Nach Pasus Tod versuchte der machtgierige Konsul Zabasus die Herrschaft an sich zu reißen, doch sein Vorhaben schlug fehl und er musste mit seinem Leben dafür bezahlen.
Einige Tausend Jahre Frieden wurden nun der Galaxis zuteil. Die Dorgonen strebten ihrem kulturellen Höhepunkt zu.
Geld, Gold und Macht waren nur noch zweitrangig – das Lebewesen zählte, eine Zeit voller Toleranz und Nächstenliebe, in der es keine Verbrechen mehr gab.
Das Paradies auf Erden. War es das, was der heilige DORGON uns einst vorausgesagt hatte? Jetzt, da wir auf einer wichtigen Vorstufe zu einer neuen Evolutionsebene standen, tauchte ein mächtiges Wesen auf, welches sich als Kosmokrat bezeichnete.
»Ich bin Sipustov, euer Freund und Gönner«, sprach es. »Seit Jahrtausenden haben wir euch beobachtet. Es ist nun an der Zeit, dass sich eure Bestimmung erfüllt.«
Er sagte nichts vom heiligen DORGON. Warum?
Und der Kosmokrat sprach, er sei von den Mächten der Ordnung und Dorgon wäre auserkoren, für das Recht und die Ordnung im Universum zu streiten. Er erklärte uns den moralischen Kode, welcher quasi die DNS des Universums war. Dieser Kode bestehe aus unzähligen Kosmonuklotiden. Der Kosmokrat erzählte uns von dem Zwiebelschalenmodell, von den Superintelligenzen, die viele als ihre Götter ansahen.
…war auch DORGON solch eine Superintelligenz? Wenn ja, wo war er… ?
Er sprach von den Mächten des Chaos, die alles daran setzten, die Macht an sich zu reißen und jegliche Harmonie zu vernichten.
Was nun geschah, war schwer zu beschreiben. Das mächtige Wesen akzeptierte kein »nein«. Wir sollten ihnen von nun an dienen, ob wir wollten oder nicht. Es war die Pflicht Dorgons, der Ordnung zu dienen, so die Worte des mächtigen Kosmokraten.
Anfangs waren alle begeistert und wir schlossen uns bereitwillig an. Doch die Euphorie verflog, als die Schrecken der Mächte des Chaos über uns kamen. Horden des Bösen überfielen unsere Welten und viele Dorgonen mussten in andere Galaxien ziehen, um für die Ordnung zu kämpfen.
Doch je länger wir ihnen dienten, desto weniger verstanden wir den Sinn dieses Krieges. Nie bekamen wir Hilfe von den Kosmokraten. Wir fühlten uns wie Schlachtvieh, welches von einem Punkt des Universums zum anderen geschoben wurde, um einen kosmischen Krieg zu führen, der uns doch im Grunde nichts anging. Warum wir?
Warum mussten Frauen verwitwen, Kinder verwaisen? Konnten die Kosmokraten ihnen erklären, warum ihre Männer sterben mussten? Nein! Sie machten nicht einmal den Versuch einer Erklärung. Es war selbstverständlich, ihnen zu dienen und für sie zu sterben.
Doch die Kosmokraten rechneten nicht mit dem Stolz der Dorgonen. Die Ansicht, dass wir etwas besseres als viele andere Wesen sind, machte sich nach einigen Tausend Jahren wieder breit.
Widerstand gegen die Mächte der Ordnung keimte auf und nach 7.000 Jahre im Dienste der Entitäten sagte sich der mutige Sulvarus im Namen der gesamten Galaxis von den Kosmokraten los.
Was dann folgte, hätten selbst die stärksten Aufrührer gegen die Kosmokraten nicht erwartet. Eine Plage und Strafexpedition folgte der nächsten.
Die Heerscharen anderer Hilfsvölker der Kosmokraten fielen über Dorgon her – doch wir hatten dazugelernt. Es wurde der Hypertronimpulser und der Hypertronschirm von findigen Wissenschaftlern erfunden, welche die Aggressoren in die Flucht schlugen. In einer inoffiziellen Legende hieß es, sie hätten den Codex Ocassus wiedergefunden. Eine andere Legende besagte, DORGON persönlich wäre erschienen und hätte sie den Wissenschaftlern übergeben. Doch diese sagten nie etwas dazu. Es wurde als Verschwörungstheorie ins Land der Geschichten abgelegt.
Und Sipustov sprach: »Für eure Impertinenz uns gegenüber werdet ihr büßen! Ebenso lange, wie ihr in unseren Diensten standet, werdet ihr für euren Verrat büßen!«
Das waren die letzten Worte des einst so freundlichen Kosmokraten. 7.000 Jahre lang suchte uns Leid und Tod heim. Viele Generationen waren dazu verdammt, für den Fehler, den ihre Vorfahren machten – den Pakt mit den Kosmokraten zu schließen – zu bezahlen.
Dann, 14.000 Jahre nachdem Sipustov das erste Mal aufgetaucht war, lag Dorgon in Schutt und Asche. Die Bevölkerung war stark dezimiert und wir waren weit davon entfernt, in die nächste Evolutionsstufe aufzusteigen.
Dorgon war am Ende! Die Republik zerfallen. Es entstanden viele kleine Fürstentümer, die ihr eigenes Leben führten, dennoch unter dem Banner Dorgons standen.
Jeder König nannte sich zwar Dorgone, doch er hatte nur die alleinige Macht über sein kleines und autarkes Reich.
Doch nicht lange währte diese »Kleinkrämerei«, wie einst der starke Senator Archivus diese Situation bezeichnete.
Ost- und Westdorgon wurden wieder neu gegründet und viele Fürstentümer annektiert. Es gab wieder zwei Mächte, die jedoch in Frieden miteinander lebten.
Die Erinnerungen an die Kosmokraten verblassten nach einigen Jahrhunderten. Jeder wusste von ihnen und lernte, sie zu fürchten.
Jeder hoffte, dass sie niemals wieder Dorgon aufsuchen würden. Einige tausend Jahre lebten die beiden Staaten friedlich nebeneinander und es ging uns wieder gut, bis der alte Neid und die alte Machtgier zu neuem Leben erweckt wurden.
In einer Zeit voller Hass und Argwohn beschlossen die friedlichen und stolzen Jerrer, sich von Ostdorgon abzuspalten. Sie wollten ihr eigenes Leben führen und in Ruhe zu ihrem Gott beten, der DORGON nicht als heiligen Boten ansah.
Das war der Auslöser für viele andere Staaten, wieder in die Autarkie zurückzukehren. Zur Strafe kam es zu einem Krieg zwischen den Jerrer und Ostdorgon, doch da mischte sich Westdorgon ein und es kam zu einem erneuten galaktischen Krieg der Brudervölker.
Erst nach einigen Jahren beruhigte sich das Geschehen und der charismatische Jusilus trat in Erscheinung. Er nutzte die wirtschaftlich schlechte Lage, die Armut und die Unzufriedenheit der Bürger, stürzte die beiden Kanzler und einte Ost- und Westdorgon in epischen Schlachten. Sein Ziel war wohl nun jedem klar – das dorgonische Imperium wieder aufblühen zu lassen…
»Ich bin der neue Kaiser und euer Protector Dorgonis!«, sprach er einst vor dem Senat mit hocherhobenem Kopf, die Brust voll Stolz geschwellt. Es war die Einleitung in das neue Imperium Dorgon. »Ich werde Dorgon zu neuer Blüte bringen. Ich werde es sein, der den Grundstein für die kosmische Macht Dorgon legen wird«, schwang er weiter seine Rede vor dem Senat und dem Volk. An seiner Seite stand sein Neffe, der intelligente und mit bedacht handelnde Decrusian, der stets als Ratgeber und Freund seinem Kaiser beistand.
Jusilus krönte sich zum neuen Kaiser und erklärte die gesamte Galaxis zum Imperium Dorgon. Er regierte brutal aber gerecht. Das Reich wurde ausgedehnt und erblühte tatsächlich zu neuem Glanz.
Doch Jusilus hatte viele Feinde, die sich allerdings als Freunde ausgaben, wie der gewissenlose Testusian oder der intrigante Bukulus.
Decrusian warnte den Kaiser, der stets ungestüm und zu selbstsicher an seine Feinde heranging und sich lieber auf das flüchtige Vergnügen eines Abenteuers mit der Königin der Phyrasus einließ.
»Mein Kaiser, spürst du nicht die drohende Gefahr?«
»Decrusian, mein Freund. Was soll mir schon passieren? Ich bin Kaiser und Protector Dorgonis. Niemand würde es wagen, Hand an mich zulegen. Das wäre gleichbedeutend mit seinem Ende.«
Decrusian war entsetzt über die Sturheit des Jusilus.
»Schon viele Kaiser sind eines unnatürlichen Todes gestorben. Sei vorsichtig, dass du nicht dazu gehörst«, waren die warnenden Worte seines designierten Nachfolgers, der jedoch trotz dieser lukrativen Aussicht seinem Kaiser treu ergeben war.
Decrusian musste aufbrechen, um im Namen des Kaisers eine Revolte auf Hesophia niederzuschlagen. Jusilus verbrachte die Zeit mit der schönen Amoria, der Regentin von Phyrasus. Sie war die einzige Frau, die der Kaiser jemals geliebt — wirklich geliebt – hatte.
Doch die Tragik war nicht zu überbieten, als unter der Führung des Bukulus eine Schar von Soldaten am Morgen der 17. Yde den Kaiser und seine Geliebte überraschten und meuchelten. Jusilus – stark und stolz – versuchte den Schmerz nicht zu zeigen, den die todbringenden Schwerthiebe brachten. Es hieß, er stieß seine Gegner immer wieder weg, bis er zusammenbrach. Amoria wurde mit einem Stich ins Herz sofort getötet.
Ein Soldat, der sich später Decrusian ergab, berichtete, dass sich auf Jusilus’ Lippen für einen Moment ein Lächeln legte und er die Worte »Ja… ich komme DORGON…« flüsterte, bevor er starb.
Mit dem Tod des Kaisers ging das Imperium jedoch nicht unter. Viele hatten befürchtet, dass das Imperium mit Jusilus starb, so wie er es damals wieder neu erschaffen hatte, doch es gab einen Mann, der dies zu verhindern wusste. Es war Decrusian, der sofort nach Dom eilte, als ihm die Nachricht übermittelt wurde. Voller Trauer und Zorn schwor er sich, die Mörder zu finden und zu vernichten.
Bukulus und Testusian machten jedoch kein Hehl daraus, dass sie es waren, die Jusilus meuchelten. Sie revoltierten gegen den neuen Kaiser Decrusian und versuchten ihn zu entmachten, doch mit Hilfe des Generals Alexusian, einem Sympathieträger in der Armee, gelang es Decrusian den Aufstand niederzuschlagen und ihn und Testusian nach einem zweijährigen Krieg gegen Bukulus zu besiegen und hinrichten zu lassen.
Decrusian galt – wie sein Vorgänger auch – als harter aber gerechter Kaiser. Dem Volk der Dorgonen ging es unter ihm sehr gut. Er dehnte das Reich aus – bis zum letzten Winkel der Galaxie.
Das Imperium Dorgon, das seit Äonen schon existierte, war nicht zu vertilgen. Decrusian versprach es werde ewig existieren.
Er war es, der die alten »Tugenden« wieder einführte, die Jerrer versklavte und nur die reinen Dorgonen in die Armee ließ. Die Extraterrestrier wurden enteignet und teilweise versklavt.
An den Jerrern, dem so verhaften Volk, statuierte er ein Exempel. Ihnen wurde auf ewig die Rechte als Dorgonen abgesprochen. Sie sollten für immer Sklaven sein!
Eine glorreiche Zeit brach an, die noch heute andauert. Auch nach Decrusians Tod, nach 112 Jahren Amtszeit eines Heroen der dorgonischen Geschichte. Ein seltsames Geheimnis umgibt seinen Tod. Im Alter von 175 Jahren erkrankte er schwer und seine Stunden waren gezählt. Im Sterbebett liegend, so hieß es, begann er zu phantasieren. Er sprach von einem Auftrag. Er schien zu glauben, dafür auserkoren zu sein. Einen Auftrag, den er unbedingt ausführen musste. Doch er starb in der selben Nacht und niemand erfuhr, worum es ging.
Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, die Chronik der letzten knapp 25.000 Jahre Dorgons aufzuschreiben… Dies ist nur ein kleiner Auszug, der einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse darstellt. Der junge Dorgone ist leider des Lesens überdrüssig geworden. Er zieht es vor, sich dem Schwert, der Frau oder dem Wein zu widmen, anstatt in der Geschichte seiner Ahnen zu forschen.
Viele Kaiser, viele innere Kriege und viele goldene Zeiten boten die letzten 4.000 Jahre des mächtigen dorgonischen Reiches.
Doch niemals tauchte der heilige Bote DORGON wieder auf. Warum hatte Sipustov niemals von ihm gesprochen? Warum hatte DORGON uns nicht in den schwersten Stunden geholfen? Die Wege der Götter waren und sind stets unergründlich.
Das dorgonische Reich war stark, doch war es gut? Nein! Viele Völker litten unter der Macht Dorgons. Der Leidensweg der Jerrer war ein Beispiel dafür. Der Bann des Decrusians wurde aufgehoben und oftmals wieder erneuert. Die Jerrer blieben trotzig und wurden immer wieder entrechtet, nachdem sie für einige Jahrhunderte immerhin einen besseren Status genossen hatten. Sie waren nur ein Beispiel dafür, dass Ungleichheit herrschte.
Doch mir steht kein Urteil zu. Ich bin bloß ein Geschichtsschreiber, ein Chronist, der es sich nicht mit Kaiser Thesasian verscherzen sollte, auch wenn er mich als seinen Freund ansieht.
Ich lebe in der Ära des Thesasian. Seit nunmehr 76 Jahren herrscht der Imperator. Vermutlich wird er mich noch überleben. Thesasian hat Stabilität durch seine lange Regentschaft gebracht. Doch auch er wich nicht von den alten Lastern ab. Legendär waren seine Fehden im Forum Preconsus mit dem Konsul Uleman. Immer wieder wurde dabei die Sklaverei thematisiert. Es gab nicht wenige Dorgonen, die gegen die Sklaverei waren. Die Mehrheit stand dem prakmatisch gegenüber. Sie wollten ihren Besitz nur ungern verlieren.
Obwohl Uleman sogar eine Affäre mit der Kaisergattin nachgesagt wurde und sie in seiner Villa verstarb, hatte Thesasian ihn nie angeklagt. Es war streng verboten, darüber auch nur zu spekulieren.
Thesasian ist seit dem Tod seiner Frau verbittert geworden. Er plant Großes und will die Macht Dorgons ausweiten, in einer fernen Sterneninsel mit dem Namen Milchstraße. Doch ob er es zu Lebzeiten vollbringen kann, weiß niemand zu sagen. Er ist zwar inzwischen 111 Jahre, aber noch stark, doch das Pack seiner Familie, allen voran sein schwachsinniger Sohn Carigul, sind besessen auf die Nachfolge und wünschen sich jeden Tag das Ende ihres Kaisers.
Doch Thesasian hat ihren Respekt. Sie haben geradezu Angst, weil sie wissen, dass er noch mächtig ist und sie sofort töten würde, wenn sie es wagen würden, an seinem Thron zu rütteln.
Die letzten nennenswerten Ereignisse, waren die Schlacht am Throgahn-Dreieck bei dem die Widerstandsgruppe »Neue Republik« vollständig aufgerieben und der Anführer Erastos ermordet wurde. Diese Schlacht machte den heldenhaften Soldaten Vesus zum Dux Superior, dem Oberkommandanten der dorgonischen Streitkräfte.
Ein weiteres Ereignis war das Auftauchen eines seltsamen Wesens in roter Haut und schwarzer Kutte. Er war es, der Thesasian auf die Milchstraße aufmerksam machte. Er sagte, dort sei eine Ansammlung von mächtigen Wesen, die Dorgon gefährlich werden könnten. Er war es, der Thesasian dazu riet, dem Höhepunkt seiner Regierung entgegenzugehen und als erster Kaiser eine andere Galaxis dem Reich einzuverleiben. Thesasian war begeistert von der Idee. Die Wesen in der Milchstraße schienen ebenbürtige Gegner zu sein.
Außerdem gab es ein geheimes Protokoll. So hieß es, dass Thesasian die Sklaverei für alle Dorgonen und deren Abkömmlinge in unserer Galaxis abschaffen würde. Nichtdorgonen waren jedoch nicht gemeint. Als Ersatz würden menschliche Sklaven aus der Milchstraße, denn dort gab es viele Menschen, nach Dorgon verschifft werden.
Der Fremde zeigte Thesasian ein mächtiges Sternenportal im Protektorat Harrisch. Durch diesen gigantischen Transmitter konnten die Dorgonen innerhalb kürzester Zeit in andere Galaxien reisen, wenn sich dort auch ein Portal befand.
Thesasian entsandte den ehrgeizigen Legaten Seamus, der in der Milchstraße einen Widerstand aufbauen sollte, um die Regierungen und die Infrastruktur zu schwächen. Für einige Monate war sogar der Neffe des Kaisers, Nersonos, in der Milchstraße gewesen und hatte nach seiner Rückkehr von der prächtigen Galaxie berichtet. Doch seitdem hatten wir nie wieder etwas von Seamus gehört. Thesasian entsendete erst vor kurzer Zeit eine zweite Expedition.
Wer der Fremde war, sagte er nicht. Auch nicht vorher er kam. Doch seinen Namen. Es war ein seltsamer Name, er klang dunkel und bedrohlich. Er nannte sich Cau Thon…
Aus dem Geschichtsbuch des Nirvus, 1292 NGZ