Was bisher geschah | Hauptpersonen des Romans |
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Es herrscht Krieg!
Nach der Gründung des Quarteriums im Jahre 1303 NGZ war ein Eklat vorprogrammiert. Die Situation eskaliert im Jahre 1305 NGZ, nach dem Angriff der Dorgonen auf die estartischen Galaxien. Im Jahre 1307 NGZ ist die Lage kritisch. Das dorgonische Kaiserreich und das Quarterium führen einen Invasionskrieg gegen die estartischen Galaxien und M 87. Nur wenige tapfere Wesen unter Aurecs Führung stellen sich den Tyrannen entgegen. In dieser Zeit ruft die Superintelligenz ES zu einer Friedenskonferenz auf, um den Krieg unter den Menschen zu beenden. Doch ES entpuppt sich als MODROR, der eine Falle gestellt hat. Zehntausende Schiffe greifen an. Und MODROR entfacht den KATAKLYSMUS … |
Aurec, Perry Rhodan – Sie müssen gegen eine Übermacht kämpfen.
Cauthon Despair – Der Silberne Ritter führt einen Krieg wider Willen. Emperador de la Siniestro – Seine Macht wird größer. Gucky, Gal’Arn, Jonathan Andrews, Joak Cascal, Jan Scorbit, Elyn – Sie verteidigen Esthor. Kathy Scolar, Nataly Andrews, Saraah, Jaaron Jargon – Sie müssen um ihr Leben bangen. Rodrom – Die finstere Inkarnation MODRORs. Cau Thon, Goshkan – Die Söhne des Chaos wüten erneut. Will Dean, Remus Scorbit, Mathew Wallace, Reginald Bull – Sie versuchen, Rhodan zu befreien. |
Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.
John F. Kennedy (1917-63), 35. Präsident des terranischen Bundesstaates USA (1961-63)
1. Ein kühner Versuch
Wider alle Wahrscheinlichkeiten
8. April 1307 NGZ: 00:30 Uhr
Mathew Wallaces Gedanken kreisten um seine Braut Saraah. Wo war sie? Was war ihr zugestoßen? Der Kontakt zu SOLARIS STATION war abgebrochen, doch einzelne Einheiten waren entkommen und berichteten, dass Saraah zusammen mit Kathy Scolar, Nataly Andrews, Jaaron Jargon, Uthe Scorbit, Myrielle Gatto und Yasmin Weydner durch das Quarterium verschleppt worden war. Wallace glaubte, dass das Quarterium hinter der Ermordung Arimads steckte. Seit ihrem gewaltsamen Tod schwebte auch Saraah in höchster Lebensgefahr. Sie war jetzt die letzte Überlebende aus der Führung der dorgonischen Rebellenbewegung.
Wortlos setzte sich Wallace an die Navigationskontrollen. Er bestand darauf, die IVANHOE II selbst durch die Dunkelwolke zu manövrieren. Es war seine Entscheidung. Die IVANHOE II besaß keinen besseren Piloten, doch Jeamour wusste: Wallace war in keiner guten Verfassung.
Verdammt, die beiden wollten gestern eigentlich erneut heiraten! Nun war alles zu einem Fiasko geworden.
»Mathew, bringen Sie uns bitte heil herunter«, sagte Jeamour.
Wallace grinste nur bitter und beschleunigte die IVANHOE II. Von diesem Moment an wurde auf das Raumschiff geschossen. Eine Explosion jagte die nächste. Das Schiff zitterte. Sie kamen dem Planeten dennoch immer näher. Fünfunddreißigtausend Kilometer noch. Ein Ruck ging durch die mächtige Zelle des gewaltigen SUPREMO-Schiffes. Jeamour fiel zu Boden. Er blickte auf die Anzeige. Fünfundzwanzigtausend Kilometer.
»Schutzschirme stabil«, meldete Dove. »Doch was, wenn die uns durch die Dunkelwolke folgen? Da sind wir wehrlos!«
Noch fünfzehntausend Kilometer. Es war zu spät, darüber nachzudenken. Die IVANHOE II trat jetzt in die Dunkelwolke ein. Alle Instrumente fielen aus, es wurde in der Kommandozentrale stockfinster. Eine weitere Explosion ließ das Schiff erzittern. Die IVANHOE II musste einen schweren Treffer abbekommen haben. Innerhalb der Dunkelwolke war das Schiff nur ein toter Koloss aus Ynkeloniumstahl, dachte Jeamour bitter. Nur die Stabilität der Hülle entschied über den Erfolg ihrer Mission. Und natürlich die Fähigkeiten von Mathew Wallace als Pilot, ergänzte er für sich. Dann waren sie durch.
Dreitausend Meter waren es bis zur Oberfläche, viel zu wenig, doch Mathews reagierte mit traumwandlerischer Sicherheit. Er leitete jedes Energiequant der gewaltigen NUGAS-Schwarzschild-Generatoren in die Antigravs und ließ gleichzeitig die Manöverimpulstriebwerke im Überlastbereich Gegenschub geben. Und der wahnwitzige Plan, aus der Verzweiflung geboren, hatte Erfolg. Die lächerlichen dreitausend Meter reichten, um den freien Fall zu stoppen. Die IVANHOE II setzte leicht wie eine Feder auf der Oberfläche von Esthor auf. Jeamour atmete hörbar auf. Erleichtert schickte er sämtlichen bekannten Sternengöttern ein Dankgebet.
»Gut gemacht, Mathew. Exzellent! Schadensbericht!«
»Sir, wir haben Backbord in Höhe des Ringwulstes einen Treffer abgekommen.« Irwan machte eine kurze Pause und überprüfte die Schadensmeldung noch einmal. »Alle in diesem Bereich befindlichen Triebwerke sind beschädigt. In der Verfassung können wir nicht abheben.«
Das war ein Schock.
»Maschinenraum?«
Zyrak Wygal meldete sich.
»Bei allen lilapinkgestreiften Kreaturen von Gatas und Apas zusammen! Ich weiß, ich weiß, der Antrieb muss repariert werden. Geben Sie mir vier Tage!«
»Vier Tage?«, wiederholte Jeamour gereizt. »Sie haben vielleicht zwölf Stunden. Sobald wir alle Lebewesen evakuiert haben, muss die IVANHOE genügend Schub erreichen, um durch die Dunkelwolke zu kommen. Machen Sie sich an die Arbeit!«
Wygal fluchte. Mathew hörte, wie er ein schweres Werkzeug auf den Boden donnerte und seine Mannschaft anbrüllte, was die Fistelstimme hergab. Der Blue war langsam warmgelaufen.
2. Finale auf WANDERER
Aurec, 8. April 1307 NGZ: 00:50 Uhr
Es herrschte helle Aufregung, als Deans Stoßtrupp zurückkehrte. Drei Mann waren tot, Caroline Nyndorff verletzt. Jedoch sorgte die Verwundung an ihrem Hinterteil zu ihrer Empörung für allgemeinen gutmütigen Spott, statt Besorgnis zu erregen. Sie wurde ins Lazarett gebracht und kam direkt neben Jan Scorbit. Ich besuchte Jan und Elyn. Die Alyske wirkte wieder munter und gesund. Aber der Schein trog, ihre Wunde war tief.
»Aurec«, begrüßte sie mich mit einem Lächeln. »Danke, dass du mich gerettet hast. Du hast etwas bei mir gut.«
»Es ist noch nicht vorbei. Eine neue Armee Dscherr’Urk marschiert auf uns zu. Sie werden uns bald erreichen. Dann geht alles von vorn los!«
Ich beobachtete Jan Scorbit. Er unterhielt sich angeregt mit Caroline Nyndorff. Dann schrillten die Alarmsirenen los. Es war wieder Zeit zu kämpfen! Ich drückte Elyn einen Kuss auf die Stirn und lief hinaus. Perry Rhodan erwartete mich bereits. Er deutete schweigend in den Himmel. Ich erschrak. Ein SUPREMO-Raumer!
»Die IVANHOE, keine Sorge. Genau richtig.«
Der Kugelraumer setzte in einem flammenden Inferno mehrere Kilometer von uns entfernt auf. Rhodan gab den Befehl, die Verwundeten und Zivilisten ohne Verzögerung zu evakuieren. Auf der Hügelkette erkannte ich bereits die Armee der Dscherr’Urk.
Die IVANHOE II hielt eine volle Breitseite auf die anrückende Armee. Armdicke Thermo- und Impulsstrahlen, dazwischen die grünlich schimmernden Wirkungsfelder der überschweren Desintegratoren schlugen zwischen den anrückenden Dscherr’Urk ein. Ich hatte das Gefühl, der Hügel würde in den Weltraum geblasen. Auf jeden Fall waren die Dscherr’Urk mit einem Schlag vernichtet. Doch aus der Wolkendecke drangen feindliche Schiffe. Sie eröffneten sofort das Feuer. Doch der Paratronschutzschirm der IVANHOE II schützte uns vollständig.
Will Dean und Remus Scorbit liefen mir entgegen.
»Kümmert euch um die Verwundeten. Sorgt dafür, dass sie sicher zur IVANHOE gelangen«, befahl ich ihnen.
Explosionen waren aus der Stadt zu hören. Was war geschehen? Ich rannte zu Perry. Er stand mit General McHenry und Major Waldherr an einem Gleiter.
»Dscherr’Urk sind über die Stadt eingedrungen. Wir wissen nicht, wie, aber einige Tausend von ihnen marschieren direkt auf uns zu. Wir können sie nicht mit dem Schutzschirm isolieren, da unsere Leute auch noch da drinnen sind«, erklärte Rhodan.
»Sir, ich schlage vor, wir vernichten sie. Meine Jungs sind bereit«, sagte McHenry entschlossen.
Major Waldherr wirkte nicht so glücklich. Doch hatten wir eine andere Wahl? Ich sah Perry an.
»Tun Sie es, General. Halten Sie den Gegner in Schach, bis alle in der IVANHOE sind.«
McHenry salutierte.
»Ja, Sir! Wir räuchern die Bastarde aus!«
*
Während die Evakuierung auf Hochtouren lief und McHenrys Männer die Stadt sicherten, begaben wir uns auf die IVANHOE II. Die Stimmung an Bord war gedrückt, als Perry Rhodan, Gal’Arn, Jonathan Andrews, Sam und ich erleichtert die Brücke betraten. Jeamour schenkte uns ein kurzes Lächeln. Mathew wirkte angegriffen. Dennoch brachte er ein gequältes Schmunzeln über die Lippen.
»Was ist geschehen?«
Er antwortete nicht, sah traurig zu Boden. Jenny Taylor nahm mich zur Seite.
»SOLARIS STATION wurde vom Quarterium eingenommen. Sie haben gegen die Kemeten gekämpft und Kathy, Nataly, Saraah und die anderen verschleppt.«
Ich atmete tief durch. Wieder war Kathy in Lebensgefahr. Aber das wusste ich bereits seit Stunden. Ich hatte es gefühlt. Doch sie lebte. Das spürte ich ebenso. Sie war in der Lage, auf sich aufzupassen. Mit Nataly an ihrer Seite würden sie es schon irgendwie schaffen, hoffte ich zumindest.
Jenny wirkte immer noch bedrückt. Offenbar war das nicht die einzige schlechte Nachricht.
»Es gab einen Putsch in Dorgon. Commanus, Decrusian, Torrinos und auch Arimad sind tot!«
»Arimad?«
Wieso war Arimad tot? Was war geschehen? Ich bemühte mich, meine Erschütterung nicht allzu deutlich zu zeigen. Die anderen waren entsetzt genug. Jenny schilderte, welche neuen Nachrichten uns erreicht hatten. Demnach hatte das Quarterium das Kaiserreich Dorgon übernommen. Der Emperador war nun Beherrscher von zwei Galaxien plus den besetzten estartischen und druithorischen Gebieten. Von der Ausdehnung des beherrschten Gebietes her betrachtet, war er der Führer des mächtigsten menschlichen Reiches aller Zeiten.
Ich brauchte eine Weile, um Arimads Tod zu verarbeiten. Ich sah zu Mathew. Er machte sich genauso Sorgen um Saraah wie ich mir um Kathy. Verdammt, mir wäre wohler, wenn sie in Sicherheit wären.
»Was genau ist auf SOLARIS STATION geschehen? Du sprachst von den Kemeten? Weißt du mehr?«
Jenny Taylor verneinte. Genaueres wusste sie nicht. Offenbar gab es Gefechte zwischen Quarterialen und Shak’Arit-Robotern. Ein Schlachtschiff der Kemeten hatte die SISHEN schwer beschädigt. Horus und Anubis schienen noch irgendwo dort oben gegen MODRORs Flotten zu kämpfen und sie zu beschäftigen.
Perry Rhodan seufzte.
»Sollte es de la Siniestro gelingen, Dorgon zu stabilisieren, ist das Quarterium mächtiger denn je. Ein Julius Cäsar der modernen Zeit …«
»Eher ein Adolf Hitler«, meinte Sam unwirsch. »Das Quarterium hat uns verraten und paktiert mit MODROR. Das ist der Krieg, dem die LFT nicht mehr aus dem Wege gehen kann.«
Rhodan nickte niedergeschlagen.
»Leider, mein Freund. Wir sind schon mitten drin!«
»Wir haben noch Probleme mit den Triebwerken«, unterbrach Jeamour.
Er schilderte uns die Lage. Zyrak Wygal und Lorif arbeiteten mit Hochdruck an der Reparatur. Ich hoffte, die beiden würden schnell Erfolg haben.
Das Bombardement der feindlichen Raumschiffe hielt an. Noch zeigte der Paratronschirm so gut wie keine Beeinträchtigungen. Ich beobachtete auf den Monitoren, wie Tausende Zivilisten in die IVANHOE II gebracht wurden. Sie waren fürs Erste gerettet, doch das änderte nichts an der bitteren Tatsache, dass viel zu viele bereits ihr Leben gelassen hatten. Sie waren in der Hoffnung gekommen, dem Beginn des kosmischen Friedens beizuwohnen, stattdessen erlebten sie die kosmische Apokalypse.
Wir hatten Glück im Unglück. Rodrom hätte uns töten können, doch seine Arroganz, seine Versessenheit auf das sadistische Spiel mit unseren Ängsten war zu seiner Schwäche geworden. Hätte er uns schnell erledigt, würden wir nicht hier stehen.
Das gab mir Hoffnung. Ihre Eitelkeit und Überheblichkeit, ihre Gier nach Macht würde uns irgendwann zum Vorteil gereichen und zu ihrem Untergang führen. Wir waren nicht tot und ich für meinen Teil war bereit, weiter für den Frieden zu kämpfen. Wir mussten diesen Krieg beenden, siegreich beenden, denn sonst beendete er uns!
*
Will Dean war das Kämpfen leid, doch wieder standen sie den Feinden gegenüber. Aus allen Richtungen wurden sie beschossen. An jeder Häuserfront verschanzten sich Dscherr’Urk.
Er hatte sich eingegraben. Neben ihm Remus Scorbit, Spike Orson und Rezza Sesa.
»Das Team bleibt zusammen«, sagte er und feuerte eine weitere Salve auf einen heranstürmenden Dscherr’Urk. Das gehörnte Monster brach tot zusammen.
Das ganze skurrile Szenario erinnerte Dean an ein Computerspiel. Endlose Reihen von Gegnern in einem Egoshooter, und wir ballern sie alle ab.
Nur: Wenn sie getroffen wurden, konnten sie das Level nicht neu starten. Dann war Game Over!
Drei Soldaten rechts von uns gerieten in das Feuer der Dscherr’Urk. Ein hochgewachsener, stämmiger Terraner mit blonden Haaren schoss einen Dscherr’Urk nach dem anderen nieder. Der nächste Gehörnte sprang auf ihn zu. Er tötete seine beiden Kameraden. Der Blonde schoss weiter und verwundete das Untier. Rasend vor Zorn schlug es ihn nieder. Jetzt erkannte Will Dean den Gegner. Es war dieser Hauptmann Agla, der Kommandant der ursprünglich eintausend Schiffe am Sternenportal, deren Zahl sich inzwischen vervielfacht hatte.
Ehe er ein zweites Mal zuschlagen konnte, rammte Remus seinen Ellenbogen gegen ihn. Beide rangen weiter. Agla hob Remus hoch und warf ihn zu Boden. Er schlug wie wild auf ihn ein, doch Remus gelang es, einem tödlichen Hieb knapp auszuweichen. Anschließend schlug er selbst zu. Agla zog sein Schwert und stach nach Remus. Dieser wich aus, wurde aber immer schwächer. Will Dean zog seine Waffe und versuchte, Agla anzuvisieren, doch die Kämpfenden waren einander zu nahe, um ihm ein sicheres Ziel zu geben.
Remus gelang es schließlich, das Schwert eines toten Dscherr’Urk zu ergreifen und die Schläge zu parieren, dann schlug er Agla die linke Hand ab und stieß das Schwert in dessen Brust. Agla fletschte die Zähne. Außer sich vor Wut, ging er auf Remus los und stieß dabei das Schwert durch seinen Oberkörper, so dass beide sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Dann drückte er ihn weg und zog sich dabei brüllend das Schwert aus dem Körper. Remus reagierte sofort, schwang die blutige Klinge und enthauptete die Bestie. Der Rumpf krachte zu Boden. Remus setzte sich benommen daneben.
Dean rannte zu ihm.
»Hey, Mann. Alles klar?«
»Ja …«
Will half dem verwundeten blonden Soldaten auf. Ein Unteroffizier. Er war ebenfalls ziemlich erledigt. Auf der Uniform stand Nyndorff. Noch so einer, dachte Dean.
»Ich kapiere das nicht«, sagte Nyndorff keuchend. »Ich habe ein ganzes Magazin auf ihn geschossen!«
Dean tätschelte freundlich seinen Kopf. Remus kam torkelnd auf die Füße. Sein Gesicht blutete. Die Lippen waren aufgerissen und aus einer Platzwunde an der Stirn floss massenweise Blut.
»Das war knapp. Um ein Haar hätte der Gulasch aus mir gemacht. Wird Zeit, dass wir hier …«
Er stockte und starrte mit geweiteten Augen an Dean vorbei. Sofort drehte sich der Afroterraner um. Was er sah, glaubte er nicht. Ein Walzenschiff der Dscherr’Urk stürzte vom Himmel und donnerte auf die Stadt. Der Paratronschutzschirm flammte auf und hielt stand. Doch der ohrenbetäubende Lärm ließ Dean beinahe ohnmächtig werden. Eine gewaltige Feuerwand, die sie zu erdrücken schien, umgab den Schutzschirm. Kaum waren die Flammen verschwunden, prallte das nächste Schiff auf den Schutzschirm. Diesmal brach er zusammen. Das explodierende Schiff hüllte weite Teile der Stadt in Feuer.
Dean und Scorbit rannten los. Als sie sich in Sicherheit wähnten, sah Dean, dass nun Landungsschiffe eindrangen. Tausende, Abertausende Dscherr’Urk und Skurit drangen in die Stadt ein.
Was für ein Wahnsinn, dachte Will Dean. MODRORs Kämpfer waren zu allem bereit.
Er funkte General McHenry an.
»Wir müssen uns sofort zurückziehen. Das sind zu viele«, forderte Dean. McHenry fluchte laut. Schließlich erteilte er den Befehl, sich vor der IVANHOE II zu sammeln. Allerdings räumte er der Rettung der Zivilisten oberste Priorität ein.
»Wir lassen keinen zurück, verstanden? Jeder, der vorher flieht, dem jage ich persönlich eine Kugel in den Kopf. Wir sind die letzte Hoffnung dieser Wesen!«
*
Aurec
Perry Rhodan wollte nicht tatenlos herumsitzen. Er bat Jeamour, ihm einen Gleiter zur Verfügung zu stellen. Ich begleitete ihn. Mit uns gingen Jonathan, Gal’Arn, Cascal und Gucky.
Vor der IVANHOE II war die Hölle losgebrochen. Die Dscherr’Urk hatten die Stellungen überrannt. Es war ein heilloses Durcheinander. Die Soldaten versuchten, so viele Zivilisten wie möglich zu retten. Die unzähligen Zivilisten waren kopflos vor Angst. Immer wieder ging nichts vorwärts, weil sie wie gelähmt waren. Dann plötzlich, meist bei einem neuen Angriff der Dscherr’Urk, brach Panik aus, alles rannte durcheinander und es gab weitere Verletzte zu beklagen, die versorgt werden mussten. Die Verschiffung schien endlos zu dauern.
Immer mehr Schlachtschiffe MODRORs bezogen Stellung über Esthor und der IVANHOE II. Die Stadt war nur noch ein rauchender, brennender Haufen Stein. Kaum ein Haus stand noch. Der beißende Gestank des Todes drang in meine Nase.
In einem Transportgleiter hatten zweihundert Menschen Platz. Perry Rhodan wollte sich an der Rettung der weit verstreuten Zivilisten beteiligen. Zwar hatte er, bevor die Kämpfe losgingen, befohlen, die Zivilisten in die Keller und geschützten Bereiche der Stadt zu bringen, doch nach dem Zusammenbruch des Schutzschirms und dem Durchbruch der Dscherr’Urks war Panik ausgebrochen. Die meisten von ihnen waren in alle Richtungen geflohen.
»Auf der fünften Ebene. Etwa vierzig Galaktiker«, sagte Gucky. »Nahe der Ruine der silbernen Halle.«
Rhodan gab Cascal, der den Gleiter flog, ein Zeichen. Wir brausten durch das Sperrfeuer direkt auf die Ebene zu und landeten auf dem zerstörten Plateau aus massivem Stein. Hier hatten wir vor wenigen Stunden noch das zweifelhafte Vergnügen mit Rodrom gehabt.
Wir sprangen aus dem Gleiter und riefen die verstörten Zivilisten zu uns. Sie reagierten zuerst kaum, dann rannten sie auf uns zu. Die Evakuierung ging schnell. Nachdem alle drinnen waren, startete Cascal den Gleiter. Plötzlich taucht vor uns ein Raumschiff auf. Mir war die H-Form bekannt. Es war die KARAN.
»Abdrehen!«, rief Rhodan.
Cascal tauchte ab. Die Passagiere schrien auf. Ein Ruck ging durch den Gleiter.
»Wir sind getroffen!«, brüllte Cascal. »Festhalten, es geht nach unten!«
Der Gleiter trudelte zu Boden und Cascal landete ihn etwas unsanft außerhalb der Stadt.
Die IVANHOE II befand sich einige hundert Meter hinter uns.
»Bring die Zivilisten zur IVANHOE, Gucky!«, befahl Rhodan.
Jonathan, Gal’Arn, Cascal, er und ich standen allein am Gleiter. Ein dunkler Schatten zog auf. Die Erde erzitterte. Das Erdreich um uns herum spie Feuer. Aus dem dunklen Himmel schienen sich Tentakel zu schlängeln und nach uns greifen zu wollen. Tausende Dscherr’Urk marschierten aus allen Richtungen auf uns zu. Sie hatten uns umzingelt. Dutzende Shift-Panzer und Soldaten der LFT erreichten unseren Standort.
Gucky war inzwischen auch dort.
LFT-Einheiten rannten aus der brennenden Stadt. Dscherr’Urk verfolgten sie. Die Gegenwehr brach zusammen. Es waren einfach zu viele.
»Langsamer Rückzug«, meinte Rhodan. »Die IVANHOE soll uns Feuerschutz geben.«
Du kannst mir nicht entkommen.
Das war MODROR!
Wohin du auch fliehen wirst! Es ist unvermeidlich. Dein Tod ist besiegelt. Alle um dich herum werden sterben!
Die IVANHOE II feuerte aus allen Rohren. Vor und über uns brach die Hölle aus. Ein Oberst gab den Befehl zum geordneten Rückzug. Die Panzer feuerten ebenfalls mit voller Leistung. Gucky teleportierte uns nacheinander aus dem Gefahrenherd.
Ich fand mich an Bord der IVANHOE II wieder und beobachtete den immer noch geordneten Rückzug der LFT-Streitkräfte. Sie gingen hundert Meter vor der IVANHOE II in Stellung. Der SUPREMO-Raumer feuerte immer wieder todbringende Energiesalven auf die Feinde, soweit dies möglich war, ohne die eigenen Leute zu gefährden.
Schließlich flohen die Dscherr’Urk. Es war nur ein Sieg auf Zeit. Sie würden wiederkommen. Ich blickte auf mein Chronometer: 02:59 Uhr nachts. Wie lange würde es dauern, bis die IVANHOE II wieder startklar war? Wie lange hielten wir durch?
3. Die Entropen
Aus den Chroniken Cartwheels
Jaaron Jargon, 8. April 1307 NGZ: 04:00 Uhr morgens
Die Entropen hatten die quarteriale Besatzung verhaftet. Einige Stunden waren seit dem Auftauchen dieser seltsamen Wesen vergangen. Ich beobachtete Niada. Sie war eine schöne Frau. Dunkle, lange Haare, braune Augen. Ein reizvoller, wohl proportionierter Körper steckte in ihrer roten Uniform. Sie war, wenn mich nicht alles täuschte, ein Mensch. Im Gegensatz zu den blauen Wesen, deren Spezies ich nicht einschätzen konnte.
Drei Gattungen von Entropen gab es auf dem Schiff. Die Hexe war menschenähnlich. Dann gab es hochgewachsene Geschöpfe mit vier Armen. Sie ähnelten, bei einer Größe von rund vier Metern, einem Haluter, doch ihre kerbige Haut war blau und ihr Kopf, oval mit drei Augen, ruhte auf einem Hals. Daneben standen zwei weitere blaue Wesen. Sie waren etwa zwei Meter groß, fettleibig und besaßen zwei Beine und vier Arme. Ihr Kopf war ebenfalls oval, auch drei Augen. Sie trugen einen Vollbart und statt Haaren zierte ein stachliger Kamm ihren sonst kahlen Kopf.
Kathy wanderte ungeduldig umher, Nataly rauchte eine Zigarette nach der anderen, Sato Ambush meditierte und Roi Danton starrte vor sich hin. Niesewitz und Trybwater waren verschwunden. Sicherlich im Gefängnistrakt! Und: Weder von Saraah noch von Myrielle Gatto hatten wir etwas gehört. Wieso wurden sie nicht freigelassen?
»Wie lange wollen Sie noch schweigen, Mademoiselle? Wird es nicht Zeit für ein paar Antworten?«
Niada stoppte und musterte Roi Danton.
»Wenn die Zeit reif ist. Ich warte selbst auf weitere Instruktionen. Es dürfte Sie jedoch interessieren, dass die Besatzung Ihres Raumschiffes nun auf der FLASH OF GLORY ist.«
Roi Danton stand auf.
»Was wird aus der GRAND MASUT?«
»Sie ist Weltraumschrott. Dies hier ist Ihr neues Raumschiff, Danton. Sehen Sie es als Geschenk des Reiches der Entropie an.«
»Aha.« Weiterhin misstrauisch verlangte er: »Ich möchte mit meinem neuen Kommandanten sprechen, mit Roland Meyers.«
Niada nickte. Sie war in diesem Moment ausgesprochen höflich. Das bedeutete, sie wollte etwas von Danton oder hatte neue Befehle erhalten. Zuerst hatte sie uns wie Fliegen behandelt und nun überschlug sie sich fast vor Höflichkeit? Da war etwas faul!
Ich misstraute diesen Entropen genauso wie den Quarterialen. Das Auftreten dieser unbekannten Rasse war mir nicht geheuer. Und um was für eine Entität handelte es sich bei dieser MUTTER?
Wenige Minuten später betraten Roland Meyers und seine Adjutantin Maya ki Toushi den Raum. Niada musterte ki Toushi sehr abfällig, als stelle sie eine Konkurrentin dar.
»Nun, da Sie alle beieinander sind, möchte ich Sie über unser Unternehmen informieren. MUTTER hat uns geschickt. Die FLASH OF GLORY wird mit dem entropischen Verband unter meinem Kommando eine Expedition zum Riff starten. Mir ist es schleierhaft, wieso Sie von MUTTER ausgewählt wurden, doch ihre Order ist eindeutig: Danton, Ambush und Meyers mit seiner Besatzung.«
Das Riff? Davon hatte ich nur einmal etwas gehört. Es war Weihnachten letzten Jahres, als Cauthon Despair und Brettany de la Siniestro in Siom Som auf Vertreter des Riffs gestoßen waren. Seither suchte man vergeblich nach dieser ominösen Welt.
Der Riffspäher Mashree wurde von den Entropen ermordet, ebenso wie seine Besatzung. Die Entropen selbst fand Rhodan wenige Zeit später tot in einer uralten Station unbekannter Herkunft. Der Begriff Riff war durch die Entropen geprägt worden. Mit einem Riffaner hatten die Galaktiker keinen direkten Kontakt herstellen können.
Rätsel über Rätsel bildeten diese beiden Völker, die Riffaner und Entropen. Offensichtlich zwei völlig verfeindete Parteien. Die Entropen suchten in uns wohl neue Alliierte.
»Nun mal ganz ruhig. Nur weil Ihre Mama ordert, springen wir nicht. Wir Terraner haben einen freien Willen. Nennen Sie mir einen logischen Grund, warum wir Ihnen folgen sollten. Und übrigens, wer ist denn diese ominöse Mama überhaupt?«
Der ironisch grinsende Roi Danton sprach mir aus der Seele.
Niada versteifte ihren Körper. Sie sah so aus, als wolle sie Danton anspringen.
»Nun«, mischte sich Sato Ambush ein, »ich glaube, eine Ahnung zu haben, um wen es sich handelt. Wir sind ihr in der Vergangenheit schon mehrfach begegnet und diese Begegnungen waren nicht immer, nennen wir es einmal so, zufriedenstellend.«
Roi Danton verzog verärgert das Gesicht.
»Jetzt fängst du auch noch an, in Rätseln zu sprechen. Ich habe es so langsam satt und möchte endlich Klartext hören.«
Der japanische Pararealist ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen.
»Ich würde allen Anwesenden empfehlen, Ruhe zu bewahren. Hektik schadet nur und führt oft zu Fehleinschätzungen.«
Dabei musterte er Niada und Roi Danton aus seinen unergründlichen braunen Augen.
»Nun«, fuhr er fort, »ich denke, dass es sich bei MUTTER um niemand anders als SI KITU handelt. Die Mutter der Entropie scheint durch die gegenwärtige Entwicklung auf den Plan gerufen worden zu sein.«
Die Gesichter der Umstehenden waren ein einziges Fragezeichen. Nur Niada nickte bestätigend, während Roi Danton geringschätzig die Mundwinkel verzog.
»So, so, Kahaba, die Hure ist also …«
Bevor er seinen Satz beenden konnte, wurde er von Niada und – zu meiner totalen Verblüffung – Maya ki Toushi unterbrochen. Beide Frauen schnellten auf ihn zu. Ich traute meinen Augen nicht: Maya, die Stellvertreterin Roland Meyers, war noch schneller als die Entropin. Sie hatte Roi an den Revers seiner ärmellosen Weste ergriffen und hob den Unsterblichen ohne sichtbare Kraftanstrengung hoch.
»Wage es niemals mehr, MUTTER als Hure zu bezeichnen, du Musterbeispiel eines chauvinistischen Idioten. MUTTER verkörpert Liebe und Geborgenheit, den Schutz und die Bewahrung der Schöpfung, im Gegensatz zu eurer komischen Superintelligenz ES, die euch immer nur im Sinne der Kosmokraten manipuliert und verheizt hat!«
Niada war stehengeblieben und sah ihr zu. Dann erholte sie sich von ihrer Überraschung. Überheblich musterte sie die rothaarige Terranerin.
»Welche Verbindung kannst du schon mit MUTTER haben? Wir sind ihr auserwähltes Volk, sie ist unsere Schöpferin. Nur wir Hexen handeln in ihrem Namen!«
Maya ließ Danton fallen und fuhr herum. Ihre Augen blitzten mörderisch. In mir schrillten sämtliche Alarmglocken. Es war für jeden erkennbar, dass die beiden Frauen kurz davorstanden, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, wie es eine terranische Redensart so treffend ausdrückte. Ich musste die Situation entspannen, zumal ich mit Sinnen, von denen ich überhaupt nicht wusste, dass ich sie hatte, erkennen konnte, dass sich um die beiden Kontrahentinnen eine Aura unbeschreiblicher Macht aufgebaut hatte, einer Macht, die uns alle bedrohte.
Meine Fähigkeiten als Friedensstifter waren nie besonders ausgeprägt gewesen, doch nun schickte ich ein Stoßgebet an meine linguidischen Vorfahren, dass es mir mit meinen bescheidenen Fähigkeiten gelingen würde, die Situation unter Kontrolle zu bringen und den Konflikt der beiden Frauen zu entschärfen.
»Meine Damen, bitte besinnen Sie sich! Es dürfte wohl kaum im Sinne Ihrer MUTTER sein, dass Sie sich hier gegenseitig umbringen wollen! Wenn MUTTER oder SI KITU tatsächlich MODROR bekämpft, so dürfte sie mit Ihrem Verhalten überhaupt nicht einverstanden sein!«
Und, ich konnte es kaum fassen, meine Worte wirkten. Die fast körperlich spürbare Aggressivität und das mörderische Funkeln in den Augen der beiden Frauen klangen ab. Etwas verlegen standen sie einander gegenüber. Doch dieser Zustand hielt nur einen Augenblick an, dann wurde wieder die ausgeprägte gegenseitige Abneigung spürbar.
Nun war es Kathy, die sich zu Wort meldete.
»Entschuldigt, dass ich als gewöhnliche Sterbliche es wage, mich in die Angelegenheiten der Hohen Mächte einzumischen«, das Letztere sagte sie mit einer geradezu abfälligen Betonung, die mich innerlich aufstöhnen ließ, »aber könnte uns mal jemand aufklären, wer diese ominöse MUTTER, SI KITU oder wie sie sonst noch heißt eigentlich ist?«
Nun drohte die Situation wieder zu eskalieren. Beide Frauen fuhren synchron herum und musterten Kathy mit mörderischen Blicken. Diesmal war es Sato, der die Situation entschärfte.
»Ich bitte alle Anwesenden, sich daran zu erinnern, dass wir nur gemeinsam gegen die Bedrohung des Lebens, die MODROR repräsentiert, bestehen können. Persönliche Antipathie und gegenseitige Empfindlichkeiten dürfen nicht verhindern, dass wir zusammenarbeiten. Wenn wir uns hier gegenseitig zerfleischen, dürfte das nicht im Sinne von SI KITU sein.«
Der asketisch wirkende Terraner japanischer Abstammung musterte die Kontrahentinnen vorwurfsvoll. Dann fuhr er fort:
»Bei SI KITU handelt es sich um eine Entität, deren Stellung im Zwiebelschalenmodell der kosmischen Evolution unbekannt ist. Nach allem, was wir wissen, dürfte sie wohl zumindest auf der gleichen Stufe wie die Hohen Mächte stehen, also den Kosmokraten und Chaotarchen. Allerdings hat sie noch nie direkt in irgendwelche kosmischen Auseinandersetzungen eingegriffen. Ihr letztes Auftauchen datiert aus den Zeiten der Kosmischen Hanse.
Sie selbst hat sich dabei als die Hüterin der Entropie bezeichnet und bisher dachten wir, dass es ihr Bestreben sei, das Gleichgewicht zwischen Chaotarchen und Kosmokraten zu erhalten. Obwohl ihre Beweggründe für uns immer unverständlich geblieben sind, hat sie uns im Grunde noch nie geschadet. Im Gegenteil, sowohl Perry Rhodan als auch Atlan wurden durch sie mehrmals unterstützt.
Gegenüber der Menschheit trat sie immer in Gestalt einer alten, etwas verrucht wirkenden Frau auf, die ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste verfolgte, wobei man jedoch im Nachhinein feststellen muss, dass ihre Entscheidungen letztendlich richtig und positiv waren.«
Sato Ambush machte eine Pause, die von Kathy benutzt wurde, um nochmals eine Frage zu stellen.
»Ist diese komische MUTTER jetzt auf unserer Seite, oder wie soll ich Ihre Ausführungen verstehen?«
Nun war es Roi Danton, der in bitterem Ton einwarf: »Das ist eine sehr berechtigte Frage, ich bin mir da nicht so sicher. Nach allem, was mir mein Vater und vor allem Atlan erzählt haben, verfolgt sie nur ein Ziel: ihre eigenen Interessen. Solange diese mit unseren im Einklang stehen, unterstützt sie uns. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, wird sie sich ohne Skrupel gegen uns wenden.«
»Und worin besteht dann der Unterschied zu ES oder gar den Kosmokraten?«, entgegnete der Japaner.
Nun mischte sich Niada ein. Voller Arroganz und Überheblichkeit musterte sie Danton und erklärte mit einem süffisanten Lächeln:
»Da Ihre Gesellschaft durch das beschränkte männliche Denkvermögen geprägt ist, was Sie durch Ihren Diskussionsbeitrag gerade wieder bewiesen haben, möchte ich Ihnen auf die Sprünge helfen. SI KITU oder MUTTER, wie wir sie nennen, hat unsere überlegene Gesellschaft Entropia geschaffen, um der Bedrohung durch MODROR und seinen männlichen Psychopaten entgegenzutreten.
Entropia ist durch die überlegene Macht und Moral des Matriarchats geprägt. SI KITU ist eine Allianz mit DORGON eingegangen, da dieser gegenüber der Finsternis wehrlos ist. Wir stehen also, auch wenn ich das nicht nachvollziehen kann, auf derselben Seite.«
Völlig fassungslos sahen wir uns an. Die Überraschung war gelungen. DORGON und SI KITU waren Alliierte? Doch wieso hatte sich DORGON seit Jahren nicht mehr gemeldet? Was war mit der Entität geschehen?
Niada spürte wohl, dass uns diese Erklärung nicht ausreichte. Sie schien unsere Unwissenheit zu genießen, bedachte uns mit hochmütigen Blicken und stolzierte durch den Raum, als sie weiter berichtete:
»DORGON liegt seit Jahren im Sterben. Die Entität kämpft gegen einen inneren Virus. Doch Hilfe ist unterwegs. Nun, unsere Mission ist davon nicht betroffen. Da DORGON zu schwach, oder gar zu feige ist, unterstützt SI KITU die Entität im Kampf gegen MODROR, denn dieser Kosmotarch ist eine gigantische Gefahr. Er ist der Feind jeder Freiheit und würde Chaos, Ordnung und Entropie vernichten und in seinem Sinne neu erschaffen. Das darf SI KITU nicht zulassen.«
Meyers musterte Maya anzüglich und bemerkte: »Ich weiß gar nicht, warum du dich mit diesem überheblichen Weibsstück nicht verstehst: Ihr tickt doch genau auf der gleichen Wellenlänge!«
Die rothaarige Terranerin musterte ihn mit einem eisigen Blick und zischte: »Maul halten, Roland. Das geht über dein Denkvermögen!«
Die entropische Hexe musterte Maya genauer, ihr Blick wurde etwas weicher. Dann fuhr sie fort:
»In dieser Auseinandersetzung spielt das Riff eine bedeutende Rolle. Uns ist nicht ganz klar, welche Aufgabe es genau erfüllt, doch wir müssen verhindern, dass es Siom Som erreicht. Das ist unser Auftrag. Das Riff mitsamt all seiner Lebewesen ist unser Hauptfeind, viel gefährlicher als das Quarterium.«
Danton warf mit einem wütenden Gesichtsausdruck ein: »Gefährlicher auch als MODRORs Einheiten unweit von hier? Wenn Ihr unsere Freunde seid, dann helft uns. Rettet meinen Vater und die anderen.«
Niada lachte höhnisch und erklärte, als ob sie zu einem kleinen Kind sprechen würde: »Mein armes kleines Dummerchen. Wenn Euer Vater sich nicht selbst retten kann, ist er unbrauchbar im Kampf um die Zukunft des Universums. Er ist schließlich nur ein Mann und als solcher jederzeit ersetzbar! Unsere Aufgabe ist es, so schnell wie möglich zum Riff aufzubrechen. Und genau das werden wir tun.«
»Ich will aber nicht«, mischte sich wieder Kathy ein. »Mein Platz ist bei meinem Verlobten. Ich fordere, dass Sie mich zur nächsten LFT-Einheit bringen!«
»Mich auch!«
Nataly stand auf. Nun, da hatte ich wohl keine andere Wahl, als auch meine Stimme zu erheben.
»Für einen alten Mann ist so eine Expedition auch nichts. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit Reginald Bull Kontakt aufnehmen. Sicherlich wäre es auch sinnvoll, eine Expedition mit ihm zu koordinieren.«
»Womit kann dieser männliche Fettsack uns schon helfen? Wir haben zu wenig Zeit und können uns nicht um alles kümmern. Wenn Sie hierbleiben wollen, bitte. Wechseln Sie auf das Wrack der GRAND MASUT. Die Quarterialen werden wir aus der Schleuse werfen.«
»Moment, das lasse ich nicht zu. Wir sind keine Mörder«, sagte Danton entschlossen.
Niada lächelte. Es war ein bösartiges Lächeln. Ihre Freundlichkeit hatte sie inzwischen längst wieder abgelegt.
»Sie sind weich und töricht. Die Quarterialen sind unsere Feinde. Je mehr von ihnen tot sind, desto besser. Wann werdet Ihr es endlich lernen, dass es in diesem Krieg keinen Platz für Humanität geben wird? Die Quarterialen treten seit Jahren Ihre Ideale mit Füßen. Als Ergebnis Ihrer schwachsinnigen Politik verlieren Sie an allen Fronten.«
Nun setzte Danton einen überheblichen Gesichtsausdruck auf.
»Und Sie sind kein Stück besser. Bringen Sie die Quarterialen auf die GRAND MASUT. Ich werde unter dem Kommando von Miss Scolar Wachen dort lassen und die LFT herbeirufen. Wir brechen auf, sobald ich sie in Sicherheit weiß. Falls Sie damit nicht einverstanden sind, fliegen Sie allein los.«
Niada starrte uns an. Ihre Augen funkelten bösartig. Das Kräftemessen schien jedoch Roi Danton zu gewinnen. Schließlich stimmte sie mit der Bemerkung zu, dass sich jeder sein eigenes Grab schaufeln könne.
*
Wir standen im Hangar. Unsere Raumfähre wurde noch kurz überholt, um vor unangenehmen Überraschungen sicher zu sein. Roi Danton wanderte in seinem antiquierten Aufzug unruhig umher. Offenbar dachte er sehr angestrengt über die Ereignisse nach.
Saraah war inzwischen ebenfalls bei uns. Nur Myrielle Gatto hatte sich entschlossen, auf der FLASH OF GLORY zu bleiben. Kathy Scolar wirkte ähnlich nervös. Wir alle warteten auf Meldungen vom Sternenportal. Doch offenbar befanden sich die alliierten Streitkräfte noch immer im Kampf gegen MODROR. Es gab keine Nachricht von WANDERER. Das Quarterium verhielt sich immer noch neutral.
Kathy ging zu Danton. Beide diskutierten heftig. Ich ging etwas näher, um die Worte zu verstehen.
»… dann werde ich es nicht erlauben«, sagte Danton. »Erst wenn wir Nachricht von einem LFT-Raumschiff haben. Es wäre völlig idiotisch auf dem Wrack zu warten. Wahrscheinlich würden die Quarterialen kommen …«
»Aber ich will zu Aurec! Und wo er ist, ist auch dein Vater. Wir müssen ihnen helfen. Das ist doch viel wichtiger als diese mysteriöse Mission der Entropen!«
Kathy blieb stur.
»Wir werden meinem Vater und Aurec so nicht helfen können. Das liegt nicht in …«
Plötzlich schrillten die Alarmsirenen. Roi rannte in die Kommandozentrale. Nataly packte mich und wir liefen mit Kathy und Saraah hinterher. Wollten wir nicht eben noch mit der Fähre losfliegen?
Völlig erschöpft erreichte ich die Zentrale. Neben Danton waren noch Sato, Niada und Roland Meyers anwesend. Die anderen illustren Gestalten, die nun rasch die Kontrollen übernahmen, waren mir nicht namentlich bekannt. Sie gehörten aber entweder zu Meyers Gruppe Zero oder Dantons Freihändlercrew.
»Was ist los?«, wollte Nataly wissen.
»SUPREMO-Raumschiffe. Sie fragen nach, wieso wir uns nicht melden.«
»Lasst doch Niesewitz antworten«, schlug Kathy vor.
»Der befindet sich schon auf der GRAND MASUT«, meinte Meyers. »Ihre Fähre wäre die letzte gewesen.«
Nein, die Fähre mit Niesewitz war die letzte, ergänzte ich gedanklich. Es war nun unmöglich, auf die GRAND MASUT zu wechseln. Das Quarterium hatte uns vor der LFT gefunden.
»Also gut, dann müssen wir hier weg. Niada, kann ich auf Sie zählen?«
»Sie sind abhängig von mir? Das finde ich lustig.«
Danton offenbar weniger.
»Was ist nun?«
»Natürlich. Meine Raumschiffe bereiten soeben einen Angriff auf das Quarterium vor.«
Einen Angriff? Wir zogen dann also gegen das Quarterium in den Krieg? Das war sehr unvernünftig. Bis jetzt hielten wir uns an den Status Quo. Wenn die Entropen nun einen Angriff starteten, würde dies auf die LFT zurückfallen. Allein durch die Zeugen auf der GRAND MASUT.
»Ich möchte keine Kampfhandlungen. Wir fliehen einfach. Es gibt in der Nähe den LFT-Stützpunkt Wolfenstein. Dort sollten wir hin und uns mit Bull treffen.«
»Abgelehnt.«
Sie drückte einige Tasten auf ihrem Armband. Auf den Bildschirmen beobachtete ich, wie die ersten Schüsse auf quarteriale Raumschiffe abgegeben wurden. Ohne Vorwarnung. Roi Danton stieß einen Fluch aus. Dann wandte er sich wütend an Sato Ambush.
»Deine Mama und ihre Kinder gefallen mir gar nicht!«
Sato senkte offenbar beschämt den Kopf.
»Meyers, bringen Sie uns auf Kurs.«
»Wohin, Sir?«
Danton atmete tief durch.
»Wolfenstein.«
Niada seufzte. Sie zog eine Waffe. In diesem Moment stürmten schwer bewaffnete Entropen in die Kommandozentrale.
»Es tut mir leid. Sie sind vorerst Ihres Kommandos enthoben. Meyers, nehmen Sie Kurs auf Siom Som. Sollten Sie meutern, erschieße ich die Frauen, eine nach der anderen!«
Meyers tat, wie ihm befohlen. Welche Alternative hatte er denn? Die FLASH OF GLORY nahm nun Kurs auf Siom Som. Die estartische Galaxie war uns bekannt, doch nicht das Riff. Das Unbekannte wartete erneut auf Menschen.
4. WANDERER
Aurec, 8. April 1307 NGZ: 05:00 Uhr
Das Warten machte mich verrückt. Wir befanden uns an Bord der IVANHOE II in trügerischer Sicherheit. Mehr als vierhunderttausend Wesen befanden sich auf dem Schiff und ringsherum. Knapp dreihundertsiebzigtausend davon waren Zivilisten. Überlebende des grausamen Angriffs der Dscherr’Urk. Mindestens ebenso viele, wenn nicht noch mehr, hatten ihr Leben auf der Pseudo-Welt verloren.
Ohne die Hilfe der 700. Raumeingreifdivision und der IVANHOE II wären wir alle tot.
Wie es wohl Kathy ging? Wie es aussah, befand sie sich erneut in quarterialer Hand. Wie die Jahre zuvor. Wir hatten kaum einen Moment in Freiheit genossen. Ich war nicht in der Lage gewesen, sie zu beschützen. Weder die Frau, die ich liebte, noch mein Volk. Im Grunde genommen hatte ich auf der ganzen Linie versagt.
Ich besaß nicht die Stärke von Perry Rhodan, das Geschick von Atlan oder den Weitblick meiner saggittonischen Ahnen. Seit zweiundzwanzig Jahren kannte ich Rhodan und seit dieser Zeit hatte sich alles in meinem Leben verändert. Damals war ich ein junger, abenteuerlustiger Prinz gewesen, der schnell erwachsen wurde. Die Ermordung meiner Familie, die Vernichtung meiner Heimatgalaxis, der Verlust vieler geliebter Menschen hatte mich verändert.
Mein Volk war nun geknechtet. Sklaven des Quarteriums oder schlimmer noch, vielleicht sogar Anhänger des Regimes. Der Mensch tat vieles, um zu überleben. Dazu gehörte auch, sich anzupassen. Der kluge Mann passte sich an, der Mann mit Herz tat es nicht. Zumindest nicht, wenn es Unrecht wäre.
Kathy war der letzte Strohhalm, an den ich mich klammerte. Ohne sie hätte ich überhaupt keine Kraft mehr. Doch diese Trübsal brachte mich nicht weiter. Ohne Mut und Hoffnung hatte ich überhaupt keine Chance. Aber manisch-depressive Schwankungen gehörten wohl zum Leben eines Helden. Den einen Moment am Boden zerstört, den nächsten Moment Hoffnung schöpfend. Wir mussten weitermachen. Wenn nicht wir, wer dann? Wenn ich mein Volk nicht befreite, wer dann? Ich rappelte mich auf und blickte in den Spiegel. Die langen Haare waren dreckig und wirr. Ich fuhr mit der Hand über die Bartstoppeln. Alles in allem sah ich nicht wie ein Regent aus. Aber das war ich im Moment auch nicht.
Ich ging wieder in die Zentrale. Es war ziemlich ruhig. Seit Stunden hatten die Dscherr’Urk keinen Angriff mehr gewagt. Wir hatten Zeit, die vielen Verwundeten zu versorgen.
Mathew grüßte mich.
»Gibt es was Neues?«
»Zyrak Wygal wird gegen Mittag mit den Reparaturen fertig sein. Normalerweise dauert so etwas Tage, doch er schafft es in einem halben.«
Einen Kaffee konnte ich jetzt gut gebrauchen. Ich fragte Tania, die gerade an dem schwarzen Getränk schlürfte, ob sie auch einen für mich hätte. Sie lächelte mir vielsagend zu. Ich genoss es. Sie gab mir das Gefühl, attraktiv zu sein. Natürlich war sie kein Vergleich zu Kathy, aber dennoch eine sehr erotische Frau. Na ja, es schadete wohl nichts, wenn man sich begehrt fühlte und eine schöne Frau mich anlächelte.
Die Tür glitt zur Seite. General McHenry betrat die Brücke. Jeamour erhob sich. Die beiden salutierten. Als McHenry mich sah, winkte er mir zu. Ich ging zu ihnen.
»Sir, wir haben in den Ruinen noch weitere zwölftausend Zivilisten und verletzte Soldaten gefunden. Die Anzahl der Toten ist schwer zu schätzen. Zu viele zerfetzte Leichen und Körperteile. Es müssen aber Hunderttausende sein«, meldete der General.
Eine schreckliche Bilanz. Wer weiß, wie viele Wesen ihr Leben verloren hatten! Wir wussten, dass SOL und SUN STATION vernichtet wurden. Das waren Millionen Tote. Tausende Schiffe waren zerstört worden. Nochmals Millionen Tote!
»Ihre Truppen sollen bis 10 Uhr auf der IVANHOE sein. Vermutlich sind wir dann startbereit«, erklärte Jeamour. »Seien Sie vorsichtig, General. Ich vermute, dass wir bald eine neue Angriffswelle über uns ergehen lassen müssen.«
*
Um 06:10 Uhr schrillten die Alarmsirenen. Ich rannte aus meinem Quartier direkt in die Kommandozentrale. Es war nicht sehr weit. Perry Rhodan sah mich besorgt an.
»Wir kriegen unerwarteten Besuch.«
Das klang mehr ironisch. Unzählige Dscherr’Urk bewegten sich auf die IVANHOE II zu. Sie feuerten mit Geschützen, Panzern, aber auch Gewehren, was natürlich völlig sinnlos war. Dutzende Raumschiffe traten aus dem bedrohlich bewölkten Himmel hervor. Sie feuerten ohne Rücksicht auf ihre Bodentruppen auf das Raumschiff. Der Paratronschirm irrlichterte bei jedem Einschlag.
»Es besteht Gefahr, Sir«, meldete Lorif. »Ich zähle einundsiebzig feindliche Schlachtschiffe. Sie können den Schutzschirm der IVANHOE destabilisieren.«
Rhodan wandte sich an Jeamour: »Wann sind wir startbereit?«
»In drei Stunden, frühestens.«
Das waren keine guten Nachrichten. Ich blickte Perry fragend an. Inzwischen hatten auch Cascal, Jonathan, Sam, Elyn und Gal’Arn die Zentrale erreicht.
»Wir könnten sie mit Jägern beschäftigen«, schlug Cascal vor, nachdem er die Situation analysiert hatte. »Jäger, Space-Jets und kleine Kreuzer würden uns Zeit verschaffen, Sir!«
Jeamour wollte etwas sagen, doch Rhodan antwortete Cascal, bevor Jeamour einen Laut von sich gab.
»Machen Sie es so. Sämtlich verfügbare Energie auf Schutzschirme und Offensivbewaffnung.«
*
Die Schlacht dauerte nun schon eine Stunde. Der Gegner hatte zweiundzwanzig Schiffe verloren. Die Energie unseres Schutzschirmes lag bei einundsechzig Prozent. In weniger als zwei Stunden würde er kollabieren und wir würden wehrlos dem Beschuss ausgeliefert sein.
Alles um die IVANHOE II herum brannte. Atombrände hatten Esthor vollständig zerstört. McHenry hatte seine Truppen in Sicherheit gebracht, doch einige Suchmannschaften in der Stadt hatten es nicht rechtzeitig zurück geschafft. Aber auch die gegnerischen Dscherr’Urk waren ausgelöscht. Nichts hatte den Kataklysmus außerhalb des Schutzschirmes überlebt.
Cascals Idee brachte uns wirklich Zeit. Doch sie reichte nicht aus. Unser Tod wurde nur hinausgezögert. Diesmal konnten wir nichts mehr tun. Wir waren dem Gegner hoffnungslos ausgeliefert. Wieder schwand die Hoffnung und Resignation trat ein.
Für einen kurzen Moment kehrte Ruhe in die Schlacht ein. Die gegnerischen Raumschiffe zogen sich zurück. Die Wolkendecke lockerte sich auf. Ein Totenkopf schälte sich aus dem Dunst. Ein menschlicher Totenschädel baute sich über der IVANHOE II auf. Es war Rodroms Schiff – die SISHEN.
Mit der Feuerkraft der SISHEN würden sie unseren Schutzschirm bestimmt schneller knacken als bisher berechnet.
Nur noch vereinzelte Schiffe feuerten, zumeist unsere Jäger. Jeamour gab den Befehl zum vorläufigen Rückzug. Die Einheiten sammelten sich hinter der IVANHOE II.
Was geschah nun?
Tania Walerty stöhnte auf. Auch andere benahmen sich seltsam. Tania stand auf, öffnete einige Knöpfe ihrer Kombination und ging zu mir. Sie drückte mir ihre Zunge in den Hals und küsste mich. Ein ziemlich intensiver Kuss. Ich stieß sie von mir.
»Lass es uns treiben«, zischte sie.
Dann wandte sie sich von mir ab und begann zu tanzen. Irwan Dove fing an, hysterisch zu lachen, Mathew weinte hemmungslos. Jeamour fasste sich an den Kopf und taumelte. Dann begann er seltsam zu lachen und knabberte an seinem Arm. Perry schlug ihn nieder. Jeamour fiel ohnmächtig zu Boden.
»Er kommt und holt uns. Der Boogyman ist da«, rief Mathew und schrie. Lorif paralysierte ihn.
Plötzlich erschien Gucky neben uns.
»Die spielen alle verrückt. Depressionen und Verlotterung. Die einen wollen nur noch rammeln, die anderen am liebsten Selbstmord begehen.«
»Sodom und Gomorra«, meinte Sam. »Das ist das Ende. Die psychische Belastung ist zu viel für die Männer und Frauen.«
»Das bezweifle ich. Rodrom oder MODROR sind dafür verantwortlich. Lorif, aktiviere alle verfügbaren Roboter. Sie sollen die Arbeiten an der Bewaffnung und im Maschinenraum übernehmen.«
Langsam spürte ich auch den psychischen Druck. Wieso sperrte ich mich eigentlich? Tania war eine begehrenswerte Frau. Sie hatte pralle Brüste, ein fantastischen Körper und war willig. Wieso nicht einmal etwas Spaß haben? Das würde mir doch guttun.
Und Kathy? Ach die! Wer weiß wo oder mit wem sie sich herumtrieb. Ich hatte keine Lust mehr auf die ewige Moral und Anständigkeit. Ich wollte auch mal an mich denken.
Hä?
Was dachte ich da?
Und doch … Ich sah zu Perry. Dieser Penner sonnte sich in seiner Eitelkeit. Er hatte mich im Stich gelassen! Hätte die LFT den Saggittonen vorher geholfen, hätten wir das Quarterium vernichtet. Und dann würde ich über Cartwheel herrschen. Als König einer Galaxis!
Es wurde Zeit, dass ich mir nahm, was ich wollte. Ich lief zu Tania und packte sich am Haar. Dann küsste ich sie. Sie erwiderte meine Leidenschaft. Eine Hand griff nach mir. Bestimmt Rhodan. Ich drehte mich um und donnerte meine Faust in ihr Gesicht!
Oh! Elyn!
Sie knallte auf den Boden. Was hatte ich getan? Mit einem Schlag war ich wieder bei Sinnen! Ich wollte Elyn nicht verletzen.
»Elyn, das tut mir …«
Ich reichte ihr die Hand. Sie ergriff sie und ich zog sie hoch. Dann knallte sie mir ihre Faust auf die Nase.
»Jetzt sind wir quitt!«
Ich war wohl kaum in der Position, ihr zu widersprechen. Ich hätte auch gar nicht sprechen können, bis der Schmerz nachließ. Was geschah nur mit uns? Ich verstand mich nicht mehr. Dieser Ausrutscher war mir schrecklich peinlich.
»Tania, vielleicht dann wir zwei?«, fragte Jonathan.
Der auch noch? Jeder schien hier durchzudrehen. Ich versuchte, Jonathan zur Besinnung zu bringen, doch er schrie mich an. Gal’Arn paralysierte seinen Schüler. Dann auch Tania Walerty. Nur noch Lorif, Perry, der Elare, Sam, Elyn und ich waren wach.
»EINSTEIN. Alle Besatzungsmitglieder, die durchdrehen, umgehend paralysieren!«, befahl Rhodan. Die Syntronik der IVANHOE II folgte seinem Befehl. Die ernüchternde Meldung war, dass nur noch zwei Prozent der Crew bei Bewusstsein waren.
Die Soldaten außerhalb der IVANHOE II hatten ebenfalls den Verstand verloren. Sie schrien herum, schossen aufeinander. Die Jäger und Kreuzer landeten oder flogen Kamikazeangriffe. Andere stürzten einfach so ab.
Nur wenige kehrten zurück. Darunter auch die Jäger von Joak Cascal und Will Dean. Nach einer halben Stunde war Ruhe in das Tollhaus eingekehrt. Nur noch wenige waren bei Bewusstsein. Alles in allem einige hundert Menschen, die nicht vom Wahnsinn befallen waren.
»Dort auf dem Hügel«, sagte Sam und deutete auf die Anzeigen. Rhodan vergrößerte die Aufzeichnung. Eine finstere Gestalt stand auf einem Hügel, nur einige hunderte Meter von der IVANHOE II entfernt.
Es war MODROR!
Ich spürte wieder den Schmerz.
Ihr habt lange gelitten. Nun ist es Zeit zu sterben. Doch der Tod ist nicht das Ende. Er ist der Anfang in MODROR.
Der emotionale Druck wurde immer stärker. Ich schrie auf und sank auf die Knie. Elyn packte mich. Ich spürte ihre heilenden Kräfte des Jhi. Das ließ mich für einen kurzen Moment wieder klar denken. Die SISHEN und die anderen fünfzig Raumschiffe feuerten wieder.
Der Schutzschirm flackerte. Ohne Gegenwehr waren wir bald am Ende. Nichts konnte uns nun mehr vor unserem Tod bewahren. Ich drückte Elyn an mich.
»Wir werden uns wohl in der Hölle wiedersehen.«
»Es scheint noch immer die Sonne«, flüsterte sie.
Erst jetzt bemerkte ich, dass einige Sonnenstrahlen der Kunstsonne aus der Wolkendecke zuckten.
»Schutzschirm bei dreißig Prozent, Sir«, rief eine Stimme. Sie gehörte wohl Lorif. Es war mir gleich. Ich sank auf den Boden und klammerte mich an Elyn. Wenn ich starb, dann in ihren Armen. Ich liebte Elyn auf gewisse Weise. Wäre da nicht Kathy. Ich lachte. Im Angesicht des Todes machte ich mir noch Sorgen über Moral.
Ich wünschte, ich hätte mich von Kathy verabschieden können. Es war dennoch gut, dass sie nicht hier war. Sie lebte hoffentlich. Wir starben.
»Zwanzig Prozent.«
Der Boden zitterte. Die Einschläge wurden spürbar.
Töte Elyn und deine Seele wird gerettet werden. Dann werde ich dir die Qualen ersparen, Saggittone. Töte sie!
Nein! Das konnte ich nicht. Eher würde ich bis in alle Ewigkeit leiden. Ich rappelte mich auf und blickte auf den großen Panoramabildschirm. MODROR war mit bloßem Auge zu erkennen. Die SISHEN feuerte eine Salve nach der anderen auf die IVANHOE II.
Elyn stellte sich neben mich und nahm meine Hand. Ich sah zu Perry, der immer noch unermüdlich versuchte, die Roboter und Droiden zu befehligen. Er hatte noch nicht aufgegeben. Ich schon. Ich ging vorbereitet in den Tod.
Ein Falke flog aus der Wolkendecke. Majestätisch schwebte er über den Bildschirm. Ein Falke? Ich wusste gar nicht, dass nach diesem Kataklysmus noch Tiere am Leben waren.
Ein Falke!
Halte durch, Saggittone. Wenn Ra das zweite Mal aufwacht, erwarte unsere Ankunft.
Ra war das zweite Mal aufgewacht!
Die SISHEN stoppte das Feuer.
»Perry!«, schrie ich.
Aus der Wolkendecke fielen plötzlich dutzende Pyramiden. Ohne Vorwarnung feuerten sie auf die feindlichen Schiffe. Das waren die Kemeten! Horus und Anubis!
*
Der mentale Druck ließ nach. Innerhalb kürzester Zeit wurden die feindlichen Schiffe vernichtet. Die SISHEN floh in die Wolken. Ich zweifelte an den Ereignissen der letzten Minuten. Spielten meine Sinne mir einen Streich?
»Aurec!«
Elyn schüttelte mich. Sie bemerkte wohl, dass ich nicht ganz bei der Sache war. Sie zeigte auf die lebensgroße Holographie von Horus.
»Unser spätes Erscheinen tut mir leid. Doch es war nicht so einfach, die letzten Reste unserer Flotte zusammen zu kratzen, Terraner.«
Perry lächelte.
»Dennoch ein gutes Timing. Hilf uns, diesen unheiligen Ort zu verlassen. Wir haben Triebwerksprobleme, der Schutzschirm ist bei zwanzig Prozent und unsere Besatzung indisponiert.«
»Ich entsende Thot. Er wird euch helfen. Wir werden derweil weitere Störenfriede ver…«
Horus blickte weg. Wir sahen es auch. MODROR stand wieder auf dem Hügel.
Rhodan. Aurec. Horus. Vasallen DORGONs.
Seine Stimme war in unseren Köpfen.
Ihr mögt zwar einen militärischen Sieg errungen haben, doch gegen die Kräfte eines Kosmotarchen seid ihr machtlos!
Millionen haben sich mir in den Weg gestellt. Millionen sind gestorben. Weder Kosmokrat noch Chaotarch ist meiner Macht gewachsen. Sie fühlen ihre Unterlegenheit. Deshalb alliieren sie mit mir. So wie Euer Gott Amun, Kemete. Ihr solltet Eurem Gott lieber huldigen.
»Amun ist ein Verräter an Ra und dem Universum. Wir fühlen uns ihm nicht mehr verpflichtet«, sagte Horus entschlossen.
Nun denn, sterbt mit Euren Kindern, den Terranern. Du hast dir großen Respekt verdient, Perry Rhodan. Du und deine Gefährten seid tapfer, mutig und fähig. Doch leider steht ihr auf der falschen Seite.
Die Erde bebte. Feuer und Wasser spien aus dem Boden. Während links von uns das Wasser in Fontänen aus dem Erdreich sprühte, grub sich rechts ein Vulkan aus.
Dieser Planet geht unter. Und ihr mit ihm. Doch selbst, wenn ihr dies übersteht, bedenke Rhodan: Dies war erst mein zweiter Angriff auf Euch. Die Kemeten werden dich nicht immer retten können. Deine Zeit ist abgelaufen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Oh, und Zeit habe ich. Du auch, Unsterblicher?
Die Gestalt MODRORs löste sich auf. Um die IVANHOE II herum verging alles in einer gewaltigen Katastrophe.
»Sir, der Planet wird explodieren. Wir haben ein Problem«, meldete Lorif.
Ich konnte es nicht mehr hören. Immer wieder Probleme.
Der Planet bebte immer stärker. Der Erdboden riss auf. Lava sprudelte heraus. Eine gewaltige Explosion jagte die nächste.
Rhodan sah den Posbi besorgt an.
»Bei einer Energiemenge solchen Ausmaßes würde der Paratronschutzschirm überlastet werden«, erklärte Lorif. »Es gäbe jedoch eine Alternative.«
»Welche?«, wollte Perry wissen.
»Nun, wir müssen uns antiquierter Technologie bedienen. Das Lineartriebwerk, genauer der Kalup-Konverter könnte uns weiterhelfen. Die IVANHOE verfügt über so ziemlich jedes Triebwerk an Bord.«
»Und was soll uns das helfen?«, wollte Jeamour wissen.
»Der Kalup stellt das eigentliche Aggregat dar, wenngleich es sich dabei streng genommen gar nicht um eine Antriebsmaschine handelt. Seine Aufgabe besteht vielmehr nur darin, den Schiffskörper in ein Kugelfeld zu hüllen, das die energetischen Einflüsse der vierten und fünften Dimension und deren Konstanten reflektierend oder absorbierend aufhebt, wodurch ein tatsächliches Eindringen in den Hyperraum vermieden wird«, führte Lorif sehr detailliert aus. »Das Kugelfeld besteht aus sechsdimensional übergeordneten Feldlinien und dies war es auch, was den Nachbau des druuf’schen Antriebssystems letztlich derart verzögerte. Denn damals kannte die terranische Technik lediglich fünfdimensionale Vorgänge aus der übernommenen Hypertechnik der Arkoniden – von einem Verstehen des Hyperraums und seiner Gesetze einmal ganz abgesehen. Nur mit Hilfe dieser Feldlinien ist es möglich, den instabilen Zustand einer Librationszone zu erzeugen, der weder die Gesetze des Hyperraums, noch die des Einsteinuniversums gültig werden lässt. Mit zunehmender Ausdehnung nimmt die energetische Verdichtung des Kalupfeldes zwar ab, dennoch bleibt das Mantelschirmfeld letztlich stabil genug, um das Abdriften in das normale Raum-Zeit-Kontinuum bzw. den Hyperraum zu vermeiden.«
»Und wie hilft uns das weiter?«, fragte Rhodan etwas entnervt. »Die Kurzfassung bitte, der Planet ist am Zerbröseln!«
»Oh, nun ja, Sir! Nun denn. Durch die Vernichtung WANDERERs entsteht eine Nova. So könnte es möglich sein, die IVANHOE in ein Kalupfeld zu hüllen. Durch die Liberationszone wirken weder Energien des Einstein- noch des Hyperraumes! Im Gefechtsfall wäre dies nicht effektiv, daher nutzt man es nicht. Ein zu hoher Energieaufwand und durch kinetische Energie, beispielsweise einen überlichtschnellen Raumtorpedo, kann man das Feld durchschlagen. Es sollte jedoch genügen, um uns vor den Auswirkungen der Nova zu schützen.«
Ich verstand nicht viel von dem, was Lorif sagte. Aber es klang einigermaßen gut.
»Horus?«, fragte Perry.
»Eine Evakuierung auf unsere Schiffe ist in der kurzen Zeit nicht möglich. Die KEMET wird dennoch hierbleiben und den Radius ihres Schutzfeldes um die IVANHOE erweitern. Nur für den Fall, dass eure Theorie nicht praktikabel ist.«
Perry gab sein Einverständnis.
Die anderen kemetischen Schiffe zogen ab. Shak’Arit-Roboter landeten vor der IVANHOE II, um die paralysierten Terraner in die IVANHOE II oder KEMET zu transportieren.
Stück für Stück zog sich der Schutzschirm der IVANHOE II zusammen. Nach endlosen zwanzig Minuten, meldeten die Shak’Arits die erfolgreiche »Verladung« der Menschen. Es dauerte nur wenige Minuten, dann begann die Apokalypse.
Lorif setzte seinen Plan in die Tat um. Alles verging. Das Raumschiff bebte und zitterte. Wir sahen nur noch Feuer um die IVANHOE II herum. Doch sie hielt stand.
»Es funktioniert, Sir. Wir befinden uns im Kalupfeld.«
Wenige Minuten später erlosch das Feuer um uns herum. Die IVANHOE II tauchte wieder ins Normaluniversum ein und Sterne und Tausende Raumschiffe auf. Es war geschafft. Wir befanden uns im freien Weltall.
5. Friederich
Cauthon Despair, Paxus, Platz des Reiches, 8. April 1307 NGZ: 08:00 Uhr
Ich blickte auf die gewaltige Armee hinab. Zu lauten, donnernden Märschen defilierten die Truppen des Quarteriums die lange Allee entlang. Es war der Auftakt des Krieges gegen die Liga Freier Terraner. Mein schlimmster Alptraum wurde wahr.
Ich sah in die Augen der Männer und Frauen und erkannte Entschlossenheit, Fanatismus und den festen Glauben, das Quarterium handle richtig. In anderen Gesichtern bemerkte ich Unsicherheit, Zweifel. Das Verhalten der Soldaten spiegelte meinen inneren Konflikt wider.
Der Emperador betrat den Balkon auf dem Klotz-Komplex und ließ sich von der Menge zujubeln. Auch ihm war nicht wohl zumute, doch es gab keinen Weg mehr zurück.
Gestern war Dorgon in unsere Hände gefallen. Neben mir stand Legat Falcus, er sollte die Urkunde unterzeichnen, welche die Vereinigung beider Reiche besiegelte. Fortan würde Don Philippe de la Siniestro der Herrscher über Dorgon und das Quarterium sein. Als Quarteriumsfürst regierte Elgalar im Namen des Emperadors in Dorgon. Wir sicherten den Dorgonen fast vollständige Autarkie zu, damit sie ihr Gesicht nicht verloren. Im Gegenzug garantierten sie uns absolute Loyalität im Krieg gegen die Estarten, Druithora und Galaktiker. Elgalar, Falcus und Carilla waren genauso machtbesessen, wie es ihr Vorgänger Commanus gewesen war, doch sie waren genauso wenig in der Lage, unter diesen Bedingungen ein Reich zu führen. Arimad hätte beinahe erfolgreich eine Revolution gestartet. Würde uns Dorgon als Bündnispartner wegfallen, hätten wir zweihunderttausend Schlachtschiffe weniger zur Verfügung. Damit hätten wir nie und nimmer einen Krieg gewinnen können.
»Volk des Quarteriums, meine Brüder und Schwestern«, begann de la Siniestro seine Rede. »Die Ereignisse haben sich überschlagen. Die Hohen Mächte sind in die Offensive gegangen und überall ist es zu Auseinandersetzungen gekommen. Die Friedenskonferenz ist gescheitert. Sie war eine Falle der Entität DORGON und ausgerechnet unser Widersacher MODROR hat uns – hat mich, Euren Vater der Nation – gerettet!«
Natürlich eine glatte Lüge, doch der Emperador brachte sie sehr glaubwürdig herüber.
»Die Ereignisse sind noch nicht ganz geklärt. Insbesondere weiß ich nicht, welche Rolle Perry Rhodan und die Liga Freier Terraner spielen. Im Moment bekämpfen sich Terraner und modrornische Einheiten. Wir wahren weiterhin den neutralen Status. Die Ereignisse auf Dom haben mich jedoch dazu gezwungen, vorerst die Regierung in Dorgon, im Einverständnis mit dem neuen regionalen Kaiser Elgalar, zu übernehmen. Damit sind Dorgon und das Quarterium ein Reich. Menschen gehören zusammen, unter einem starken Dach!«
Die Masse tobte und jubelte ihm zu. Sie riefen seinen Namen, skandierten quarteriale Parolen. Der Pöbel gehorchte und bewunderte de la Siniestro.
Ich erhielt eine Nachricht von SOLARIS STATION. Werner Niesewitz und Reynar Trybwater wurden an Bord der schwer beschädigten GRAND MASUT aufgefunden. Offenbar hatten sich die Entropen wieder gemeldet und die FLASH OF GLORY entführt. Danton war mit ihnen an Bord. Ebenfalls der Chronist, Scolar, Andrews, Saraah und Myrielle. Ihr Ziel soll irgendwo in Siom Som sein. Sie suchten das Riff.
Die Lage wurde komplizierter. Ich lauschte nicht mehr der Rede des Emperadors. Sie war nicht von Belang für mich. Stattdessen überlegte ich, wie wir gegen die Gefahr durch die Entropen vorgehen konnten. Offenbar waren sie uns mehr als feindlich gesonnen.
Und ebenso offensichtlich war ihre Sympathie für die LFT. Wenn sie mit Danton zusammen nach Siom Som aufgebrochen waren, bestand wahrscheinlich ein Pakt zwischen den beiden Reichen. Ich wusste nichts über die Stärke der Entropen. Eigentlich wusste ich gar nichts über sie, sah man von der Begegnung mit diesen drei Kreaturen auf der Eiswelt in Siom Som einmal ab.
Automatisch suchte ich in der Loge nach Brettany. Sie saß neben ihrem Bruder Orlando und hörte der Rede des Emperadors zu. Orlando und sie hatten vor wenigen Stunden Uthe Scorbit und Yasmin Weydner aus den Fängen der CIP geholt. Kurz danach mussten die Entropen aufgetaucht sein.
Brett wollte es immer noch allen recht machen. Sie verstand nicht, dass wir kurz vor dem offiziellen Krieg mit der LFT standen. Es war vielleicht nur noch eine Frage von Stunden.
General Mandor da Rohn kam auf mich zu. Der alte konservative Arkonide wirkte noch verbissener als sonst.
»Was gibt es, General?«
»Wir haben Nachricht vom Sternenportal. WANDERER ist soeben explodiert. Jedoch konnte die IVANHOE von dort entkommen. Sie wird von kemetischen Schlachtschiffen eskortiert.«
Das gehörte offenbar nicht zum Plan von MODROR. Wenn die IVANHOE II auf WANDERER war, dann hatte sie Rhodan und Aurec gerettet. Es bestand gar kein Zweifel daran. Wenn die beiden in der aussichtslosesten Stunde Hilfe erhielten, nutzten sie diese letzte Chance auch. Damit war MODRORs Falle fehlgeschlagen.
Und dennoch. MODROR hatte einen Brückenkopf in der Lokalen Gruppe errichtet. SOLARIS STATION stand unter unserer Kontrolle. Doch für wie lange?
Ich winkte Diabolo herbei. Der Posbi eilte mit surrenden Geräuschen zu mir.
»Der Emperador muss sofort mit mir reden. Lasse dir etwas einfallen, damit die Rede ein Ende findet.«
Diabolo speiste eine Nachricht auf dem Display des Rednerpults des Emperadors ein. Statt seiner Rede, las er nun die Nachricht. Eilig wechselte de la Siniestro das Thema und übergab das Wort an Finanzminister Michael Shorne, der über die ökonomischen Vorteile eines vereinten Reiches sprach.
»Was ist denn, Despair?«, fragte de la Siniestro ungehalten.
Ich sah zu da Rohn hinüber.
»Mein Emperador, WANDERER ist zerstört. Es besteht jedoch Hoffnung, dass Rhodan und seine Gefährten überlebt haben. Die IVANHOE konnte mitsamt kemetischen Pyramidenraumern entkommen.«
»Was?«
Der Emperador war entsetzt. Natürlich sagte er da Rohn nicht, wieso er das war. Der fähige General wusste nichts von unserem geheimen Pakt mit MODROR. Offenbar sahen die Quarterialen die LFT immer noch als unsere Freunde an, trotz der Lügen, die der Emperador in den letzten Stunden verbreitete.
»In einer halben Stunde sollen sich alle wichtigen Militärs zu einer Lagebesprechung einfinden. Eilen Sie sich, General.«
Der Arkonide salutierte und machte sich sofort an die Arbeit. Der Emperador, Diabolo und ich gingen in das kaiserliche Büro in diesem Gebäude. De la Siniestro besaß in jedem wichtigen Komplex ein eigenes Büro.
»Was nun, Despair?«
»Das werde ich euch sagen!«
Rodrom! Die Inkarnation MODRORs stand plötzlich im Raum. Ein loderndes Feuer umgab ihn.
»Zwar konnten Rhodan und Aurec in der Tat entkommen, doch der Vorteil ist noch auf unserer Seite. Die Raumstation URUNGAAR ist immer noch kampfbereit. Mit euren Streitkräften werden wir nicht nur das Sternenportal sichern, sondern Rhodan noch heute vernichtend schlagen. In einer großen Endschlacht soll es entschieden werden. Jetzt!«
»Jetzt?«, erkundigte sich der Spanier verdutzt.
»Jetzt! Ich erwarte den vollen Einsatz des Quarteriums. Es ist nun Zeit, gegen die LFT in den Krieg zu ziehen!«
Der Krieg war unausweichlich. Offenbar hatte das de la Siniestro auch schon lange erkannt. Nur ein Narr hätte gegenteiliges gedacht. Der Emperador nickte resignierend.
»So sei es, Rodrom. Und wie ist Euer Plan?«
»Zuerst das Sternenportal. Dann jagen wir die restlichen Streitkräfte bis zu ihrem nächsten Stützpunkt. Das dürfte wohl Fort Wolfenstein sein. Dort radieren wir sie alle aus.«
Ein kühner, aber kluger Plan. Die LFT war uns immer noch weit unterlegen. Wenn wir sie verfolgten, würden wir sie früher oder später zermalmen. Spätestens in der Milchstraße.
»Und was wird aus Terra?«, wollte de la Siniestro wissen.
»Es gehört Euch«, antwortete Rodrom.
Ein Lächeln huschte über die Lippen des Spaniers. Mit diesem Gedanken freundete er sich natürlich gern an. Don Philippe de la Siniestro, der Beherrscher der Erde und aller Kolonien! Damit würde er in der Tat zum Vater der Menschheit und Perry Rhodans Nachfolger.
»Was ist mit den Entropen und dem Riff?«, wollte ich wissen. »Sie haben ein Schiff von uns entführt und wollen zu diesem geheimnisvollen Ort.«
Rodrom sah mich an. Aus seiner Haltung las ich Verunsicherung. Viel mehr konnte man auch nicht aus der feurigen Erscheinung interpretieren. Er wirkte ähnlich unnahbar wie ich selbst.
»Wir werden uns später darum kümmern. Es ist jedoch wichtig, dass das Riff nicht in ihre Hände fällt. Vermutlich wollen sie es vernichten. Das müssen wir verhindern. Deine Wachmannschaften in Siom Som sollen nach dem Objekt Ausschau halten.«
Rodrom löste sich auf. Doch seine mentale Stimme hallte noch in unseren Köpfen.
»Ich erwarte in zwei Stunden euren Angriff …«
Paxus, Oberkommando Quarteriale Armee, 8. April 1307 NGZ: 08:30 Uhr
Hektik war an jenem Tag auf Paxus ausgebrochen.
In einer Eilkonferenz bestellte der Emperador alle führenden Militärs zu sich. Generalmarschall Vranz Brauchl, Oberbefehlshaber der I. Quarterium-Terranischen Armee war früh aus dem Bett geklingelt worden. Er hatte gerade erst etwas Ruhe gefunden, denn nach der Rückkehr des Emperadors gab es ein Aufatmen im Stab. Doch die Ereignisse überschlugen sich. Ohne sein Wissen hatte die 501. Division, eigentlich ihm unterstellt, auf Befehl von Quarteriumsmarschall Despair Dom gesichert. Das dorgonische Kaiserreich wurde in das Quarterium einverleibt. Brauchl war zwar stolz, dass das Quarterium nun in der Tat das größte bekannteste Imperium der lemurischen Menschheit war, doch sollte es zu Unruhen in Dorgon kommen, mussten nochmals Truppen entsendet werden. Die Vielzahl von Galaxien zu kontrollieren, die Dorgon und das Quarterium innerhalb kürzester Zeit erobert hatten, überstieg fast ihre militärische Leistungsfähigkeit.
Sein Gleiter landete im Vorhof des Klotzes, jenem Militärzentrum des Quarteriums unweit des Paxus-Turms, dem Regierungssitz. Er stieg aus und wurde von General Mandor da Rohn begrüßt.
»Generalmarschall«, sagte er knapp. »Wissen Sie, was hier vorgeht?«
»Nein, da Rohn. Der Emperador wird es uns sicher erklären.«
Brauchl war nicht wohl zumute. Und das auf seine alten Tage. Er war ein hochdekorierter Generalmarschall, hatte in diversen Kämpfen sein Können unter Beweis gestellt. Gegen die Tolkander, die Mordred, gegen SEELENQUELLs Truppen und auch gegen die barymische Streitmacht im HELL-Sektor. Immer wieder hatte er mit seinen Verbänden Siege davongetragen. Und dennoch hatte er nun die Furcht, dass etwas geschehen war, das nur zu einer Niederlage führen konnte.
Der Gleiter von Generaloberst Red Sizemore traf ein. Sizemore war in Brauchls Augen ein fähiger General. Er war besonnen und ein taktisches Genie, kein Speichellecker und Emporkömmling wie viele andere. Sizemore grüßte die beiden Kollegen freundlich.
Die nächsten Gleiter fuhren vor. Die Generalobersten Weron und Leson, die zu den Kriechern von Jenmuhs gehörten, stiegen aus. Ebenfalls Terz da Eskor und Toran Ebur. Die arkonidische Fraktion war vollzählig. Dem zweiten Gleiter entstieg Generaloberst Alcanar Benington. Ein ungehobelter Raffke, ein brutaler und rücksichtsloser Mann, der nur auf seine Karriere bedacht war, fand der Generalmarschall.
Admiral Terz da Eskor begrüßte als ranghöchster Militär seine Generäle.
»Meine Herren, der Emperador und der Gos’Shekur warten auf uns. Es wird Zeit.«
Sie marschierten die lange Treppe hoch zum Konferenzsaal. Während des Fußweges überlegte Brauchl, weshalb der Emperador diese Konferenz einberufen haben könnte. Er kam nicht auf die Lösung. Endlich hatten sie den Saal erreicht. Das pompöse Portal öffnete sich. De la Siniestro, Uwahn Jenmuhs, Diabolo, Peter und Orlando de la Siniestro befanden sich bereits im Raum. Wo waren Despair und Leticron? Immerhin waren ansonsten alle hochrangigen Militärführer des Reiches anwesend.
Sie stellten sich vor den großen, pompösen Schreibtisch des Emperadors. Jenmuhs kauerte mit ausgestreckten Beinen auf einem Sofa. Brauchl musterte kurz seinen direkten Vorgesetzten Generalmarschall Peter de la Siniestro, den Oberbefehlshaber alle quarterialer Armeen. Er war neben Despair und Terz da Eskor der dritthöchste Militär. Eine Farce. Peter de la Siniestro, dieses pockengesichtige Muttersöhnchen, war völlig unfähig. Es war ihnen Gott sei Dank gelungen, de la Siniestro bisher aus allen Operationen herauszuhalten.
»WANDERER ist vernichtet! Wir wurden von einer fremden Rasse, die sich Entropen nennt, angegriffen. Diese sind Verbündete der LFT. Perry Rhodan und der Saggittone Aurec haben eine unheilige Allianz mit diesen Kreaturen und DORGON geschlossen. Despair und Leticron bereiten soeben einen Angriff auf die LFT vor, um die Kontrolle über das Sternenportal zu erlangen und so Cartwheel vor einer Invasion zu schützen.«
Betretenes Schweigen. Brauchl spürte, wie sich Schweiß auf seiner Stirn bildete. Das war unmöglich! Ein Krieg gegen Rhodan? Das war doch Wahnsinn!
»Wir müssen sofort Unterstützung schicken. Fünfundsiebzigtausend Schlachtschiffe müssen Despair in neunzig Minuten zur Verfügung stehen. Ziel ist, die Kontrolle über den gesamten Sektor am Sternenportal zu übernehmen.«
Was redete der Emperador da? Fünfundsiebzigtausend Schlachtschiffe? Das war logistisch nicht zu bewältigen.
»Was ist mit den Flotten MODRORs? Wie steht diese Entität zu uns?«, fragte Admiral da Eskor.
Der Emperador grinste.
»MODROR und das Quarterium haben einen Pakt des Friedens geschlossen. Dieses Abkommen markiert das Ende von Perry Rhodans Ära. Wir sind nun die erste Menschheit und werden die Ideologie des Reiches nach Terra tragen, meine Herren!«
Brauchl meinte, etwas sagen zu müssen, doch er schwieg. Er wollte nicht als Buhmann dastehen. Jemand anderes, die Flottenadmiräle, mussten ihn darauf aufmerksam machen.
»Mein Emperador«, begann Generaloberst Red Sizemore, »Wir brauchen mehr Informationen. Wieso ein Pakt mit MODROR? Wurde uns von der LFT der Krieg erklärt? Ich glaube, alle fragen sich, wieso wir nicht der LFT helfen, wo doch MODROR immer unser Feind war …«
»Was erlauben Sie sich?«, grollte Jenmuhs und sprang auf. »Sie haben unsere Befehle nicht in Frage zu stellen, sondern zu befolgen. Was wir an politischen Entscheidungen treffen, geht Sie nichts an!«
Sizemore wechselte mit Mandor da Rohn einen vielsagenden Blick. Brauchl schwieg weiter. Er wollte sich nicht mit Jenmuhs anlegen. Der Typ war ihm nicht geheuer.
»Wenn wir fünfundsiebzigtausend Schlachtschiffe mobilisieren, müssen wir wissen, wie die weitere Vorgehensweise geplant ist. Was kommt nach der Sicherung des Sternenportals?«, fragte Mandor da Rohn. »Außerdem gebe ich zu bedenken, dass wir inzwischen sehr viele Galaxien sichern.«
Der Emperador hob beschwichtigend die Hände.
»Es ändert sich wenig. Die estartischen Galaxien sind besiegt. Zusammen mit Dorgon werden wir dort alles unter Kontrolle halten. Quarteriumsfürst Elgalar und Carilla stehen uns loyal zur Seite. Der Kampf in M 87 ist bald beendet. Nun haben wir ein neues Ziel, meine Herren: Andromeda und die Milchstraße!«
»Andromeda ebenfalls?«, rief Generalmarschall Brauchl überrascht.
Er erntete dafür finstere Blicke der arkonidischen Fraktion. Das war ihm gleich. Jetzt musste er reden.
»Wann soll die Invasion in die beiden Galaxien starten?«
»Heute! Wir werden in einem großen Feldzug die LFT und ihre Schergen schlagen. MODROR hilft uns dabei. Wenn sie geschlagen sind, werden wir nach Terra weiterziehen«, antwortete der Emperador.
»Heute? Das ist unmöglich!«, meinte Orlando de la Siniestro. »Vater, wir brauchen mehr Vorbereitung für eine solche Invasion. Ebenfalls können wir nicht sofort fünfundsiebzigtausend Schiffe zusammenstellen. Allenfalls zwanzigtausend SUPREMOs.«
Der Emperador sah seinen Sohn seltsam an.
»Meine Entscheidung ist unumstößlich! Heute beginnt ›Unternehmen Friedrich‹ – die Eroberung aller menschlichen Gebiete in der Lokalen Gruppe.«
»Sie sind die Generäle. Sie müssen nur Ihre Befehle ausführen«, warf Jenmuhs ein.
»Meine Generäle werden das tun, Vater!«, gellte Peter de la Siniestro. »Unsere Infanterie wird bereit sein, jede Welt zu erobern. Wir werden Militärgeschichte schreiben!«
Nun wurde es Brauchl zu viel.
»Wir müssen mindestens einhundert Millionen Soldaten in die Lokale Gruppe verfrachten. Das ist ein gewaltiges Unternehmen. Außerdem bezweifle ich, dass wir einen Dreifrontenkrieg gewinnen können!«
Peter schrie auf.
»Sie Feigling! Ich lasse Sie erschießen! Sie Schwein pissen sich ja jetzt schon in die Hose! Das ist Insubordination! Sie Ratte!«
Brauchl erschrak vor Peter de la Siniestro. Was sollte er jetzt tun? Er konnte unmöglich gegen seinen Oberbefehlshaber aufbegehren.
»Brauchl hat aber Recht. So eine Vorbereitung muss länger dauern, Sir«, meinte Sizemore.
Brauchl war erleichtert, Rückendeckung zu bekommen. Peter de la Siniestros Kopf lief rot an.
»Ruhe jetzt«, herrschte der Emperador alle an. »Orlando, mobilisiere so viele Schiffe wie möglich. Der Angriff muss heute stattfinden, bevor sie in Cartwheel einfallen. Wie Sie das hinbekommen, ist Ihre Sache, meine Herren. Wozu habe ich Sie? Vielleicht wird eine Besprechung mit Despair Ihnen mehr Motivation bringen?«
Stille!
»Gut! Den Oberbefehl über die Operation wird der Gos’Shekur haben. Die militärische Leitung werden Admiral Orlando de la Siniestro und Generaloberst Sizemore übertragen. Brauchl, Peter, Leson, Weron und Benington werden mit da Rohn im Stab arbeiten. Der Rest kehrt zu seinen Schlachtfeldern zurück. Danke, meine Herren!«
Der Emperador drehte sich um.
Damit war die Besprechung beendet. Brauchl drehte sich um, wartete einen kurzen Moment. Er überlegte, ob er nochmals sein Veto einlegen sollte, doch er ließ es. Stattdessen verließ er mit da Rohn und Sizemore den großen Saal.
»Das ist doch Wahnsinn«, sagte er schließlich und vergewisserte sich, dass niemand anderes zuhörte. »Ein Krieg an drei Fronten. Ein Krieg gegen Rhodan!«
»Befehl ist Befehl«, meinte da Rohn nüchtern. »So schwachsinnig diese Order auch ist …«
Brauchl stimmte da Rohn zu. Obwohl ein Arkonide, war der hochgewachsene Mann recht vernünftig.
»Mir ist auch nicht wohl dabei, gegen die Heimat zu kämpfen. Bomben auf Terra? Das wäre furchtbar.«
Die drei wanderten weiter. Sie suchten sich eine stille Ecke auf dem Hof des Geländes.
»Wie werden die Arkoniden reagieren? Bostich? Wird sich der Krieg auch gegen ihn richten?«, wollte Sizemore wissen.
Da Rohn seufzte und zuckte mit den Schultern.
»Das Kristallimperium ist Bündnispartner des Quarteriums. Doch ich bezweifle, dass Bostich einen Krieg gegen Rhodan führen wird.«
»Wieso?«, fragte Brauchl.
»Nun, die LFT ist ein berechenbarer Gegner mit limitierter militärischer Stärke. Wen würden Sie lieber in der Heimatgalaxie haben? Die oder uns?«
Brauchl verstand. Die Zukunft des Quarteriums lag im Ungewissen. Sie bewegten sich auf sehr dünnem Eis. Was war, wenn der Emperador das Reich in den Untergang führte? Durften sie das zulassen? Brauchl dachte über Hochverrat nach. Es erschreckte ihn. Nein, er war Soldat der alten Schule. Befehl war Befehl, da hatte da Rohn recht.
»Mir missfällt es, dass wir plötzlich mit MODROR alliieren. Wir haben diese Entität und seine Schergen seit 1290 NGZ bekämpft. Nun sind wir Verbündete«, sagte Sizemore nachdenklich.
»Politik. Das geht uns nichts an«, herrschte Brauchl zurück. »Wir sollten uns nicht die Köpfe darüber zerbrechen, eher, wie wir eine Invasion in die Lokale Gruppe zustande bringen.«
Da Rohn schüttelte den Kopf.
»Das Quarterium hat die Menschen wieder stark gemacht. Ich war immer für eine konservative Monarchie. Doch so langsam …«
Er brach ab, als er Brauchls mahnenden Blick sah.
»Wir können diskutieren, was wir wollen. Es wird wohl nichts ändern«, fand Sizemore. »Stellen wir uns darauf ein, den Sommer auf Terra zu verbringen.«
Aurec, Milchstraße, Sektor Sternenportal, 8. April 1307 NGZ: 08:00 Uhr
»Wir haben es wirklich geschafft, Aurec!«
Elyn umarmte mich. Einerseits war ich glücklich, auf der anderen Seite war es mir beinahe unangenehm. In den letzten Stunden hatte ich mich Elyn fast schon zu nahe gefühlt. Doch meine Liebe galt Kathy. Ich hatte mich für sie entschieden und bereute es auch nicht.
Die IVANHOE II war von kemetischen Pyramidenraumschiffen umringt. Es waren insgesamt 189 dieser gewaltigen Schlachtraumer. War das die ganze kemetische Flotte? Offenbar hatte es zu mehr in den letzten Jahren nicht gereicht. Es war sowieso ein Wunder, dass Osiris und die Superintelligenz KEMET noch an so etwas »weltliches« wie eine Flotte dachten. Aber offensichtlich wollten uns die Kemeten im Kampf gegen MODROR weiter unterstützen. Ihre Hilfe war in der Tat sehr wertvoll.
In dem Schlachtengetümmel arbeitete sich die IVANHOE II, die zurzeit von Lorif gesteuert wurde, da der Rest der Besatzung noch immer außer Gefecht war und nur langsam zu sich kam, in Richtung LFT-Verband. Die LEIF ERIKSSON schoss einen Korridor für uns frei. Die Pyramidenraumer taten ihr Übriges, um uns in Sicherheit zu bringen.
Perry Rhodan saß auf dem Kommandosessel und studierte die Schlacht. Ich schaute ihm über die Schulter. Rund sechzehntausend feindliche Schlachtschiffe kämpften gegen mehr als zwanzigtausend alliierte Einheiten.
Die Raumstationen SOL und SUN STATION existierten nicht mehr. Nur ein paar Trümmer zeugten noch von ihrer einstigen Existenz. SOLARIS STATION war umringt von quarterialen SUPREMO-Raumern. Es war wohl unmöglich, dorthin zu gelangen. Dennoch, dort war vielleicht Kathy. Oder war sie schon längst nach Paxus gebracht worden? Diese Ungewissheit quälte mich. Wo immer sie auch war, sie brauchte meine Hilfe. Ich musste sie retten, durfte sie nicht im Stich lassen.
Elyn berührte meine Hand.
»Du denkst an Kathy?«
Ich nickte.
»Du kannst nicht einfach so nach SOLARIS STATION fliegen. Wir wissen nicht einmal, ob sie dort ist.«
Sie hatte ja recht, doch ich fühlte mich für Kathy verantwortlich. Sie war in meinem Herzen schon meine Ehefrau. Ich durfte sie dort nicht allein zurücklassen.
Perry schlug mir freundschaftlich auf die Schulter.
»Es ist noch nicht vorbei. Wir treffen uns in wenigen Minuten mit Bully und Horus.«
Ich bestätigte knapp. Wieder einmal musste ich mich für andere opfern, aber nicht für Kathy. Sie starb vielleicht in wenigen Stunden oder gar Minuten, während ich um das Leben anderer kämpfte. Ihres vermochte ich nicht zu retten. Das war ungerecht.
Ich riss mich zusammen. Jammern nützte wenig. Und doch blieb eine Alternative. Ich ging zu Lorif.
»Stelle eine Verbindung mit dem Quarterium her. Leticron oder Despair, sofort!«
»Sir?«
»Na los!«
Perry und Elyn sahen mich verwundert an. Ich bat um ein paar Sekunden, damit ich erklären konnte. Nach einer Weile erschien das mongoloide Gesicht des Coruns von Paricza auf dem Bildschirm.
»Ach wie schön, Perry Rhodan und Aurec haben die Explosion überstanden. Nun denn, was kann ich für euch tun?«
»Ich will wissen, wo meine Braut Kathy Scolar und ihre Begleiter sind. Sie waren auf SOLARIS STATION.«
Leticron lachte laut. Er verhöhnte mich, spielte mit meiner Angst um Kathy.
»Nun, ich bin kein Unmensch und erzähle dir die Geschichte gerne. Sie wurden in Gewahrsam genommen und der CIP übergeben und sollten auf der FLASH OF GLORY nach Paxus gebracht werden. Doch das anscheinend mit euch sympathisierende Volk der Entropen hat das Schiff gekapert und ist mitsamt Perrys Balg verschwunden. Das Wrack der GRAND MASUT, auf welches Niesewitz und seine Mannschaft gebracht wurden, schwebt noch ein paar Lichtjahre von hier entfernt.«
Ich sah Perry fragend an. Was hatte das jetzt zu bedeuten? Ich hatte nur am Rande von diesen Entropen gehört. Sie schienen alles andere als freundlich zu sein.
»Ich fürchte, Saggittone, du hast deine Schnecke wieder verloren. Viel Spaß beim Suchen.«
Leticron beendete die Verbindung. Immerhin war Kathy nicht in den Händen des Quarteriums. Mit Roi an ihrer Seite dürfte sie in Sicherheit sein. Nur wo war sie?
»Mein Sohn hat zwar eine Macke, aber er passt auf Kathy auf«, bestätigte Perry meine Hoffnung. »Nur frage ich mich, was sie diesmal wieder aushecken.«
*
Nach einer halben Stunde trafen wir mit Bully und Horus zusammen. Zwischenzeitlich waren Jeamour, Jonathan und Mathew auch wieder auf die Beine gekommen. Neben ihnen nahmen noch Perry, Gal’Arn, Sam, Joak Cascal, Gucky und Elyn an der Besprechung teil. Admiral Higgins und General McHenry gesellten sich ebenfalls zu uns.
Die Begrüßung fiel recht emotional aus. Bully fiel Perry und Gucky um die Hälse.
Admiral Nepomuk Higgins begann dann recht nüchtern den Bericht. Er erklärte uns, dass die Einheiten MODRORs zahlenmäßig inzwischen unterlegen seien, jedoch die Raumstation offenbar über Reserven verfügte, die sie noch nicht eingesetzt hatte. Higgins wies darauf hin, dass die Raumstation immer wieder neue Schiffe in die Schlacht warf, jedoch nur, um eine konstante Zahl von einundzwanzigtausend Schlachtschiffen aufrecht zu erhalten. Vor wenigen Minuten waren erneut fünftausend feindliche Raumschiffe aus der Station ausgeschleust worden, um die Lücken zu schließen.
Perry Rhodan befahl zuerst einen geordneten Rückzug in die Nähe von SOLARIS STATION. Er wollte vorerst gegen MODROR nicht in die Offensive gehen, solange nicht feststand, wie sich das Quarterium verhielt.
Das war eine vernünftige Entscheidung. Auf der anderen Seite wollten wir nicht das Sternenportal verlieren.
»Wir müssen sofort mit dem Quarterium sprechen. Senden Sie einen Funkspruch. Ich will mit de la Siniestro persönlich reden«, sagte Perry entschlossen.
Doch nichts geschah. Das Quarterium antwortete nicht auf unsere Funksprüche. Ich sah Perry an, dass er besorgt war. Die Schlacht tobte unvermittelt weiter und die Hilfe des Quarteriums wäre von besonderer Wichtigkeit. Entscheidend, um noch einen Sieg davonzutragen.
Erst langsam formierte sich die Flotte nahe SOLARIS STATION. Ebenso zeitraubend verringerten sich die Kampfhandlungen. Nach dreißig Minuten erreichte uns ein Kommuniqué des Quarteriums.
Der Emperador de la Siniestro erschien in einer lebensgroßen Holographie.
»Perry Rhodan, Ihr sucht um Beistand?«
Seine Stimme klang finster.
»Nur zusammen können wir MODROR schlagen. Ich will nicht glauben, dass Ihr die Menschheit verraten habt.«
»Ihr seid der Verräter an der Menschheit. MODROR wird das Universum reformieren und die menschliche Rasse zu dem machen, was sie sein sollte: Die Krönung der Schöpfung. Eure Zeit ist vorbei, Rhodan.«
Diese Worte waren ein Schock. Es stimmte also wirklich. Die Ereignisse auf WANDERER waren keine Verkettung unglücklicher Zustände. De la Siniestro war ein Diener MODRORs.
»In meiner unendlichen Großzügigkeit biete ich Euch ein letztes Mal Frieden an. Geht ins Exil, Rhodan! Übergebt die LFT in die Obhut des Quarteriums und rettet Milliarden Lebewesen damit vor dem Untergang.«
»Wir leben in einer Demokratie! Die Menschen dürfen frei entscheiden. Und sie werden bestimmt nicht den Faschismus wählen! Lassen Sie die Vernunft walten. Es ist nicht meine letzte Chance, sondern Ihre, de la Siniestro!«
Der Emperador starrte Rhodan regungslos an. Offenbar hatten diese Worte gesessen. Er wandte sich von Perry Rhodan ab. Neben ihm erkannte ich Cauthon Despair.
»Despair, Befehl Friedrich sofort ausführen. Koordination mit den LFT-Streitkräften zum gemeinsamen Angriff auf MODROR.«
Despair verneigte sich. Ungläubig sah ich zu Perry, der unbeirrt auf de la Siniestro blickte. Der Unsterbliche zeigte keine Regung, als der Emperador sich ihm zuwandte.
»Möge Gott meine Taten vergeben. MODRORs Rache wird grausam werden.«
»Sollten wir diese Schlacht gewinnen, werden wir uns etwas einfallen lassen, ihn gemeinsam zu schlagen.«
Ich beobachtete auf den Anzeigen, wie die SUPREMO-Raumer Kurs auf die LFT-Flotte nahmen. Admiral Higgins erhielt Vorschläge des Admirals Orlando de la Siniestro. Die beiden koordinierten offenbar die ersten Attacken gegen MODRORs Flotte.
»Es wird kein gemeinsam geben, Rhodan«, sagte de la Siniestro plötzlich hasserfüllt. »Feuer frei!«
In diesem Moment schossen die SUPREMO-Raumschiffe auf die LFT-Einheiten. Sie fielen uns in den Rücken. Der Emperador beendete die Verbindung. Rhodan starrte kurz auf jene Stelle, an der bis eben noch das Abbild des Emperadors leuchtete.
»Higgins, Rückzug! Sofortiger Rückzug! Wir sammeln uns bei Wolfenstein. Wir haben hier keine Chance.«
Higgins befolgte den Befehl sofort. Totenstille war in der Kommandozentrale eingekehrt. Selbst Reginald Bull war ruhig. Er schlug nur mit der Faust auf den Tisch und stieß einen Fluch aus.
Ich blickte fragend zu Horus hinüber. Der Kemete erwiderte meinen Augenkontakt und ging auf mich zu.
»Nun ist der totale Krieg eingetreten, Saggittone. Die Zeit der Diplomatie ist vorüber. Jetzt zählt nur noch, wer als letzter überlebt.«
*
Cauthon Despair
Der Emperador genoss sichtlich den Rückzug der Liga Freien Terraner aus dem Sektor des Sternenportals. Binnen weniger Minuten waren die mehr als zwanzigtausend Schlachtschiffe der Terraner und ihrer alliierten Freunde im Hyperraum verschwunden.
All die Jahre hatte ich mich vor diesem Tag gefürchtet. Die Kriegserklärung an die LFT war alternativlos. Jetzt hieß es: sie oder wir. Es konnte in Zukunft nur ein Reich der Menschheit geben.
»Despair, haben wir richtig gehandelt?«, kam die Frage des Monarchen.
»Wir hatten keine Wahl. MODROR hätte uns sonst vernichtet. Und die gesamte Menschheit.«
De la Siniestro nickte zustimmend.
»Jagen Sie Rhodan. Wolfenstein soll dem Erdboden gleich gemacht werden. Je eher der Krieg vorbei ist, desto besser. Jenmuhs soll mit der ganzen Flotte hinter Rhodan herjagen, bis die Beute erlegt wurde.«
6. Das Riff
Aus den Chroniken Cartwheels
Jaaron Jargon
Wir schrieben den 27. April 1307 NGZ. Seit mehr als zwei Wochen befanden wir uns auf der FLASH OF GLORY, welche Kurs auf Siom Som eingeschlagen hatte, zusammen mit einigen Schlachtschiffen des fremdartigen Volkes der Entropen. Wie sich inzwischen herausgestellt hatte, dienten die Entropen der Entität SI KITU und bildeten offenbar eine zweifelhafte Allianz mit DORGON.
Der Zweck schien in diesem Fall die Mittel zu heiligen, denn, im Gegensatz zu DORGON, vertraten die Entropen, zumindest nach unseren Maßstäben, keine hohen moralischen und ethischen Ansichten.
Die Anführerin dieser Gruppe war offenbar die »Hexe« Niada. Eine ebenso schöne wie eiskalte Frau. Während die Entropen fremdartig aussahen, war Niada mit einer Terranerin vergleichbar.
Die Atmosphäre war angespannt. Keinem von uns war danach, das alte terranische Osterfest zu feiern und doch spiegelte dieses unsere Lage genau wieder: Trauer und Hoffnung in Einem. Wir, das waren meine Nichte Nataly, ihre Freundin Kathy Scolar, die Dorgonin Saraah und Michael Rhodan. Die Mutantin Myrielle Gatto lebte für sich allein, sonderte sich immer mehr ab und ergab sich ihren Rachegelüsten gegenüber Cauthon Despair und dem Quarterium. Offenbar hatte Niada daran sogar Gefallen gefunden, denn sie widmete der Mutantin viel Zeit.
Rhodan, der selbst Roi Danton genannt werden wollte, war voller Tatendrang, doch er war zum Warten verdammt. Die Entropen hatten die Kontrolle über die FLASH OF GLORY. Weder Danton, noch seine rechte Hand Roland Meyers und sein »Diener«, der Oxtorner Altair Boulat, der den Spitznamen »Conan« trug, vermochten etwas gegen diese Bevormundung auszurichten.
Und so saßen wir auch an diesem Abend tatenlos im Gemeinschaftssaal und starrten vor uns hin. In uns allen brannte die Frage, wie es zu Hause aussah. Hatten Perry Rhodan und Aurec überlebt? Gab es noch Hoffnung oder hatte MODROR schon längst gewonnen? Von den Entropen erfuhren wir nichts.
Kathy rührte mit einem Löffel durch den dickflüssigen, kalten Kaffee. Nataly rauchte eine Zigarette nach der anderen. Vorsorglich hatte sie alle »quarterialen« Zigarettenschachteln eingesammelt, damit sie ja nicht auf ihre Droge verzichten musste. Ich verstand ihr lasterhaftes Verhalten nicht. Aber Kathy war auch nicht viel besser und paffte, wann immer es ging.
Roi und Saraah waren Gott sei Dank Nichtraucher. Ebenfalls befanden sich Roland Meyers und die undurchsichtige Maya ki Toushi im Raum. Das Schott öffnete sich. Altair Boulat und Sato Ambush betraten den Raum. Ich musterte den über zwei Meter großen Oxtorner, muskelbepackt, kantiges Gesicht und meines Wissens der einzige Oxtorner mit einer wilden, schulterlangen Haarmähne, die natürlich künstlich implantiert worden war.
»Wir nähern uns den Randgebieten von Siom Som«, erklärte Sato Ambush. »Die Entropen haben offenbar den Antrieb der FLASH OF GLORY verbessert. Sonst wären wir nicht so schnell am Ziel.«
Meyers lachte zynisch.
»Schade, dass sie das Geheimnis nicht mit uns teilen. Meine Crew wurde zu Statisten degradiert. Diese Niada spielt sich auf wie eine Göttin. Ein Miststück ohnegleichen.«
Wieder verzog Maya ki Toushi wütend ihr Gesicht, wie immer, wenn jemand etwas gegen diese »Hexe« sagte. Übrigens, auch das zeigte, dass man uns in keiner Weise traute, wussten wir noch immer nicht, welche Bewandtnis es mit dieser Bezeichnung hatte. Unter einer »Hexe« konnten wir uns einfach alles oder nichts vorstellen. Aus meinem Studium der alten terranischen Mythologie wusste ich zwar, dass man früher auf Terra eine vorwiegend böse Frau mit Zauberkräften als Hexe bezeichnet hatte, aber das brachte uns hier und heute bestimmt auch nicht weiter.
»Na, na lieber Roland. So redet man doch nicht über eine Dame«, rügte Roi mit einem zynischen Lächeln. »Wir müssen uns mit dieser Hexe gut stellen, sonst kommen wir nicht weiter.«
»Euch passt es doch nur nicht, dass einmal eine starke Frau das Sagen hat, eine Frau, die euch in die Tasche steckt«, entgegnete Maya.
»Na du scheinst dich mehr und mehr zu ihr hingezogen zu fühlen«, meinte Meyers lachend, »aber bedenke, dass eine Hexe eigentlich keine starke, sondern nur eine böse Frau sein soll. Obwohl, wenn ich da an einige deiner Eskapaden denke …« Maya bedachte ihn mit einem finsteren Blick und wollte zu einem Faustschlag ausholen, als sich erneut das Schott öffnete. Maya verharrte in ihrer Bewegung, denn Niada betrat den Raum und musterte uns finster. Doch mir war, als ob ihr Blick Maya sezieren wollte.
»Menschen«, grüßte sie knapp und wanderte um den ovalen Tisch herum. Sie blieb vor uns stehen. »Dank der überlegenen Technologie des Entropischen Volkes sind wir am Ziel. Nun gilt es, das Riff so schnell wie möglich zu finden.«
»Und was dann?«, wollte Danton wissen.
Niada lächelte. Sie bewegte sich zu Roi und streichelte lasziv durch sein wirres Haar.
»Ich mag es, Männern oder Frauen durch ihr weiches Haar zu fahren. Oder daran zu ziehen.«
Kathy und Nataly blickten sich vielsagend an. Roi Danton war das offensichtlich etwas peinlich. Boulat räusperte sich.
»Der Sire hat eine Frage an Sie gestellt, Mam.«
»Das weiß ich selbst, du hirnloser Affe! Wir werden das Riff vernichten. Mit Hilfe der FLASH OF GLORY werden wir eine spezielle Bombe dort platzieren. Seit über fünfhundert Jahren arbeiten unsere Wissenschaftler an dieser Bombe.«
Danton sah sich verwundert um.
»Eine Frage dürfte gestattet sein. Gibt es Lebewesen auf diesem Riff?«
Niada lachte.
»Wie süß. Die Zukunft des Universums steht auf dem Spiel und Sie denken an ein paar Lebewesen. Natürlich gibt es dort welche. Viel zu viele! Sie müssen sterben. Bedauerlich, aber unabänderlich. Die Entscheidung zur Vernichtung des Riffs wurde vor mehr als zehntausend Jahren getroffen. Es gibt keine Alternative. Sie ist nicht in Frage zu stellen.«
Niadas Worte waren eindeutig. Sie duldete keinerlei Widerspruch. Roi Danton stand auf.
»Dann machen Sie das ohne uns. So langsam reicht mir das mit Ihnen. Sie sind ja noch schlimmer als das Quarterium! Was wollen Sie tun, wenn wir bei Ihrem perfiden Plan nicht mitmachen?«
Niada sah Danton mitleidslos an. Das war ein echtes Kräftemessen zwischen den beiden. Sie zog den Strahler, zielte auf Altair Boulat und drückte ab. Ich zuckte vor Schreck zusammen. Der Energiestrahl durchschlug seine Schulter. Er fiel schreiend vom Stuhl. Roland Meyers kümmerte sich sofort um ihn, während Maya ki Toushi plötzlich wie ein sprungbereites Raubtier wirkte.
»Das nächste Mal wähle ich eine der Frauen als Ziel. Die Belange des Universums sind zu wichtig, um vom Plan abzuweichen. Sie kapieren das nicht, oder? Dummer, einfältiger Mensch!«
Niada musterte den keuchenden Altair Boulat dunkel und verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse.
»Eine Schande …«
Nun blickte sie wieder Roi Danton an.
»Wir werden kooperieren. Vorerst. Irgendwann werde ich Sie von Ihrem hohen Ross herunter stoßen.«
Niada lachte boshaft.
»Obacht, nicht, dass Sie das Ross sind, auf welchem ich einmal reiten werden.«
Ihre dunklen Augen funkelten. Roi seufzte. Offenbar hatte sie ihn mit ihren zweideutigen Aussagen aus der Fassung gebracht. Als Niada das Quartier verließ, lief sie dem blauen Giganten Trechos in die Arme. Für einen kurzen Moment glaubte ich, Erschrockenheit in ihrer Bewegung erkannt zu haben.
»Was ist los?«, rief sie aufgebracht.
Trechos zeigte sich unbeeindruckt.
»Wir haben Kontakt!«
*
Wir stürmten in die Kommandozentrale. Die Erwartung auf das Riff, die Neugier auf dieses ominöse Etwas war größer als die Antipathie gegenüber den Entropen. Sie ließen uns gewähren. Niada fühlte sich jedoch offenbar unwohl, so viele Terraner um sich zu haben.
»Denker01201, Bericht!«
Ein seltsames Wesen schwebte auf die Hexe zu. Der Entrope besaß einen riesigen, eiförmigen Kopf. Der massige Körper schwebte wie auf einem Antigravfeld durch die Zentrale. Die »Denker« waren offenbar Kommandanten und nur dieser Hexe unterstellt.
»Ein Riffsatellit. Wir haben ihn einwandfrei identifiziert. Es ist wahrscheinlich, dass unsere Anwesenheit bemerkt wurde.«
»Dann sollten wir ihn erforschen«, entschied Niada.
Vor uns baute sich die Holografie des Mondes auf. Er durchmaß fünfhundert Kilometer, besaß eine eigene Atmosphäre und offenbar einen eigenen Antrieb.
Niada betrachtete Danton anzüglich.
»Unsere Reitstunden müssen wir verschieben. Ich nehme an, dass Sie mich begleiten wollen?«
»Oui, Mademoiselle.«
Die Entropen blickte Danton fragend an.
»Das heißt: ja.«
Der Riffsatellit
Es wäre zu gefährlich gewesen, den Chronisten auf diese beschwerliche Reise mitzunehmen, fand Roi Danton. Er wusste nicht, welche Gefahren auf diesem Mond lauerten. Nataly und Kathy bereiteten ihm schon Unbehagen, obgleich er wusste, dass sie in Gefahrensituationen ihre Frau standen. Danton betrachtete seine Einsatzgruppe. Altair Boulat, Roland Meyers, die beiden Frauen und Sato Ambush. Auf der anderen Seite Trechos, Niada und vier weitere Entropen, deren Namen Danton nicht kannte.
Zwölf Wesen auf dem Weg zu einem ihm gänzlich unbekannten Gebilde. Natürlich kannte er Monde, doch dieser Riffsatellit war einmalig. Welcher Mond besaß schon ein eigenes Triebwerk? Viel wussten sie nicht über das Riff. Laut Niada waren alle Bewohner böse und wollten das Universum vernichten. Doch wie aussagekräftig waren die Worte dieser kaltherzigen Hexe? Danton legte nicht viel Wert auf Niadas Glaubwürdigkeit. Er misstraute ihr sowieso.
»Wir fliegen nun getarnt auf den Satelliten zu. Ich beabsichtige, die Koordinaten des Riffs zu erbeuten. Das würde unsere Suche erheblich beschleunigen.«
Niadas Plan war nicht unlogisch. Roi fragte sich nur, was sie auf diesem Mond erwartete? Was waren die Riffaner für Wesen? Trechos setzte zur Landung an. Je näher sie kamen, desto mehr bewunderte Roi die Perfektion dieser Station. Eine Kunstsonne umkreiste den Mond. Vor ihnen lag ein dichter Dschungel. Niada schien einen passenden Platz für die Landung zu suchen.
»Dort, unweit der großen Mauer.«
Jetzt erst bemerkte Danton die steinerne Mauer. Sie schien den Mond in zwei Sektionen zu unterteilen. Endlich fand Trechos einen geeigneten Platz und landete die Fähre behutsam auf dem Boden. Nicht weit entfernt hinter der Mauer erblickten sie eine Station auf einem Berg. Dies musste das Herz dieses Mondsatelliten sein. Niada gab allen ein Zeichen. Zwei Entropen blieben als Wache zurück. Danton bemerkte seine wachsende Neugier. Der Forscherdrang hatte ihn übermannt. Er wollte mehr über diese Welt herausfinden.
Die Luft war stickig, aber ungefährlich für Menschen und Entropen. Erste Abtastungen ergaben sehr viel Leben auf diesem Satelliten. Die Flora und Fauna war zahlreich. Kathy Scolar und Nataly Andrews sahen sich offenbar sehr interessiert um. Kathy wich zurück, als ein weißer, geflügelter Affe aus dem Dickicht sprang und über ihren Kopf hinweg segelte. Vor Rois Füßen hüpften dreieckige Insekten mit Stilaugen vorbei.
»Wir sind nicht auf einer Besichtigungsreise, sondern im Kriegseinsatz«, rügte Niada.
Sie entschied sich, zunächst die Mauer näher zu untersuchen. Die Ortung ergab, dass sich in der Station technologische Einrichtungen befanden. Dort wollte die Hexe hin.
Die Gruppe kämpfte sich durch den Wald. Eine Vielzahl fremdartiger Tiere und Insekten kreuzten ihren Weg. Nur wenige waren gefährlich. Mit Hilfe des Giganten Trechos und unseren Individualschutzschirmen war jedoch kein Raubtier oder giftiges Insekt eine wirkliche Bedrohung.
Roi fragte sich, wieso niemand ihre Ankunft bemerkte. Oder liefen sie in eine Falle? Es war schwer, die Denkweise der Riffaner zu interpretieren, Roi hatte noch nie einen gesehen. Nur aus den Berichten von Cauthon Despair und Brettany de la Siniestro wussten die Terraner von der Existenz des Riffs.
Weihnachten im letzten Jahr waren Despair und Brettany während eines Ausflugs in Siom Som in eine Fehde zwischen Entropen und Riffaner geraten. Über die Motivation der Riffaner war damals nicht viel bekannt, während die Entropen einen grenzenlosen Hass gegen die Quarterialen empfanden. Niada bestätigte diese Einstellung voll und ganz. Was hatte das Quarterium ihnen angetan? Die Entropen waren ein unbekanntes Volk, offenbar von SI KITU rekrutiert.
Er rief sich das Aussehen der Riffaner ins Gedächtnis. Drei fremdartige Wesen hatte Despair beschrieben. Die Leichen wurden damals auf der Eiswelt gefunden und leider dem Quarterium überstellt. Wer weiß, was die Wissenschaftler damit machten. Einer der Riffaner hatte wie ein Zentaur ausgesehen und erinnerte Roi an den Präbio Takvorian. Die anderen waren nicht genau mit bekannten Wesen vergleichbar gewesen. Sie hatten Tentakel und Stilaugen und waren unförmig gebaut. Das ließ darauf schließen, dass es verschiedene Völker auf dem Riff gab.
Nach einer halben Stunde Fußmarsch erreichten sie endlich die Mauer. Trechos und die anderen Entropen untersuchten die Beschaffenheit des Gesteins. Niada schien dies ziemlich zu langweilen.
»Beeilt euch endlich. Jede Minute können Riffaner hier auftauchen, oder glaubt ihr, die wissen nicht, dass wir hier sind?«
Trechos grollte. Er gab seinen Untergebenen ein paar Anweisungen. Sie platzierten Sprengkörper an der Mauer. Niada befahl allen, einige Schritte zurückzugehen. Wenige Sekunden danach detonierten die Ladungen und sprengten ein Loch in die Mauer.
»Weiter«, rief sie.
Trechos stürmte als Erster voran. Niada folgte ihm. Danton bedachte seine Begleiter mit einem unsicheren Blick. Dann nickte er ihnen zu und folgte Niada durch das schwarze Geröll.
»Weiter«, brüllte Trechos.
Roi Danton wurde es in dieser Situation immer unwohler. Wo waren die Riffaner? Jedes technologisch fortgeschrittene Volk hätte ihr Erscheinen doch längst bemerkt.
»Sieh mal«, flüsterte Kathy zu Nataly, doch Roi bekam es mit. Er ging zu den beiden Frauen.
Kathy deutete in den Wald. Roi versuchte in dem Dickicht etwas zu erkennen. Dann sah er einen der geflügelten Affen. Diese Wesen wirkte wie eine Kreuzung aus einem Pavian und einem Geier. Es hüpfte wild auf einem Ast herum.
»Er hat einen schwarzen Fleck auf dem Bauch. Genau den haben wir vorhin gesehen. Er folgt uns«, sagte Kathy.
Ein Vogelaffe, der ihnen folgte? Vielleicht wollte er nur etwas zu essen. Trechos drückte sich an Danton vorbei. Er zog seinen Strahler und schoss das Tier vom Baum.
»Problem erledigt.«
»Oh«, machte Roi entsetzt.
Doch plötzlich stürmten immer mehr dieser Vogelaffen auf die Bäume. Sie fingen an, laut zu kreischen. Jetzt wusste Danton, dass Trechos einen Fehler begangen hatte. Sie nahmen Früchte und warfen sie nach Menschen und Entropen. Trechos ballerte wild in den Wald. Die anderen Entropen taten es ihm nach.
»Aufhören! Wollt ihr denn, dass sie auf uns aufmerksam werden?«, rief Niada.
Sie schlug mit ihren Fäusten auf Trechos ein. Natürlich tat sie ihm damit nicht weh. Vielmehr wollte sie wohl ihre Aggressionen abbauen.
»Wir sollten umkehren«, riet Nataly.
Niada trat zu ihr und packte sie am Kinn.
»Kleines, wenn du hierbleiben willst, bitte. Wir gehen unseren Weg weiter.«
Kathy packte Niadas Arm und drückte ihn weg. Danton bemerkte bei der Hexe Verwunderung, ja sogar Verunsicherung.
»Euer Weg führt direkt in eine Falle. Da bin ich mir ganz sicher.«
Roi fand Kathys Einwand logisch.
»Wenn ihr mich fragt, sollten wir uns auf die Natur konzentrieren«, meinte Sato Ambush.
Was meinte er denn damit wieder? Danton blickte sich um. Jetzt fiel es ihm auf. Jede Menge Tiere umzingelten sie: die geflügelten Affen, Insektoiden, Reptilien, Raubkatzen. Die Erde erzitterte. Ein Erdbeben? Nein, dazu waren die Stöße zu regelmäßig. Das waren Schritte, die die Welt erschütterten! Bäume knickten um und ein mehr als zehn Meter hohes Wesen trat ihnen grollend entgegen.
Vier Beine, zwei kurze Arme an einem schmalen Torso. Der Kopf war nicht genau zu definieren. Das ganze Geschöpf war mit Erde bedeckt, oder bestand vielleicht sogar daraus. Trechos stürmte auf das Etwas zu, doch ein Bein wischte den Entropen einfach weg. Der Gigant landete unsanft im Dickicht.
»Jetzt reicht es!« Niada aktivierte ihr Kommunikationsgerät. »Wachmannschaft eingreifen!«
Das Untier gab seltsame Geräusche von sich. Dann fasste es sich in die Brust, grabschte hinein und holte die beiden Entropen von unserer Fähre heraus.
Er ließ sie fallen. Dann trat er auf sie und zermalmte sie.
Niada stieß einen Fluch aus. Sie befahl über ihr Kommunikationsgerät, dass die Raumschiffe angreifen sollten. War sie völlig des Wahnsinns? Die Gruppe bildete einen Kreis, war eingekesselt von den Tieren, Insekten und diesem Ding.
Am Horizont erkannte Danton die entropischen Raumschiffe. Sie wurden immer größer. Das Ding bemerkte die Raumer jetzt auch. Wieder gab es diese seltsamen Geräusche. Die Schiffe kamen näher und eröffneten das Feuer. Doch was dann geschah, war ein Schock. Auf einer Linie explodierten alle entropischen Raumschiffe. Nur die FLASH OF GLORY drehte ab und verschwand hinter dem Horizont.
»Nein!«, rief Niada.
Sie feuerte mit ihrem Strahler auf das Ding. Die Tiere sprangen los und griffen die Gruppe an. Danton wehrte den ersten Angriff eines Sauriers ab, doch es waren zu viele. Das Erdwesen trampelte die Entropen nieder. Niada stellte das Feuer ein und lief weg.
Plötzlich tauchten überall Gleiter auf. Sie umzingelten die Gruppe. Danton hob die Hände.
»Wir ergeben uns!«
Das Erdwesen brummte einen dumpfen Ton. Die Tiere ließen von den anderen ab.
Nur Trechos kämpfte weiter. Die Gleiter schossen auf ihn. Er verharrte in seiner Bewegung und fiel zu Boden. Danton vermutete Paralysestrahlen. Offenbar wollten die Riffaner Gefangene machen. Niada gab den Widerstand auf und kehrte zur Gruppe zurück.
»Exzellenter Plan, Hexe. Wie viele Tausend Jahre brauchten Sie, um sich diesen Schwachsinn auszudenken?«
Die Gleiter landeten und Wolfswesen und Zentauren stiegen aus. Sie umzingelten die Gruppe sofort.
»Wer seid ihr? Wieso wollt ihr Tohl 7612 mit einer Bombe vernichten? Redet!«
Danton blickte Niada an. Sie schaute verlegen auf den Boden. Eine Bombe? Wahrscheinlich befand sie sich in der Fähre. So langsam durchschaute Danton den Plan. Sollte Niadas Versuch fehlschlagen, die Koordinaten zu bekommen, hätte sie mit der Bombe vielleicht das Riff vernichtet, wenn der Satellit zurückgekehrt wäre.
»Hören Sie, wir sind Terraner. Die Dame in Rot und das Vieh in Blau sind Entropen. Wir wurden von denen entführt und wollen eigentlich nur wieder nach Hause.«
»Terraner? Dann seid ihr die Beherrscher von Siom Som? Gut! Die Hohepriesterschaft des Nistant wünscht Kontakt aufzunehmen.«
»Beherrscher? Unterdrücker sind sie«, rief Niada dazwischen. »Ebenso wie die Riffaner stehlen sie anderen Lebensraum. Deshalb ist es unsere Aufgabe, das Riff zu vernichten.«
»Halt die Klappe«, fuhr Kathy dazwischen. Sie wandte sich an den Zentauren. »Wie ist dein Name? Ich bin Kathy. Kathy Scolar, Frau … Braut des Saggittonen Aurec.«
Dem Zentauren schienen beide Namen nichts zu sagen.
»Tashree ist mein Name. Gegen Terraner haben wir nichts, sofern sie uns nicht mit einer Bombe zu zerstören gedenken. Entropen haben meinen Bruder Mashree getötet. Doch es liegt nicht an mir, euch zu richten. Wir werden euch dem Hohepriester von Thol 7612 vorführen. Er wird über eure Leben entscheiden.«
Aus den Chroniken Cartwheels
Jaaron Jargon
Die Sorge um meine Nichte Nataly und ihre Freundin Kathy wuchs ins Unermessliche, nachdem die entropischen Schiffe vernichtet wurden. Immerhin hatte der Denker an Bord der FLASH OF GLORY den Weitblick besessen, das Raumschiff zurückzuziehen.
Der Mondsatellit beschleunigte und wir folgten ihm in gebührendem Abstand. Was war geschehen? Offenbar war es zu Problemen auf dieser Welt gekommen. Niada hatte den Befehl zum Angriff erteilt, doch alle entropischen Schiffe wurden vernichtet, als sie eine bestimmte Höhe erreicht hatten.
Denker01201 zeigte sich äußert kooperativ gegenüber Saraah und Myrielle Gatto sowie meiner Wenigkeit. Offensichtlich war er verunsichert, nun, da er sich an Bord eines Raumschiffes befand, auf dem die Entropen in Unterzahl war.
»Ich will, dass wir Kontakt mit dem estartischen Widerstand aufnehmen. Wir müssen Boten nach Etustar entsenden. Ebenfalls müssen wir Vesus suchen. Und natürlich diesem Mond folgen«, schlug Saraah vor.
Ich betrachtete die hübsche Jerrer. Sie schien selbstbewusster zu sein als noch vor wenigen Wochen. Sie hatte wohl begriffen, dass sie nach der Ermordung von Arimad, Torrinos und Decrusian – neben Großadmiral Vesus – die letzte Führungsperson des dorgonischen Widerstands war. Zumindest vermutete jeder, dass sie ermordet wurden.
Denker01201 schwebte durch die Kommandozentrale. Ich blickte mit Unbehagen in die rauen Gesichter von Roland Meyers Getreuen. Hoffentlich würden sie keine unbedachten Dinge tun.
»Mir widerstrebt es zwar, Vorschläge von affenähnlichen Kreaturen wie den Menschen anzunehmen, doch Ihr habt recht. Die VIPER wird dem Mondsatelliten folgen, während wir nach Etustar aufbrechen.«
Denker01201 bildete eine Mannschaft aus vier Entropen und Corph de Trajn. Der Entrope wollte offenbar kein Übergewicht der Terraner an Bord der VIPER.
Nachdem die VIPER mit ihrer fünfköpfigen Besatzung ausgeschleust wurde, ging die FLASH OF GLORY in den Hyperraum und steuerte den Dunklen Himmel an. Meine Gebete gingen mit Nataly, Kathy und ihren Begleitern. Ich betete, dass ich sie gesund wiedersehen würde.
7. MODRORs Wille
Cauthon Despair
Je näher ich URUNGAAR kam, desto finsterer wurden meine Gedanken. Hass, Leid und Tod spielten sich in meinem Kopf ab. Es war die Suggestion meines Meisters MODROR. Der Emperador war kalkweiß, noch mehr als sonst. Offenbar hatte er Probleme, mit den destruktiven Gedanken zurecht zu kommen.
Ich landete die BREEN behutsam in einem der vielen Hangars. Cau Thon und Goshkan empfingen uns. Meine Brüder waren vom Kampf auf WANDERER gekennzeichnet. Besonders Goshkan war von Narben und Verbänden übersät.
Zögerlich stieg de la Siniestro aus dem Raumschiff und betrachtete den Hangar. Er war gewaltig. Mehrere hundert Meter hoch und breit. Nebelschwaden glitten auf dem Boden entlang. Das Material der Wände wirkte auf mich organisch. Wie abgestorbenes, faulendes Fleisch. Die Kreaturen, die hier arbeiteten, schienen aus der Hölle entsprungen zu sein. Neben den bekannten Geschöpfen aus Barym und den Dscherr’Urk huschten graue Gestalten in Kutten, kleine, rote Kobolde mit Hörnern und Giganten mit einem Auge durch die Gegend.
»Kommt mit. MODROR erwartet uns bereits.«
Cau Thon führte uns zu einer Treppe.
»Gibt es keinen Antigrav hier?«, fragte der Emperador entsetzt, als er auf die lange Treppe sah. »In meinem Alter …«
Ehe er den Satz zu Ende sprach, lösten wir uns auf und fanden uns in einem dunklen, kalten Raum wieder.
Die Wände waren schwarz. Es war feucht. Auch hier glitt Nebel über den Fußboden. In der Mitte des Saals stand ein Thron aus Knochen. Der Meister saß darin.
»Willkommen, meine Söhne.«
Vor dem Emperador schoss ein Sessel aus dem Boden.
»Nimm Platz, alter Spanier«, sagte MODROR sarkastisch. »Zwar ist Rhodan am Leben, doch ich bin mit Eurer Arbeit zufrieden. Schon bald wird auch die Milchstraße in unseren Händen sein.«
De la Siniestro setzte sich keuchend in den Stuhl.
»Dennoch, unerwartete Komplikationen sind eingetreten«, fuhr MODROR fort. »Ein Volk namens Entropen hat uns den Krieg erklärt. Sie sind Alliierte DORGONs. Sie sind für den Diebstahl der FLASH OF GLORY verantwortlich und wollen das Riff erreichen. Riff, so eure Bezeichnung im Interkosmo. In der hiesigen Sprache wird es im Ganzen Resif-Sidera genannt. Rideryon ist der Name der Landmasse. Die Entropen sind rücksichtslos und brutal. Jedes Mittel wird ihnen recht sein, um meine Pläne zu vereiteln. Jedes!«
Die Worte des Meisters waren eindringlich. Er nahm offensichtlich die Entropen sehr ernst.
»Was verlangt Ihr von uns, Señor MODROR?«
MODROR erhob sich.
»Rideryon ist von besonderer Wichtigkeit. Der Beherrscher des Resif-Sidera besitzt ungeahnte Macht. Deshalb darf Rideryon weder in die Hände Rhodans noch der Entropen fallen. Wir müssen es beherrschen!«
Cau Thon nickte andächtig, während Goshkan grollend knurrte. Ich fragte mich, wo Rodrom war? Wieso nahm er nicht an dieser wichtigen Besprechung teil?
»Sollen wir eine Invasion in dieses Riff starten? Was ist das genau? Ich gebe außerdem zu bedenken, dass quarteriale Truppen an sehr vielen Kriegsschauplätzen kämpfen. Ich befürchte …«
MODROR hob die Hand. Der Emperador brach den Satz ab. Der Meister wanderte im Raum umher.
»Ich verstehe Eure Bedenken, Spanier. Verhängt Frieden in den estartischen Galaxien, setzt korrupte Einheimische ein, die für Ruhe sorgen sollen. Dadurch habt Ihr neue Kapazitäten. Der Krieg in M 87 muss schnell entschieden werden. Ebenso der Angriff auf die Milchstraße. Ich stelle Euch die Flotten URUNGAARs zur Verfügung.«
»Danke, Sire …«
»Gründe unverzüglich ein Riff-Korps, Despair. Cau Thon, du und Goshkan werden eine Armee bester Dscherr’Urk für das Riff ausbilden. Wappnet euch für den Krieg gegen die Entropen. Wir werden sie ausrotten.« Er machte eine Pause. Die Augen unter der Kutte fingen an zu glühen. »Natürlich nachdem wir den Standort des entropischen Volkes in Erfahrung gebracht haben. Niemand ist der Macht MODRORs gewachsen.«
Thon verneigte sich. MODROR deutete uns an, den Raum zu verlassen.
»Du nicht, Cauthon.«
Ich blieb stehen, drehte mich um und sah meinen Herrn und Meister an. Während die anderen drei die Halle verließen, wanderte MODROR erneut im Saal umher.
»Ich spüre deinen Konflikt, mein Sohn. Du bist hin- und hergerissen zwischen Liebe und Hass. Deine Zuneigung gegenüber hübschen Frauen und deiner Rasse machen dich anfällig. Ich fühle Zweifel, Unsicherheit …«
Diese Worte waren wie ein Pfeil direkt ins Herz. Ich fühlte mich wie ein kleiner Schuljunge, der beim Schummeln erwischt wurde. Die Angst war enorm. Furcht, MODROR enttäuscht zu haben, Angst vor Bestrafung.
»Du suchst die Liebe und Geborgenheit einer Frau. Welcher Mann tut dies nicht? Ich verstehe das. Vor Äonen, einer Zeit weit, weit in der Vergangenheit, dachte ich auch so.«
Das überraschte mich. MODROR hatte selten über seine Vergangenheit gesprochen. Ich wusste um seine Entstehung, um das kosmische Projekt der Alysker. Was davor geschah, war mir bis dato gänzlich unbekannt.
»Es gab einst einen naiven Jungen voller Ambitionen. Er wollte seinen Planeten verändern. Erst spät erfuhr er, dass er ein Auserwählter war. Doch dieser Segen wurde ein Fluch. Er war ein Held in einer Welt, die keine Heroen benötigte. Dieser junge Mann suchte nicht nur Bestätigung für seine Aufgabe, sondern auch die ewige, reine Liebe. Er glaubte, sie gefunden zu haben, doch es endete in Tod und Chaos. Mit ihrem Dahinscheiden starb auch sein Herz, und er beschritt den langen Weg durch die Hölle.«
»Meister? Redet Ihr von Euch?«
MODROR blieb stehen und sah mich an. Seine glühenden Augen funkelten nur schwach.
»Nicht alles ist teuflisch geboren worden. Doch Hass ist mächtiger als Liebe. Hass erzeugt Stärke, Liebe bringt Schwäche hervor. Aus Liebe handelt man unvernünftig, ist willenlos und bereit, alles für das geliebte Geschöpf zu tun, voller Angst, die Gunst könnte sich gegen einen wenden. Paralysiert vom Rausch der Lust und des Miteinanders ist man nicht fähig, Großes zu vollbringen. Hass hingegen spornt an. Es ist ein dauerhafter Motivator, bis die Rache vollzogen ist.«
Ich verstand, worauf er hinauswollte. Meine Liebe zu Myrielle Gatto war ihm ein Dorn im Auge. Zu Recht … natürlich lenkte sie mich ab. Ich stellte mir die Frage, ob wir im Unrecht waren. Ich durfte das meinem Meister jedoch niemals so offen sagen. Doch in Wahrheit spürte er ja bereits meine Zweifel.
»Du, Cauthon, bist mein Sohn. Nicht nur als Metapher für meine Elitegruppe, die Söhne des Chaos.« Er machte eine Pause, ging auf mich zu. MODROR legte seine Hand auf meine Schulter. »Aus meinem Blut und Fleisch bist du entstanden. Du bist mir näher als jeder andere. Du bist meine Zukunft!«
»Was?«
Ich verstand nicht so recht. Meine leiblichen Eltern waren Ivan und Selina Despair gewesen. Ihnen war ich entsprungen. War ich doch?
»Selina war deine Mutter, denn sie hat dich ausgetragen. Du trägst auch ihre Gene in dir. Doch Cau Thon hat während der Schwangerschaft meine Gene hinzugefügt. In deinen Adern fließt das Blut der Sargomoph. Meine DNA!«
Das durfte nicht wahr sein. Das war unmöglich! Ich eine Art Sohn von MODROR? »Du bist doch gar nicht stofflich. Woher sollte bitte das Genmaterial stammen?«
MODROR lachte zum ersten Mal.
»Jedes höhere Wesen hat einen körperlichen Ursprung. So auch ich, und Teile dieses Körpers sind erhalten und konserviert. Ich wollte einen Sohn, einen würdigen Nachfolger.«
»Nachfolger? Aber …«
»Eines Tages werde ich aufsteigen in der Hierarchie des Kosmos. Schon bald wird dies der Fall sein. Ich benötige einen Regenten im normalen Universum. Das bist du!«
»Wieso ich? Warum nicht Rodrom oder Cau Thon? Der Emperador?«
»Weil du alle Eigenschaften besitzt, die einen weisen Herrscher ausmachen. Und leider gehört ein Herz dazu. Rodrom besitzt keines. Von Geburt an ist Rodrom herzlos. Cau Thon ist zu kalt geworden. Das Feuer brennt in dir. Du musst nur den richtigen Weg einschlagen.«
Was meinte mein Meister damit? Mein … mein Vater? Es war schwer zu verarbeiten. Ich war demnach eine Mischung aus MODROR und den Terranern, die ich meine Eltern nannte.
Ein Sargomoph und ein Terraner. Was auch immer ein Sargomoph war. Und MODROR war in diesem Sinne mein Vater. Ich hatte mir immer einen Vater gewünscht. Jemand, mit dem ich über alles reden konnte, der ein Vorbild war. Doch MODROR war sicherlich kein geselliges Wesen. Es war sowieso ungewöhnlich, wie offen er mit mir sprach.
Noch nie hatte ich den Kosmotarchen so erlebt. Aber immerhin hatte er mir gerade erklärt, ich sei von seinem Blute und wäre sein designierter Nachfolger in diesem Universum. Sein Auserwählter. Schon immer wusste ich, vielmehr hoffte ich, ein Auserwählter Gottes zu sein. MODROR war gottgleich für uns sterbliche Wesen. Und offenbar suchte er nach einer Daseinsform, die ihn als echten Gott klassifizierte. Ich war sein Nachfolger. Der Beherrscher des Universums. Bezwinger von Perry Rhodan und den Kosmokraten sowie den Chaotarchen. Damit würde ich die Menschheit in meinem intergalaktischen Imperium zu ungeahntem Ruhm führen.
MODROR ließ sich wieder auf seinen Thron nieder.
»Deine Wunden sind geheilt, mein Sohn. Du benötigst diese Maske nicht mehr und dennoch solltest du sie nicht ablegen. Sie bedeutet Respekt, Furcht und Macht zugleich.«
MODROR schnippte mit den Fingern, mein Visier öffnete sich von allein, der Helm stieg über meinem Kopf in die Höhe und fiel zu Boden. Ich tastete vorsichtig mein Gesicht ab. Keine Narben, keine Deformierung mehr. Ein Wunder! MODROR hatte mich geheilt. Es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl, endlich ein normales Gesicht zu besitzen. Mein Körper war immer noch geschunden, doch durch den Stahl in meinen Knochen kräftig. Ich wischte die verschwitzten, langen Haare aus meinem Gesicht. Offenbar musste ich mir angewöhnen, auf meine Frisur zu achten.
»Danke, Meister!«, jubelte ich.
»Als zukünftiger Beherrscher meines Universums sollst du nicht abschreckend aussehen. Weißt du, irgendwie kommt mir mein erster Mord gerade in den Sinn. Kannst du dich daran auch noch erinnern? Wen du zuerst getötet hast?«
Ich dachte angestrengt darüber nach. So viele Tote hatte ich hinterlassen. Doch der erste Mord oder die erste Tötung war etwas Besonderes. Danach sank die Hemmschwelle, jemandem das Leben zu nehmen. Es war kurz nach meiner »Wiedergeburt« als Silberner Ritter geschehen. Ein Agent der Mordred hatte mich kritisiert und beleidigt. Ich fühlte mich so gereizt, dass ich ihn erwürgt hatte. Nie wieder wollte ich damals zum Gespött anderer werden. Und so war er durch meine Hand gestorben. Seltsam, aber nur ganz kurz hatte ich Angst oder Reue gespürt. Genugtuung und Zufriedenheit hatten überwogen. Es war mir damals so verkommen, als hätte ich etwas längst Überfälliges erledigt.
»Damals, zu jener Zeit, als ich noch vom körperlichen Dasein geprägt war, lebte ich in einer dunklen, tristen und grauen Welt. Besitz und Kommerz regierten, es gab keine Werte, keine Ehre. Nur Gier«, sagte MODROR und erhob sich. »Den Namen des Unglücklichen kannte ich nicht. Ich erschoss ihn im Krieg auf Befehl der Herrscher Sargomophs. Seinen Tod wollte ich nicht, doch er war richtig gewesen, denn er stärkte mich.«
MODROR wandte sich mir zu. Seine Augen glühten.
»Jahre später verging die Zivilisation in meinem Hass. Jedoch starben auch Gerechte in jenen Tagen. Und die eine, die hätte niemals sterben dürfen.«
Nun wirkte mein Meister wieder ernst und düster wie eh und je. Er wandte sich von mir ab, starrte auf den Nebel, als könnte er den Fußboden durch die Schwaden erkennen.
»Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden. Doch eine Wunde wird mit der Zeit zu Schmerz, und der Schmerz zum beständigen Hass in alle Ewigkeiten.«
Was wollte mir mein Herr damit sagen? Ein so offenes Gespräch hatten wir seit meiner Zeit in MODRORs Castle nicht mehr geführt. Er offenbarte viel aus seinem Inneren. Es war alles schwer zu begreifen.
»In Kürze werden wir Wolfenstein erreicht haben. Dann werde ich Perry Rhodan offenbaren, was Schmerz wirklich bedeutet!«
MODROR gebot mir zu gehen. Ich verneigte mich vor meinem Vater, meinem Herrn und Meister.
Am liebsten hätte ich sofort meinen Helm geöffnet, doch ich hielt mich zurück. In meiner Kabine auf der EL CID würde ich mein neues, schönes Gesicht bewundern. Nun war ich perfekt! Ein starker Krieger, ein Genie, und kein Monster mehr. Die Frauen würden mir zu Füßen liegen, schließlich sollte ich eines Tages das Universum im Namen MODRORs beherrschen, in einem neugeordneten Weltall.
Meinem Imperium …
Sklaven der Diktatur
Paxus, 28. April 1307 NGZ
Werner Niesewitz war immer noch von den vergangenen Ereignissen auf der FLASH OF GLORY echauffiert. Seine Arbeit erledigte sich jedoch nicht von allein. Der Fall Friedrich war seit mehr als zwei Wochen in vollem Gange.
Seit dem ersten Schuss eines quarterialen Raumschiffes auf einen LFT-Kreuzer hatte die Internierung von LFT-Bürgern begonnen. Natürlich nutzte die Cartwheel Intelligence Protective diese Aktion, um das Quarterium von unerwünschten Personen zu säubern.
Die Liste war lang: Außerirdische, aufständige Akonen und Saggittonen, Sozialromantiker, asoziale Schmarotzer, Homosexuelle, irreparabel Behinderte, fanatische Religiöse und Hippies.
Alles, was nicht ins System des Quarteriums passte, musste entsorgt werden. Solange, bis es nur noch eine starke Herrenrasse unter der Führung des perfekten Menschen gab. Das war Niesewitz’ Ziel. Es deckte sich mit jenem des Emperadors und dessen Auftraggeber. MODROR war ihrer aller Herr, wie Niesewitz nun wusste.
Einzig der Verlust der FLASH OF GLORY war bedauerlich. Doch es lag nicht in seiner Macht, dieses Schiff wieder zurückzubringen. Die Entropen waren eine neue Gefahr. Hoffentlich alliierten sie nicht mit den Terranern. Alles lief jedoch darauf hinaus, es sei denn, Rhodan würde mit seinen ethischen und moralischen Grundsätzen eine Allianz mit den brutalen Entropen ablehnen.
Niesewitz’ Aufgabe war es jedoch, mehr über dieses Volk herauszufinden. Deshalb hatte er auch die Leichen der drei Entropen und der drei Riffaner wieder aus der Kältekammer geholt, um sie genauer untersuchen zu lassen.
Helga unterbrach ihn in seinen Gedanken. Sie kam mit einer attraktiven Brünetten ins Büro.
»Herr Niesewitz, das ist Virginia Nicole Mattaponi, meine Nichte. Sie arbeitet ab heute hier.«
Niesewitz begutachtete das hübsche Ding. Lange braune Haare, strahlende braune Augen, üppige Brüste, ein draller, kleiner Körper. Jung und frisch. Das gefiel ihm.
»Sehr erfreut, liebe Virginia. Ihre Tante ist mir gegenüber stets loyal und eine wahrliche Stütze in meinem schweren Arbeitsalltag. Weshalb möchten Sie dem Quarterium dienen?«
Virginia Mattaponi grinste.
»Ich will Cauthon Despair kennenlernen. Ich bin sein größter Fan. Er ist mein Idol, mein Held. Der Größte im ganzen weiten Universum!«
»Soso«, meinte Niesewitz etwas entnervt.
Plötzlich fing es an, in seinem Kopf zu rattern. Die Kleine könnte noch nützlich werden. Vielleicht konnte die CIP mehr über Despair herausfinden, vor allem über seine Aktivitäten mit MODROR. Despairs Schwäche waren die Frauen. Er war auf der Suche nach der Liebe seines Lebens und nur allzu leicht einer Frau zugetan, die ihm Beachtung schenkte. Mit so einem Fan wie Virginia Mattaponi, die Despair anhimmelte, würde er sich schnell anfreunden. Niesewitz musste nur noch einen Weg finden, wie sie ihm Informationen beschaffte.
»Kindchen, Sie kommen wie gerufen«, sagte er und stand auf. Sein Lächeln gefror, die Miene wurde ernst. »Ich mache mir große Sorgen um Despair. Ich fürchte, er ist von falschen Leuten umgeben. Doch wie kann ich ihm nur helfen, wenn ich nicht weiß, was um ihn herum geschieht? Das müsste jemand machen, den Despair an sich heranlässt. Doch Despair ist immer unnahbar.«
Mattaponi starrte Niesewitz grübelnd an. Dann fing sie an zu lächeln.
»Ich habe eine Idee! Wenn Sie mich Despair vorstellen, würde ich Ihnen helfen. Es wäre mein sehnlichster Wunsch, in Cauthons Nähe zu sein. Er ist mein Idol, mein Held, mein …«
»Ja, das hatten wir schon«, fuhr Niesewitz dazwischen. »Eine brillante Idee, Miss Mattaponi. Ich werde es arrangieren, dass Sie in seinen Stab kommen. Den Rest müssen Sie selbst übernehmen. Und mich regelmäßig über sein Handeln informieren. Nur so kann ich ihm helfen. Können wir ihm helfen. Aber er darf nichts davon erfahren. Ich befürchte nämlich eine Trotzreaktion. Er ist so schrecklich stolz …«
»Eine Eigenschaft, die ich an ihm liebe.«
»Die aber auch zu seinem Tod führen kann.«
Mattaponi wurde ernst.
»Das will ich nicht. Ich helfe ja. Oh, Mann, ich freue mich so! Ich treffe tatsächlich Cauthon Despair!«
Sie hüpfte vergnügt auf der Stelle. Niesewitz schüttelte den Kopf. Er bat Helga, ihre Nichte hinauszubegleiten. In sehr freundlichem Ton, denn vielleicht konnte das naive Ding ja noch nützlich werden.
Niesewitz nahm wieder an seinem großen Schreibtisch Platz und wandte sich weiteren Problemfällen zu: Rosan Orbanashol-Nordment, Uthe Scorbit und Yasmin Weydner. Alle befanden sich im Palast von de la Siniestro und genossen das Privileg, als Gäste behandelt zu werden. Diese lästige Halbarkonidin sollte sogar de la Siniestros Frau werden. Wenn es ganz schlimm kam, gab es eine Doppelhochzeit, denn des Emperadors ältester Sprössling machte Uthe Scorbit deutliche Avancen. Yasmin Weydner war nur Beiwerk, unbedeutend und ungefährlich.
Die anderen Weiber mussten weg. Niesewitz grinste. Es gab eigentlich nur einen Platz, an dem sie gut aufgehoben waren: Objursha!
*
Rosan Orbanashol-Nordment lag gelangweilt auf der purpurfarbenen Liege und starrte an die verzierte Decke. Sie lebte in einem goldenen Käfig auf Siniestro. Es fehlte ihr an nichts – außer an Freiheit.
Sie spielte mit dem seidenen Stoff ihres silbernen Kleids. Der Emperador hatte ihr es geschenkt. Es war oben herum eng geschnitten, der Ausschnitt tief. Unter den Hüften wurde das Kleid breiter. Zwei seitliche Einschnitte entblößten Rosans Beine. Die silbernen Schuhe waren offen und elegant. An sich war das Kleid ein Traum, doch es bedeutete Rosan nicht viel.
Das Kleid hatte für den Emperador nur einen Sinn: sich an Rosan aufzugeilen, ihre weiblichen Rundungen anzugaffen und zu hoffen, sie würde es freiwillig vor ihm ausziehen. Doch lieber würde sie sterben!
Obwohl für ihr leibliches Wohl gesorgt war, hatte sie die letzten zwei Wochen erneut als eine Hölle erlebt. Alles erinnerte sie an jene Zeit zurück, als sie Attakus Orbanashols Verlobte war und im arkonidischen Adel die Rolle des Aschenputtels einnahm. Ungeliebt, aber akzeptiert lebte sie in einem prunkvollen Gefängnis.
Mit Grausen dachte sie an die de la Siniestros. Bis auf die naive, aber freundliche und ehrliche Brettany waren es furchtbare Zeitgenossen. Don Philippe begehrte sie, seine Tochter Stephanie hasste sie und Peter war völlig krank, ein gefährlicher Irrer.
Es klopfte. Rosan stand seufzend auf und öffnete die altertümliche Tür auf die einzig mögliche Weise: mit dem Türgriff. Der Posbi Diabolo stand vor ihr. Sein Kopf voll bunter Lichter blitzte und blinkte.
»Der Emperador erwartet Euch. Die Gäste sind soeben erschienen.«
Rosan nickte.
»Welche Freude. Dann wollen wir sie mal nicht warten lassen …«
»Mhm«, machte der Posbi nur und glitt voran.
Rosan folgte ihm und dachte an die Gäste des Emperadors. Es war die dorgonische Delegation. Die Kaiserin höchstpersönlich reiste mit Legat Falcus zu einer Besprechung an. Eigentlich war es ja ein Kaiser, doch Elgalar – seines Zeichens transsexuell – bestand darauf, als heißeste Schlampe von Dorgon bezeichnet zu werden. Rosan fand das grotesk. Gleich ob Mann oder Frau, wer sollte darauf stolz sein, als Schlampe bezeichnet zu werden?
Sie schritt in den Empfangsraum. Neben dem Spanier waren auch seine Kinder anwesend. Nur Orlando fehlte, er stand gegen die Liga Freier Terraner im Kampfeinsatz.
Stephanie hatte sich herausgeputzt, Brettany trat schlicht, aber elegant auf. Peter trug eine schillernde Uniform, die überhaupt nicht zum Rest der Erscheinung passte. Nun kam auch Uthe Scorbit hinzu. Offenbar hatte sie sich schon gut eingelebt. Rosan hatte die letzten beiden Wochen so gut wie gar keinen Kontakt zu ihr gehabt. Es wurde Zeit, sie auszufragen.
»Wie behandelt man dich?«
»Ausgezeichnet. Nach den Strapazen am Sternenportal lebe ich hier wie eine Prinzessin. Orly schreibt mir jeden Tag.«
»Das klingt so, als würde es dir hier gefallen?«
Uthe musterte Rosan abfällig.
»Dir etwa nicht? Ich werde behandelt wie eine Dame. Orly ist galant, charmant und zuvorkommend. Ganz anders als Remus. Ich habe meine Scheidung vor einem quarterialen Gericht beschleunigt und bin nun eine freie Frau.« Sie blickte schon regelrecht verliebt die de la Siniestro-Familie an. »So grausam ist das Quarterium nicht. Diese Familie ist warmherzig. Solche Menschen können nichts Schlimmes tun.«
Rosan verdrehte die Augen. War Uthe von allen guten Geistern verlassen? Langsam verstand sie, warum Remus mit ihr Schluss gemacht hatte. War Uthe wirklich so eine egoistische, unnahbare Schnepfe? Rosan wollte es nicht glauben, aber offenbar arrangierte die Scorbit sich deutlich besser mit ihrem neuen Leben, als es Rosan tat.
Eine Fanfare erklang und die beiden Ehrengäste betraten den Saal. Sie wurden von zahlreichen Würdenträgern begleitet.
Elgalar schenkte Peter lüsterne Blicke. Rosan wollte sich gar nicht vorstellen, was die beiden miteinander anstellen würden. Falcus wirkte erhaben und arrogant wie eh und je.
Die Begrüßung war unehrlich, übertrieben und viel zu überschwänglich, fand Rosan. Jeder lachte, scherzte und tat, als sei man seit Jahrhunderten eng befreundet.
Elgalar fand Stephanies Kleid ganz ausgezeichnet und erkundigte sich nach dem Schneider. In Stephs Augen erkannte Rosan, dass sie ganz und gar nicht begeistert von dem neuen Kaiser war. Im Grunde genommen war er auch eine Witzfigur. Es wäre so, als wenn Rosan sich ihr Haar kurz rasierte, einen Bart anklebte, Männerklamotten trug und darauf bestand, als »tollster Gigolo von Cartwheel« bezeichnet zu werden. Jedes Wesen sollte zwar nach seiner oder ihrer Überzeugung leben können, doch für Rosan hatte dieser Elgalar gar keine ernstzunehmende Überzeugung.
Am Tisch wurde die Stimmung ernster, als in der Diskussion die inneren Unruhen in Dorgon angesprochen wurden. Mehr als zwei Dutzend Sonnensysteme hatten sich in den letzten zwei Wochen vom Reich abgespalten. Es gab Unruhen nach dem Tod von Commanus und Arimad. Keiner jedoch verlor ein Wort darüber, wie es geschah. Rosan war sich sicher, dass drei Menschen genau Bescheid wussten: Elgalar, Falcus und der Emperador.
»Was gedenken Sie gegen die Unruhe zu unternehmen?«, fragte Stephanie Falcus.
»Nun, wir werden mit harter Hand durchgreifen. Die rebellischen Systemsenatoren hoffen auf die Unterstützung durch Vesus’ Flotte. Leider muss ich zugeben, dass sich den Rebellen inzwischen vierunddreißigtausend Schlachtschiffe angeschlossen haben. Doch sie sind kopflos. Das wird uns in die Hände spielen.«
Falcus blickte den Emperador an.
»Seien Sie gewiss, Dorgon wird nicht noch einmal wanken.«
»Das will ich hoffen, Legat. Es wäre bedauerlich, wenn ich meine Truppen nach M 100 abkommandieren müsste.«
Falcus blickte de la Siniestro geschockt an. Doch für den Emperador war das Thema offenbar erledigt, denn er wandte sich an Rosan und fragte, ob es ihr schmecke.
Als sie antworten wollte, erhob Elgalar plötzlich das Wort.
»Sie haben uns noch gar nicht gesagt, warum diese Zicke mit uns am Tisch sitzt. Dieses fette Vieh! Ich bin viel schlanker und meine Brüste sitzen viel straffer.«
Der Emperador bekam einen Hustenanfall, Brett fing an, lauthals zu lachen, und Rosan war sich sicher, dass sie die Situation ausnutzen sollte. Sie nahm eine Schüssel mit Sauce und schüttete Elgalar den Inhalt ins Gesicht.
Brett lachte immer noch, alle anderen nicht mehr. Elgalar schrie und kreischte wie am Spieß.
»Ich schlag die Schlampe tot!«, rief der Kaiser Dorgons. »Das ist unerhört, du blödes Miststück. Ich kratz dir die Augen aus.«
»Im Interesse aller wäre es angebracht, wenn Miss Orbanashol-Nordment auf ihr Zimmer geht«, meinte Diabolo.
Rosan ließ sich die Aufforderung nicht entgehen. Sie war ohnehin froh, mit diesen Leuten nicht länger als nötig an einem Tisch sitzen zu müssen. Sie stand auf, machte einen höflichen Knicks und eilte in ihr Zimmer, in dem sie die Ruhe genoss.
So konnte es auf Dauer nicht weitergehen. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um Siniestros Klauen zu entkommen.
*
Sehr geehrter Perry Rhodan,
dies wird der letzte Brief sein, den ich an Sie schreiben werde. Ich denke, in Zukunft werden wir uns des Öfteren sehen. Zumindest, wenn ich den Versprechungen des Quarteriums Glauben schenken darf. Andernfalls sind diese Zeilen vielleicht das Letzte, was Sie von mir lesen werden.
Wir wurden aufgefordert, unverzüglich das Quarterium zu verlassen. Der LFT-Botschaft wurde politische Immunität garantiert. Ein Privileg, dass nicht alle Bürger der LFT in Cartwheel genießen. Nur wenige dürfen die Galaxis verlassen. Viele werden interniert. Die Stimmung ist sehr gegen die Liga. Ich bin fassungslos über den Hass, den uns die Bevölkerung entgegenbringt. Ebenso unbegreiflich ist mir die Verherrlichung des Emperadors und seines Regimes.
MODROR ist nun die heilige Entität, die den Frieden bringen wird. DORGON und Rhodan sind die Bösen, die versuchen, die Menschheit zu unterjochen. Ihre Zeit sei abgelaufen. Die neue Menschheit besteigt den Thron. Viele jubeln und skandieren den Wunsch, Terra zu besetzen als Heimat der Menschheit.
Andersdenkende schweigen, weil sie Angst haben, in einem Entsorgungslager zu landen. Demonstrationen gibt es nicht. Wenn tapfere Menschen gegen die Diktatur aufbegehrten, so würden sie spätestens jetzt zum Schweigen gebracht. Seit zwei Wochen läuft das »Unternehmen Friedrich« unter der Leitung von CIP-Chef Niesewitz. Es ist eine Gleichschaltung und ein Aufräumen unter allen, die gegen das Quarterium sind. Nun braucht das Quarterium nicht mehr auf sein Image in der Milchstraße zu achten.
Immerhin sind hier keine Anhänger und Armeen MODRORs stationiert. Offenbar will das Quarterium diese Wesen fernhalten, um die Bevölkerung nicht zu schockieren.
Es gibt aber auch LFT’ler, die sich mit dem Imperium anfreunden. Uthe Scorbit zum Beispiel scheint es als angehende Ehefrau von Orlando auf Siniestro sehr gut zu gehen. Sie hat nach quarterialem Recht ihre Ehe scheiden lassen und wartet wohl nur darauf zu heiraten. Von ihrer Freundin Yasmin Weydner habe ich nichts gehört. Rosan Orbanashol-Nordment lebt als »Gast« auf Schloss Siniestro. Ich vermute, dass es ihr körperlich an nichts fehlt, sie jedoch dort nicht glücklich ist. Es wird große Propaganda gegen Sie und Ihre Freunde betrieben. Auch Ihr Sohn ist hier nicht mehr gern gesehen. Man lastet ihm den Diebstahl der FLASH OF GLORY an. Offenbar weiß das Quarterium jedoch nicht, wo er sich befindet.
Ich werde mich nun – so Gott will – auf den Weg nach Terra machen. Ich hoffe, wir werden Gelegenheit finden, miteinander zu reden. Auf diesem Wege möchte ich Sie vorab bereits bitten, mir das Kommando über ein Schlachtschiff zu geben. Ich bitte Sie darum, weil mir die Politik zum Hals heraushängt. Ich bin Raumfahrer und gehöre auf die Brücke eines Raumschiffes. Sie brauchen fähige Männer, die die LFT zum Sieg gegen dieses gottlose Imperium führen.
Ich verbleibe mit herzlichen Grüßen
Ihr Henry »Flak« Portland
*
Flak legte den Brief in ein Kuvert und übergab ihn seinem Adjutanten. Das war seine letzte Amtshandlung als Militärattaché in Cartwheel. Mit Wehmut verließ er sein Büro. Seine Frau Rhonda und Lester Slone befanden sich bereits an Bord der ANNAN. Er und sein Stab waren die letzten Terraner auf Paxus.
CIP-Beamte sicherten den Weg zu seiner Raumfähre. Wütende Bürger beschimpften ihn auf dem Weg zum Schiff. Portland las ein Plakat, das ihn erschreckte.
Wir kommen bald nach Terra und bringen Flotte und Emperador mit.
Etwas überrascht registrierte er, dass sein »Freund« General Mandor da Rohn vor dem Shuttle wartete. Flak ging auf ihn zu und blieb stehen. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Da Rohn sah ihn traurig an.
»Es tut mir leid, dass sich die Dinge so entwickelt haben. Ich wollte keinen Krieg der Brüder.«
Flak nickte. Und er wollte jetzt keinen Streit mit dem einzigen Mann im Quarterium, dem er vertraute.
Stattdessen reichte er ihm die Hand. Da Rohn ergriff sie und drückte fest zu. Es war eine stille, freundschaftliche Verabschiedung, die Flak etwas mit auf den Weg gab: Nicht jeder im Quarterium war böse. Er betrat die Fähre und blickte ein letztes Mal auf Paxus. Das Quarterium hatte tatsächlich Wort gehalten und ihn ziehen lassen. Vielleicht hatte da Rohn auch ein gutes Wort für ihn eingelegt. Vielleicht würde er ihn einmal wiedertreffen. Er hoffte nur, dass es nicht als Gegner auf einem feindlichen SUPREMO-Raumer sein würde.
Sturm auf Wolfenstein
Aurec, Fort Wolfenstein, 29. April 1307 NGZ
Zwei lange Wochen waren seit dem Desaster am Sternenportal vergangen. Ich trauerte Kathy hinterher. Wo war sie? Wie ging es ihr? Wir wussten nichts! Die Informationen waren zu vage. Offenbar war sie auf der FLASH OF GLORY gewesen, zusammen mit Nataly, Jaaron, Saraah und Roi Danton. Die FLASH OF GLORY war entführt worden und spurlos verschwunden.
Mir blieb nicht viel anderes übrig, als auf Kathys Überlebenswillen zu setzen. Irgendwie schaffte sie es. Sie war nicht mehr das naive, weinerliche Mädchen von damals. Sie war zu einer starken, selbstbewussten Frau herangewachsen. Eine Frau mit Weitblick und dem inneren Drang, das Universum besser zu machen. Ich spürte es in ihr. Sie hatte die klassische Heldenrolle angenommen. Ob es aus Überzeugung oder Liebe zu mir war, wusste ich nicht. Entscheidend war, dass sie es getan hatte.
Ein Grund mehr, wieso ich sie so sehr liebte.
An sie zu denken, gab mir Kraft, raubte sie mir jedoch genauso schnell wieder, sobald ich an mich herankommen ließ, dass sie nicht bei mir war. Nicht einmal zwei Tage waren mir mit ihr vergönnt gewesen.
Noch ein letztes Mal hätte ich gern ihr weiches, gewelltes Haar gestreichelt.
Noch ein letztes Mal hätte ich gern ihre samtene Haut berührt.
Noch ein letztes Mal hätte ich gern in ihre Augen geblickt, ein letztes Mal von ihren Lippen gekostet und sie in den Arm genommen.
Vorbei. Wieder war ich allein. Kathy war in meinem Herzen, in meinen Gedanken. Seit vielen Monaten war dies – und ein dreidimensionales Bild – das einzige, was mir von der Frau blieb, die ich liebte.
Perry Rhodan stupste mich an.
»Versinke nicht wieder in Melancholie. Das können wir jetzt nicht gebrauchen.«
Ich sah Perry an und wusste sofort, dass er recht hatte. Ich durfte nicht in Selbstmitleid zerfließen.
Die Leute brauchten mich. Außerdem bestand immer noch Hoffnung. Kathy war inzwischen ein starkes Mädchen. Ich würde sie wiedersehen. Ja, ich würde sie wiedersehen! Mit neuem Schwung sprang ich auf und blickte in Perrys graublaue Augen. Ich versuchte, so entschlossen wie möglich zu wirken.
»Ich befürchte jeden Tag einen Angriff des Quarteriums auf Wolfenstein. Ich hoffe, die Defensivbewaffnung des Planeten hält stand.«
Perry wollte keinen Krieg in der Milchstraße. Er wollte die Entscheidung dort suchen, wo es keine Zivilisten gab.
Doch auf Wolfenstein gab es welche. Familien der Raumfahrer, Flüchtlinge der Raumstationen, Händler und Kolonisten von Wolfenstein. Aber es waren insgesamt »nur« wenige Millionen auf diesem Planeten, nicht Milliarden wie in den Metropolen der Milchstraße.
Als wir vor einer Woche auf Wolfenstein ankamen, inhaftierten wir zuerst die quarterialen Truppen. Sie wussten nichts von der Kriegserklärung und waren ebenso überrascht. Es hatte sogar nicht wenige Soldaten gegeben, die sich der LFT anschlossen.
Die Evakuierung der Zivilisten ging sehr schleppend voran. Priorität hatte die Stärkung der Defensive. Bodengeschütze, Raumlenkkörper, Schutzschirmgeneratoren, Raketenabschussbasen. All das musste aufgerüstet, auf Tauglichkeit überprüft und einsatzbereit gemacht werden.
Die Alarmsirenen heulten auf. Ich blickte zu Perry. Nun war es soweit! Der Angriff begann.
Perry Rhodans Devise war klar: Stellung halten, bis die Evakuierung abgeschlossen war. Er wollte keine entscheidende Schlacht über Wolfenstein, da er wusste, er würde sie verlieren. Mehr als achtzig Prozent der Flotte war bereits Richtung Andromeda aufgebrochen. Dennoch wollte er dem Quarterium diese wichtige Basis nicht kampflos überlassen. Sofort begannen die Defensivwaffen ihr Feuer und beschossen die angreifenden Schlachtschiffe.
Joak Cascal befehligte mit Remus Scorbit, Jonathan und Gal’Arn unsere Bodentruppen. Ihnen standen zwei Kompanien der 777. Raumeingreifdivision zur Seite.
Ich ging zu Perry. Er sah mich ernst an.
»Hätte ich alles hier auf eine Karte setzen sollen, Aurec?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein! Deine Entscheidung war weise. Sie rettet Leben. Wir haben wichtiges Material mitgenommen und sollten jetzt so schnell wie möglich fliehen.«
Rhodan nickte. Er stellte Verbindung zu Admiral Higgins her.
»Higgins, halten Sie sich so gut wie möglich aus der Schlacht heraus. Die Defensivwaffen sollen das Quarterium hinhalten, bis wir alle evakuiert haben. Und dann nichts wie weg zum vereinbarten Sammelpunkt.«
Die Schlacht
Cauthon Despair
»Hurra Quarterium! Hurra, Hurra, Hurra!«, brüllten die Soldaten der 501. Division, als sie den Boden des Planeten berührten.
Tausende Grautruppen, Terraner und Arkoniden stürmten aus den Landungsfähren. Shift-Panzer und schwere Artillerie landeten direkt daneben. Es gab kaum Widerstand. Die LFT-Truppen hatten sich in die Bastion zurückgezogen und warteten auf die Evakuierung. Zuletzt stiegen Orlando de la Siniestro, Alcanar Benington und ich selbst aus.
»Fast wie eine Grillparty«, meinte Generaloberst Benington amüsiert. »Die Moral unserer Soldaten ist hoch. Die sind bereit, bis nach Terra zu marschieren und Rhodan mit dem Arsch voran aus der Residenz zu werfen, Sir!«
»Es beängstigt mich, dass es unseren Soldaten so wenig ausmacht, gegen ihre Brüder zu kämpfen«, warf Orlando ein.
In der Tat war der Vormarsch eher eine Vergnügungstour aufgrund des geringen Widerstands. Die Artillerie donnerte los. Mit ohrenbetäubendem Lärm katapultierte sie die Geschosse in Richtung der Festung Wolfenstein. Vorerst fing der Schutzschirm die Energiesalven mühelos ab. Es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis er zusammenbrach.
Eine Kapelle marschierte, laut den Quarteriums-Marsch defilierend, aus einer Fähre. Ich beobachtete Benington. Er war voll in seinem Element. Doch so ganz nahm ich ihm das auch nicht übel. Das waren noch richtige Schlachten! Tausende von Soldaten marschierten auf, begleitet von Marschmusik, grenzenloser Euphorie und dem Willen, den Gegner zu besiegen.
Das war meine neue Menschheit! Das war das Quarterium! Im Grunde genommen frohlockte auch mein Herz bei diesem Kampf. Ich gab Orlando ein Zeichen.
»Ja, Quarteriumsmarschall«, bestätigte er und aktivierte sein Interkomgerät. »Großadmiral de la Siniestro an Flotte. Feuer frei auf Wolfenstein!«
Sekunden später begann das Inferno, in dem der Schutzschirm langsam, aber sicher zusammenbrach.
*
Das Bombardement über Wolfenstein brachte die endgültige Niederlage für die Liga Freier Terraner. Doch noch galt es, jenen in der Bastion Zeit zu verschaffen.
Joak Cascal sah zu Jonathan Andrews, Gal’Arn und Remus Scorbit hinüber. Es wurde Zeit für den Angriff. Fast fiel es ihm schwer, unter den vielen Divisionen des Quarteriums eine Auswahl zu treffen. Plötzlich entdeckte er Despair, de la Siniestro und Benington unweit von ihnen. Nun war das Ziel klar. Er blickte zu seiner Artilleriestellung. Drei Geschütze mit Tarnvorrichtung. Sie waren immer noch unentdeckt. Das würde sich sehr bald ändern.
»Feuer!«
Die Geschütze feuerten. Cascal gab seinen Männern ein Zeichen. Sie stürmten voran. Zeitgleich flog die letzte Fliegerstaffel auf dem Planeten einen Bombenangriff auf die hinteren quarterialen Linien. Cascal schnitt somit Despair von der Verstärkung ab. Brüllend und feuernd rannten die Soldaten auf die Quarterialen zu, die von dem Artilleriefeuer schwer getroffen wurden. Die Panzer kamen erst langsam in Formation zurück, doch nun stürzten sich die Jäger auf sie. Alles verlief nach Cascals Plan. Die Überraschung war ihre stärkste Waffe gewesen.
Cascal lief geduckt so schnell er konnte zum nächsten Graben. Neben ihm schlug eine Energiesalve ein. Die ersten quarterialen Geschütze feuerten wieder.
»Johnny soll die rechte Flanke nehmen, Remus die linke. Wir gehen durch die Mitte«, gab Cascal an sein Führungsteam weiter.
»Weiter!«, rief er und erhob sich aus dem Graben. Da prasselten ihm schon Energiesalven entgegen. Sie verpufften an seinem ID-Schirm, doch es reichte, um ihn wieder zurück in den Graben fallen zu lassen.
Zwei Jäger rauschten über seinen Kopf hinweg und ließen ihre Lenkbomben auf die Feinde fallen. Gleichzeitig belegten sie die feindlichen Stellungen mit einem Flächenbeschuss aus den Spezialdesintegratoren. Cascal hoffte, dass der Weg nun frei war. Die Energieanzeige seines Schutzschirms war auf zwölf Prozent zusammengeschrumpft. Zwei Treffer und er war tot. Doch es gab keine andere Wahl. Er sprang auf und rannte los. Die Soldaten folgten ihm. Rechts erkannte er aus den Augenwinkeln einen quarterialen Offizier. Cascal wirbelte den Strahler herum und drückte ab. Der Energieschuss brannte ein Loch durch den Hals des anderen Menschen. Er war sicher sofort tot. Es interessierte Joak im Moment nicht sonderlich. Seine Konzentration galt den nächsten Feinden. Nur noch wenige hundert Meter bis zu Despairs zerstörter Landefähre. Er war so nahe dran.
»Wie sieht es eigentlich mit Plan B aus?«, wollte Cascal von seinem Adjutanten und stellvertretenden Oberbefehlshaber der Freyt-Kompanie, Leutnant Daniel Ellroy, wissen.
»Alles klar, Sir. Drei Landefähren halten sich im Orbit bereit, um uns einzusammeln. Wir haben aber nicht mehr viel Zeit.«
Er schrie auf. Cascal drückte ihn zu Boden.
»Nichts, Sir. Streifschuss.«
Der Veteran des Solaren Imperiums begutachtete kurz die Wunde. Es war wirklich harmlos. Cascals Männer kämpften sich weiter vor. Immer mehr fielen hin und blieben regungslos liegen. Die Energien ihrer ID-Schutzschirme waren längst erloschen. Der Schutzschirm dahin, nun tötete jeder Treffer!
Die Quarterialen hatten sich zwischen den Wracks verschanzt. Doch die eigene Artillerie feuerte weiter und zersprengte die Deckung. Cascal gab Ellroy ein Zeichen. Dieser meldete dem Funker Soran Thommakk, er solle der Artillerie Bescheid geben, das Feuer einzustellen.
Cascal nahm zwei Soldaten mit. Einen jungen Schützen mit Namen Spike Orson und einen Hauptgefreiten namens Steve Corn und rannte mit ihnen zu einem Bombentrichter. Sie waren noch dreihundert lange Meter von Despair, de la Siniestro und Benington entfernt. Remus Scorbits Erster und Zweiter Zug waren auf gleicher Höhe. Jonathans Vierter Zug war schon bei den Wracks.
Orson gehörte eigentlich zum Ersten Zug. Er musste sich wohl verlaufen haben, vermutete Cascal wenig begeistert. Doch er hatte von dessen heldenhaftem Einsatz auf WANDERER gehört. Daher wusste er auch, dass Orson Scharfschütze war.
»Hören Sie, Orson. Sie werden mir Deckung geben. Hauptgefreiter Corn und ich greifen mit ein paar Männern Despair direkt an. Sie knallen jeden über den Haufen, der uns zu nahekommt. Sollte Ihnen Despair oder einer seiner Generäle vor die Linse kommen, zögern Sie nicht, sie ins Jenseits zu befördern.«
Orson nickte nur. Er fuhr das Helmvisier herunter, brachte sich in Position und legte an. Schon nach ein paar Sekunden erschoss er den ersten Quarterialen. Das gefiel Cascal. Er stupste Corn an.
»Los geht’s.«
»Was für eine ausgemachte Kacke ist denn das hier? Alles Penner und Idioten.«
Cascal ignorierte das Fluchen und rannte los. Fünf Mann folgten ihm. Nur noch zweihundert Meter. Remus Scorbit startete mit den anderen beiden Zügen nun auch einen Angriff. Cascal rannte weiter. Corn neben ihm wurde getroffen und stürzte laut fluchend zu Boden. Ein Soldat überholte Cascal. Dann trafen mehrere Salven seinen Körper und töteten ihn noch im Laufen. Joak warf sich zu Boden, legte an und feuerte auf jeden, der sich vor ihm bewegte. Dann lief er weiter.
Noch einhundert Meter.
Remus’ Männer hatten nun auch die Wracks erreicht. Cascal warf sich erneut zu Boden, gab dem Zug hinter ihm ein Zeichen zum Frontalangriff. Jetzt oder nie!
Wieder stürmte er los und endlich erreichte er die Wracks. Er stürmte hinüber, dort erwartete ihn bereits Generaloberst Benington. Benington legte die Waffe an, doch Remus Scorbit schlug plötzlich von hinten auf ihn ein. Benington riss sich los, taumelte zurück und fiel auf den Boden.
»Mister Scorbit. So treffen Meister und Schüler wieder aufeinander. Ich nehme an, Mister Andrews ist auch hier ganz in der Nähe?«
Remus zielte mit der Waffe auf Benington.
»Natürlich. Er wartet nur darauf, mit Ihnen abzurechnen.«
»Mit mir abzurechnen? Oh, was habe ich Ihnen denn getan, Sirs? Sie haben doch meine Karriere beinahe ruiniert! Aber das Quarterium gewinnt immer. Wir gewinnen diese Schlacht, diesen Krieg. Ihre Ehefrau. Ihnen bleibt nichts.«
Cascal bemerkte plötzlich Orlando de la Siniestro hinter Remus. Er legte an und schoss in de la Siniestros Bein. Remus drehte sich um, doch da griff Benington bereits von hinten an. Er feuerte erneut, um Remus zu schützen. Rechts huschte Gal’Arn an ihm vorbei und griff in den Kampf ein. Er rettete damit Remus’ Leben.
Cascal entschied sich, das Leben von Generaloberst Alcanar Benington und Orlando de la Siniestro zu beenden. Sie waren nun Feinde und ihr Verlust wäre katastrophal für das Quarterium. Plötzlich stand Despair vor ihm und donnerte ihm seine Faust ins Gesicht. Die Nase war sofort gebrochen, Cascals Gesicht blutverschmiert. Er ließ die Waffe fallen und spürte Despairs Pranke um seinen Hals. Cascal verlor den Boden unter den Füßen, er rang nach Luft.
»Und nun, lieber Joak Cascal, werden Sie endlich sterben.«
Doch der Silberne Ritter ließ ihn gleich wieder los, schrie auf und fiel zur Seite. Gal’Arn! Die LFT-Soldaten hatten inzwischen die quarterialen Truppen zurückgeschlagen. Despair stand auf und humpelte zu seinen Männern. Sie waren nur zehn Meter von Cascals Truppen entfernt, doch jede Partei verschanzte sich hinter den Wracks.
Ein Gewitter zog auf, doch es regnete nicht. Der Himmel verfärbte sich rot, schwarze Wolken verdunkelten das Schlachtfeld. Die Erde begann zu erzittern. Cascal sah sich entsetzt um. Auch die Quarterialen wirkten verunsichert.
»Dort«, rief Gal’Arn und zeigte nach links.
Dem Erdboden entstieg ein Wesen in schwarzer Kutte, mit glühenden Augen, von gleißendem Feuer umgeben.
»Das ist MODROR …«
Cascal schloss bei Gal’Arns Worten die Augen. Gegen den Kosmotarchen hatten sie keine Chance. Er gab sofort den Evakuierungsbefehl an die drei Raumfähren.
MODRORs Zorn
Cauthon Despair
Mein Vater war gekommen! Jetzt gab es kein Entrinnen mehr für die Terraner. Aus dem Himmel schossen drei Raumfähren und feuerten auf unsere Stellungen. MODROR wanderte auf die Festung zu.
Ohne unser eigenes Leben zu riskieren, hätten wir keine Chance, Cascal und seine Männer zu töten. Ich entschied mich, dass heute genug quarteriales Blut geflossen war. Es war nicht mehr nötig. Mein Vater würde alles in Ordnung bringen.
Panzer und Truppen marschierten gegen MODROR, doch er wischte sie einfach hinweg. Es war beeindruckend, ihm zuzusehen. Die Flucht von Cascal und Konsorten interessierte mich nicht mehr.
»Diese Feiglinge fliehen. Sollen wir denn nicht etwas tun?«, fragte Benington.
»Nein. Sehen wir MODROR zu und lernen«, erwiderte ich und hoffte, niemand würde mehr ein Wort sagen.
Die Schlacht hatte apokalyptische Ausmaße angenommen. MODROR wanderte durch die Massen. Jedes Wesen, an dem er vorbeischritt, zerfloss zu einer unförmigen Masse. Andere schleuderte er wie von Geisterhand durch die Gegend. Jäger und Geschütze feuerten auf den Körper meines Meisters, doch die Geschosse verpufften an einer unsichtbaren Sphäre.
MODROR blieb inmitten des Leichenfeldes, in einem Haufen Blut, Eingeweide und verflüssigten Körpern stehen und breitete die Arme aus. Die Erde erzitterte. Der Boden riss auf. Feuer und Wasser spien zugleich aus dem Erdreich. Der Himmel verfärbte sich rotschwarz. Blitze zuckten aus den Wolken, Tentakel züngelten aus dem Nebel und schienen nach den Fliehenden zu greifen.
Eine gewaltige Wasserfontäne schoss hoch und sammelte sich zu einer gigantischen Flut. MODROR schickte sie in Richtung der alliierten Truppen. Die Welle brauste über sie hinweg, zog jeden mit, der sich nicht unter dem Schutz eines Energiefeldes befand. Das Erdbeben verschlimmerte sich. Die Kaserne, der Raumhafen und die Stadt von Fort Wolfenstein brachen in sich zusammen. Die Schreie der todgeweihten Wesen waren grauenvoll. Es lief mir kalt den Rücken hinunter. Ich hatte nicht gewusst, zu welchen Grausamkeiten MODROR fähig war. Doch er genoss es. Jeden einzelnen Tod kostete er in finsterer Ekstase aus. Jede gepeinigte Seele wanderte in sein Bewusstseinskollektiv, stärkte seinen Schmerz und seinen Hass ins Unermessliche.
Der Boden unter dem Fort tat sich auf und verschlang die Bauten. Alles stürzte mit tosendem Lärm in sich zusammen. Zurück blieben gigantische Rauchschwaden aus Staub und Asche.
Innerhalb kürzester Zeit hatte MODROR die Alliierten in Fort Wolfenstein vernichtet. Er hatte alles Leben zerstört. Keiner hatte die Apokalypse überlebt.
MODROR senkte die Arme. Zögernd ging ich auf meinen Vater des Chaos zu. Er wirkte erschöpft. Dieses Höllenszenario hatte ihm sämtliche Energie abverlangt.
Die feindlichen Raumschiffe zogen ab, suchten ihr Heil in der Flucht. Doch schon bald würden wir sie wiederfinden und bis nach Terra jagen. Für Perry Rhodan und Aurec gab es kein Entkommen!
»Heute habt ihr die wahre Macht eines Kosmotarchen erlebt. Perry Rhodan wird sich niemals mehr sicher fühlen.«
MODROR wandte sich mir zu.
»Und für dich ist es eine Warnung. Besiege Perry Rhodan und erobere Terra, bevor die Erde auch dem Kataklysmus anheimfällt! MODRORs Kataklysmus!«
Der Rückzug
Aurec
Die 8. Terranische Flotte trat den langen, beschwerlichen Weg des Rückzugs an, die Hoheit im Sektor des Sternenportals, die Vormachtstellung in den Kleingalaxien M 752 und M 404 an das Quarterium verloren.
Perry Rhodan blieb eigentlich nur der Rückzug in die Milchstraße. Gerade das wollte er jedoch vermeiden. Er wollte einen Krieg vor den Toren Terras mit allen Mitteln verhindern.
Rhodan hatte versagt. Nein, wir alle mit ihm hatten es nicht geschafft. Es wäre unfair gewesen, Perry allein die Schuld zu geben. Sicherlich hatte seine ständige Hoffnung auf Frieden ihn verblendet. Das Quarterium hatte seine Gutmütigkeit ausgenutzt. Hätte die LFT die Saggittonen bei der Befreiung von Siom Som unterstützt, wäre vielleicht vieles anders geworden. So waren nun die Saggittonen geschlagen, die Akonen besiegt, die estartischen Völker unterjocht und die LFT gejagt. Das Quarterium fertigte einen Gegner nach dem anderen ab. Und jetzt war die Hilfe MODRORs hinzugekommen.
Jegliche Hoffnung auf Frieden war in weite Ferne gerückt.
Mein Volk war unterjocht, meine Kathy war verschwunden, meine Flotte zusammengeschrumpft und zweigeteilt.
Es sah wirklich übel aus. Und doch sah ich in Perry Rhodans Augen Hoffnung. Woher nahm er diese Energie? Diese Zuversicht, doch noch das Blatt wenden zu können?
Ich saß allein mit ihm in seinem Quartier. Wir schwiegen, starrten vor uns hin. Worüber dachte Perry nach? Was bewegte ihn? Zauderte er wegen der Niederlagen oder arbeitete er bereits an einem Gegenschlag?
»Kennst du die Geschichte von Napoleon und Russland?«, fragte er mich schließlich.
»Nein«, gab ich zu.
»Napoleon wollte Russland erobern, unterschätzte jedoch die Größe des Landes. Seine Armee wurde langsam aufgerieben im tiefen Winter, weil sie keinen Nachschub hatten, keinen Rastplatz. Die Russen hatten vieles vorher zerstört. Und so trieben sie ihn immer weiter ins Land, bis seine Armee so am Boden zerstört war, dass er sich zurückziehen musste.«
»Worauf willst du hinaus?«
Perry lächelte.
»Das Quarterium will unser beider Kopf. Sie werden uns bis nach Terra jagen, statt direkt dort anzugreifen. Sie werden uns dicht auf den Fersen bleiben.«
Und was war daran gut? Wir hatten keine Zeit, uns zu sammeln oder neu zu formieren, wenn uns das Quarterium ständig an den Hacken klebte.
»Doch der Weg nach Terra ist lang. Er führt über Andromeda. Und wir werden auf den Spuren Russlands wandern und die Größe des Weltalls einmal voll ausnutzen.«
Jetzt verstand ich ihn. Der Plan gefiel mir. Er gab mir Hoffnung und ich schöpfte neuen Mut. Natürlich pokerte Perry hoch. Wir mussten alles daransetzen, damit die Quarteriale Flotte uns folgte und nicht auf direktem Weg nach Terra flog. Es gab nur eine Unbekannte in dem ganzen Plan: die militärische Führung des Quarteriums. Würde sie einen schnellen Sieg anstreben oder Perry und mich vernichten wollen? Oder würde sie sogar ihre Streitkräfte aufteilen? Despair und der Emperador waren in einem Dilemma. Teilten sie die Flotte auf, war sie vielleicht nicht stark genug, um gegen die Heimatflotte Terras zu bestehen. Schickten sie alles nach Terra, hatten wir die Möglichkeit, uns zu sammeln und Terra wieder zu befreien, sollte es in ihre Hände fallen. Wenn wir Glück hatten, würden sie erst uns vernichten wollen und dann Terra erobern.
Ich schmunzelte. Napoleon und Russland. Das gefiel mir.
Epilog – Rideryon
Der beschwerliche Weg führte sie den steinigen Weg hinauf zum Gipfel des großen Berges, auf dessen Spitze eine Station thronte, wie einst eine mittelalterliche Burg über ihr Land wachend. Hohe Türme ragten bis in die Wolken. Roi Danton und seinen Begleitern bot sich ein gigantischer Anblick wie aus einer längst vergangenen Epoche.
Und doch zeugte diese altertümliche Festung ebenso von modernster Technik, wie Danton auf den zweiten Blick erkannte. Energiegeschütztürme, Sensor- und Ortungsanlagen, Energiestationen und Schutzschirmgeneratoren. Die Riffaner waren keineswegs Primitive, auch wenn sie – zumindest auf dieser Welt – sehr naturverbunden lebten und offenbar eine Symbiose mit der Flora und Fauna eingegangen waren.
»Weiter«, rief Tashree und stieß Niada in den Staub.
Danton überlegte, ob er ihr aufhelfen sollte, entschied sich dann, ein Gentleman zu sein und reichte der Entropin seine Hand. Widerwillig ergriff die Hexe Rois Rechte und zog sich hoch.
Endlich erreichten sie die Stadtgrenze. Das gigantische Metalltor öffnete sich mit einem lauten Knarren. Die Riffaner bedeuteten der Gruppe weiterzugehen.
Danton schritt durch das Tor. Das Innere der Stadt glich dem Äußeren. Mittelalterliche Bauten im gotischen Stil. Prächtige Häuser, aber auch dreckige Ställe und Hütten aus Holz und Stroh. Aus den Bauten und Gassen strömten zahlreiche Wesen auf die Straße. Sie beäugten die Fremdlinge mit offensichtlichem Argwohn.
Die Artenvielfalt erstaunte Danton. Dominant waren Riesen. Sie glichen Menschen, besaßen jedoch nur ein Auge. Ihre Haare waren lang und so ziemlich jeder trug einen Bart. Aber auch Zwerge, die geflügelten Affen, Reptilien und völlig fremdartige Wesen starrten die Ankömmlinge an. Roi verstand nicht, was sie sprachen, doch von der Stimmlage her waren es keine freundlichen Begrüßungsworte.
»Ich glaube nicht, dass sie uns mögen«, meinte Nataly.
»Hauptsache, sie wollen uns nicht auffressen«, entgegnete Kathy und sah sich verunsichert um. Roi bezweifelte, dass sie als Hauptgang auf dem Mittagstisch des Regenten landeten. Vielmehr befürchtete er ein unangenehmes Verhör.
»Dort müssen wir hin«, sagte der Zentaur Tashree kühl und deutete auf einen gewaltigen Tempel. Der Tempel war das größte Gebäude in der Stadt. Seine Türme ragten in die Wolken hinein. Er war aus weißem Gestein und reflektierte die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke stießen.
Sie gingen über einen großen Platz, der von Statuen und Springbrunnen geziert wurde. Auf dem größten Balkon zum Platz hin stand ein ergrauter Wolfsmensch in einer weißroten Robe. Er verfolgte jeden Schritt von Dantons Gruppe. Roi war sich sicher, dass dies der Hohepriester von Nistant war, der Beherrscher dieser Welt.
Vor dem Eingang zum Palast stoppte Tashree. Wiehernd drehte er sich um.
»Roi Danton, Kathy Scolar und Niada dürfen mitkommen. Der Rest wird ins Gefängnis gebracht.«
»Wartet, Nataly!«, rief Kathy und sah ihre Freundin besorgt an. »Ihnen wird doch nichts getan?«
»Was den Entropen angeht, kann ich dies nicht garantieren. Den Menschen wird nichts getan.«
Kathy nickte.
»Ich vertraue deinen Worten, Tashree.«
Der mächtig wirkende Zentaur senkte den langen Hals. Was diese Geste bedeutete, wusste Danton nicht. Die Riesen geleiteten die anderen in ein weiteres Gebäude. Trechos litt immer noch unter den Folgen der Paralyse und war zudem in einem Fesselfeld gefangen.
Tashree deutete ihnen an, ihm zu folgen. Niada war kreideweiß im Gesicht, bemerkte der Sohn Rhodans. Offenbar litt sie unter Todesängsten. Das war nicht weiter verwunderlich.
Alle Wesen im Palast waren wolfsähnlich. Sie waren von humanoider Gestalt, besaßen jedoch drei Armpaare. Tashree führte die drei einen langen Gang entlang, der mit samtweichem, rotem Teppich ausgelegt war. Die Wand war mit Diamanten besetzt, an den Wänden hingen Gemälde verschiedenster Wesen und Symbole, die vermutlich für ihre Religion Bedeutung hatten.
Sie wurden in eine große Halle geführt. Mehr als ein Thron und die Statue eines über zwei Meter großen Fledermauswesens standen nicht darin.
»Hässlicher Kerl«, murmelte Roi, als er an der ziemlich echt wirkenden Statue vorbei ging.
Nun standen wir vor dem Wesen mit der weißroten Robe. Er breitete die sechs Arme aus, seine spitzen Ohren standen weit auseinander.
»Terraner, seid willkommen. Ich bin Zigaldor, oberster Hohepriester von Nistant. Ich gehöre dem Volk der Manjor an. Doch dies wird Euch sicherlich nichts sagen«, stellte sich der Wolfsmensch in einwandfreiem Interkosmo vor.
Danton schüttelte den Kopf.
»Dennoch sind wir hoch erfreut, endlich mit jemandem reden zu dürfen, der uns nicht gleich mit einer Waffe bedroht. Wir sind nämlich entführt worden.«
Zigaldor blickte Niada an. Er fing an zu knurren, fletschte die dolchscharfen Zähne.
»Von einer Entropin! Viel wissen wir nicht über ihr Volk, doch sie haben drei unserer Brüder ermordet. Und sie hassen uns. Wieso? Sprich, Weib!«
Niada verschränkte die Arme selbstbewusst vor dem Bauch. Roi glaubte, dass sie ihre Gelassenheit nur spielte. Ihr Leben schwebte in höchster Gefahr.
»Das Riff und seine Bewohner dienen, ob bewusst oder unbewusst, dem finsteren Kosmotarchen MODROR. Ihr seid eine Gefahr für alle Wesen. Nicht nur in dieser Galaxie, sondern überall. Mehr sage ich jedoch nicht.«
Zigaldor bellte. Niada wich einen Schritt zurück.
»Nun berichte du, Roi Danton. Wieso seid ihr die Begleiter dieser Terroristen?«
Danton erzählte seine phantastische, aber wahre Geschichte. Zigaldor nahm auf seinem Thron Platz und hörte gespannt zu. Als Roi geendet hatte, herrschte eine Weile Stille.
»Wir suchen den Kontakt zu den Herrschern von Siom Som. Wie wir inzwischen wissen, wird die Urbevölkerung von Siom Som von den dorgonisch-quarterialen Besatzungsmächten regiert. An jene wollen wir uns wenden.«
»Nun, wir sind nicht unbedingt Freunde der Besatzer. Eigentlich sind wir ihre Gegner, weil sie Siom Som zu Unrecht unterworfen haben.«
»Dennoch«, fuhr Kathy dazwischen, »stehen wir in gutem Kontakt zu einer dorgonischen Führerin. Genauer gesagt, ist sie die Anführerin der demokratischen Dorgonen, denen auch ein Großteil der Flotte unter Vesus untersteht. Sie befindet sich auf der FLASH OF GLORY und heißt Saraah.«
Roi blickte Kathy verwundert an. Jetzt verstand er. Es würde ihnen nichts nutzen, wenn sie mit leeren Händen vor Zigaldor standen. Zumindest würde ihnen das nicht bei ihrer Freilassung helfen. Saraah war in der Tat nach Arimads Tod die mächtigste Frau des Widerstands und zusammen mit Vesus wohl nun auch Anführerin.
»Oh, die Gute hatte ich ganz vergessen«, fügte Roi lächelnd hinzu.
Zigaldor schien ihnen zu glauben. Dennoch wirkte er unschlüssig.
»Die Lage ist verwirrend. Vielleicht werde ich die anderen Hohepriester um Rat fragen. Oder …«
Er stand auf und wanderte im Saal umher. Erst jetzt fiel Roi auf, dass er hinkte.
»Gott? Habt Ihr alles gehört?«
»Ja.«
Wer sprach da?
Plötzlich bewegte sich die Fledermausstatue. Die Flügel breiteten sich aus. Das Wesen streckte die Arme aus und sprang vom Sockel. Es schritt auf Roi Danton zu.
»Das hässlich war nicht so gemeint.«
Das Wesen lachte.
»Ihr Terraner seid ein interessantes Volk. Ich glaube ihnen, Zigaldor. Wir sollten mit dieser Saraah Kontakt aufnehmen, aber auch mit den Einheimischen. Es geht sie alle an.«
Der Fledermausmann betrachtete Kathy Scolar. Langsam, vorsichtig, als wollte er ihr keine Angst einjagen, bewegte er sich auf sie zu.
»Euer Volk präsentiert sich in ungeahnter Schönheit. Verzeiht mein Aussehen, ich bin vorerst an diesen finsteren Körper gebunden. Er ist ein Teil von mir. Doch irgendwo im Weltall sind zwei weitere Körper von mir versteckt. Sollten sie gefunden werden, würde mein Aussehen weniger abschreckend sein.«
Kathy sah das Fledermauswesen ehrfürchtig an. In ihren Augen spiegelten sich auch Neugier und Interesse. Sie lächelte und nickte dem Wesen freundlich zu.
»Schönheit kommt von innen. Selbst die edelste Hülle vermag die Hässlichkeit einer Seele nicht verbergen, aber die reinste Seele kann eine unansehnliche Fassade überscheinen.«
Die Fledermaus lachte.
»Danke. Deine Seele strahlt in Einklang mit deinem Antlitz, wunderschöne Terranerin.«
»Kathy …«
Die Pranken des Fledermauswesens nahmen Kathys rechte Hand. Roi glaubte, im falschen Film zu sein. Flirtete sie mit diesem Untier? Wenn das Aurec sah!
»Und mit wem haben wir das Vergnügen?«, fragte Roi schließlich ungehalten.
Die Fledermaus ließ Kathys Hand los und wandte sich an den Sohn Perry Rhodans. Dabei kam er an Niada vorbei und blieb stehen. Er packte sie am Hals und zog sie hoch, so dass sie auf Augenhöhe waren.
»Dein Volk hasst mein Resif-Sidera. Wieso? Was haben wir euch getan? Wer steckt hinter diesem Hass?«
Er ließ Niada fallen. Sie keuchte und hustete. Von ihrer bisherigen Überheblichkeit war nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, sie wirkte wie ein hilfloses Kind, wehr- und machtlos. Und genau das machte Danton plötzlich misstrauisch. Irgendetwas stimmte hier nicht. Doch bevor er diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, wurde seine Aufmerksamkeit erneut durch die riesige Fledermaus in Anspruch genommen.
Sie sprang zum Thron und ließ sich darauf nieder. Zigaldor hatte rechts neben ihr Position bezogen.
»Nun, es ist unhöflich, mich meinen Gästen nicht vorzustellen. Ich bin Cul’Arc! In gewissem Sinne, mit meinen anderen Daseinsformen, Gründer und Führer des Riffs. Unser Begehr in Siom Som ist einfach. Wir möchten es mit einigen Billiarden unserer Bürger besiedeln!«
ENDE
Mit diesem Roman endet der Quarterium-Zyklus. Die Dorgon-Serie geht mit Band 100 »Die Weltrauminsel Rideryon« weiter.
DORGON-Kommentar
Im letzten Band des Quarterium-Zyklus wurden einige offene Fragen geklärt, doch gleichzeitig neue Fragen aufgeworfen:
Wie wird es Aurec und Perry Rhodan gelingen, das Quarterium zu stoppen? Dass das gelingen wird, steht wohl außer Frage, denn sonst gäbe es die weiterführende Handlung nicht. Oder, wie war das noch mal mit den parallelen Universen?
Wer oder was sind eigentlich die Entropen genau?
Warum stellt das Riff angeblich eine Gefahr für den Bestand des Universums dar? Stellt die Vernichtung des Riffs und aller seiner Völker tatsächlich die einzige Möglichkeit dar, um sich vor dieser Gefahr zu schützen?
Welche Rolle wird SI KITU in den kommenden Auseinandersetzungen spielen?
Wie gesagt, der nächste Zyklus wird uns die Antwort geben. Freuen wir uns auf den ersten Band des Rideryon-Zyklus, der sich mit der Entstehung der Kosmotarchen beschäftigen wird.
In unserem heutigen Beitrag über die moderne Kosmologie steht der Begriff des »Quantenschaums« im Mittelpunkt, der den wissenschaftlichen Hintergrund der Rolle SI KITUs innerhalb des Dorgon-Überbaues bildet.
Jürgen Freier
Was bedeutet Entropie?
Die klassische Thermodynamik sagte voraus, dass unser Universum der zunehmenden Entropie (also dem zunehmenden Chaos) unterliegt und irgendwann im »Wärmetod«, dem absoluten Chaos, enden würde. Unter Berücksichtigung der Quantentheorie ist diese Aussage nicht mehr haltbar, im Gegenteil: Nach Ansicht der Quantenphysiker bedeutet Entropie, dass sich positive und negative Entropie die Waage halten, also Ordnung und Chaos sich gegenseitig auf der Quantenebene neutralisieren.
Nach Ansicht des Nobelpreisträgers für Physik Murray Gell-Mann ist die Entropie das Maß der Unbestimmtheit, oder anders ausgedrückt – und für uns Normalsterbliche auch weitaus verständlicher – der Anteil zufälliger, nicht vorhersehbarer Entscheidungen innerhalb eines Systems. Es ist also einzig und allein der Zufall, welcher die weitere Entwicklung auf der Mikroebene (dem Quantenschaum) bestimmt und sich somit auf der Makroebene (dem Universum) wiederspiegelt.
Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass das Maß der Entropie die Eigenschaften der Makroebene (also des einzelnen Universums) bestimmt. Durch eine Manipulation der Entropie könnten auch die Eigenschaften ganzer Universen manipuliert werden.
Quantenschaum
Ausgehend von Werner Heisenbergs »Unschärferelation«, die kurz gesagt bedeutet, dass quasi jede Veränderung eines Zustandes der Materie, jede Entscheidung, die zu dieser Veränderung geführt hat, zu einer Trennung der Realität führt, es entstehen jeweils zwei parallele Welten (Everetts »Viele-Welten-Theorie«).
Diese Vorstellungen des »Alles ist möglich, wahrscheinlich und irgendwo auch realisiert«, gipfelten in einer nichtverschwindenden Wahrscheinlichkeit für ein oder mehrere koexistente Paralleluniversen.
Eine präzisere Formulierung erhielt das Auftreten von Paralleluniversen in der Quantenkosmologie. In dieser Theorie wurde der Quantisierungsapparat, der bisher auf Teilchen angewendet wurde, auf das Universum als Ganzes übertragen.
Die Vorstellung von Paralleluniversen ist schon älter und geht auf die Wahrscheinlichkeitsaussagen der Quantentheorie (»Schrödingers Katze«) zurück: Quantenphysikalische Zustände werden mit der Wellenfunktion (PSI) beschrieben. Das Betragsquadrat dieser Wellenfunktion kann gerade so interpretiert werden, dass es eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit für einen Zustand angibt. Beschreibt die Wellenfunktion ein Teilchen, so ist das Absolutquadrat der Wellenfunktion eine Wahrscheinlichkeitsverteilung dafür, das Teilchen an einem bestimmten Ort anzutreffen.
Der amerikanische Astronomie-Professor Max Tegmark (MIT) geht unter der Prämisse der Gültigkeit der Quantentheorie und der Heisenbergschen Unschärferelation noch einen wesentlichen Schritt über das Branen-Universum Steinhardts hinaus und postuliert die Theorie der »Multiplen-Universen«. Ausgangspunkt ist das von der Quantentheorie abgeleitete »Quantenvakuum«, das zur Bildung »Virtueller Teilchen aus dem Nichts« führt.
Diese »virtuellen Teilchen«, die im Quantenvakuum entstehen und vergehen, werden als »Quantenschaum« bezeichnet.
Dieser Formalismus mündet in Wellenfunktionen für ein Universum und in der Möglichkeit, ganze Universen mit Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren zu erzeugen bzw. zu vernichten. Der Vakuumzustand – »kein Universum« – wird »VOID« genannt, angeregte Zustände sind »Baby-Universen«. In Form des Quantenschaums könnten viele Baby-Universen koexistieren. Auf der Quantenskala könnten sich einzelne makroskopische Universen gebildet haben, weil sie durch Inflation aus den Baby-Universen hervorgingen, das wäre dann der Big Bang.
Bis hierher kann man bereits von einer, zumindest auf mathematischer Ebene, weitgehend nachgewiesenen Theorie sprechen. Die Vertreter der Quantenkosmologie gehen jedoch noch einen Schritt weiter und postulieren, dass die Gravitationsgesetze (Quantengravitation) auch für die »virtuellen Teilchen« des »Quantenschaums« gelten, d. h. es bilden sich Teilchenballungen, die als »Baby-Universen« bezeichnet werden. Diese können sich durch einen »Inflationsprozess« zu »Makro-Universen« aufblähen und fünfdimensionale »Branen-Universen« bilden, die »Bulk« genannt werden, oder sie zerfallen wieder in »Quantenschaum«.
Genau an diesem Punkt setzen die Vertreter der »Multiplen-Universen« ein. Nach ihrer Ansicht ist das »Quantenvakuum« unendlich und mit einer endlichen Zahl von »Baby-Universen« durchsetzt. Von diesen durchläuft eine weitere Teilmenge den Prozess der »Inflation«, indem die Quanten zu »Strings« zusammenkleben. Es entstehen »Makro-Universen«, die entweder genau die richtigen physikalischen Eigenschaften haben, um ein »Branen-Universum« zu bilden, oder, bei fehlerhaften physikalischen Eigenschaften, wieder in den Zustand des »Quantenschaums« zurückfallen. Im Laufe mehrerer Kataklysmen kann es auch dazu kommen, dass ein »Bulk-Universum« wieder vernichtet wird und als »Quantenschaum« endet.
GLOSSAR
SI KITU, eine »vergessene« Entität
SI KITU, die als »Mutter der Entropie« oder auch als »Kahaba, die Hure« bezeichnet wird, nimmt innerhalb des Perry Rhodan-Kosmos quasi eine Ausnahmestellung ein, da nähere Informationen über sie fast gänzlich fehlen. Vor diesem Hintergrund ist sie noch geheimnisvoller als die übrigen »Hohen Mächte« des Perry Rhodan-Überbaues.
Sie sagt über sich selbst:
»… dass sie unbedeutend sei, ein Nichts, dessen Natur sich menschlichem Vorstellungsvermögen entzieht. Ihre Heimat sei der Hyperraum, sie existiere dort ganz unten, wo die Raumzeit Löcher und Sprünge hat, im Bereich der Dimensionen, die weniger als 10-35 Meter betragen, und der Zeitspannen, die kürzer als 10-43 Sekunden sind.«
In der modernen Physik der Quantentheorie bezeichnet man den Ort, wo die »Raumzeit Löcher und Sprünge hat« als Calabi-Yau-Mannigfaltigkeit und definiert ihn als die »zusammengerollten« Extradimensionen über dem »Quantenschaum«.
SI KITU ist also die Hüterin des Zufalls und der Hyperdimensionen auf der Ebene des »Quantenschaumes« (also der Heisenbergschen Unschärferelation). Sie wacht darüber, dass weder Kosmokraten noch Chaotarchen den Zufall (also die Entropie) in ihrem Sinne beeinflussen, und greift immer dann in die kosmischen Auseinandersetzungen ein, wenn das Gleichgewicht von Ordnung und Chaos gefährdet wird. Deshalb bezeichnen diese sie auch herablassend als »Kahaba, die Hure«, da sie mal zu Gunsten der einen und dann wieder zu Gunsten der anderen Seite eingreift und ihre Interessen ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzt.
SI KITU trat zum ersten Mal in Erscheinung, als Perry Rhodan am Berg der Schöpfung die Feinjustierung TRIICLE-9s vornahm. Das zweite Mal griff sie ein, als Atlan und Rhodans Tochter Eirene in Innern DORIFERs gefangen waren. Bei ihrem dritten Erscheinen half sie der CIMARRON beim Übergang nach Tarkan, und das letzte Mal traf man sie in Tarkan, während des Kampfes des Tarkan-Verbandes gegen Afu-Metem.
Scott C. McHenry
General der LFT
Geboren: 12.05.1237 NGZ
Geburtsort: Kentucky, Bundesstaat USA, Terra
Größe: 1,86 Meter
Gewicht: 79,5 Kilogramm
Augenfarbe: graublau
Haarfarbe: weißblond
Merkmale: adrett gekleidet, Nostalgiker, Soldat durch und durch
General Scott C. McHenry ist ein Hardliner in der Flotte der Liga Freier Terraner und gehört zu den seltenen Soldaten, die den Krieg als ihre Lebensaufgabe sehen. McHenry hat sich in diversen Konflikten während der Thoregonzeit und SEELENQUELL-Krise hervorgetan und gilt als hervorragender Stratege und verwegener Krieger im Weltraum wie auch auf der Oberfläche. McHenry ist aber auch exzentrisch und oftmals hart und erbarmungslos. Er wird gleichermaßen bewundert und gehasst.
Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2017
Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org
Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf
— Special-Edition Band 99, veröffentlicht am 3.09.2017 —
Titelillustration: John Buurman • Innenillustrationen: Roland Wolf
Lektorat: Alexandra Trinley • Digitale Formate: René Spreer