D O R G O N
Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs
MORDRED-ZYKLUS
Band 12
Ralf König / Nils Hirseland
Titelbild von John Buurman
Angriff auf Camelot
Die Mordred überzieht die Galaxis mit Terror
Was bisher geschah Im Herbst des Jahres 1290 NGZ sind die Zellaktivatorträger in alle Richtungen des Universums verstreut, während sich die Milchstraße von den Kriegen gegen die Tolkander und Dscherro erholt. Zu dieser Zeit taucht eine neue Gefahr am Horizont auf: Die MORDRED! Seit acht Jahren existiert diese geheimnisvolle Organisation bereits, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die ohnehin wackelige Ordnung in der Galaxis umzustürzen. Sie unterstützte die beiden Entführungen der LONDON und griff abgelegene Rekrutierungs-büros der Unsterblichenorganisation Camelot an. Doch nun hält sie ihre Zeit endgültig für gekommen. Der finstere Silberne Ritter Cauthon Despair mit seinem mächtigen Raumschiff VERDUN beginnt den ANGRIFF AUF CAMELOT… |
Hauptpersonen Cauthon Despair – Der Silberne Ritter der MORDRED beginnt seinen Rachefeldzug. Aurec – Der Sagittone schickt sein Schiff los, um Hilfe zu holen. Sam – Der Somer macht sich auf den Weg zur BASIS. Joak Cascal – Der Terraner verliebt sich und will einer neuen Freundin helfen. Sandal Tolk – Der Mann von Exota Alpha bangt um seinen Freund. Nadine Schneider – Die stellvertretende Leiterin des Camelot-Büros auf Plophos begibt sich in große Gefahr.
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Hass war mein stärkster Verbündeter.
Hass war mein größter Ansporn.
Hass gab mir die Kraft, über meine Feinde zu triumphieren.
Hass gab mir die Weisheit, mit präziser Kaltblütigkeit die Fehler meiner Widersacher zu erkennen und auszunutzen.
Hass war mein einziger Freund und treuer Wegbegleiter.
*
Es fiel mir leicht, die Galaktiker zu verachten. Sie bestätigten meine Ablehnung jeden Tag. Ihre Taten waren gespickt mit Dummheit, Arroganz, Ignoranz und maßloser Selbstüberschätzung. Sie heuchelten ihre eigene Tadellosigkeit vor, zeigten mit dem Finger moralisch belehrend auf andere, die ihrer Meinung nach nicht in ihr Schema passten.
Sie predigten Toleranz und duldeten dabei nur ihre eigene Meinung. Sie sprachen von einem galaktischen Miteinander, einer Nächstenliebe, doch waren sie sich nur selbst die nächsten.
*
Sie waren korrupt.
Sie waren gierig.
Sie waren dekadent.
Sie waren zerfressen von Eitelkeit, Missgunst und starren Weltanschauungen.
*
Wie untadelige Biedermänner überspielten sie mit illusorischer Perfektion ihre eigenen Unzulänglichkeiten. Sie prahlten mit ihrer Arbeit, ihrem Haus, ihrem Gleiter. Sie demonstrierten ihre unendliche Toleranz gegenüber Minderheiten.
Doch alles war nur Fassade. Die Galaktiker waren Egoisten. Mit ihrer wirren Appeasement-Ideologie ignorierten sie einfach die Probleme in der Galaxis. Die hohe Kriminalität durch die Galactic Guardians und den anderen galaktischen Banden wurde verharmlost. Kulturelle Differenzen zwischen den Völkern wurden nicht gesehen. Über Armut und Ungerechtigkeit auf unzähligen Welten wurde zum Wohl der Wirtschaft und der Illusion einer heilen Welt hinweggesehen. Alles, was das Wachstum und die Stabilität der Märkte gefährden konnte, existierte einfach nicht. Was aber zählte, war der Profit.
Die alten Traditionen waren verpönt. Die Terraner waren besonders schlimm. Sie verschmähten die glorreichen Zeiten des Solaren Imperiums und bezeichneten dieses als faschistoid, nationalistisch und kriegtreibserisch. War noch bis Anfang der 80er Jahre dieses Jahrhunderts der Kurs der Liga Freier Terraner selbst nationalistisch gewesen, so hatte die Politik unter Paola Daschmagan eine völlige Kehrtwende vollzogen.
Lächeln und Nichtstun war die Divise ihrer Administration. Ausgerechnet durch den so verhassten Perry Rhodan und Atlan wurden die Terraner vor Schlimmeren bewahrt. Eine Daschmagan hätte ohne Hilfe der Unsterblichen weder die Tolkanderkrise noch die Dscherroinvasion im eigenen Garten gelöst.
Der moderne Zeitgeist des 13. Jahrhunderts NGZ bestand darin, zu lächeln und so zu tun, als ob man die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte. Man präsentierte sich nach allen Regeln des modernen Marketings, nur um unter dem Deckmantel der ökonomischen Stabilität und des gesellschaftlichen Fortschritts still und heimlich die eigenen Interessen, koste es was es wolle, durchzusetzen. Das war zusammengefasst das Wesen der Terraner, ob nun Politiker, Wirtschaftsmagnaten oder der Angestellte von Nebenan.
Und die Anderen?
Das Kristallimperium ging gradlinig vor. Sie träumten den Traum von der Wiedererrichtung des Großen Imperiums und wollten ihre alte Vormachtstellung über Debara Hamtar, wie sie die Milchstraße nannten, restaurieren. Ich verübelte es ihnen nicht. Ein starkes, anständiges und moralisch hochstehendes Imperium täte den Terranern auch gut.
Die Blues, Topsider, Unither, Cheborpaner, Swoon und all die anderen nichthumanoiden Völker jammerten und wehklagten über die machtgierigen Arkoniden und Terraner, leisteten aber ansonsten eher einen geringen Anteil zum Allgemeinwohl der Milchstraße.
Dazu waren sie auch untereinander viel zu zerstritten. Ob das die Renaissance des Galaktikums auf Mirkandool nun eine Verbesserung darstellte, würde die Zeit zeigen. Wenn dem Galaktikum überhaupt noch genügend Zeit blieb. Wie würde wohl die nähere Zukunft aussehen?
Falls Perry Rhodan zurückkehren würde, würde er weiter vor dem pseudodemokratischen Regime der LFT kuschen und sich als kruder Faschist beschimpfen lassen. Rhodan war nur noch ein Schatten seiner selbst – in welchem Winkel des Universums er auch im Moment steckte.
60 Jahre hatte er nichts getan. Sich zurückgezogen, sein Spielzeug Camelot errichtet und zugesehen, wie die Milchstraße in der Post-Monos Ära schleichend moralisch zerfallen war.
Rhodan und seine unsterbliche Brut waren nur noch Zerrbilder ihrer selbst. Sie hatten sich und ihre früheren Ideale verraten. Wo waren die Prinzipien und der Anstand in dieser Zeit geblieben? Wo war die starke Hand, welche die Milchstraße aus dem Chaos der Intrigen und selbstsüchtigen Interessen in eine glorreiche Zukunft führte?
Wo war der Drang der Terraner geblieben, das Universum zu verändern?
Alles das war verloren gegangen, als hätte es nie ein Solares Imperium gegeben, das mit seiner moralischen Integrität und seiner militärischen Stärke den Schutz der Schwachen und Ausgebeuteten garantiert hatte.
Dabei gab es genügend Leid in der Galaxis, wenn man nur die Augen öffnete. Doch diejenigen, denen es gut ging, sahen weg. Eine Überweisung auf ein Spendenkonto – angeblich für einen guten Zweck – das war der moderne Ablasshandel einer vollkommen verkommenen Gesellschaft. In Wirklichkeit wollte niemand das bestehende System ändern, warum auch? Ihnen ging es ja gut, sie konnten ihre moralischen Skrupel, sofern sie überhaupt vorhanden waren, was er immer mehr bezweifelte, im kollektiven Wahnsinn frei verkäuflicher Psychodrogen ersaufen und, wenn das noch nicht genug war, sich für Galax jede denkbare Perversion erfüllen.
Gierige Geschäftemacher konnten ganze Zivilisationen ausbeuten, solange die Presse keinen Wirbel darum machte. Und die tat das nur, wenn sie sich selbst etwas davon versprach.
Es wurde peinlich genau darauf geachtet, dass man einen Jülziisch ja nicht Blues nannte, doch wenn dieser Tellerkopf ein terranisches Mädchen tötete, dann sah man weg oder hatte Verständnis. Doch damit nicht genug. Unter dem Mantel grenzenloser Freiheit nahm man es einfach hin, dass die Jugend mit Drogen jeder Art vergiftet und eine leichte Beute für Perverse jeder Couleur wurde. Rhifa Hun hatte es einmal treffend formuliert, die Welten der LFT waren zum Jagdrevier von unzähliger Nichtmenschen geworden, die die gegenwärtige Schwäche der Menschheit dazu nutzten, das Wertvollste, was der Menschheit geblieben war, die eigene Jugend, endgültig zu verderben.
Aus dem heuchlerischen und widersprüchlichen Drang, es allen recht zu machen, hatte sich ein absurdes System von Willkür und Machtlosigkeit entwickelt, das den Nichtmenschen alle Rechte gewährte und dabei das eigene Volk zur Rechtlosigkeit verdammte.
Es gab gute und schlechte Verbrechen. Wenn ein verdammter Topsider seine Krallen in das Fleisch eines Menschen schlug, so war das der Ausdruck seiner geschichtlichen Unterdrückung und deshalb tolerierbar, wenn sich der Mensch aber wehrte und die Bestie tötete, so war das der Ausdruck seiner faschistischen Gesinnung. Man konnte sicher sein, dass bei jedem getöteten Extraterrestrier ein Sturm der Entrüstung durch die Medien rasen würde, während ein geschändetes Mädchen oder ein ermordeter Jugendlicher als belanglos unter den Tisch gekehrt wurden.
War das Gerechtigkeit?
Und Perry Rhodan? Er sah dabei zu. Perry Rhodan hatte mich enttäuscht. Nein, noch viel schlimmer, er hatte mich verraten und zu einem entstellten, verbrannten, zerquetschten und einsamen Monster gemacht.
Die Qualen von 1283 NGZ werde ich nie vergessen können: weder die physischen, die durch den Trümmerregen nach dem Bombenhagel, der meinen Körper zerschmettert hatte, hervorgerufen wurden, noch die seelische Pein über den unnötigen Tod von Ghaz Ala, die Verachtung von Zantra Solynger mir gegenüber, die Lüge über den Tod meiner Eltern oder die jahrelange Isolation ohne Freunde und Liebe.
Ich war eben nur ein Abfallprodukt der heutigen Gesellschaft. Ein Außenseiter, ein Verlierer, in ihren Augen nur ein nutzloser Freak, wie es Millionen andere gab. Niemand scherte sich um sie, denn sie waren nutzlos, nur eine Belastung für die Gesellschaft. Doch, und das war für mich besonders schmerzhaft, sofern sie einer Minderheit angehörten und besonders verrückte und perverse Neigungen hatten, ja dann wurden sie geschützt und sogar respektiert.
Doch der normale Terraner war unwichtig. Da nützte ihm auch weder Aufrichtigkeit noch Fleiß etwas. Für ihn war niemand da. Setzte er sich für andere ein, war er ein Utopist, – leistete er etwas, war er ein Streber. Kurzum, jeder der sich nicht der niveaulosen Masse anpasste, machte sich unbeliebt und wurde ausgegrenzt.
Ich hätte wohl auch so tun sollen, »als ob«. Viel reden und nichts tun. Hauptsache, sich gut verkaufen, in der Hoffnung, dazuzugehören, dass sich ein Mädchen meiner erbarmte und ich mich mit falschen Freunden über Belanglosigkeit unterhalten konnte.
Nein!
Die Zeit der Trauer war endgültig vorbei. Hass auf diese dekadente Gesellschaft erfüllte mich. Nun war es an der Zeit, dieser korrupten und verkommenen Galaxis eine Lektion zu erteilen, die sie nie vergessen würde. Ich war das Produkt dieser Gesellschaft. Ihr hattet diesen Racheengel geschaffen, nun wehklagt nicht über seine Taten, wenn er mit euch ins Gericht zieht.
Mögen die Ehrlosen der Milchstraße in ihrem Blute ersaufen, auf dass eine neue, bessere und gerechtete Gesellschaft entstehen würde.
Und mit Camelot würde es beginnen.
Der Silberne Ritter Cauthon Despair war erwacht und bereit, das Angesicht der Milchstraße auf immer zu verändern.
Yulia Stoofyt atmete schwer, als sie vom Einkauf in das Cameloter Büro zurückgekehrt war. Erschöpft ließ sie sich in den Sessel fallen und war über den angepassten Sauerstoffgehalt in ihrem Raum glücklich.
Erkin Lediter lachte herzlich über sie.
»Immer das gleiche mit euch Terranern. Auf Imart geht euch schnell die Puste aus«, sagte der grünhäutige Imarter.
»Tja, so ist das eben«, antwortete Yulia geistreich.
Die Imarter hatten ja auch leicht lachen, fand sie. Sie waren den niedrigen Sauerstoffanteil auf Imart gewohnt, während sie seit ihren zwei Monaten auf Imart ihre Probleme hatte und auf Sauerstoffgeräte angewiesen war.
Die Imarter hatten weitaus größere Lungen, was man ihnen an ihrem tonnenförmig aufgewölbten Brustkorb auch unschwer ansah. Erkin Lediter fuhr mit der Hand durch sein strubbeliges blaulilafarbenes Haar.
»Hast du meine Croissants bekommen?«
Yulia lächelte und wedelte mit der Tüte umher, in der sich die drei Croissants mit Schokoladenfüllung versteckten.
Der Chef des Camelotbüros auf Imart fing an zu grinsen. Jeden Tag derselbe Ablauf. Ohne seine drei Schokoladencroissants am Morgen war der Boss nicht glücklich.
Yulia fand ihre Versetzung von Terra in das 19.444 Lichtjahre entfernte Gator-System als äußerst interessant, trotz der für Terraner widrigen Lebensbedingungen. Imart gehörte zu den ersten Planeten, die die Terraner zu Zeiten des Solaren Imperiums schon im Jahre 2169 besiedelt hatten. Die Kolonisten von der Erde hatten sich im Laufe der Zeit genetisch an die Umwelt angepasst.
Inzwischen hatten sich die Imarter über rund 18 Sonnensysteme verteilt und waren angenehm unaggressiv. Auf den imartischen Kolonialplaneten hatten sich die Bewohner wiederum an die lokalen Umweltbedingungen angepasst, so dass es auch gelbe, blaue, schwarze und weiße Imarter mit Haarfarben jeder Couleur gab. Durch die Sonne Gator hatten die Imarter eine natürliche Anpassungsfähigkeit an das Strahlungsspektrum des jeweiligen Zentralgestirns entwickelt, sodass sie in der Lage waren, innerhalb kürzester Zeit sich an die Bedingungen auf anderen Planeten anzupassen. Natürlich hatte Yulia vor ihrer Versetzung gelernt, dass die Strukturläuferzwillinge Rakal und Tronar Woolver die bekanntesten Vertreter der Imarter gewesen waren.
In zwei Monaten würde Yulia Stoofyt wieder nach Terra zurückkehren. Dann war ihre Versetzung beendet. Vielleicht war auch ein Zwischenstopp auf Camelot möglich. Die Sicherheitsvorkehrungen waren seit der Annäherung mit der LFT ein wenig entschärft worden.
Abgesehen von den schwierigen Umweltbedingungen genoss Yulia die Zeit auf Imart und versuchte so viel wie möglich zu lernen. Das war es, was eine Cameloterin ausmachen sollte. Es war allgemein üblich, dass die Mitglieder des aktiven Dienstes für einige Monate auf verschiedenen Welten eingesetzt wurden, um eigene Erfahrungen zu sammeln und ein Gefühl für die Gesamtheit zu erhalten. Daneben sollte dieser Austausch zwischen den verschiedenen Camelotbüros dazu dienen, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die persönlichen Kontakte der verschiedenen Mitarbeiter des aktiven Dienstes zu stärken.
Der Dienst in einer Camelotniederlassung sollte vor allem unauffällig von statten gehen. Von den 22 Mitarbeitern waren die meisten Imarter. Offiziell war das Büro ein Tourismusbüro, obgleich natürlich in gewissen Kreisen durchaus bekannt geworden war, dass es sich um einen Stützpunkt von Camelot handelte.
Alle sechs Monate wechselte Erkin Lediter deshalb den Namen und den Sitz des Büros. Sieben Imarter und Imarterinnen waren für die Sicherheit zuständig. Fünf weitere Mitarbeiter waren für die Technik zuständig, den Auf- und Abbau der Büroräume. Der Rest war mit Rekrutierung und nachrichtendienstlichen Aufgaben beauftragt.
Yulia war als Sekretärin des Büroleiters eher mit organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufgaben beauftragt. Und natürlich auch mit Gefälligkeiten, damit der Imarter seine Schokocroissants zum Frühstück hatte.
Für heute um 9:00 Uhr war eine Besprechung aller Mitarbeiter anberaumt. Es war das routinemäßige Mitarbeitermeeting. Die Serviceroboter bereiteten die Getränke und Schnittchen im Konferenzraum in der zweiten Etage vor.
Die wenigsten der Cameloter betraten durch die Eingangstür den Stützpunkt, sondern benutzten die gesicherte Transmitterverbindung. Das hatte den Vorteil, dass zumindest keine offiziellen Spuren von den Außendienstmitarbeitern zum jeweiligen Büro führten.
Die interne Kommunikator piepste in Yulias Lieblingsklingelton »Würgender Okrill« auf.
Die Imarterin Ogaly Primonnat arbeitete im Empfangsbereich zusammen mit zwei Sicherheitskräften, die jeden Besucher erst einmal genau unter die Lupe nahmen. Sie meldete, dass ein Besucher nicht an einer Reise, sondern an Camelot interessiert war. Bei solchen Gästen galt erhöhte Aufmerksamkeit, denn sie wussten, wie sie Camelot erreichen könnten. Yulia informierte Erkin Lediter. Zusammen mit dem kräftigen Imarter gingen sie in den Empfangsraum. Dort stand ein hochgewachsener, etwa zwei Meter großer Mann in einem silbernen Raumanzug. Er war Humanoid, wenngleich auch nicht genau zu erkennen war, von welcher Spezies er abstammte, da sein Gesicht durch einen Helm verhüllt war.
Yulia fiel auf, dass der Raumfahrer sich zumindest die Schuhe abputzen hätte können, denn ein Pfad von getrockneter Erde verlief vom Eingang bis zu seiner Position.
Erkin Lediter stellte sich vor. Links und rechts neben dem Raumfahrer standen zwei Sicherheitsbeamte. Die Abtastung hatte ergeben, dass dieser Fremde unbewaffnet war. Dennoch galt es vorsichtig zu sein.
Ogaly Primonnat seufzte und ging in die Kammer, um den emsigen Putzroboter zu aktivieren.
»Was kann ich für dich tun, fremder Freund?«, fragte Lediter.
»Ich suche Kontakt zur Welt der Unsterblichen«, antwortete der fremde mit einer dumpfen, metallischen Stimme.
Derweil schrie Ogaly auf. Offenbar hatte der Unbekannte einige Ameisen mitgebracht. Sie krabbelten den Fußboden entlang und verschwanden hinter Möbelstücken.
»Kommst du von einer Farm?«, fragte Ogaly entrüstet und schüttelte den Kopf.
»Nein«, antwortete der Raumfahrer trocken.
Yulia kam der Fremde unheimlich vor. Dieser Raumanzug hatte etwas Imposantes und doch auch Bedrohliches. Allerdings trug er keine Waffen bei sich. Was konnte er schon ausrichten?
Sie warf einen Blick auf ihre Syntronik. Das Display flackerte kurz und erlosch. Yulia versuchte eine Fehlersuchroutine zu starten, doch auch dies misslang. Dann bemerkte sie, wie eine der Ameisen aus einer Hardwareschnittstelle heraus kroch. Dann formten sich plötzlich Flügel aus dem Rücken und sie schwirrte davon.
Irritiert blickte die Terranerin dem sonderbaren Wesen nach.
»Deine Ameise hat meine Syntronik kaputt gemacht«, stotterte sie entgeistert.
Plötzlich flogen auch die anderen Insekten durch die Gegend.
»Das ist eine Falle«, stieß Lediter entsetzt hervor.
Die beiden imartischen Sicherheitskräfte packten den Fremden, doch die Insekten flogen direkt in die Ohren der Imarter. Diese schrien auf, zuckten und fielen zu Boden.
Der Raumfahrer schnellte auf Erkin Lediter zu, packte dessen Kopf und riss ihn um 180 Grad herum. Der Imarter fiel leblos zu Boden. Ogaly Primonnat schrie auf. Yulia aktivierte sofort den Alarmknopf, doch nichts geschah.
»Bemühe dich nicht«, sagte der Fremde. »Meine Nanoroboter haben den Alarm unterbrochen und die Zentralsyntronik sowie das Transmitternetz deaktiviert. Wir haben uns vorbereitet.«
Nun stürmten zehn Männer – alles Terraner oder Kolonisten – in den Eingangsbereich. Einer von ihnen richtete seinen Strahler auf Ogaly und drückte ab. Yulia schrie in Panik auf.
Ein anderer der Angreifer stieß sie beiseite und tippte etwas auf der manuellen Eingabekonsole der Syntronik ein, die daraufhin wieder ihren Dienst verrichtete.
»Die anderen befinden sich im zweiten Stockwerk, Sir! Wir haben die Ausgänge abgeriegelt.«
»Sehr gut«, lobte der Fremde und ging auf Yulia Stoofyt zu. Er packte sie am Hals und hob sie hoch. Yulia rang verzweifelt nach Luft.
»Berichte dies nach Camelot. Ich bin Cauthon Despair, der Silberne Ritter. Die dekadenten, korrupten und verlogenen Eliten der Milchstraße haben einen neuen Feind: Die MORDRED!«
Despair ließ die Terranern los. Seine Männer hatten Sprengsätze im Gebäude verstaut. Einer griff nach Yulia und schleifte sie ins Freie. Dort versetzte er ihr einige schmerzhafte Tritte und ließ sie liegen. Aus den Augenwinkeln beobachtete Yulia, wie zwei Gleiter landeten. Dieser Silberne Ritter und seine Leute stiegen ein. Wenige Momente später brach die Hölle los und das Gebäude explodierte.
Der gewaltige Kugelraumer hatte seinen Überlichtflug beendet und verließ den Metagrav-Vortex. Langsam tauchte der Stahlgigant wieder in den Normalraum ein und positionierte sich am Rande des Systems der Welt Zalit.
Zalit war die vierte von insgesamt fünfzehn Welten, die um die Sonne Voga kreisten. Die Hauptstadt des Planeten war Tagnor, sie hatte die dichteste Population von insgesamt sieben Millionen Lebewesen auf der Kolonialwelt.
Das System war nur 3,14 Lichtjahre von Arkon entfernt und gehörte zu den Hauptwelten des Kristallimperiums. Einige hundert Wachschiffe patrouillierten in der Nähe der roten Sonne. Es war schwer für den großen Kugelraumer, unentdeckt zu bleiben.
Doch das dreieinhalb Kilometer durchmessende Schlachtschiff mit dem charakteristischen Ringwulst besaß einen hochentwickelten Ortungsschutz, der der Technik der Verbündeten Dorgonen entsprungen war. Dennoch näherte man sich vorsichtig der vierten Welt des Vogasystems. Immerhin befanden sie sich fast im Zentrum der arkonidischen Macht.
Der Kommandant der VERDUN hatte die Arme hinter den Rücken verschränkt und sah aus dem großen Panoramafenster der Kommandostation. Er beobachtete die Wachschiffe der Arkoniden, die nichtsahnend ihre Runden flogen. Der Mann war in einen silber-metallischen Raumanzug gekleidet. Sehr hohe Stiefel und Handschuhe sowie ein bis auf den Boden wallender Umhang bestimmten sein Erscheinungsbild. Ein Helm, der seinen Kopf vollständig umhüllte, rundete das bedrohlich wirkende Bild des Mannes ab. Aufgrund dieses speziellen Raumanzuges wurde er von seinen Untergebenen und Vorgesetzten respektvoll als der Silberne Ritter bezeichnet. Niemand von der Besatzung hatte jemals sein wahres Gesicht gesehen.
Ruhig stand er vor dem großen Bildschirm, welcher das Voga-System darstellte. Keiner wagte es, ihn anzusprechen.
Auf seinen Schultern lastete die Verantwortung für den nächsten Schlag.
Nach langen Jahren des Aufbaus war es nun an der Zeit, zu agieren. Der große Anführer der Terrororganisation, den alle nur als Rhifa Hun kannten, hatte vor wenigen Tagen den Befehl zum Angriff gegeben. Nachdem sie die Camelot Niederlassung auf Imart zerstört hatten, war nun die geheime Station Camelots auf Zalit an der Reihe.
Geheim war sie nur für das Kristallimperium und die LFT. Nicht für die MORDRED. Sie hatte ihre Quellen.
Cauthon Despair war die Nummer Zwei in der MORDRED. Doch niemand behandelte ihn deshalb mit weniger Respekt. Er war gefürchtet, denn er war unbarmherzig. Der einstige Cameloter galt als gefühlskalt und kompromisslos. Genau diese Eigenschaften machten ihn auch zum stellvertretenden Anführer der Terrororganisation MORDRED. Über seine Vergangenheit wusste kaum jemand etwas. Jeder, der für die MORDRED angeworben wurde, kannte ihn, denn er war schon immer die rechte Hand von Rhifa Hun gewesen.
Der knapp zwei Meter große Terraner regte sich immer noch nicht, obwohl Zalit vor ihnen lag. Es wurde Zeit. Der Erste Offizier, der Terraner Kenneth Kolley, schluckte tief und sprach ihn an.
»Sir!«, begann er zögerlich und mit sehr leiser Stimme. Man konnte ihm deutlich den Respekt vor der imposanten Gestalt anmerken, welche den Kopf in die Richtung des Terraners drehte.
»Was gibt es, Admiral?«, fragte er mit einer dunklen Stimme, die Kolley innerlich in Aufruhr versetzte.
»Sir, wir haben Zalit erreicht. Wir warten auf Ihre Instruktionen.«
Er sah in die verspiegelten Augengläser der Maske. So sehr er sich anstrengte, er konnte nicht die wahren Augen seines Kommandanten erkennen.
Innerhalb der MORDRED musste man jeden Siezen. Ein Duzen war verboten, denn es untergrub die Disziplin. Ebenso besaß jeder einen Rang und keine Bezeichnung, wie dies in der LFT üblich war.
»Gut! Bemannen Sie den Kreuzer und lokalisieren Sie den Standort der Niederlassung.«
Seine Anordnung wurde sofort ausgeführt. Ein Team von 30 geschulten Soldaten besetzte den kleinen Kreuzer und aktivierte den Ortungsschutz. Das Angriffsziel konnte ohne Schwierigkeiten angepeilt werden. Es war leicht zu finden, wenn man wusste, wonach man suchen musste.
Despair wusste es, denn er hatte einst zu ihnen gehört. Der Kreuzer startete aus einem der gigantischen Hangars der VERDUN, die einem neu entwickelten Schiffstyp angehörte. Es handelte sich um ein Schlachtschiff der NEOUNIVERSUM-Klasse, das sich von den alten Ultraschlachtschiffen des Solaren Imperiums besonders durch seine Größe unterschied, denn die VERDUN besaß einen um 1.000 Meter größeren Durchmesser, als die damaligen Großkampfschiffe.
Die LFT hatte weitaus weniger zu bieten. Die Schlachtschiffe der NOVA-Klasse waren der »Stolz« der Terraner – mit einem Viertel des Durchmessers der VERDUN.
Auch die Technik an Bord des MORDRED-Raumers war nicht zu verachten: Einhundert Transformgeschütze schwersten Kalibers, dazu Hunderte von Intervall-, Impuls-, Desintegrator- und Thermalgeschützen, 50 Arkonbomben, 1.000 Jäger, 50 Kreuzer der 150 Meter großen DESTRUCTION-Klasse, 1.000 Shifts, 200 Space Jets und eine Besatzung von über 20.000 Soldaten machten die VERDUN zu einer fliegenden Festung.
Die Beschleunigung des mit Metagravtriebwerken ausgerüsteten Schlachtschiffes betrug 1300 km/sec². Damit war es um 180 km/sec² schneller als das Flaggschiff der LFT, die PAPERMOON.
Langsam näherte sich der Kreuzer Zalit und trat in den Orbit ein. Despair verfolgte gespannt die Operation. Der neue Ortungsschutz, der mit Hilfe der Dorgonen entwickelt worden war, funktionierte einwandfrei. Das Schiff verschwand schnell in der Atmosphäre des Planeten. Aus Sicherheitsgründen musste nun Funkstille herrschen. Despair musste sich in Geduld fassen und abwarten, bis der Raumer wieder zur VERDUN zurückkehrte.
*
Zwei Stunden vergingen, in denen der Silberne Ritter wie ein Tiger auf und ab ging, bis sich der Kreuzer wieder meldete. Sofort wurde Bericht erstattet.
Captain Aron, ein Plophoser mit kantigem Gesicht, eilte auf die Kommandostation und salutierte vor Cauthon Despair.
»Berichten Sie!«, forderte ihn Despair auf.
»Sir, die Operation war ein voller Erfolg. Wir haben das Angriffsziel schnell gefunden und alle Gegner eliminiert. Auf unseren Seiten gibt es keinen einzigen Mann Verlust, die Feinde haben insgesamt 25 Leute verloren. Die Niederlassung wurde zerstört.«
»Bevor die Kristallflotte die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, verlassen wir unverzüglich das System«, befahl Despair.
Despair verspürte Genugtuung. Der erste Schritt war vollbracht, die Feinde wurden in ihre Schranken verwiesen. Es würde sicher nicht lange dauern, bis die Nachricht von der Zerstörung ihrer Niederlassung die Hauptwelt der Gegner erreicht hatte.
Doch noch war es noch nicht an der Zeit, um irgendwelche Siegesfeiern zu zelebrieren. Es gab noch viele Welten mit Stationen der Feinde. Auch diese galt es zu vernichten.
»Admiral, fliegen Sie die VERDUN nach Gatas. Dort liegt unser nächstes Ziel«, sprach Despair und verließ die Kommandostation.
Der gewaltige Kugelraumer verließ das System mit der roten Sonne und steuerte ins Zentrum der Blues.
Das Prasseln des Geldes war das erste Geräusch, das Homer G. Adams an diesem Morgen hören wollte. Sein Hausroboter Dagobert weckte das Finanzgenie an diesem besonderen Morgen um Punkt 7 Uhr mit dem melodischen Klang von Münzen, die aufeinander prasselten. Eigens dafür stand neben dem Bett des Unsterblichen eine Schale mit Münzen, durch die der Roboter mit seinen Greifarmen fuhr.
»Guten Morgen, Homer«, begrüßte das künstliche Lebewesen den Terraner.
»Nicht aufhören«, murmelte der Terraner im Halbschlaf. Er rekelte sich in seinem großen Bett und schaute aus seinen verschlafenen Augen auf den goldenen Roboter, der einem Menschen nachempfunden war.
Beinahe wäre Homer G. Adams wieder in Versuchung geraten einzunicken, doch der Klang der Münzen machte ihn von Sekunde zu Sekunde munterer.
»Den wievielten haben wir heute?« wollte der Unsterbliche von seinem künstlichen Hausbutler wissen, obwohl er eigentlich die Antwort bereits kannte. Nur an diesem Tage wurde er mit dem Klang von prasselnden Münzen geweckt.
»Heute ist Montag, der 27. September 1290 NGZ. Der Montag ist angebrochen«, orakelte die Maschine, in dem Wissen, dass Homer G. Adams wusste, welchen Montag er meinte.
Sofort sprang der kleine Terraner aus dem Bett und machte ein paar Kniebeugen. Er begab sich in das Badezimmer, um nach ein paar Sekunden wieder herauszukommen.
»Beinahe hätte ich es ja vergessen ...« sinnierte er und streifte sich seinen Pyjama vom Körper. Er suchte in einem Kleiderschrank einige recht alt aussehende Kleidungsstücke heraus und staffierte sich damit aus.
»Stelle eine Verbindung zu Rolf Friebel her«, bat er Dagobert, der den Befehl sofort ausführte.
Auf dem Bildschirm erschien das bärtige Gesicht des Vizepräsidenten der Taxit.
»Guten Morgen, Homer!« begrüßte er ihn freudig. »Ich warte schon auf dich.«
Friebel war Mitte 120, also in den besten Jahren, und hatte zusammen mit Homer G. Adams die Taxit aufgebaut. Wenn Homer G. Adams seinen Pflichten als Unsterblicher nachkommen musste und die Galaxis gegen Feinde oder gegen sich selbst verteidigte, dann leitete Rolf Friebel die Taxit, welches zu einem der größten galaktische Unternehmen geworden war.
Sowohl Adams als auch Friebel waren absolute Finanzgenies. Aber beide waren auch in vielen Dingen Geizhälse. Natürlich war jedes Lebewesen für beide wichtiger als Geld, doch sie knauserten in der Taxit oftmals, um sie noch stärker werden zu lassen. Natürlich nur, wenn es nicht auf Kosten von Lebewesen ging.
Für sie war nun die Sparwoche angebrochen, ein »Ritual«, das beide Jahr für Jahr durchführten. Zu diesem Zweck zogen die beiden für sieben Tage in die Berge, um in einer Holzhütte völlig spartanisch und sparsam zu leben. Es war eine Herausforderung für Adams und Friebel, denn die beiden Terraner waren fernab von der Technik und Zivilisation. Sie waren auf sich allein gestellt und konnten die Natur genießen.
Bully und Gucky hatten sich immer über die beiden »Knauser« lustig gemacht, doch das kümmerte die zwei herzlich wenig. Die Sparwoche war für Adams nur ein Vorwand, dem Trubel der modernen Zivilisation zu entgehen. Außerdem war es einfach nur ein Spaß für die beiden Finanzgenies.
Nach dem Trubel um Goedda und die Dscherro brauchte der Unsterbliche auch einmal eine Pause. Viele Wesen hatten ihr Leben während der Kämpfe gelassen, darunter auch zwei Zellaktivatorträger; Mila und Nadja Vandemar.
Von all diesen Ereignissen wollte Adams Abstand gewinnen. Er hatte schnell seinen Koffer gepackt und gab Dagobert ein paar letzte Instruktionen, bevor er eilenden Schrittes zu seinem Gleiter ging, um Rolf Friebel abzuholen.
*
Es war eine ruhige und warme Nacht. Die Sterne flackerten hell am Firmament und wirkten beruhigend auf die Betrachter. Das Zirpen der Grillen rundete die Atmosphäre ab.
Die Holzhütte stand auf einem kleinen Hügel. Etwa 100 Meter daneben befand sich ein kleiner See, der in einer Talsohle der Bergkette lag. Die Luft war rein und klar. Weit und breit war kein Galaktiker zu sehen oder zu hören.
Die beiden Männer saßen auf zwei Schaukelstühlen auf der Veranda des Hauses. Rolf Friebel öffnete eine Flasche Bier und nahm einen kräftigen Schluck. Sein Gesicht verzog sich, während er einen Laut des Ekels von sich gab.
»Was ist denn das für eine Brühe?«
»Grabsteiner, warum? Schmeckt es etwa nicht?«
Friebel schüttelte sich.
»Es ist scheußlich!«
Adams öffnete seine Flasche und nippte kurz daran. Seine Mundwinkel verzogen sich nur minimal nach unten.
»Es war aber am billigsten«, konterte er.
»Das ist ein Argument ...«
Friebel nahm wieder einen Schluck.
»Na ja, unter diesen Umständen schmeckt es doch sehr gut«, fügte er mit einem leichten Grinsen hinzu.
Ein Gleiter näherte sich der Talsohle und stoppte direkt über der Hütte. Mit Scheinwerfern leuchtete es auf die beiden Terraner, die sich die Hand vor den Augen hielten, um nicht geblendet zu werden. Die Fähre landete neben dem See und ein Mann in Uniform kam herausgestürzt. Er war groß und hager. Seine Bewegungen wirkten etwas unkontrolliert.
Homer erkannte den Mann sofort. Es war Tyrus Rannus, einer der Sicherheitsleiter Camelots. Er salutierte kurz vor dem Zellaktivatorchipträger und fing hastig an zu berichten.
»Angriff auf Imart und Zalit ... alle tot, bis auf eine ... die Büros ...!«, stotterte er aufgeregt.
»Ich verstehe kein Wort. Was ist auf Imart und Zalit passiert?«, wollte Adams sofort wissen.
Zuerst wollte er den Cameloter für die Störung seiner Sparwoche zurechtweisen, doch anscheinend war etwas Ernstes vorgefallen.
»Unsere Büros auf Imart und Zalit wurden durch Unbekannte zerstört«, sprach Rannus nun verständlich. »Auf Imart gab es eine Überlebende. Sie steht unter Schock und berichtet von einem Silbernen Ritter und der MORDRED.«
Homer G. Adams steckte der Schock tief in den Knochen. Er schluckte laut und sah irritiert zu Friebel herüber, der ebenso ernst aussah. Bei dem Namen MORDRED klingelte etwas bei ihm. Es war fast fünf Jahre her, da hatte die MORDRED offensichtlich die Entführung des Luxusraumschiffes LONDON unterstützt. Der einzige Kontakt zu einem Raumschiff der MORDRED war durch den TLD-Agenten Stewart Landry und Gucky zustande gekommen, doch die Crew der MORDRED hatte den Freitod gewählt, bevor nähere Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Trotz aller anschließenden geheimdienstlichen Bemühungen hatten sie nie mehr über diese ominöse Organisation herausgefunden.
»Wir brechen unsere Sparwoche ab. Rannus, ich möchte Berichte und Fakten zum Anschlag haben, sobald ich im Büro bin, verstanden?«
Rannus bestätigte laut und ging mit staksigen Schritten zum Gleiter. Adams ließ seinen Koffer und Gleiter bei der Holzhütte. Er zog es vor, mit dem Vehikel nach Port Arthur zu fliegen.
*
Kaum war er in seinem Büro angekommen, stürmten die Leute von allen Seiten auf ihn ein. Die camelotische Presse hatte schnell von dem Unglück erfahren und versuchte eine Stellungnahme von Adams zu bekommen, doch der Euroterraner lehnte ab. Sicherheitsbeamte hielten die Journalisten zurück und Adams konnte in die für die Öffentlichkeit unzugänglichen Bereiche des Regierungsgebäudes gelangen.
Doch auch dort herrschte große Aufregung. Niemand wusste genau, was eigentlich passiert war. Der Kontakt zur geheimen Niederlassung auf Zalit war abgebrochen. Einige Mitglieder der IPRASA hatten danach das Camelotbüro aufgesucht und eine zerstörte Zentrale und viele Leichen vor gefunden.
»Es ist ein schreckliches Bild, überall liegen die Leichen der Cameloter«, berichtete der IPRASA-Agent über Holoaufzeichnung. »Sie wurden anscheinend hinterrücks überfallen und ermordet. Anschließend wurde das Gebäude in Brand gesetzt.«
Die Überlebende von Imart war noch nicht ansprechbar. Der Bericht war vage. Doch Adams wusste, dass die MORDRED und dieser geheimnisvolle Silberne Ritter auch hinter dem Anschlag auf Zalit stecken musste.
Alle anderen Camelotbüros wurden in Alarmbereitschaft versetzt, denn vielleicht schlug der geheimnisvolle Gegner ein drittes Mal zu.
Das scheibenförmige Raumschiff näherte sich langsam der ehemaligen Freihändlerwelt Phönix, dem heutigen Camelot.
Die SAGRITON hatte eine Konstruktion, die der BASIS ähnelte. Der Rumpf bestand aus einer 5.000 Meter durchmessenden und etwa 1.000 Meter hohen Scheibe. Auf dieser befanden sich etliche Türme und Kuppeln. Der größte Turm war knapp 300 Meter hoch und die darauf befindliche Kuppel durchmaß etwa 250 Meter.
Die SAGRITON war das Flaggschiff der Republik Saggittor in der gleichnamigen Galaxis, die den Galaktikern besser unter »M 64 – Das schwarze Auge« bekannt war. Saggittor lag 19 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.
Aurec, der Kanzler der Republik Saggittor, konnte es kaum erwarten, endlich die Milchstraße zu Gesicht zu bekommen.
Im Jahre 1285 NGZ war er auf das terranische Luxusraumschiff LONDON gestoßen. Damals hatte er durch eine geheimnisvolle Vision der Superintelligenz SAGGITTORA von der Existenz der Sternenportale erfahren. Diese wurden aus vier Raumstationen gebildet, die bei Bedarf ein rundes Transmitterportal erzeugten, und teilweise im Hyperraum eingebettet waren. Durch ein Sternenportal konnten gigantische Entfernungen innerhalb von Sekunden zurückgelegt werden. Die Technologie hinter den Portalen war sowohl den Saggittonen als auch den Galaktikern fremd. Sie wussten nichts darüber, außer, dass sie die Zielkoordinaten über eine bestimmte Frequenz an die Stationen übermitteln mussten, die dann ein Portal zur Gegenstation erzeugten.
Bisher waren zwei Sternenportale in Saggittor, eines am Rand der Lokalen Gruppe, rund 5 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt, und ein weiteres vor zwei Jahren in der Galaxis Siom Som, wie der Somer Sruel Allok Mok während eines Besuchs vor einem Jahr auf Saggitton berichtet hatte, entdeckt worden.
Im Jahre 1285 NGZ war Aurec auf Perry Rhodan und Sam getroffen. Gemeinsam hatten sie ein unwirkliches Abenteuer in der Vergangenheit eines Paralleluniversums überstanden, den Mörder seiner Familie besiegt und die geheime Station der Kjollen im Zentrum von M64 zerstört. Die Kjollen waren ein Hilfsvolk einer Entität namens Rodrom gewesen, die mit unverständlichem Hass und Brutalität vorgegangen war.
Aurec hatte erfahren, dass Rodrom die LONDON auf deren Rückflug zerstört hatte. Dennoch waren die letzten fünf Jahre in Saggittor ruhig gewesen. In dieser Zeit hatte Aurec viel für seine Völker getan und die Galaxie mehr denn je geeint. Regelmäßig waren terranische und nun auch estartische Handelskarawanen nach Saggittor gereist. Nun wollte Aurec endlich ein Versprechen einlösen, – nämlich Perry Rhodan besuchen. Er hatte seit drei Jahren terranischer Zeitrechnung nichts mehr von ihm gehört.
Die SAGRITON erreichte das System der Sonne Ceres. Aurec informierte den eigentlichen Kommandanten der SAGRITON, den jungen Offizier Serakan, einen codierten Funkspruch abzusenden. Natürlich hatten die Cameloter diverse Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um unentdeckt zu bleiben oder um unerwünschte Besucher schnell vertreiben zu können.
Serakan, ein Offizier der Raumflotte der Aurec absolut loyal zur Seite stand, übermittelte den Autorisierungscode, den Aurec einst von Perry Rhodan bekommen hatte.
Die Cameloter antworteten nach Überprüfung des Codes. Auf dem großen Bildschirm der Kommandozentrale des saggittonischen Flaggschiffes erschien das Gesicht des akonischen Sicherheitschefs Trabon Saranos. Dieser verzog keine Miene und musterte den Saggittonen misstrauisch.
»Du bist Aurec?«
Aurec lächelte freundlich und machte eine begrüßende Geste.
»Ich bin Aurec, werter Freund. Ich bin das Regierungsoberhaupt der Republik Saggittor und möchte mit Perry Rhodan sprechen.«
Trabon Saranos erhob keine Einwände. Der übermittelte Code war eigens nur für die Saggittonen bestimmt und einmalig.
Die Beschreibung Rhodans passte genau auf Aurec und dessen Schiff. Trabon Saranos bat den Saggittonen, langsam Phönix anzufliegen und auf Raumhafen 12, Hangar 198 in Port Arthur mit einer Fähre zu landen, da sie über keinen Raumhafen verfügten, der für die gewaltige SAGRITON geeignet wäre.
Aurec bedankte sich galant bei dem Akoniden und bat Serakan ihn zu begleiten. Dessen Erster Offizier Waskoch, ein ebenso tüchtiger und sehr patriotischer Saggittone, übernahm nun das Kommando.
*
»Homer, du hast Besuch«, meldete die Sekretärin des Zellaktivatorträgers aufgeregt.
Adams war müde, denn er hatte die letzten 24 Stunden kein Auge mehr zugetan.
»Nicht jetzt, Phillis!« wehrte er ab, doch die Frau beharrte auf den Besucher.
»Es tut mir leid, aber hier ist jemand, der Perry Rhodan sprechen will. Ein gewisser Aurec, der angeblich der Kanzler einer Republik Saggittor sein soll. Er ist mit seinem fünf Kilometer großen Schiff in einen Orbit um Camelot gegangen.«
Adams schreckte hoch, als er den Durchmesser des Schiffes registrierte. Zuerst wollte er Alarm geben, denn er vermutete den mysteriösen Feind hinter dem Besucher, doch dann kam ihm der Name Aurec wieder ins Gedächtnis. Die Taxit unterhielt Handelsbeziehungen nach Saggittor. Zuletzt hatte der Somer Sam im Namen Camelots 1289 NGZ einen Besuch dort abgestattet.
Anscheinend wollte dieser Aurec nun Perry einen Besuch abstatten. Doch Rhodan war seit geraumer Zeit für die Koalition Thoregon unterwegs. Niemand wusste genau, wo er sich nun befand. Homer G. Adams war so ziemlich der einzige Zellaktivatorträger, der noch in der Milchstraße verweilte. Alle anderen waren in irgendwelchen fremden Galaxien tätig.
»Informiere bitte Sam über den Besuch von Aurec«, bat Adams Phillis. »Der Somer ist der einzige, der Aurec gesehen hat und sich noch auf Camelot befindet.«
»Nicht ganz, Sir! Wyll Nordment und seine Ehefrau Rosan Orbanashol-Nordment befinden sich im Moment ebenfalls auf Camelot.«
»Hm«, machte Adams. »Nun gut, dann informiere sie bitte auch.«
*
Der blaugefiedrige Somer erreichte nach knapp zehn Minuten den Konferenzsaal, der eigentlich für die Zellaktivatorträger bestimmt war.
Joak Cascal und Sandal Tolk, die bei der Reise der zweiten LONDON in aus einer Raumzeitfalte gerettet worden waren und sich nach den Abenteuern auf der LONDON II Camelot angeschlossen hatten, konnten nicht rechtzeitig zur Besprechung erscheinen. Sie hatten das neue 1.000 Meter große Schlachtschiff TAKVORIAN auf seinem Jungfernflug getestet. Zusammen mit dem Schwesterschiff IVANHOE waren diese beiden Raumschiffe neben der GILGAMESCH die größten Raumschiffe der Marke Camelot. Cascal sollte später Kommandant der TAKVORIAN werden, während den Oberbefehl über die IVANHOE der Terraner Xavier Jeamour erhalten hatte, der seit Jahren ein zuverlässiges Mitglieder der Organisation Camelot war.
*
Der saggittonische Kanzler Aurec wurde in das Besprechungszimmer geführt. Der buckelige Adams musterte den hochgewachsenen Saggittonen mit seinen langen schwarzen Haaren, dem markanten Gesicht und der sonnengebräunten Haut.
»Guten Tag«, sagte Adams höflich aber reserviert. »Ich bin Homer G. Adams und derzeit der Leiter von Camelot. Ich heiße dich willkommen, doch leider hast du dir einen ungünstigen Zeitpunkt für einen Staatsbesuch auserkoren.«
Aurec wirkte verwundert. Er ergriff die Hand des Finanzgenies und begrüßte ihn freundlich. Dann fiel sein Blick auf Sam.
»Es ist mir eine Freude, dich wiederzusehen, mein saggittonischer Freund«, sagte der Somer mit seiner sonoren Stimme.
Aurec lachte und umarmte Sam, dem das wohl etwas peinlich war, denn er zupfte sich danach peinlich genau sein Gefieder zurecht.
»Aurec!«, rief eine weibliche Stimme im Hintergrund.
Sie gehörte Rosan Orbanashol-Nordment. Die rothaarige Halbarkonidin mit den roten Augen stürmte auf den Saggittonen zu und umarmte ihn. Ihr Mann Wyll Nordment begrüßte Aurec ebenso mit einer kurzen Umarmung.
»Es freut mich auch, euch drei wiederzusehen und dich kennen zu lernen, Homer G. Adams. Doch wieso kommt mein Besuch ungelegen?«
Adams räusperte sich.
»Nehmen wir erst einmal Platz …«
*
Aurec erfuhr, was in den vergangenen zwei Jahren geschehen war. Als Sam ihn vor einem Jahr unterrichtet hatte, war der Somer zuvor einige Monate in der Estartischen Föderation gewesen. So dass er Aurec gar nicht von Rhodans Gang durch den Pilzdom im Oktober des Jahres 1288 NGZ berichten konnte.
Adams erzählte dem saggittonischen Kanzler weiter in Kurzfassung von der Invasion durch die Tolkander, den Philosophen, Goedda, den Heliotischen Bollwerken, die Terrania-Süd und Kalkutta-Nord transferiert hatten, den Dscherro und nun von den Angriffen der geheimnisvollen Terrorgruppe MORDRED.
Aurec lehnte sich zurück und pfiff erstaunt.
»Ihr habt ein bewegtes Leben. Da kann ich auf Saggittor nicht mithalten«, erwiderte er mit einem Schmunzeln. »Ich habe Vertrauen, dass Perry und seine Gefährten heil zurückkehren«, fügte er hinzu.
Adams machte nur »Mhm«.
Aurec bemerkte die Anspannung bei dem Terraner, der wohl der Älteste Mensch der Erde war, wie man ihm berichtet hatte. Homer G. Adams war ein Begleiter Rhodans von der ersten Stunde an gewesen.
»Mein Besuch kommt daher wohl ziemlich ungelegen«, stellte Aurec diplomatisch fest.
Homer erhob sich und wehrte mit den Händen ab.
»Aber nein, du bist hier herzlich willkommen. Perrys Freunde sind auch meine Freunde. Wir haben nur im Moment einige Probleme. Die MORDRED. Wir wissen nicht, wann sie wieder zuschlägt.«
Homer setzte sich wieder in den breiten Sessel. Aurec hingegen stand auf und lief durch den Saal.
»Da ich schon einmal hier bin, kann ich mich auch nützlich machen. Ich werde euch bei euren Untersuchungen helfen. Perry würde das gleiche in meiner Galaxis tun.«
Sam erklärte sich sofort mit Aurecs Angebot einverstanden, doch Homer zögerte noch etwas. Er kannte den Saggittonen kaum, doch wirkte er irgendwie vertraut.
»Mister Adams, Aurec ist jemand, den man gerne an seiner Seite haben sollte, wenn es brenzlig wird«, erklärte Rosan.
»Ach ich nicht?«, meinte Wyll pikiert.
»Du natürlich auch, mein Schatz«, erwiderte Rosan lächelnd.
Adams räusperte sich.
»Ich kann das nicht von dir verlangen, aber wir können jede Hilfe gebrauchen.«
»Dann sind wir uns einig. Ich bin schon seit fünf Jahren auf der Suche nach einem Abenteuer.«
Die VERDUN trat mit einem Verband von sechs Schlachtschiffen aus dem Hyperraum aus und hatte das Verth-System erreicht. Die Hauptwelt der Blues, Gatas, befand sich in diesem System.
Cauthon Despair kannte den Standort der Niederlassung der Cameloter. Wieder wurde einer der neu entwickelten Träger-Kreuzer der DESTRUCTION-Klasse startklar gemacht. Diesmal wollte Despair die Operation selbst leiten. Zwei Space-Jets wurden eingeschleust, denn die Station befand sich in einer der vielen unberührten Gebirgslandschaften Gatas.
»Sir, sind Sie sicher, dass sie am Angriff teilnehmen wollen?«, erkundigte sich Admiral Kolley. Er war um die Sicherheit seines Kommandanten besorgt.
»Ja, Admiral! Manövrieren Sie den Verband zur Sonne Verth und warten Sie bis zum vereinbarten Signal«, kommandierte Despair.
Der Silberne Ritter ging an Bord des 150 Meter durchmessenden Kreuzers, der kurz danach ausgeschleust wurde und durch den Ortungsschutz getarnt unbemerkt in die Atmosphäre von Gatas eintauchte. Wenig später bezog das Raumschiff eine stationäre Position über dem Ziel.
Die Jets wurden ausgeschleust und näherten sich langsam dem Camelotbüro, das mit einer etwa 50 Meter durchmessenden Kuppel aus dem Erdboden ragte. Der Rest war unterirdisch angelegt.
Der erste Jet positionierte sich etwa 500 Meter von der Kuppel entfernt und schoss auf die Station. Mit nur drei Schüssen war die Kuppel zerstört. Die andere Jet landete neben der zerstörten Kuppel und lud die Bodentruppen aus, die graue Kampfanzüge trugen, die ihren Körper vollständig bedeckten. Auch ihre Gesichter waren durch ein maskenähnliches Visier unkenntlich gemacht. Sie feuerten sofort auf die verwirrten Cameloter, die nur wenig Widerstand leisten konnten.
Das Camelotbüro auf Gatas war eine wichtige Niederlassung der Unsterblichenorganisation. Knapp 100 Mitglieder befanden sich auf dem Stützpunkt. Doch sie konnten den geschulten Kampftruppen der MORDRED wenig entgegensetzen. Trotz tapferer Gegenwehr war ihre Niederlage vorprogrammiert. Schließlich warfen die Überlebenden die Waffen weg, hoben die Hände und kapitulierten.
Despair schritt langsam durch die Korridore, vorbei an den Toten. Sein Adjutant informierte ihn, dass gatasische Polizei auf dem Weg sei. Sie hatten nicht viel Zeit. Sein Augenmerk fiel auf einen graubärtigen Mann mit schütterem Haar, der immer noch Haltung bewahrte.
»Ich bin Trost Redan, der Leiter des Camelotbüros«, begann dieser. »Ich protestiere schärfstens gegen diesen schändlichen ...«
»Das hier ist kein Höflichkeitsbesuch, Kommandant Redan«, unterbrach ihn Despair, »und auch kein ritterlicher Kampf. Das ist der Beginn einer neuen Zeitordnung.«
Anschließend informierte er sich über die Überlebenden. Insgesamt hatten 75 Mitarbeiter des Camelotbüros überlebt, davon 20 Frauen und zwei Kinder.
»Die Mütter können mit ihren Kindern abziehen. Sie, Redan, werden sie begleiten. Richten Sie Perry Rhodan oder jedem anderen Unsterblichen aus, dass die MORDRED das Schicksal Camelots besiegeln wird. Die Unsterblichenorganisation wird untergehen!«
Redan konnte nicht glauben, was er da hörte. Er hätte am liebsten diesen Fremden in der Rüstung angegriffen.
»Wer zum Teufel bist du?«
»Richten Sie ihnen aus, dass Cauthon Despair Camelots Untergang sein wird.«
Der Mann und die zwei Frauen mit den Kindern wurden an Bord der Space-Jet gebracht und die restlichen Cameloter in einer Reihe aufgestellt.
»Sir, wie verfahren wir mit den Gefangenen?« wollte ein Unteroffizier wissen.
Despair schien einen Moment zu zögern, während er langsam durch das Visier seines Helms die einzelnen Gefangenen musterte. Doch dann kam sein Befehl hart und kompromisslos.
»Hinrichten!«
Der Offizier schluckte.
»Alle?«
»Alle!«
»Jawohl, Sir!«
Er machte sich sofort ans Werk.
Zwei Mitglieder des Kommandos brachten einen Gauß-Werfer in Stellung. Despair hatte schon vorher entschieden, dass für die Hinrichtung der gefangen genommenen Camelot-Mitarbeiter keine Energiewaffen eingesetzt werden sollten. Der Silberne Ritter beabsichtigte, mit der Hinrichtung Angst und Schrecken unter den Camelotern zu verbreiten. Energiewaffen, wie beispielsweise Themostrahler, bedeuteten einen relativ »sauberen« Tod, da durch die hohen Temperaturen des Waffenstrahls ungeschütztes Gewebe regelrecht von den Knochen gebrannt wurde. Von den Delinquenten würden nur noch die angekohlten Skelette übrig bleiben. Und genau das wollte Despair nicht. Das Bergungskommando Camelots sollte dem Schrecken ins Auge blicken müssen. Die Wirkung eines Gauß-Werfers bestand darin, dass winzige ringförmige Projektile durch Wirbelströme auf sehr hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden und ihre dadurch gewonnene kinetische Energie auf das Ziel abgaben. Ein »Weichziel«, wie es der ungeschützte menschliche Körper darstellte, würde regelrecht zerfetzt werden. Übrig würde ein undefinierbares Gemenge aus Fleischfetzen und Knochensplittern bleiben.
Der Gauß-Werfer war inzwischen feuerbereit. Despair hob die Hand und befahl kalt:
»Feuer!«
Seine Aufgabe auf Gatas war nun erledigt. Schock und Terror würde die Milchstraße überziehen und die Gesellschaften der LFT, Arkons und alle anderen Operettenreiche der lemurstämmigen Menschheit nach und nach reif für die neue Ordnung machen. Mit einem letzten Blick auf die dahingemetzelten Cameloter gab er den Befehl an Bord der VERDUN zurückzukehren und das Verth-System zu verlassen.
*
Die Space-Jet mit den fünf Überlebenden hatte nach vier Tagen Camelot erreicht. Sie wurden sofort versorgt. Redan war bald in der Lage, Homer G. Adams Bericht zu erstatten. Inzwischen war auch die TAKVORIAN auf die Welt der Unsterblichen zurückgekehrt. Joak Cascal und Sandal Tolk waren bereits aufgrund des Vorfalls auf Zalit in höchster Alarmbereitschaft. Es war erschütternd, als man erfuhr, dass nun auch Gatas angegriffen wurde.
Homer G. Adams, Cascal, Tolk, Sam, Wyll Nordment, Rosan Orbanashol-Nordment und Aurec saßen im Konferenzsaal und warteten gespannt auf Redans Bericht.
Der Kommandant des Camelotbüros wirkte zerfahren und erschöpft. Er berichtete, was er wusste.
»Der Rest meiner Besatzung wurde ermordet«, beendete er seinen Bericht. »Ich soll den Unsterblichen von einem Cauthon Despair ausrichten, dass er und die MORDRED Camelot vernichten werden.«
Es herrschte eine Weile Stille im Raum.
»MORDRED war Arthus Sohn und der schlimmste Feind Camelots«, begann Adams erklärend. »Cauthon Despair ist mir auch bekannt. Er war früher ein Cameloter, doch er galt als tot«, fügte er nachdenklich hinzu.
Keiner der Beteiligten war damals schon Mitglied von Camelot gewesen.
»Despair wurde 1264 NGZ auf der Welt Neles geboren. Seine Eltern waren Wissenschaftler von Camelot. Sie und ihre Crew starben auf mysteriöse Weise. Despair kam in die Obhut seines Onkels und seiner Tante. Unser damaliger Ausbilder Wirsal Cell stellte den Jungen Perry vor. Gemeinsam erlebten sie ein Abenteuer auf Mashratan. Später besuchte Despair die Akademie und war der Beste seines Jahrgangs. Nachdem 1283 NGZ einige Cameloter nach Mashratan entführt wurden, starb Despair bei der Befreiungsaktion. Ausgerechnet unsere Raumschiffe hatten das Feuer eröffnet. Niemand hatte den Befehl gegeben und man ging von einem Syntronikfehler aus«, erzählte Adams.
Adams hatte noch gut in Erinnerung, wie sehr Perry der Tod von Despair mitgenommen hatte. Er hatte damals eine Freundschaft mit dem Jungen aufgebaut und gehofft, dass dieser später eine wichtige Rolle spielen würde. Schon seit der Jugend Despairs hatte er sich für ihn verantwortlich gefühlt, da sich seine Verwandten kaum um ihn gekümmert hatten.
Doch etwas war um Weihnachten 1282 NGZ vorgefallen. Cauthon war wütend auf Rhodan gewesen. Ihr letztes Aufeinandertreffen hatte im Hangar der FREYJA im Orbit von Mashratan stattgefunden, bevor er auf dem Planeten gelandet war. Seine Leiche hatten sie niemals gefunden. Nach Aussagen der mashratanischen Regierung war dies nicht verwunderlich gewesen, denn dutzende Menschen waren bei dem Bombenangriff bis zur Asche verbrannt.
Doch nun war alles anders. Despair lebte. Doch es war nicht der aufstrebende junge Mann, sondern ein diabolisches Monster in einer silbernen Rüstung, die ihn an einen Ritter aus längst vergangenen Epochen erinnern ließ.
Joak Cascal zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch mit einem Seufzer aus.
»Anscheinend lebt dieser Despair noch und sinnt nach Rache«, meinte er.
»Vielleicht ... vielleicht fühlt er sich von Perry Rhodan und Camelot verraten?«, vermutete Rosan Orbanashol. Sie war neben Adams die einzige, die Despair schon einmal kennen gelernt hatte. Damals war sie jedoch erst zehn Jahre jung gewesen. Sie und Despair waren auf Mashratan entführt und später von Gucky befreit worden. Der Kontakt war jedoch nach dem Tod ihres Vaters abgerissen, da ihre Mutter nicht mehr gewollt hatte, dass sie Kontakt zu Terranern oder deren Abkömmlingen hielt.
»Dein Jugendfreund«, bemerkte Wyll ironisch.
Rosan hatte dafür wenig Verständnis.
»Als zehnjähriger Junge war er nett. Doch seitdem ist viel Zeit vergangen.«
Cascal brachte es auf den Punkt: »Wir haben in ihm einen ernstzunehmenden Gegner, den wir nicht unterschätzen dürfen.«
Admiral Kenneth Kolley lief eilenden Schrittes in die Kabine von Cauthon Despair. Sie wirkte auf den Kommandanten der VERDUN dunkel und spartanisch eingerichtet.
»Sir, Rhifa Hun will Sie über Hyperfunk sprechen«, meldete der Kommandant des Schlachtschiffes.
»Gut, stellen Sie die Verbindung in meine Kabine her!«
Despair erhob sich aus seinem Sessel und positionierte sich vor den Projektor. Als das verzerrte Hologrammbild des Anführers der MORDRED erschien, verbeugte Despair sich vor seinem Befehlshaber.
»Berichten Sie, mein Freund«, begann Rhifa Hun. Seine Stimme klang dunkel und ruhig.
»Die Niederlassungen auf Zalit und Gatas sind vernichtet, die Unsterblichen wissen nun von unserer Existenz.«
»Gute Arbeit, Cauthon Despair! Doch noch gibt es viele Camelotbüros, die es zu vernichten gilt!«
»Ja, Rhifa Hun. Plophos habe ich als nächstes Ziel anvisiert.«
Despair hörte ein heiseres Lachen seines Herren und Meisters.
»Die Cameloter bezahlen nun den Preis für den Verrat an den Interessen der Menschheit und ihr arrogantes Verhalten. Sollte Perry Rhodan irgendwann zurückkehren, wird er nur noch die Asche seiner Organisation wiederfinden.«
»Imart, Zalit und Gatas«, murmelte Joak Cascal immer wieder, als hoffe er, irgendeine Erkenntnis daraus zu ziehen.
Sie hatten den großen Konferenzraum als ihr Hauptquartier eingerichtet. Rosan Orbanashol-Nordment kauerte über einer Syntronik und recherchierte über Mashratan – immerhin der letzte Ort, an dem Despair lebend gesehen worden war.
Wyll Nordment hielt Kontakt zu den Camelotniederlassungen und arbeitete zusammen mit Cascal eine Verteidigungsstrategie aus. Aurec, Sam und Homer G. Adams überlegten, welche sinnvollen Schritte als nächstes zu tun waren. Außerdem wurde die IVANHOE unter Xavier Jeamour erwartet, die angesichts der aktuellen Lage die Order erhalten hatte, ihren Testflug abzubrechen.
Homer G. Adams nahm einen Schluck aus seinem Seltersglas. Er schüttelte den Kopf, noch immer bestürzt über die rücksichtslose Vernichtung der drei Büros. Diese Männer und Frauen, die bei den bisherigen Angriffen der MORDRED getötet wurden, waren keine Soldaten gewesen, sondern zivile Angestellte Camelots, die als Finanzfachkräfte, Wissenschaftler oder sogar nur als Verwaltungskräfte für die Unsterblichenorganisation gearbeitet hatten. Was hatten sie verbrochen, warum dieser Hass?
Rosan nuckelte verträumt an dem Strohhalm ihres Trinkbechers. Als sie absetzte, seufzte sie und griff sich erst einmal ihr Sandwich.
»Etwas Neues über Mashratan?«, wollte Adams wissen.
»Seit sieben Jahren wird die Welt durch die LFT überwacht. Es gibt eine kleine Wachflotte am Rand des Systems, welche die Ein- und Ausfuhren kontrolliert. Leider haben die Sanktionen weniger die Clique um den angeblich durch den Vhrato bestimmten »Vater des Volkes« Oberst Kerkum, sondern die Bevölkerung getroffen, was zum erbitterten Hass der Mashraten gegenüber der LFT geführt hat«, erklärte die Halbterranerin, die der Welt Mashratan aus eigenen Erfahrungen wenig abgewinnen konnte.
»1287 NGZ war es dann zu einem ernsten Konflikt gekommen, als Friedenstruppen des Galaktikums, die hauptsächlich aus Jülziisch, Unithern und Cheborpanern bestanden, eine Rüstungskontrollkommission begleiteten. Die Mashraten nahmen diese etwas ungeschickte Maßnahme des Galaktikums zum Anlass, um zum Heiligen Krieg gegen die Missachtung der Gebote des Dreieinigen Gottes aufzurufen, da sie die Anwesenheit sogenannter Alienrassen als ein schweres Sakrileg gegen die Gebote Vhratos ansahen. Um einen Volksaufstand zu vermeiden, zog die Galaktikumskommission wieder ab und übergab die gesamte Kontrolle an die LFT. Nach dieser Krise vertritt ein Hoher Kommissar des Außenministeriums der LFT das Galaktikum. Seit diesen Ereignissen verhält sich Oberst Kerkum ruhig, auch wenn ihm noch geschäftliche Beziehungen zum Kristallimperium, den Galactic Guardians und anderen kriminellen Organisationen nachgesagt werden.«
»Wenn Mashratan von der LFT regelmäßig kontrolliert wird, fällt es wohl als Sitz der MORDRED aus«, meinte Wyll.
»Ich schätze auch«, stimmte Rosan zu und biss beherzt in ihr Sandwich. Noch mit halb vollem Mund fügte sie hinzu. »Aber Kerkum ist nicht zu trauen. Vielleicht steckt er trotzdem da mit drin.«
»Hat man auf dem arkonidischen Hofe nicht gelernt, dass man mit vollem Mund nicht spricht?«, warf Adams ironisch ein.
Rosan lachte.
»Da gab es als kleines Kind gleich etwas auf die Schnute. Wünschen die Herren lieber eine Dame von Adel? Dann erwarte ich aber, dass man mich zukünftig mit Zhdopanta anredet.«
Adams winkte ab.
»Bleibe bitte wie du bist.«
»Wir sollten jemand nach Mashratan schicken«, schlug Cascal vor und blickte auf Wyll und Rosan.
»Gut, sobald die IVANHOE wieder im System ist, wird sie Wyll und Rosan aufnehmen und nach Mashratan fliegen. Die TAKVORIAN hingegen soll sich bereit halten, mögliche Angriffsziele zu schützen«, entschied Adams.
Die Beteiligten waren damit einverstanden.
Aurec meldete sich nun auch zu Wort.
»Was ist aus diesem Wirsal Cell geworden?« erkundigte er sich.
Homer runzelte die Stirn. Er suchte in einer Syntronik nach mehr Daten über den ehemaligen Ausbilder der Raumflottenakademie.
»Es kam noch 1283 NGZ zum Bruch zwischen Wirsal Cell und Perry Rhodan. Cell hatte Perry die Schuld an Despairs tot gegeben und war von seinem Posten zurückgetreten. Bis 1288 NGZ war er mit Inspektionsreisen zu diversen Camelotbüros beauftragt, sorgte für Sicherheitsverbesserungen und dergleichen. Es kam dann auch wieder zur Aussöhnung mit Rhodan.«
Aurec machte einen nachdenklichen Eindruck.
»Wir sollten Wirsal Cell aufsuchen. Vielleicht kann er uns weiterhelfen, wenn er Despair so gut kennt.«
Adams räusperte sich. Er glaubte zwar nicht, dass Cell ihnen weiterhelfen konnte, aber möglicherweise war es besser, als nichts zu tun und völlig im Dunkeln zu tappen. Wirsal Cell hatte sich vor Jahren Despair angenommen und ihn während seiner Zeit auf der Raumfahrtakademie von Port Arthur gefördert. Doch schon allein die Tatsache, dass sich Cell damals mit Rhodan über den vermeintlichen Tod von Despair gestritten hatte, sprach dagegen, dass er Informationen besaß, die ihnen weiterhelfen würden. Dennoch, es war alles andere besser, als ratlos im Besprechungsraum herumzusitzen und auf den nächsten Schlag der MORDRED zu warten.
Das Dejabay-System war unbewohnt. Der einzige Planet, der eine Atmosphäre besaß, war der Wüstenplanet Dejabay I. Auf dieser ungastlichen Welt befand sich eine Station der MORDRED. Unterirdisch waren gewaltige Hangars erbaut worden, um den schweren Schlachtschiffen der Terrorgruppe eine Basis zu bieten.
Die VERDUN hatte auf Befehl von Rhifa Hun den Sektor angeflogen und befand sich bereits im Landemanöver. Das 3,5 Kilometer durchmessende Schlachtschiff der neuen NEOUNIVERSUM-Klasse bot einen imposanten Anblick, als es langsam in den Hanger eingeschleust wurde und somit im Boden versank.
Sieben weitere Schiffe, die »nur« 1.000 Durchmesser besaßen, standen um die VERDUN verteilt. Sie gehörten den Anführern der MORDRED. Insgesamt gab es zehn Leiter der Terrororganisation. Die Hierarchie wurde dabei durch Nummern ausgedrückt. Der oberste Anführer war Rhifa Hun, dessen Identität jedoch keiner kannte. Nummer Zwei war Cauthon Despair und somit auch die rechte Hand der Rhifa Hun.
Eine Luke öffnete sich und Despair schritt langsam den Laufsteg herab. Ein Empfangskomitee wartete bereits auf ihn. Der Kommandant der Station, Commander Jerg Rodd, salutierte vor dem Silbernen Ritter.
»Es ist mir eine Ehre, Sie auf Dejabay I begrüßen zu dürfen, Sir!«
Despair entgegnete nichts.
Ohne weitere Versuche der Einschmeichelung brachte Commander Rodd seinen Vorgesetzten zu dem Konferenzsaal. Dort warteten bereits die restlichen Führer der MORDRED, um seinen Bericht entgegenzunehmen.
Oberst Ibrahim el Kerkum, der geehrte »Vater des Volkes« von Mashratan, war die Nummer Drei der Organisation. Der bärtige Mashrate mit dem verbrauchten Gesicht stand zur Begrüßung von Despair immerhin auf und machte eine Ehrbezeugung. Die Nummer Fünf dagegen, der dickliche Akone Argon von Lasal, genauso bärtig wie Kerkum, verzog keine Miene, während die Nummer Sechs Horach Diebels auf seinen Pikosyn starrte und den offenbar interessanter fand, als die Ankunft von Despair.
Nummer Sieben, Dennis Harder, ein unscheinbarer, hagerer Terraner mit Schnauzbart, musterte Despair eingehend. Er war der Hauptwidersacher des dunklen Cameloters und hauptsächlich für die Beschaffung der Finanzen der MORDRED zuständig. Er war durch und durch Realist und glaubte nicht an die Geschichten, die Despair umtrieben, von Vorherbestimmung des Schicksals oder ähnlichen Dingen und schon gar nicht glaubte er an die Vision eines kommenden Großreiches der Menschheit, das das Erbe Lemurs antreten würde. Despair zog es vor zu stehen, während sich die anderen in ihre Sessel setzten. Die restlichen Führungsmitglieder waren Nummer Acht, Ben Trayir ein Ertruser, die Nummer Neun, Eron da Quartermagin, ein Mitglied des arkonidischen Hochadels und die Nummer Zehn, der Ara Oran Tazun. In der erlauchten Runde zweifelhafter Existenzen, die die Führung der MORDRED bildete, fehlte nur die Nummer Vier, dessen Identität, genau wie die von Nummer Eins, keinem der Anwesenden bekannt war. Bei früheren Treffen trug dieser ein Verzerrerfeld, das ihn unkenntlich machte.
Der Raum war dunkel. In der Mitte stand ein großer Tisch, an dem alle Platz genommen hatten. Vor dem Tisch war ein Hologramm in Form eines Spiegels, das das Symbol der MORDRED, eine Burg in Flammen mit dem Schriftzug, zeigte. Dahinter verbarg sich Rhifa Hun. Er begrüßte seine Untergebenen und begann mit der Tagesordnung.
»Wir haben uns hier versammelt, um über die ersten Erfolge unserer Operation zu reden«, begann Rhifa Hun.
Unaufgefordert meldete sich Cauthon Despair zu Wort. In einer anderen Projektionswand wurden Holoaufzeichnungen über den Fall der ersten beiden Camelotbüros gezeigt.
»Ich habe die Niederlassungen auf Imart, Zalit und Gatas vernichtet«, berichtete er. »Verluste unserer Einheiten waren minimal. Die Camelotstationen sind vollständig zerstört. Die Besatzung auf Zalit wurde vollkommen terminiert, auf Gatas ließen wir einige Cameloter entkommen, um die Unsterblichen über uns in Kenntnis zu setzen. Auf Imart ließen wir eine Person überleben.«
Die Beteiligten nickten stumm.
Nummer Fünf, Argon von Lasal, ein Akone und Kommandant der GETTYSBURG, stand auf und gab einen Kommentar ab.
»Wie es aussieht, hat Despair gute Arbeit geleistet. Dem werde ich mich bald anschließen, sobald meine Verpflichtungen auf Mashratan erledigt sind. Angriffe auf Niederlassungen auf Sphinx und Archez sind bereits geplant.«
Der Akone schien keinerlei Gewissensbisse gegenüber seinem Volk zu haben. Alle Anhänger der MORDRED waren überzeugte Anhänger der Terrorgruppe, entweder versprachen sie sich Reichtum und Macht für sich, oder sie wollten die gegenwärtigen Verhältnisse in der Milchstraße verändern.
Zur letzteren Gruppe zählte Despair. Seine Motive waren der Hass gegenüber Camelot und der Drang die Ordnung der Milchstraße zu verändern. Er wollte etwas bewirken.
»Camelot ist so gut wie am Ende! Wir werden sie bezwingen!«, rief Horach Diebels dazwischen.
Despair widersprach dem Springer jedoch.
»Wir sollten die Unsterblichen keinesfalls unterschätzen. Rhodan und Atlan sind Ritter der Tiefe. Sie haben ganz andere Gegner aus dem Weg geräumt. Sie sind mächtig.«
Dennis Harder fing laut an zu lachen.
»Despair, die einzige Macht in der Milchstraße ist der Galax!«
Der Silberne Ritter ging auf den hageren Terraner mit dem Schnauzbart zu und baute sich bedrohlich vor ihm auf. Ihm waren diese Kapitalisten einfach zuwider.
»Harder, Sie sollten nicht über Dinge sprechen, die Sie nicht annähernd verstehen. Sie, wie auch Ihr Gott, der Galax, sind unbedeutende kleine Rädchen im großen Universum.«
Harder lachte wieder abfällig, da packte Despair den Terraner an der Kehle und zog ihn hoch.
»Genug, Despair! Lassen Sie ihn los«, mischte sich Rhifa Hun ein, bevor etwas passieren konnte.
Despair folgte dem Befehl der Nummer Eins.
Es herrschte betretene Stille unter den Beteiligten. Despair hatte sich den nötigen Respekt verschafft.
»Unser nächstes Ziel wird Olymp sein«, bestimmte Rhifa Hun im Hintergrund.
»Aber es war doch von Plophos die Rede«, stellte der Ara Oran Tazun, Nummer Zehn, fest.
Despair war ebenso überrascht. Er hatte bereits die Operation gegen die alte Kolonialwelt des Solaren Imperiums vorbereitet.
»Ich habe den Plan überdacht. Nummer Sieben hat den Plan entwickelt, die Galaxis wirtschaftlich zu destabilisieren. Die Turbulenzen an den Börsen werden wir dann dazu nutzen, entsprechende Aktienpakete aufzukaufen, die uns die Kontrolle über wichtige Industriezweige verschaffen. Dazu werden wir Olymp angreifen.«
»Angreifen? Ein unmögliches Unterfangen!« warf Nummer Neun, der Arkonide Eron Quartermagin, ein. Quartermagin war ein wichtiger Bestandteil der MORDRED, denn er hatte als Mitglied des Berlen Than, der arkonidischen Regierung, gute Kontakte zu Imperator Bostich.
»Das Camelotbüro, das nahe wichtiger Fabriken liegt, soll zerstört werden«, ordnete Rhifa Hun an. »Die Fabriken ebenso. Cauthon Despair wird den Auftrag übernehmen!«
Despair fühlte sich geehrt, dass er diesen wichtigen Schlag anführen durfte.
»Wer übernimmt die Zerstörung des Camelotbüros auf Plophos?«
»Nummer Acht!«
Der dicke Ertruser wurde zum ersten Mal hellhörig. Er stand auf und nickte. Ben Trayir befehligte die OKINAWA. Auch er verfügte über ausreichende militärische Mittel, um das Büro dem Erdboden gleichzumachen.
»Despair, senden Sie nach dem Anschlag auf Olymp eine Videobotschaft nach Camelot. Machen Sie sich nun an die Arbeit. Ich will Erfolgsberichte hören!« beendete der mysteriöse Anführer der MORDRED die Sitzung.
Nummer Acht und Nummer Zwei brachen zu ihren Missionen auf.
*
Despair wollte die Operation auf Olymp schnell beenden. Diese wichtige Welt, die neben Terra den Nabel der LFT-Wirtschaft darstellte, war stärker gesichert als Imart. Im Gegensatz zu Gatas konnte man hier keine unbemerkte Aktion starten, da der Planet dicht besiedelt war. Das Camelotbüro lag in der Hauptstadt Trade City, die sich auf dem Hauptkontinent befand.
Die VERDUN trat aus dem Hyperraum aus und aktivierte sofort den Ortungsschutz, der ihnen von den Dorgonen überlassen wurde.
»Admiral Kolley, gehen Sie in einen stationären Orbit über Trade City.«
Despair kannte so ziemlich alle Koordinaten der Camelotbüros. Rhodans Vorteil gegenüber den anderen galaktischen Mächten, unentdeckt zu bleiben, war bei der MORDRED nutzlos gewesen.
Die VERDUN passierte die Wachflotten, ohne registriert zu werden und positionierte sich über dem Ziel.
»Marschflugkörper programmieren«, befahl Despair.
»Getan, Sir!«
»Feuer!«
Die VERDUN feuerte den für Planeteneinsätze vorgesehenen raketenähnlichen Flugkörper ab, der ebenfalls den Ortungsschutz besaß. Die VERDUN drehte bereits ab und verließ den Orbit.
»Noch dreißig Sekunden bis zur Detonation«, berichtete Admiral Kenneth Kolley.
Despair zählte innerlich die Sekunden mit. Eine Beobachtungssonde wurde ausgeschickt, die den Einschlag verfolgen sollte.
Noch 20 Sekunden.
Bilder von Trade City wurden übertragen. Es war ein Sonntag, so arbeiteten nur wenig Menschen in den Fabriken. Dennoch würde der Flugkörper, der nur eine begrenzte Wirkung hatte, im Umkreis von über 1.000 Metern alles zerstören.
10 Sekunden.
Die Rakete raste direkt ins Ziel. Eine gewaltige Explosion erschütterte die Stadt. Ein etwa 500 Meter durchmessender Feuer- und Rauchpilz stieg dort auf, wo sich das Camelotbüro und die Fabriken befanden. Der Auftrag war erledigt.
Wenig später verließ die VERDUN das System von Boscyks Stern, nicht ohne vorher eine Langstreckensonde mit der Holobotschaft ausgeschleust zu haben, die Kurs auf das Ceres-System nehmen würde. Der Schrecken war nach Camelot unterwegs.
26. September 1290 NGZ
Homer G. Adams, Aurec und Sam hatten die letzten Tage kaum geschlafen. Nach den Angriffen auf Zalit, Imart und Gatas war einige Tage lang nichts passiert. Vielleicht verfolgte die MORDRED inzwischen auch andere Ziele.
Rolf Friebel kam gerade von einer Dienstreise zurück. Er hatte auf der Welt Turiman, etwa 18.000 Lichtjahre von Sol entfernt, einige Geschäfte für die Taxit abgeschlossen.
Zur Sicherheit hatte Adams Wirsal Cell einen Besuch abgestattet, doch dieser hatte ihn nicht weiterhelfen können. Er war zutiefst schockiert und überrascht gewesen, als er erfahren hatte, dass Despair noch lebte.
Die Drei saßen wieder in dem Konferenzsaal, als eine weitere Hiobsbotschaft überbracht wurde. Ein Offizier brachte eine Holoaufzeichnung, die durch eine Langstreckensonde transportiert worden war. Beides stammte von der MORDRED. Adams war schockiert, dass die MORDRED nicht nur die Koordinaten der Camelotbüros, sondern auch die der Hauptwelt selbst kannte. Doch dann rief er sich in Erinnerung, dass Cauthon Despair selbstverständlich die Koordinaten von Phoenix kannte. Es war ein Wunder, dass er sie noch nicht öffentlich gemacht hatte. Aber vielleicht gehörte dies zum sadistischen Plan dieser Terrororganisation.
Eine ritterähnliche Gestalt erschien als Hologramm.
»Seid gegrüßt Cameloter! Besonders natürlich Perry Rhodan, auch wenn er gar nicht anwesend ist. Ich bin Cauthon Despair. Wie ihr sehen könnt, habe ich mich verändert, was ich Rhodan zu verdanken habe, als er mich in der Gluthölle auf Mashratan zurück gelassen hat.«
Aus seiner Stimme konnte man den Spott und die Verachtung heraushören.
»Soeben wurde die Niederlassung auf Olymp zerstört. Dabei wurde der umliegende Fabrikkomplex und natürlich alle Arbeitskräfte mit in den Tod genommen. Sicher seid ihr jetzt schockiert, doch es wird noch viel schlimmer werden. In der MORDRED hat Camelot seine Nemesis gefunden, es wird keine Verhandlungen und keine Gnade geben, denn das Urteil für die Verräter an der Menschheit ist bereits gesprochen, – es lautet völlige Vernichtung!«
Das Hologramm erlosch. Adams war bleich im Gesicht. Er ging zur Syntronik, um sich Despairs Nachricht bestätigen zu lassen. Er hatte Recht. Das Camelotbüro auf Olymp existierte nicht mehr!
Homer G. Adams deaktivierte die Syntronik, über die er gerade die Nachricht vom Fall des Camelotbüros auf Olymp erhalten hatte. Müde stützte er sich auf seinen Schreibtisch, der geradezu peinlich sauber wirkte, und atmete tief durch. Erinnerungen zuckten aus seinem fotografisches Gedächtnis durch sein Gehirn, die aus der Vergangenheit stammten. Er hatte wahrlich genug ähnliche Situationen in seinem langen Leben erlebt, um sich vorstellen zu können, wie schlimm es für die Menschen auf Olymp gewesen sein musste. Und jetzt waren seine Männer, Frauen und auch die unbeteiligten Arbeitskräfte innerhalb des Fabrikkomplexes auf Olymp tot.
Der Unsterbliche löste sich von seinem Schreibtisch, und wandte sich dem Panoramafenster zu, das ihm einen Überblick über die Hauptstadt von Camelot gewährte. Schweigend blickte er in den beginnenden Tag, und verwünschte zum wiederholten Mal die Tatsache, dass er unsterblich war. Nicht nur, dass er immer wieder die gleichen schlimmen Ereignisse erleben musste, so schien es ihm jedenfalls, nein, immer wenn wieder eine solche Sache passierte, wurde er von den gleichen Bildern überfallen, die ihn schon sein ganzes Leben lang begleiteten.
Als er ein Geräusch hinter sich hörte, wandte er sich um. Sam, der kleine Somer, kam aus dem Konferenzraum, und betrat Homers Büro, ohne anzuklopfen. Obwohl er Diplomat war, überraschte er Homer G. Adams doch immer wieder mit seinen unberechenbaren Aktionen. Gleich dahinter erkannte er die schlanke, hochgewachsene Gestalt des Saggittonen Aurec, der, ohne eine Miene zu verziehen, dem Somer folgte.
»All die Toten«, meinte der Unsterbliche. »Soll das immer so weitergehen? Wir müssen das beenden!«
Schweigend nickte der kleine Somer. Aurec hingegen äußerte sich gar nicht. Langsam bewegten sie sich durch den Raum, und stellten sich neben den Unsterblichen, ebenfalls das Panorama der Stadt auf sich wirken lassend. Sam drehte den Kopf, und blickte auf den Unsterblichen.
»Wirklich alle tot?«, fragte er.
Adams nickte. Dann wandte er den Blick wieder ab, und seufzte.
»Leider kann ich nicht alle Büros evakuieren. Das würde Camelot von der Außenwelt abschneiden. Ich weiß nicht, was ich tun soll. So, wie es aussieht, werden noch mehr Menschen sterben, und ich kann nichts dagegen tun.«
Er schien in sich zusammenzusinken, und für einen Moment fragte sich der Somer, wie Adams das alles schaffen sollte. So viel Verantwortung schien selbst für einen besonderen Menschen, wie es Adams war, zu viel zu sein.
Der Mann, der schon an der Seite Rhodans war, seit die dritte Macht gegründet wurde, bedauerte, dass seine Freunde nicht da waren. So musste er für alles selbst die Verantwortung tragen.
»Wie in den Tagen der WIDDER«, murmelte er.
»WIDDER?«, wiederholte Aurec fragend.
Der Saggittone konnte mit diesem Begriff nichts anfangen, musste aber auf Aufklärung warten, denn in diesem Moment wandte sich der Terraner von der Fensterfront ab. Er straffte die Schultern, und atmete noch einmal tief durch, dann ging er mit neuerwachter Energie zurück zu seinem Schreibtisch. Schwer ließ er sich in den Sessel fallen, der das Gewicht seines Besitzers sanft abfederte. Dann aktivierte er das Interkom.
»Was wird nun werden?«, fragte Sam, als er neben Adams getreten war.
Der Unsterbliche warf ihm einen kurzen Blick zu, wurde dann aber wieder von dem Bildschirm vor ihm in Anspruch genommen.
»Ja?«
Der Somer hörte nur die Stimme, der Blick auf das Gesicht war ihm verwehrt.
»Sofort erhöhte Alarmbereitschaft für alle Camelotbüros anordnen. Mach den Leuten klar, dass solche Überfälle jeden Augenblick wieder stattfinden können. Die Mitarbeiter der Büros sollen im Zweifelsfall sofort die Flucht ergreifen. Wenn es nicht anders geht, sollen sie sich zur Wehr setzen. Mit allen Mitteln.«
Sam hörte nichts, also nahm er an, dass der Gesprächspartner des Terraners sich auf ein Nicken beschränkte. Der Somer konnte das sehr gut verstehen. Die blassgrauen Augen des Unsterblichen zeigten einen Ausdruck, der dem Diplomaten gar nicht gefallen wollte. Es sah so aus, als wolle er sich jeden Augenblick auf einen imaginären Gegner stürzen. Der kleine Somer überlegte schon, ob er nicht besser den Raum verlassen sollte. Aber dann dachte er wieder daran, was er eigentlich von Adams wollte, und ließ sich stattdessen gegenüber von dem Schreibtisch in einem Sessel nieder.
Das Sitzmöbel reagierte sofort, und hob den Sessel unmerklich an, so dass der Somer ohne Probleme auf die Tischplatte sehen konnte. Solche Unterstützung war für Aurec nicht nötig. Der Saggittone wählte den zweiten Sessel, und folgte der Unterhaltung schweigend.
»Willst du wirklich einen bewaffneten Zwischenfall auf einer Welt der LFT riskieren?«
Adams hob den Blick, und schaute den Botschafter lange an, dann seufzte er und nickte.
»Du hast recht, das ist gefährlich. Aber den bewaffneten Konflikt provozieren schon andere. Die MODRED hat auf Olymp einen Fehler gemacht. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Überfällen wurden auch Unbeteiligte, also Bürger der LFT oder des Galaktikums getötet. So haben wir ab jetzt einen gemeinsamen Gegner. Ich glaube nicht, dass sie sich daran stören, wenn unsere Mitarbeiter ihr Leben retten wollen.«
Sam nickte. Diesen Standpunkt konnte er durchaus nachvollziehen, aber seine Aufgabe als Botschafter bestand schließlich darin, Auseinandersetzungen, gleich welcher Art, zu unterbinden und nicht irgendwelchen Hardlinern das Wort zu reden.
Andererseits wusste er natürlich, dass Adams ein Terraner war, der ähnlich hochstehende Moralvorstellungen wie er selbst besaß. Wenn er also den Einsatz von Waffen befahl, dann konnte es eigentlich nur sehr schlimm stehen.
»Ist es wirklich so schlimm?« fragte er daher auch folgerichtig.
Adams nickte nur. »Ich werde dir die Bilder ersparen. Aber es sind sehr viele Wesen ums Leben gekommen. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Diese Organisation, die uns da mit Terror überzieht, ist sicher die größte Bedrohung, mit der Camelot bisher konfrontiert wurde. Die LFT und die anderen Mächte des Galaktikums, sind uns nie in diesem Maße gefährlich gewesen. Wir kennen sie ja auch lange genug. Aber die MORDRED ist etwas ganz anderes. Sie kann das Ende von Camelot bedeuten.«
Das war für den Terraner eine vergleichsweise lange Rede, und langsam begann auch der Somer zu verstehen, was sie hier erwartete. Das Wesen aus der Galaxis Siom Som, das sehr an einen terranischen Seeadler erinnerte, wohl gerade, weil er so klein war, senkte den Kopf. Nach einigen Momenten hob er ihn wieder an, und blickte genau in die Augen des Terraners.
»Ich werde euch helfen. Wir müssen mehr über diese MORDRED herausfinden. Du hast recht, ein bekannter Feind ist wesentlich weniger gefährlich, als ein Feind, von dem man nicht einmal weiß, wo er eigentlich herkommt.«
»Was schlägst du vor?«
Der Terraner beugte sich leicht vor.
»Ich schlage vor, jemanden nach Stiftermann III zu schicken. Auf der BASIS werden wir sicher wertvolle Informationen sammeln können. Die MORDRED ist schließlich eine Organisation, die aus dem Verborgenen heraus agiert. Vielleicht stehen sie sogar mit den Galactic Guardians in Verbindung, wer weiß?«
»Gute Idee. Aber an wen hast du dabei gedacht?«
»Ich würde das gerne selbst übernehmen. Wyll Nordment und Rosan Orbanashol-Nordment sind mit der IVANHOE Richtung Mashratan aufgebrochen. Joak Cascal und Sandal Tolk sind mit der TAKVORIAN in Bereitschaft. Sie wäre auch zu auffällig. Ich kenne da jemanden, der könnte uns vielleicht helfen.«
Adams' Blick verriet Achtung. »Dafür, dass du aus einer anderen Galaxis stammst, kennst du dich sehr gut bei uns aus. Ich bin einverstanden. Am besten, du startest sofort. Und bring uns Ergebnisse mit.«
»Ich biete euch auch die Unterstützung der Saggittonen an«, erhob Aurec die Stimme. »Die SAGRITON wird von mir losgeschickt, um eine Flotte aus der Heimat anzufordern. Es wird aber eine Weile dauern. Ich selber werde allerdings auf Camelot bleiben, und euch hier unterstützen. Wir könnten Teams bilden, die wir zur Unterstützung der Rekrutierungsbüros abstellen. Ich würde gerne bei der Organisation helfen.«
Beeindruckt verzog der Terraner das Gesicht. »So viel Hilfe von zwei Wesen, die gar nichts mit unseren internen Problemen zu tun haben.«
Aurec erinnerte Adams an das selbstlose Verhalten von Perry Rhodan in Saggittor. Der Saggittone stand in Rhodan Schuld, daher war es auch eine Frage der Ehre, den Camelotern zu helfen.
Seufzend lehnte sich Adams zurück. »Wenn wir nur mehr Wesen mit so hohem Verantwortungsbewusstsein in unserer Galaxis hätten. Aber anscheinend stehen wir fast alleine hier. Ich danke euch für eure Hilfe.« Der Terraner nickte den beiden zu.
Der Somer nickte, und rutschte aus seinem Sessel, der sofort nach unten sackte, als er die Absicht des Wesens spürte. Auch Adams erhob sich, überlegte es sich dann aber anders. Er ließ sich wieder in seinen Sessel sinken, und wartete, bis Sam um den Schreibtisch herum gekommen war. Jetzt befanden sich ihre Augen auf gleicher Höhe.
»Ich werde mit den Vorbereitungen beginnen. Zuerst werde ich etwas recherchieren und Kontakte spielen lassen, bevor ich mich in die Höhle des Löwen wage. Ich benötige ein Raumschiff für die nächsten Wochen«, erklärte Sam.
»Selbstverständlich gewährt. Du solltest nichts überstürzen. Eine Geheimaktion muss unauffällig sein.«
»Dann sind wir uns ja einig«, erwiderte Sam.
Wortlos wandte Sam sich ab. Sruel Allok Mok, wie er mit vollständigem Namen hieß, ging mit festen Schritten auf die Tür zu. So klein wie er war, so viel Mut hatte er doch. Adams beglückwünschte in Gedanken Rhodan zu diesem Fang. Dank seinem Einsatz war Sam der Organisation Camelot beigetreten. Und er erwies sich immer mehr als ein wertvolles Mitglied. Seine Fähigkeiten als Diplomat konnten ihnen auch in diesem Fall eine große Hilfe sein.
Als die Tür hinter dem Somer und dem Saggittonen zufiel, stand der Terraner auf und wandte sich wieder dem Panoramafenster zu. Er verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. Die Sonne stand nun wesentlich höher und der neue Tag machte auch einen wesentlich besseren Eindruck, als noch vor wenigen Minuten.
Hoffentlich waren sie diese Bedrohung schnell wieder los. Sie hatten wahrlich genug andere Sorgen.
Aurec stand auf der Brücke seines Raumschiffes und blickte den Offizieren fest in die Augen.
»Leute, wir haben ein großes Problem.«
Er legte eine dramatische Pause ein und blickte jedem der Anwesenden in die Augen.
»Eine Organisation namens MORDRED macht unseren Freunden auf Camelot eine Menge Ärger, und wir müssen einige Anstrengungen unternehmen, um sie zu unterstützen. Daher werden wir mit der SAGRITON nach Saggittor zurückkehren, um Verstärkung aus der Heimat anzufordern.«
Aurec spürte die wenig begeisterten Blicke einiger seiner Besatzungsmitglieder.
»Das heißt, genau genommen werdet ihr das machen. Ich werde hier gebraucht, um unseren Freunden bei ihrem Kampf beizustehen.«
Wieder machte er eine Pause und ließ seine Worte wirken. Sein Stellvertreter, Kapitän Serakan, warf ihm einen unbehaglichen Blick zu. Es schien ihm gar nicht geheuer, dass sein Kommandant auf Camelot zurückbleiben wollte und dazu noch bereit war, auf einen Machtfaktor wie die SAGRITON zu verzichten.
»Kanzler, bei allem Respekt, aber das sind doch interne Probleme dieser Terraner. Was haben wir damit zu tun?«, wollte Serakan wissen und zeigte damit seine Ablehnung.
Aurec ging auf ihn zu.
»Serakan, denke an die Zeit als uns Rhodan von Dolphus und Rodrom befreit hat! Wir schulden den Camelotern etwas.«
Serakan schwieg und beugte sich dem Befehl seines Kanzlers und Kommandanten.
»Und nun, meine Freunde, werde ich mich von euch verabschieden. Macht eure Sache so gut, wie ich es von meiner Mannschaft gewohnt bin.« Er warf Kapitän Serakan einen Blick zu. »Kapitän Serakan, ich übertrage Ihnen hiermit die Kommandogewalt über die SAGRITON.«
Serakan erwiderte den Befehl mit einer Ehrenbezeugung, dann wandte er sich wortlos um und nahm im Sessel des Kommandanten Platz.
Aurec verließ die Kommandozentrale des riesigen Raumschiffes und wandte sich einem der Beiboothangars zu. Schweigend legte er den Weg durch die SAGRITON zurück, nicht ohne hin und wieder stehen zu bleiben und sich von einigen lieb gewonnenen Plätzen zu verabschieden, denn er wusste nicht, wie lange er sein Schiff nicht sehen würde.
Aber schließlich hatte er den Hangar erreicht. Er betrat den Raum und blickte sich kurz um. Direkt vor sich sah er die Space Jet, mit der er vom Planeten in den Orbit gekommen war, um sein Raumschiff zu entsenden. Der Auftrag war erteilt, jetzt konnte er wieder auf Camelot zurückkehren.
Aurec betrat die kurze Gangway und verschwand im Inneren der Jet. Er ließ sich neben seinem Piloten in den Sessel sinken. Wortlos übernahm er die Kommunikation mit der Brücke.
»Brücke, hier Space-Jet. Fertig zum Ausschleusen.«
»Space-Jet, verstanden. Erlaubnis zum Ausschleusen erteilt.«
Die Stimme seines Kapitäns verriet nichts von seinen Gefühlen. Aber das war auch nicht nötig. Aurec hatte in Serakans Augen genug gelesen, um zu wissen, dass er die Entscheidung seines Kommandanten immer noch missbilligte. Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. Die Treue seiner Männer stand für ihn außer Frage. Eine solche Mannschaft zu haben war wirklich ein großes Glück.
Aurec nickte dem Piloten zu, der einen Knopf betätigte. Alarmsirenen gellten durch den Hangar. Langsam hob sich die Jet auf ein Prallfeldkissen und schwebte auf das Schott zu, das langsam in die Höhe fuhr. Die Atmosphäre konnte dank eines weiteren Prallfeldes nicht entweichen. Die Jet schwebte auf die größer werdende Öffnung zu und erreichte sie. Als das kleine Raumschiff das Feld berührte, wurde eine Strukturlücke geschaffen, die ausreichte, die Jet passieren zu lassen. Hinter dem Raumschiff schloss sich das Schott langsam wieder.
Aurec warf einen Blick auf den Heckbildschirm und beobachtete, wie sich das Schott langsam senkte. Der erleuchtete Spalt in dem Schiff wurde immer kleiner, schließlich schloss er sich vollständig. Die Außenwand des Schiffes verschwand in der Schwärze des Alls.
Die Triebwerke zündeten und die Jet entfernte sich langsam schneller werdend von dem großen Schiff. Direkt voraus rückte die Kugel eines Planeten ins Blickfeld. Camelot war nur teilweise zu sehen, aber selbst aus dieser relativ kurzen Entfernung war deutlich zu erkennen, wie schön diese Welt eigentlich war. Die Unsterblichen hatten eine gute Wahl getroffen.
Diese Momente im All, in einem kleinen Schiff zumal, waren die Schönsten, die ein Raumfahrer sich wünschen würde. Trotz der vielen Jahrhunderte, die Aurecs Volk mittlerweile die Raumfahrt beherrschte, würden wohl immer Raumfahrer beim Anblick eines Planeten, auf den sie zusteuerten, ins Schwärmen geraten. Aurec gönnte sich einen kurzen Moment des Träumens.
Wieder wanderte sein Blick auf den Heckschirm. Der riesige Diskus mit den aufgesetzten Türmen wurde langsam kleiner und als die Jet unter den Horizont des Diskus tauchte, waren die Türme nicht mehr zu sehen. Dafür wurde nun der Blick auf die Triebwerke frei, in denen es schon leicht glühte. Als die Jet den nötigen Sicherheitsabstand erreicht hatte, wurde das Glühen deutlicher, die Triebwerke zündeten. Der heftige Schub der Triebwerke setzte das Raumschiff in Bewegung. Aurec beobachtete das Schiff, während es immer kleiner wurde. Irgendwann war nur noch ein kleiner heller Punkt zu sehen, dann war die SAGRITON in den Tiefen des Alls verschwunden.
»Viel Glück«, murmelte der Saggittone, dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Planeten zu. »Wie lange noch bis zur Landung?«
»Genau achtzehn Minuten und siebenunddreißig Sekunden.«
Aurec nickte und lehnte sich zurück. Er verfolgte die Schaltungen seines Piloten, während die Jet sich der Oberfläche des Planeten langsam näherte. Im genau richtigen Winkel drangen sie in die Atmosphäre der Welt ein, die sie anflogen. Die Schutzschirme flammten auf, die Jet verlangsamte ihre Geschwindigkeit. Das Glühen der Schirme ließ nach, während die Dunkelheit des Alls langsam durch die Helligkeit des noch jungen Tages über Camelot ersetzt wurde. Unter ihnen wurde eine Stadt langsam größer und der Pilot näherte sich zielstrebig dem Raumhafen von Camelot. Wenige Minuten später setzte die Space Jet auf.
Aurec aktivierte eine Sichtsprechverbindung mit Adams und kündigte sein Erscheinen innerhalb der nächsten halben Stunde an.
Aurec verließ die Empfangshalle des Raumhafens. Ein Taxigleiter stand direkt vor dem Gebäude. Er winkte ihn heran, und stieg ein.
»Regierungsgebäude«, murmelte er geistesabwesend.
Den Start registrierte er zwar, aber er war nicht bei der Sache. Der Somer hatte recht. Eine ungewöhnliche Situation, in der sie sich befanden, und die von einem Wesen aus Siom Som und einem Saggittonen gelöst werden musste. Wo waren die Unsterblichen? Gut, einige waren tot, andere in den Tiefen des Universums verschollen, oder in Rettungsmissionen unterwegs. Aber vielleicht sollten sie sich einmal wieder darauf besinnen, wo sie eigentlich herkamen. Auch in der Heimat der Galaktiker tat sich eine Menge, und gerade wenn die Meisten von ihnen abwesend waren, dann sollte eine starke Macht da sein, die die Galaxis verteidigen konnte.
Andererseits sollte die Menschheit langsam wirklich mündig genug sein, um sich selbst zu helfen. Die Menschen wollten sich doch von den Unsterblichen emanzipieren, aber wenn es Ärger gab, nahm man die Hilfe der Unsterblichen als selbstverständlich hin. Es war unglaublich, aber die Unsterblichen schien diese Haltung nicht zu stören.
In dieser Galaxis taten sich viele üble Dinge und jetzt wandte sich auch noch einiges gegen Camelot – eine Macht, die bisher stabilisierend in der Galaxis gewirkt hatte. Hoffentlich konnte Adams mit der Hilfe seiner Verbündeten das Schlimmste verhindern. Das war wohl die größte Ironie, dass ausgerechnet Wesen aus fremden Galaxien sich daranmachten, die einzige auf Ausgleich bedachte Macht in der Galaxis, die genügend Einfluss hatte, zu retten.
Während diesen Gedanken hatten sie das Regierungsgebäude erreicht und Aurec verließ den Gleiter. Wenige Minuten später betrat er den Raum, in dem er sich noch vor einer Stunde mit Sam und Adams unterhalten hatte. Aurec ließ sich in denselben Sessel sinken, in dem auch der Botschafter gesessen hatte.
Adams erhob sich wieder von seinem Sessel, und umrundete den Schreibtisch. Er ließ sich auf der Kante nieder und fixierte den Saggittonen.
»Ich glaube kaum, dass die SAGRITON es rechtzeitig schaffen wird. Aber wenigstens haben wir ein kleines bisschen Hoffnung. Bis die Schiffe eintreffen, sollten wir uns allerdings um unsere Camelot-Büros kümmern. Der Gegner kann jederzeit wieder zuschlagen. Sam ist aufgebrochen, um sich auf der BASIS umzuhören.«
Aurec nickte.
»Ich habe ihn auf dem Raumhafen noch gesehen, bevor er abgeflogen ist. Vergleichst du diese Situation mit damals, als du die WIDDER angeführt hast?«
Adams wunderte sich nur für eine Sekunde über diese Frage. Aurec war ein sehr intelligentes Wesen, und wenn er etwas nicht wusste, dann brauchte er offensichtlich nicht sehr lange, um sich die nötigen Informationen zu beschaffen.
»Nein. Aber meine Lage ist die Gleiche. Ich bin allein für alles verantwortlich, während sich meine Freunde wieder mal an den Brennpunkten des Universums aufhalten.«
Aurec grinste. »Du wirst doch nicht selber auf Abenteuerfahrt gehen wollen? Reicht dir noch nicht, was sich hier in der Galaxis abspielt?«
»Doch. Aber diese Sache ist schmutzig. Ich möchte mal wieder was unternehmen, was so bedeutend ist wie Perrys Aktionen.«
Adams verstummte, dann grinste auch er.
»Nein, eigentlich will ich das nicht. Vielleicht sollten wir uns um wichtigere Dinge kümmern. Ich glaube kaum, dass es reichen wird, wenn die Camelotbüros erhöhte Alarmbereitschaft haben. Irgendetwas müssen wir doch noch tun können.«
Nachdenklich rieb er sein Kinn, dann fixierte er den Saggittonen.
»Wir haben schon über Kampfkommandos geredet, die unsere Büros verstärken. Das macht zwar alles nicht unbedingt sicherer, aber ich würde mich wohler fühlen, wenn wir erfahrene Leute dort hätten, die auch schon einmal einen Strahler abgefeuert haben, und das nicht nur auf dem Schießstand.«
Aurec nickte und erhob sich. »Ich werde das übernehmen!«
»Danke. Du hast freie Hand. Notgedrungen habe ich mit Paola Daschmagan und Cistolo Khan Kontakt aufgenommen. Sie haben uns gestattet, Raumschiffe offiziell zu den LFT-Welten zum Schutz unserer Büros zu entsenden. Paola legt bei den ehemaligen Kolonialwelten ein gutes Wort ein. Leider müssen wir so den Standort unserer Büros nennen.«
Der Unsterbliche ließ sich seufzend in seinen Sessel sinken und griff nach einem Datenblock, der vor ihm lag. Diese Worte waren ein großer Beweis des Vertrauens, schließlich kannten sich beide noch nicht sehr lange. Aber wem Perry vertraute, dem vertraute auch das Finanzgenie.
Nur für einen Moment blickte er auf die Daten, dann sah er den Saggittonen wieder an.
»Es ist schon erstaunlich, dass gerade ein Somer und eine Saggittone sich aufmachen, Camelot retten zu wollen.«
Aurec winkte ab. »Darüber habe ich auch gerade nachgedacht. Wir sind nun einmal hier, und wir können uns nicht vor MORDRED verstecken, auch wenn wir das vielleicht wollen. Da wir hier sind, wird die Organisation keinen Unterschied machen. Wir sitzen alle in einem Boot. Perry würde das gleiche für Saggittor tun. Und jetzt entschuldige mich.«
Entschlossen wandte er sich ab und verließ das Büro, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Adams schaute noch einen Moment auf die bereits geschlossene Tür. Er schüttelte leicht den Kopf, und senkte dann seinen Blick wieder auf den Datenblock, der Einzelheiten über die Angriffe enthielt. Entmutigt warf er den Block auf den Tisch und drehte sich mit seinem Sessel herum. Die Sonne stand im Zenit. Mit jedem Moment der verging, stieg die Besorgnis des Unsterblichen. Er wartete jeden Moment auf neue Hiobsbotschaften aus der Galaxis.
*
»Gar nicht so übel, der Planet!«
Cascal ließ sich auf die Liege fallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Er warf einen Blick auf seinen schweigsamen Freund aus der Vergangenheit. Der Barbar saß am Tisch, und hatte den unvermeidlichen Bogen neben sich an den Tisch gelehnt. Er beachtete Cascal nicht weiter, denn dieser war gerade damit beschäftigt, sich die Nachrichten anzusehen. Camelot Online berichtete von den Brennpunkten der Galaxis.
Cascal genoss die Ruhe und die Aussicht. Lange würde es nicht anhalten, denn die TAKVORIAN war in Alarmbereitschaft. Eine Nachricht von Adams und sie würden sofort aufbrechen.
Cascal zuckte die Schultern und richtete den Blick zur Decke. Plötzlich hob er den Kopf, und richtete sich schließlich ganz auf.
»...weitere Angriffe auf Büros von Camelot gemeldet. Wie wir erfahren haben, wurde eines unserer Rekrutierungsbüros auf Olymp von Unbekannten angegriffen. Bei dem Überfall wurden alle Mitarbeiter Camelots getötet. Verantwortlich für den Angriff ist eine noch unbekannte Terrorgruppe, die sich MORDRED nennt. Wir strahlen jetzt eine Nachricht aus, die wir von den Terroristen bekommen haben ...«
Auf dem Bildschirm erschien ein Logo, wie Cascal es noch nie gesehen hatte. Eine Stimme erklang, die über die Ziele dieser Organisation berichtete. Nicht weniger, als die Vernichtung der Zellaktivatorträger und ihrer Basis Camelot standen auf dem Programm der Terroristen.
Tolk verzog keine Miene, während der Bericht verlesen wurde. Auch als die schrecklichen Bilder von der Vernichtung des Büros auf Olymp, nur leicht verfremdet, gezeigt wurden, reagierte er kaum. Aber als die Nachrichten beendet waren, erhob er sich, und griff nach seinem Bogen.
»Was hast du vor?«
Cascal stand auf und wollte den stolzen Mann zurückhalten.
»Ich werde zu Adams gehen. Vielleicht braucht er Hilfe.«
Für einen Moment verharrte der kalte Blick des Mannes auf dem Gesicht seines Freundes, dann wandte er sich um.
Das kann ich auch, dachte Cascal und umrundete den Freund. Er fixierte ihn, so dass Sandal Tolk stehenblieb.
»Wenn du denkst, dass du dich ohne mich ins Vergnügen stürzen kannst, dann täuschst du dich.«
Tolk hielt seinem Blick stand, dann grinste er.
»Komm, Terraner. Machen wir die TAKVORIAN startklar.«
Seite an Seite verließen sie den Raum, und machten sich auf den Weg zu ihrem Raumschiff. Bevor sie es erreichen konnten, begegneten sie dem Saggittonen Aurec, der sie wortlos an seine Seite winkte.
»Was ist los?«
Cascal hielt mühelos Schritt, während der Barbar von Exota Alpha leicht unwillig wirkte.
»Habt ihr schon von dem letzten Angriff gehört?«
Cascal und Tolk nickten.
»Kampfkommandos sollen die Büros schützen. Die TAKVORIAN soll startklar gemacht werden. Wollt ihr mir bei der Planung helfen oder eine Welt sichern?«
Cascal hatte keine Einwände, dass der Saggittone offenbar das Kommando übernahm. Joak selbst war noch nicht sehr lange auf Camelot und er hatte festgestellt, dass es keine Kommandostrukturen wie früher gab. Außerdem war das ein Notfall. Es war nicht angebracht, über Kompetenzen zu streiten. Zudem fand Cascal den Saggittonen sympathisch, soweit er ihn in den letzten Tagen kennen gelernt hatte.
»Nicht helfen, – kämpfen!« brachte Tolk ihren Standpunkt auf einen Nenner. Er schüttelte seinen Bogen, und machte ein grimmiges Gesicht.
Der Saggittone verzog die Lippen zu einem angedeuteten Grinsen, bei dem einer Reihe Damen schwindelig geworden wäre.
Diese Terraner, dachte er. Angeblich wollten sie nichts mehr mit den Gefahren des Universums zu tun haben, aber einem anständigen Kampf gingen sie niemals aus dem Weg. Kein Wunder, dass diese Rasse so schnell aufgestiegen war.
Dabei vergaß er nur, dass der Barbar von Exota Alpha stammte.
»Kein Problem, ich teile euch einen Stützpunkt zu. Irgendwelche besonderen Wünsche?«
Cascal schüttelte den Kopf. Ihm war jede Aktion nur recht. Auch wenn er durch die TAKVORIAN viel zu tun hatte, so hatte er es satt, untätig herum zu sitzen, während draußen Cameloter starben. Außerdem wollte er die Gedanken und die Schwermut verdrängen, die er tief in seinem Inneren mit sich trug. Den Tod von Zelia und seines ungeborenen Kindes hatte er längst nicht verwunden.
»Wenn wir schon Feuerwehr spielen, dann lass uns nach Plophos fliegen …«
Aurec stimmte zu und wünschte ihnen viel Glück.
»Wir haben schon schlimmeres überstanden«, sagte Cascal mit einem Lächeln. Doch als er an die Toten von Olymp dachte, wollte ihm das Lachen nicht mehr so recht über die Lippen kommen. Aber andererseits kamen sie nur mit Trübsal blasen auch nicht besonders weit. Ein Abenteuer wartete, und er hatte nicht die Absicht, sich von irgendwelchen Gefahren erschrecken zu lassen. Hätte er jemals so gedacht, dann hätte er wohl nie die Cappins getroffen, als sie mit dem Nullzeitdeformator in die Vergangenheit gereist waren. Und er hätte auch nie Gruelfin kennengelernt oder die blutrünstigen Casaro und Prothon von Mindros auf der LONDON II besiegt.
Nein, er würde sich nicht abschrecken lassen. Auch nicht von einer Organisation, die ihre Legitimation aus einer alten Sage zu beziehen schien. MORDRED war der Gegenspieler König Artus gewesen. Leider war er auch sein Sohn.
Ihr König, Perry Rhodan, war gerade nicht hier. Aber auch seine »Vasallen« sollten in der Lage sein, mit einer solchen Gefahr fertig zu werden.
Cascal warf Tolk einen Seitenblick zu. Welche Rolle könnte er wohl spielen? Die des Sir Galahad? Und er wäre dann wohl Lancelot?
Joak Cascal und Sandal Tolk erreichten den Gleiterparkplatz.
Tolk schwang sich schon auf den Beifahrersitz, seinem Freund die Kontrollen überlassend. Seufzend sank der Terraner in die Polster des Gefährts und ließ den Motor an. Mit quietschendem Prallfeld startete er. Der Raumhafen war gar nicht so weit entfernt.
Der Barbar richtete sich in seinem Sitz auf, als der Andruck des Kavaliersstarts nachgelassen hatte. Er griff nach einem Mikrophon und justierte es auf die Frequenz der Besatzungsmitglieder der TAKVORIAN. Dann sendete er den Notfallalarm.
»Mal sehen, wie lange sie alle brauchen, um an Bord zu kommen.«
Cascal warf ihm einen Seitenblick zu, dann konzentrierte er sich wieder auf die Straße.
»Du hast einen Alarm gegeben? Warum?«
»Ich will sehen, ob sie wirklich in Form sind. Wir müssen in den nächsten Tagen mit Kämpfen rechnen.«
Cascal nickte und steuerte den Gleiter über den Zaun auf das Gelände des Raumhafens. Sofort meldete sich das Funkgerät.
»Unbekannter Gleiter, sofort identifizieren. Ihr habt keine Einflugerlaubnis.«
Tolk griff wieder nach dem Mikrofon und meldete sich.
»Stellvertretender Kommandant der TAKVORIAN. Wir haben einen Alarm. Das Schiff muss sofort startklar gemacht werden.«
Er grinste und hängte das Mikrophon wieder ein. Weitere Anrufe ignorierte er.
»Wir haben hier keinen Alarm. Was soll das? Macht hier langsam jeder, was er will?«
»Das sollten die doch gewöhnt sein. Wenn man Dienstgrade abschafft, dann muss man sich eben im Klaren sein, dass das zu Lasten der Disziplin geht.«
Cascal lenkte den Gleiter in einer engen Kurve um eine Jet herum, dann steuerte er einen riesigen Kugelraumer an, der sich im Hintergrund auf dem militärischen Teil des Raumhafens erhob. Als sie näherkamen, konnte er die Schriftzeichen in Interkosmo erkennen: TAKVORIAN
Die TAKVORIAN erhob sich eintausend Meter hoch in den Himmel. Kein Vergleich zu einer MARCO POLO, aber die großen Schiffe wurden heute nicht mehr gebaut. Zum Glück setzte sich aber langsam wieder die Einsicht durch, dass Raumschiffe auch durchaus über die Größe eines Sarges hinausgehen durften. Und das war gut so, denn mit einem großen Schiff konnte man eine ganze kleine Flotte mitnehmen, wenn man es entsprechend mit Beibooten bestückte. Und das Gute war: In der heutigen Zeit waren die Beiboote, welche ein Schiff wie die TAKVORIAN mitführen konnte, wirklich eine beachtliche Streitmacht, weil sie die Größe der heute gebräuchlichen Schiffe aufwiesen, oder sogar teilweise fast überstiegen.
Dieses Schiff war eine Verpflichtung und einer Kombination wie Tolk/Cascal durchaus würdig.
Cascal und Tolk waren etwas mehr als zwei Monate in der Neuen Galaktischen Zeitrechnung. In dieser Zeit hatten sie viel lernen müssen. Natürlich hatten ihnen die Hypnoschulungen geholfen, doch 1.400 Jahre konnte man trotzdem nicht wirklich verarbeiten.
Der Kommandant dieses wunderbaren Fluggeräts steuerte seinen Gleiter durch die Schleuse in den Hangar, der sich an der Stelle befand, wo sich früher der Ringwulst mit den Impulstriebwerken befunden hatte. Von dort würde der Weg in die Zentrale am kürzesten sein.
Cascal bremste ab, dass die Energieerzeuger wimmerten, und brachte den Gleiter im Hintergrund der Halle zum Stehen. Kaum bewegte sich das Fahrzeug nicht mehr, flogen beide Türen auf und die beiden kommandierenden Offiziere des Schiffes schwangen sich ins Freie. Sie verloren keine Zeit, sondern verließen den Hangar und sprangen in den Antigravschacht, der direkt zur Zentrale führte. Wenige Minuten später erreichten sie den kuppelförmigen Raum im genauen Zentrum des Schiffes.
Verblüfft hielten sie an, und blickten sich um. Die Besatzung war komplett anwesend und saß auf ihren Plätzen. Als Cascal eintrat, erhob sich eine schlanke, junge Frau aus dem Sessel des Kommandanten.
Coreene Quon, der weibliche Erste Offizier des Schiffes, sprang auf und trat dem Kommandanten entgegen.
»Sir, Besatzung der TAKVORIAN vollständig. Das Schiff ist zum Start bereit. Wir erwarten deine, ich meine Ihre Befehle, Sir!«
Cascal bewegte sich nicht, er brauchte fast dreißig Sekunden, um sich von seiner Verblüffung zu erholen. Erst als Tolk ihm einen leichten Stoß versetzte, reagiert er.
»Äh, ja. Übung beendet.«
Er lachte auf, als er sich zu Tolk umwandte.
»Soll noch einer behaupten, die Terraner seien ein degenerierter Haufen geworden. Habe ich es dir nicht gleich gesagt? Die kriegen das schon hin, habe ich gesagt.« Freudestrahlend wandte er sich an die ganze Mannschaft. »Achtung, dies ist jetzt keine Übung. Wir werden in einer Stunde starten und Kurs auf den Planeten Plophos nehmen. Wir sind zur Verstärkung der dortigen Camelot-Vertretung eingeteilt. Wie ihr alle wisst, werden die Camelotbüros angegriffen. Plophos ist eine wichtige Welt und es ist zu erwarten, dass diese Mörderbande auch dort zuschlagen wird. Deshalb werden wir unsere Kameradinnen und Kameraden auf Plophos verteidigen, andere Einheiten fliegen weitere Planeten an.
Ich wiederhole: Das ist keine Übung. Wir müssen damit rechnen, bald in Kampfhandlungen verwickelt zu werden. Bitte alle Besatzungsmitglieder in ständiger Bereitschaft bleiben. Für den Moment reicht es allerdings, wenn die Stationen mit den Stammbesatzungen besetzt werden. Alarm Rot beenden.«
Tolk hatte sich inzwischen an seinen Platz begeben, wo er auf den Kommandanten wartete. Seinen Kompositbogen hatte er natürlich ebenfalls mitgenommen. Er lehnte ihn an einen Tisch und streifte seinen Köcher mit den speziellen Pfeilen ab. Beides zusammen landete auf einem Kartentisch, direkt in seiner Reichweite. Dann wandte er sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und bewegte sich nicht, bis sich der Kommandant umwandte, und auf ihn zukam.
»Du hast es also gewusst?«
Cascal verzog das Gesicht, dann nickte er zurückhaltend. Schweigend wandte er sich der Tür zu. Kurz bevor er sie erreichte, drehte er sich noch einmal um.
»Bitte übernimm das Kommando, Sandal. Ich werde gleich zurück sein.«
Schmunzelnd drehte er sich um, und verließ den Raum. Er blickte nicht mehr zurück.
Tolk verzog keine Miene.
»Aye aye, Sir«, brüllte er und setzte sich in den Sessel, den Quon gerade verlassen hatte.
Die Blicke der Brückenbesatzung ignorierte er. Sie kannten die beiden Originale aus der Vergangenheit. An solche Auftritte hatten sie sich langsam gewöhnt.
»Wie weit sind wir?«
Quon drehte sich zu ihrer Konsole um und erwartete die Meldungen der Abteilungen.
»Schiff startbereit, Sir. Wir erwarten Ihr Kommando.«
Tolk nickte und wandte sich dem Hauptbildschirm zu, auf dem ein Teil des militärischen Raumhafens von Camelot zu sehen war. Er wartete geduldig, bis sich die Tür wieder öffnete und der Kommandant den Raum betrat. Dann erhob er sich schweigend, und überließ ihm nach kurzer Meldung den Sessel.
Der Kommandosessel der TAKVORIAN war nur wenige Augenblicke verwaist. Cascal ließ sich nieder und drückte auf einige Knöpfe in der Armkonsole. Ein kleines Display in der Sessellehne leuchtete auf und informierte den Kommandanten über den Zustand seines Schiffes. Alle Abteilungen meldeten Startbereitschaft, aber das wusste er schon. Einige Sekunden lang genoss er das Gefühl, wieder der Kommandant eines Schiffes zu sein und schloss die Augen.
Als er sie wieder öffnete, fixierte er seinen Stellvertreter.
»Sandal, bring uns raus!«
»Aye aye, Sir!«
Hin und wieder verfielen sie wieder in ihre alte Rollen. Natürlich wusste Cascal, dass in diesen Zeiten niemand mehr das Sie verwendete. Aber es machte ihm Spaß, sich über Normen hinwegzusetzen. Außerdem vermisste er die Zeiten, als es noch einen Kommandostruktur gab, die diesen Namen auch verdiente. Und daher hatte er an Bord seines Schiffes eine solche Kommandostruktur eingeführt. Er hatte dadurch irgendwie das Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Außerdem hatte er das Glück, eine Besatzung zu haben, die dieses Spiel mitmachte. Sie akzeptierten die neue Struktur und ermöglichten ihm so, wie in den Zeiten vor dem Sturz in die Raum-Zeit-Falte zu denken und zu handeln.
Tolk war der einzige an Bord, der diese Handlungsweise wirklich unterstützte, das zeigten seine Reaktionen auf die Kommandos seines Kapitäns, die allerdings wohl eher einer gewissen Ironie entsprachen.
Cascal genoss die Reaktionen seines Freundes, die den anderen zum Vorbild gereichten, und ihnen sehr schnell beibrachten, wie sie sich verhalten sollten.
Cascal dachte wehmütig an die Zeiten zurück, als er noch auf Exota Alpha an der Seite des Barbaren regierte. Tolk war der Administrator seiner Welt gewesen, einer Welt, wie sie heute nicht mehr existierte. Nichts war mehr so wie früher. Außer ihnen beiden. Und irgendwie hatte der Terraner das Gefühl, dass sie bald noch sehr froh sein konnten, auf die Erfahrungen zweier altgedienter Veteranen zurückgreifen zu können. Sie waren zwar nicht so alt wie die Unsterblichen, aber sie hatten einige Abenteuer an der Seite Rhodans bestanden. Und sie lösten Probleme auf eine Weise, wie sie heute in Vergessenheit geraten zu sein schien.
Cascal beobachtete, wie der Barbar einige Schaltungen vornahm und dann eine Verbindung zum Raumhafenkommando herstellte.
»Schlachtschiff TAKVORIAN bereit zum Start. Erbitten Starterlaubnis.«
Eine Stimme erklang, die sich unverhohlen verblüfft anhörte. Inzwischen hatten sie schon einige Zeit auf Camelot verbracht, allerdings war die Welt zu groß, ihre Einwohnerzahl inzwischen zu gewaltig, als dass sie jeder kennen konnte. Dieser Bedienstete des Raumhafens kannte sie offensichtlich noch nicht.
»Ihr könnt starten«, meldete er. »Alles frei, da draußen. Ihr werdet keine anderen Schiffe behindern.«
Cascal verdrehte die Augen. Zu seiner Zeit hätte man ihn aus der Schleuse geworfen – mit Raumanzug, versteht sich, und ihn einige Lichtjahre hinter dem Schiff hergezogen, wenn einer eine solche Meldung gemacht hätte.
Auch er hatte noch viel zu akzeptieren, und so kniff er lediglich die Lippen zusammen und konzentrierte sich auf Tolk, der durch seine Schaltungen bereits dafür gesorgt hatte, dass die Maschinen des Schiffes hochgefahren wurden.
Langsam hob sich das Schlachtschiff, durch Energie und die Kraft der gewaltigen Antigravaggregate masselos gemacht, in die Luft. Der Pilot steuerte das Schiff in die oberen Schichten der Atmosphäre, und erst dort zündete er die Protonenstrahltriebwerke. Diese neue Technik, die die alten Impulstriebwerke ersetzt hatte, war ihm bereits von der BONTAINER vertraut. Der Metagrav als Hauptantrieb der TAKVORIAN, der im Sublichtmodus ebenfalls zum Start benutzt werden konnte, war ihm noch immer suspekt und erinnerte ihn an die alte Anekdote des Barons von Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen haben sollte. Mit sanftem Schub beschleunigte er das Schiff und lenkte es aus der Atmosphäre des Planeten Camelot. Die Krümmung der Oberfläche wurde sichtbar und es wurde schlagartig dunkel, als sie die schützende Gashülle des Planeten verließen.
Cascal registrierte fasziniert die Gefühle, die der Start des Raumschiffes mit sich brachte. Er fühlte wieder die ungeheure Kraft des Schiffes – und dieses Schiff war wirklich ein Raumschiff, weit mehr, als so manches andere Schiff, das sich in den letzten Jahrhunderten so genannt hatte.
Als der freie Raum erreicht war, zeigte die TAKVORIAN erst, was wirklich in ihr steckte. Der Pilot beschleunigte mit der halben Kraft der Maschinen, was etwa 600 km/sec² entsprach. Der Planet schien auf dem Heckschirm schlagartig kleiner zu werden, als sich das Schiff immer schneller werdend entfernte. Genüsslich lehnte sich der Terraner zurück und genoss den Flug, als das Raumschiff sich in den Überlichtflug überging und Kurs auf Plophos nahm.
Keine Sorge, Freunde, dachte der Terraner, wir kommen schon!
Er konnte nicht ahnen, dass sich das Unheil bereits langsam dem Planeten näherte, den er beschützen wollte. Nur so war es zu erklären, dass er ungerührt beobachtete, wie das Raumschiff den Metagravantrieb aktivierte. Das Schiff wurde durch das Pseudo-Blackhole des Metagrav-Vortex angezogen und verließ den Einsteinraum.
Sie entfernten sich immer schneller von Camelot, flogen einem neuen, gefährlichen Abenteuer entgegen.
Plophos, 29. September 1290 NGZ
Gelangweilt blickte sie aus dem Fenster, das Ende dieses Tages herbeisehnend. Zwar war die Arbeit nicht gerade schwer, aber wenn – wie am heutigen Tag – wirklich keiner den Raum betrat, dann konnte es schon schwierig werden. Und sie war nun wirklich nicht der Typ Frau, der es genießen konnte, einen ganzen Tag zu arbeiten, und im Endeffekt nichts zu tun. Sie war etwas anderes gewöhnt und daher senkte sie den Blick wieder auf das Buch, das vor ihr auf dem Tisch lag und dazu diente, sie über diesen Tag zu retten.
»Controlling in der Whistler-Company«, so der Titel der Arbeit von Thomas R. P. King, einem der führenden Betriebswirte im vierten Jahrtausend nach Christus, berichtete über die Verwendung moderner Methoden des Controlling in der führenden Roboter-Firma der Galaxis.
Nadine M. Schneider, die sich in ihrer Freizeit zur Betriebswirtin weiterbildete, nutzte die Gelegenheit, sich mit der aktuellen Fachliteratur zu beschäftigen.
Seufzend vertiefte sie sich in ein Kapitel, in dem die wesentlichen Organisationsstrukturen der Whistler-Company behandelt wurden, als sich eine der Türen im Hintergrund öffnete und ihr Chef Heinz Waldoff den Raum betrat. Er wirkte ungewöhnlich nachdenklich und irgendwie sehr betroffen.
Sie wollte ihn schon ansprechen, dann jedoch überlegte sie es sich anders und verfolgte nur seinen unruhigen Gang, als er sich der Tür näherte, die auf die Straße des Vorortes von New Taylor führte.
Tützöl Völk, der Jülziisch, der auf der anderen Seite des Raumes hinter einem anderen Schreibtisch saß, hatte weniger Bedenken. Er richtete das Wort an seinen Chef.
»Heinz?«
Als der Mann nicht reagierte, erhob er sich, und trat neben Waldoff.
»Alles in Ordnung?«
Waldoff warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, dann verriegelte er die Eingangstür. Langsam drehte er sich um, und musterte die anwesenden Personen.
»Bitte folgt mir alle in mein Büro.«
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich auf dem Absatz um und verließ den Raum wieder. Die Tür allerdings schloss er nicht.
Nadine regte sich für einige Augenblicke nicht. Ihre Blicke wanderten zwischen den nunmehr verschlossenen Eingangstür und der offenstehenden Bürotür hin und her. Dann suchte sie die Blicke der drei anderen Kollegen, die genau wie sie den Nachmittag totschlugen.
Keiner redete, aber die Blicke, die sie austauschten, waren unverkennbar verblüfft. Schließlich bewegte sich Nadine als Erste. Sie erhob sich und betrat den Raum ihres Chefs, dicht gefolgt von den anderen, die endlich aus ihrer Erstarrung erwacht schienen.
»Heinz?«
Nadine erwartete, endlich Aufklärung erhalten zu können, aber der Chef regte sich zuerst überhaupt nicht. Die vier Personen, die sich vor seinem Schreibtisch aufbauten, ignorierte er, während ein aktivierter Bildschirm, der vor ihm in der Schreibtischplatte eingelassen war, ihn brennend zu interessieren schien.
Nadine räusperte sich, dann richtete sie das Wort an Waldoff.
»Heinz, willst du uns nicht langsam mal sagen, was hier gespielt wird?«
Einen Moment lang sah es so aus, als solle sie auch weiterhin ohne Aufklärung leben müssen, aber dann kam Bewegung in die Gestalt hinter dem Schreibtisch.
»Äh, ja«, eröffnete er etwas umständlich seine Ansprache.
Dann räusperte er sich, und straffte sich sichtlich.
»Wir haben ein großes, genauer ein sehr großes Problem.«
Seine Augen richteten sich wieder auf den Bildschirm, als er nach einigen Informationen suchte.
»Olymp wurde angegriffen, oder genauer ausgedrückt, der Camelot-Posten auf Olymp.«
Betroffenheit zeichnete sich auf den Gesichtern der Mitarbeiter der Organisation Camelot ab. Einige schüttelten den Kopf, andere senkten den Blick und schauten zu Boden. Allen gemeinsam war eine gewisse Besorgnis, die sich auf den Gesichtern abzeichnete.
»Wer war das?«, fragte Nadine. »Und welche Auswirkungen wird das auf unsere Arbeit hier haben?«
»Auswirkungen zunächst keine. Außer dass wir den Außenposten bis auf weiteres schließen werden und hiermit erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet wird. Wir müssen aufpassen. Allerdings gibt es eine Schwierigkeit dabei: Wir wissen nicht, worauf. Der Gegner ist nämlich weitgehend unbekannt. Wer auch immer angreift, er versteht es ausgezeichnet, aus dem Verborgenen zu agieren. Bekannt ist lediglich eines: Der Gegner nennt sich MORDRED und bekämpft Camelot, und damit vor allem die Unsterblichen. Außerdem muss eine starke Macht hinter ihm stehen. Des Weiteren wurden unsere Niederlassungen auf Imart, Gatas und Zalit überfallen.«
Wieder suchte er den Bildschirm mit seinen Blicken ab.
»Das Schlimmste ist: Keiner unserer Kollegen auf Olymp hat den Angriff überlebt. Sie sind alle tot. Die Verluste bei den anderen Büros sind ebenfalls sehr hoch. Damit wissen wir, was uns bevorsteht, sollten wir die nächsten sein ...«
»Gibt es auch etwas Gutes zu vermelden?«
Nadine ballte die Faust, und blickte auf ihren Chef.
»Ja! Die TAKVORIAN, eine absolute Neuentwicklung Camelots wurde unter dem Befehl von Sandal Tolk und Joak Cascal nach Plophos in Marsch gesetzt.
Bitte informiert unsere Außendienstmitarbeiter über die Situation und sagt ihnen, dass wir bis auf weiteres unseren Stützpunkt nicht verlassen werden. Wir sollten uns in den nächsten Tagen besser nicht auf den Straßen dieser Stadt sehen lassen, schließlich wissen wir nicht, woher diese Leute kommen.
Seid euch bei allem, was ihr tut, immer über eines im Klaren: Wir können jederzeit angegriffen werden. Und ein Angriff bedeutet unseren Tod.
Und jetzt raus und an die Arbeit!«
Waldoff wandte sich wieder seinem Bildschirm zu und ignorierte seine Mitarbeiter, die über diese Verabschiedung nicht im Mindesten verblüfft waren.
So rauh er sich manchmal anhörte, Waldoff war der beste Chef, den man sich wünschen konnte. Er stand voll hinter seinen Leuten und würde niemals einen seiner Mitarbeiter im Stich lassen. Aber gleichzeitig erwartete er auch vollen Einsatz von jedem.
Die vier Personen verließen den Raum und ließen den Chef allein, der ein Funkgerät aktivierte und einen Rundruf an alle Außendienstler abschickte.
Dieser Ruf war sehr kurz; er enthielt nur ein Codewort, das die Rückkehr in die Basis bedeutete. Eigentlich war dieser Code für den Fall gedacht, dass die Regierung Terras sich entschließen würde, offen Front gegen die Organisation Camelot zu machen. Aber nach den Wirren der letzten Zeit, vor allem seit Perry Rhodan zum Sechsten Boten von Thoregon berufen worden war, war zwar die Stimmung nicht rapide umgeschlagen, aber immerhin schienen die Menschen wieder anzufangen, andere – vor allem die Aktivatorträger – zu akzeptieren. Jedenfalls war die Situation für die Organisation Camelot, zumindest was die Akzeptanz in der Öffentlichkeit betraf, wesentlich besser als jemals zuvor.
Nadine setzte sich wieder hinter ihren Schreibtisch und aktivierte ihren Syntron. Das Tischmodell, das sie jederzeit mitnehmen konnte, war klein und handlich, aber es leistete alles, was sie brauchte. Sie aktivierte Powermail, eine spezielle Software der Cameloter, mit der sich Emails abschicken und mit einem Schlüssel kodieren ließen, der einen Verschlüsselungscode im Megabytebereich generierte. Gleichzeitig wurde der Text mittels Transpositionschiffrierung, die ihn in eine sinnlose Anhäufung von Buchstaben verwandelte, chiffriert. Die heutigen Syntroniken, die überlichtschnell arbeiteten, wären sonst ohne weiteres in der Lage, den Text zu dekodieren. In der Anfangszeit der Online-Kommunikation auf der Erde galt eine E-Mail schon als sicher, wenn sie mit 256 Bit verschlüsselt war. Einen solchen Schlüssel hätten die Computer von damals in Jahrhunderten nicht dekodieren können. Für eine Syntronik war ein solcher Schlüssel allerdings heute ein Witz, weshalb man sich noch einige andere Besonderheiten einfallen lassen musste. Für die war aber die Syntronik zuständig, und Nadine hatte keine Ahnung, was die noch alles mit den Daten machte.
Jedenfalls schickte sie die verschlüsselte Nachricht über Satellit an die Außendienstmitarbeiter, die noch auf dem ganzen Planeten unterwegs waren. Sie fügte den öffentlichen Schlüssel mit Hilfe ihrer Software bei, und schaltete dann den Syntron ab. Nachdenklich stützte sie den Kopf in die Hände, ihre Gedanken waren bei den Menschen, die soeben eine Nachricht erhalten würden.
*
In der Äquatorregion war Wincento V. Gedargo unterwegs. Er saß gerade in einem Café und bestellte sich ein Getränk, als ihn der Alarm aus dem Hauptquartier erreichte. In seinen Augenbrauen waren winzige Projektoren eingelassen, die in diesem Moment ein dunkles Feld erzeugten, das die Wirkung einer Sonnenbrille hatte.
Als der Alarm bei ihm ankam, verdunkelte sich ein Teil des Feldes noch mehr, und stellte die Art des Alarms dar.
Gedargo reagierte kaum. Er griff nach dem Tee, den der Serviceroboter gerade vor ihn stellte und nahm einen kleinen Schluck. Dann richtete er seinen Blick auf einige Schriftzeichen, die am linken Rand des Feldes zu erkennen waren und fokussierte seine Augen darauf.
Das Feld registrierte die Bewegung der Pupille. Es war nicht nur in der Lage, festzustellen, wohin der Mann blickte, sondern auch, wie weit vor dem Auge des Mannes der Blick ein Bild fokussierte. Es verglich die Daten, und realisierte, was Gedargo wollte. Die Mikrotechnik, die in dieser speziellen Brille integriert war, stammte von den letzten Siganesen, die noch auf Camelot lebten und war streng geheim. Nur die Agenten Camelots waren damit ausgerüstet.
Gedargo zog ein Rocketbook aus der Tasche, und tat so, als beschäftige er sich mit einem Online-Roman.
Die Spezialbrille stellte eine Verbindung zur Mailbox des Agenten her. Dabei lieferte sie ihm einen Überblick über seine neuesten Nachrichten. Die winzigen Projektoren erzeugten ein Feld vor dem Auge des Betrachters, das einem kleinen Bildschirm glich. Dieser Bildschirm war allerdings unsichtbar und nur von der Seite aus deutlich erkennbar, wo sich das Auge befand.
Wieder setzte Gedargo einen gezielten Blick ein und eine der Zeilen, die mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnet war und im Betreff nur den Hinweis »Nadine – bitte um Rückmeldung« enthielt, trat deutlicher hervor.
Es dauerte nur einige Augenblicke, bis die getarnte Syntronik, die in der Kleidung des Agenten eingewebt war, mit Hilfe des privaten Schlüssels die Textnachricht decodiert hatte, dann erschien der Text auf dem kleinen Bildschirm des Außendienstagenten. Er las sie und leerte dann die Teetasse mit einem Schluck. Er verstaute sein Rocketbook in seinem Aktenkoffer und erhob sich. Niemand hatte bemerkt, was sich gerade abgespielt hatte, als der Mann mit festen Schritten zu einem nahegelegenen Gleiter ging und sich hineinfallen ließ. Er aktivierte das Fluggerät und verabschiedete sich von der hochsommerlich warmen Region, in der er sich eigentlich immer sehr wohl fühlte. Die nächste Zeit würde er wohl eher in einem stickigen Büro verbringen.
*
Nadine zählte die Namen, die vor ihr über den Bildschirm ihres Syntrons huschten. Insgesamt waren es dreiundzwanzig. Fünf davon waren grün markiert. Das waren die Personen, die im Büro saßen und für den Innendienst auf Plophos zuständig waren. Die restlichen achtzehn Namen waren noch rot unterlegt, aber sobald die Nachrichten geöffnet wurden, würde eine automatische Bestätigung verschickt werden, die sie über den Fortgang der Warnungen informieren würde. Dann würde das Rot sich in Blau verwandeln und ihr so nach und nach anzeigen, wer von den Mitarbeitern die Informationen bereits erhalten hatte, die die junge Frau verschickt hatte.
Endlich reagierte der Bildschirm und der erste der Namen auf der Liste war nun blau markiert. Sie erkannte den Namen Holmes, eine junge Frau, die derzeit in einem Wintersportort unterwegs war und dort eigentlich Kontakt zu einem hoch bezahlten plophosischen Genetiker herstellen sollte. Sie würde sich in diesen Minuten auf den Weg machen und sicher innerhalb der nächsten Stunden im Hauptquartier eintreffen.
Weitere Namen wurden markiert und innerhalb weniger Minuten veränderte sich die Signatur der meisten Namen auf der Liste.
Drei Namen allerdings veränderten sich nicht, auch nach einer halben Stunde hatte sich nichts geändert. Sie waren noch immer rot markiert.
Aber zu diesem Zeitpunkt wusste Waldoff schon Bescheid. Und der Chef war sicher, dass er diese drei Menschen nie wieder sehen würde.
*
Der Gleiter fuhr auf den Vorplatz des Anwesens, das vom Reichtum seines Besitzers kündete. Gaynes bremste das Gefährt unmittelbar vor dem Zaun, der sich vor ihm erhob, und wartete einen Moment. Im Inneren des Anwesens wurde sein Erscheinen angekündigt und der robotische Portier aktivierte sein Akkustikfeld.
»Ja, bitte?«
Eine sympathische Frauenstimme sprach ihn an. Der Syntron hatte den Besucher analysiert und die akustische Sequenz gestartet, die er als diejenige errechnet hatte, die die besten Auswirkungen auf das Gefühlsleben des Mannes haben würde. Auf diese Art und Weise wurde sofort ein Gefühl der Zufriedenheit beim Gast erzeugt und das erleichterte die Pflichten eines Gastgebers enorm.
»Gaynes ist mein Name. Ich werde erwartet«, insistierte der Besucher kurz gebunden.
»Bitte benutze die Einfahrt. Stelle den Gleiter auf dem Vorplatz ab. Du wirst abgeholt.«
»Sehr gerne«, meinte der Besucher und steuerte das Gefährt durch die sich öffnenden Torflügel.
Er stellte das Fahrzeug ab und stieg aus. Als sich sein Alarmgeber meldete, wollte er wieder in das Fahrzeug einsteigen, um seinen Syntron zu checken, aber das schaffte er nicht mehr.
Ein Energiestrahl wurde aus einem der Fenster des Hauses abgefeuert und verfehlte ihn knapp. Der Agent ließ sich sofort zu Boden fallen und rollte sich hinter seinem Gleiter in Deckung.
Gleichzeitig fuhr seine Hand in sein Jackett und schloss sich um den Griff einer kleinen, handlichen Waffe. Jonny verstellte den Regler und konzentrierte den Fokus des Abstrahlkristalls auf den kleinsten Wert, so dass die Wirkung des Thermostrahls für einen ungeschützten Gegner absolut tödlich sein würde, dann rollte er sich auf der anderen Seite aus seiner Deckung und feuerte sofort auf das Fenster, in dem sich allerdings niemand mehr befand.
Rasch erfasste er die Situation und versuchte, weitere Gegner hinter einem der anderen Fenster zu erspähen. Keiner ließ sich blicken, also richtete er sich auf und versuchte, wieder zu dem tragbaren Syntron in seinem Gleiter zu gelangen.
Die Tür öffnete sich und wieder wurde auf ihn gefeuert. Diesmal reagierte er sofort und schoss auf die Gestalt, die sich im Türrahmen abzeichnete. Leider verfehlte er sie erneut und um weiteren Schüssen zu entgehen, verließ er den Gleiter und rannte auf die Wand des Anwesens zu.
Während er rannte, verstaute er die Waffe in seinem Gürtel, dann sprang er mit Anlauf an der Außenwand des Anwesens hoch und erreichte den unteren Rand eines Balkons. Er hielt sich fest und zog sich nach oben. Mit einem Ruck kam sein Oberkörper auf der Balustrade zu liegen und er ließ sich auf der anderen Seite zu Boden fallen. Niemand zu sehen, wie er mit einem schnellen Rundblick feststellte.
Er griff wieder nach seiner Waffe. Einen Augenblick verschwendete er damit, zu überlegen, wer ihm hier auflauerte. Eigentlich war er mit einer Politikerin verabredet gewesen, die sich in letzter Zeit sehr unzufrieden mit der Politik der Terraner gezeigt und eine Hinwendung zu den Camelotern gefordert hatte.
Auf Plophos gab es immer stärker werdende Kräfte, die Perry Rhodan als sechsten Boten akzeptierten und ihn gerne wieder in leitender Funktion innerhalb des Galaktikums sehen würden. Zwar war dieser Wunsch kaum erfüllbar, schließlich sollte der sechste Bote eher eine Art Feuerwehrmann der Galaxis sein, aber die Grundidee war unterstützenswert, weshalb die Cameloter sich mit ihr in Verbindung setzen wollten. Was war mit ihr geschehen? Wer feuerte auf ihn? Zeit, das herauszufinden.
Gaynes griff in seine Tasche und zog ein Gerät hervor, das auf Camelot T-Bird genannt wurde. Es war eine Art Scanner, der hinter die Mauern eines Hauses blicken konnte. Als er es aktivierte, erschien zunächst kein Bild. Dann aber baute es sich auf, und stellte das Zimmer dar, das sich hinter der Balkontür befand. Es war ein Schlafzimmer und auf dem Bett erkannte er die nackte Gestalt einer jungen Frau. Es war Joanna Perez, die Politikerin, die er eigentlich treffen wollte. Sie regte sich nicht.
Das Gerät verschwand wieder in der Tasche des Agenten und er griff nach einem anderen Gerät, das innerhalb weniger Augenblicke alle möglichen Codesignale erkennen und simulieren konnte. Er setzte es auf das Schloss und zog es im selben Moment wieder zurück. Stattdessen griff er wieder nach seiner Waffe, denn die Tür schwang auf und gab den Blick auf das Innere des Raumes frei, allerdings nur auf einen Teil des Raumes. Den Teil, den er nicht einsehen konnte, kontrollierte er wieder mit dem T-Bird, dann trat er endlich ein.
Langsam bewegte er sich durch das Zimmer und erreichte das Bett. Er tastete nach dem Puls der Frau, fand aber keinen. Sie war tot.
Er ließ sie liegen und wandte sich der Tür zu. Zögernd bewegte er sich auf das Türblatt zu. Bevor er in den Erfassungsbereich des Sensors trat, der die Tür öffnen würde, aktivierte er wieder den T-Bird. Nichts, zeigte der Bildschirm an. Entschlossen machte er einen Schritt vorwärts und aktivierte den Türöffner.
Das Türblatt wich zur Seite und gab den Blick auf eine Waffe frei, die auf ihn gerichtet war. Er blickte an der Waffe entlang auf eine Hand, die zu einem Mann gehörte, der allerdings sein Gesicht verhüllt hatte. Der T-Bird hätte ihm auch hier helfen können, allerdings zog Gaynes doch vor, die Hände zu heben. Langsam ließ er den Strahler zu Boden gleiten und hob beide Hände über den Kopf.
Warum hat der T-Bird versagt?, fragte er sich.
»Nun, was wollen wir jetzt tun?« fragte er.
Er hatte keine Angst, obwohl er mit dem Tod rechnete. Sie hatten gezielt auf ihn gefeuert. Warum sollten sie nun mit ihm reden wollen? Er wollte auch kein Gespräch erzwingen, er wollte sein Gegenüber lediglich ablenken.
Er ließ sich dann einfach fallen und rollte durch die geöffnete Tür. Sein Körper stieß gegen den Mann und riss ihn zu Boden. Der verzweifelte Angriff hätte sogar Erfolg haben können. Leider hatte er auch den anderen Mann nicht auf den Bildschirm des T-Bird bekommen, der nun langsam die Waffe hob. Ohne ein Wort zu sagen drückte er ab.
Aus dem Augenwinkel sah Gaynes die Gestalt, die die Waffe hob. Nun bekam er doch Angst. Von leichter Panik erfüllt wollte er sich zur Seite rollen. Aber der andere Gegner war genau auf ihn gefallen und er konnte nicht ausweichen. Sein Gegner allerdings auch nicht. Wie in Zeitlupe erkannte Gaynes den Strahl, der den Kopf seines ersten Gegners traf. Der Strahl durchschlug den Schädel und hielt genau auf seine Augen zu.
Sie verbrannten genauso schnell wie der Rest seines Kopfes. Aber das fühlte er schon nicht mehr. Der Agent starb, bevor er den Alarm bestätigen konnte und er wusste nicht, dass zwei weitere Agenten sein Schicksal teilten.
Der Angriff der MORDRED auf das Camelot-Büro hatte begonnen.
Waldoff klopfte mit den Fingern auf den Tisch. Er hielt dabei eine Art Marschrhythmus ein, der sich immer wieder wiederholte und seine Nervosität anzeigte.
Tatatamm, tatatamm, tatatamm, so ging es die ganze Zeit und es verriet Nadine viel über den emotionalen Zustand ihres Chefs.
Auch sie war innerlich aufgewühlt. Sie hatte alle drei Agenten gekannt. Alle Cameloter verband ein besonderes Verhältnis, das nur jemand nachvollziehen konnte, der selber einmal Mitglied einer kleinen, verschworenen Gemeinschaft war, die fast die ganze Galaxis zum Gegner hatte. Sicher gab es nicht sehr viele, die das von sich behaupten konnten und Nadine trauerte stumm um die Freunde, die sie verloren hatte.
Aber inzwischen begann der Chef, ihr mit seinem Geklopfe auf die Nerven zu gehen. Sie richtete ihren Blick für einen Moment auf die Finger des Mannes, die immer noch diesen Rhythmus klopften.
Tatatamm, tatatamm, tatatamm ...
Dann riss sie sich zusammen und blickte wieder in die Augen des Mannes, der wütend auf den Bildschirm vor sich starrte.
Zahlen zogen vor seinen Augen vorbei und sie wusste, dass die Daten anzeigten, wie weit die TAKVORIAN noch entfernt war. Nur noch wenige Stunden und das Schiff würde in einen Orbit um Plophos einschwenken.
Die Behörden des Planeten waren mittlerweile informiert worden und hatten ihre Hilfe angekündigt. Sie wollten eine Kampfgruppe der TAKVORIAN auf den Planeten lassen, bestanden aber darauf, dass das große Raumschiff im Orbit bleiben würde. Das Kommando musste also mit einem Beiboot des Schlachtschiffes landen. Diese Männer und Frauen sollten die noch fehlenden Agenten suchen und sie zunächst im Hauptquartier sammeln. Dann wollte man von Plophos fliehen. Aber das würde noch einige Stunden dauern und in der Zwischenzeit konnte noch viel passieren.
Immerhin war inzwischen einer der Agenten im Hauptquartier der Cameloter eingetroffen. Sechs Personen waren sie nun schon und sie erwarteten jeden Augenblick weitere Personen, die sich in die Zuflucht des Hauptquartiers begeben wollten. Wo blieben sie nur alle?
Inzwischen hatte man eine Art Funkpeilung errichtet, damit jeder Agent immer geortet werden konnte. Das machte es zwar auch für den Gegner leichter, aber die drei Ausfälle waren so schnell gekommen, dass man davon ausgehen musste, dass der Gegner über die Standorte der Agenten Bescheid wusste. Daher ging man das Risiko einer Ortung ein. Wichtiger als Vorsicht war Schnelligkeit, denn so würde Waldoff wenigstens erfahren, wenn wieder einige seiner Leute sterben würden.
Zwanzig waren nur noch übrig.
Und in diesem Moment erlosch einer der Punkte, die die große elektronische Karte markierten. Das Klopfen verstummte wie abgerissen, nur um dann noch hektischer wieder einzusetzen.
Nadine kniff die Augen zusammen und unterdrückte eine Träne, die sich aus dem Winkel ihres Auges lösen wollte. Thomas R. Jefferson-Meyer, einer der besten Agenten, die jemals auf Camelot ausgebildet worden waren.
Nun war er wohl tot. Hundertprozentige Sicherheit würden sie wohl nie erhalten.
Der Wettlauf gegen die Zeit hatte begonnen. Wo blieb die TAKVORIAN?
*
»Wie lange noch?«, schnarrte der Kommandant, der – ohne es zu wissen – gerade durch sein Herumgeklopfe auf der Armlehne des Kommandosessels fast wie eine Kopie von Waldoff wirkte.
»Eine Stunde«, meldete Quon.
Sie stand genau hinter dem Piloten, der das letzte aus den Maschinen herausholte, um sich schnell dem Planeten zu nähern, den sie schon auf dem Hauptbildschirm erkennen konnten.
Langsam, fast quälend, wurde der Ball, der den Planeten darstellte, größer und nahm die charakteristischen Merkmale eines erdähnlichen, mit einer Atmosphäre versehenen Planeten an. Blau gefärbt mit einigen weißen Einsprengseln sah er bereits jetzt ehrfurchtgebietend aus.
Cascal hatte jedoch keinen Blick für die Schönheiten des Planeten. Im Moment sah es in ihm ganz anders aus. Er wollte die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen und aktivierte eine der Verbindungen von seinem Sessel aus. Ein Mikrophonfeld in der Armlehne nahm seine Stimme auf, als er im Beiboothangar Alarm für eine Gruppe Rauminfanterie gab, die sofort in voller Stärke von einhundert Mann an Bord des Schiffes ging.
Der Plan sah vor, dass die Kämpfer mit dem Beiboot überall dort eingesetzt werden sollten, wo sich noch Agenten Camelots befanden.
Mehrere Soldaten sollten dann den Agenten suchen, ihn schützen und warten, bis sie von dem Beiboot wieder aufgenommen wurden. Leider war die Obrigkeit des Planeten nicht ganz so hilfsbereit. Sie bestand darauf, dass die Cameloter ihre »internen Probleme«, wie sich der Administrator von Plophos ausgedrückt hatte, selbst bereinigten.
Er weigerte sich auch, die Agenten durch lokale Maßnahmen zu unterstützen. Es schien fast, als sei er von den Problemen der Cameloter begeistert gewesen, die schon einige Zeit für Ärger auf seiner Welt gesorgt hatten, indem sie eine Reihe guter Wissenschaftler für die Unsterblichenorganisation abgeworben hatten.
Auch genehmigten sie nur den Einsatz mit einem Beiboot, was zwar auf der einen Seite gut war, weil es den Camelotern ermöglichte, unauffällig zu agieren, aber auf der anderen Seite sehr schlecht, weil es Zeit kostete. So konnten nicht alle Agenten gleichzeitig gerettet werden, sondern mussten nach und nach aufgespürt, geschützt und schließlich an Bord genommen werden. Die ganze Situation war jedenfalls sehr kompliziert, aber Cascal machte einfach das Beste daraus.
Endlich schwenkte das Raumschiff in einen Orbit um Plophos ein.
Kurz zuvor hatte Cascal den Sessel des Kommandanten geräumt und sich an die erste Offizierin Coreene Quon gewandt.
»Übernehmen Sie das Kommando!«, befahl er und nickte Tolk zu, der bereits nach seiner Waffe griff und den Köcher umgehängt hatte.
Dann rannten beide aus der Zentrale und begaben sich auf schnellstem Weg zum Beiboothangar, wo sie das Beiboot betraten, als Quon gerade das Einschwenken der TAKVORIAN in den Orbit meldete.
»Sofort raus die Kiste!« ,brüllte der Kommandant und deutete auf den Piloten, der nicht im geringsten überrascht reagierte.
»Schon unterwegs«, erwiderte der junge Mann mit einem angriffslustigen Funkeln in den Augen und wartete kaum ab, bis sich der Hangar geöffnet hatte.
Er ließ die Korvette auf die Prallfelder steigen und gab nur kurz Gas, als er den Schubregler des Antriebs leicht nach vorne schob. Der Raumer machte einen regelrechten Satz auf das halb geöffnete Schott zu und durchflog es ohne anzustoßen, links und rechts nur wenige Zentimeter Platz lassend. Das Beiboot hatte immerhin einen Durchmesser von sechzig Metern, aber der Pilot reagierte präzise und vergaß keinen Handgriff. Er schaltete auch nicht hektisch, so dass Cascal nichts zu dem gewagten Manöver sagte.
Er warf Tolk einen Seitenblick zu, der amüsiert grinste und mit einem Nicken Cascals Blick erwiderte. Seine Augen glitzerten vergnügt, dann blickte er wieder auf den Bildschirm.
»Erstes Ziel ist das Hauptquartier. Sichern und besetzen, und dann die Standorte der Agenten anfliegen. Die einzelnen Teams sollen sich bereithalten, der Ausstieg muss schnell und präzise erfolgen. Jeder Moment kann uns ein Menschenleben kosten. Mittlerweile haben wir vier Agenten verloren, und jeder ist einer zuviel.
An die Arbeit, Männer!«
Cascal schnarrte die Anweisungen und griff dann nach seiner Waffe. Er versicherte sich noch einmal, wie er es schon hundert Mal getan hatte, über ihre Funktionsfähigkeit, dann stieß er sie in das Magnetkoppel zurück.
Er und Tolk gesellten sich zur ersten Gruppe, die fünfzehn Mann stark war und die Größte aller Gruppen darstellte. Mit ihr wollten sie die Zentrale halten, bis die Korvette wiederkommen würde, um sie abzuholen. Hoffentlich hatten sie dann alle Agenten an Bord.
Der Pilot kündigte an, dass man in zwei Minuten das Hauptquartier erreicht hätte. Langsam verstrich die Zeit, bis sich schließlich die Mannschleuse öffnete. Cascal zögerte keine Sekunde, als der Pilot den Ausstieg freigab. An der Spitze seiner Männer ließ er sich aus der Schleuse fallen und orientierte sich erst, als er im freien Fall war.
Vierhundert Meter unter sich erkannte er den Straßenzug, den er von Luftaufnahmen kannte: Die Straße, in der sich das Büro der Cameloter befand. Keines der Häuser enthielt noch Leben, alle waren evakuiert worden – bis auf die Mitglieder Camelots. Und diese würden sie nun abholen.
Hinter ihm folgte Tolk und dahinter die anderen fünfzehn Männer, die wie an einer Perlenkette aufgereiht aus dem Himmel gefallen kamen. Genau in dieser Reihenfolge erreichten sie die Straße und stürmten dann auf das Büro zu, das sie als das richtige Gebäude identifizierten. Die Tür wurde geöffnet und die erste Gruppe war an ihrem Bestimmungsort angelangt.
*
Als sich die Tür öffnete, um das Kampfkommando der TAKVORIAN einzulassen, war noch alles normal gewesen.
Aber als sich die Tür geschlossen hatte, änderte sich einiges.
Natürlich wusste Nadine, dass das Leben voller Überraschungen war. Sie war zwar noch jung, aber erlebt hatte sie doch schon einiges. Zum Beispiel hätte sie nie gedacht, einmal zu Camelot zu gehören. Würde ihr Vater noch Leben, wusste sie nicht, was er dazu sagen würde. Vor allem, wenn er wüsste, dass sein Tod der eigentliche Auslöser für ihren Entschluss gewesen war, dieser Organisation beizutreten.
Eine Menge war seit dieser Zeit geschehen. Ihre Mutter hatte sie nur wenige Wochen später ebenfalls verloren. Allerdings war sie nicht tot, jedenfalls glaubte sie immer noch daran, denn sie war entführt worden. Von wem und warum, das wusste niemand. Wohin, war ebenfalls unbekannt. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihr gehört.
Nicht zuletzt deshalb hatte sie ihr Weg nach Camelot geführt. Sie hoffte, über die Organisation genaueres über den Verbleib der Mutter zu erfahren. Aber nach den Geschehnissen der letzten Jahre war man dazu nicht mehr gekommen.
Und jetzt stand er vor ihr.
Unter dem Kampfanzug zeichneten sich deutlich seine Muskeln ab. Er war schlank, hochgewachsen und vermittelte den Eindruck, ein Draufgänger zu sein. Seine hellgrauen Augen zeugten von Intelligenz und Mut, aber auch einer gehörigen Portion Zärtlichkeit spiegelte sich in ihnen, wohl immer dann, wenn er einer Frau gegenüber stand, wenn ihm das auch selbst nicht so bewusst sein mochte.
Als er den Mund öffnete, war es schon fast um sie geschehen.
»Hallo, ich bin Joak Cascal, Kommandant der TAKVORIAN. Wie ist die Lage?«
»Nadine ...«, flüsterte sie, dann riss sie sich zusammen, räusperte sich und fing noch einmal von vorne an.
Das Lächeln, das seine Lippen zierte, ärgerte sie nur einen Moment lang, denn es war unverhohlen herablassend gewesen.
»Nadine Schneider. Lage unverändert«, sagte sie mit fester Stimme. Dann wandte sie sich um. »Folge mir. Ich werde dich zu meinem Chef bringen.«
Ihre Stimme klang inzwischen nicht mehr nur fest, sie hatte auch eine gewisse Kühle angenommen, die Gleichgültigkeit suggerierte. Aber Cascal hatte ihre Augen gesehen, und die waren nicht gleichgültig gewesen. Wieder verzogen sich seine Lippen und diesmal zeigten sie ein Lächeln, das Nadine sicher noch weit weniger gefallen hätte. Als sie sich in der Tür zu dem Büro im Hintergrund umdrehte, hatte sein Gesicht aber schon wieder einen gleichgültigen Zug angenommen.
Er folgte der schlanken, fast einen Kopf kleineren Gestalt, während seine Blicke bewundernd über ihre gute Figur glitten. Sicher, die Lage war gefährlich, aber das genoss er. Viel wichtiger war es, den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren, trotz aller Gefahren nicht.
»Der Chef, Heinz Waldoff«, äußerte sie.
*
Das Moos dämpfte seine Schritte, als Tom Esjon durch den Wald rannte. Es war dunkel, aber sicher verfügte der Gegner über Infrarotspürer, die es ihm ermöglichen würden, ihn auch in tiefster Dunkelheit auszumachen.
Auch er selbst verfügte über diese Infrarotspürer, aber mehr als Schemen konnte er nicht damit erkennen. Irgendetwas war mit dem Gerät nicht in Ordnung oder er wurde doch nicht verfolgt.
Aber dieses Risiko wollte er nicht eingehen.
Langsamer werdend versuchte er, den Bach vor ihm zu umgehen, aber er sah keine Möglichkeit. Er verschwendete keine Zeit mehr und rannte in den Bach, der allerdings groß genug war, um ihm nasse Füße zu verschaffen.
Auf der anderen Seite verließ er den Bach wieder und rannte weiter. Seine nassen Füße patschten über den Boden und er verwünschte das Geräusch, das in der Dunkelheit deutlich zu hören war. Allerdings machte es keinen so großen Unterschied, wo er in etwa war, das wussten sie sicher, dank der Technik, die sie mit sich führten. Er ärgerte sich vielmehr über sich selbst, denn wenn er etwas besser auf seine Umgebung geachtet hätte, dann hätte er merken müssen, dass sie bereits ganz in der Nähe waren. Aber er hatte es nicht bemerkt und es war eine ganze Weile zu spät, um sich darüber zu ärgern.
Andererseits war es nicht zu spät um nachzudenken. Seine Geräte, die ihn eigentlich über potentielle Verfolger informieren sollten, hatten nicht angesprochen. Sie waren auf Camelot gebaut worden und entsprachen den neuesten Errungenschaften der camelotischen Mikroindustrie. Sie sollten eigentlich alles sichtbar machen, was sich in dieser Galaxis befand. Keine andere Macht in dieser Sterneninsel hatte angeblich die technischen Möglichkeiten, die einen T-Bird unwirksam machen würden.
Wer hatte sie dann? Waren sie auf einen unbekannten Gegner gestoßen? War die MORDRED aus einer anderen Galaxis? Er hatte von dieser Organisation aus der Nachricht Nadines erfahren, die über die Gefahren einen kurzen Überblick gegeben hatte und so den Grund für den Alarm an die Agenten weitergab.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als ein Energiestrahl an ihm vorbeifuhr und den Stamm eines Baumes glatt durchschlug. Der Baum stand zwar noch, aber er hatte ein Loch in der Mitte.
Tom schlug einen Haken, rannte hinter den Baum und umkurvte noch einige andere der Gewächse, aber dann war sein Weg vorläufig zu Ende. Direkt vor ihm versperrten einige umgestürzte Bäume den Weg und er hatte keine Möglichkeit, sie zu umgehen.
Als er sein Flugaggregat aktivieren wollte, um über die Stämme hinwegzuschweben, traten einige Gestalten auf den Stapel und bedrohten ihn mit Waffen.
Er wandte sich um, aber da sah er weitere der Wesen auf sich zukommen.
Das war's dann wohl, war sein erster Gedanke und er griff nach seiner Waffe. Bisher hatten sie keine Gefangenen gemacht. Sicher würden sie auch ihn nicht verschonen.
Ein Donnern erfüllte die Luft und der Agent identifizierte das Geräusch als einen Flugkörper, der sich sehr schnell durch die Atmosphäre des Planeten bewegte. Der Flugkörper überflog die Bäume und entfernte sich schnell wieder.
Die Unbekannten hatten sich nur einen Moment lang ablenken lassen. Es war offensichtlich, dass sie nicht unbedingt von anderen gesehen werden wollten, aber als keine Gefahr mehr zu bestehen schien, näherten sie sich wieder langsam dem Mann, der nur noch auf sein Ende warten konnte.
Zumindest hatte alles den Anschein, als sei diese Jagd zu Ende.
Tom Esjon hatte einige der Geräusche, die dem Überflug gefolgt waren, mühelos identifiziert. So hörte es sich an, wenn Gegenstände oder Personen im freien Fall durch die Luft stürzten und dann durch die Kronen von Bäumen krachten. Keiner der Gegner schien die Geräusche gehört zu haben, sie näherten sich weiterhin langsam ihrem vermeintlich wehrlosen Opfer, das sich mit der Waffe in der Hand langsam im Kreise drehte.
Hinter einer der Gestalten konnte er jetzt einen dunklen Umriss erkennen, der vorher noch nicht dagewesen war. Die Gestalt schaffte es, den nächsten Gegner auszuschalten. Wie auch immer er es geschafft hatte, der Gegner gab jedenfalls keinen Laut mehr von sich und es war ihm auch absolut lautlos gelungen.
Immer mehr der unheimlichen Fremden fielen den nicht minder unheimlichen Angreifern zum Opfer und der Agent beobachtete fasziniert, wie immer weniger Gegner ihn bedrohten.
Als die letzten drei Gegner die Gefahr bemerkten, richteten sie die Waffen auf ihn und wollten ihn erschießen. Schnell brachte er seine Waffe in Anschlag und feuerte. Eines der Wesen erwischte er, aber die anderen beiden hätte er nicht mehr töten können, bevor sie ihn getötet hätten. Zum Glück halfen ihm die dunklen Gestalten auch diesmal, sie schossen schnell und präzise.
»Esjon?«, fragte einer der Männer.
»Ja«, antwortete der Agent.
»Komm, wir sollen dich befreien und schützen, bis wir wieder abgeholt werden. Hoffen wir, dass nicht noch mehr von denen hier durch den Wald laufen.«
Die Männer nahmen ihn in ihre Mitte. Innerhalb von einer halben Stunde hatten sie den Wald verlassen. Langsam machten sie sich auf den Weg zu einer der nahegelegenen Städte. Sie warteten auf die Korvette, die sie abholen sollte. Aber da mussten sie noch lange warten.
*
Nadine ertappte sich dabei, wie sie ständig seinen breiten Rücken im Auge behielt, als er sich gegenüber dem Chef auf einen Sessel setzte und sich über die Neuigkeiten informierte. Nachrichten trafen ein, die von den ausgesetzten Teams kamen und teilweise sogar Erfolge meldeten. Aber zwei der Teams waren ins Leere gelaufen, sie waren gerade rechtzeitig gekommen, um ihre Zielperson sterben zu sehen.
Ihre Freunde starben nacheinander und das brannte sich langsam in ihr Bewusstsein.
Als wieder eine der roten Leuchten erlosch, stahl sich eine Träne in ihr Auge und sie verließ den Raum. Auf ihrem Syntron erkannte sie, dass soeben Wincento V. Gedargo gestorben war – er würde nicht zurückkehren. Powermail war inaktiv, aber just in dem Moment, als sie auf das kleine Fähnchen an dem aufgezeichneten Briefkasten sah, sprang dieses Fähnchen nach oben und der Briefkasten begann rot zu blinken. Eine Eilmeldung. Nun, in dieser Situation war alles, was sie erreichte von Bedeutung.
Sie öffnete die Mail, und erkannte das Symbol von Gedargo.
Rasch verglich sie die eingegangene Mail mit der Meldung, die sie gerade gelesen hatte. Sein Symbol war erloschen, wie konnte er noch mailen? Der Syntron hatte automatisch den Ursprungsort der Mail festgestellt und zeigte nun eine Karte an, die detailliert eine Region ganz in der Nähe ihres Büros beschrieb. Nur wenige hundert Meter im Wald musste sich der Agent befinden. So nah und doch unerreichbar fern, denn wie er schrieb war er durch einen Schuss schwer verletzt und konnte nicht mehr weiter.
Nadine sprang auf und schrie ihre Meldung in den Raum. Der Jülziisch Tützöl Völk reagierte als erster. Er übermittelte die Meldung an den Chef. Cascal verließ sofort den Raum, um sich die Neuigkeiten anzuschauen und entschied dann, ein Kommando von vier Leuten loszuschicken.
Nadine wartete nicht, bis der Kommandant der TAKVORIAN fertig war. Sie sah einen Freund in Gefahr und reagierte verwirrt. Normalerweise würde sie nicht allein in die anbrechende Dunkelheit rennen und damit den Feinden von Camelot ein neues Ziel bilden. Aber bedingt durch die Verwirrung ihrer Gefühle und die allgemeine Situation, die sie an den Rand ihrer Selbstbeherrschung getrieben hatte, rannte sie einfach aus dem Büro, ohne sich von den Männern aufhalten zu lassen.
»Bleiben Sie hier!«, brüllte Cascal.
Der Terraner verdrehte die Augen und murmelte irgendetwas, was sich verdächtig nach einer veralteten Bezeichnung für Frauen anhörte, dann stürmte er hinter ihr her. Völk folgte ihm auf dem Fuß und auch zwei der Soldaten stürmten aus dem Raum.
Tolk hielt die übrigen zurück und griff nach seinem Bogen.
»Verteidigungsstellung«, rief er, dann ging er nach hinten und redete mit dem Chef.
*
»Was geht da draußen eigentlich vor?«
Der Chef war hinter seinem Schreibtisch aufgesprungen, hatte aber den Raum nicht verlassen. Stattdessen behielt er die elektronische Karte im Auge, die anzeigte, dass alle Agenten inzwischen tot oder von den Kampfkommandos gesichert worden waren.
»Einer der angeblich Toten hat sich gemeldet«, meinte der Barbar ungerührt. »Aber ich halte das für eine Falle. Nachrichten kann schließlich jeder verschicken, vor allem dann, wenn er den Syntron des Gegners in seinen Besitz gebracht hat. Wir sollten nicht damit rechnen, dass sie ihn finden werden. Weit eher sollten wir damit rechnen, dass unser Kommando nicht mehr wiederkommt. Ich brauche sofort eine Verbindung mit dem Administrator von Plophos.«
Waldoff nickte und stellte die Verbindung her. Tolk forderte den Terraner auf, ihn mehr Unterstützung von der TAKVORIAN einfliegen zu lassen. Der Administrator von Plophos verweigerte die Kooperation, bot aber die Unterstützung durch Polizeiverbände an. Sie sollten sofort in Bewegung gesetzt werden. Tolk erklärte sich einverstanden.
Er verließ das enge Büro des Chefs und bezog an einem der Fenster Stellung. Er versuchte, die Dämmerung mit seinen Augen zu durchdringen, aber in der Dämmerung war es fast unmöglich, überhaupt irgendetwas zu erkennen.
Erst als er sich das Nachtsichtgerät aufsetzte, konnte er etwas in der Dunkelheit erkennen, allerdings nur die Bäume des nahestehenden Waldes, die sich hinter den Häusern auf der anderen Straßenseite erhoben.
Nichts zu sehen und nichts zu hören. Die Polizeieinheiten waren noch weit weg. Wo war Cascal, und wo war die Frau?
Sie hatte die andere Straßenseite unangefochten erreicht und rannte durch einen Garten. Cascal hatte sie schon fast eingeholt, aber er schaffte es nicht mehr, sie vor dem Erreichen des Waldrandes aufzuhalten und so fielen sie gemeinsam in die Deckung der ersten Bäume, als eine Energiebahn für einen Moment die Dämmerung erhellte.
*
Nadine war sich darüber im Klaren, dass sie ein deutliches Ziel abgeben mussten, da sie, noch außerhalb des Waldes stehend, vor dem etwas helleren Himmel wesentlich besser zu erkennen waren, als sie selbst irgendetwas im Wald sehen konnten.
So überstürzt sie reagiert hatte, als sie einfach aus dem Haus gerannt war, so überlegt reagierte sie nun. Sie riss ihre eigene Waffe aus dem Magnetholster und beschoss damit den Waldrand. Dann verschwand sie hinter einigen der Büsche und verschmolz so mit der Dunkelheit zwischen den Ästen.
Cascal hechtete nicht weit von ihr in Deckung und achtete kaum darauf, dass Völk und die Soldaten ebenfalls eine Deckung erreichten. Er robbte unter den Ästen hindurch auf die junge Frau zu, deren schlanker Körper sich dank seiner Infrarotbrille deutlich abzeichnete. Erst jetzt fiel ihm ein, dass ihre Gegner durchaus ebenfalls über diese Geräte verfügen konnten und er aktivierte den Schutzschirm seines Seruns, als er neben der jungen Frau lag. Sie verfügte zwar auch über einen Kampfanzug, doch dieser war ein leichtes Modell, das nur über HÜ-Schirm verfügte. So erweiterte er einfach den Radius des Paratrons seines Seruns.
Ihre schlanken Finger huschten über die Tastatur des Syntrons und sie projizierte ein Bild mit dem Ergebnis ihrer Ortung auf den kleinen Bildschirm.
»Da vorne, nur etwa dreihundert Meter. Da müsste er sein.«
»Wenn er überhaupt noch lebt. Haben Sie nicht daran gedacht, dass das Ganze eine Falle sein könnte? Wenn die seinen Syntron haben, können sie Ihnen auch eine Nachricht schicken. Das wäre kein Problem, denn sie brauchen nur mit seinen Programmen zu arbeiten.«
»Nein«, meinte sie einfach. »Ich kenne Gedargo schon sehr lange. Ich weiß, wie er schreibt. Außerdem hätte sich der Syntron selbst vernichtet, wenn Gedargo getötet worden wäre. Der Mann ist einfach phantastisch. Er hätte niemals zugelassen, dass unsere Technik in fremde Hände fällt.«
Sie schaute ihn selbstbewusst an.
»Trotzdem hätten Sie nicht einfach weglaufen dürfen. Vielleicht haben sie ihn am Leben gelassen, damit er Sie hierher führt, dann haben wir wirklich ein Problem. Und Sie wären im Hauptquartier sicherer, als hier draußen.«
»Sicherheit gibt es in dieser Galaxis nicht mehr. Außerdem fühle ich mich an deiner Seite sehr sicher.«
Für einen Moment verloren ihre Augen den harten Glanz, den sie eben noch gezeigt hatten, und Cascal erkannte das Mädchen dahinter. Der Terraner räusperte sich, dann schüttelte er den Kopf.
»Wir haben hier noch ein Problem zu lösen«, erinnerte er, sichtlich bemüht, sich von der schönen Frau an seiner Seite nicht ablenken zu lassen. »Auf gehts!«
Er arbeitete sich langsam in die von ihr angegebene Richtung vor. Hinter ihnen explodierte etwas und Cascal fuhr herum. Vor dem Büro der Organisation Camelot war ein Sprengsatz explodiert und einige Menschen stürmten das Haus. Doch eine Falle, war sein erster Gedanke, aber dann ließ er sich nicht mehr ablenken. An der Seite des Jülziisch, der Plophoserin und der beiden Soldaten kroch er durch das Unterholz, sich durchaus der Tatsache bewusst, dass das Kriechen ihre Körper vor irgendwelchen Angriffen nicht schützen würde.
*
Als die erste Gestalt aus der Dunkelheit kam, erkannte sie Tolk unter seiner Infrarotbrille sofort. Er griff nach seinem Bogen und zog einen der Pfeile aus dem Köcher. Die rote Signalfarbe an der Spitze zeigte an, dass sie mit einem chemischen Sprengkopf bestückt war. Mit einem Griff aktivierte er den Aufschlagzünder.
Er legte den Pfeil auf die Sehne und zog den Kompositbogen fast mühelos an seine Schulter. Direkt vor dem Angreifer ließ er den Pfeil in den Boden fahren und der Aufschlagzünder brachte den Sprengkörper zur Explosion.
Einige der Körper wurden durch die Luft gewirbelt, aber die meisten hielten unbeirrt ihren Kurs auf das Bürogebäude zu.
In den umliegenden Häusern bewegte sich nichts. Die Menschen, die dort wohnten, waren schon vor Stunden evakuiert worden. Glücklicherweise lag das Büro nicht nur in einem Vorort, sondern auch etwas außerhalb des Zentrums, so dass nicht sehr viele Menschen verwundert ihre Häuser räumen mussten, als die Behörden zum ersten Mal an diesem Tag in dieser Gegend aufgetaucht waren. Bald sollten sie zum zweiten Mal hier erscheinen, aber bislang waren die Verteidiger noch weitgehend alleine.
»Wo bleibt die Korvette?«, brüllte er in sein Mikrofon und wartete sehnsüchtig auf eine Antwort, während er gleichzeitig kaltblütig einen weiteren Pfeil auflegte, diesmal einen ohne Sprengladung.
Ruhig zielte er auf einen der Angreifer und ließ den Pfeil von der Sehne schnellen. Der Schuss saß. Der Pfeil durchbohrte den Hals des Wesens, das zu Boden stürzte und noch eine Weile zappelte. Aber das bekam der Mann von Exota Alpha schon nicht mehr mit.
»Ich habe zwölf Kommandos abgesetzt. Vier davon habe ich mittlerweile wieder an Bord. Ich komme, sobald ich kann. Übrigens haben wir nur einen Überlebenden. Die anderen wurden alle aus dem Hinterhalt erschossen.«
Verdammt! dachte Tolk. Wenn das so weiterging, würden sie nicht nur Probleme haben, überhaupt einen der Cameloter zu verteidigen, sie würden auch Probleme haben, ihre eigene Haut zu retten.
Wieder legte er einen Pfeil auf und erschoss einen weiteren Angreifer. Neben ihm griffen die Strahlenbündel nach den anderen Angreifern, aber diese schienen unerschöpflich. Irgendwo in dem Wald auf der anderen Seite mussten sie eine Basis haben, von der sie herkamen. In genau dem Wald, in dem auch Cascal mit seinen vier Leuten verschwunden war.
Zögernd ließ der Barbar den Bogen sinken, aber dann feuerte er weiter. Er konnte der Gruppe am besten helfen, wenn er einfach weitermachte. Vielleicht schafften sie es ja ...
*
Nadine lag dicht hinter dem Terraner, der inzwischen den Bereich erreicht hatte, den sie angekündigt hatte. Niemand lag auf dieser Stelle, aber nur einige Schritte weiter hatten sie den Körper des Agenten gefunden. Eine kurze Untersuchung hatte ergeben, dass er tatsächlich noch vor wenigen Minuten gelebt hatte. Aber das Loch in seiner Brust zeigte deutlich, dass er zu diesem Zeitpunkt wohl schon mehr tot als lebend gewesen war. Die Nachricht war tatsächlich sein letztes Lebenszeichen gewesen.
Die junge Frau sagte nichts, aber ein Blick in ihr Gesicht erzählte die ganze Geschichte. Sie war traurig, aber sie wollte es nicht zeigen. Gleichzeitig hatte sie das starke Gefühl, einen schweren Fehler gemacht zu haben.
Cascal wandte sich ab und gab nur ein Zeichen, das bedeutete: Zurück, und den anderen helfen.
Langsam bewegten sie sich wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren, aber schon bald trafen sie auf den ersten Angreifer. Cascal schaffte es gerade noch, zu feuern. Der Gegner fiel lautlos zu Boden, in dem Chaos, das ohnehin um sie herrschte, fiel es kaum auf.
Es dauerte nicht lange, dann hatten sie sich wieder in eine Deckung gearbeitet, von der aus sie einen guten Überblick in Richtung des Hauptquartiers der Cameloter hatten. Die Angreifer rannten in Scharen an und bedrängten das Gebäude.
Cascal aktivierte den Funk und informierte Tolk über die Lage. Er erfuhr auch einiges von dem Barbar und wandte sich anschließend direkt an die Korvette.
Noch drei Gruppen wären aufzunehmen, dann würden sie zurückkommen, meinte der Pilot. Etwa eine Viertelstunde. Das konnte zu viel sein, zumindest für die Personen, die sich außerhalb des Hauptquartiers aufhielten. Bis das Schiff kam, konnte sie entdeckt und bereits umgebracht worden sein.
Als die ersten Angreifer auf sie zukamen, eröffnete die junge Frau das Feuer. Cascal beobachtete sie nur einen Moment lang, bevor er sich ihr anschloss Sie schoss gezielt und kaltblütig. Die Frau hatte eine gute Ausbildung genossen und er sagte es ihr auch. Die Freude, die in ihren Augen aufleuchtete, übersah er nicht, obwohl in diesem Moment ein Treffer in seinen Schutzschirm schlug.
Aber der nächste Treffer, der ihren HÜ-Schirm überlud und die Energie des Waffenstrahls in die Librationsüberladungszone ableitete, blendete ihn. Schnell sprang er vor sie und deckte sie mit seinem wesentlich stärkeren Paratronschirm, dessen Radius er wieder erweiterte, um sie zu schützen. Sie sackte in sich zusammen und er fing sie auf. Die beiden Soldaten übernahmen nun die Verteidigung, während Cascal die junge Frau nach hinten brachte. Für einen Moment verlor sie das Bewusstsein.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie in den Armen des Terraners. Der harte Krieger fühlte einen tiefen Schmerz, als er erkannte, was der Schuss angerichtet hatte. Knapp unterhalb ihrer Brust war nicht nur der Kampfanzug vollständig verschmort, sondern der gesamte Unterkörper war verbrannt und ein Teil der inneren Organe lag frei. Sie musste unglaubliche Schmerzen haben, aber der Wundschock verhinderte wohl noch, dass sie etwas davon spürte.
Bevor es soweit war, verabreichte er ihr ein schmerzstillendes Medikament und setzte einen tragbaren Medosyn an ihren Körper.
Mit glasigen Augen registrierte er die Anzeige, die Hoffnungslosigkeit attestierte. Eine schnelle Behandlung an Bord der TAKVORIAN würde sie sicher retten können, aber das Schiff würde genauso lange brauchen wie die Korvette.
Das Schmerzmittel wirkte und der Terraner feuerte mit einer Hand über ihren Körper, den er immer noch schützend im Arm hielt, auf einen Angreifer. Wütend hielt er den Auslöser seines Strahlers niedergedrückt, bis der Gegner sich nicht mehr rührte. Neben dem Hass auf die feigen Mörder loderte brennender Zorn in ihm, er konnte es einfach nicht fassen, dass Camelot seine Mitarbeiter nicht besser schützte. Adams und Rhodan würden ihm eine Erklärung schulden, warum die Ausrüstung der Camelot-Büros dermaßen minderwertig war. Auch die Bewaffnung ließ zu wünschen übrig, schwere Strahler oder gar Kampfroboter waren eine absolute Fehlanzeige.
»Halten Sie durch, Nadine ...«
Wieder drohte ihn die Wut zu überwältigen, als er begriff, dass sie sterben würde. Der Moment, der sie hätte retten können, war vorbei. Selbst wenn die Korvette jetzt kommen würde, würde sie diese Schusswunde sicher nicht überleben.
Der Kampf dauerte an, bis über ihren Köpfen ein Raumschiff erschien. Die Korvette erreichte das Schlachtfeld, bevor sich eine der angekündigten Polizeireserven in ihrer Nähe blicken ließ. Bitter formulierte Cascal in Gedanken ein Dankschreiben an den lokalen Administrator, das nicht allzu schmeichelhaft ausfiel.
Als die Korvette das Feuer eröffnete, erlahmte der Widerstand sehr schnell. Das Schiff landete und die Tür des Büros öffnete sich. Verwundete wurden ins Freie getragen und Tolk führte die Gruppe ins Schiff.
Völk und die beiden Raumsoldaten betraten die Rampe zuerst, die ins Innere führte, dann folgten die anderen Cameloter. Tolk betrat die Rampe unmittelbar vor Cascal, der die sterbende Frau in seinen Armen hielt. Als sie das Innere des Schiffes erreicht hatten, schloss sich die Luke, die Rampe zog sich ins Schiff zurück und die Korvette beschleunigte mit Höchstwerten.
Der Kompositbogen landete in einer Ecke. Er würde hier im Schiff keinen Nutzen mehr bringen. Tolk ließ sich in den Sessel gleiten, der vor der Feuerleitkontrolle verankert war und übernahm die Feuerorgel.
Er warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Cascal die junge Frau in einen Sessel bettete. Sie war kalkweiß im Gesicht und ein Blick auf ihre Verletzung sagte alles. Cascal strich ihr Haar aus der Stirn und setzte sich neben sie. Für den Moment mussten sie wohl auf den Kommandanten verzichten, also übernahm er die Übermittlung der Rendezvouskoordinaten an die TAKVORIAN um das Einschleusen der Korvette vorzubereiten. Langsam, fast quälend, näherten sie sich dem Rendezvouspunkt.
Die Angreifer waren verschwunden. Keines der Raumschiffe im Orbit um Plophos wirkte verdächtig. Es waren viele. Doch keines der vielen Schiffe schien zur MORDRED zu gehören.
Das Beiboot glitt in den Hangar und die Schleusen schlossen sich. Die Triebwerke der TAKVORIAN rissen das Schiff aus dem Orbit und brachten es langsam von der Welt fort, auf der viele Cameloter ihr Leben gelassen hatten. Benommen erhob sich der Mann von Exota Alpha. Er schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was sich hier gerade abgespielt hatte. Dann wandte er sich um und zählte.
»Acht Überlebende«, murmelte er.
Dann wandte er sich an Cascal. Dessen Hand drückte die Hand der jungen Frau. Mit der anderen Hand strich er über ihr Gesicht und verschloss die schönen Augen der jungen Frau. Er verschloss sie für immer.
»Nein, nur sieben«, erwiderte der Kommandant mit belegter Stimme.
Fünfzehn Menschen von Camelot waren auf Plophos gestorben.
»Nur sieben«, flüsterte er noch einmal, nachdem er die Augen der Frau verschlossen hatte.
»Kurs auf Camelot«, befahl er mit brüchiger Stimme. Langsam verließ er das Beiboot.
Er sagte kein Wort mehr.
Im September 1290 NGZ kam es zu einer Reihe von Anschlägen durch eine geheimnisvolle Terrororganisation, die sich selbst den Namen MORDRED gegeben hatte. In der Öffentlichkeit wurden diese gezielten Attacken differenzierter wahrgenommen, denn niemand – bis auf wenige Eingeweihte Regierungen – wusste, dass es sich um den gezielten Versuch handelte, Camelot und die Unsterblichen als galaktischen Machtfaktor auszuschalten. Die Büros der Organisation waren geheim, auch wenn natürlich einige Büros durchaus dem TLD und auch den arkonidischen Geheimdiensten bekannt waren.
So wurde offiziell den Bürgern eine ganze andere Geschichte serviert.
Bandenkrieg auf Imart lautete die Schlagzeile zur Vernichtung des dortigen Camelotbüros, welche von als Journalisten getarnten Agenten des Terranischen Ligadienstes verbreitet und von der galaktischen Journalie ungeprüft übernommen wurde. Es war kein rühmliches Kapitel des Journalismus, denn die Wahrheit wurde vertuscht.
Aus dem Angriff auf Olymp wurde ein schrecklicher Unfall auf einem Fabrikgelände.
Die Gataser empörten sich über einen rassistischen Angriff durch eine terranische Faschistenorganisation. Die LFT reagierte mit Bedauern, entschuldige sich und mahnte gegen terranischen Rassendünkel und terranische Selbstüberschätzung.
Der Angriff auf Zalit wurde nirgends erwähnt. Nur eine Fußnote schrieb vom Abriss eines veralteten Gebäudes und schrieb in dem Zusammenhang, dass zuvor zalitische Einheiten eine Übung durchgeführt hatten.
Die Toten auf Plophos wurden durch kriminelle Aktivitäten erklärt. Überall wurde vertuscht. Die LFT und ihre assoziierten Welten wollten nicht, dass bekannt wurde, dass es Camelotniederlassungen auf den wichtigen Planeten gab. Terra fürchtete einen Imageverlust dadurch, denn trotz der Annäherung in den letzten zwei Jahren, waren die Unsterblichen in Regierungskreisen offiziell immer noch nicht gerne gesehen.
Bei dem Kristallimperium liegt der Verdacht nahe, dass es die MORDRED schlichtweg gewähren ließen, um das Camelotbüro zu vernichten. Und so brauchten sich die Kristallagenten nicht selbst die Hände schmutzig zu machen.
Ein weiterer Grund für die Vertuschung war, dass weder LFT noch das Kristallimperium den Anschein erweckten wollten, Terroristen könnten frei schalten und walten. Besonders das Vertrauen in die Regierung Daschmagan war seit den Tolkander- und Dscherrokrisen arg ins Wanken geraten.
Eine Terrorwelle sorgte da nur für unnötige Panik. Obgleich ich aus vertrauensvollen Kreisen hörte, dass es durchaus Überlegungen gab, die Terrorakte öffentlich zu machen und Camelot die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Öffentlichkeit sollte annehmen, dass Camelot durch die bloße Anwesenheit schon Gefahr bedeutete. Allerdings war dieses Vorgehen letztlich verworfen worden. Daschmagan und Khan fürchteten die Reaktion der Bevölkerung, denn die Unsterblichen genossen inzwischen wieder größere Sympathie, nachdem sie schließlich maßgeblich die Gefahren durch Goedda und die Dscherro beseitigt hatten.
Es war viel politisches Kalkül im Umgang mit der MORDRED im Spiel. Letztlich hatten sich die Politiker dazu entschieden, das Ganze erst einmal vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Es war nur die Frage, wie lange das möglich war? Würde die MORDRED sich zu den Anschlägen bekennen, wäre die ganze Geheimhaltung umsonst gewesen. Doch offenbar wollte die MORDRED das nicht.
Die LFT hatte den restlichen TLD beauftragt, sich der Angelegenheit anzunehmen. Cistolo Khan persönlich überwachte die Operation.
Eines stand jedoch fest. Die Bedrohung der MORDRED machte die nächsten Wochen und Monate gefährlich für alle, die auch nur entfernt mit Camelot in Kontakt standen. Ich machte mir selbst auch meine Gedanken, ob ich sicher war oder nicht.
Die MORDRED war in die Offensive gegangen. Wir wussten, dass die MORDRED vor knapp fünf Jahren den fanatischen Sektierer Dannos mit Waffen und Söldnern versorgt hatte, um das Luxusraumschiff LONDON zu entführen. Camelotische Agenten hatten außerdem Verbindungen zwischen Prothon da Mindros und der MORDRED herausgefunden. Demnach hatte die MORDRED auch bei der Entführung der LONDON II ihre Finger im Spiel gehabt.
Doch nun hatte sie sich aus dem Schatten der Anonymität verabschiedet und Camelot mit aller Brutalität den Krieg erklärt.
Der Silberne Ritter Cauthon Despair lebte. Oh, ich erinnerte mich noch zu gut an die warmen Worte der Mashratin Ghaz Ala über ihren kleinen Helden Cauthon. Doch mit ihr war offenbar auch das Herz des auf Neles geborenen Cameloters gestorben.
Nun war Despair der wohl gefährlichste Feind der Unsterblichen in der Milchstraße.
ENDE
Die MORDRED hat auf vier Welten zugeschlagen und die Niederlassungen der Unsterblichenorganisation Camelot zerstört. Der Silberne Ritter Cauthon Despair sinnt nach Rache. Mehr darüber erzählt Nils Hirseland in Band 13:
BRENNPUNKT MASHRATAN
In Eigener Sache
In diesem Roman feiert Ralf König als DORGON-Autor sein Jubiläum in der Special-Edition. Als DOR-GON-Autor selbst schrieb König im Jahre 1999 Heft 3 "Krisenfall Camelot", der in diesem Special-Edition Roman verwendet wird. Nach der Originalzählung wirkte König an knapp 30 DORGON-Romanen bis Heft 137 mit und hat damit einen beträchtlichen Teil zur Serie beigesteuert. In der Special-Edition werden seine Romane natürlich alle einfließen. Und wer weiß: Vielleicht gibt es auch irgendwann wieder einen neuen Ralf König Roman bei DORGON.
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Im vorliegenden Band erleben wir den Beginn der Offensive der MORDRED gegen Camelot. Die geheimnisvolle Terrororganisation tritt aus dem Dunkel und vernichtet die Niederlassungen der Unsterblichenorganisation mit einer Brutalität ohne Gleichen. Homer G. Adams scheint als Statthalter der Unsterblichen ohne Chance, diesem Terror Einhalt zu gebieten.
Die Angriffe auf Camelot werden noch durch die Untätigkeit der Regierungen der LFT und des Kristallimperiums begünstigt, die in der Schwächung Camelots die willkommene Gelegenheit sehen, den Einfluss Perry Rhodans und der anderen Unsterblichen in der Milchstraße zurückzudrängen.
Der einzige Lichtblick für Camelot scheint darin zu liegen, dass Aurec sich entschlossen hat, auf Seiten Camelots einzugreifen. Allerdings wird es noch längere Zeit dauern, bis sich die Unterstützung des Saggittonen militärisch auswirken wird. Bis dahin scheint die Organisation auf verlorenem Posten zu stehen.
Jürgen Freier
Die Plophoserin schloss sich vor zehn Jahren Camelot an und war seit dieser Zeit bei dem Camelot-Büro ihrer Heimatwelt angestellt. Nach einem Angriff der MORDRED im September 1290 NGZ wurde sie tödlich verletzt und starb in Joak Cascals Armen, den sie erst an diesem Tag kennengelernt hatte.
Steckbrief
Geboren: 28.12.1254 NGZ
Gestorben: September 1290 NGZ
Geburtsort: Plophos
Größe: 1,68 Meter
Gewicht: 61 kg
Augenfarbe: blau
Haarfarbe: blond
Bemerkungen: selbstbewusste Ausstrahlung, natürliche Schönheit
Größter Schlachtschifftyp und Flaggschiff der MORDRED.
Die VERDUN stellt den Prototyp eines neu entwickelten Typs der Ultraschlachtschiffe dar und wird als NEOUNIVERSUMKLASSE bezeichnet. Dank der Technik und finanziellen Unterstützung der Dorgonen, kann die Terrorgruppe dieses Raumschiff bauen.
Technische Daten
Durchmesser: 3500 Meter
Triebwerke: Metagravtriebwerk
Beschleunigung: 1.200 km/sec ²
Schutzschirm: Paratronschirm
Bewaffnung
100 Transformkanonen
200 Impuls/Thermo/Desintegratorgeschütze
50 Arkonbomben
1000 Jäger
1000 SHIFTs
100 Destruction-Kreuzer
200 Space-Jets
Sonstiges
Virtuellbildner, Maxim-Orter, Hyperraum-Resonator
Besatzung
1000 Mann Stammbesatzung
5000 Mann Boden,-Lufteinheiten
Kommandant: Cauthon Despair (Nummer Zwei der MORDRED)
Stelv. Kommandant: Admiral Kenneth Kolley
Erster Offizier: Major Soram Tomahn
Die TAKVORIAN ist das Schwesterschiff der IVANHOE und wurde ab September 1290 NGZ offiziell eingesetzt. Das Kommando über das 1000 Meter Schiff bekam Joak Cascal. Sein Stellvertreter war sein langjähriger Freund, der Barbar von Exota Alpha, Sandal Tolk.
Technische Daten
Durchmesser: 1000 Meter
Triebwerke: Metagravtriebwerk, Lineartriebwerk (Notfall)
Beschleunigung: 1150 km/sec ²
Bewaffnung
25 Mega-Transformkanonen
10 Impuls/Desintegratorgeschütze
5 VESTA-Kreuzer
5 Korvetten
25 Space Jets
100 Jäger
20 SHIFTs
Sonstiges
Virtuellbildner, Maxim-Orter
Besatzung
300 Mann Stammbesatzung
500 Mann Boden,-Lufteinheiten
Kommandant: Joak Cascal
Stelv. Kommandant: Sandal Tolk
Erster Offizier: Coreene Quon
Die Mordred setzt auf Gatas ein neu entwickeltes Waffensystem ein, das durch elektromagnetische Kräfte magnetische oder elektrisch leitende Projektile sehr hoch beschleunigt und somit beim Einschlag eine entsprechend hohe kinetische Energie entfaltet.
Physikalische Grundlagen
Physikalisch existieren zwei Verfahren, um ein Projektil zu beschleunigen.
Ferromagnetismus
Dabei wird das Geschoss mit Hilfe elektromagnetischer Felder beschleunigt. Hierzu wird Strom durch eine Spule geleitet. Das dabei entstehende Magnetfeld zieht das Geschoss an und beschleunigt es ins Spulenzentrum. Durch sequenzielle Anordnung mehrerer Spulen können sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht werden.
Wirbelstromprinzip (elektromagnetische Induktion)
Hierbei werden nicht magnetische, elektrisch leitfähige Projektile durch Wirbelströme beschleunigt. Auch hier werden mehrere Spulen hintereinander angeordnet.
Weitere Einzelheiten über die Leistungsfähigkeit dieses Waffensystems sind gegenwärtig nicht bekannt.
Das DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.
Special-Edition Band 12, veröffentlicht am 5.7.2012 • Autor: Ralf König / Nils Hirseland • Titelillustration: John Buurman • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2012 • Alle Rechte vorbehalten