Beteiligten sagte ein Wort. Vielmehr warteten sie auf das Ende der Kunstpause.

»Bevor wir jedoch damit beginnen, will ich auf unseren Einsatz bei Plophos zu sprechen kommen.«

Unwillkürlich zuckte Trayir zusammen. Es war ein seltsamer Anblick. Dieser hünenhafte, muskelbepackte Ertruser zeigte so offensichtlich seine Angst, dass es fast lächerlich wirkte. Die Blicke seiner Kollegen fielen auf ihn. Unaufgefordert stand Nummer Acht auf, um sich zu rechtfertigen.

»Sir, die Cameloter haben damit begonnen, ihre Niederlassungen militärisch zu schützen. Diese Information besaß ich nicht!«

Es blieb still. Trayir zitterte leicht und fasste sich an das Kinn. Er fuhr sich über die Bartstoppeln und schluckte tief.

»Außerdem ...«, fuhr er mit gebrochener Stimme fort. »Außerdem haben die Cameloter einen neuen Raumschiffstyp eingesetzt, der meinem Schiff weit überlegen war. Ich konnte nichts machen!«

Nun ergriff Rhifa Hun das Wort.

»Uns ist durchaus bekannt, dass die Cameloter ein Schiff mit dem Namen TAKVORIAN, das einen Durchmesser von 1.000 Metern hat und mit modernster Technik ausgerüstet ist, nach Plophos entsendet haben. Dieses Schiff steht unter dem Kommando eines Veteranen aus dem Solaren Imperium namens Joak Cascal, den die Sternenteufel aus den finstersten Gefilden der Hölle ausgespukt haben müssen. In jedem Fall müssen wir uns in Zukunft darauf einstellen, dass der Widerstand Camelots professioneller und wirksamer werden wird, denn dieser Cascal hat im Laufe seines früheren Lebens genügend einschlägige Erfahrungen gesammelt. Die Zeit der leichten Siege für uns dürfte nun vorbei sein.«

Ben Trayir wirkte beruhigt, da Rhifa Hun ihm anscheinend keine Vorwürfe machte. Langsam setzte er sich wieder und wartete auf die weiteren Ausführungen seines Anführers.

»Nummer Acht trifft keine Schuld. Er hat im Gegenteil sein Hauptziel erreicht, die Camelotansiedlung auf Plophos zu vernichten.«

»Was sind unsere nächsten Ziele?«, wollte der Mehandor Horach, Nummer Sechs, wissen.

»Nummer Vier arbeitet zurzeit daran, Verbündete für die MORDRED zu gewinnen. Bis dahin werden wir jedoch mit der Zerstörung der Camelot-Büros fortfahren. Ich habe sechs neue Ziele ausgesucht. Sie lauten Sphinx, Archez, Lepso, Oxtorne, Gäa und die Welt Sverigor«, verkündete er mit einem leichten Unterton.

Despair hob verwundert den Kopf, als er den Namen Sverigor hörte. Rhifa Hun wusste genau, wer auf Sverigor war. Cauthon Despair hatte bis jetzt gehofft, dass sie Sverigor unbeachtet lassen würden.

Den Nummern wurden die Welten zugeteilt. Horach sollte auf seinem Heimatplaneten Archez die Camelotniederlassung vernichten, Trayir Lepso übernehmen, Oran Tazun übernahm Sphinx und Quartermagin meldete sich für Sverigor freiwillig.

»Nein, ich übernehme Sverigor!«, mischte sich Despair ein. Irritiert drehte sich der Arkonide um und sah zu dem Silbernen Ritter.

»Ich hatte mich schon vorher bereit erklärt, diesen Planeten zu übernehmen«, rechtfertigte sich Quartermagin.

Despair trat an ihn heran. Unwillkürlich wich der Arkonide vor der großen Gestalt zurück.

»Das ist doch ein völlig unwichtiger Planet, warum die Aufregung?«, fragte er.

Despair gedachte Quartermagin gegenüber keine Rechenschaft abzulegen. Stattdessen wandte er sich Rhifa Hun zu.

»Lassen Sie mich Sverigor übernehmen!«, forderte er in einem ungewöhnlich harten Tonfall von seinem obersten Befehlshaber.

Kein anderer hätte es gewagt, so entschlossen gegen Nummer Eins vorzugehen. In den ersten Jahren des Aufbaus der MORDRED gab es insgesamt fünfzehn Nummern, doch fünf hatten wegen Verrat oder durch persönliches Versagen teilweise einen grausamen Tod gefunden. Rhifa Hun kannte kein Pardon. Jeder der Anwesenden wartete gespannt auf die Antwort.

»Nummer Neun wird Gäa übernehmen und Cauthon Despair wird auf Sverigor den langen Arm der MORDRED über alle Cameloter richten lassen. Die Sitzung ist beendet!«

»Wie Ihr wünscht«, sprach Despair und verneigte sich kurz.

Dann verließ er mit forschen Schritten den Konferenzsaal. Obwohl er Zantra Solynger seit acht Jahren nicht mehr gesehen hatte und sie ihn bei ihrer letzten Begegnung als Psychopathen bezeichnet hatte, so hatte er seine Gefühle zu ihr nie ganz verloren.

Despair wusste nicht, was er auf Sverigor mit ihr anstellen würde. Sie arbeitete dort im Cameloter Büro. Würde er sie töten oder am Leben lassen? Welche Entscheidung er auch immer treffen würde, eines wusste er genau: Nur er durfte über Zantras Schicksal entscheiden.

*

Despair erreichte die VERDUN, welche sich im unterirdischen Raumhafen von Dejabay befand. Auf der Oberfläche des sumpfigen und tropischen Planeten regnete es wie üblich.

Wartungsroboter arbeiteten an der Außenhülle des einzigen Schlachtschiffes der NEOUNIVERSUM-Klasse. Eine Gruppe von Soldaten salutierte, als Despair an ihnen vorbei schritt.

Despair dachte über Zantra Solynger nach, während er den Weg in die Kommandozentrale über Rollfelder und Antigravs zurücklegte. Was sollte mit ihr geschehen? Bei der Auslöschung des Camelotbüros durfte er sich nicht von persönlichen Gefühlen beeinflussen lassen. Zantra hatte ihn damals verletzt, ihn gedemütigt. War ihr Tod die angemessene Strafe? Oder sollte er sie um seiner alten Gefühle wegen schonen?

Er wurde in seinen Überlegungen von Admiral Kenneth Kolley unterbrochen, der Despair im Korridor vor der Zentrale erwartete. Der Kommandant der VERDUN machte eine Ehrenbezeugung vor seinem Kommandanten.

»Wie lange braucht das Schiff, um startklar zu sein?«

»In 45 Minuten können wir abheben, Sir!«

»Sehr gut, Admiral! Setzen Sie den Kurs auf das Malmöön-System. Wir werden uns des Camelot-Büros auf Sverigor annehmen.«

Kolley machte sich sofort an die Arbeit, während Despair langsam durch die Kommandozentrale ging. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, Zantra jemals wiederzusehen. Sie war ein Symbol für sein verkorkstes Leben. Despair war ihr nie wirklich wichtig gewesen. Er war offenbar nur ein Zeitvertreib für sie gewesen. All die vielen Abende und das unsägliche Gewäsch waren bedeutungslos gewesen.

Despair atmete schwer. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Vielleicht wäre einiges anders verlaufen, wenn Zantra ihm eine Chance gegeben hätte. Möglich, dass er dann sogar Rhodans Verrat verziehen hätte. Doch es hatte nichts mehr auf Camelot gegeben, was ihn zu einer Rückkehr veranlasst hätte.

Nein, seine neue Heimat war die MORDRED. Hier hatte er seine Bestimmung gefunden. Bei der MORDRED fand er den Respekt und die Anerkennung, nach der er sein Leben lang gesucht hatte. Die Offiziere, Soldaten und Angehörige der MORDRED fürchteten den Silbernen Ritter, wie sie ihn respektvoll nannten. Seine Rüstung verlieh ihm diese Aura. Seine Kompromisslosigkeit, seine Unberechenbarkeit und seine Kälte ließen die Verbündeten genauso wie die Gegner erschaudern.

Der Hass hatte ihn mächtig gemacht. Auf Camelot war ein naiver, hoffnungsvoller und doch wenig beachteter junger Mann gewesen. Alle hatten ihn auf ihm herumgetrampelt. Und für Perry Rhodan war Despair sogar so unwichtig gewesen, dass er ihn geflissentlich als Kollateralschaden beim Bombenangriff auf Mashratan beinahe hatte sterben lassen.

Zantra Solynger hatten ihren Beitrag zu seinem Weg zur MORDRED geleistet. Sie hatte ihn einst als Psychopath bezeichnet. Beleidigungen waren sehr leicht ausgesprochen, wenn sich eine Person unendlich überlegen fühlte. Zantra Solynger, so entschloss er sich, würde für ihre Lieblosigkeit, Treuelosigkeit und Impertinenz bezahlen.

*

Cauthon Despair öffnete die Datei Sverigor. Eine holografische Abbildung des Planeten wurde sichtbar. Langsam zoomte das Hologramm näher. Gebirge, Täler, Flüsse und Städte wurden erkennbar.

Sverigor war eine LFT-Kolonie, die im Jahre 2569 alter Zeitrechnung, also noch zu Zeiten des Solaren Imperiums, von schwedischen Emigranten gegründet wurde. Daher hatte diese Welt auch einen nordeuropäischen Touch. Sverigor lag im Malmöön-System, 1.978 Lichtjahre von Sol entfernt. Die Sonne war ein gelber, mittelgroßer Stern. Das System besaß sieben weitere Planeten, doch nur Sverigor eignete sich als bewohnte Welt. Die Schwerkraft lag bei 0,93 Gravos, der Durchmesser betrug 10.867 Kilometer, die Durchschnittstemperatur in den bewohnten Regionen lag knapp 10 Grad Celsius.

Die Hauptstadt der Welt mit zwei Milliarden Einwohnern trug den Namen New Stockholm und bot knapp neun Millionen Galaktikern eine Heimat, weitere Metropolen waren New Trelleborg, New Göteborg oder New Malmö.

Eine beeindruckende Natur zeichnete diesen Planeten aus. Sverigor war ein beliebtes Ausflugsziel, wenngleich in den vergangenen 50 Jahren sich eine negative Stimmung gegen Bürger der LFT und des Kristallimperiums breitgemacht hatte.

Despair fiel der Eintrag zur offiziellen Begrüßungsdokumentation des Planeten auf. Er aktivierte die Datei. Das Gesicht eines dunkelhäutigen Mannes mit rotem Haar und Bart erschien.

»Herzlich willkommen, einzigartiges Individuum. Ich bin das Reiseleiter und bringe dir unsere wundervolle, bunte, vielfältige Welt des Friedens näher.«

Despair setzte sich in seinen breiten Sessel und lehnte sich tief hinein. Schon die Einführung des Videos klang ihm zu perfekt. Er übersprang die Führung durch die tollen Wälder, Seen und Gebirge. Ihn interessierte vielmehr die Gesellschaft Sverigors.

»Sverigor ist seit dem 26. Jahrhundert vor NGZ besiedelt. Sie ist seit jeher ein Planet der Migration und Zuwanderung aus allen Teilen der Galaxis. Darauf sind wir stolz. Wir sind jedoch nicht glücklich über die Epoche des Solaren Imperiums. Zu jener Zeit haben unsere Vorfahren große Schuld auf sich geladen. Wir Individuen leben mit dieser Verantwortung und lehnen jegliche Form von Rassismus, Imperialismus und Faschismus ab, wie er einst im Solaren Imperium verbrecherisch praktiziert wurde.«

Despair war über diese Aussage verwundert. Jedes Imperium war schon vom Begriff her imperialistisch. Doch ob er nun Rhodan mochte oder nicht, dem Solaren Imperium Rassismus oder Faschismus zu unterstellen, war dreist. Doch Despair war neugierig, was dieser Sverige weiter zu berichten hatte.

»Wir sind eine echte Demokratie. Unser moderner Zeitgeist entspricht dem Leben im 13. Jahrhundert NGZ. Wir lieben und respektieren die Kulturen und Religionen, die Bräuche und Sitten aller galaktischen Völker. Unsere Toleranz, unsere Lebensfreude und unser Wille zur Bereicherung unserer Kultur durch Individuen aus mannigfaltigen galaktischen Kulturkreisen macht Sverigor zu einer beliebten neuen Heimat für Bürger der Galaxis.«

Das Video zeigte nun glückliche Blues, Ferronen, Springer, Swoon, Topsider, Unither und auch einen Haluter. Alle waren glücklich und lebten in Frieden und Harmonie miteinander. Das war die offizielle Version. Doch Despair wusste, dass auf Sverigor viele Probleme unter den Teppich gekehrt wurden. Die tolerante Haltung gegenüber allen Wesen der Milchstraße hatte eine Menge Verbrecher und diverse kriminelle Vereinigungen angezogen. Sie beherrschten ganze Siedlungen und konnten ungehindert ihren Geschäften nachgehen.

Sverigor war eine autarke Welt. Als in der LFT nationalistische Tendenzen stärker wurden und Buddico Grigor an die Macht gekommen war, war Sverigor aus der LFT ausgetreten. Die Diktion der absoluten Gleichheit aller, so widersprüchlich und unerfüllbar er auch war, wurde oberster Verfassungsgrundsatz. Rassismus und Diskriminierung waren in jeglicher Form strengstens verboten.

Despair spulte die Videonachricht etwas vor. Dann stoppte er und lies den Erzähler weiter ausführen.

»Wir haben uns frei von Rassismus und Diskriminierung gemacht. Wir haben uns vom Faschismus und Nationalismus der LFT und des Kristallimperiums losgesagt. Wir folgen nicht dem Märchen des Rhodanismus und der Überlegenheit der terranischen Rasse. Wir knien nicht nieder vor der millionenäugigen Illusion des Despoten aus Arkon.

Wir lieben jedes Individuum, egal woher es kommt. Der Mensch ist beispielsweise nicht besser als ein Topsider, sondern hat im Gegenteil viel Schuld auf sich geladen und unendliches Leid über die Milchstraße gebracht. Wir wollen unseren Freunden aus der Milchstraße sagen, dass wir uns für die Taten unserer Rasse schämen.

Wir verurteilen den Imperialismus Arkons über Jahrtausende.

Wir verurteilen die naive, egoistische Expansion Perry Rhodans in der Zeit des Solaren Imperiums.

Wir bekennen uns zur Schuld an Kriegen gegen die Topsider, Akonen und Jülziisch.

Durch die rücksichtslose terranische Politik wurde das Volk der Pariczaner in die Isolation gedrängt. Durch unsere Gewalt an ihnen wurden erst die Leticrons erschaffen. Durch unser Versagen sind die meisten verbannt.

Rhodans rücksichtsloses, kriegslüsternes Verhalten hat uns Feinde im ganzen Universum gebracht und in zahllose Krisen gestürzt.

Wir wissen, dass die Menschheit eine Bestie ist. Doch wir auf Sverigor leisten Wiedergutmachung. Wir haben eine bunte, vielfältige Community des Friedens, der Freude und des Glücks geschaffen.«

Despair war verwirrt. Offenbar hassten die Sverigen inzwischen ihr eigenes Volk und distanzierten sich davon. Die verschrobene Interpretation der galaktischen Geschichte schien auf Sverigor offensichtlich zu wirken.

Despair schüttelte über diesen Irrsinn den Kopf und schlug seine geballte Faust auf den Tisch. Sverigor war eine verachtenswerte Welt. Sie verschmähte ihre eigene Geschichte. Die Menschheit war heute schwach, zerstritten und maßlos arrogant. Sie urteilten verächtlich über die Errungenschaften aus den Zeiten des Solaren Imperiums. Oh ja, Cauthon Despair hasste Perry Rhodan für seinen Verrat, doch er musste zugeben, dass Rhodan und dessen Gefährten erst die Menschheit von der eigenen Selbstzerstörung gerettet hatten.

Doch all das war heute nichts mehr wert. Gleich ob es sich um die nationalistischen Extremisten oder die hoffnungslosen Sozialromantiker wie diese Sverigen handelte, in ihrer Haltung zu den Idealen des Solaren Imperiums trafen sich ihre verqueren Ansichten.

Das Kristallimperium dagegen befand sich auf einem guten Weg. Doch das half den Terranern nicht weiter. Solche Gesellschaften wie auf Sverigor schien das sogar noch zu freuen.

Despair schwirrte der Kopf von all dem Irrsinn. Es gab keine Geschlechter, da schon die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen eine Diskriminierung darstellen würde. Alles war geschlechtsneutral. Diverse Worte, Sätze und Redewendungen waren bei Strafe verboten. Jede terranische Religion war verboten. Nur die Religionen von nichthumanoiden Völkern war erlaubt. Die Sverigen unterlagen einem Ökologisch-Physischen-Maßindex. Wer außerhalb der erlaubten Werte lag, wurde genetisch verändert, um die Umwelt nicht zu belasten und gesünder zu leben.

Das Ziel war das perfekte Individuum, das zugleich innerhalb der gesellschaftlichen Normen lag. Wieder konnte er nur den Kopf schütteln.

Sverigor war eine merkwürdige Welt voller Widersprüche, obwohl man den Anspruch erhob, genau diese Widersprüche abzuschaffen. Er war in gewisser Hinsicht neugierig auf sie, auch wenn er nur den Auftrag hatte, das Camelotbüro in Schutt und Asche zu zerlegen.

*

Einige Stunden später.

Cauthon Despair hatte genug über die Welt Sverigor in Erfahrung gebracht. Es war nichts Besonderes, dass eine Administration absolute Harmonie und Perfektion vorgaukelte. Jede Regierung stellte sich in die Sonnenseite.

Doch die geheimdienstlichen Berichte unterschieden sich gravierend von der offiziellen Darstellung Sverigors. Die Gleichschaltung im Namen der Demokratie und Toleranz hatte ihre Schattenseiten.

Millionen Sverigen hatten während der letzten Jahrzehnte ihre Heimat verlassen, um sich woanders anzusiedeln. Vornehmlich waren es Sverigen menschlicher Abstammung gewesen. Despair las einen Bericht, der ihn aus Camelot zugespielt worden war.

So sehr das Bestreben der sverigischen Administration auch lobenswert ist, Rassendünkel, Ungerechtigkeit und Benachteiligung auszumerzen, so verwendet die Administration seit fast 50 Jahren undemokratische Mittel zur Kontrolle der Gedanken durch Medikamente und genetische Veränderungen. Der Vielvölkerplanet Sverigor leidet außerdem unter seinen eigenen Ansprüchen. Durch den Wunsch alle Völker gleich zu behandeln, wurde genau die Ungerechtigkeit geschaffen, die man angeblich abschaffen wollte. Das umfassende Sozialsystem und die lasche Justiz haben ein Paradies für Verbrecherorganisationen geschaffen.

Drogenhandel, Schmuggel, Piraterie blühen auf Sverigor. Problembereiche werden öffentlich ignoriert. Nach unseren Informationen glaubt die Administration, dass sich solche »spannenden Ereignisse« in einer Generation erledigt hätten.

Ebenfalls bemerken wir eine totalitäre Haltung gegenüber Andersdenkenden. Die Richtlinien der Administration müssen befolgt werden. Strafen werden gegen Andersdenkende in Form von hohen Bußgeldern, Gefängnis oder öffentlicher Ächtung durch einen Eintrag im Sverigornetz verhängt.

Zum Beispiel wird bereits eine Strafe verhängt, wenn Begriffe wie Mutter, Tochter, Mann oder Frau fallen. Die Farbe Blau gilt als Beleidigung für Jülziisch. Die Farbe lindgrün wird in Assoziation mit der Uniform des Solaren Imperiums als rechtsradikal angesehen. Ein lindgrünes Kleidungsstück verwandelt also einen Menschen in einen Faschisten und wird natürlich schwer bestraft.

Kriminelle Clans und Organisationen bleiben unbehelligt, da der gesamte Polizei- und Justizapparat damit beschäftigt ist, die Einhaltung der Gleichheitsregeln zu überwachen und Zuwiderhandlungen strafrechtlich zu verfolgen. Sie schüren geschickt den Hass der Sverigen auf die eigene menschliche Natur und verstehen es geschickt, unbehelligt zu bleiben.

Die Banden nutzen Sverigor als Anlaufstelle und Stützpunkt, verüben aber selten Verbrechen auf der Welt selbst. Allerdings kommen Übergriffe vor, die jedoch in der Öffentlichkeit keine Erwähnung finden, um das System an sich nicht infrage zu stellen.

Einwanderungs- und Auswanderungsquote sind auf Sverigor hoch. Unseren Recherchen zufolge wandern auch viele Extraterrestrier aus (Jülziisch, Topsider, Unither, Swoon), die sich von der Welt enttäuscht zeigen, aufgrund der »Korrektheits-Doktrin«, die von einer Korrektheitsbehörde auch durch Kontrollen überwacht wird.

Sverigor mag für Anhänger des Systems eine paradiesische Welt sein. Sie ist jedoch nicht frei. Die Ansammlung an Verbrecherorganisationen machen Sverigor – trotz eines hohen Ansehens in der Galaxis als Urlaubsstandort – zu einem Pulverfass.

*

Die Sverigen waren also so sehr von ihrem Wunsch beseelt, eine tolerante Gesellschaft der Galaxis zu schaffen, dass sie dabei Mittel anwandten, die sie ja eigentlich verurteilten.

Despair bestätigte das nur in seinen Ansichten. Zuviel Freiheit machte das Individuum dumm und gefährlich. Ein Volk brauchte eine starke Hand, die sie gerecht führte. Worauf sollte Sverigor eigentlich stolz sein? Dass ein Kind seine Mutter nicht einmal mehr Mami nennen durfte? Dass es zum El Dorado von galaktischen Verbrechersyndikaten geworden war, weil sie die Gewissheit hatten, nicht verfolgt zu werden, solange sie nicht menschlicher Abstammung waren? Dass das System zwischen guten und schlechten Verbrechen unterschied? War das gerecht?

Das Solare Imperium und seine lindgrünen Anhänger waren also auf Sverigor verpönt. Diese Narren! Nur ein starkes und geeintes Imperium der Menschheit, das sich über die gesamte Milchstraße erstreckte, konnte die Galaxis vor dem Zerfall bewahren. Eine starke Hand vermochte solch törichte Ideologien zu zerquetschen.

Cauthon Despair war trotzdem neugierig auf diese Sverigen, denn ihre Gesellschaft unterschied sich fundamental von allem, was er bisher kannte. Bevor er das Camelotbüro und vielleicht auch damit Zantra Solynger vernichtete, wollte er sich ein Bild von dieser Gesellschaft machen.

 

5. Aus den Chroniken – Besuch auf Terra

Die Delegation aus Camelot bestand aus drei Leuten. Homer G. Adams, Wirsal Cell und der Saggittone Aurec. Sie erreichten meine Villa an den Hängen vor Siena gegen elf Uhr. Ich war froh, dass Nataly sich für diese Woche bei mir einquartierte, um mir zu helfen.

Meine Nichte war zu einer jungen, bezaubernden Frau von 20 Jahren herangewachsen. Sie trug ihr blondes Haar rücken lang und jeder Mann, der in ihre blauen Augen blickte, war sogleich entzückt. Wäre da nicht ihr aufbrausendes Temperament gewesen. Laut brüllte sie ihren armen Hund Pally zusammen, weil er sich selbstständig gemacht hatte. Nataly war der Auffassung, Hunde müssen einem strikten Training unterzogen werden. Nun ja, das arme Hündchen war offenbar im Begriff, nach preußischer Militärdoktrin erzogen zu werden.

Während ich die Gäste begrüßte, bereitete Nataly Kaffee, Tee, Kaltgetränke und belegte Brötchen vor. Homer kannte ich. Jeder, der sich mit der Geschichte der Milchstraße beschäftigte, dem war Homer G. Adams ein Begriff. Seinen Begleiter Wirsal Cell kannte ich noch nicht. Ein älterer, rundlicher Mann. Das schüttere, graue Haar war wirr und zerzaust. Dann war da noch der charismatische Saggittone Aurec. Er war etwas kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte, doch sein charmantes, weltmännisches Lächeln und sein Auftritt zeigten mir, dass der junge Kanzler Saggittors das Herz am richtigen Fleck hatte.

»Es ist dein erster Besuch auf Terra?«, fragte ich Aurec.

Der Saggittone bestätigte.

»Ich habe viel von der Heimatwelt der Terraner gehört. Diese Gegend ist sehr schön. Sie erinnert mich an Saggitton.«

Wir saßen hier ungestört. Natürlich waren Wachmannschaften Camelots und des Terranischen Liga Dienstes um das Anwesen verteilt. Doch niemand wollte einen großen Staatsakt aus dem Treffen machen. Homer G. Adams berichtete, dass Wirsal Cell früher einer der Ausbilder von Cauthon Despair an der Raumakademie von Port Arthur gewesen war.

»Nun, Homer erhofft sich, dass ich die Psyche von Despair analysieren kann. Doch mein Kontakt mit ihm ist fast acht Jahre her. Cauthon war ein ehrgeiziger junger Mann, der mit den Zurückweisungen der anderen Schüler nie klargekommen war«, berichtete Wirsal Cell, während er mit zitternden Händen einen Tee trank.

Cell schien unter der ganzen Situation zu leiden. Vermutlich gab er sich die Schuld an dem Desaster. Ich hätte es auch getan, wenn einer meiner Schüler zu solch Verbrechen fähig wäre. Zumindest hätte ich mich gefragt, ob ich seinen Werdegang hätte vermeiden können. Homer G. Adams erklärte, dass sie alle Camelotbüros gesichert hätten. Niederlassungen auf weniger wichtige Welten hätten sie bereits gänzlich evakuiert. Dennoch lasteten die Verluste auf Imart, Zalit, Olymp, Gatas und Plophos schwer auf ihm.

»Die MORDRED spielt mit uns. Despair kennt die Koordinaten von Phoenix. Warum greift er uns nicht gleich an?«, fragte sich Adams.

»Entweder ist die MORDRED zu schwach dafür oder er spielt wirklich mit euch und will den Triumph auskosten«, vermutete Aurec. »Außerdem wissen wir nicht genau, ob Despair tatsächlich der Anführer der MORDRED ist«, fügte der Saggittone hinzu.

Der Angriff dieser Terrororganisation hatte Camelot – ja die ganze Galaxis – kalt erwischt. Perry Rhodan, Reginald Bull, Atlan, Gucky und Icho Tolot waren im Universum verstreut. Der Terranische Liga Dienst war seit der Transferierung des TLD Towers durch das Heliotische Bollwerk stark geschwächt. Sowohl die LFT als auch die anderen Machtgruppen der Galaxis litten noch immer unter den Attacken der Tolkander. Es war deshalb gut möglich, dass der Herbst 1290 NGZ schnell zu einem Winter werden würde.

Camelot ermittelte immerhin in alle Richtungen. Der Somer Sam war auf Stiftermann III, genauer gesagt zur BASIS unterwegs, um Hinweise beim organisierten Verbrechen über die MORDRED zu suchen. Die IVANHOE nahm zusammen mit Wyll Nordment und seiner bezaubernden Frau Rosan den ungastlichen Planten Mashratan unter die Lupe.

Die Sicherung der Camelotniederlassung auf diversen Welten wurde von Joak Cascal und Sandal Tolk auf der TAKVORIAN geleitet. Ich war ein wenig enttäuscht, dass ich noch nicht die Gelegenheit dazu hatte, die beiden Veteranen aus dem 36. Jahrhundert Anno Domini zu sprechen. Durch ihre Abenteuer in der Raumzeitfalter der Casaro waren sie neben den Zellaktivatorträgern die ältesten Menschen der Galaxis.

Jaaron wusste, dass eine Expedition der LFT und Camelots in der Raumzeitfalte nach weiteren Hinweisen suchen sollte. Immerhin war es gut möglich, dass diese Casaro noch weitere Stützpunkte in der Lokalen Gruppe hatten. Es schien dieser Tage nur so vor Gefahren zu wimmeln.

Nach einer Stunde traf der TLD-Agent Stewart Landry ein. Nachdem er etwas mit Nataly flirtete, die ganz hin und weg von dem smarten Agenten war, gesellte sich Landry zu uns. Ich kannte ihn schon einige Jahre und Landry war einer der wenigen Geheimdienstler der LFT, die gerne und offen mit Camelot zusammenarbeiteten.

»Cistolo Khan und seine Assistentin werden am Abend in Siena eintreffen«, kündigte er an.

Landry hatte Vertrauen zu den Camelotern. Immerhin hatte er vor fünf Jahren bei der Suche nach der entführten LONDON teilgenommen und sich wochenlang mit dem Mausbiber Gucky in einem Container versteckt, welches sich auf dem Raumschiff der Entführer befunden hatte. So überraschte es mich nicht, dass Landry zugab, der TLD hätte auch einen Agenten namens Will Dean zur BASIS geschickt, der dort als verdeckter Ermittler arbeiten sollte.

»Mit etwas Glück arbeiten Sam und Dean sogar zusammen. Der Junge ist ganz umgänglich, wenn man ihn auf dem richtigen Fuß erwischt«, meinte Landry.

»Wir müssen in dieser Angelegenheit zusammenarbeiten. Das muss auch Khan begreifen«, mahnte Adams.

Landry lächelte gequält.

»Ich weiß das.«

Ein bedrückendes Schweigen kehrte ein. Jedem Anwesenden war klar, dass wir uns – trotz des milden Herbsttages – nicht auf einem Grillabend befanden, sondern über die Verteidigungsmaßnahmen gegen die MORDRED diskutieren wollten.

Und in der Tat lag vieles in den Händen der LFT. Würde sie mit Camelot kooperieren, so wie sie es in der Tolkander- und Dscherrokrise notgedrungen getan hatte, gab es eine Chance, die MORDRED schnell zu stoppen. Sollte die LFT jedoch darauf aus sein, Camelot fallen zu sehen, wer weiß, wie dann alles enden würde …

 

6. Geheimnisse auf Mashratan

Sie hatten auf den Einbruch der Nacht gewartet. Es war dann nicht so heiß in den Wüstenebenen von Mashratan. Die zwei Gleiter schwebten leise über den Wüstenboden und wirbelten Sandkörner auf.

Rosan und Wyll befanden sich mit dem Akonen Argon von Lasal an Bord des ersten Gleiters. Der untersetzte Inspekteur des Galaktikums kratzte sich regelmäßig an seinem Vollbart.

Obwohl er ein paar Pfunde mehr auf den Rippen hatte, wirkte er nicht unattraktiv. Die samtbraune Haut schien noch gebräunter zu sein, als bei normalen Akonen, was vermutlich an der intensiven Sonneneinstrahlung der beiden Gestirne des Systems lag.

Im zweiten Gleiter befanden sich Mathew Wallace und Lorif. Irwan Dove war in der Station als Rücksicherung geblieben, ebenfalls wie zu Rosans Freude, auch diese unsympathische Pauly Nemak. Bis auf Lasal schien keiner der Inspekteure besonders angetan durch den Besuch der Camelotdelegation zu sein.

Rosan hatte ohnehin das Gefühl, dass die Galaktikums-Inspekteure hier nur ihre Zeit absaßen. Wenn die MORDRED tatsächlich etwas mit der mashratischen Regierung zu tun hatte, wieso war es dann noch niemand aufgefallen? Es war doch das Ziel der Überwachung durch das Galaktikum, gerade auf solche Dinge zu achten.

»Du stammst doch aus dem akonischen Adel?«, fragte Nordment, während er eine Zigarette rauchte.

»Das ist korrekt. Meine korrekte Bezeichnung ist Argon tan Lasal. Ich habe mich daran gewöhnt, dass einige Galaktiker eben die übliche Übersetzung im Interkosmo verwenden.«

Lasal lachte und bat Nordment um eine Zigarette.

Rosan wusste, dass die Bezeichnung tan für den Hochadel stand. Demnach gehörte er einer der mächtigen Familien des Vakt-son an. Rosan hatte den Namen Lasal sicher schon einmal gehört, obwohl sie sich nicht an Details erinnern konnte.

Akonen und Arkoniden verstanden sich nicht besonders. So war es selten vorgekommen, dass akonische Delegierte das Haus der Orbanashols aufgesucht hatte. Dazu kam noch, dass die Akonen offiziell dem Forum Raglund angehörten und somit gegen die Interessen des Kristallimperiums arbeiteten.

»Hach, ich wünschte mir, jetzt auf Drorah zu sein. In den Gletschern des Krynor-Gebirges ist es jetzt schön kühl«, sagte tan Lasal.

»Du meinst Sphinx?«, fragte Wyll.

Rosan räusperte sich. Sie bemerkte den abfälligen Blick im Gesicht des Akonen. Rosan wollte ihren Ehemann nicht unbedingt belehren.

»Sphinx ist die terranische Bezeichnung«, erwiderte tan Lasal. »Wir Akonen bevorzugen unsere Namensgebung.«

»Oh, ja, klar. Tut mir leid«, entschuldige sich Wyll.

Argon tan Lasal war damit zufrieden und schmunzelte. Rosan wünschte sich, dass alle Konflikte so leicht zu lösen wären. In der Tat waren viele akonische Begriffe im Interkosmo mit terranischen Bezeichnungen übersetzt worden. Die Akonen waren natürlich wenig begeistert. Aber es war eben eine typisch terranische Sitte oder eher Unsitte. Wie oft hatte Rosan abfällige Bemerkungen der Arkoniden hören müssen, wenn jemand Arkon I anstatt Gos’Ranton gesagt hatte.

»Drorah ist ganz anders als Mashratan. Hier gibt es nur Sand und Hitze. Auf Drorah gibt es viel Wasser und frische Luft, kalter, milder Wind. Nicht so wie hier. Alles steht und ist stickig.«

Der Akone seufzte.

»Nun, mit zu viel Wasser haben wir auch schlechte Erfahrungen gemacht«, meinte Nordment in Anspielung auf die LONDON-Katastrophen. Argon blickte die Zwei verständnislos an, dann ging ihm offenbar ein Licht auf.

»Stimmt, ihr beide seid ja Berühmtheiten. Eure Liebesgeschichte wurde ja sogar verfilmt. Nun, der Ruhm meiner Familie beschränkt sich wohl nur auf den akonischen Hoheitsbereich.«

»Was macht deine Familie?«

»Das, was eine akonische Hochadelsfamilie so macht. Politik, Wirtschaft, gesellschaftliche Anlässe. Wir gestalten das Leben der Akonen mit. Meine Mutter ist im Regierenden Rat, mein Bruder im Energiekommando und mein Vater leitet unser Unternehmen, welches sich mit der Erforschung von Planetenkernen und Ozeanen beschäftigt. Mich hat es auch in die Politik gezogen. Obgleich …«

Argon tan Lasal zögerte. Rosan und Wyll sahen ihn fragend an. Offenbar hatte der Mann auch seine Geheimnisse, die er nicht jedem auf die Nase binden wollte. Er kratzte sich wieder am Bart und stieß einen Pfiff aus.

»Naja, auch wir haben wirtschaftliche Interessen an Mashratan. Unser Unternehmen könnte die geologische Struktur des Planeten verändern, mehr Wasservorräte anlegen. Deshalb habe ich mich auch freiwillig für den Inspekteursposten gemeldet. Vielleicht springt ein Geschäft dabei raus.«

»Ich bewundere deinen Altruismus«, meinte Rosan enttäuscht.

»Jeder muss sehen, wo er bleibt. Auch die Bevölkerung von Mashratan hat ein Anrecht auf Leben und Weiterentwicklung. Und wenn ich daran verdiene, ist das nicht schlimm«, verteidigte sich der Akone.

»Geschäfte mit Oberst Kerkum zu machen, ist falsch«, warf Rosan ein.

»Ob das die Mashraten auch so sehen, die jetzt und heute Wasser dringend bräuchten?«

Rosan seufzte. Der Akone hatte nicht unrecht. So einfältig auch der normale Refryhirte auf Mashratan war, durfte er nicht für die Verbrechen von Oberst Kerkum bestraft werden. Die Sanktionen der LFT trafen aber hauptsächlich das normale Volk, da an ihm gespart wurde.

»Sofern neue Wasserreservoirs angelegt werden, werden diese auch erschwinglich für normalen Bauern sein?«, fragte Wyll mit einem angesäuerten Lächeln.

Argon tan Lasal winkte ab.

»Umsonst ist der Tod. Aber wir werden uns natürlich der Preislage auf diesem Planeten anpassen. Doch es können Jahre vergehen, ehe ich mich mit Kerkum einige. Es sei denn, er wird gestürzt. Dann haben wir mit einer neuen Regierung vielleicht bessere Karten.«

Rosan blickte aus dem Fenster. Die Sterne funkelten und spendeten etwas Licht. Doch viel zu sehen gab es nicht. Sanddüne reihte sich an Sanddüne. Eine trostlose Welt.

Rosan schloss die Augen, um ein wenig zu schlafen.

*

»Aufwachen, Schatz!«

Wyll rüttelte seine Liebste sanft. Langsam öffnete sie die Augen und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht.

»Wie lange habe ich geschlafen?«

»Knapp zwei Stunden. Wir haben eine Ansammlung an Gleitern und Gebäuden rund 20 Kilometer von hier entdeckt. Argon ist der Meinung, dass das die gesuchten Transporter sind.«

Rosan brauchte ein paar Momente, um richtig wach zu werden. Ihr Rücken schmerzte. Offenbar hatte sie keine sehr komfortable Position zum Schlummern gewählt. Sie stieg aus dem Gleiter aus. Obwohl es Nacht war, war es immer noch sehr warm. Sie sah den hochgewachsenen Mathew Wallace und den grauen Posbi Lorif auf sie zuhalten. Lorifs rote Kunstaugen leuchteten hell im Dunkel der Nacht.

Wallace montierte einen Störsender an den beiden Gleitern. Dieser sollte eine Ortung der Vehikel verhindern. Natürlich gab es auch höher entwickelte Technologien, die den Ortungsschutz durch den Störsender durchbrechen konnten.

»Ich habe die Koordinaten an Irwan Dove übermittelt. Es stellt sich nun die Frage unseres weiteren Vorgehens«, sagte Lorif. »Vielleicht sollten wir um weitere Instruktionen von der IVANHOE bitten.«

Wyll Nordment winkte ab.

»Das würden die doch mitbekommen. Wir sollten uns diese Station genauer ansehen. Was ist schon dabei?«

»Nun, Sir, es gibt eine Reihe unkalkulierter Risiken, die wir eingehen. Da wäre zum Beispiel …«

»Klappe, Lorif! Wir schauen uns das an«, entschied Nordment.

»Klappe?«, wiederholte der Posbi irritiert. »Ich besitze keine Klappe und sehe auch keine, die ich halten könnte. Eine Klappe kann man zudem nur aufhalten, jedoch nicht richtig halten.«

Wyll brummte etwas vor sich hin. Dann stiegen alle wieder in ihre Gleiter ein und legten die restlichen 20 Kilometer innerhalb weniger Minuten zurück.

*

Ein einsamer Turm ragte aus dem Sand hervor. Er war vielleicht zehn Meter hoch. Unter ihm befand sich eine breite Öffnung, die offenbar in die Tiefe führte. Vor diesem Tor standen vier Gleiter.

Mehr war an der Oberfläche nicht von der vermeintlich geheimen Station zu erkennen.

»Für mich sieht das wie ein Zugang zu einem unterirdischen See aus. Möglich, dass sie ein neues Wasservorkommen gefunden haben«, meinte der Akone Argon da Lasal.

»Ist dir denn davon nichts bekannt?«, wollte Wyll Nordment wissen.

Er zuckte mit den Schultern.

»Leider nicht.«

Rosan wusste, was in ihrem Mann vorging. Er war wütend über die lasche Arbeitsweise der Inspekteure. Doch er musste sich darüber im Klaren sein, dass Mashratan auch nicht das Protektorat einer Großmacht war. Dennoch verwunderte es auch Rosan, dass ausgerechnet Argon tan Lasal nichts von einem neuen unterirdischen Wasserfund wusste, wo das ausgerechnet seine berufliche Domäne war.

Vielleicht übertrieb Argon tan Lasal auch mit seinem Engagement. Ein wenig Politiker spielen auf galaktischer Ebene, auf Mashratan den Inspekteur heraushängen lassen und zuhause der Sohn erfolgreicher und reicher Eltern sein. Vermutlich nahm er all die Aufgaben gar nicht so richtig ernst.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Rosan.

»Wir können jedenfalls nicht einfach reinplatzen, als wären wir der Pizzabote«, meinte Mathew Wallace.

Rosan dachte an eine leckere, heiße Pizza mit saftigen arkonidischen Pilzen, Tomaten und Paprika aus Guckys Garten, etwas Wurst und schönem dicken, zerlaufenen Käse.

Wyll räusperte sich, als er die Abwesenheit seiner Gattin bemerkte.

»Träumst du von einem anderen Kerl?«

»Nein, von einer Pizza …«

Wyll und Mathew Wallace mussten gleichzeitig lachen. Argon tan Lasal hingegen wirkte wenig amüsiert. Offenbar wollte er am liebsten wieder zurück. Vielleicht wurde ihm das Abenteuer nun zu heiß.

»Argon ist Inspekteur des Galaktikums. Er hat fast überall Zutritt. Wir geben uns als Assistenten aus. Wenn alles in Ordnung ist, passiert nichts. Falls die eine krumme Sache in der Station drehen, erfahren wir das auch«, meinte Nordment.

»Nun, Sir, nur ein Einwand. Sofern sich dort Einheiten der MORDRED befinden oder Mashraten voller Gram, welchen Fluchtplan haben wir?«

Wyll zeigte mit dem Finger auf den Posbi.

»Guter Einwand, mein Freund. Wir improvisieren dann.«

»Improvisieren? Ist das nicht sehr kurzsichtig gedacht?«

Wyll schlug daraufhin vor, dass Mathew Wallace bei den Gleitern bleiben sollte. Sie brauchten Lorif, da er über das meiste Wissen sowie analytische Fähigkeiten und auch die nötigen Apparaturen verfügte.

Argon tan Lasal sollte eine Überraschungsinspektion durchführen. Wyll und Rosan wären seine Assistenten, Lorif sein persönlicher Dienstroboter. Sollte etwas schief gehen, hatte Mathew Wallace die ehrenvolle Aufgabe, sich etwas zur ihrer Befreiung auszudenken.

Rosan gab zu, dass dieser Plan seine Lücken hatte, doch sie fand es irgendwie auch aufregend, wieder in eine abenteuerliche Aktion verwickelt zu werden, die ausnahmsweise nichts mit einem Luxusraumschiff zu tun hatte.

*

Die Drei ließen die mashratischen Gleiterpiloten bei Mathew Wallace und dem zweiten Gleiter zurück. Nordment steuerte das Fluggefährt zu dem großen Turm. Er wartete und es dauerte nicht lange, ehe einige Mashraten aus dem Inneren zu ihnen eilten. Rosan bemerke, dass sie mit Nadelstrahlern bewaffnet waren und somit gefährlich werden konnten.

Argon tan Lasal stieg aus dem Gleiter und gab sich zu erkennen. Er redete mit dem offenbar wachhabenden Offizier auf mashratisch und erklärte ihm, sie seien auf einer unangekündigten Inspektion. Der bärtige Mashrate blickte immer wieder fragend zu seinen Männern. Dann ging er fluchend in das Innere des Turms zurück, offenbar, um neue Instruktionen anzufordern. Die anderen drei Wachen gingen unruhig auf und ab und flüsterten miteinander.

»Verstehst du, was die sagen?«, wollte Wyll von Lorif wissen.

»Meine Akkustichsensoren sind natürlich dem menschlichen Ohr bei Weitem überlegen, Sir. Selbstverständlich verstehe ich, was sie flüstern …«

»Hättest du dann bitte die Güte, uns an deinem Wissen teilhaben zu lassen?«, fragte Wyll ungeduldig.

»Nun, oh. Du meine Güte. Sie fragen sich, ob sie dem Akonen nicht einfach den Kopf wegpusten sollen. Sie verwenden auch einige üble Schimpfwörter uns gegenüber. Ich verweigere hierbei eine Übersetzung.«

Wyll bat Rosan, ihre Verschleierung beim Aussteigen zu aktivieren. Er traute den Mashraten nicht. Nach einer Weile kam der Wachhabende wieder aus dem Turm und erteilte die Erlaubnis, in das Innere der Station zu fahren.

Argon tan Lasal kam mit bleichem Gesicht zurück in den Gleiter und stöhnte erschöpft.

»Wir werden im Inneren der Forschungsstation erwartet«, berichtete er.

Nordment fuhr los. Rosan war gespannt, was oder wer sie dort erwartete.

*

Der Weg führte sie über eine spiralförmig abwärts führende Straße aus Metall offenbar weit in die Tiefe des Planeten.

»Das ist nicht ungewöhnlich. Wasservorkommen können erst in einer Tiefe von einigen Kilometern auftauchen«, erklärte Argon tan Lasal, der sich inzwischen wieder gefasst hatte und gelassener wirkte.

Rosan wurde von den ganzen Drehungen ein wenig flau in der Magengegend. Endlich erreichten sie einen flachen, rund fünf Meter breiten Stollen, an dessen Ende eine beleuchtete Tür auf sie wartete. Wyll lenkte den Gleiter langsam dorthin.

»Laut meinen Messungen befinden wir uns in einer Tiefe von 2.327 Metern unter der Oberfläche«, informierte Lorif. »Allerdings werden meine Sensoren gestört. Ich kann keine Auskünfte darüber erteilen, was sich hinter dem Tor befindet. Trotzdem kann ich die Zusammensetzung des Tores analysieren. Es besteht aus einer Metalllegierung, die als Ishrubat bezeichnet wird und deren Rohmaterialien auf Mashritun 4 gewonnen werden.«

»Danke, Lorif. Wir müssen das nicht wissen«, warf Wyll Nordment ein und blickte die anderen fragend an. »Was nun? Klopfen wir?«

In dem Moment senkte sich das Tor in den Erdboden. Grelles Licht blendete Rosan im ersten Moment. Einige schemenhafte Gestalten traten auf sie zu. Rosan fiel erst jetzt auf, dass sie ihren Energieschleier gar nicht aktiviert hatte. Hoffentlich würde ihr Anblick keinen Kultur- oder Hormonschock bei den Mashraten auslösen.

Die Halbarkonidin gewöhnte sich an das Licht. Sie erkannte nun die erste schemenhafte Figur. Der Mann mit der Glatze und dem Vollbart, der auffälligen Designerbrille und dem wallenden, weißen Seidengewand war Ali Urban Judäa el Kerkum, der zweite Sohn von Oberst Kerkum.

»Willkommen, ihr hättet euren Besuch jedoch ankündigen können«, sprach der Sohn Kerkums und entblößte mit seinem Lächeln seine blütenweißen Zähne.

»Das war eben nicht bezweckt«, antwortete Argon tan Lasal. »Ich führe eine unangekündigte Inspektion durch. Das sind meine Assistenten.«

Ali Urban Judäa el Kerkum lachte schallend.

»Seit wann gehören Wyll Nordment und Rosan Orbanashol zu Galaktikums-Inspekteuren? Bitte, tretet meinen Intellekt nicht mit ungewaschenen Füßen.«

Rosan wusste, dass das eine mashratische Redensart war. Kerkum führte die vier durch einen breiten, weißgelblich beleuchteten Korridor. Die Wände waren sandfarben.

»Nun, ihr möchtet Mashratan ausspionieren. Hier gibt es keine Geheimnisse. Ich zeige euch das Wasserreservoir und dann geht«, erklärte Kerkum.

Mittels eines Fahrstuhls – die Mashratan lehnten Antigravs strickt ab – wurden sie einige Hundert Meter in die Tiefe gebracht. Als die Türen des Fahrstuhls zur Seite glitten, erblickte Rosan das spiegelnde blaugrüne Wasser vor ihr. Der unterirdische See erstreckte sich über ihren gesamten Blickwinkel.

Kerkum breitete die Arme aus.

»Dieser Unterwassersee ist eine großartige Entdeckung für das mashratische Volk. Deshalb haben wir sie geheim gehalten.« Er warf einen vielsagenden Blick auf den Akonen tan Lasal. »Wir wissen ja, dass sich Fremde gerne unsere Schätze zu eigen machen wollen.«

Argon da Lasal räusperte sich.

»Entschuldigung«, wandte Lorif ein.

Alle sahen ihn fragend an. Der Posbi stakste an das Geländer und senkte den Kopf.

»Meine Analysen ergeben, dass dieser See nur einen Meter tief ist und die Ausdehnung mittels Hologrammen künstlich vergrößert wird.« Lorif drehte sich um und wandte sich der Gruppe wieder zu. »Nun, ich würde sagen, dieses Unterwasservorkommen ist zu 98,5 Prozent eine Illusion.«

Stille. Nur Lorifs Worte hallten als leises Echo durch die Höhle. Ein Schwindel. Nur zu welchem Zweck? Offenbar war dieser Unterwassersee eine Tarnung. Vermutlich, um sie in die Irre zu führen.

Ali Urban Judäa el Kerkum wirkte wie versteinert. Auch Argon tan Lasal schien die Situation unangenehm zu sein.

»Was verbergt ihr wirklich hier?«, wollte Wyll Nordment nun wissen. Er erntete einen mitleidigen Blick von Kerkum.

»Folgt mir bitte in den Kommandoraum der Station«, sagte Kerkum leise und deutete zum Fahrstuhl. Sie stiegen ein. Während der Fahrt nach oben, sagte keiner ein Wort. Diese peinliche Stille wurde jäh durch einen ungewollten Aufschrei von Rosan unterbrochen, als sich die Fahrtstuhltüren öffneten und sie in die Mündung eines Strahlers blickte.

Vor ihnen stand ein halbes Dutzend seltsam uniformierter Männer. Sie waren Menschen, die Haut gebräunt, das Haar braun oder schwarz, soweit sie das erkennen konnte.

Die Uniformen wirkten wie aus der Antike. Ein goldener Brustpanzer beherrschte die rotbraune Kombination. Es sah aus wie die Uniform eines Offiziers aus dem Imperium Romanum.

»Wer?«

Weiter kam Wyll nicht. Einer der Fremden feuerte. Ehe Rosan etwas tun konnte, spürte sie, wie sie von einem Strahl erfasst wurde. Dann wurde es schwarz.

 

7. Durch die wilde Wüste

»Aufwachen, Mister Nordment. Unsere Überlebenschancen sinken drastisch, wenn du dich zu lange den glühenden Tagessonnen aussetzt. Wir müssen einen Unterschlupf finden.«

»Was …?«

Wo war er? Wyll Nordment hatte große Kopfschmerzen. Er korrigierte sich – alles tat weh. Die metallische Stimme, die doch recht sanft war, kannte er nur zu gut. Lorif.

»Rosan …?«

»Es tut mir leid, aber sie ist nicht hier. Auch Argon tan Lasal ist verschwunden«, berichtete der Posbi und half Wyll hoch.

Nordment blickte sich um. Wüste! Überall Sand, Dünen und der klare, wolkenlose Himmel wurde von den beiden roten und gelben Sonnen des Mashritun-Systems beherrscht.

Schon jetzt fühlte er die trockene Kehle, die Hitze, die stumpfe, stickige, heiße Luft. Was war nur passiert? Diese komischen Leute mit den römisch anmutenden Kampfanzügen hatten sie wohl betäubt, und offenbar auch in der Wüste ausgesetzt.

Wo aber war nur Rosan? Sie befand sich vermutlich in der gleichen misslichen Lage. Wyll machte sich Sorgen um sie.

»Kannst du Wallace, Dove oder die IVANHOE kontaktieren?«

»Negativ. Sie haben meine Kommunikationsmodule beschädigt. Allerdings funktionieren meine Sensoren noch. Wir befinden uns etwa 180 Kilometer von der Station entfernt. Die nächste Siedlung liegt 23 Kilometer südöstlich.«

23 Kilometer waren machbar. Und doch war es sehr weit bei dieser Hitze und dem Sand. Lorif war auch nicht unbedingt dafür konstruiert, um durch den Sand zu latschen.

Offensichtlich wollten sich Kerkum – Wyll setzte voraus, dass dieser Typ dahinter steckte – und seine römisch anmutenden Freunde ein Vergnügen aus dem qualvollen Tod von Wyll und den anderen machen. Nordment hatte dank Lorif immerhin eine Orientierung. Doch was war mit Rosan?

*

»Yella Yak, Yak! Ksuhi, Ksuhi. Yella!«

»Was?«

Rosan öffnete die Augen. Der Kreis schloss sich. Eines der Letzten Dinge, die sie vor ihrer Bewusstlosigkeit gesehen hatte, war die Mündung eines Strahlers gewesen. Nun blickte sie wieder in das bedrohliche runde, schwarze Loch. Die Sonne brannte auf ihrem Körper. Zu Rosans Entsetzten stellte sie fest, dass ihre schöne rote Kombination ziemlich zerfetzt war.

Der Mashrate in dem lumpigen graubraunen Gewand deutete ihr an, aufzustehen.

»Hoch Schlampe. Hoch!«

Immerhin sprach er nun Interkosmo. Seine blumige Wortwahl machte ihn jedoch nicht sympathischer. Rosan blickte sich um. Sie befand sich offenbar mitten in der Wüste. Einige Meter von ihr erkannte sie einige andere Mashraten, die neben einem klapprigen Transportgleiter standen. Daran waren einige Kuhuns und Refrys angebunden.

»Wie die aussieht. Gott sei ihr gnädig«, rief einer der Männer und zeigte immer wieder mit dem Finger auf Rosan.

Sie stand auf und litt unter den Folgen der Paralyse. Wo war nur Wyll?

»Was … was ist passiert?«, fragte Rosan den bärtigen Mashraten.

»Was du willst? Was passiert, häh? Du hier rumliegen in Sünde im Sand. Das ist passiert, ungläubige Hure!«

»Sie hat Teufelsaugen. Und des Teufels Haar. Sie ist eine Hexe!«, rief ein anderer. »Steinigt sie!«

Rosan vermutete, dass sie absichtlich in dieser Gegend ausgesetzt wurde. Das war doch ein schöner Abgang. Abgeschlachtet von abergläubigen, fanatischen Wüstenleuten. Vermutlich hatte man deshalb ihre Kombination derangiert. Leider hatte Rosan nichts, um den tiefen Ausschnitt und den freien Bauch zu verdecken. Dass sie mit Diplomatie nicht weiterkommen würde, vermutete sie schon, doch sie versuchte es dennoch.

»Ich bin Arkonidin und wurde überfallen. Bringt mich zurück nach Vhrataalis und ihr werdet fürstlich belohnt werden.«

Die Männer schwiegen. Sie blickten sich untereinander fragend an. Einige starrten auf den Boden und schüttelten den Kopf. Einer grinste Rosan an und entblößte sein lückenhaftes Gebiss.

»Sie ist ein Tier. Nichts weiter. Nehmen wir sie durch«, forderte der Mann mit dem Gewehr.

»Oh Gott, heiliger und großbarmherziger Gott, nein!«, brüllte ein anderer. »Wir dürfen uns nicht mit einer Dämonin paaren. Das ist Sünde!«

Es entbrannte eine Diskussion unter den Männern. Rosan überlegte, ob sie zum Gleiter rennen sollte. Doch bis dahin hätte der eine sie schon längst erschossen.

»Wir bringen sie zu Priester Mahmud Benjamin del Concetti. Er muss entscheiden, was wir mit ihr machen«, forderte ein Mann in einem ockerfarbenen Gewand.

Die anderen stimmten zu. Rosan wurde unsanft auf den Laderaum des Gleiters gebracht. Unter diesen Umständen hätte sie einen Wüstenmarsch allein vorgezogen.

Sie fragte sich, ob es Wyll und den anderen gut ging?

 

8. Aus den Chroniken – LFT und Camelot

Die Begrüßung mit Cistolo Khan und seiner Assistentin Sanna Breen fiel kurz und sehr förmlich aus. Landry wurde von Khan sogleich weggeschickt, um einen Patrouillengang zu machen.

Khan war mir natürlich bekannt. Seine Assistentin sah ich zum ersten Mal. Sie hatte schulterlanges, braunes Haar und große grüne Augen. Khan stellte sie als eine Profilerin vor, die Informationen über die MORDRED sammelte. Der LFT-Kommissar wahrte einzig gegenüber Aurec eine gewisse Höflichkeit. Das erforderte auch die Diplomatie gegenüber dem Staatsoberhaupt einer fremden Großmacht.

»Ich verstehe jedoch nicht, wieso wir uns nicht im Hauptquartier Hanse treffen, Kanzler. Die Erste Terranerin würde sich über ein Treffen freuen«, begann Khan.

»Nun, das Problem durch die MORDRED erscheint mir wichtiger, als diplomatische Besuche abzuhalten. Wir vertagen dies, bis wir die MORDRED erledigt haben«, antwortete der Saggittone bestimmt.

Khan räusperte sich und nahm schließlich Platz.

»Ich würde mir ein vertrauteres Umfeld wünschen«, meinte er und blickte Wirsal Cell und mich an.

»Das sind meine Vertrauten«, stellte Homer G. Adams in freundlichen, ruhigen Tonfall klar.

Aurec seufzte.

»Wir haben diesen Platz ausgewählt, weil Jaaron Jargon ein respektierter Galaktiker ist. Von beiden Seiten angesehen. Ihr solltet eure politische Kleinkariertheit ablegen. Die MORDRED tötet Menschen und Galaktiker, unabhängig ob sie mit der LFT oder Camelot sympathisieren. Das hat Priorität!«

Sanna Breen blickte Aurec offensichtlich beeindruckt an, während Cistolo Khan mit versteinerter Miene auf den Marmortisch stierte. Die Gespräche liefen nur schleppend an. Homer G. Adams lockerte die Atmosphäre ein wenig und verwickelte Sanna Breen in ein Gespräch.

Sie erzähle über ihren Werdegang. Die 26 Jahre alte Terranerin hatte aufgrund ihres Aussehens eine Modelkarriere begonnen, die sie jedoch schnell als öde empfunden hatte. Stattdessen hatte Breen fünf Jahre lang an den Universitäten von Terrania City Wirtschafts- und Militärwissenschaften studiert. Ich fragte mich, was man da wohl lernte, aber es gab heutzutage so viele Studienrichtungen und Wissenschaften. Kaum war sie fertig gewesen, so war sie 1289 NGZ als Profilerin und Analytikerin in den Stab von Khan aufgenommen worden. Ihre erste Aufgabe war sogleich die Beobachtung der MORDRED.

Aurec hob den Finger und wirkte fast wie ein verlegener Schuljunge, als er fragte: »Bedeutet das, dass die LFT die MORDRED schon vor den ersten Anschlägen beobachtet hat?«

Breen öffnete den Mund, doch sie sagte nichts. Irritiert blickte sie zu Cistolo Khan.

»Natürlich«, antwortete dieser. »Doch wir hatten keinerlei Informationen, durch die wir die Anschläge hätten verhindern können.«

Nun war es Sanna Breen, die verstohlen auf den Tisch blickte und mit einer Nuance an Nervosität mit dem Löffel ihren Tee umrührte.

»Nun, wenn Camelot bereit ist, uns sämtliche Standpunkte der Niederlassungen mit allen Namen der Beschäftigten zu nennen, helfen wir natürlich bei der Sicherung.«

Adams winkte ab.

»Das hättest du wohl gerne. Wir haben doch bereits Informationen an euch gegeben, die das Hoheitsgebiet der LFT betreffen. Mir ist die Linie der LFT noch nicht ganz klar …«

»Wir stehen für Frieden, Freiheit und Demokratie«, betonte Khan. »Paranoia ist fehl am Platz«, ergänzte er kühl.

Aurec bat Sanna, ihm mitzuteilen, was sie über die MORDRED wüsste, doch Khan stellte sich quer und unterband jeden Informationsaustausch mit einem strikten »Nein«.

»Dieses Verhalten ist für mich absolut unverständlich. Ich als Saggittone setze mich mehr für das Leben deiner eigenen Artgenossen ein, als du selbst. Das sehe ich als unehrenhaft und beschämend an.«

*

Aurecs Wut war für mich nachvollziehbar. Cistolo Khan betrieb die Politik der LFT konsequent fort. Die Ereignisse mit den Tolkandern und den Dscherro hatten zwar Camelot und die LFT zur Zusammenarbeit gezwungen, doch Freunde waren sie deshalb sicherlich noch lange nicht geworden. Für die Regierung war die gegenwärtige Situation auch nicht gerade förderlich. Sie musste die Einmischung Perry Rhodans mehr als alles andere fürchten, denn würden Rhodan und die anderen Zellaktivatorträger wieder in der terranischen Öffentlichkeit auftreten, würde die Bevölkerung ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv gegenüberstehen. Ja, würde sich Rhodan entschließen, zur Wahl als Erster Terraner anzutreten, – wer hätte Chancen gegen die lebende Legende? All das mochte aus Sicht von Cistolo Khan und Paola Daschmagan viel wichtiger sein, als das Leben einiger camelotischer Agenten. Dazu kam, dass sie wohl die Gefährlichkeit der MORDRED unterschätzten. Ich entschloss mich zu versuchen, Khan von der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit gegen die Terrororganisation zu überzeugen.

»Wenn Camelot besiegt ist, wird die Liga das nächste Ziel der MORDRED sein«, argumentierte ich eindringlich gegenüber Khan. Damit lieferte ich Adams sein Stichwort.

»Es ist Camelot, das von einem unbarmherzigen Gegner ausgelöscht werden soll. Es sind Perry Rhodan, Reginald Bull und Atlan, die ihr Leben für die Zukunft der Galaktiker und somit auch die Zukunft der LFT gerade jetzt in fernen Regionen des Universums verteidigen«, beschwor Adams den LFT-Kommissar, »Khan, jetzt zeige doch endlich einmal Vernunft und Verantwortung!«

Der LFT-Kommissar erhob sich. Er blickte über das Tal und schien mit sich zu ringen. Nach einer Weile drehte er sich um und nickte mir zu.

Endlich, dachte ich und begann meinen Bericht.

»Wir haben Verbindungen der MORDRED zu den Galactic Guardians, der Kerkum-Regierung auf Mashratan und in das Kristallimperiums entdeckt. Offenbar wird die MORDRED von einflussreichen Gönnern unterstützt. Bisher haben wir drei Verdächtige. Den arkonidischen Adligen Eron da Quartermagin, den Springerpatriarchen Horach und …«, Breen stockte und suchte Augenkontakt zu Khan. Dieser schwieg. Sie seufzte leise. »Und Dennis Harder.«

»Der Finanzsenator von Terrania City?«, fragte Homer G. Adams verblüfft.

»Genau der«, bestätigte Sanna. »Da Kerkum und die MORDRED im Verborgenen agieren, sind diese drei Leute für die Beschaffung von Ressourcen und finanziellen Mitteln notwendig.«

»Was für Ressourcen?«, wollte Aurec wissen.

»Baumaterial für Raumschiffe, Waffen, Kampfroboter. Sie haben sich ein Netzwerk aufgebaut und Scheinfirmen gegründet. Es gibt genügend autarke Planeten, auf denen Waffen hergestellt werden können. Allerdings wissen wir nicht, in welchem System sich die Hauptstützpunkte befinden. Wir vermuten dort auch eine Raumwerft.«

Der Bau von großen Kampfschiffen wurde auf jeden Fall nicht auf bekannten Werften durchgeführt. So ein großes Projekt über Jahre hinweg könnte nicht verschwiegen werden. Adams erklärte, dass sie so weit auch schon waren, jedoch fehlten ihnen Namen und Bezugspunkte.

»Ich bin verwundert, dass die LFT einen hochrangigen, kriminellen Politiker unbehelligt lässt«, sagte Adams verärgert.

»Wir haben ihn beobachtet, damit er uns zur Zentrale der MORDRED führt. Gleiches gilt für Mashratan. Dort befindet sich bestimmt ein Stützpunkt der MORDRED, aber nicht das Zentrum«, verteidigte sich Khan.

Aurec schlug vor, umgehend die IVANHOE darüber zu informieren. Wirsal Cell erklärte sich bereit, das sofort zu übernehmen. Er stand auf und verließ die Terrasse.

»Wie lange ist der TLD in Besitz dieser Informationen?«, wollte Adams wissen.

»Das unterliegt der Geheimhaltung«, entgegnete Khan barsch.

Aurec stand ruckartig auf. Somit hatte er schnell die Aufmerksamkeit aller Beteiligten.

»Was auch immer. Wir haben drei Kontakte zur MORDRED. Wir sollten sie nutzen. Die MORDRED wird ihre Taktik ändern, da der Überraschungseffekt vorbei ist. Es wird nicht mehr so einfach sein, die Camelot Niederlassungen zu stürmen. Wir müssen also aus den Informationen über diese drei herausfinden, was die MORDRED als Nächstes plant.«

Er wandte sich an Sanna Breen und setzte sich neben die hübsche Terranerin.

»Was kannst du uns über die drei sagen? Wo waren sie? Wo sind die Verbindungen?«

Sanna Breen zuckte mit den Achseln.

»Keine heiße Spur. Alle drei unternehmen viele Geschäftsreisen, angeblich sind sie aber nie gemeinsam am selben Ort. Vielmehr verliert sich oftmals die Spur.«

Ein lautes Husten lenkte sowohl den Saggittonen als die Terranerin ab. Wirsal Cell stand an der Türschwelle.

»Für Analysen haben wir keine Zeit. Ich habe einen Plan.«

 

9. Die Wespe auf dem Dach

Es war viele Jahre her, dass Wirsal Cell das Hauptquartier Hanse besucht hatte. Zwar hatte das HQ Hanse nicht mehr den Glanz früherer Tage, die Cell freilich nicht selbst erlebt hatte, sondern nur aus Berichten und Filmen kannte, doch noch immer war die Anlage im Zentrum Terranias ein beeindruckender Komplex. In den öffentlichen Bereichen reihten sich Akademien, Bibliotheken, Konferenzräume, Hotels, Restaurants, Verwaltungskomplexe der Beamten und des Öffentlichen Dienstes und sogar ein kleiner Raumhafen aneinander. Im inneren Zirkel des Hauptquartiers Hanse befand sich das eigentliche Regierungszentrum, der Verteidigungsanlagen, Energiespeicher, Syntronikbackupsysteme, Bunkeranlagen, hydroponische Gärten, Archive und all das, womit die Regierung der LFT im Verteidigungsfall die Fortführung der Regierungsgeschäfte ermöglicht würde. Im Laufe der Jahrhunderte war die Nutzung des Komplexes jedoch eingeschränkt worden und weite Bereiche der unterirdischen Anlagen lagen brach. Die LFT benötigte längst nicht mehr den ausgedehnten Militärapparat, wie zu früheren Zeiten. Doch die unterirdischen Etagen würden vielleicht wieder an Bedeutung gewinnen, da der TLD-Tower nicht mehr zur Verfügung stand.

Hauptquartier Hanse war in insgesamt drei Bereiche gegliedert. Der Verwaltungsbereich, das Firmengelände der Kosmischen Hanse und das Regierungsviertel.

Wirsal Cells Ziel war das Regierungsgebäude für Terrania City. Er wollte den Finanzsenator Dennis Harder aufsuchen. Es war überraschend einfach gewesen, einen kurzfristigen Termin bei ihm zu bekommen. Das Zauberwort »Camelot« hatte beinahe ausgereicht. Doch sicherlich hatte Cistolo Khan auch seine Finger im Spiel. Cell steuerte den Gleiter über die noch immer beeindruckende Skyline des Komplexes.

Die höchsten Gebäude des Hauptquartiers ragten über 500 Meter in die Höhe. Dort oben waren Aussichtsplattformen mit schönen Gärten, ja sogar kleinen Kunstseen und Wiesen angelegt. Früher hatten die einflussreichen und wohlhabenden Hansesprecher hier ihre rauschenden Feste gefeiert. Doch nun machte das Monument der vergangenen Größe der Hanse einen ungepflegten, geradezu verkommenen Eindruck und zeugte vom wohl endgültigen Niedergang der einst galaxisweit führenden Organisation.

Das Finanzministerium von Terrania City befand sich in der ersten unteren Etage. Nachdem Cell dem Wachpersonal den Besucherausweis zeigte, durfte er nach einem kurzen Sicherheitscheck weiter. Die Bürgermeisterverwaltung von Terrania City war in einer großen, runden Passage untergebracht. An den Seiten lagen die diversen Büros.

Finanzsenator Dennis Harder residierte in einem separaten Komplex, der am Ende des umlaufenden Korridors lag. Das Büro des Finanzsenators war unaufgeräumt. Überall lagen Picopads, Reader, ausgedruckte Seiten und ganze Wälzer an Unterlagen herum. Aus dem Chaos blickte ein kleiner Mann mit kurzem, braunen Haar und Schnurrbart hervor. Er huschte hinter dem Schreibtisch hervor und reichte Cell die Hand.

»So was aber auch. Der Ausbildungsleiter der Raumfahrtakademie auf Camelot«, stellte Dennis Harder fest.

Cell lächelte verlegen.

»Oh, das ist lange her. Ich arbeite nur noch als Berater für die Raumfahrtakademie. Mein Schwerpunkt liegt in der Sicherheitsanalyse der Camelot Niederlassungen.«

Dennis Harder lachte glucksend.

»Da hast du ja keine gute Arbeit geleistet. Nun, was führt dich zu mir? Hätte mir Cistolo Khan nicht mehr oder minder den sanften Befehl erteilt, mit dir zu reden, würdest du hier nicht stehen. Apropos: Nimm doch Platz!«

Cell folgte der Aufforderungen und setzte sich in den schmalen Ledersessel.

»Was habe ich mit Camelot zu tun?«, fragte Dennis Harder?

»Nun, du möchtest es zusammen mit deinen MORDRED-Komplizen vernichten, nicht wahr?«

Der Finanzsenator starrte Cell an, als wäre er eine mystische Erscheinung. Regungslos verharrte der kleine Terraner hinter seinem Schreibtisch. Cell hielt den Augenkontakt aufrecht. Nach einer gefühlten Ewigkeit senkte Harder den Kopf.

»Wer oder was ist die MORDRED?«

Nun musste Cell lachen. Es war nicht das höhnisches, schallende Gelächter, womit er zuvor von Harder bedacht worden war. Es war feiner, leiser und stilvoller.

»Du bist über die Angriffe informiert, kennst aber nicht den Namen der MORDRED? Sehr unglaubwürdig.«

»Das Gespräch ist beendet«, sagte Harder.

»Das Gespräch ist beendet, wenn ich es entscheide«, erwiderte Wirsal Cell bestimmt.

Harder zupfte seine blaue Krawatte zurecht. Wirsal Cell wusste, dass der Finanzsenator so reagieren würde. Harder hatte offenbar niemals damit gerechnet, dass ihm jemand unangenehme Fragen stellen würde. Cell kostete das aus.

»Du hast persönlich Geschäfte mit einem Zulieferungsbetrieb für Rüstungstechnologien aus Terrania City abgesegnet. Die Komponenten, es handelt sich übrigens unter anderem um Sammel-Entmaterialisatoren und Ringspeicher, wurden an eine Tochterfirma der Hanse geliefert, welche als Zwischenhändler für den mehandorischen Patriarchen Horach fungierte. Dieser bezog gleichzeitig weitere Komponenten von einer arkonidischen Rüstungsfirma, deren Inhaber ein Adliger namens Eron da Quartermagin ist …«

Dennis Harder wackelte auf seinem Stuhl hin und her. Dann wurde er ruhig und blickte Cell an.

»Und? Was ist an solchen Geschäften ungewöhnlich? Wenn jemand ein Raumschiff bauen will, bestellt er halt seine Teile. Der Wirtschaftsstandort Terrania City muss wettbewerbsfähig bleiben. Die Hanse hat schon genügend Löcher in den Haushalt gerissen.«

»Nun, soweit ist alles noch legal. Allerdings fungiert der Springer als eine Anlaufstelle für weitere Rüstungslieferanten. Der TLD hat in dieser Sache ermittelt und Eins und Eins zusammengezählt. Harder, aus den gelieferten Bauteilen wird, wenn man sie zusammenmontiert, eine Transformkanone modernster Bauart! Horach scheint mit den von euch gelieferten Komponenten das Waffenembargo gegenüber Mashratan zu umgehen. Kerkum scheint Kriegsschiffe zu bauen, mit Teilen made in Terrania City. Und damit haben die dich am Kragen, denn die Exportgesetze schreiben vor, dass der Endkunde geprüft wird.«

Jetzt wurde Harder wieder nervös. Er wusste, dass er als Verantwortlicher des Geschäfts mit drin steckte. Es war nur die Frage, ob Harder nur ein unfähiger und fahrlässiger Politiker war oder gezielt im Dienst der MORDRED stand.

Cell bat Harder, mit ihm zu den Terrassen zu gehen. Widerwillig stimmte der Finanzsenator zu. Der Antigrav brachte sie in einen künstlich angelegten Garten auf einem der Dächer der Gebäude. Von dem 230 Meter hohen Gebäude hatte sie einen guten Blick über Terrania City.

Cell beobachtete das emsige Verkehrsleben auf der Khooloi-Road und dem Sternenboulevard.

»Der TLD hat noch keine Beweise gegen dich, doch wenn sie tief graben, werden sie bestimmt auch etwas finden«, sagte Wirsal Cell, während eine frische Brise den beiden um die Ohren wehte. Die Blätter der Bäume neben ihnen rauschten, das Geäst knackte leise.

»Und was hat das nun alles mit dir zu tun?«, wollte Harder wissen.

»Am heutigen Tage befinden sich Homer G. Adams und der saggittonische Kanzler Aurec in Siena. Sie haben sich mit Cistolo Khan getroffen. Ich bin auch auf der Besprechung gewesen. Dort ist dein Name in Zusammenhang mit Horach und Quartermagin gefallen.«

Harder seufzte. Viel hatte der Politiker nicht gesagt, doch seine Mimik sprach Bände.

»Ich soll dich zu einer Kooperation bewegen. Wir suchen den Stützpunkt und die Drahtzieher der MORDRED.«

»Ich weiß von nichts und bin mir keiner Schuld bewusst. Wenn dieser Springer oder der Arkonide in unsaubere Geschäfte verwickelt sind, dann ist das nicht mein Problem. Mir geht es einzig allein um das Wohl der terranischen Wirtschaft«, wehrte Harder ab.

»Eine schöne Ansprache, doch kannst du das auch durchziehen? Der TLD und Camelot werden dich beobachten. Und solltest du wirklich für die MORDRED arbeiten, wirst du zu einem Sicherheitsrisiko für die.«

Die Worte schienen zu wirken. Harder dachte offenbar angestrengt nach. Wirsal Cell legte seinen Arm auf Harders Unterarm.

»Es gibt allerdings noch eine Alternative. Ich habe gehört, dass Cauthon Despair zur MORDRED gehört. Ich war sein Mentor. Uns verbindet ein natürlicher Hass gegen Perry Rhodan, gegen das morsche System der LFT und die extraterrestrische Flut auf terranischen Welten. Ich habe dir Zeit verschafft. Wenn die MORDRED sich erkenntlich zeigt und ich Teil der Organisation werden könnte …«

Den Rest ließ Wirsal Cell offen. Harder lächelte das erste Mal. Er blickte sich um, wollte sich offensichtlich vergewissern, dass niemand sie beobachtete.

»Ich werde nicht so töricht sein, dir Namen von Planeten zu nennen, auf denen die MORDRED aktiv ist, sofern ich sie überhaupt wüsste. Doch ich habe Gerüchte gehört, dass Despair sich für die Welt Sverigor interessiert.«

Harder fuchtelte mit der Hand, um eine Wespe zu verscheuchen, doch sie flog surrend immer wieder über ihn hinweg.

»Mistviecher«, fluchte er. »Ich werde nun eine dringende Geschäftsreise unternehmen und abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Reise nach Sverigor. Dort wirst du Instruktionen der MORDRED erhalten.«

Wirsal Cell drehte sich um und beobachtete die Parkanlage auf dem Dach. In der Ferne erkannte er Stewart Landry, Sanna Breen und den Saggittonen Aurec. Sie gingen direkt auf sie zu. Die drei hatten über das versteckte Mikrofon an Wirsals Kleidung genug gehört und nun einen Anhaltspunkt: Sverigor. Dennis Harder schien das nicht so recht zu begreifen. Er beschäftigte sich noch immer mit der lästigen Wespe.

»Dennis Harder, ich nehme dich wegen Verstoßes gegen die Exportbeschränkungen von Rüstungsgütern in Gewahrsam«, sagte Landry und zückte ohne Zögern seinen Handstrahler.

»Was? Wieso? Was fällt dir ein? Weißt du nicht, wer ich bin?«

Sanna Breen und Aurec blockierten Harder einen möglichen Fluchtweg. Der Finanzsenator starrte Wirsal Cell entsetzt an. Cell hatte nichts weiter als ein müdes Lächeln für Harder übrig.

»Du bist uns in die Falle getappt. Dank dir haben wir jetzt die Chance, Despair zu fangen.«

»Wenn du uns umgehend das Hauptquartier der MORDRED nennst, können wir Leben retten, und dir Strafmilderung zusichern«, sagte Sanna Breen.

Für einen Moment war Dennis Harder sprachlos. Dann schien er zu erkennen, dass das Spiel vorbei war.

»Also gut«, begann er.

Wieder kehrte die Wespe zurück. Harder versuchte, sie mit der Handkante zu treffen. Natürlich verfehlte er sie. Die Wespe kehrte zurück, landete auf seinem Hals und stach zu. Harder schrie auf und klatschte sich an den Hals, doch die Wespe war schneller und flog in die Luft. Schnell hatten sie sie aus den Augen verloren.

»Also? Wo ist das Hauptquartier der MORDRED?«, wollte Sanna Breen wissen.

Dennis Harder fing an zu zittern. Er spuckte Schaum und Speichel aus. Er quickte schrill auf, schüttelte sich und brach dann leblos zusammen. Landry versuchte ihn zu reanimieren, doch es war schon zu spät.

»Ein Schock durch den Wespenstich«, vermutete Breen.

»Nein«, sagte Wirsal Cell. »Er wurde vergiftet. Die MORDRED beobachtet uns.«

Aurec sah sich um. Plötzlich hörte er ein Summen hinter sich. Aurec zog seinen Strahler und schoss auf die nahende Wespe, die rückstandslos verglühte.

»Sicher ist sicher«, meinte der Saggittone. »Wir haben keine Zeit. Wenn die MORDRED uns beobachtet, müssen wir schleunigst nach Sverigor, solange Despair dort ist.«

 

10. Glühende Sonnen

»Nur noch 14 Kilometer, Sir!«

»Nur … nur …«

Wyll Nordment fehlte die Kraft, auf Lorifs wenig geistreiche Aufmunterung einzugehen. Die Kehle war trocken, die Sonnen brannten heiß und es war nur noch Wüste zu sehen. Sie waren verloren. Für neun Kilometer hatten sie mehr als acht Stunden benötigt. Und sie wurden langsamer. Zumindest Wyll gingen die Kräfte aus. Lorif konnte sicherlich noch Tage so weiter marschieren. Er brauchte auch kein Wasser und keine Kühlung.

Nordment starrte stöhnend in den wolkenlosen Himmel. Die beiden Sonnen brannten unerbittlich auf sie herab.

Der Anblick am Boden war nicht besser. Sand, so weit das Auge reichte. Hier und da gab es festeren, steinigen Boden.

»Ich orte eine kleine Ansammlung an pflanzlichen und tierischen Lebensformen, Sir. In die Richtung.«

Wyll folgte dem Posbi wortlos. Lorifs Sensoren waren ihre einzige Hoffnung. Jeder Schritt fiel schwer. Wyll erkannte aus der Ferne eine eingedorrte Pflanze mit dunkelroten Blüten. Ein schwarzer Stängel wucherte etwa zwei Meter in die Höhe.

»Eine mashratische Wüstenpflanze. Ihr Wurzeln gehen tief. Von dort bezieht sie Wasser. Ansonsten ernährt sie sich von Fleisch …«

Wyll stoppte und hielt gebührenden Abstand zur Pflanze.

»Hat sicherlich nicht viel zu essen bekommen in letzter Zeit.«

Wyll wollte sich auf einen Stein setzen, um etwas auszuruhen.

»Das würde ich nicht tun. Hinter dir befindet sich ein Schlangennest. Das ist eine Art Oase hier.«

»Und wo ist Wasser?«

Lorif schwieg. Nach einer Weile antwortete der Posbi: »Etwa 20 Meter in der Tiefe.«

»Super …«

Wyll blickte sich um. Er erkannte eine Art Höhle zwischen zwei quadratischen Felsblöcken. Der Terraner ließ sich von Lorifs Zwischenrufen nicht beirren. Wenn es einen Weg zum Wasser gab, dann dort. Außerdem wären sie in der Höhle geschützt. Es war die Rettung. Beinahe hätte Wyll schon die Hoffnung gänzlich aufgegeben. Nordment nahm seine letzte Kraft zusammen und plötzlich hörte er ein bedrohliches Knacken aus der Grotte. Er stoppte abrupt.

»Zurück, Sir!«, rief der Posbi.

Langsam setzte Nordment einen Schritt hinter den anderen. Ein lautes Grollen ließ ihn trotz der Hitze einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Mit mächtigem Stampfen krabbelte ein riesiges, skorpionartiges Wesen aus der Höhle.

Es besaß gleich vier Zangenarme und schnappte mit einem zu. Offenbar war das nur eine Warnung. Wyll ging behutsam zurück. Lorif stellte sich vor den Terraner, da wuchtete das etwa zwei Meter große Rieseninsekt den Stachelschwanz bereits auf den Posbi. Nach einem blechernen Geräusch fiel Lorif zu Boden. Der Skorpion griff mit dem Zangenarm nach ihm, doch Lorif packte die beiden Scherenseiten und drückte sie auseinander. Doch mit dem zweiten Arm bekam der Skorpion ihn zu fassen. Wyll sah sich um, griff ein paar handgroße Steine und warf sie auf das Insekt. Dieses war unbeeindruckt und setzte seinen Kampf gegen den Posbi fort.

Plötzlich hörte Nordment ein Donnern am Himmel. Er blickte nach oben. Die Space-Jet war bereits fast über ihn und setzte einen gut platzierten Schuss auf die Mitte des Skorpions ab. Augenblick sank das Wüstenwesen zu Boden. Lorif befreite sich aus der misslichen Lage. Wyll eilte zu ihm. Zwar war der Posbi an der Außenhaut zerbeult, doch es schien ihm gut zu gehen.

»Ein faszinierendes Wesen«, kommentierte Lorif nüchtern.

Nordment fehlte die Kraft, um zu sprechen. Ein Hustenreiz breitete sich in der Kehle aus. Er unterdrückte ihn. Die Space-Jet landete. Er war froh, den Oxtorner Irwan Dove und den Schotten Mathew Wallace zu sehen.

»Möchtet ihr noch eine Weile hier spielen und euch sonnen oder sucht ihr eine Mitfluggelegenheit?«, fragte Wallace grinsend.

Dove reichte Nordment eine Flasche Wasser. Innerhalb kürzester Zeit leere Wyll sie.

»Wie?«

»Ihr bewegt euch weit ab von der geheimen Station, sonst hätten wir euch eher gefunden. Wir haben Lorif schließlich anpeilen können«, erklärte Dove mit dunkler Stimme.

»Rosan?«

Wallace macht ein ernstes Gesicht und schüttelte den Kopf.

»Keine Spur von ihr. Mein Gleiter wurde gestern Abend angegriffen. Ich flog zurück und wir kehrten beim Morgengrauen zurück, um euch zu suchen. Die Heinis vom Galaktikum diskutieren derweil mit Kerkum um irgendwelche Genehmigungen, doch das dauerte uns zu lange.«

»Argon tan Lasal?«

»Auch er ist verschwunden«, antwortete Dove. Der Oxtorner nahm Wyll Nordment und trug den erschöpften Terraner behutsam in die Space-Jet. So erledigt Wyll auch war, die Sorge um Rosan trieb ihn an. Sie mussten seine geliebte Frau finden. Wenn sie auch irgendwo in der Wüste ausgesetzt war, blieb ihr nicht mehr viel Zeit!

*

Wie lange Rosan den Gestank noch aushalten konnte, wusste sie nicht. Sie hätte den einsamen Weg durch die Wüste vorgezogen. Doch stattdessen saß sie seit Stunden auf der Ladefläche des Transportgleiters im mit Urin und Kot durchtränkten Heu zwischen müffelnden Kuhuns, Refrys und noch übler riechenden Mashratan, die sie mit einer Mischung aus Verlangen und Furcht musterten.

Keiner hatte mit ihr geredet. Niemand hatte ihre Fragen beantwortet. Sie hoffte, dass dieser Vhratopriester etwas mehr Verstand besitzen würde. Die Halbarkonidin hatte keine Ahnung, wo sie sich auf Mashratan befand. Die Logik würde gebieten, dass sie nicht zu weit von der geheimen Station entfernt war.

War es nun Zufall oder Absicht, dass sie auf diese Karawane gestoßen war? Und was war mit Wyll passiert? Endlich stoppte der Transporter. Rosan wurde grob von der Ladefläche gestoßen und sank erschöpft in den heißen Sand. Die Mashraten grölten und feuerten mit ihren Waffen in die Luft. Offenbar war es ein Zeichen ihrer Rückkehr. Oder, dass sie Beute mitgebracht hatten.

Das Inferno aus diversen Waffen ließ Rosan die Hände auf die gepeinigten Ohren pressen und die Augen zusammenkneifen. Das Ganze erinnerte sie an kulturelle Berichte über die nomadischen Wüstenvölker Terras vor der Eroberung des Weltraumes. Genau wie die Beduinen Terras schienen die Mashraten großen Spaß daran zu haben, ihre Rückkehr in ihr Dorf mit einem ohrenbetäubenden Spektakel zu feiern. Hauptsächlich verfügten sie über ein vielfältiges Arsenal von altertümlichen Projektilwaffen, aber zu Rosans Bestürzung kamen auch moderne elektromagnetische Hochleistungswaffen und sogar ein Impulsstrahler zum Einsatz.

Rosan war innerhalb weniger Momente von Bewohner des kargen Dorfes umringt. Kinder betatschten sie, rissen an den Resten ihrer Kleidung. Die Frauen, natürlich durch den Yeshi-Hihab Energieschleier verhüllt, stießen schrille Verwünschungen aus.

Soweit Rosan den mashratischen Dialekt halbwegs verstehen konnte, wurden die Methoden ihrer Hinrichtung diskutiert. Diese variierten zwischen Steinigung, Enthauptung, Verbrennung oder Erhängung. Einige der Männer schlugen sie mit den Kolben ihrer Gewehre und drängten sie durch die Gassen. Die Straßen waren Sandwege, die Häuser schlichte Kuppelbauten aus weißem Stein, der jedoch längst seine klare Farbe verloren hatte und mehr grau-gelb wirkte. Hier und da fand Rosan Anzeichen von Technologie, doch alles in allem wirkte es so, als befände sie sich um Jahrtausende zurück versetzt. Es wirkte alles so ärmlich und heruntergekommen. Ja, regelrecht verfallen.

Die Mashraten mussten in großer Armut leben. Auf Terra oder im Gos’Tussan gab es solche Dörfer nicht. Es wäre undenkbar gewesen, die Infrastruktur so verfallen zu lassen. Bei den Terranern geschah das aus Fürsorge gegenüber den Bewohnern Terras, bei den Arkoniden auch aus Imagegründen. Doch Mashratan war anders. Alles war hier anders als auf den modernen Hauptwelten der Milchstraße.

Hier standen Kutschen neben verrosteten Gleitern. Alte, knirschende Roboter schleppten Wasserkrüge aus Ton durch die Gegend. Die Zeit schien auf Mashratan stehen geblieben zu sein.

Das einzig prunkvolle Gebäude war der Vhratotempel. Er war von einer hohen, weißen Mauer mit grünen Zinnen umgeben. Noch immer redete niemand mit Rosan. Die Dorfbewohner beschimpften sie lieber. Rosan war froh, als sie die Mauern des Tempelbezirks erreichte. Er wurde von zwei Mashratan bewacht, die immerhin saubere Kleidung trugen. Einer ihrer Entführer berichtete, was geschehen war. Ein Vorsteher eilte zu ihnen. Der Dunkelhäutige Mashrate mit dem grünen Haar und Bart war aus der Puste, als er das Tor erreicht hatte.

Die Wachen brachten Rosan in das Innere, während die Dorfbewohner draußen warten mussten. Der Hof der Anlage war gepflegt. Einige Mashraten verrichteten Gärtnertätigkeiten. Der Tempel selbst war vielleicht zehn mal zehn Meter groß. Vier Türme ragten an den Seiten hoch. Das Dach verlief spitz zu. Diese Bauart war typisch für Mashratan. Eine Mischung aus romanisch-gotischen Kirchen des Christentums und arabischen Moscheen.

»Verstehst du Interkosmo?«, wollte Rosan von dem Vorsteher wissen.

»Schweig, der Priester wird mit dir reden und über dein Schicksal entscheiden.«

Das Innere des Tempels war vergleichsweise schlicht. Dreidimensionale Hologramme verzierten die Decke und die Wände. Sie zeigten Abbildungen von Heiligen der verschiedenen Religionen.

Sie wurde vorbei an den Sitzplätzen und dem Altar in einen Nebenraum gebracht. Dort erwartete sie der Vhratopriester. Der Vorsteher stellte ihn als Mahmud Benjamin del Concetti vor. Concetti trug ein weiß-rotes Gewand. Sein grobes Gesicht in dunklem Teint war von einem grauen, langen Bart bedeckt. Auf dem Kopf trug er eine Art Häkelmütze.

Der Vorsteher zwang Rosan, niederzuknien.

»Die Männer berichten, du seist eine Ausgeburt der Wüste. Kennst du die Geschichte der Lilith? Sie war einst ein Kind Gottes, doch sie hatte Gott herausgefordert und wurde aus dem Paradies verbannt. Fortan lebte sie in der Wüste und zeugte mit dem Satan Dämonen. Des Nachts schleicht sie sich in die Häuser und saugt das Blut aus Säuglingen oder vergewaltigt tugendhafte Männer.«

»Ich sehe da keine Parallelen«, erwiderte Rosan.

Sie erhob sich und nahm Haltung an.

»Ich bin eine Aristokratin arkonidischen Blutes. Ich wurde entführt, in der Wüste ausgesetzt und dann von ihren Dorfbewohnern verschleppt. Ich verlange im Namen des arkonidischen Kristallimperiums sofort nach Vhrataalis gebracht zu werden.«

Mahmud Benjamin del Concetti lachte Rosan nur aus und setzte sich auf ein Kissen auf den Boden.

»Das Kristallimperium bedeutet in meiner Provinz nichts. Die meisten Bürger des Dorfes wissen nicht einmal, dass es existiert. Du hast hier nichts zu verlangen, Ungläubige! Die Bewohner halten dich für eine Hexe, bestenfalls. Auf Magie steht der Tod.«

Rosan nahm nun auch Platz und versuchte eine andere Taktik.

»Wir beiden wissen, dass ich keine Hexe bin. Ich bin reich. Als Dank für die Errettung könnte ich doch eine stattliche Summe an die Kirche und das Dorf spenden?«

Der Priester und der Vorsteher wechselten einen Blick. Sie schienen zu überlegen.

»Was ist mehr wert? Das kurzfristige Vergnügen mich zu steinigen oder eine neue, prächtige Kapelle? Eine Sanierung des Dorfes zu Ehren Vhratos?«

»Nun«, sagte der Priester gedehnt. »Ich gehe im Moment davon aus, dass du keine Hexe bist. Ich werde zu Gott beten und hoffe auf eine Weise Eingebung durch ihn. Bis dahin bist du unser Gast. Du stehst unter meinem Schutz.«

»Vielen Dank, hoher Priester des Vhrato. Ich würde deine unendlich großzügige Gastfreundschaft gerne in Anspruch nehmen und mich frisch machen. Neue Kleider wären auch nicht verkehrt.«

»So sei es. Nun gehe dahin.«

Der Vorsteher brachte Rosan in einen anderen Raum. Dort fand sie ein Bad. Sie wartete eine Weile. Schließlich entdeckte sie eine Kamera. Rosan hatte so etwas schon erwartet. Sie hing ein Handtuch darüber und genoss das Bad.

*

Ihre neuen Kleider bestanden eigentlich nur aus einem zusätzlichen Gewand, welches sie über ihre derangierte Kombination legte. Außerdem überreichte der Vorsteher ihr einen Gürtel mit dem Yeshi-Hihab.

Rosan bekam die Erlaubnis, sich das Dorf anzuschauen. Sie hatte eine Stunde Ausgang von der Tempelanlage. Natürlich musste sie die Yeshi-Hihab aktivieren. Es war den mashratischen Frauen strengstens verboten, sich außerhalb der vier Wände des Ehemannes oder Vaters zu zeigen. Wie die Männer so eine Frau kennenlernen wollte, war Rosan schleierhaft. Allerdings wusste sie auch, dass die meisten Ehen ohnehin von den Familienoberhäuptern arrangiert wurden.

Sie zögerte etwas, als sie durch das Tor der Tempelanlage geschritten war. Die Straße vor ihr führte nach rechts zum Marktplatz. Dort befand sich das Zentrum des Dorfes. Also ging sie dorthin. Niemand beachtete Rosan im Schutz der Yeshi-Hihab. Der Marktplatz war ein etwa einhundert Meter durchmessender, runder Platz. Auf ihm standen einige Zelte und provisorische Stände, mit Spanntüchern als Sonnenschutz. Auf einem zerfallenen Turm links glomm eine Holografie von Oberst Kerkum.

Rosan blickte sich um. Sie suchte nach irgendetwas, was ihr Informationen über ihren Standort geben würde. Sie kannte ja nicht einmal den Namen des Kaffs. Doch dieser würde ihr wenig nutzen, denn ihren Picopad hatte man ihr abgenommen.

Es gab hier natürlich keine öffentlichen Kommunikationsterminals. Und selbst wenn, so war die Zensur auf Mashratan umfassend. Private Anschlüsse an das Galaktiknetz gab es nicht, Hyperfunkverbindungen waren nur über öffentliche Funkknoten möglich und wurden gefiltert. Nachrichten und Informationen gab es nur von staatlicher Seite und der Kirche. Der private Nachrichtenaustausch auf Mashratan wurde ebenfalls strikt kontrolliert. Rosan stand verloren auf dem belebten Marktplatz und war ratlos.

Sie beobachtete die Menschen. Kinder spielten mit kleinen Refrys und tobten über den Platz. An jeder Ecke feilschten Händler mit ihren Kunden um den Preis ihrer Waren. Meist waren es Schmuckstücke, Waffen oder Haushaltsgeräte.

Ein eingefallener Mann pries eine neue, moderne Erfindung an. Rosan sah sich den rostigen Haushaltsroboter genauer an. Der musste gut dreihundert Jahre alt sein.

Rosan ging vorbei und schaute einer anderen »Energiefrau« zu, wie sie Obst und Gemüse nach der Frische untersuchte. All das gab es auf Terra und anderen Welten nicht. Ob der moderne Galaktiker auf einer Welt wie Mashratan überhaupt zurechtkommen würde? Jedes Nahrungsmittel wurde im Supermarkt mittels einer eingerichteten Positronik auf Bakterien, Frische und Keime untersucht. Jedes Picopad hatte Applikationen, welche den Zustand von Nahrung und Getränken testete.

Ein durchschnittlicher Galaktiker würde auf Mashratan wohl ohne seine gewohnte Technik überfordert sein. Immerhin, die Mashratan hatten vielleicht ein besseres Verständnis von der Natur ihres Planeten. Dafür lebten sie jedoch in Tyrannei, Unterdrückung und Primitivität.

Eine andere Mashratin im Yeshi-Hihab diskutierte mit dem greisen Roboterverkäufer.

»Was soll ich mit so was? Der nimmt mir doch die Arbeit weg. Was soll ich dann tun? Das ist wie mit dem fließenden Wasser! Seitdem kann ich mich nicht mehr mit den anderen Frauen treffen, wie in guten alten Zeiten, als wir Wasser vom Brunnen geholt haben.«

Offenbar gab es viele Mashraten, welche mit den primitiven Verhältnissen zufrieden waren. Die ohnehin nur bescheidene Infrastruktur war in der Ära vor dem Oberst durch die Neoaktivisten und zuvor durch die Monos-Epoche stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch während die meisten galaktischen Völker in den letzten 150 Jahren wieder ihren Lebensstandard erhöht hatten, hinkte Mashratan weit hinter dem üblichen Existenzniveau der Milchstraße hinterher. Rosan wusste, dass es noch vereinzelte Gruppierungen der Neoaktivsten und ihrer Gegner, den Rationalisten gab.

Während die Neoaktivisten selbst jede kleinste Technik verurteilten und als Satanszeug ansahen, waren die Rationalisten Befürworter der Freiheit, – jedoch nicht unbedingt der Demokratie. Rosan erinnerte sich an Berichte über Rationalisten als potenzielle Verbündete gegen Oberst Kerkum. Zwar setzten sich diese teilweise für die Werte der LFT ein, doch ihnen schwebte vor allem eine Industrialisierung Mashratans vor. Sie wollten es den Vermögenden ermöglichen, Unternehmen jeder Art zu gründen und die Masse der mittellosen Bewohner zu einer Art Leibeigenschaft verpflichten sowie die herrschende Religion abschaffen. Somit waren auch sie in einer ganz anderen Art ebenfalls Extremisten.

Das Problem war, dass die Mashratan keine Wahl hatten. Wenn es eine Frau gab, die lieber im Bikini herumlaufen wollte, dann wurde sie geschlagen oder gesteinigt.

Extraterrestrier wurden nicht geduldet. Der Kontakt mit anderen Planeten untersagt.

Eine vernünftige politische Macht gab es auf Mashratan nicht. Jede Fraktion hatte ihre eigenen Interessen im Kopf und kümmerte sich nicht um das Wohlbefinden der Bürger. So abstrakt und verrückt es klang, doch Oberst Kerkum und die Traditionalisten waren die Gemäßigten auf dieser Welt der Extreme.

Rosan wollte nur wieder weg von hier. Sie kehrte zur Tempelanlage zurück. Dort erwartete sie bereits Concetti.

»Ich habe eine Entscheidung gefällt. Ich glaube, es ist Gottes Wille, wenn du nach Vhrataalis gehst und auf diese Kontonummer eine großzügige Spende für die Kirche und das Dorf überweist.«

Concetti reichte ihr eine Karte. Rosan nahm sie. Dort war die Bankverbindung eingetragen.

Sie nickte.

»Danke, ich werde mein Wort halten.«

»Du bist verunsichert, mein Kind?«

»Nun, verwirrt. Du bist einer der wenigen kooperativen Mashratan.«

Concetti lachte laut. Sein grauer verfilzter Bart zitterte dabei.

»Mashratan wird nicht ewig vor den ketzerischen Horden der Milchstraße bestehen können, wenn wir nicht Allianzen eingehen. Ich persönlich hoffe auf die Gunst der Terraner und Arkoniden.«

Rosan verstand. Im Hintergrund sah sie, wie der Vorsteher mit zwei Mashraten einen Gleiter inspizierte. Offenbar ging ihre Rückreise bald los.

»Eines noch, mein Kind. Grüße den Kardinal der Universellen Kirche von Terrania City von mir, wenn du einmal in der großen Stadt bist. Er ist ein alter Freund. Sage ihm, Mashratan braucht Erleuchtung.«

Concetti verabschiedete sich von Rosan. Die Halbarkonidin stieg kurz darauf in den Gleiter, der sie nach Vhrataalis bringen würde.

 

11. Einsatz auf Mashratan

»Die Lage ist höchst unerfreulich und prekär«, stellte Xavier Jeamour fest.

Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif und Wyll Nordment befanden sich wieder an Bord der IVANHOE. Die Zeit brannte Nordment unter den Nägeln. Er wollte Rosan finden, doch bisher fehlte jegliche Spur. Es gab nur eine Möglichkeit, mehr über Rosans Verbleib herauszufinden. Die geheime Station, die als unterirdisches Wasserreservoir getarnt war, zu stürmen. Oder den Sohn von Oberst Kerkum zu inhaftieren.

»Wir können nicht einfach eine Militäroperation auf Mashratan durchführen. Die restlichen Galaktikums-Inspekteure sprechen sich dagegen aus. Der IVANHOE ist es untersagt, auf Mashratan eigenmächtig zu agieren.«

»Das ist mir egal. Rosan schwebt in Gefahr«, wütete Wyll.

»Das ist mir auch klar. Ich habe schon gestern eine Hyperkomnachricht an Mister Adams und die LFT abgesetzt. Die NORTH CAROLINA ist auf dem Weg hierher. Der Kommandant hat mehr Vollmachten. Bis dahin müssen wir uns damit begnügen, den Planeten zu beobachten, zu orten und nach den Individualimpulsen von Rosan zu suchen«, stellte Jeamour klar.

Nordment seufzte und ließ sich frustriert in den Sessel aus Formenergie fallen. Was sollte nur aus Rosan werden? Falls sie überhaupt noch am Leben war. Doch daran durfte er nicht denken. Und er tat es trotzdem. Diese Ungewissheit, die Sorge schnürten ihm den Magen zu.

»Die Familie Kerkum startet eine groß angelegte Suchaktion, um Rosan Orbanashol und Argon tan Lasal zu finden«, sagte Irwan Dove.

Wallace fing an zu lachen.

»Super, die stecken doch dahinter. Und die Delegation des Galaktikum tut nichts?«

Jeamour breitete die Arme in einer ratlosen Geste aus.

»Petur Werna und Pauly Nemak beteiligen sich an der Suchaktion. Sie weisen jedoch darauf hin, dass auch sie angehalten sind, die Gesetze des Planeten zu achten, solange keine Beweise vorliegen, dass die Regierung in diese Aktion verstrickt ist.«

Nordment merkte Jeamour an, dass der Kommandant der IVANHOE ebenso wenig begeistert von dieser Situation war. Doch was sollten sie tun? Nordment versuchte, sich in Jeamours Lage hinein zu versetzen. Würde es zu einer militärischen Konfrontation zwischen Camelot und mashratischen Truppen kommen, wäre das ein gefundenes Fressen für alle Gegner der Unsterblichenorganisation. Terraner, Arkoniden, Blues, Akonen, sie alle würden Camelot terroristische Tendenzen unterstellen.

Nordment war das gleich. Er hatte für Politik nichts übrig. Er wollte Rosan finden.

»Nun, Sir, soweit ich mich mit dem geltenden Recht im Galaktikum und den gängigen Verträgen auskenne, ist die Galaktikums-Inspektion autorisiert, um Hilfe zu bitten. Wenn Petur Werna einen offiziellen Antrag stellt, dürfen wir auf Mashratan ermitteln, da ja die Kerkum-Administration teilweise unter die Aufsicht des Galaktikums gestellt wurde«, erläuterte Lorif. »Natürlich kann Mashratan dies als Angriff werten und militärisch gegen uns vorgehen.«

»Wenn juckt das schon?«, wandte Wallace ein.

»Mich, Mister Wallace«, stellte Jeamour klar. »Ich bin sehr wohl um das Leben von Rosan Orbanashol-Nordment und Argon tan Lasal besorgt. Einen Krieg möchte ich dennoch nicht anzetteln.«

*

Die Stunden vergingen. Es kam Wyll wie eine Ewigkeit vor. Er musste tatenlos zusehen, wie nichts geschah, während Rosan vermutlich um ihr Leben kämpfte. Es lag auf der Hand, dass etwas auf Mashratan vor sich ging, was mit der MORDRED zu tun hatte. Wer waren diese Menschen mit der komischen Rüstung, die an eine moderne Variante eines römischen Zenturios erinnerte?

Wylls Interkom summte auf. Jeamour forderte Wyll auf, sofort in die Kommandozentrale zu kommen. Eilig begab sich Wyll dorthin. Er wurde vom Kommandanten der IVANHOE erwartet. Lorif und Irwan Dove befanden sich ebenfalls in der runden Zentrale.

In der Mitte des Raums baute sich eine zweidimensionale Holografie auf. Das Gesicht von Argon tan Lasal erschien. Er lebte!

»Nun, da Wyll auch hier ist, kann ich euch die Geschichte erzählen. Zuerst einmal, Rosan lebt. Wir haben von einem Priester die Informationen erhalten, dass sie wohl behalten in ein Dorf gebracht wurde, nachdem sie von hilfsbereiten Mashraten in der Wüste gefunden wurde.«

Wyll fiel ein Stein vom Herzen. Er fragte, wann er zu ihr könne, doch Jeamour stellte klar, dass er erst einmal schweigen sollte.

»Auch ich fand mich in der Wüste ausgesetzt, wurde jedoch durch einem Suchtrupp von Ali Kerkum gefunden. Dieser war selbst ganz überrascht über die Aktion gewesen. Offenbar handelte es sich um Terroristen der Adlerlegion Mashratans. Das sind oppositionelle Rationalisten, für die wohl das angebliche Wasserreservoir als Stützpunkt diente. Die Polizei wird sich darum kümmern. Sobald Rosan wieder an Bord der IVANHOE ist, bitten wir euch, das Mashritun-System zu verlassen. Das hat in dieser heiklen Phase alles für viel Unruhe gesorgt. Eine Zusammenarbeit zwischen Kerkum und der MORDRED schließen wir inzwischen aus.«

Stille. Alle in der Zentrale waren verdutzt über den Monolog des Akonen. Und keiner schien wirklich zu glauben, dass Kerkum nichts mit der MORDRED zu tun hatte.

»Vielen Dank. Bitte teile uns die Koordinaten des Dorfes mit. Wir holen Rosan Orbanashol-Nordment ab. Wir wollen verhindern, dass sie noch einmal verloren geht«, sagte Jeamour.

»Negativ, sie befindet sich bereits auf dem Weg nach Vhrataalis. Sobald sie im Inspektionsstützpunkt ist, informiere ich euch.«

Der Akone beendete das Gespräch.

»Ungewöhnlich«, kommentierte Lorif die Situation.

Jeamour blickte den Posbi fragend an.

»Wie du weißt, wurden sämtliche Informationen über Mashratan in meine Speicher geladen. Von einer Oppositionsgruppe namens Adlerlegion steht dort nichts. Ebenfalls stellt sich die Frage, wie Ali Judäa Kerkum entkommen konnte.«

Jeamour kratzte sein haarloses Haupt und seufzte. Er wanderte nachdenklich in der Zentrale umher.

»Wir kennen die Antwort. Doch zuerst muss Rosan Orbanashol in Sicherheit gebracht werden. Die Mashraten werden uns nicht so einfach los.«

*

Xavier Jeamour widersetzte sich der Empfehlung der Inspektoren des Galaktikums und machte einen Kreuzer klar. Die IVANHOE verfügte, obwohl das Schlachtschiff noch nicht voll ausgerüstet war, über fünf Minor Globes der KASKAYA-II-Klasse und über zwei Leichte Kreuzer der VESTA-Klasse.

Jeamour entschied sich für einen der VESTA-Kreuzer. Er wollte gegenüber den Mashraten etwas Macht demonstrieren. Zwar war ein VESTA-Kreuzer wahrlich kein Gigant, doch es handelte sich um einen Neubau Camelots, der über die modernste Technik verfügte und sich durchaus zu verteidigen wusste.

Während Jeamour an Bord der IVANHOE blieb, übernahm James Fraces das Kommando über den Kreuzer und dessen Stammbesatzung von 80 Raumfahrern. Zusätzlich waren Wallace, Lorif, Irwan Dove sowie Wyll Nordment an Bord.

Der Erste Offizier der IVANHOE war 1239 NGZ in Dublin auf der terranischen Insel Irland geboren. Der vollbärtige Fraces hatte mit seinen 1,89 Meter eine stattliche Statur und strahlte Autorität aus.

Er hatte seine Jugend auf einer irischen Farm bei seinem Vater und Großvater verlebt. Statt jedoch den Familienbetrieb fortzuführen, hatte es ihn zu den Sternen gezogen. Fraces war als junger Mann ausgerissen und hatte auf einem Frachter angeheuert. Dort hatte er gelernt, sich zu behaupten und Respekt zu verschaffen. Sein Weg hatte ihn schließlich nach Camelot geführt, wo er die Raumfahrtakademie ab 1274 NGZ besucht hatte. Seit dem Jahre 1281 NGZ hatte Fraces seinen Dienst auf der CELTIC als Erster Offizier verbracht. Xavier Jeamour war auf den raubeinigen und doch sehr fähigen Fraces aufmerksam geworden und hatte ihn 1290 NGZ als Ersten Offizier für die IVANHOE angefordert.

Nachdem die Administration über den Anflug informiert worden war, passierte der Kreuzer das Sperrfeld der Raumforts und landete auf dem Raumfeld, das zum Stützpunkt des Galaktikums gehörte.

Dort wurden sie bereits von Rosan Orbanashol erwartet, die in Begleitung von Argon tan Lasal, Pauly Nemak und Petur Werna war. Wyll stürmte als Erster die Landungsgangway hinunter, um Rosan in die Arme zu schließen.

James Fraces ging es etwas würdevoller an.

»Was soll das? Nehmt die Arkonidenschlampe und verschwindet, ihr Faschos!«, keifte Pauly Nemak. »Mashratan braucht eure Waffen nicht. Haut ab, ihr Mörder!«

Petur Werna räusperte sich und versuchte die Frau zu beruhigen. Fraces wirkte irritiert und wechselte einen Blick mit Irwan Dove, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Der beleibte Chefinspekteur entschuldigte sich beim Ersten Offizier der IVANHOE. Allerdings stellte er auch fest, dass die Anwesenheit der Cameloter für Komplikationen sorgen könnte.

»Wir sind weiterhin der Meinung, dass die MORDRED auf Mashratan aktiv ist. Niemals zuvor wurde so eine Adlerlegion erwähnt. Etwas stimmt hier nicht«, betonte Fraces.

»Und was habt ihr vor? Die Station in der Wüste zu bombardieren?«, wollte Argon tan Lasal wissen. Auch er schien inzwischen nicht mehr über die Anwesenheit der Cameloter glücklich zu sein.

Wyll fragte sich, wieso die alle so gereizt waren? Dass diese Pauly Nemak einen an der Waffel hatte, wusste er. Doch die ablehnende Haltung des Akonen machte ihn misstrauisch.

»Wo genau hat man dich in der Wüste eigentlich ausgesetzt? Wie lange warst du dort? Und wieso haben Kerkums Leute dich gefunden und uns nicht? Wie ist dieser Knilch eigentlich entkommen?«

»Ich habe keine Lust, alles zwei Mal zu erzählen«, wehrte tan Lasal ab.

»Bitte, bitte. Ein mashratisches Sprichwort sagt: So diskutiere nicht unter freiem Himmel, sondern am wärmenden Feuer in den eignen Wänden«, mischte sich Werna ein und marschierte demonstrativ in Richtung Hauptgebäude.

 

12. Instruktionen der MORDRED

Die VERDUN war noch einige Stunden Flugzeit von Sverigor entfernt. Cauthon Despair war sich noch nicht im Klaren, wie er Zantra Solynger begegnen sollte. Vielleicht wäre es das Beste, ihr einfach aus dem Weg zu gehen?

Admiral Kenneth Kolley informierte Despair über eine gesicherte Hyperkomnachricht zu Rhifa Hun. Despair begab sich in den dunklen Nebenraum. Zwei verzerrte Gestalten erschienen. Die eine schmal, die andere breiter. So konnte Despair Rhifa Hun und Nummer Vier voneinander unterscheiden. Eine dritte Gestalt tauchte auf. Es war Oberst Kerkum. Die vier ranghöchsten MORDRED-Anführer waren versammelt.

»Was ist geschehen?«, wollte Despair wissen.

»Unerfreuliche Ereignisse sind eingetreten. Nummer Sieben ist tot. Er war dabei, Fehler zu begehen. Die LFT und Camelot waren ihm auf den Fersen«, berichtete Rhifa Hun.

Despair bedauerte den Tod dieses kleinkarierten Geldhais nicht. Dennis Harder war zwar als Finanzsenator von Terrania in einer wichtigen Position gewesen, doch keineswegs für die Ziele der MORDRED unersetzlich.

»Der Saggittone Aurec ist an Bord der TAKVORIAN auf dem Weg Richtung Sverigor. Cistolo Khan und vermutlich auch Homer G. Adams begleiten ihn. Es wäre eine willkommene Gelegenheit, sie zu eliminieren«, bemerkte Rhifa Hun.

Despair wusste, was er zu tun hatte. Fast tat es ihm leid, denn er hatte nichts gegen den Saggittonen Aurec oder die beiden Veteranen aus dem Solaren Imperium. Im Gegenteil, er bewunderte Cascal und Tolk, denn sie stammten aus einer Zeit, in der die Terraner noch geehrt, oder aber gefürchtet wurden.

»Es gibt ebenfalls einen Zwischenfall auf Mashratan. Camelot ist mit seinem Raumschiff IVANHOE im Orbit. Sie haben die geheime Station entdeckt …«

Kerkum wirkte wie ein kleiner Schuljunge, der etwas ausgefressen hatte und nun seine Beichte ablegte.

»Bedauerlich«, grollte Rhifa Hun. »Es ist auch bedauerlich, dass ich erst jetzt darüber informiert werde.«

»Ich fürchte, Nummer Fünf ist der Angelegenheit nicht gewachsen«, erklärte Kerkum. »Unsere Verbündeten sind unruhig und wurden gesehen. Wir müssen handeln.«

Die Dorgonen wurden auf Mashratan entdeckt? Was für eine Schlamperei! Natürlich würden nun die LFT und Camelot ihre gesamte Aufmerksamkeit Mashratan widmen. Wie konnte das nur passieren? Kerkum und Nummer Fünf hatten völlig versagt. Diese Idioten!

»Die Dinge entwickeln sich keineswegs zu meiner Zufriedenheit. Kerkum, Sie und Nummer Fünf werden die Angelegenheiten auf Mashraten sofort regeln. Koste es, was es wolle. Nummer Vier wird Despair auf Sverigor unterstützen«, sagte Rhifa Hun.

»Ich brauche keine Hilfe auf Sverigor«, wandte Despair ein.

»Das entscheide immer noch ich!«

Despair atmete tief durch.

»Wie Ihr wünscht, Rhifa Hun!«

»Ich werde meine Assassinin auf die Jagd schicken. Als Felidin wird sie sich so einiges auf diesem grotesken Sverigor erlauben können«, spottete Nummer Vier mit verzerrter Stimme.

»Oberst Kerkum, ich gehe davon aus, dass das Problem IVANHOE möglichst schnell final gelöst wird.«

Es war weniger eine Frage als eine Feststellung durch Rhifa Hun. Doch der Despot von Mashratan schien durch die Anweisung der Nummer Eins verunsichert.

»Die Vernichtung eines camelotischen Raumschiffes wird die Aufmerksamkeit von uns nicht ablenken. Das mashratische Volk wird weitere Repressalien in Kauf nehmen müssen«, klagte Kerkum.

»Erstens kümmert mich das Leid der Mashraten nicht. Zweitens euch ebenso wenig. Ihr seid nur um euer eigenes Wohlergehen besorgt. Die LFT wird wegen eines camelotischen Raumschiffes keinen Krieg riskieren. Sprecht mit den Dorgonen. Ich erwarte Resultate und kein weiteres Gewäsch!«

Das Hologramm von Rhifa Hun erlosch. Er war kompromisslos wie eh und je. Wortlos brachen auch die Verbindungen zu Kerkum und Nummer Vier ab. Despair war wieder allein in seinem Raum. Die ganze Situation gefiel ihm nicht. Sie drohte außer Kontrolle zu geraten. Dass die MORDRED noch immer Stützpunkte im Mashritun-System unterhielt, hatte Despair nie verstanden. Immer wieder hatte er Rhifa Hun vorgeschlagen, diese Stützpunkte aufzugeben. Dass die Dorgonen jedoch plötzlich Interesse an der Welt hatten, erschwerte die Situation. Angeblich befassten sich dorgonische Wissenschaftler mit archäologischen Ausgrabungen. Was sie genau auf Mashraten suchten oder bereits gefunden hatten, wusste niemand genau.

Eines wusste Despair jedoch sehr genau. Wenn die MORDRED zu viele Fehler begehen würde, dann mussten die Dorgonen schnell handeln. Despairs Aufgabe war jedoch vorerst eine andere. Er musste auf Sverigor alles für die Eliminierung von Aurec, Adams, Cascal und Tolk vorbereiten.

 

13. Rätsel der Wüste

»Was soll das bedeuten? Wieso ist ein Raumschiff der LFT im Orbit von Mashratan?«, fauchte Pauly Nemak verständnislos. James Fraces lehnte sich ganz entspannt zurück. Er wechselte einen kurzen Blick mit Wyll Nordment.

»Wir haben die NORTH CAROLINA zu Hilfe gerufen. Da Camelot nicht autorisiert ist, haben wir von der LFT jemand mit mehr Befugnissen angefordert.«

»Ein Kriegsschiff der LFT? Was wollt ihr Faschos denn machen? Mashratan wieder zerbomben?«, keifte Pauly Nemak unbeirrt weiter. Fraces wollte etwas sagen, doch er kam nicht dazu.

»Ich weiß genau über euch krude Bande Bescheid. Die CELTIC, die FREYJA und auch die NORTH CAROLINA waren mit dabei, als ihr feige und brutal den Palastdistrikt mit euren Bomben in ein Trümmerfeld verwandelt habt.«

Die Frau griff in ihr wirres, rotes Haar und schüttelte voller Abscheu den Kopf. Nordment spürte, wie sehr sie die Terraner, immerhin ihr eigenes Volk, verachtete.

Nemak war Pazifistin durch und durch. Jedoch vertrat sie ihre an sich positive Gesinnung auf eine extreme, wenig nützliche Art und Weise. Wyll hatte sogar Verständnis für sie. Sie setzte sich gegen Gewalt ein. Aber Nordment fand die Art und Weise schlichtweg falsch.

»Miss Nemak, die Umstände dieser Bombardierung wurden nie geklärt. Einige gehen von einem Syntronikfehler aus. Andere wittern eine Verschwörung«, versuchte Lorif die Frau zu besänftigen.

»Wir hätten offenbar deutlich weniger Probleme, wenn diese Bombardierung niemals stattgefunden hätte«, stellte Fraces fest und spielte damit sicherlich auf Cauthon Despair an.

»Die Geister, die ich rief …«, sinnierte Nemak mit einem zynischen Lächeln.

Petur Werna räusperte sich und unterdrückte anschließend einen Rülpser. Der Chef der Inspekteure war bis eben mit seinem Refrybraten beschäftigt gewesen. Ein kleiner Kugelroboter schwebte an und desintegrierte die Essensreste. Mit einem Greifarm schnappte er sich das Geschirr und schwebte davon.

»Was will denn die NORTH CAROLINA hier? Rosan und Argon sind doch wohl behalten zurückgekehrt. Wieso müssen wir unbedingt einen Konflikt heraufbeschwören?«

Werna seufzte, während er sich ein Glas Muxip-Saft einschenkte. Ein Mitarbeiter informierte ihn darüber, dass der Kommandant der NORTH CAROLINA mit ihm sprechen wollte.

Werna erhob sich ächzend von den Sitzkissen und schlurfte zur Kommunikationsanlage. Er drückte eine Taste auf dem Display und das herbe, verbrauchte Gesicht von Henry Portland erschien auf dem Monitor.

»Exzellenz, ich wünsche eine baldige Audienz bei Oberst Kerkum. Ich habe Instruktionen vom LFT-Kommissar Cistolo Khan. Die Situation ist ernst. Wir wollen diese unterirdische Station in der Wüste untersuchen und Kerkum, als auch seinen zweitgeborenen Sohn einige Fragen stellen.«

Wieder seufzte Petur Werna.

»Ohje, das habe ich befürchtet …«

*

Oberst Kerkum war nur bereit, Henry Portland, Xavier Jeamour und Petur Werna zu empfangen. Der Gleiter der Drei wurde von anderen Gleitern mit mashratischen Hoheitszeichen in den Palastbezirk eskortiert. Sie schwebten auf einer langen, gerade Straße entlang, vorbei an Kasernen, Parkanlagen, Gärten, dem Paradegelände und Wohnblöcken der Bediensteten. Nach einigen Minuten erreichten sie endlich den großen Hauptpalast.

»Bitte wählt eure Worte mit Bedacht«, mahnte Werna.

»Das muss man bei Psychopathen immer«, erwiderte Portland trocken und stieg aus dem Gleiter. Er zupfte seine Uniform zurecht. Portland war angespannt. Er war Soldat, Offizier, Befehlshaber eines Raumschiffes, aber kein Politiker. Flak fühlte sich in Gegenwart dieser doppelzüngigen Wahrheitsverdreher immer unwohl. Er bevorzugte die direkte Sprache und mochte es nicht, wenn man um den heißen Brei redete. Doch in diesem Fall hatte er wohl keine andere Wahl.

Ein Empfangskomitee brachte sie in den Audienzsaal des Despoten, der prunkvoller und protziger nicht hätte eingerichtet sein können. An der Decke funkelten Hologramme. Die Wände waren in einem Goldton gestrichen, während diverse Statuen und Bilder von Kerkum dessen Selbstverliebtheit zeigten.

Der Oberst thronte auf einem breiten Sofa. Die kakifarbene Kombination war halb geöffnet. Eine halb nackte Frau rieb die Brust Kerkums mit Lotion ein. Ein Knurren des Obersten gab ihr zu verstehen, den Platz zu räumen. Kerkum machte keine Anstalten, sein Hemd zu schließen. Er stand auf und klatsche in die Hände. Drei Sessel aus Formenergie materialisierten neben den Gästen.

»Ich höre«, sagte Kerkum und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.

Jeamour und Portland wechselten einen vielsagenden Blick. Petur Werna eröffnete den Dialog und sprach von der Entführung und den Ungereimtheiten. Er bat um Mithilfe im Kampf gegen die MORDRED.

Kerkum lachte grunzend.

»Ihr wollt die Hilfe Mashratans? Ein Treppenwitz der Geschichte! Ihr habt Bomben auf uns abgeworfen, nachdem meine Männer die Drecksarbeit für eure Firmen gemacht haben. Seit Jahren drangsaliert ihr uns mit Embargos, schändet unsere Ehre, unser Hoheitsgebiet, unsere Autarkie und führt Inspektionen durch. Ihr führt euch auf wie eine Kolonialmacht. Und da bittet ihr nun um Hilfe?«

Der Oberst schüttelte den Kopf und kicherte vor sich hin. Er legte sich in das Sofa und spielte mit seinen Brusthaaren.

Portland räusperte sich.

»Die Beziehungen zu Mashratan können sich nur normalisieren, wenn du kooperativ bist, Oberst Kerkum. Autarkie berechtigt euch nicht, Verbrecherorganisationen zu beherbergen. Sollte sich ein Stützpunkt der MORDRED auf Mashratan befinden, werden wir nicht eher gehen, bis er ausgehoben wurde.«

Kerkum brummelte etwas vor sich hin. Dann zeigte er mit dem Finger auf Portland und schmunzelte.

»Du bist ein Krieger. Ich bin auch ein Krieger. Ein großer Kriegsherr. Mashratan wäre bereit zu kämpfen. Das ist unser Planet. Wir bestimmen, was hier geschieht und nicht die LFT oder gar das Galaktikum. Wir sind nicht eure Untergebenen.«

»Das hat auch niemand behauptet«, mischte sich Jeamour ins Gespräch ein. »Allerdings machst du dich verdächtig. Die MORDRED muss hier aktiv sein. Was ist 1283 passiert? Ihr müsst doch Despair lebend gefunden haben?«

Kerkum stierte vor sich hin und gab keine Antwort. Es war, als wäre er zur Salzsäule erstarrt. Portland räusperte sich. Endlich zeigte Kerkum eine Regung und glotzte die drei verwundert an.

»Wie war die Frage?«

Bevor Jeamour diese wiederholen konnte, unterbrach ihn Kerkum bereits wieder.

»Was springt für Mashratan dabei heraus, wenn wir Informationen liefern?«

Kerkum begann sein Hemd langsam zuzuknöpfen. Dabei pulte er zuerst in seinem Bauchnabel und massierte danach seine Brustwarzen, ehe das groteske Schauspiel mit dem letzten zugeknöpften Hemdsknopf ein Ende fand.

»Aufhebung des Embargos nach zwölf Monaten. Abzug der Inspektionsgesandten des Galaktikums. Aufnahme in die LFT, sofern gewisse Reformen durchgeführt werden«, erklärte Portland. Khan hatte ihn bereits für solche Fälle instruiert. Es schmeckte Portland nicht, mit diesem Tyrannen zusammenzuarbeiten, der ganz offensichtlich psychisch krank war und seine Bevölkerung mit Absicht in der Primitivität leben ließ. So war sie ja auch leichter durch ihn und seine Speichellecker zu kontrollieren.

Kerkum lachte plötzlich.

»Sieht Camelot das ebenso? Was nützt mir das Wort der LFT? Irgendwann wird Rhodan sowieso wieder über die LFT herrschen, nachdem er zurückkehrt ist«, antwortete Kerkum.

»Nun, ich bin nicht Perry Rhodan. Doch wenn die mashratische Regierung uns hilft, die MORDRED zu zerschlagen, werden Leben gerettet. Das rechnen wir hoch an und werden mit dir verhandeln«, meinte der Kommandant der IVANHOE.

Kerkum nickte und kaute auf seiner Unterlippe herum. Er ging durch den Saal. Erst jetzt fiel Portland auf, dass Kerkum nicht einmal Schuhe trug. Und so einer bezeichnete sich als Soldat?

Er nahm ein Schwert, welches an der Wand hing und fuchtelte damit herum. Dann legte er es beiseite und ergriff einen Nadelstrahler. Es war ein modernes Präzisionsgewehr mit Energie- und Projektilgeschossen. Portland fragte sich, ob Kerkum nur Macht demonstrieren wollte oder sie im nächsten Moment abknallen würde.

»Nun gut …«

In diesem Moment betraten Ali Judäa Kerkum und Argon tan Lasal den Saal. Portland war über die Ankunft des zweiten Inspekteurs verwundert. Beide wirkten angespannt.

»Vater, du hast uns zu dir berufen?«

Kerkum nickte gnädig.

»Es sieht so aus, als würde die MORDRED einen Stützpunkt in der Wüste errichtet haben. Es ist mein Befehl, mit der LFT und Camelot zu kooperieren.«

»Wie bitte?«, stieß Argon tan Lasal aus. »Das sind ja ganz neue Töne. Nun, ich werde das Galaktikum darüber informieren.«

Kerkum richtete die Waffe auf den Akonen.

»Du räudiger Refryhüter gehst nirgendwo hin!« Kerkum wandte sich an Portland und fuhr fort: »Argon tan Lasal gehört zum Führungskreis der MORDRED. Er hat uns erpresst. Die MORDRED hätte Mashratan völlig vernichtet. Meine Familie und mich ermordet. Ich musste mit ihnen zusammenarbeiten.«

Portland verzog keine Miene. Jedoch dachte er bei sich etwas ganz anderes. Die Schlinge zog sich um Kerkums Hals zusammen. Offenbar rechnete er sich aus, mit der LFT und Camelot besser zu fahren.

»Lachhaft. Wenn Rhifa Hun von deinem Verrat wüsste, du Provinzdiktator!«

Argon tan Lasal machte einen Schritt auf Kerkum zu. Ohne zu zögern drückte Kerkum ab. Der feine Energiestrahl bohrte sich durch die Stirn des Akonen.

»Nein!«, rief Jeamour.

Doch es war zu spät. Argon tan Lasal fiel rücklings tot zu Boden. Portland wusste, dass Kerkum die Bewegung von Lasal genutzt hatte, um einen unliebsamen Mitwisser zu beseitigen. Indirekt hatte der Akone immerhin ein Geständnis abgelegt.

Wenn Rhifa Hun von dem Verrat wüsste.

Portland wertete dies als Eingeständnis. Argon tan Lasal war Mitglied der MORDRED gewesen. Kerkum und sein Sohn genauso, doch sie befanden sich jetzt in einer wichtigen Position. Sowohl die LFT als auch Camelot brauchten sie, um an mehr Informationen zu gelangen.

»Geht nun in die Wüste und begegnet dem Adler«, sagte Kerkum und deutete auf den Ausgang. Seine Leibgarde betrat den Raum. Das war ein deutliches Zeichen.

Petur Werna war völlig perplex. Er stand regelrecht unter Schock. Jeamour musste ihn hochziehen, was dem hageren Belgier doch recht schwerfiel. Portland half ihm. Gemeinsam brachten sie Werna aus dem Audienzsaal.

»Was nun?«, wollte Jeamour wissen.

»Jetzt greifen wir den Stützpunkt an, ehe Kerkum es sich anders überlegt.«

 

14. Die Schwingen des Adlers

Henry »Flak« Portland war nun in seinem Element. Eine Landungsoperation zu organisieren, entsprach schon mehr seinem Metier, als Verhandlungen mit einem selbst ernannten Operettenpotentaten zu führen.

Der Transmitter strahlte ihn und Jeamour in die Kommandozentrale der NORTH CAROLINA. Auch die beiden Kreuzer der IVANHOE und des LFT-Raumers kehrten zurück. Portland gab Alarmstufe Rot und informierte den Oberbefehlshaber der Raumlandeeinheiten.

»Wir gehen runter bis auf einhundert Kilometer. Eine Vorhut soll die Stärke der Gegner aufklären. Bei zu starkem Widerstand zieht ihr euch zurück und die IVANHOE und die CAROLINA beginnen mit dem gezielten Bombardement. Ziel ist es jedoch, an Daten zu gelangen. Wenn wir alles kurz und klein schießen, bekommen wir keine Informationen«, erklärte Portland.

»Einverstanden«, meinte Jeamour. »Allerdings dürfte die Station gut gesichert sein. Allein der lange Weg zum Haupteingang des Stützpunktes ist gefährlich.«

»Wir werden die Kampfroboter und Oxtorner in die erste Reihe stellen«, entschied Portland und gab das Zeichen, die Operation zu beginnen. Eilig machten sich auf beiden Raumschiffen die Truppen bereit. Die Techniker überprüften die Kampfroboter und verluden sie in die Beiboote und Kreuzer.

Portland hoffte, dass Oberst Kerkum am Ende nicht doch dazwischen funkte. Er traute diesem Typ nicht. Ihm war schon klar, dass Kerkum die eigene Haut retten wollte, doch deshalb war er nicht weniger ein Verbrecher, der vermutlich jederzeit wieder die Fronten wechseln würde, wenn es ihm zum Vorteil gereichen würde.

»Kommandant?«, rief der Funker, ein Jülziisch. »Jemand nimmt mit uns Verbindung auf. Ich …«

Der Blue kam nicht dazu, weiter zu sprechen, denn schon erschien eine etwa 180 Zentimeter Holografie eines Menschen in der Zentrale der NORTH CAROLINA. Er trug eine Art rote Toga. Darunter schimmerte ein goldener Brustpanzer. Das schwarze Haar war glatt und kurz. Das Gesicht des Mannes war kantig mit strengen Gesichtszügen.

»Ich bin Seamus, kaiserlicher Legat des dorgonischen Reiches. In meiner unendlichen Güte gewähre ich euch den ehrenvollen Rückzug von diesem Planeten. Andernfalls sehe ich mich dazu gezwungen, euch die Macht des Kaiserreiches Dorgon zu demonstrieren.«

*

Henry Portland und Xavier Jeamour waren perplex über diese plötzliche Wendung. Portland kannte kein Kaiserreich Dorgon. Woher kamen diese Kerle? Der Rüstung nach zu urteilen, die wie eine moderne Ausgabe einer römischen Offiziersrüstung aussah, mussten es die gleichen Leute sein, die Rosan Orbanashol und Wyll Nordment paralysiert hatten. Portland wandte sich an Jeamour. Dieser begriff sofort.

»Wir wünschen zu verhandeln. Uns war die Anwesenheit einer fremden, raumfahrenden Zivilisation unbekannt.«

»Natürlich war es das. Es lag in unserer Absicht. Wir hielten die Rückständigkeit der Galaktiker für ein Gerücht, doch wir fühlen uns durch das Verhalten der Barbarenstämme bestätigt «, erwiderte der Dorgone. Er wirkte geradezu gelangweilt.

»Legat Seamus, ihr mischt euch da in einen innergalaktischen Konflikt ein. Wir bitten daher um Aufklärung und möchten dich und deine Delegation gerne zu einer Besprechung auf unser Raumschiff einladen«, entgegnete Jeamour weiterhin um Höflichkeit bemüht.

»Inakzeptabel. Wir haben unsere Großmut bewiesen, doch ihr habt unsere Warnung in eurer primitiven Denkweise nicht verstanden. Eine Kommunikation schließt sich daher aus.«

Das Hologramm des Dorgonen erlosch.

»Was für ein arrogantes Arschloch«, knurrte Portland.

»Das verändert die ganze Situation. Es ist zu früh, um von einer Invasion zu sprechen, doch das Ganze beunruhigt mich sehr«, gab Jeamour zu. Er informierte seinen Ersten Offizier auf der IVANHOE.

Die Erde um die geheime Station fing an zu beben. Portland befahl, die Landeoperation der Kreuzer abzubrechen. Die Sensoren registrierten gewaltige Erschütterungen der Planetenoberfläche um den vermuteten Stützpunkt. Der Boden brach auf und bildete einen fast einen Kilometer langen Riss aus dem Dampf und Rauchschwaden aufstiegen. Das ganze Areal wurde förmlich von der Erde verschluckt.

Portland traute seinen Augen nicht, denn Teile der Erde wölbten sich nun über eine Länge von mehreren Hundert Meter nach oben, um dann wieder einzusacken. Etwas stieg aus dem Erdreich empor. Als Erstes sah Portland mächtige Flügel aus einem bräunlichen Metall. Dann erkannte er den länglichen Rumpf, aus dem die Flügel seitlich herauswuchsen. Der Rumpf endete vorne in einer keilförmigen Konstruktion, die ihn an einen Kopf erinnerte. Alles in allem sah das Raumschiff wie ein Raubvogel aus.

»Das meinte Kerkum mit Adler in der Wüste«, bemerkte Jeamour, der ebenso beeindruckt von dem fremden Raumschiff war. Der Rumpf hatte eine Breite von maximal 200 und eine Länge von 900 Metern, jeder Flügel eine Spannweite von 600 Metern. So einen Raumschiffstyp hatte Portland noch nie gesehen. Explosionen und Feuersäulen brachen aus dem Erdboden hervor. Sie verpufften an dem Schutzschirm des Adlerraumschiffes, welches zweifellos diesen fremden Dorgonen gehörte. Wenn es bisher noch Zweifel daran gegeben hatte, dass sie auf ein unbekanntes raumfahrendes Volk gestoßen waren, so wurde dieser nun endgültig ausgeräumt.

Das Adlerraumschiff stieg empor und steuerte Richtung Orbit von Mashratan. Jetzt mussten Portland und Jeamour entscheiden, ob sie das Adlerraumschiff aufhalten wollten oder es einfach so passieren lassen würden.

Es hatte sie nicht angegriffen. Portland wollte nicht den ersten Schuss abfeuern. Er sah zu Jeamour und las in dessen Augen und Gesichtsausdruck, dass er genauso dachte.

»Schutzschirme verstärken, Abstand zum Raumschiff halten. Wir greifen nicht an«, befahl Portland. Das Adlerraumschiff erreichte den Orbit und flog zwischen den Positionen der NORTH CAROLINA und IVANHOE hindurch. Nach einigen Momenten verschwand es einfach.

»Wir haben sie nicht mehr in der Ortung«, meldete der Ortungsoffizier der NORTH CAROLINA.

»Der Stützpunkt?«

»Zerstört. Da steht nichts mehr.«

»Ich finde, Oberst Kerkum kann uns noch ein paar Fragen beantworten«, meinte Xavier Jeamour. Portland stimmte dem zu. Und er wollte ihrem Anliegen etwas Nachdruck verleihen.

 

15. Wer sind die Dorgonen?

Portland entschied sich zu einem gewagten Schritt. Er ließ alle Beiboote und Kreuzer ausschleusen. Jeamour tat es ihm auf der IVANHOE gleich. Die Raumschiffe schwebten bedrohlich über der Hauptstadt. Doch kein Schuss fiel. Die mashratische Flugabwehr verhielt sich ruhig. Natürlich hatten die beiden Raumschiffe zuvor eine Warnung abgegeben.

Diesmal war die Delegation größer. Henry Portland wurde von Xavier Jeamour, Irwan Dove, dem Posbi Lorif, Wyll Nordment und Rosan Orbanashol begleitet, die sich auch als Provokation offenherzig zeigte.

Kerkum und sein Sohn erwarteten die aus ihrer Sicht eher unerwünschten Gäste.

Kerkum breitete die Arme aus und starrte die Anwesenden ungläubig an.

»Was wollt ihr noch? Uns nun doch besetzen?«

»Nein, wir wollen Informationen über die Dorgonen«, sagte Jeamour.

Kerkum hielt inne und wirkte ernst.

»Also gut. Ich tue das nur, weil ich mir eines Tages, wenn Perry Rhodan wieder an der Macht ist, von seiner Vernunft einen Posten als Solarmarschall erhoffe.«

Portland räusperte sich. Jeamour konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Die MORDRED nahm 1283 NGZ Kontakt zu uns auf. Wir haben Despair gerettet und in die Obhut ihres Anführers gegeben. Rhifa Hun. Er zeigt sich immer als verzerrtes Hologramm. Die Dorgonen tauchten zur gleichen Zeit auf. Die MORDRED verlegte ihre Stützpunkte in mir unbekannte Systeme. Die Dorgonen entdeckten vor einigen Monaten etwas von archäologischem Wert. Deshalb waren sie noch hier. Argon tan Lasal sollte die Untersuchungen decken.«

Kerkum führte weiter aus, dass er kaum Kontakt zu den Dorgonen hatte und deshalb wenig über das Volk zu berichten wusste, außer, dass sie aus einer anderen Galaxie stammten und über überlegende Technologie verfügten. Die MORDRED hatte zwar einige Männer von Mashratan rekrutiert, doch Kerkum war natürlich niemals in irgendwelche Operationen verwickelt. Alles in allem ließ er keinen Zweifel daran, dass er nur das Opfer war.

»Was haben die Dorgonen gefunden?«, wollte Portland wissen.

Kerkum zuckte mit den Schultern. Nun mischte sich sein Sohn Ali Judäa ein, der offenbar mehr wusste. Der Kahlköpfige mit den strahlend weißen Zähnen lächelte die Terraner und Cameloter an.

»Offenbar Artefakte einer längst vergessenen Kultur. Sie hielten sich bedeckt, sodass wir nur wenig wissen. Zieht die Raumschiffe sofort ab, dann gebe ich euch alle Daten, die wir haben.«

Der Oberst gab ein bejahendes Knurren von sich. Portland schnappte sich das Interkom und befahl den Abzug der beiden Raumschiffe. Nur ein Kreuzer sollte über Vhrataalis bleiben, um sie aufzunehmen.

Ali Judäa Kerkum holte einen Datenträger aus seinem Gewand und überreichte ihn Jeamour.

»Es ist nur eine Datei mit zwei Holografien von Inschriften. Die eine ist in dorgonisch, die andere in einer uns ebenso unbekannten Sprache verfasst.«

»Demnach beherrscht ihr die dorgonische Sprache?«, fragte Portland.

»Nein, aber uns sind die Symbole halbwegs bekannt, dadurch, dass wir sie auf dorgonischen Displays gesehen haben.«

Das klang einleuchtend. Dennoch beschlich Portland das Gefühl, dass die Kerkums ihnen nicht alles gesagt hatten. Doch er hielt sein Wort und kehrte mit den anderen zurück zur IVANHOE und NORTH CAROLINA. Beide Raumschiffe nahmen Kurs auf Sverigor.

 

Epilog

Die Welt Sverigor lag vor Cauthon Despair. Sie war zum Greifen nahe. Zumindest von seiner Perspektive aus.

Die Nachrichten der vergangenen Stunden waren katastrophal. Oberst Kerkum hatte berichtet, Nummer Fünf lebte nicht mehr. Die Dorgonen hatten Mashratan mit unbekanntem Ziel verlassen. Vermutlich steuerten sie ins Deejabay-System oder nach Dermos. Niemand wusste genau, was diese eitlen Dorgonen weiter planten. Weder der kaiserliche Legat Seamus, noch sein militärischer Admiral Petronus und erst recht nicht der kaiserliche Großneffe Nersonos machten den Eindruck, als würden sie ernsthaft mit der MORDRED kooperieren. Vermutlich war der Kontakt mit der Organisation für sie nur Mittel zum Zweck.

Nummer Fünf und Nummer Sieben waren tot. Die Allianz mit Kerkum war angekratzt. Trieb der Oberst doppeltes Spiel mit der MORDRED? Rhifa Hun hatte erwähnt, dass Nummer Sechs und Nummer Neun enttarnt worden waren.

Immer mehr hing von einer erfolgreichen Operation auf Sverigor ab. Die Operation gegen den Kanzler der Saggittonen, Homer G. Adams, Cistolo Khan, Joak Cascal und Sandal Tolk musste gelingen.

Der Tod von diesen wäre ein Sieg für die MORDRED. Die Saggittonen würden vermutlich mit Krieg gegen die Milchstraße drohen oder sich für immer aus der Lokalen Gruppe zurückziehen. Camelot wäre führungslos, wenn Adams hinüber wäre und die ohnehin unfähige Erste Terranerin würde ihren besten Mann mit Cistolo Khan verlieren.

Doch war das der Weg, den Despair wirklich bestreiten wollte? Natürlich wollte er seine Rache nehmen und ein ebenso respektierter wie gefürchteter Mann in der Milchstraße werden. Er wollte die Gesellschaft verändern, doch dazu musste er Feuer mit Feuer bekämpfen.

Aber waren Gestalten wie Rhifa Hun und Oberst Kerkum wirklich die richtigen Anführer? Despair verachtete den wahnsinnigen Kerkum zutiefst. Bis auf seine Liebe zum Solaren Imperium teilte er nichts mit dem Despoten von Mashratan.

Und Rhifa Hun? Der Anführer der MORDRED war über sieben Jahre lang Despairs Mentor gewesen. Doch er beging Fehler und zog im Vergleich zu Cau Thon eindeutig den Kürzeren. Despair hatte sich immer wieder für einen Militärschlag ausgesprochen. Er war strikt gegen zivile Ziele gewesen, wenngleich viele Zivilisten sich zahlreicher Verbrechen schuldig gemacht hatten. Und sei es nur, dass sie weggesehen hatten.

Despair kannte die wahre Identität von Rhifa Hun nicht. Niemand tat das. Dennoch war es diesem Wesen gelungen, eine paramilitärische Organisation zu gründen und Erfolge damit zu verbuchen. Aber war Rhifa Hun auch befähigt, ein starkes und gerechtes Imperium aufzubauen und zu regieren? Konnte er ihm bedingungslos folgen?

Die Dorgonen waren die unbekannte Komponente in diesem Spiel. Cau Thon hatte den Kontakt mit ihnen hergestellt. Doch welche Ziele verfolgten sie? Beabsichtigten sie die Milchstraße ihrem Sternenreich einzuverleiben?

Despair atmete tief durch und konzentrierte sich auf die bevorstehende Aufgabe. Zweifel waren jetzt unangebracht. Die Cameloter und Terraner mussten unschädlich gemacht werden. Das würde Instabilität und Chaos für die Milchstraße bedeuten und der MORDRED ein schnelles Handeln ermöglichen. Cauthon Despair blickte auf die blaugrüne Welt Sverigor. Er war sicher, dass dort in wenigen Stunden galaktische Geschichte geschrieben würde.

 

ENDE

 

 

Im nächsten Roman schildert Nils Hirseland die Ereignisse auf Sverigor. Wird es der MORDRED gelingen, Aurec und die anderen zu töten oder kann der Terrororganisation ein weiterer schwerer Schlag zugefügt werden? Mehr darüber in Band 14:

Der Terror der MORDRED

 

 

 

 

Kommentar

Durch die Zusammenarbeit zwischen Camelot und der LFT konnten erste Erkenntnisse über die Struktur der MORDRED gewonnen werden.

Auf Terra wird durch die Aufdeckung, dass der einflussreiche Politiker Dennis Harder in Diensten der Terrororganisation steht, das Beschaffungsnetz der Organisation empfindlich gestört.

Auf Mashratan gelingt es der Crew der IVANHOE, mit Unterstützung durch die LFT, die Verknüpfung der MORDRED mit dem Regime des mashratischen Diktators Oberst Kerkum aufzudecken und einen Führer der MORDRED unschädlich zu machen.

Gleichzeitig stoßen »Flagg« Portland und Xavier Jeamour auf den Vertreter eines bisher unbekannten Volkes, der sich als Legat des Dorgonischen Kaiserreiches bezeichnet. Hierbei scheint es sich um ein völlig unbekanntes Volk zu handeln, mit dem bisher noch keine Macht der Milchstraße Kontakt hatte. Dabei bleiben die Ziele und Möglichkeiten der Dorgonen im Dunkel.

In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage, was die Dorgonen ausgerechnet auf Mashratan, dem hinterwäldlerischsten Planeten der Milchstraße, zu suchen haben. Was macht diesen Planeten so interessant für sie, dass sie einen verrückten Despoten wie Kerkum unterstützen?

Irgendwie habe ich eine Ahnung, dass die Auflösung dieses Rätsels eine gewaltige Überraschung für die Völker der Milchstraße sein wird.

Jürgen Freier

 

 

GLOSSAR

IVANHOE

Die IVANHOE stellt, wie ihr Schwesterschiff die TAKVORIAN, eine völlig neue Entwicklung Camelots dar. Grundgedanke der Konstrukteure war die Schaffung eines neuen Schiffstyps mit einem gegenüber den bisherigen Schlachtschiffen wesentlich größeren Volumen, mit dem Camelot seine taktischen Möglichkeiten in der Milchstraße erweitern wollte.

Das zugrunde liegende Einsatzszenario sah für diese neu entwickelten Schiffe die Verteidigung wichtiger strategischer Stützpunkte sowie Angriffsoperationen gegen feindliche Schiffsverbände vor. Darüber hinaus kann dieser Schiffstyp durch seine gegenüber der NOVA-Klasse wesentlich erhöhte Flexibilität auch für andere Aufgaben umgerüstet werden.

Grundsätzliche Spezifikationen

– 1.000 m Durchmesser (mit Ringwulst 1.160 m), Kugelform mit Modulsegmenten, äquatoriale Ringnut zur Aufnahme unterschiedlicher Ringwulst-Einsatzmodule, kein RoRo-Hanger, Zentralmodul kann als Rettungsschiff herausgesprengt werden.

– Stammbesatzung: 800 Offiziere und Mannschaften.

Dazu kommen noch je nach Einsatzkonfiguration zusätzliche Mannschaften für die Beiboote und gegebenenfalls Raumlandeeinheiten.

– Beiboote Standardkonfiguration: 2 Leichte Kreuzer der 100 m Klasse, 10 Korvetten und 20 Space-Jets.

Dazu kommen je nach Konfiguration noch weitere Beibootmodule.

Dorgonen

Die Dorgonen sind ein raumfahrendes Intelligenzvolk aus einer fremden Galaxis. Ihr Erscheinungsbild ist menschlich. Viel ist über die Dorgonen nicht bekannt. Im Jahre 1283 NGZ treten sie erstmals geheim auf die galaktische Bühne. Der Sohn des Chaos spricht gegenüber Cauthon Despair als Verbündete von ihnen. Sie unterstützen die Separatistenorganisation MORDRED.

Auf Mashratan haben die Dorgonen außerdem archäologische Ausgrabungen zu unbekanntem Zweck getätigt. Im Oktober 1290 NGZ kommt es zur ersten Konfrontation mit Camelotern und Terranern. Eine geheime Basis der Dorgonen wird auf Mashratan entdeckt, doch die Dorgonen zerstören die Station und fliegen mit ihrem Adlerraumschiff weg.

Adlerraumschiff

Als Adlerraumschiff wird von den Terranern und Mashraten ein Raumschiff der Dorgonen bezeichnet. Es ähnelt von der Form einem Raubvogel. Der Rumpf des bisher einzig bekannten Adlerraumschiffes ist zylinderförmig und 900 Meter lang. Offenbar am Kopf des Rumpfes befindet sich eine keilförmige Kanzel. Die Breite liegt wohl bei rund 150 Metern. Zwei mächtige Flügel sind an den Seiten des Hauptkörpers angebracht. Sie haben insgesamt eine Spannweite von 1.200 Metern. Das Raumschiff ist offenbar aus einem bräunlichen Metall gefertigt. Über die Technologie dieser Raumschiffe ist nichts bekannt.

Argon tan Lasal

Der Akone Argon tan Lasal stammte von einer einflussreichen akonischen Hochadelsfamilie. Seine Mutter war Politikern, sein Vater erfolgreicher Geschäftsmann in der Herstellung von Geräten zur Förderung von Wasser. Argon tan Lasal, vollbärtig und von gedrungener Statur, gehörte zur Führungsriege der MORDRED. Er bekleidete dort die Bezeichnung »Nummer Fünf«. Offiziell war er als Galaktikums-Inspekteur auf Mashratan tätig – vermutlich um die Machenschaften der MORDRED geheim zu halten.

Im Oktober 1290 NGZ wurde Argon tan Lasal enttarnt, nachdem Camelot Untersuchungen auf Mashratan begann. Zuerst gab er sich freundlich gegenüber der Crew der IVANHOE sowie Wyll Nordment und Rosan Orbanashol-Nordment. Doch er lockte sie in die Falle. Ausgerechnet Oberst Kerkum offenbarte den Camelotern die wahre Identität von Argon tan Lasal und erschoss ihn auch sogleich.

Dennis Harder

Der hagere Terraner mit dem Schnauzbart war im Jahre 1290 NGZ Finanzsenator von Terrania City. Als einflussreicher Politiker war er mit dem Weg seiner Administration nicht zufrieden. Schon Jahre zuvor schloss er sich der Terrororganisation MORDRED an und stellte Finanzmittel zur Verfügung. Zusammen mit dem Springerpatriarch Horach und dem arkonidischen Adligen Ergon da Quartermagin errichtete er ein Finanz- und Handelsnetz, welches die MORDRED mit Ressourcen versorgte. Allerdings wurde der Finanzsenator durch den TLD beobachtet.

Im Oktober 1290 NGZ wurde Harder, als der Cameloter Wirsal Cell versuchte, ihn zu einer Doppelagententätigkeit zu überreden, von einem mechanischen Insekt gestochen und getötet. Vermutlich war es ein Kleinstroboter der MORDRED.

 

Beschreibung: C:\Users\Juergen\Documents\PROCeBook77x48.pngDas DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.

Special-Edition Band 13, veröffentlicht am 21.7.2012 • Autor: Nils Hirseland • Titelillustration: Lothar Bauer • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2012 • Alle Rechte vorbehalten