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Band 81

Quarterium-Zyklus

 

Pax Cartwheel

Die CIP unterbindet jegliche Friedensbewegungen

 

Jürgen Freier

 

 

Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Nach der Gründung des Quarteriums im Jahre 1302 NGZ war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem intergalaktischen Eklat kommen würde.

Dieser trat Anfang 1305 NGZ ein, als Truppen der dorgonisch kaiserlichen Flotte die estartischen Galaxien angriffen. Innerhalb weniger Monate fielen Siom Som und Trovenoor in die Hände Dorgons.

Um den Not leidenden Völkern zu helfen, entsendet Perry Rhodan zusammen mit der Saggittonischen Republik USO-Agenten nach Siom Som. Niemand ahnt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt MODRORs Söhne des Chaos das Quarterium kontrollieren und nur auf einen Fehler Rhodans warten.

Aufgrund des Paktes zwischen Dorgon und dem Quarterium greift das I. Estartukorps des Imperiums in Cartwheel zugunsten der Dorgonen in Siom Som ein, als Saggittor nun offiziell in den Krieg gegen Dorgon eintritt.

Im Herbst 1305 NGZ kommt es zur ersten Schlacht zwischen dorgonisch-quarterialen Truppen und den »Alliierten«. Das Quarterium obsiegt. Damit demonstriert das neue Reich seine militärische Dominanz und eilt fortan von Sieg zu Sieg.

In Cartwheel selbst löst das Militärregime mehr und mehr Proteste aus. So schließen sich linguidische Friedensstifter zusammen und fordern PAX CARTWHEEL …
Pace Joharr – Der Linguide fordert den sofortigen Frieden.

Eron da Repul – Der Statthalter des Quarteriums auf Lingus.

Roland Meyers – Gruppen-Kommandeur der CIP und Befehlshaber der Gruppe Zero.

Maya ki Toushi, Corph de Trajn, Feline »Dragon« Mowac – Kommandeure der Gruppe Zero.

Ramira – Die »Assistentin« Eron da Repuls.

Werner Niesewitz – Der Chef der CIP schickt seinen besten Mann.

Jaaron Jargon – Der Chronist der Insel ist von Pace Joharr begeistert.

Uwahn Jenmuhs, Emperador de la Siniestro, Cauthon Despair – Die Herrscher des Quarteriums.

Prolog

Staatlicher Terror hat vor allem eine Auswirkung: Er erzeugt Gegenterror.
Nelson Mandela, 1962

*

Lingus

Die hochgewachsene Gestalt erhob sich. Mit einem letzten Blick nahm er Abschied von seinem Kimastrauch. Dieser stand in voller Blüte, war zu einem beeindruckenden Lebensstrauch herangewachsen und gab so Zeugnis von der Lebenskraft seines Partners.

Es glich fast einem Wunder, aber die Verpflanzung der symbiotischen Gemeinschaft in eine Millionen von Lichtjahren entfernte Galaxis hatte der Kraft und dem Überlebenswillen keinen Abbruch getan. Im Gegenteil, fast schien es so, als ob die Gemeinschaft aus Linguide und Kimastrauch sich unter dem Sternenfirmament von Cartwheel weitaus besser entwickeln würde, als in ihrer eigentlichen Heimat, der galaktischen Eastside.

Die auf Lingus Geborenen waren wesentlich muskulöser als ihre Brüder und Schwestern, die in der Heimat Lingora zurückgeblieben waren. Darüber hinaus schien sich auch die Lebenserwartung der Ausgewanderten zu verlängern, es gab bereits einige Friedensstifter, die in ihrem siebten Lebensjahrzehnt standen, einem Alter, das auf Lingora noch niemals ein Linguide erreicht hatte. Dies galt auch für den Kimastrauch. Diese hatten sich unter der milden Strahlung Lings zu beeindruckenden Pflanzen entwickelt, deren Blüten in allen Regenbogenfarben schimmerten.

Der Blick des Linguiden streifte über den Horizont, der von der untergehenden Sonne in ein farbenprächtiges Schauspiel getaucht wurde. Langsam ging der einsame Wanderer in die beginnende Nacht. Er war überzeugt, dass seine Zeit nun gekommen war. Sein Ziel lag irgendwo im Dunkeln verborgen und er wusste, dass er nicht scheitern durfte.

Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort. Hier hatten sich mehrere Linguiden um ein Feuer versammelt – auch sie waren überzeugt, dass ihre Zeit gekommen war. In der Mitte des Halbkreises, nahe den Flammen, stand eine beeindruckende Gestalt.

»Schwestern und Brüder, unsere Zeit ist gekommen. Wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen, wie der barbarische Moloch, genannt Quarterium, Millionen von Leben vernichtet, versklavt oder ihnen die Berechtigung abspricht, ein würdiges Leben als intelligentes Wesen in der Gemeinschaft mit anderen intelligenten Wesen zu führen.«

Die Rednerin machte eine Kunstpause, während sie von den Flammen in ein geheimnisvolles Licht getaucht wurde. Dann fuhr sie fort:

»Deshalb müssen wir unsere Passivität aufgeben und den Kampf der unterdrückten Völker Cartwheels anführen, und wenn ich vom Kampf spreche, dann meine ich Kampf. Unser Volk ist hier in Cartwheel, genauso wie in der Heimatgalaxie, zur Bedeutungslosigkeit verurteilt.

Wo sind wir Linguiden an irgendwelchen Entscheidungen beteiligt? Wer fragt uns eigentlich nach unserer Meinung? Man hat uns vergessen. Wir gelten als die galaktischen Spinner, als pazifistische Träumer, über die sich jedermann ungestraft lustig machen kann.

Und als Gipfel der Missachtung setzt man uns einen sogenannten Bezirks-Kommandeur vor die Nase, der uns vorschreibt, was wir zu tun und zu lassen haben. Will jemand von uns zu einem anderen Planeten reisen, so braucht er ein vom Quarterium ausgestelltes und von diesem Fiesling genehmigtes Transitvisum. Und deshalb, meine Schwestern und Brü…«

Die Rednerin stockte, denn der einsame Wanderer hatte die Helligkeit des Feuers erreicht und war in den Halbkreis getreten.

»Pace, Bruder, bist du es wirklich? Hast du es dir überlegt? Unterstützt du uns nun doch?«

»Nein Martana, deshalb bin ich nicht gekommen. Im Gegenteil. Ich will euch von eurem selbstzerstörerischen Vorhaben abbringen. Es darf nicht sein, dass wir den Pfad des Friedens verlassen. Unser Volk darf nicht mit Waffen kämpfen. Unsere Waffe ist das Wort.

Du weißt, dass ich, genau wie du, die Entwicklung in Cartwheel unerträglich finde. Und genau wie ihr alle hier finde ich, dass wir endlich etwas unternehmen müssen. Und deshalb bitte ich euch alle, kehrt um. Geht nicht weiter den Weg der Gewalt! Aus diesem kann nichts Positives entstehen! Schließen wir uns zusammen, arbeiten wir gemeinsam für den Frieden und ihr werdet sehen, dass wir Erfolg haben werden! Lasst uns gemeinsam zu den Welten der Schlächter reisen, an der Macht unserer Worte wird ihre Macht enden!

Wir werden in Cartwheel eine Insel des Friedens in einem Universum der Gewalt und Unterdrückung schaffen. Und von hier wird die Idee des universellen Friedens Galaxis um Galaxis erfassen. Kriege werden der Vergangenheit angehören, und eines Tages werden Not und Unterdrückung, Tod und Versklavung, Hunger und Ausbeutung wie ein nächtlicher Schreck aus einem längst vergessenen Alptraum erscheinen.«

Pace Joharr holte kurz Luft und wurde jedoch von der Linguidin unterbrochen.

»Pace, Pace! Du hast nichts gelernt. Du hängst noch immer an deinen Träumen, an deinen Hirngespinsten. Nenn mir nur ein Beispiel aus der galaktischen Geschichte, wo Pazifismus, wo der Verzicht auf Gewalt irgendeinen Erfolg hatte!

Wenn Kriege vermieden wurden, wenn ein Volk die Freiheit verteidigen konnte, dann nur, weil die Abschreckung durch militärische Machtmittel den Gegner daran hinderte, Gewalt anzuwenden.

Nehme nur einmal das Beispiel der Terraner. Glaubst du, dass es Perry Rhodan ohne Kampf, ohne Waffen, je geschafft hätte, Terra zu dem zu machen, was es heute ist?

Du liest zu viele Philosophen, Pace. Die Theorien von Mahatma Gandhi, von Martin Luther King, dem Neuen Testament oder was sonst du immer anführst, um deinen Standpunkt zu begründen, die sind alle als Ideal wunderschön, aber in der Realität verhält es sich damit, wie ein Tropfen Wasser, der auf eine heiße Herdplatte fällt: Er löst sich in Luft auf. Was ist aus Gandhi, aus King, aus allen anderen geworden? Sie alle wurden ermordet! Jesus wurde ans Kreuz geschlagen, Gandhi erschossen. Die Waffe war immer stärker als das Wort.

Wenn ich mich vor der Waffe schützen will, brauche ich selbst eine Waffe. Und deshalb, Pace, bitte ich dich: Schließe dich uns an. Wenn du deinen Weg weitergehst, dann wirst du, genau wie deine Ideale, tot sein. Niemand wird dich vor der Waffe in der Hand irgendeines Quarteriumsmörders schützen.«

Doch der Linguide schüttelte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck war traurig, unendlich traurig.

»Du irrst dich, Martana. Ich gebe zu, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass irgendein gekaufter Killer meinem Leben ein Ende setzt, oder dass ich vor einem Erschießungskommando des Quarteriums ende. Doch wer hat gewonnen? Ist es die Waffe oder das Wort?

Was bleibt übrig? Wie viele Massenmörder, wie viele Diktatoren, die im Blut ihrer Bürger badeten, gab es in der galaktischen Geschichte? Wo sind sie heute? Wer trauert um sie? Wer kennt sie heute überhaupt noch? Wo sind ihre Worte überliefert? Wenn es hochkommt, dann weiß man höchstens, dass sie Millionen vergast, verbrannt, vergiftet, zu Tode gefoltert oder sonst wie umgebracht haben.

Auf der anderen Seite: Wie viele Pazifisten, wie viele Friedensstifter gab es? Man kann sie fast mit zwei Händen aufzählen. Doch was ist von ihnen übriggeblieben? Die Frage hast du vorher selbst beantwortet. Sie können meinen Körper töten, sie können mich foltern, sie können mich irgendwo verhungern lassen. Dazu reicht ihre Macht. Aber mein Geist, meine Gedanken, die Macht meiner Worte, dies alles liegt außerhalb ihrer Macht! Zeig mir die Kugel, die das Wort töten kann, bring mir die Bombe, die eine Idee auslöschen kann. Dann, und erst dann, bin ich bereit, deinen Weg zu gehen.«

Es entstand eine kurze Pause. Der folgte die zornige Antwort:

»Geh Pace, geh! Hier trennen sich unsere Wege. Dein Weg ist nicht unser Weg. Ich sehe ein, dass unsere Standpunkte unüberbrückbar sind. Geh! Und werde zum Märtyrer! Opfere dich für das Wort. Opfere dich für eine Idee, die in irgendwelchen Büchern für die Ewigkeit erhalten wird.

Ich – und da bin ich mir mit meinen Brüdern und Schwestern einig – ich lebe im Jetzt. Ich will jetzt die Freiheit. Ich will jetzt die Sicherheit davor, dass irgendein größenwahnsinniger Diktator mich, meine Familie, mein Volk, meine Nachbarn mit Terror überzieht. Und wenn mir jemand eine Waffe entgegenhält, dann halte ich auch eine Waffe in der Hand. Und ich schieße zuerst, wenn ich kann. Er oder Ich! Freiheit oder Tod! Geh, Pace, du Narr, Geh!«

Niedergeschlagen und bedrückt verließ der einsame Wanderer den Schein des Feuers. Mit schweren Schritten verschwand er in der Dunkelheit und ließ die Gruppe um das Feuer zurück.

1. Weichenstellungen

16. Dezember 1305 NGZ, früh morgens Lage auf Lingus

Der Mann in der dunkelgrauen Uniform eines CIP-Bezirks-Kommandeurs blickte beunruhigt auf die Nachrichten, die in regelmäßigen Abständen auf seinem Kommunikationsterminal eingingen. Irgendetwas schien sich auf Lingus zu entwickeln. Und das auf einer Welt, die im gesamten Quarterium als tiefste Provinz galt! Wenn da nicht die strategische Lage der Sonne Lingor mit ihren vier Planeten genau im Leerraum zwischen dem terranischen und arkonidischen Block wäre, würde sich niemand, absolut niemand für diese unbedeutende, hinterwäldlerische Welt interessieren.

So hatten sich nach der Gründung des Quarteriums der Emperador und der Gos’Shekur darauf geeinigt, Lingus weiterhin als neutrales Territorium zu betrachten. Dieser Status ging auf den Krieg zwischen dem arkonidischen und terranischen Block im Jahre 1298 NGZ zurück, bei dem der Gos’Shekur versucht hatte, Lingus zu annektieren.

Als der Emperador sich gezwungen sah, dieser Aggression militärisch entgegenzutreten, mussten sich die Arkoniden zurückziehen. Ergebnis war die Unabhängigkeit des linguidischen Planetensystems, die auch nach der Gründung des Quarteriums weiterbestand.

Um wenigstens eine gewisse Kontrolle über die Linguiden ausüben zu können, hatte man eine kleine CIP-Einheit auf Lingus stationiert, die die Außenkontakte des Planeten überwachen und steuern sollte. Diese bestand aus einer gemischten Besatzung aus Arkoniden und Terranern, wobei peinlich darauf geachtet wurde, dass beide Seiten zu gleichen Teilen beteiligt waren.

Jedoch war diese Einheit einfach zu klein, um den Planeten unter voller Kontrolle zu halten. Als Ergebnis dieses besonderen Status war der Planet zu einem Sammelbecken von Außenseitern und unzufriedenen Elementen geworden, die hier vor dem Zugriff des Quarteriums relativ sicher waren.

Bei der CIP galt das Kommando auf Lingus als absolut tödlich, als Sackgasse für die weitere Karriere. Wer auf diese Welt abgeordnet wurde, brauchte sich um seine weitere Laufbahn keine Gedanken mehr zu machen. Die war zu Ende. Und nun dies!

*

Und wieder traf eine Meldung ein. Eron da Repul, ein älterer Arkonide, dessen hagere Gestalt an einen Geier erinnerte, stand mit einem Fluch auf und ging zum Syntronikterminal hinüber.

Was habe ich nur verbrochen. Hier wollte ich gemütlich meine restliche Dienstzeit zu Ende bringen und mich dann auf Bostich zur Ruhe setzen. Und nun das! Dieses linguidische Pack soll der Teufel holen.

Er öffnete die Tür zu seinem Vorzimmer. Dort flegelte – anders kann man es nicht ausdrücken – ein für ein Büro äußerst unpassendes Exemplar der weiblichen Spezies Arkons vor dem zentralen Interkomterminal der CIP-Zentrale. Ein lüsternes Grinsen beherrschte sein Gesicht, sein Blick klebte auf der äußerst aufreizend gekleideten Arkonidin. Er schluckte mehrmals, konnte jedoch nicht verhindern, dass sich in seinem Mund wieder Speichel sammelte. Erneut musste er schlucken.

Die Arkonidin hatte ihn inzwischen bemerkt. Sie erhob sich in einer lasziven Bewegung, der ihm einen tiefen Einblick in ihr gewagtes Dekolleté gestattete. Mit einigen obszönen Gesten ging sie einige Schritte auf ihn zu. Sie trug eine tief ausgeschnittene Bluse und einen unverschämt kurzen Rock aus einem schwarzen, geschuppten Material, das ihre aufreizenden Rundungen perfekt zur Geltung brachte. Und er wusste genau, dass sie darunter nichts, aber auch gar nichts trug.

Die Füße steckten in hüfthohen Stiefeln mit einem atemberaubenden Absatz. Manchmal fragte er sich, wie sie es überhaupt schaffte, sich mit diesen Mordwerkzeugen zu bewegen. Er hatte einmal vermutet, dass sie in den Sohlen Stabilisierungsprojektoren eingebaut haben müsste. Insgesamt wirkte sie auf ihn wie eine gefährliche, tödliche Katze.

Und wieder fragte er sich, was ihn eigentlich geritten hatte, diese moralisch verkommene, total skrupellose Essoya aus einem ziemlich verrufenen Slum von Arkon mit nach Cartwheel zu nehmen und dann auch noch zu seiner Assistentin hier auf Lingus zu machen.

Du alter, geiler Narr, sie hat dich geritten, genauer gesagt, regelrecht eingeritten, meldete sich sein verkümmerter Extrasinn.

»Na, hast du wieder mal Lust auf ein Spielchen, mein kleiner Kommandeur? Los auf die Knie und kriech her zu mir!«

»Nein, nein, Ramira, bitte, ich bin dienstlich da.«

»Trotzdem, …«

Mit diesen Worten war sie zwei Schritte auf ihn zugegangen und dann ging alles blitzschnell. Plötzlich wurden ihm die Beine weggeschlagen und er wäre auf den Boden geknallt, wenn sie ihn nicht im letzten Augenblick abgefangen hätte. Als er sich von seiner Überraschung erholt hatte, bemerkte er, dass er genau zwischen ihren Schenkeln kniete. Ein betörender Duft verwirrte ihm die Sinne.

»So, du Jammerlappen. Was gibt es so Wichtiges, dass du mir gegenüber vergisst, wie du mich anzusprechen hast?« Sie machte eine kurze Pause und griff mit einer Hand in sein langes Haar. Dabei drückte er sein Gesicht tiefer zwischen ihre Schenkel.

»Aber ich muss …«

Plötzlich wurde er zurückgestoßen. Ein brennender Schmerz ließ ihn aufschreien.

»Wie hast du mich anzusprechen?«

Wieder meldete sich sein Extrasinn, der ausnahmsweise ohne Störungen zu arbeiten schien.

Bist du Narr dir eigentlich sicher, dass das bei ihr nur ein Spiel ist? Du hast dich total in ihre Hand begeben und in Wirklichkeit weißt du nichts, absolut nichts über sie. Entschuldige, ich vergaß, sie hat einen knackigen Arsch und zwei Brüste, die dir den Verstand rauben. Und der Rest …

Dieses kurze Intermezzo gab ihm die Gelegenheit, sich zu konzentrieren. Er versuchte sich aufzurichten, was sie aber sofort unterband.

»Geehrte Herrin. Ich wollte Sie gerade bitten, eine Verbindung zum Sprecher des linguidischen Triumvirats, diesem Azari, oder wie er sonst heißt, herzustellen.«

»Na, so langsam scheint es, dass du zu einer anständigen Meldung fähig bist. Aber fehlt da nicht noch etwas?«

»Ich weiß nicht, was du meinst, Mir …«

Er wurde mitten im Wort unterbrochen. Ein Faustschlag ließ ihn zu Boden gehen. Und dann durchzuckte ein unerträglicher Schmerz seinen Unterkörper. Er krümmte sich zusammen und war unfähig weiterzusprechen.

Du Narr, das ist niemals eine gewöhnliche Essoya, die ist in Wirklichkeit etwas ganz Anderes!

Er achtete nicht auf seinen Extrasinn. Im Lauf der Jahrzehnte hatte er sich daran gewöhnt, dass dieser niemals irgendetwas Brauchbares produzierte. Gewöhnlich ignorierte er ihn.

»Geehrte Herrin. Verschiedene Agenten haben gesteigerte Aktivitäten subversiver Elemente gemeldet. Sie berichten von konspirativen Zusammenkünften, von öffentlichen Diskussionen, von aufrührerischen Reden gegen das Quarterium. Und immer wieder fiel der Name eines verdammten Linguiden.«

»Und wie lautet der Name dieser Kreatur?«

»Verzeiht mir Herrin, dass ich den Namen nicht gleich genannt habe. Meine Agenten berichteten, dass ein gewisser Pace Joharr so etwas wie der Anführer oder Sprecher dieses Gesindels darstellt.«

»Na endlich, endlich scheinst du es gelernt zu haben. Es geht wohl nichts über eine handgreifliche Erziehung. Und nun, mein geliebter Bezirks-Kommandeur, wirst du genau das tun, was ich dir sage. Du willst doch dein Kommando behalten, ganz zu schweigen von mir?«

»Ja geliebte Herrin, ich werde alles genau so tun, wie Sie es mir befehlen.«

»Gut! Dann höre mir zu. Zuerst wird du diesem Sprecher befehlen, sich diesen Joharr zur Brust zu nehmen. Sag ihm, wenn er es nicht schafft, den aus dem Verkehr zu ziehen, wir dafür sorgen werden. Und mach ihm klar, dass das für das ganze Gesindel hier, sehr, sehr unangenehm werden würde. Und nun steh auf, bring deine Uniform in Ordnung und wasch dir deine Fresse, denn so wie du aussiehst, nimmt dir niemand den CIP-Kommandeur ab.«

Sie trat einige Schritte zurück und gab ihm die Gelegenheit, sich aufzurichten. Er brachte seine Uniform in Ordnung und wusch sich das Blut aus dem Gesicht.

Inzwischen war eine Interkomverbindung zum Wohnsitz des Sprechers hergestellt. Die Optik erfasste ihn. Automatisch straffte er seine Haltung. Nichts deutete mehr auf das hin, was kurz zuvor geschehen war. Auf dem Bild wurde das Gesicht von Vilmon Atzkari sichtbar, dem Sprecher des linguidischen Triumvirats.

»Ich grüße Euch, CIP-Kommandeur. Was kann ich für Euch tun?«

»Hör mir zu. Ich befehle dir, dass du diesen Aufrührer, diesen Joharr, sofort vor euer Triumvirat einbestellest. Du hast dafür zu sorgen, dass er seine subversiven, aufrührerischen Äußerungen sofort einstellt. Außerdem ordne ich an, Versammlungen von mehr als drei Personen zu verbieten.«

»Ich protestiere energisch gegen diese Anmaßung. Der Emperador hat mir gegenüber garantiert, dass wir unabhängig bleiben können.«

»So, du meinst also, dass wir uns hier alles gefallen lassen müssen? Du idealistischer Narr. Du …«

Der Linguide unterbrach den CIP-Offizier.

»Aber Kommandeur, der Status unserer Welt verbietet dem Quarterium, auf unsere innenpolitische Entwicklung Einfluss zu nehmen. In diesem Zusammenhang haben Sie mir gar nichts zu sagen.«

»So, ich habe hier auf diesem Müllhaufen nichts zu sagen?«, brüllte da Repul. »Ich sag dir eines, du bescheuerter Spinner, wenn das Ganze nicht innerhalb eines Tages aufhört und hier Friedhofsruhe herrscht, dann wird eine Einsatzgruppe dafür sorgen, dass du dir wünschst, diesem Joharr richtig in den Arsch getreten zu haben. Und dies, geehrter Vorsitzender, ist ein Befehl.«

Mit diesen Worten trennte da Repul die Verbindung.

»So, diesem Mistkerl habe ich es ordentlich gegeben.«

»Das war wirklich gar nicht schlecht, mein Kommandeurchen.«

Seine Assistentin hatte sich erhoben. Breitbeinig stand sie mitten im Raum.

»Los, komm her, mein Held. Deine Belohnung wartet …«

*

Vilmon Atzkari starrte auf den toten Bildschirm. Dies war genau die Situation, vor der er sich gefürchtet hatte, seit er das Amt des Sprechers bekleidete. Er zwang sich zur Ruhe. Es würde gar nichts nutzen, wenn er jetzt überstürzt handelte. Er seufzte auf und stellte eine Konferenzschaltung zu den beiden anderen Mitgliedern des Triumvirats her. Die Holowand teilte sich und zeigte zwei weitere Linguiden.

»Es ist geschehen. Was wir schon so lange fürchteten, ist eingetreten.«

Er machte eine Pause, um sich zu sammeln.

»Ich hatte gerade ein Gespräch mit diesem Vertreter des Quarteriums, den uns der Emperador vor die Nase gesetzt hat. Und dieses Gespräch war absolut unbefriedigend, ja beleidigend. Dieser arrogante Arkonide ließ selbst die einfachsten Regeln der Diplomatie und Höflichkeit außer Acht.

Ich wurde ultimativ aufgefordert, diesen jungen Heißsporn Joharr und seine Anhänger zu stoppen, ansonsten wurde uns angedroht, dass dies durch eine Einsatztruppe des Quarteriums geschehen würde. Dies ist eine eklatante Missachtung unserer vertraglich geregelten Souveränität. Und nun meine einfache Frage an euch: Was sollen wir tun?«

Es entstand eine lange Pause.

»Was können wir überhaupt tun, Vilmon? Im Grunde haben wir überhaupt keine Möglichkeit, Pace Joharr irgendetwas vorzuschreiben. Du weißt genau wie ich, dass wir im Grunde keinerlei administrative Macht auf Lingus besitzen. Wir sind nur die Vertreter des Volkes, nur die Ansprechpartner.

Das Problem ist, dass dieses Quarterium unsere Regierungsform noch nie verstanden hat. Unseren gegenwärtigen Status verdanken wir im Grunde nur dem Umstand, dass das Quarterium eine planetare Regierung als Ansprechpartner verlangte. Ich sehe im Grunde nur eine Möglichkeit: Dass du versuchst, Joharr sein Vorhaben auszureden. Zwingen können wir ihn zu gar nichts.«

»Aber wieso wieder ich? Ich hab mich nicht in dieses Amt gedrängt und hab keine Lust, als Prellbock für diesen Grobian des Quarteriums zu dienen. Wenn irgendetwas schiefgeht, bin ich der Sündenbock. Ihr haltet euch vornehm zurück und lasst mich die Kastanien aus dem Feuer holen. Warum redet ihr nicht mit Joharr und überzeugt ihn, dass es für unser Volk besser wäre, wenn er klein beigeben würde?«

»Aber Vilmon! Wer ist hier wohl der Sprecher? Du oder wir? Bisher warst du mit deinem Amt immer zufrieden. Ich erinnere mich daran, dass du vor zwei Jahren ein großes Meeting einberufen hast, als wir versuchten, dich abzulösen. Und jetzt willst du plötzlich nicht mehr die Verantwortung tragen? Vilmon, Vilmon, daraus wird nichts. Du wirst die ganze Sache geradebiegen und wir, wir waschen unsere Hände in Unschuld. Und danach können wir vielleicht über eine Ablösung reden.«

Mit diesen Worten wurde die Holoverbindung getrennt. Der alte Linguide starrte ins Leere. Die Verantwortung für ein ganzes Volk lastete auf seinen Schultern. Er fragte sich, ob er nach der arkonidischen Invasion nicht auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Er hatte geglaubt, dass eine möglichst enge Bindung an den alten Spanier, der sich jetzt Emperador nannte, seinem Volk eine gewisse Unabhängigkeit garantieren würde.

Er wusste, dass diese Politik nicht nur auf Zustimmung gestoßen war. Im Gegenteil. Viele waren dagegen, sich an einen Machtblock zu binden. Er hatte jedoch seine Entscheidung durchgesetzt. Und jetzt musste er die Folgen tragen. Er seufzte tief. Nun gut, er musste diesen Joharr ausfindig machen und ihn von seinem selbstmörderischen Vorhaben abbringen.

Es schien, dass das, was so verheißungsvoll begonnen hatte, sich ins Gegenteil verkehrte. Selbst im Volk der Linguiden, das für seine Einigkeit und Friedfertigkeit berühmt war, schien sich ein negativer Geist auszubreiten. Er hatte von Gerüchten gehört, die noch weit beunruhigender waren, als die Eigenmächtigkeiten Joharrs. So sollten einige Mitglieder seines Volkes darüber diskutieren, bewaffnet gegen das Quarterium vorzugehen. Ein unerhörter Vorgang.

Es war seit Jahrtausenden ein ehernes Gesetz der Linguiden, keinerlei Gewalt auszuüben. Und nun schien sich auch das zu ändern. Es war, als ob sich bestimmte Merkmale eines Volkes entweder in positiver oder aber, und das schien weitaus häufiger vorzukommen, in negativer Hinsicht verstärkten.

Er dachte nur an die Veränderungen der Terraner. Es war fast unglaublich, dass die nach Cartwheel ausgewanderte Bevölkerung sich innerhalb weniger Jahre zu einer leicht manipulierbaren Masse verwandelt hatte, die wie Wachs in den Händen der Führer des Quarteriums waren. Aus freiheitsliebenden, der Welt aufgeschlossenen Individuen war eine dumpfe Masse faschistoider und nationalistischer Mitläufer und Extremisten geworden, die kritiklos die Parolen des Emperadors nachplapperten.

Und das war genau sein Fehler gewesen: Er hatte geglaubt, dass nur die Terraner sein Volk vor der Tyrannei der Arkoniden schützen konnten. Nun war es so, dass genau diese Beschützer zu den neuen Tyrannen wurden. Aber es half nichts. Es war zu spät, viel zu spät.

Lingus, gegen Mittag

Es war wie immer ein herrlicher Tag. Die Sonne Lingor schien aus einem wolkenlosen Himmel und hüllte die hügelige Landschaft in ein warmes, honigfarbenes Licht. In die Hügel schmiegten sich kleine Häuser, die in die Landschaft eingepasst waren. Zwischen den Häusern waren kleine Gewässer, bei denen nichts mehr daran erinnerte, dass sie von den Linguiden künstlich angelegt waren. Aus den Bäumen war das vielstimmige Konzert der Vögel zu hören.

Die Linguiden glaubten, als sie auf dem von DORGON vorbereiteten Planeten landeten, dass sie die ideale Welt für ihre Lebensweise gefunden hätten. Es gab auf Lingus keinerlei Raubtiere, nur Pflanzenfresser. Eigentlich eine biologische Unmöglichkeit! Jedes andere Ökosystem wäre über kurz oder lang zusammengebrochen, da die ungehemmte Vermehrung der Pflanzenfresser die gesamte Vegetation zerstört hätte.

Doch nicht so auf Lingus. Irgendein geheimnisvoller Automatismus sorgte dafür, dass sich die Pflanzenfresser nicht ungehemmt vermehrten. Die Populationszahl der einzelnen Tierarten richtete sich immer nach den zur Verfügung stehenden pflanzlichen Ressourcen. Es war noch nie festgestellt worden, dass irgendeine Tierart die Vegetation nachhaltig zerstörte. Die Tiere waren zahm und hatten, auf Grund der fehlenden natürlichen Feinde, keinerlei Fluchtinstinkte. Alles in allem war es das perfekte Bild eines friedlichen Paradieses.

Hier glaubten die Linguiden, die dem Ruf DORGONs gefolgt waren, ihren kollektiven Schuldkomplex über die Rolle ihres Volkes bei den Ereignissen um den »Ruf der Unsterblichkeit« überwinden zu können. Und zur besonderen Freude des gesamten Volkes entwickelten sich die mitgebrachten Kimasträucher zu nie gesehener Schönheit und Größe, so dass man eigentlich bereits von Kimabäumen sprechen musste.

Doch unter der Oberfläche, noch nicht zu erkennen, begann die schleichende Veränderung!

*

Vilmon Atzkari saß unter seinem Kimabaum. Er fühlte, wie eine Aura von Frieden ihn umgab und seinen aufgewühlten Geist beruhigte. Er spürte, wie sein Körper die Kraft des Baumes aufsog. Es war, als ob er Teil des Lebenskreislaufs seiner neuen Heimat wurde. Jetzt fühlte er sich für die bevorstehende Auseinandersetzung gestärkt, ja er freute sich darauf, sich mit Joharr zu messen. Er erhob sich, um den Rebellen zu suchen.

Es war nicht schwer gewesen, Joharr zu finden. Der junge Linguide hatte, wie immer, eine große Anzahl seiner Anhänger um sich versammelt. Vilmon betrat den zentralen Versammlungsplatz. Sein Blick streifte über die versammelte Menge. Etwa 500 Linguiden hatten sich um ein provisorisch aufgebautes Podest versammelt. Ein weiterer Blick über die Menge. Und dann glaubte er, seinen Augen nicht trauen zu dürfen: Direkt um Joharr hatten sich etliche Fremdweltler versammelt!

»Meine Schwestern und Brüder. Hört mich! Hört, was ich euch zu sagen habe.« Der Redner machte eine Pause.

Obwohl er noch mindestens 500 Meter entfernt war, verstand er jedes Wort. Die Stimme des Sprechers hallte über den Platz. Wie war das möglich? Wie konnte die Stimme eines Linguiden so weit tragen? Und dann verstand er. Seine Miene verzog sich vor Abscheu. Joharr setzte Technik ein! Er benutzte Stimmenverstärker!

Jetzt sah er auch die Boxen der Beschallungsanlage, die rings um den Platz verteilt waren. Joharr setzte sich über sämtliche Tabus hinweg. Noch nie hatte ein Linguide sich künstlicher Mittel bedient, um die Gewalt seiner Sprache zu verstärken. Es war ein ungeschriebenes Tabu, dass nur die natürliche Stimme eingesetzt wurde. Was war nur mit seinem Volk geschehen? Welche Entwicklung stand ihnen hier in Cartwheel noch bevor?

Ich muss diesem Frevel sofort ein Ende machen!

Er eilte mit schnellen Schritten Richtung Podium. Dabei rempelte er mehrfach Zuhörer an. Er achtete nicht darauf. Normalerweise hätte er sich umständlich entschuldigt. Aber was war heute normal? Schließlich erreichte der das Podium und stürmte geradezu die kurze Treppe hinauf. Bevor Joharr reagieren konnte, hatte er ihn beiseite gestoßen und das verhasste Mikrophon ergriffen.

»Ich bin der Sprecher des Triumvirats. Diese Versammlung ist illegal. Die Benutzung von Technik ist illegal. Überhaupt ist hier alles illegal.«

Seine Stimme überschlug sich. Hätte er sich selbst hören können, wäre er zutiefst entsetzt gewesen. Wo war seine Ruhe, seine Überzeugungskraft geblieben? Er war einer der fähigsten Redner des Volkes, berühmt für die Klarheit und Überzeugungsfähigkeit seiner Stimme. Hier war nichts, überhaupt nichts davon zu spüren.

»Auf Anordnung des Triumvirats erkläre ich diese Versammlung für beendet. Es ist den Linguiden nicht gestattet, sich in die Angelegenheiten fremder Staaten oder Organisationen einzumischen. Jede Kritik am Quarterium ist hiermit unters…«

Er konnte seinen Satz nicht zu Ende bringen. Pace Joharr hatte sich von seiner Überraschung erholt und den Alten mit Leichtigkeit aus dem Weg gedrängt.

»Ich erkenne das Triumvirat nicht an. Du bist nichts weiter als ein alter Mann, der die Augen vor den Zeichen der neuen Zeit verschließt. Und soweit ich weiß, ist dein Name nicht Vorsitzender, sondern ganz einfach Vilmon Atzkari.

Das war einmal ein guter Name. Doch nun scheint es, dass du den Namen gewechselt hast. Vorsitzender! Was für ein Name! Bist du mehr als ich? Bist du mehr als jeder von uns? Nein! Niemand hat euch dafür gewählt, um uns vorzuschreiben, was wir zu tun und zu lassen haben. Euer Triumvirat mag sich zwar gegenüber dem Quarterium, diesem Reich des Terrors, als unsere Vertreter aufspielen, aber hier auf Lingus, unserer Heimat, habt ihr nichts, gar nichts zu sagen. Wir sind das Volk und das Volk sind wir, und nur das Volk hat zu bestimmen.«

Pace Joharr machte eine Kunstpause.

»Öffne deine Augen, verschließ dich nicht vor dem Leid unzähliger Völker. Wie kannst du noch friedlich schlafen, wenn auf den Planeten der Blues, der Kartanin, der Gurrads und vieler anderer Intelligenzen Terror herrscht? Wenn das Quarterium intelligente Wesen zu Sklaven macht, wenn Millionen deportiert werden? Wie kannst du hier als Marionette dieses mörderischen Systems auftreten? Besinne dich! Wir Linguiden haben eine Aufgabe. Wir haben eine Bestimmung! Wir sind vom Allgeist ausgewählt, den Völkern den Frieden zu bringen. Wer, wenn nicht wir, kann dafür sorgen, dass dieser Wahnsinn ein Ende nimmt?«

Vilmon hatte sich inzwischen gefangen. Er blickte erneut auf die Menge. Nein, das war unmöglich, das durfte nicht sein. Es schien, dass die Auseinandersetzung mit Joharr wie ein Lauffeuer durch die Stadt ging. Aus allen Richtungen strömten Linguiden und Fremdweltler auf den Platz.

Das hatte es noch nie gegeben. Sein Volk war ein Volk von Einzelgängern. Und nun dies. Er musste dies unbedingt verhindern. Bevor Joharr weiterreden konnte, drängte er sich wieder an das Mikrophon. Er fand es widerlich, seine Stimme elektronisch zu verstärken, aber er musste in den sauren Apfel beißen, sonst hatte er überhaupt keine Chance, die Menge zu beeinflussen. Wider Erwarten machte ihm Joharr ohne Zögern Platz. Er räusperte sich.

»Volk von Lingus. Hört mich an! Auch ich bin über die Grausamkeit in Cartwheel bestürzt. Aber wir Linguiden sind nicht mehr die Friedensstifter, die wir einmal waren. Niemand benötigt unseren Rat, unsere Fähigkeiten als Schlichter. Unser Volk hat in der Vergangenheit schwere Schuld auf sich geladen. Wir haben nicht das Recht, uns zu Richtern über andere Völker zu erheben.

Hier auf Lingus ist unsere Heimat. Solange wir uns auf unseren Planeten beschränken, kann uns nichts geschehen. Wenn wir uns nicht einmischen, dann können wir unsere Freiheit, unsere Unabhängigkeit behalten. Das hat mir der Emperador höchstpersönlich zugesichert. Und deshalb, liebe Freunde, bitte ich euch: Zerstreut euch! Hört mit diesem Aufruhr auf! Glaubt ihr wirklich, dass das Quarterium es zulassen würde, wenn wir gegen die Politik des Emperadors Stellung beziehen?«

Bevor er weitersprechen konnte, wurde er durch laute Rufe des Unmuts unterbrochen. Vereinzelt flammten Sprechchöre auf, die sich schnell in der Menge verbreiteten.

Frieden! Stoppt die Mörder des Quarteriums! Krieg dem Kriege! Nieder mit dem Emperador!

Und dann vereinigte sich die Menge zu einer machtvollen Parole, die rhythmisch wiederholt wurde.

Frieden jetzt!

Frieden jetzt!

Frieden jetzt!

Die Stimmen dröhnten über den Platz. Tausende Kehlen wiederholen den Ruf:

Frieden jetzt!

Der Ruf wurde leiser. Pace Joharr war wieder an das Mikrophon getreten und hatte beide Arme erhoben. Nach wenigen Sekunden verstummte die Menge endgültig. Ein erwartungsvolles Raunen lag über dem Feld.

»Meine Freunde! Es ist soweit. Wir dürfen nicht länger schweigen. Hier auf Lingus wird der Keim zu einer neuen Gesellschaft gelegt. Lasst uns diesen Keim in das Reich der Schlächter tragen. Der Ruf nach Frieden wird sie hinwegfegen. Bauen wir gemeinsam an einem neuen Reich, einem Reich der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit. Egal ob Mensch, Bestie, Arkonide, Blue oder was auch immer, wir sind alle gleich. Sie können unsere Körper töten, aber unser Geist wird Millionen Mal aufstehen. Unser Geist, unser Mut wird siegen. Und deshalb rufe ich euch alle auf, versammeln wir uns morgen zu einer größeren, noch machtvolleren Demonstration. Erheben wir gemeinsam unsere Stimme. Der Statthalter des Unrechts zittert schon vor uns. Er versucht, uns zu spalten. Zeigen wir der Galaxis, zeigen wir den Unterdrückern, dass wir Linguiden, dass alle friedfertigen Lebewesen hier, mit einer Stimme sprechen. Und unser Ruf wird lauten: Frieden jetzt! Informiert eure Freunde, eure Bekannten, jedes Lebewesen auf Lingus. Morgen ist der Tag, an dem der Ruf nach Frieden, nach Gerechtigkeit auf alle Welten Cartwheels getragen wird.«

Joharr endete. Nicht endender Beifall brauste auf. Die Menge begann zu singen. Irgendjemand stimmte ein uraltes terranisches Lied an, das zunehmend aufgegriffen wurde. Es war wie ein Wunder: Auch Kehlen, die noch nie das uralte terranische Idiom gesprochen hatten, begannen nach kurzer Zeit mitzusingen:

We shall overcome
We shall overcome
We shall overcome some day
Oh deep in my heart
I do believe
We shall overcome some day

*

Zur gleichen Zeit im CIP-Stützpunkt

Eron da Repul verfolgte das Geschehen über eine kleine Robotsonde, die die Bilder live auf den zentralen Holoschirm übertrug. Über die Variooptik der Sonde konnte er jede gewünschte Vergrößerung herstellen. Gerade zeigte sie Joharr in Großaufnahme. Da beugte sich Essoya über seine Schulter:

»Stell mal den Ton lauter. Da versteht man ja kaum etwas.«

»Jawohl, meine Herrin!«

»Lass den Blödsinn. Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Ich will jedes Wort hören. Und lass ein Aufnahmegerät mitlaufen.«

Wieder meldete sich sein Extrasinn.

Wer ist hier eigentlich der Kommandeur? Soweit ich weiß, bist du das! Diese Frau führt sich hier auf, als ob sie Niesewitz persönlich wäre. Was für ein Waschlappen bist du nur geworden, alter Arkonide.

Auf der Holowand wurde nun der Abschluss der Kundgebung gezeigt. Aus den Lautsprechern tönte es: We shall overcome …

Die Arkonidin verfolgte das Geschehen. Ihr Gesichtsausdruck war überhaupt nicht mehr sinnlich, sondern hart und angespannt. Doch da Repul bemerkte dies nicht.

»Jetzt reicht es mir. Ich kauf mir jetzt den Bastard.«

»Nichts wirst du tun.«

»Was soll das. Wer gibt hier eigentlich die Befehle? Was erlaubst du dir eigentlich? Nur weil ich mit dir ins Bett steige, bin ich hier immer noch der Kommandeur. Du bist nichts weiter als eine verkommene …«

Weiter kam er nicht. Ein Schlag der Arkonidin ließ ihn zusammenklappen. Er wälzte sich am Boden. Langsam stellte sie ihrem Stiefel auf seinen Hals und verstärkte den Druck. Er bekam keine Luft mehr.

»Ich warne dich! Wir haben jetzt keine Zeit für deine Spielchen. Wie verkalkt muss man eigentlich sein, um nicht zu sehen, dass die Situation hier aus dem Ruder läuft? Es geht hier nicht mehr darum, wer was zu sagen hat oder wer nicht. Es geht um deinen Kopf, du Schlappschwanz. Wenn du Joharr jetzt umlegen lässt, riskierst du einen Volksaufstand. Du würdest einen Märtyrer schaffen, dessen Tod uns hinwegfegen würde. Du hast diesen Aufrührer wochenlang gewähren lassen. Und jetzt ist er für dich unangreifbar.«

»Aber Ramira, was soll ich tun?«

»Wir sind allein viel zu schwach. Mit deinen paar CIP-Agenten kannst du keinen Volksaufstand verhindern. Es bleibt dir nur eine Wahl: Setz dich mit deinem Vorgesetzten in Verbindung, am besten mit diesem Niesewitz, und bitte um Verstärkung. Bis die eintrifft, müssen wir das Pack da draußen hinhalten.«

»Aber Niesewitz wird das als mein persönliches Versagen ansehen. Ich werde meinen Posten verlieren.«

»Ich sag es dir nur einmal. Besser du verlierst deinen Posten, du Memme, als dein Leben. Unsere Leben! Eigentlich wäre mir das auch egal, aber zufällig hänge ich an meinem Leben. Wenn diese Friedensapostel anfangen, Amok zu laufen, dann springen wir alle über die Klinge. Also los, stell sofort eine Verbindung mit dem Hauptquartier her.«

Paxus, CIP-Hauptquartier etwa fünfzehn Minuten später

Der kleine Mann mit dem grauen, kurz geschorenen Haar starrte auf das dunkle Display des zentralen Informationstransmitters. Seine rechte Hand trommelte nervös auf die Tischplatte des schweren Schreibtisches, hinter dem er fast verschwand.

»Das gibt es doch gar nicht. Das kann doch nicht wahr sein!«, murmelte er vor sich hin. Und plötzlich schrie er:

»Bin ich hier von lauter Idioten umgeben? Da wird mir ein alter, seniler Arkonide aufgezwungen, ich schieb ihn auf einen Posten ab, wo er absolut keinen Schaden anrichten kann, und nun das. Ich glaube es einfach nicht!«

Mit zittrigen Händen öffnete er eine Schublade in seinem Schreibtisch und nahm eine Flasche heraus. Er nahm sich nicht die Zeit, ein Glas zu holen, sondern setzte die Flasche sofort an den Mund. Der goldgelbe Whiskey rann die Kehle hinab. Ein wohliges Gefühl der Wärme durchströmte ihn.

Hm, das tut gut.

Er nahm nochmals einen großen Schluck und setzte die Flasche ab. Jetzt ging es ihm besser. Langsam gewann er seine Fassung zurück. Nur gut, dass ihn hier niemand sehen konnte.

Was kann ich jetzt noch unternehmen? Dieser unfähige Trottel! Warum informiert er mich erst jetzt? Es hilft nichts, es muss die harte Masche sein.

Er aktivierte wieder das Display. Mit flinken Fingern stellte er eine Verbindung zur zentralen Knotendatenbank her. Nach Eingabe des Zugangscodes und einem Netzhautscan wurde die Verbindung aufgebaut. Er leitete die Verbindung auf seinen Schreibtischmonitor um und ließ sich in den Struktursessel fallen.

Nach einigen Handgriffen stand die Interkomverbindung zu seinem Sekretariat. Das Gesicht einer älteren, korpulenten Frau erschien. Innerlich begann er zu grinsen. Die alte Helga war ein Juwel. Er hatte zwei Jahre nach jemandem wie ihr gesucht. Sie war genau, was er brauchte. Früher hätte man sie als Bürodrachen bezeichnet. Er wusste, dass sie ihn wie einen Gott verehrte.

»Helga, in der nächsten Stunde keine Störung. Und macht es Ihnen was aus, Ihren verdienten Feierabend noch etwas hinauszuschieben? Ich brauche Sie später noch.«

»Aber gewiss, Herr Niesewitz.«

Wieder musste er grinsen. Herr Niesewitz, wie altmodisch das klang. Sie war die Einzige, die ihn nicht mit seinem Rang ansprach. Für sie war er nicht der Marschall-Kommandeur, sondern einfach nur Herr Niesewitz.

»Helga! Mädchen, Sie sind ein Schatz.«

Niesewitz trennte die Verbindung und holte sich ein Glas. Langsam ließ er den Alkohol einfließen. Gedankenverloren starrte er auf das durchsichtige Getränk. Er musste jetzt handeln. Kurz überlegte er, ob er den Emperador oder dessen Schatten, diesen unheimlichen Ritter, informieren sollte. Ganz im Gedanken versunken schüttelte er den Kopf.

Er würde das Problem selbst lösen müssen. Es war die Unfähigkeit eines Untergebenen und er wäre vom Teufel geritten, dies gegenüber dem Spanier oder gar diesem fetten arkonidischen Schnösel zuzugeben. NEIN! Er würde das lösen!

»Hm, mal sehen, wer da in Frage kommen könnte. Es musste in jedem Fall jemand sein, der nicht gleich zum Emperador läuft.«

Niesewitz startete einen Suchlauf, nachdem er mehrere einschränkende Kriterien eingegeben hatte. Kurz darauf signalisierte ein Klingelton, dass der zentrale Knotenrechner seine Analyse abgeschlossen hatte. Er startete einen Kurzdurchlauf des Abfrageergebnisses, den er jedoch bereits nach dem dritten Datensatz stoppte.

Dass ich nicht gleich daran gedacht habe. So langsam scheine ich selbst zu verblöden. Meyers, genau der muss her! Wenn einer auf Lingus aufräumen kann, ohne dass gleich ganz Cartwheel davon erfährt, dann Meyers.

Er aktivierte den Datensatz und las sich die Beurteilung nochmals durch. Jawohl, Meyers war genau der richtige Mann. Ein Bilderbuchsoldat, der gleichzeitig die Ausbildung als CIP-Einsatzoffizier mit Auszeichnung bestanden hatte. Was wollte er mehr?

»Helga, sofort Marschbefehl für Gruppen-Kommandeur Roland Meyers. Er hat sich innerhalb der nächsten Stunde hier bei mir zu melden. Dringlichkeit Alpha-One.«

»Sofort, Herr Niesewitz. Brauchen Sie sonst noch etwas?«

»Nein, Helgalein. Oder warten Sie mal. Doch, Sie können noch etwas für mich tun. Stellen Sie mir sofort alle Unterlagen über das Geheimprojekt SUPREMO-G zusammen. Den Autorisierungscode überspiele ich Ihnen gleich. Und Helgalein, nur Sie machen das. Am besten schicken Sie alle anderen nach Hause. Hm, sagen Sie einfach, dass sie frei haben.«

»Aber Herr Niesewitz! So können wir das nicht machen. Denken Sie nur an das Gerede! Dienstende schon am frühen Nachmittag. Wann hat es das schon gegeben? Nein, Nein, Herr Niesewitz, das geht so nicht. Aber halt, ich habe da eine Idee. Bei uns arbeiten doch überwiegend ehemalige Terraner. Wir könnten doch kurzfristig eine Weihnachtsfeier improvisieren. Ich mach das gleich, innerhalb einer halben Stunden hab ich alle aus dem Haus.«

»Helgalein, wenn ich Sie nicht hätte. Natürlich! Weihnachtsfeier! Das ist die Idee.«

Und anschließend sorge ich dafür, dass auch diese linguidischen Friedensapostel ihre Weihnachtsfeier bekommen. Die werden sich noch wundern.

Paxus, CIP-Hauptquartier etwa siebzig Minuten später

Helga hatte es geschafft. Es war unglaublich. Innerhalb von einer halben Stunde hatte sie ein teures Lokal aufgetrieben, das es als besondere Ehre ansah, die Weihnachtsfeier der CIP-Verwaltung auszurichten. Besonders Helgas Hinweis, dass die Kosten keine Rolle spielen würden, hatte Wunder bewirkt. Er hatte in einer kurzen Ansprache seinem Personal freigegeben und war nun mit Helga allein.

Die beiden standen vor dem Tortransmitter tefrodischer Bauart, der seine Zentrale mit besonders wichtigen Stützpunkten verband. Er grinste in sich hinein. Es war unglaublich, aber im Gigantismusrausch der immer mächtigeren Raumschiffe hatte das Quarterium die Transmittertechnik völlig vernachlässigt.

Dabei lagen die Vorteile klar auf der Hand. Transporte von Menschen oder Material praktisch in Nullzeit. Und als Bonbon dazu geschah das völlig unkontrolliert. Da sich der Emperador und seine Admiralität nicht für Transmitter interessierten, gab es auch keinerlei Ortungseinrichtungen. So war es Niesewitz möglich, quasi im Untergrund des Quarteriums seine Organisation auszubauen.

Der Torbogentransmitter flammte auf. Aus dem Energiefeld trat ein hochgewachsener Terraner. Mit zwei Schritten verließ er den Transmitterbereich und verharrte unschlüssig. Niesewitz trat nach vorne.

»Willkommen auf Paxus, Meyers.«

»Marschall-Kommandeur, ich melde mich wie befohlen zur Stelle.«

Der Gruppen-Kommandeur schlug die Haken zusammen und grüßte, indem er die geballte rechte Faust auf das CIP-Symbol auf seiner linken Schulter schlug.

Der Leiter der CIP betrachtete den jungen Kommandeur wohlwollend. Das war ein Soldat! Jetzt war er völlig sicher, dass er die richtige Wahl getroffen hatte.

»Kommen Sie Meyers, wir haben wenig Zeit. Ich werde Ihnen in der Operationszentrale eine Lageeinführung geben.«

Niesewitz ging voraus. Sie betraten die Operationszentrale.

Der Marschall-Kommandeur nahm hinter dem Lagetisch Platz. Meyers machte vor dem Tisch Männchen. Wohlwollend musterte er den Gruppen-Kommandeur. Was er sah, ließ sein Herz schneller schlagen. Dies war der Vertreter einer neuen Generation von Kämpfern. Gestählt in der Ideologie des Quarteriums, bereit, den Herrschaftsanspruch des Menschen über die minderwertigen Rassen mit Feuer und Schwert durchzusetzen. Er schwelgte in alten Bildern von großen, blonden und blauäugigen Kämpfern. Bald, bald würde er über sie verfügen.

Er musterte nochmals Meyers. Ja, so würden sie aussehen. Groß, muskulös, hart und gnadenlos. Die nachtschwarze Uniform allein wirkte wie eine Drohung. Im Moment musste er noch auf genetisch minderwertiges Material zurückgreifen, aber sein Projekt des »neuen Menschen« war im Entstehen. Die Zusammenarbeit mit Finanzminister Shorne sicherte seinem Projekt unbegrenzte Geldmittel und die weitgehende Unabhängigkeit von der übrigen imperialen Führung.

Er war sicher, dass das Projekt nicht die Zustimmung der Quarteriumsfürsten finden würde, doch die vorsichtige Unterstützung durch den Emperador sicherte seine Durchführung. Aber noch mussten sie aus dem Dunkel agieren, die Zeit der »Neuen Menschen« war noch nicht gekommen. Wieder lächelte er. Meyers war ein Vorgeschmack auf kommende, glorreiche Zeiten.

Nochmals musterte er den Kommandeur. Genau so musste er aussehen. Oh, er konnte sich auf sein Gedächtnis verlassen. Er selbst hatte die Uniformen seiner Einsatzgruppen skizziert. Niemand kam auf die Idee, dass er dabei ein historisches Vorbild vor Augen hatte. In einigen Details hatte er sie verändert, um zu verhindern, dass die historischen Parallelen zu offensichtlich waren. Aber auch das stilisierte Schwarze Loch mit dem Feuerring am Kragenspiegel wirkte richtig furchteinflößend. Er grinste. Furcht, ja Furcht sollten sie verbreiten, seine Elitetruppen.

Er zwang sich wieder zurück in die Wirklichkeit. Träume waren in der gegenwärtigen Lage nicht hilfreich. »Also Meyers, hören Sie zu. Auf Lingus ist eine Sauerei passiert. Dieser unfähige Arkonide, den mir der Gos’Shekur aufs Auge gedrückt hat, hat absoluten Bockmist gebaut. Ich habe Ihnen hier ein entsprechendes Dossier zusammengestellt.«

Er übergab Meyers einige Syntronikausdrucke, die dieser studierte.

»Marschall-Kommandeur, was soll ich tun?«

»Sehr gut, Meyers. Genau diese Frage habe ich erwartet. Sie werden sich mit Ihrer Einsatztruppe nach Lingus begeben und dort den Saustall ausmisten. Sie haben alle Vollmachten. Notfalls jagen Sie diesen da Repul zum Teufel, wenn er sich Ihnen in den Weg stellt. Und um Ihnen den Einsatz etwas interessanter zu gestalten, habe ich hier ein besonderes Geschenk an Sie. Das, was Sie nun erfahren, Gruppen-Kommandeur«, – er wechselte von der vertraulichen Anrede zu einem offiziellen Ton, um die Wichtigkeit zu unterstreichen –, »unterliegt der strengsten Geheimhaltung. Niemand außerhalb der CIP ist über dieses Projekt informiert.«

Er reichte Meyers einen dicken Packen mit Datenfolien und Speicherkristallen.

»Um Ihren Fragen zuvorzukommen, gebe ich Ihnen jetzt eine kurze Einführung in dieses Projekt. Die offizielle Bezeichnung dafür lautet Multipler Angriffskreuzer SUPREMO-G. Das G steht für GLORIUS und das ist auch der interne Name dieses Projektes. Sie sind einer der wenigen CIP-Offiziere, die die Befähigung zur Führung von Kampfschiffen bis zur Schlachtschiffklasse haben. Ich habe Ihre Beurteilungen am Redhorse Point genau geprüft. Sie haben hervorragend abgeschlossen und hätten auch in der Flotte rasch Karriere gemacht. Sie sind eine Führungspersönlichkeit, Meyers. Und Leute wie Sie brauche ich.

Die GLORIUS-Klasse wird das Rückgrat der Einsatzgruppen werden. Und Sie Meyers, werden ihr Kommandeur. Ich habe nun vor einer Woche die Meldung erhalten, dass der Prototyp fertig gestellt ist. Er wartet nur noch auf eine geeignete Besatzung. Und die sind Sie und Ihre Gruppe. Wir haben dieses Schiff auf den Namen FLASH OF GLORY getauft. Und genau wie ein Blitz aus heiterem Himmel wird die FLASH über die Feinde des Quarteriums kommen.

Die taktischen Prinzipien der Konstruktion waren maximale Effizienz bei der Bekämpfung planetarer Ziele bei minimalen eigenen Verlusten. Die bisherigen Raumschiffkonstruktionen der SUPREMO-Klasse waren vom Grundsatz der Quantität geprägt, dieser Schiffstyp ist nach dem Grundsatz der Qualität und Effizienz entwickelt. Und nun …«

Niesewitz unterbrach seine Rede und aktivierte den großen Holoprojektor der Lagezentrale. Über dem zentralen Kommunikationstisch, den Niesewitz in Anlehnung an alte Zeiten Kartentisch getauft hatte, baute sich eine dreidimensionale Projektion auf.

Sie zeigte ein völlig fremdartiges Schiff. Fremdartig, schön und tödlich. Meyers hielt den Atem an. Er konnte nicht glauben, was sich da in dem abgedunkelten Raum vor seinen Augen langsam um die Längsachse drehte. Es war das schönste Schiff, das er je gesehen hatte. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass eine solche Kombination von Schönheit und Tod möglich war.

Vor ihm erstreckte sich ein schlankes, keilförmiges Schiff, das an beiden Seiten Ausleger besaß. Seine Grundausbildung als Raumtechniker sagte ihm, dass es sich dabei um kombinierte Triebwerks- und Waffengondeln handelte. Zwischen dem Schiffskörper und den Auslegern war jeweils eine verkleinerte Ausgabe des Schiffstyps angeflanscht. Das konnten nur zwei Beiboote sein. Er räusperte sich.

»Sir, Marschall …«, stotterte er, »ich soll der Kommandant dieses Schiffes werden?«

»Ja Meyers, Sie. Ich kann mir keinen Besseren vorstellen. Hier haben Sie noch eine genaue Aufstellung der Armierung des Kreuzers.«

Er reichte noch eine eng bedruckte Folie weiter.

»Um Ihre Eingewöhnungszeit abzukürzen, habe ich im Schulungsraum eine genaue Einführung in die Möglichkeiten des Schiffes vorbereitet. Dank unserer Hypnoschulungsgeräte wissen Sie dann mehr über dieses Schiff als ich. Ihren Einsatzbefehl für Lingus haben Sie bereits erhalten.

Praktisch als Hauptaufgabe erhalten Sie den Auftrag, die Einsatzfähigkeit dieses Schiffes unter wirklichkeitsnahen Bedingungen zu testen. Dabei haben Sie volle Handlungsfreiheit, wie Sie die vorhandenen Waffensysteme einsetzen. Nur eines, Meyers, legen Sie dabei diesen Planeten nicht gleich in Schutt und Asche. Das würde im Augenblick noch unnötig Aufsehen erregen. Und Aufsehen können wir noch nicht brauchen. Und nun gehen Sie, die Hypnoschulung wartet.«

Aus den Chroniken Cartwheels

Das war der Tag, die Stunde der Entscheidung. Im Nachhinein klingt es fast banal, aber in dieser Stunde, in dieser Minute fiel die Entscheidung. Die Entscheidung über die Zukunft des Quarteriums, über die Zukunft der Menschheit, über die Zukunft der positiven Kräfte des Universums. Pace Joharr sollte recht behalten: Nicht die Macht, nicht die Waffe, sondern das Wort war entscheidend. Dies war der Tag, die Stunde der Rache. Der Rache ungezählter geknechteter, versklavter, ermordeter Wesen. Und niemand, am wenigsten die direkt Beteiligten, wussten davon. Es war der Zeitpunkt, an dem ein neuer Machtfaktor entstand, und niemand, absolut niemand bemerkte es!

2. Zwischenspiele

Tombstone, Solsystem (Ausbildungszentrum der CIP)

Der hochgewachsene Terraner trat aus dem Bogenfeld des Transmitters, das hinter ihm erlosch. Die anwesenden Wachen der Einsatzgruppe Zero salutierten. Doch der schwarz gekleidete Hüne winkte ab. »Lasst das, wir sind hier unter uns.« Mit schnellen Schritten durchquerte er das Panzerschott, das sich hinter ihm schloss. Nach wenigen Minuten erreichte er die Station der unterirdischen Turbobahn und stieg in eine bereitstehende Transportkapsel.

Mit geübten Fingern gab er den Zielcode ein, er musste alleine sein. Sein Ziel war erst einmal sein privates Quartier. Die Kapsel setzte sich in Bewegung und fädelte sich in das den ganzen Planeten umfassende Röhrensystem ein. Ein gepulstes Antigravfeld beschleunigte sie innerhalb weniger Sekunden auf eine Geschwindigkeit von über dreitausend Kilometer pro Stunde. Im Inneren war jedoch von den gewaltigen Beschleunigungskräften nichts zu spüren, die eingebauten Andruckabsorber neutralisierten die Andruckkräfte auf den Normalwert des Planeten von 1,3 Gravo.

Die vom Terrastandard abweichende Schwerkraft behinderte den Mann in keiner Weise. Er konnte sich bis zu Werten von fast zwei Gravos genauso mühelos bewegen, wie unter Terrastandard. Im Kampftraining hatte sich gezeigt, dass er selbst für einen untrainierten Oxtorner gefährlich werden konnte. Roland Meyers war eine hochgezüchtete Kampfmaschine. Er dachte kurz an den alten Chinesen, der ihn auf Terra bereits in frühester Kindheit unterrichtet hatte. Was würde dieser wohl heute sagen?

Er würde dich verachten und dann versuchen, dich zu töten.

Unwillig schüttelte er den Kopf und verbannte die Stimme seines Gewissens. Auf Terra legte man keinen Wert auf Kämpfer wie ihn. Dort waren die Weichlinge an der Macht. Die offizielle Politik der LFT war Rückzug. Rückzug vor dem Göttlichen Imperium. Rückzug vor der eigenen Machtstellung. Rückzug vor der Verantwortung.

Die Führung, einschließlich dieses Rhodan, schien die kosmische Bestimmung der Menschheit vergessen zu haben. Diese Unsterblichen, die angeblich von einer Superintelligenz ausgewählt worden waren, um die Menschheit zu führen, waren müde und verbraucht. Nicht sie führten, sondern der Pöbel. Ein Pöbel, dem die nächste Trivid-Show wichtiger war als die alten Ideale. Und dies war nicht seine Gesellschaft. Hier sah er keine Zukunft für sich.

Da vertrat das Quarterium eine ganz andere Politik, die Politik der Stärke. Hier wurde er gebraucht, hier konnte er sich entfalten. Nur eines gab ihm zu denken. Wie nur war es möglich, dass an der Spitze dieser Macht keine moralisch integren Persönlichkeiten standen?

Genaugenommen gab es nur einen Führer des Quarteriums, von dem er glaubte, dass er die umfassenden Machtbefugnisse nicht zum eigenen Vorteil missbrauchte: Cauthon Despair. Nur der Silberne Ritter hatte in seinen Augen die moralische Integrität, um das Quarterium zu führen. Doch gleichzeitig erfüllte ihn seine Persönlichkeit mit einem Unbehagen, das er nicht definieren konnte.

Nein, Unbehagen war eigentlich der falsche Ausdruck, es war Furcht, animalische Furcht. War es richtig, dass er sich in den Dienst dieser Macht gestellt hatte? Gut, er war Soldat aus Berufung und Überzeugung, er konnte sich keinen anderen Beruf vorstellen. Und er wusste, dass er ein guter Soldat war. Hier im Quarterium lag seine Zukunft, hier konnte er Karriere machen, konnte sich entfalten. Aber um welchen Preis? Durfte er vor der Entwicklung der letzten Jahre die Augen verschließen, rechtfertigte militärische Stärke Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Rassenwahn? Wann begann seine Pflicht als Mensch, die Pflicht zum Widerstand?

Hör auf damit! Du hast dich entschieden. Und das Quarterium vertritt deine Ziele!

Aber vertritt es auch meine Ideale?

Inzwischen hatte die Transportkapsel ihr Ziel erreicht. Mit schnellen Schritten betrat er sein Quartier. Mit einem leisen Zischen schloss sich das Schott hinter ihm. Tombstone war eine Festung. In den vergangenen Jahren hatte Niesewitz den sechsten Planeten des Solsystems systematisch ausgebaut.

Das alles war unter strengster Geheimhaltung geschehen. Die Öffentlichkeit hatte davon nichts erfahren, er bezweifelte, dass außer Siniestro und Shorne noch jemand in der Führung des Quarteriums Informationen über Tombstone besaß. Und Despair interessierte sich nicht für den Geheimdienst, für ihn zählte nur die Flotte.

Hier im Zentrum des Terrablocks bündelte sich die Aufmerksamkeit allein auf Mankind. Der sechste Planet wurde als eine unbedeutende, unbesiedelte Eiswüste angesehen. Offiziell betrieb Shorne-Industries nur einige bedeutungslose Bergwerke auf der Eiswelt, um einige wichtige Rohstoffvorkommen auszubeuten. Diese Bergwerke hatten als Vorwand für die Aktivitäten an der Oberfläche des Planeten gegolten.

Niemand war auf die Idee gekommen, dass sich unter der Oberfläche ganz andere Aktivitäten entfalteten. Grundprinzip war die Tarnung. Jeder Energieerzeuger wurde dreifach abgeschirmt. Das, was an Energieemissionen messbar war, konnte den Bergwerken zugeordnet werden. Beherrschende Transporttechnik waren Transmitter. Einen größeren Raumhafen gab es nicht. Die geheimen Anlagen waren nur über Transmitterstrecken erreichbar. Der zentrale Großtransmitter bildete das Zentrum des geheimen CIP-Transmitternetzes.

Roland Meyers ließ sich in einen Kontursessel fallen und warf die Mappe mit den Unterlagen neben sich. Er öffnete die Uniformjacke, legte die Füße auf den Tisch und zündete sich einen Zigarillo an. Genüsslich sog er den Rauch ein.

In aller Ruhe öffnete er ein Seitenfach seines Schreibtisches und holte eine Schale aus uraltem chinesischem Porzellan heraus. Daneben stand eine Flasche mit einer farblosen Flüssigkeit. Langsam ließ er diese in die Schale laufen, bis sie etwa zu zwei Dritteln gefüllt war. Mit den Händen wärmte er die Schale. So verharrte er einige Minuten. Dann trank er sie in kleinen Schlucken leer.

Der Sake rann wie Feuer durch seine Speiseröhre und schien im Magen zu explodieren. Sein Chi breitete sich als eine Welle von Wärme und Ruhe in seinem gesamten Körper aus. Er erhob sich und begann einige Tai-Chi-Übungen durchzuführen. Sein Geist klärte sich. Das hatte er unbedingt gebraucht.

Sein Blick fiel auf das Bücherregal, ein Anachronismus, der viel Anlass zu Spötteleien gab. Die meisten Bücher waren das Vermächtnis seines chinesischen Lehrers. Genau wie der alte Reispapierdruck, in glasklaren Kunststoff eingeschweißt, der das einzige Schmuckstück in seinem Quartier bildete. Dann fiel sein Blick auf ein Buch, das alleine stand.

Warum Solarmarschall, warum nur bist du deinen Weg nicht zu Ende gegangen?

Das Buch trug den Titel »Der Weg des Upanishad«. Verfasser war kein Geringerer als der ehemalige Solarmarschall des Solaren Imperiums, Julian Tifflor.

Du hast den Weg gekannt, Solarmarschall. Dein Weg hätte der Menschheit eine neue Zukunft eröffnet. Warum nur, warum bist du auf halbem Wege stehen geblieben? Ein richtiger Weg wird doch nicht falsch, nur weil er missbraucht wird! Du hast die Gedanken des Upanishad zu Ende gedacht und bist dann vor deiner eigenen Konsequenz davongelaufen. Hast du dich davor gefürchtet, die Machtfrage zu stellen?

Er nahm das Buch in die Hand, das seines Wissens noch das einzige Exemplar von Tifflors Werk darstellte. Der Solarmarschall selbst hatte dafür gesorgt, dass alle Exemplare vernichtet wurden, nachdem er den Weg des Upanishad zum Irrweg erklärte. Alle bis auf eines. Und wieder fragte er sich, ob der Weg des Upanishad mit dem Quarterium vereinbar war.

Er riss sich aus seinen Grübeleien. Jetzt musste er handeln. Kurz entschlossen aktivierte er das Interkom.

»Hier spricht Meyers. Kommandeursbesprechung in zehn Minuten in der Operationszentrale. Meyers, Ende!«

Er stellte Tifflors Buch wieder zurück, betrat die Hygienezelle und musterte sich im Spiegelfeld. Langsam lief das kalte Wasser in das Becken. Er tauchte sein müdes Gesicht in die kalte Flüssigkeit. Mit einem Handtuch trocknete er sich ab. Flüchtig überlegte er, ob er den Servo aktivieren sollte, um seinen Haaren den Flottenstandardschnitt zu verpassen. »Verflucht«, presste er zwischen den Lippen hervor. Nein, er hatte keine Lust mehr, sich anzupassen. Vor allem hatte er keine Lust auf eine Militärglatze. Mit den Händen strich er sein nasses Haar zurecht. »Das muss reichen«, murmelte er. Er verließ die Hygienezelle und ordnete seine Uniform provisorisch. Dann eilte er aus dem Quartier.

Die Transportkapsel der Tunnelschnellbahn brachte ihn in wenigen Minuten zur Operationszentrale. Vor dem Schott stand eine gemischte Wachgruppe aus Ertrusern und Oxtornern. Mit ohrenbetäubendem Klatschen schlugen zehn Fäuste auf das CIP-Symbol. Lässig erwiderte er den Gruß.

»Willkommen zu Hause, Kommandeur«, dröhnte ihm aus zehn Kehlen entgegen.

»Danke, Männer«, antwortete er und betrat die Operationszentrale.

Dort warteten bereits seine Kommandeure, die sich alle mehr oder weniger ordentlich um das zentrale Kommunikationsterminal flegelten. Er musste unbewusst grinsen. Wenn das dieser Widerling von Möchtegerngeneral sehen könnte, dieser Wirrkopf Peter de la Siniestro, der sich für den größten Militärstrategen des Universums hielt! Der würde wohl glatt einen Herzanfall bekommen.

»Kommandant an Bord«, ertönte die Stimme seines Freundes Shan, der einige Filme über die alte terranische Marine gesehen hatte und sich seitdem im Marineidiom ausdrückte. Der bärenstarke Oxtorner hatte sich erhoben und verzog sein Gesicht zu der Grimasse, die bei ihm ein freundliches Lächeln darstellte, danach trat er ihm zwei Schritte entgegen und umarmte ihn. »Es ist schön, dass du wieder hier bist, Roland.«

Mogul war sein Ausbilder, sein Lehrer am Redhorse Point gewesen und er hatte keinen Moment gezögert, als er ihn sein Lieblingsschüler gebeten hatte, mit ihm nach Tombstone zu kommen. Sein Gesicht war von unzähligen Narben überzogen, die Zeugnis von seinen Kämpfen abgaben. Es war, als ob ein Ruck durch das versammelte Chaos ging: Plötzlich bot die ganze Versammlung das Bild einer Einheit aus geballter Kraft und unbändiger Energie.

Er warf einer schlanken Terranerin mit geradezu atemberaubenden Formen die Mappe entgegen. Die fing sie ohne irgendein Zeichen von Überraschung auf.

»Maya, würdest du bitte diese Unterlagen vervielfältigen und den Datenkristall in das Lesegerät legen?«

»Aber natürlich, heiß geliebter Kommandeur.«

Mit diesen Worten warf sie ihre lange Mähne zurück und drehte sich kokett zur Seite. Dadurch gab sie den Blick auf ihre Vorderansicht frei. Er musste schlucken. Sie trug, wie alle anderen, die nachtschwarze Uniform der Einsatzgruppen. Aber das Oberteil ihrer Uniform war absolut vorschriftswidrig. Sie hatte die Magnetverschlüsse der Kombi fast bis zum Bauchnabel geöffnet und bot nun einen tiefen Einblick auf ihre Oberweite. Den üblichen Büstenhalter hatte sie nicht nötig.

In der normalen Truppe war sie mehrmals degradiert worden. Nur ihre überragenden Leistungsbeurteilungen hatten verhindert, dass sie mit Schimpf und Schande aus der Flotte entlassen wurde. Doch zuletzt hatte sie ihr Glück überstrapaziert. Er hatte sie, als er seine Gruppe zusammenstellte, aus einem Straflager holen müssen. Ein Sondergericht der Flotte hatte sie wegen Untergrabung der Kampfmoral zu zehn Jahren verurteilt. Sie hatte einen Konter-Admiral im Generalstab, der ihr Nein nicht akzeptieren konnte, in der ganzen Flotte lächerlich gemacht.

Auf dem Stützpunkt hatte sie anfangs einen schweren Stand. Fast alle Mitglieder des Teams betrachteten sie zunächst als Freiwild. Doch gebrochene Knochen, tagelange Schmerzen im Unterleib, ausgekugelte Beine und Arme verschafften ihr schnell entsprechenden Respekt. Und jetzt gingen die Mitglieder ihrer Gruppe für sie durchs Feuer. Wieder erschauerte er. Auch er hatte dieses »Feuer« genossen. Ein Erlebnis, das er so schnell nicht wiederholen wollte.

»Was gibt es, Kommandeur?«

Die Stimme Shans riss ihn aus seinen frivolen Betrachtungen. Maya verteilte in der Zwischenzeit bereits die Kopien der Datenblätter, die er von Niesewitz erhalten hatte, und wackelte dabei gefährlich mit ihrer Heckpartie, was zu einigen gut gemeinten Klapsen und anzüglichen Bemerkungen führte.

»Das meine Herren, Entschuldigung, und Damen«, verbesserte er sich, »sind die Unterlagen des geheimsten Projektes in Cartwheel. Macht euch mit diesem Schiffchen vertraut. In seiner unermesslichen Weisheit hat Niesewitz diesen Sauhaufen dazu ausersehen, die Besatzung der FLASH OF GLORY zu bilden.«

Er machte eine Pause, um ihnen die Gelegenheit zu geben, sich in die Unterlagen zu vertiefen. Aus allen Ecken hörte er Äußerungen der Überraschung.

Dann war plötzlich Ruhe. Er hatte sich den Höhepunkt bis zuletzt aufgehoben. Mit einem Knopfdruck aktivierte er die Holodarstellung. Die FLASH OF GLORY schwebte mitten im Raum.

»Das ist unser neues Schiff.«

Private Suite Werner Niesewitz, Chef der CIP

Der gefürchtetste Mann in Cartwheel, so sah er sich wenigstens selbst, betrat seine luxuriöse Suite. Der Zimmerservo reagierte sofort und gedämpftes Licht leuchtete auf. Gleichzeitig ertönte eine bombastische Musik, die im 14. Jahrhundert NGZ fast völlig vergessen war. Aus unsichtbaren Lautsprechern erfüllte Richard Wagners Ouvertüre zur »Götterdämmerung« den Raum.

Gedankenverloren lauschte er der historischen Aufnahme aus der Mitte des alten 20. Jahrhunderts. Wie selbstverständlich begann er, das unsichtbare Orchester zu dirigieren. Ja, genau das war sein Auftrag. Er war auserwählt. Nur die »Vorsehung« konnte dafür gesorgt haben, dass er aus dem 20. Jahrhundert hier in der Zukunft strandete. Er war der Auserwählte der »Vorsehung«. Die Menschen der Zukunft hatten die alten, guten Gesetze der Rassenhygiene vergessen.

Der Mensch bildete die Krone der Schöpfung. Nur der Starke hatte ein Recht auf Leben. Und hier in Cartwheel, das war nur der Anfang. Bald würde seine Macht sich ausbreiten. Das Quarterium hatte bereits begonnen, nach anderen Galaxien zu greifen. Und er würde den Eroberern folgen. In jeder Galaxis würde der Mensch herrschen. Und überall würden Moral und Ordnung Zeugnis von der Herrlichkeit der menschlichen Rasse ablegen. Das war seine Berufung. Dazu hatte ihn die »Vorsehung« auserwählt. Langsam verstummte das Orchester. Die machtvolle Musik hallte in seinem Denken nach. Sein Interkom-Anschluss summte. Er aktivierte die Bildverbindung. Helga, seine Sekretärin, war zu sehen.

»Herr Niesewitz, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit vorbereitet. Das bestellte Paket wird in etwa fünfzehn Minuten bei Ihnen eintreffen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.«

Bevor er antworten konnte, unterbrach sie die Verbindung. Ja, genau das brauchte er jetzt! Dieser Akt brachte ihm immer wieder neue Energie. Energie, die er brauchte, um seine Mission erfüllen zu können. Und bald brauchte er sich auch nicht mehr verstecken. Die neu eingerichteten Lager boten sicher genügend Möglichkeiten.

Nun ja, er hatte noch etwas Zeit. Nochmals nahm der die Akte Meyers zur Hand. In dieser Beziehung war er absolut altmodisch. Er konnte diesen neuartigen Datenspeichergeräten nichts abgewinnen. Er wollte Informationen, die man anfassen, in die Ecke werfen, auf denen man herumtrampeln konnte. Er vertiefte sich noch mal in die Beurteilung. Warum nur hatte er hinsichtlich Meyers diese zwiespältigen Gefühle? Auf der einen Seite war er von dem Soldaten Meyers begeistert. Aber auf der anderen Seite …

Er blätterte ziellos in der Akte. Sein Blick fiel auf eine Notiz. Auszeichnung mit dem Sonnenstern erster Klasse. Es war eine Episode nach dem Sieg gegen die Alien-Allianz. Es war kurz vor der Krönung des Spaniers zum Emperador. Die ganze Schickeria des Quarteriums hatte sich auf dem Schloss des Monarchen auf Siniestro versammelt. Eine Abordnung der Flotte sollte bei der Krönung Spalier bilden. Unter den abgeordneten Offizieren war auch Meyers, der besonders ausgezeichnet werden sollte.

Während die anderen in ihren Quartieren sich auf ihren Auftritt vorbereiteten, durchstreifte Meyers die Umgebung. Später erklärte er, dass irgendetwas seinen Argwohn erregt hätte. Kurz gesagt, er konnte einen Anschlag auf den Sohn des Emperadors, Orlando, gerade noch verhindern. Er rettete ihm das Leben, indem er den Attentäter mit bloßen Händen tötete. Dadurch wurde auch die CIP auf Meyers aufmerksam. Aber hier konnte nicht die Lösung für seine Unruhe sein.

Plötzlich blieb sein Blick auf einem anderen Kapitel hängen. Kindheit. Ja, das musste es sein. Hippiejugend, antiautoritäre Erziehung, Zen-Buddhismus. Das alles war beunruhigend. Warum hatte er das bisher nicht beachtet? Aber dann schüttelte er den Kopf. Seit der Pubertät deutete nichts mehr auf diesen Schwachsinn hin. Im Gegenteil. Mit Genugtuung überflog er den Bruch mit der Familie.

Ja, genau so musste es sein. Meyers hatte seine Bestimmung gefunden. Er war, genau wie er, von der »Vorsehung« ausgewählt. Er war der »Siegfried« der Zukunft, das Werkzeug der »Götterdämmerung«. Seine Zweifel verflogen. Und er lächelte.

Hier hatte er auch die Erklärung für die seltsame Vorliebe seines Gruppen-Kommandeurs für etwas außergewöhnliche Soldatenlaufbahnen. Er musste über seine Formulierung grinsen. Das war gut. Dies war eine im ganzen Quarterium einmalige Versammlung von mehrfach degradierten, eigentlich zu Straflager verurteilten, aufsässigen, unangepassten Soldaten. Kurz gesagt, der Alptraum jedes Kommandanten. Nur Meyers schien mit diesem Haufen glänzend klarzukommen. Er hatte sich mehrmals, auch durch unangemeldete Besuche, davon persönlich überzeugt. Und die Leistungsbeurteilungen überzeugten ihn völlig. Es gab keine besseren Soldaten im gesamten Quarterium, als Meyers wilde Horde.

Dass ihr Aussehen nicht ganz der offiziellen Norm eines Soldaten entsprach, darüber konnte er hinwegsehen. Mit einem seligen Schaudern dachte er an seinen letzten Besuch auf Tombstone zurück. Er war wieder mal unangemeldet erschienen. Aber in nur zwei Minuten hatte es Meyers geschafft, ihn mit einer Ehrengarde zu empfangen. Wie im Rausch war er durch das Spalier der Kämpfer gegangen. Aus diesen Recken würde er die Garde der Menschheit schmieden. Sie würden die Keimzelle des »Neuen Menschen« bilden. Sie würden sein Schwert sein, mit dem er die Feinde des Menschen hinwegfegen würde.

Plötzlich hörte er das Summen seiner Bildsprechanlage. Dieses riss ihn aus seinen Träumen und brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Ja, die Pflicht konnte warten. Jetzt erwartete ihn die Inspiration. Er öffnete die Tür. Eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, lehnte lässig am Türrahmen. Herausfordernd starrte sie ihn an. Die Lackbluse und der kurze Minirock zeigten mehr, als sie verbargen. Ja, die war genau richtig.

»Eine gewisse Helga hat mich engagiert. Bin ich hier richtig bei einem gewissen Herrn Müller?«

»Aber natürlich, meine Schöne der Nacht. Hier bist du genau richtig.«

Mit diesen Worten ergriff er ihre Hand und zog sie in das Appartement. Mit einem leisen Klicken verriegelte er die Tür.

Planet Einstein

Vor dem großen Torbogentransmitter hatte sich die gesamte Einsatzgruppe versammelt. Rund dreihundert Männer und Frauen warteten auf ihren Kommandanten. Dieser ließ jedoch noch auf sich warten.

Roland Meyers nahm Abschied von seinem Zuhause. Er musterte nochmals sein Marschgepäck. Er schüttelte seinen Kopf. Was war nur mit ihm los? Warum hatte er das Gefühl, für immer Abschied zu nehmen? Er nahm unschlüssig den Reispapierdruck zur Hand. Kurz entschlossen räumte er sein Gepäck noch mal aus. Der Druck verschwand zwischen Jacke und Hose seiner Reserveuniform. Dann verstaute er drei Bücher. Die waren die Quintessenz seines Denkens: Tifflor, Redhorse und Deshimaru. Tifflor war der Kampf und der Wille zur Selbstbehauptung, Redhorse war Taktik und Menschenführung und Deshimaru war die Philosophie. Nochmals betrachtete er das Buch. Der Titel brannte sich in sein Gehirn: »Zazen – die Praxis des Zen«.

Oh Taisen, großer Meister, mein Ki ist aus dem Gleichgewicht, ich weiß nicht mehr, wohin ich gehöre. Hast du je Zweifel an deinem Weg gehabt?

Er zwang sich, das Buch zurückzulegen. Am liebsten hätte er sich in einen hellen, luftigen Raum zurückgezogen und sich in die Lehren des Meisters vertieft. Aber er hatte keine Zeit. Seine Männer warteten auf ihn. Zuletzt verstaute er noch die Porzellanschale und achtete sorgfältig darauf, dass sie gut gepolstert war. Dann schloss er das Gepäckstück und verließ sein Quartier, das ihm zu einer zweiten Heimat geworden war. Er wusste plötzlich genau, dass er nicht mehr zurückkommen würde.

Nach wenigen Minuten erreichte er seine Kommandoeinheit. Ihn verließen alle Zweifel. Dies war seine Truppe, Männer und Frauen, die er geformt hatte. Zusammen gingen sie durch das Transmitterfeld und rematerialisierten tausende von Lichtjahren entfernt auf einem unwirtlichen Planeten, der einsam im sonnenlosen Leerraum, umgeben von einem kosmischen Trümmerfeld, zwischen dem inneren und äußeren Ring seine Bahn zog.

Dies war einer der unwirtlichsten Orte in der gesamten Insel, aber für die Zwecke von Niesewitz geradezu ideal. Fernab jeglicher Besiedlung, quasi im Niemandsland, zog der Planet allein seine Bahn. Das wissenschaftliche Korps der CIP hatte ihn auf den Namen Einstein getauft, in Gedenken an den großen terranischen Wissenschaftler der Vorzeit. Einstein war das geheime Forschungszentrum, praktisch das wissenschaftliche Gegenstück zu Tombstone. Hier hatte man in jahrelanger Arbeit den neuen Kampfschiffstyp entwickelt. Und Meyers und sein Kommando waren angekommen, um den Prototyp zu übernehmen.

Um die Empfangsstation der Transmitterstrecke hatten sich die führenden Wissenschaftler des Projekts GLORIUS versammelt. Niesewitz hatte die Übernahme der FLASH OF GLORY durch Meyers und seine Leute bereits angekündigt. Das Bogenfeld des Torbogentransmitters aktivierte sich. Nacheinander traten die Mitglieder des Kommandos aus dem Feld. Meyers kam als Letzter. Hinter ihm deaktivierte die Automatik den Transmitter. Das Bogenfeld erlosch.

»Gruppen-Kommandeur Meyers mit Einsatzgruppe Zero. Abkommandiert zum Test des Prototyps der SUPREMO-G-Klasse.«

Der leitende Wissenschaftler, ein etwas korpulenter Akone im Rang eines Bezirks-Kommandeurs, erwiderte die Meldung.

»Danke, Gruppen-Kommandeur. Der Marschall-Kommandeur hat Sie bereits angekündigt. Ich habe jedoch bereits darauf hingewiesen, dass ich den Prototyp noch nicht für einsatzreif halte. Deshalb bitte ich Sie zu einer Besprechung in die Messe. Ihrer Truppe werden entsprechende Quartiere zugewiesen.«

»Halt, Bezirks-Kommandeur. So geht das nicht! Meine Befehle sind eindeutig. Ich soll mit meinem Kommando sofort dieses Schiff übernehmen und einen Einsatztest durchführen. Ich denke nicht, dass Sie die Befehle des Marschall-Kommandeurs in Frage stellen wollen, oder?«

»Entschuldigung, ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Ich lasse Ihre Leute sofort an Bord der GLORY bringen. Aber trotzdem muss ich Sie bitten, noch einige Einzelheiten zu klären.«

Meyers nickte zustimmend und folgte dem Akonen. Es überraschte ihn, einen Vertreter dieses Volkes hier zu finden und sogar noch in leitender Position. Sie benutzten wieder das von Tombstone bekannte Rohrbahnsystem. Wenige Minuten später erreichten sie die Messe. Dort warteten bereits einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

»Bitte nehmen Sie Platz, Gruppen-Kommandeur. Dies sind die führenden Wissenschaftler des Projekts. Unser Problem ist, dass einige wesentliche Komponenten des Schiffes noch nicht hundertprozentig einsatzfähig sind. Der Einsatzbefehl kam zu früh. Das Schiff ist noch nicht startbereit.«

»Tut mir leid, meine Befehle sind eindeutig.«

»Ich habe befürchtet, dass Sie auf einem Einsatz beharren. Aber ich möchte Ihnen einen Kompromissvorschlag machen. Ich habe ein Team von Wissenschaftlern zusammengestellt, die mit Ihnen an Bord gehen werden. Wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftreten, sind Ihre Chancen besser.«

»Dies passt mir überhaupt nicht. Was soll ich mit Wissenschaftlern im Einsatz?«

»Ich fürchte, Ihnen bleibt keine andere Wahl. Nehmen Sie mein Angebot an. Ihre Chancen werden dadurch wesentlich besser.«

»Nun gut, die Wissenschaftler sollen in einer halben Stunde an Bord kommen. Vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht. Und nun entschuldigen Sie mich, ich muss mich um meine Leute kümmern.«

Damit verabschiedete sich Meyers.

*

Zwei Stunden später, Zentrale der FLASH OF GLORY

Das neue Schiff war mit einer Antigravplattform zur Oberfläche gebracht worden. Alle Mitglieder der Gruppe Zero waren qualifizierte Raumfahrer und hatten sich somit schnell mit den Kontrollen vertraut gemacht. Die meisten Funktionen waren durchaus mit den üblichen Kontrollen der SUPREMO-Klasse vergleichbar. Nur der Kampfstand und die Kontrollen der Überlicht-Sektion waren völlig anders.

Roland Meyers hatte den Platz des Kommandanten eingenommen. Auch er musste sich in einigen Funktionen umstellen. Eine keilförmige Grundkonstruktion war eben nur bedingt mit Kugelzellenraumern vergleichbar. Erleichternd kam jedoch dazu, dass die SUPREMOs auch keine reinen Kugelraumer waren.

Die Wissenschaftler waren inzwischen an Bord gekommen und hatten sich in der Zentrale verteilt. Im Moment überließen sie die Kontrollen der Gruppe Zero und beschränkten sich auf reine Beobachtung. Prüfroutine nach Prüfroutine wurde durchlaufen. Bisher waren keine Probleme aufgetreten. Allmählich zeigten alle Kontrollen Grünwerte. Und dann war es soweit. Der letzte Check war erfolgreich abgeschlossen.

»Schiff klar zum Start, Kommandant.«

Meyers ließ seine Hand über der zentralen Kontrollschaltung schweben. Sein Blick schweifte nochmals über die Zentrale. Die Grundform entsprach den neuen Schiffen der LFT, der ENTDECKER-Klasse. Sein Blick fiel auf einen halbkugelförmigen Helm, der funktionslos über seinem Struktursessel hing. Sogar eine Steuerung über die SERT-Haube war vorgesehen. Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Auf eine solche Idee konnten auch nur Wissenschaftler kommen. Im gesamten Quarterium gab es keine Emotionauten, also war das Gerät völlig nutzlos.

Und dann senkte sich seine Hand auf die Kontrollschaltung. Tief unter ihm begann das neuartige Protonenimpulstriebwerk zu erwachen. Einen Moment zitterte die Schiffszelle. Doch dann reagierten die Andruckabsorber und Trägheitsdämpfer. Sie glichen die gewaltigen Beschleunigungskräfte aus, die am Heck der GLORY wirksam wurden. Langsam begab sich das Schiff zum ersten Mal auf den Weg in sein eigentliches Element, den Raum zwischen den Sonnen und Galaxien.

Hinter ihnen verschwand der trostlose Planet in den Tiefen des Raumes, und wenig später war auch das Schiff in die Unendlichkeit eingetaucht. Die Stunde der Entscheidung hatte begonnen.

3. Right or wrong: Is it my Country?

18. Dezember 1305 NGZ, Lingus, früher Morgen

Die FLASH OF GLORY war am Rande des Raumfeldes gelandet. Meyers war früh am Morgen über dem Planeten erschienen. Er war nicht heimlich, sondern mit einem Donnerschlag gelandet. Die Besatzung hatte den Flug dazu genutzt, sich mit den Möglichkeiten des neuen Schiffstyps bekannt zu machen. Und die Stimmung der Besatzung war nur mit einem Wort zu beschreiben: Begeisterung! Alle Mitglieder der Gruppe Zero waren sich einig, dass dieses Schiff alles in den Schatten stellte, was bisher die Werften der Menschheit verlassen hatte. Kleinere technische Probleme konnten mit Hilfe der Wissenschaftler schnell behoben werden. Es sah so aus, als ob die GLORY voll einsatzfähig war.

Die GLORY war wie ein Bote des Untergangs über der Stadt erschienen. Sie war mit viel zu hoher Fahrt in die Atmosphäre eingetreten. Die ionisierten Gase umhüllten das Schiff wie ein Feuerball. Dieser flammende Ball zog zweimal über Lingorstadt, bevor Meyers das Schiff abbremste und auf dem Raumhafen landete. Er hoffte, dass er damit eine eindrucksvolle Demonstration seiner Macht gegeben hatte, um seine Mission zu vereinfachen.

Wenig später im Hauptquartier der CIP auf Lingus

Eron da Repul beobachtete den Holoschirm, der das Landefeld zeigte. Er schüttelte ungläubig den Kopf. So ein Schiff hatte er noch nie gesehen. Der gewaltige Schiffskörper ragte wie ein Turm in die Höhe. Er fragte sich, um welchen Typ es sich handelte. Dass es die angeforderte Verstärkung war, hatte ihm ein Gruppen-Kommandeur kurz vorher über Interkom mitgeteilt. Dann sah er drei Gestalten das Schiff verlassen. Sie marschierten über das Feld auf das Hauptquartier zu.

Kurz darauf betraten die drei CIP-Angehörigen das Hauptquartier. Da Repul erwartete sie in seinem Arbeitszimmer. Ramira hatte sich so züchtig, soweit es ihr möglich war, hinter dem zentralen Kommunikationsterminal verschanzt.

»Gruppen-Kommandeur Meyers meldet sich befehlsgemäß zur Stelle.«

Der alte, hagere Arkonide hatte sich hinter seinem Schreibtisch halb erhoben. Mit zusammengekniffenen Lippen musterte er den hochgewachsenen Terraner, der lässig an seinen Schreibtisch lehnte.

»Was erlauben Sie sich, nehmen Sie gefälligst Haltung an, wenn Sie sich bei einem Vorgesetzten melden. Warum haben Sie Ihre Leute nicht ausgeschleust und dieses Pack auseinander getrieben?«

»Ich muss Sie korrigieren, Bezirks-Kommandeur. Sie sind nicht mein Vorgesetzter. Ich bin als Befehlshaber der Einsatzgruppen allein dem Marschall-Kommandeur verantwortlich und sonst niemandem! Darüber hinaus entscheide ich, und nur ich, wann und wie meine Leute eingesetzt werden.«

Da Repul musste schlucken. Das hatte er befürchtet. Er hatte bereits Gerüchte über dieses Lieblingskind von Niesewitz gehört. Einsatzgruppen, dieses Phantom geisterte schon seit Monaten durch die CIP. Und nun wurde er mit diesem Phantom konfrontiert. Was sollte das eigentlich für eine Truppe sein? Und vor allem, was für ein Schiff war das? Er war sich sicher, dass der Gos’Shekur über diese Neuentwicklung des Terrablocks nicht informiert war. Der Arkonide riss sich zusammen und versuchte, eine möglichst befehlsgewohnte Haltung einzunehmen.

»Gruppen-Kommandeur Meyers, ich bin hier auf Lingus der Vertreter des Quarteriums. Ich gebe hier die Befehle. Und ich weise Sie hiermit an, sofort Ihre Kommandoeinheiten auszuschleusen und diese Versammlung der Linguiden samt des sonstigen Pöbels auseinander zu treiben, sonst …«

Weiter kam er nicht. Meyers hatte seine lässige Haltung aufgegeben und wirkte plötzlich wie ein sprungbereites Raubtier. Gleichzeitig hatten sich seine beiden Begleiter einige Schritte zur Seite bewegt. Ihre Hände lagen plötzlich an den Waffengürteln.

»Was sonst, Bezirks-Kommandeur?«

An dieser Stelle mischte sich da Repuls Assistentin ein. Mit einem Schritt nach vorne verließ sie das Kommunikationsterminal, hinter das sie sich bisher zurückgezogen hatte.

»Entschuldigen Sie, Kommandeur Meyers, seine Exzellenz wollte Ihnen bestimmt keine Befehle erteilen. Er hat sich nur etwas missverständlich ausgedrückt. Seine Exzellenz wollte nur darauf hinweisen, dass sich die Lage zuspitzt. Schon seit Stunden versammeln sich tausende von Linguiden und Außenweltlern auf dem zentralen Versammlungsplatz von Lingorstadt. Es scheint, dass die gesamte Bevölkerung sich auf den Weg gemacht hat.«

Sie schenkte Meyers ein betörendes Lächeln und präsentierte sich in voller Pracht. Bevor Meyers reagieren konnte, mischte sich jetzt auch seine Begleitung ein.

»Wer ist denn diese Tussi? Hat die hier überhaupt was zu sagen?«

Mit diesen Worten fixierte die hünenhafte Oxtornerin die Arkonidin. Ramira hob die Augen und hielt dem Blick stand.

»Ich bin die persönliche Assistentin des Bezirks-Kommandeurs und für die Einsatzplanung auf Lingus zuständig.«

Die Oxtornerin brach in schallendes Gelächter aus.

»Assistentin und Einsatzplanung, das ist gut. Ich glaube, dass sich diese Einsätze wohl eher auf die Horizontale beschränken.«

Meyers hielt es nun an der Zeit einzugreifen. Die Lage schien zu eskalieren. Er sagte nur zwei Worte:

»Kommandeur Mowac!«

Die Oxtornerin reagierte sofort und gab ihre herausfordernde Haltung auf. Innerlich stöhnte Meyers auf. Nur gut, dass er Maya nicht mitgenommen hatte. Er war sich sicher, dass diese nicht so einfach seinem Befehl gefolgt wäre. Typen wie da Repul oder diese komische Assistentin waren wie ein rotes Tuch für sie. Und auf rote Tücher reagierte sie wie ein Stier. Ohne Rücksicht auf Verluste.

»Bezirks-Kommandeur, ich schlage vor, dass Ihre Assistentin meinem Planungsoffizier Kommandeur Mogul einen detaillierten Überblick über die aktuelle Lageentwicklung gibt. Er wird dann einen Einsatzplan ausarbeiten. Ich und Kommandeur Mowac werden zurück an Bord der GLORY gehen und den Einsatz vorbereiten.«

Mit diesen Worten drehte sich Meyers um und verließ das Hauptquartier. Kurz darauf folgte die Oxtornerin.

Ramira biss sich auf die Lippen. Das passte ihr gar nicht. Der zernarbte Oxtorner machte nicht den Eindruck, dass er für ihre Reize empfänglich wäre.

Verdammt, dieser Idiot da Repul hat alles verdorben. Durch sein anmaßendes Benehmen hat er diesen Meyers geradezu in eine ablehnende Haltung getrieben! Ich muss unbedingt nähere Informationen über diese Einsatztruppen und vor allem über diesen neuen Schiffstyp bekommen. Und den Imperator über diese Entwicklung in Cartwheel informieren! Und Meyers, nun, der wäre bestimmt eine willkommene Abwechslung. Nach den Jahren mit diesem Schlappschwanz da Repul sehnte sie sich mal wieder nach einem richtigen Mann. Aber da Repul musste wieder alles verderben. Imperator, ich garantiere dir, das wird teuer für dich werden.

An Bord der GLORY

Der Antigravlift beförderte sie in die Zentrale. Er blieb kurz am Schott stehen, während Feline weiter in ihr Quartier ging. Sein Blick streifte über die Galerie. Natürlich, es konnte nicht anderes sein, in seinem Kommandostand hatte sich Maya breitgemacht. Sie saß in seinem Kontursessel und hatte diesen halb nach hinten geschwenkt. Ihre Uniform war wie gewohnt bis zum Bauchnabel offen, das linke Bein taumelte leger über der Armlehne. Sie beobachtete interessiert die Übertragung, die auf dem zentralen Holoschirm zu sehen war. Die Aufnahmen mussten von einer Robotsonde der GLORY stammen. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Steuergerät, mit dem sie immer wieder Einzelheiten heranzoomte.

Plötzlich stieß sie einen schrillen Pfiff aus. Auf dem Holo war ein Linguide zu sehen, der für die Verhältnisse seines Volkes von beeindruckender Gestalt war. Fast so groß, wie ein Terraner, muskulöser Körper, das Gesicht von einer wirren Mähne aus Bart und Haaren umrahmt. Und dann die Augen. Augen, die die Ewigkeit, die Geheimnisse des Universums gesehen haben mussten. Wieder ertönte der Pfiff. Ihre Haltung hatte sich verändert, sie wirkte nicht mehr entspannt, sondern im höchsten Maße konzentriert. Sie steuerte die Sonde so, dass sie den Linguiden von allen Seiten betrachten konnte. Er räusperte sich. Ohne sich umzudrehen, antwortete sie:

»Ave Cäsar! Morituri te salutant.«

»Lass den Unsinn Maya, ich hab keine Ahnung, was das heißen soll.«

»Aber Kommandant, ich hab doch nur die Lage dieser armen Schweine da draußen für dich zusammengefasst. Das bedeutet natürlich: Sei gegrüßt, Cäsar! Die Todgeweihten grüßen dich.«

Den letzten Satz betonte sie auf mehr als eigenartige Weise.

»Und übrigens, Cäsar, das ist deine Wenigkeit!«

Dann wandte sie sich wieder dem Holobild zu. Sie schien die Anwesenheit des Kommandanten vergessen zu haben. Jedenfalls machte sie keine Anstalten den Kommandostand zu verlassen. Sie steuerte wieder die Sonde um den Linguiden.

»Schau dir dieses Bild von einem Mann an, Roland. Schau ihn dir genau an. Der fürchtet weder Tod noch Teufel. Der hat alles hinter sich gelassen. Der lebt nur noch für seine Bestimmung. Das ist ein Kerl, bei dem ich direkt schwach werden könnte.«

Mit diesen Worten erhob sie sich, um die Zentrale zu verlassen.

»Maya, könntest du eine Konferenz der Kommandeure einberufen? In fünf Minuten treffen wir uns im Konferenzraum.«

»Jawohl, großer Cäsar, wie Sie befehlen!«

Maya erstaunte ihn immer mehr. Was war los mit ihr? Gut, sie war immer etwas sonderbar gewesen, aber so langsam übertrieb sie ihre Ablehnung jeder Autorität. Er musste bei Gelegenheit einmal mit ihr reden. Ihr Verhältnis war inzwischen mit dem von Geschwistern vergleichbar, die sich zwar gegenseitig neckten, aber im Ernstfall wie Pech und Schwefel zusammenstanden.

Aus den Chroniken Cartwheels

Die nachfolgenden Berichte wurden viel später, auf meinen persönlichen Wunsch, von den Betroffenen selbst erstellt. Leider konnte eine der Hauptpersonen sich nicht mehr äußern, da er kurze Zeit später ermordet wurde. Ich hatte die Ehre, kurz vor seinem Tode mit ihm zu sprechen und gebe seine Schilderung der Ereignisse hier nach bestem Wissen und Gewissen wieder.

Jaaron Jargon

Bericht Roland Meyers

Wir waren am Rande des großen Feldes in einer Seitenstraße gelandet. Der Platz war voller Linguiden und aus den Seitenstraßen drängten immer weitere Massen. Ich hatte den Piloten angewiesen, den Sperber-Shift äußerst vorsichtig zu landen, um keine Menschenleben zu gefährden. Es hatte, wider Erwarten, keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Die Linguiden waren still und friedlich aus dem Weg gegangen und hatten uns den notwendigen Landeplatz freigemacht.

Wir hatten abgesprochen, dass wir vorerst keine Gewalt einsetzen wollten. Ich hatte angeordnet, dass zehn Shifts an strategisch wichtigen Punkten landeten, die Besatzungen jedoch passiv bleiben sollten. Wir verließen den Shift. Ich hatte mich entschlossen, mit Joharr zu reden. Begleitet wurde ich von Maya, der Oxtornerin Feline »Dragon« Mowac, dem Arkoniden Corph de Trajn und einigen Nahkampfspezialisten der Einsatzgruppe.

Besonders Corph irritierte mich. Von Maya war ich schon einiges gewöhnt, aber heute schoss der Arkonide den Vogel ab. Der arkonidische Dagor-Meister hatte nicht die CIP-Uniform angelegt, sondern trug ein Gewand, das mich sonderbar an den Keigoki meines alten chinesischen Lehrers erinnerte. Er hatte mir erklärt, dass das die traditionelle Kleidung eines Dagor-Meisters war. Außer einem langen Schwert, das er in der Art japanischer Samurai auf dem Rücken trug, schien er keinerlei Waffen zu tragen.

Auch Maya konnte sich natürlich nicht an die Kleiderordnung halten. An ihre spezielle Art, die Uniform zu schließen, hatte ich mich inzwischen ja gewöhnt, aber heute hatte sie noch ihre langen Haare mit einem roten Stirnband gebändigt. So wirkte sie mehr wie eine verwegene Piratin als eine CIP-Offizierin. Einzig Feline war einigermaßen normal, wenn man bei einer fast zwei Meter großen Oxtornerin mit einem auf den haarlosen Kopf tätowierten blutroten Drachen überhaupt von Normalität sprechen konnte.

So pflügten wir also durch die Menge, voraus ein arkonidischer Dagor-Meister, links eine terranische Piratin, bei deren Anblick den meisten männlichen Linguiden die Augen aus dem Kopf fielen, hinter mir vier Nahkampfspezialisten und rechts eine oxtornische Amazone. Und mittendrin ich. Und, man sollte es nicht glauben, ich fühlte mich so wohl, wie seit langem nicht mehr.

Unterwegs erlebten wir eine Überraschung nach der anderen. Wildfremde Einheimische und Außenweltler warfen uns Blumen zu, reichten uns Flaschen mit hochprozentigem Inhalt und besonders Maya bekam mehr als einmal eindeutige Angebote.

Bericht Maya ki Toushi

Nun waren wir also unterwegs zu diesem Linguiden. Ich muss zugeben, dass ich es nicht erwarten konnte, dieses Prachtstück persönlich kennenzulernen. Wir waren die Crème de la Crème dieses Haufens. Vor mir ein Ritter aus der Vorzeit Arkons, rechts ein oxtornischer Alptraum und hinter uns meine Bluthunde. Ich wusste genau, dass sie jeden zerfleischen würden, sofern ich ihnen nur den kleinsten Fingerzeig geben würde.

Und mittendrin mein irritierter, verunsicherter Idealist. In seiner tadellosen Uniform wirkte er wie ein Fremdkörper zwischen uns. Er war zu gut für diese Welt, das hatte er nur noch nicht bemerkt. Irgendwann musste er erwachen und dann wollte ich bei ihm sein. Ich wusste genau, dass er mich brauchen würde. Nein, nicht als Frau, dieses Thema hatten wir längst hinter uns. In dieser Hinsicht war er ein Reinfall gewesen. Er stand wohl mehr auf Blümchensex.

Nun gut, man kann nicht alles haben. Er war wie ein großer Junge, wie ein kleiner Bruder für mich. Und wie einen kleinen Bruder gedachte ich, ihn zu beschützen. Und ich wusste, dass dieser oxtornische Alptraum rechts neben mir genauso dachte. Ja, kleiner Bruder, irgendwann musst du erwachen und dann, so glaube ich, wird hier in diesem Saustall, der sich Quarterium nennt, die Hölle los sein.

Mein Blick streifte über die Menge. Es war unglaublich. Der ganze Planet schien sich hier zu versammeln. Aber die Atmosphäre war friedlich, keine Spur irgendwelcher Aggressionen oder Bedrohungen, und dafür hatte ich ein Gespür. Plötzlich kam ein junger Linguide auf mich zu und umarmte mich. In seiner Hand hatte er eine wunderschöne Blume. Diese steckte er hinter mein Stirnband. Ich lachte und küsste ihn. Als ich mich aus seiner Umarmung löste, bemerkte ich, dass er knallrot geworden war. Es schien so, dass der Junge den ersten richtigen Kuss seines Lebens bekommen hatte. Ich musste wieder schallend lachen. Dies hier als Bedrohung zu sehen, auf diese perverse Idee konnten auch nur diese Quarteriumsfürsten, diese Despoten, kommen. Lachend nahm ich einen tiefen Schluck aus einer Flasche, die mir ein Blue entgegenhielt. Ich musste mich schütteln. Was war denn das für ein Zeug? Das war ja regelrecht abscheulich! Und dann begannen die Sprechchöre. Immer machtvoller hallte es über die Versammlung. Wir sind das Volk! Frieden, Demokratie und Freiheit jetzt! Und dann: Friede für Siom Som! Friede für Siom Som!

Dieser Ruf wurde allgemein aufgenommen und nach wenigen Augenblicken hallte er aus ungezählten Kehlen:

Friede in Siom Som!

Und plötzlich merkte ich, dass ich aus voller Lunge den Slogan wiederholte: Friede für Siom Som! Meyers schaute mich seltsam von der Seite an, sagte aber nichts. Als jedoch hinter ihm der Ruf von Ertruser- und Oxtornerkehlen aufgenommen wurde, zuckte er regelrecht zusammen. Auf der anderen Seite bekam der Rote Drache einen Lachanfall. Gutmütig boxte sie unserem Kommandeur in die Rippen, was dieser mit einem schmerzverzerrten Gesicht quittierte. Und dann war es soweit. Wir hatten fast die Rednertribüne erreicht.

Bericht Jaaron Jargon

Diesen Bericht verfasse ich lange nach den geschilderten Ereignissen am 18. Dezember 1305 NGZ aus meinen Erinnerungen an ein persönliches Gespräch mit Pace Joharr, das ich auf Mankind geführt habe. Ich bin stolz darauf, diesen außergewöhnlichen Menschen kennengelernt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich allerdings die Tragweite der geschilderten Ereignisse nicht erkannt.

*

Pace Joharr schaute über die Menge. Es war unbeschreiblich. Aus allen Himmelsrichtungen strömten Linguiden und Fremdweltler auf den Platz. Über allem lag eine Aura von Frieden und Harmonie, die körperlich spürbar war. Plötzlich entstand in der unübersehbaren Menge eine Bewegung. Irgendetwas schien die Menge zu teilen.

Pace schaute genauer hin. Der Ausgangspunkt war dieses Instrument des Krieges, das am Rand des Feldes in einer Seitenstraße gelandet war. Die Landung war zu erwarten gewesen, die Despoten und Kriegstreiber hatten ihre Henkersknechte geschickt. Was ihn erstaunte, war, dass die Demonstration der Macht relativ zurückhaltend war. Wenn er an die Möglichkeiten dieser todbringenden Bedrohung dachte, die am Morgen auf dem Raumhafen gelandet war, konnte es sich bei den gelandeten Fahrzeugen nur um eine Drohgebärde handeln. Wie dem auch sei, die Henkersknechte waren unterwegs.

Er wurde wieder abgelenkt: Die Menge hatte angefangen, Parolen zu skandieren. Plötzlich bemerkte er, wie ihn jemand am Arm zog. Einer seiner Helfer deutete nach unten. Sein Blick folgte dem ausgestreckten Arm. Vor ihm öffnete sich die Menschenmasse und gab ihm den Blick auf die Henkersknechte frei.

Still korrigierte er sich. Henkersknechte war wohl nicht der richtige Ausdruck für diese Truppe. Doch als was konnte man diesen Haufen dann bezeichnen? Er war sich sicher, dass in der gesamten Insel kein passender Ausdruck existierte. Dass es sich um eine Kampfgruppe handelte, war unschwer zu erkennen. Aber mit dem normalen Militär der Despoten hatten sie nichts gemeinsam.

Bericht Maya ki Toushi

Nun hatten wir endlich die Tribüne erreicht. Mein Bild von einem Linguiden hing halb über der Balustrade und starrte uns an wie eine Gans, wenn’s donnert. Ich musste grinsen. Mit uns hatte der Herr Prophet bestimmt nicht gerechnet. Sein Gesicht glich einem einzigen Fragezeichen, während sein Mund in ungläubigem Stauen halb geöffnet war. Auf mein Zeichen hin brüllten meine Bluthunde die gerade aktuelle Parole: Friede für Siom Som!

Gerade wollte ich mich elegant über die Brüstung schwingen, als eine Hand mich zurückhielt. Mein geliebter Idealist zog mich zurück. Er wollte den Vortritt. Gut, konnte er haben. Aber wenn er dachte, dass ich brav hier unten blieb, hatte sich der Gute geschnitten. Ich schwang mich also kurz nach ihm über die Brüstung. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass der arkonidische Ritter sich im Lotussitz niedergelassen hatte und geradezu verzückt auf den Linguiden starrte. Der Drache hatte sich mit mir über einen kurzen Augenkontakt verständigt und übernahm das Kommando über meine Hündchen. Diese verteilten sich sofort um die Tribüne und grinsten mich an.

Einige besonders mutige Exemplare des weiblichen Geschlechtes waren schnell auf meine Recken aufmerksam geworden und begannen, sich lustvoll um sie zu kümmern. Überhaupt schien die gesamte Versammlung in ein allgemeines Happening von Love and Peace abzugleiten.

Bericht Roland Meyers

Die ganze Geschichte wurde immer verrückter. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit diesem. Hierauf war ich nicht vorbereitet. Um mich herum war das reinste Chaos und dieses schien auch meine Truppe erfasst zu haben. Wir hatten die Tribüne in der Mitte des Platzes erreicht und ich konnte gerade noch verhindern, dass sich Maya, wie üblich, vordrängte. Ich schwang mich also über die Balustrade und stand diesem Joharr gegenüber. Dieser starrte Maya mit offenem Mund an, die kurz nach mir ebenfalls auf die Tribüne kam. Der Anblick meiner Stellvertreterin schien ihm die Sprache verschlagen zu haben, was ich gut verstehen konnte. Ich wartete kurz, bis er sich einigermaßen gefasst hatte und sprach ihn an.

Nach einem längeren Gespräch konnte ich ihn davon überzeugen, dass er einen Kompromiss eingehen musste. Widerstrebend stimmte er mir schließlich zu, seine Kritik am Quarterium nicht hier auf der Kundgebung, sondern über den planetaren Trividkanal zu äußern.

Dabei sah er mich richtig sonderbar an und meinte: ›Kommandeur, seien Sie vorsichtig. Achten Sie auf sich!‹ Ich konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, was er mit dieser Bemerkung meinte. Danach hatte Maya noch ein recht sonderbares Erlebnis. Für mich war die Geschichte hier beendet, jetzt musste ich nur noch dafür sorgen, dass dieser da Repul und seine Assistentin mir nicht dazwischen pfuschten.

Bericht Maya ki Toushi

Roland war mit diesem Pace Joharr in ein Gespräch verwickelt, was mir die Gelegenheit gab, mich etwas umzusehen. Mein Blick fiel auf den Arkoniden, der sich vor der Tribüne in einer Art Lotussitz auf den Boden gesetzt hatte. Ich hatte schon immer gewusst, dass der Mann nicht ganz bei Trost war, aber jetzt schien der Geier seine restlichen Gehirnwindungen irgendwo abgegeben haben. Den Blick hatte er irgendwohin in die Unendlichkeit gerichtet und dauernd murmelte er irgendwelches sinnloses Zeug vor sich hin. Kurz gesagt, unser arkonidischer Ritter war total weggetreten.

Meine Kampfhunde waren inzwischen mehr oder weniger zwischen den Blumenkindern verschwunden und selbst der Rote Drache beschäftigte sich auf höchst angenehme Weise. Von meinem erhöhten Standpunkt hatte ich einen guten Überblick über den gesamten Platz. Also das war doch … Das gab’s doch nicht! Die Besatzungen der Sperber, die wir als Absicherung zurückgelassen hatten, hatten die Shifts verlassen und waren gerade dabei, sich mit den Einheimischen zu verbrüdern.

Nun, was soll’s, wir waren wohl auch nicht gerade das Beispiel quarterialer Pflichterfüllung. Roland schien inzwischen irgendeine Einigung mit Joharr gefunden zu haben, denn die beiden gaben sich friedlich die Hand. Und dann geschah es! Ich weiß noch heute nicht, was das sollte, aber plötzlich machte der Friedensstifter zwei Schritte auf mich zu und fasste mich an den Schultern.

Unwillkürlich machte ich den Ansatz eines Abwehrschlages, der dem Linguiden den Kehlkopf zertrümmert hätte, bemerkte jedoch noch rechtzeitig, dass die Geste rein freundschaftlich war und konnte meinen Schlag gerade noch abstoppen. Ich sah Joharr nun direkt ins Gesicht und konnte sehen, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. »Schwester, verzeih mir, dass du den Weg gehen musst, der mir verwehrt ist.« Ich war sprachlos. Dann murmelte ich unsicher: »Schwester, was meinst du damit? Ich bin nicht deine Schwester.«

»Doch, Terranerin. Alle Lebewesen sind Geschwister. Ob Mensch, Blue, Kartanin, Bestie oder Gurrad. Egal, als was ein Wesen geboren ist, wir sind alle Kinder des Allgeistes. Und deshalb sind wir alle Geschwister.«

Und damit wandte er sich ab und ließ mich sprachlos zurück. Ich versuchte nochmals, eine Erklärung zu bekommen, aber er blickte mich nur unendlich traurig an und wiederholte mit tränenüberströmtem Gesicht:

»Dir ist ein anderer Weg als der einer im Stechschritt marschierenden Seelenlosen bestimmt.« Mit diesen Worten fasste er mich nochmals an den Schultern. Und dann zeigte das Gesicht Erstaunen und Überraschung »Du und die anderen deiner Besatzung werden es bald merken. Nicht der Weg des Teufels ist der eure! Und doch wird euer Weg durch die Hölle führen. Seid vorbereitet.« Bevor ich reagieren konnte, fügte er hinzu: »Achte auf den Kommandeur, er stellt den Schlüssel dar. Er soll den Mann mit den ›Zwei-Ichs‹ finden. Er wird ihm weiterhelfen.«

Mit diesen Worten wandte er sich endgültig um und verschwand in der Menge seiner Anhänger. Ich schüttelte den Kopf. Der Linguide schien verrückt geworden zu sein. Und auf meinen Kommandeur würde ich auch ohne diesen übergeschnappten Propheten achten. Als nächstes verließen wir die Tribüne. Ich rief meine Bluthunde und nachdem wir den Arkoniden mit einer Ohrfeige in die Wirklichkeit zurückgeholt hatten, gingen wir zu unserem Shift zurück. Unterwegs weihte mich mein Bruder im Geiste in seine Übereinkunft mit Joharr ein, die mich nur zu einem ungläubigen Kopfschütteln veranlasste.

Wenig später im Hauptquartier der CIP auf Lingus

Bezirks-Kommandeur da Repul blickte auf den Holoschirm.

»Das gibt es doch gar nicht«, murmelte er vor sich hin.

Dieser komische Gruppen-Kommandeur, was war denn mit dem los? Anstatt diesen Pöbel auseinander zu treiben, diskutierte er mit diesem Agitator, ja man könnte meinen, er verbrüderte sich mit ihm! So wie es aussah, hatte er total die Kontrolle über seine Truppe verloren. Anstatt hier die Macht des Quarteriums zu repräsentieren und Angst und Schrecken zu verbreiten, kollaborierten die Truppen mit dem Feind.

In diesem Augenblick landete ein Shift. Meyers und seine Begleitung betraten die Einsatzzentrale. In Meyers Begleitung befand sich wieder diese Oxtornerin mit dem roten Drachen auf dem Kopf. Nur der Narbige fehlte. Dieser wurde anscheinend durch eine Terranerin ersetzt, deren Aufzug jeglicher militärischen Disziplin spottete. Und außerdem schien Meyers seine harte Truppe mitgebracht zu haben. Mit einem Blick erfasste er, dass das Elitekämpfer sein mussten. Aber auch diese machten einen total disziplinlosen Eindruck. Meyers gab der Terranerin einen kurzen Befehl, den diese mit sichtbarem Widerwillen ausführte. Die Kommandoeinheit verteilte sich im gesamten Eingangsbereich. Erst jetzt bemerkte er, dass das Geschütz des Shifts wie zufällig auf das Hauptquartier gerichtet war.

Kurz darauf betrat Meyers, mit der Oxtornerin im Schlepptau, das Büro. Diese lehnte sich an die Wand und ließ ihren Blick wachsam im Raum umherwandern. Wie zufällig schwebte die Rechte über dem Griff des schweren Impulsstrahlers, der tief an ihrer Hüfte hing.

»Gruppen-Kommandeur, warum haben Sie diese Versammlung nicht aufgelöst und den Rädelsführer verhaftet? Ihr Verhalten legt den Schluss nahe, dass Sie mit den Feinden des Quarteriums kollaborieren. Was haben Sie hierzu zu sagen?«

»Ihnen hab ich überhaupt nichts zu sagen. Es ist allein Ihre Schuld, dass diese Lage entstehen konnte, und ich entscheide darüber, ob hier jemand verhaftet wird. Und wenn dies der Fall sein sollte, dann können Sie sicher sein, dass das nicht Joharr sein wird.«

Da Repul sprang auf. Seine Stimme überschlug sich.

»Das ist Subordination. Sie sind ein Verräter!«

Und dann wandte er sich an die lässig an der Wand lehnende Oxtornerin.

»Kommandeur, ich befehle Ihnen als Ihr Vorgesetzter, den Gruppen-Kommandeur sofort festzunehmen. Sie sind Mitglied der CIP und damit meinem Kommando unterstellt. Tun Sie endlich Ihre Pflicht.«

Doch die Oxtornerin verzog nur das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. Meyers zog den völlig geschockten Arkoniden hinter dem Schreibtisch hervor.

»Hier wird im Moment überhaupt niemand verhaftet. Kommen Sie mit, ich muss Ihre Kommunikationskanäle nutzen, um meinen Kompromiss mit Joharr vorzubereiten.«

»Kompromiss, was für einen Kompromiss? Was geht hier eigentlich vor?«

»Also gut Bezirks-Kommandeur. Ich erklär es Ihnen. Es war nicht möglich, diese Versammlung aufzulösen, ohne ein Blutbad anzurichten. Wie Sie vielleicht wissen, plant der Emperador zu Silvester einen großen diplomatischen Empfang, zu dem auch Vertreter aus der Milchstraße eingeladen sind. Das Quarterium steht wegen der Unterstützung Dorgons in Siom Som unter starkem Druck. Und jetzt denken Sie mal nach, wie die Friedensbemühungen des Emperadors konterkariert würden, wenn es hier ein Blutbad gäbe. Wir können es uns in der jetzigen Situation nicht leisten, vor der galaktischen Öffentlichkeit ein Massaker anzurichten.

Dazu kommt noch, dass kein intelligentes Wesen es uns abnehmen würde, dass gerade die Linguiden zu einer Bedrohung des Quarteriums geworden sind. Da mir daran gelegen war, diese Versammlung zu entschärfen, habe ich Joharr vorgeschlagen, dass er über das planetare Trividsystem seine Ansichten der Bevölkerung von Lingus darlegen kann. Es ist mir also gelungen, die Situation zu entschärfen, indem ich den Führer von seinen Anhängern trenne. Und wie Sie zweifellos sehen können, hat diese Maßnahme bereits Erfolg gezeigt. Die ganze Veranstaltung hat sich in ein allgemeines Happening verwandelt. Und nun kommen Sie. Ich brauche Zugang zum zentralen Kommunikationssystem.«

Der Arkonide schüttelte den Kopf. Er verstand gar nichts mehr. Das, was Meyers dargelegt hatte, klang zwar plausibel, aber irgendwie wurde er den Eindruck nicht los, dass hier irgendetwas gewaltig schieflief.

Sie betraten wenig später die Kommunikationszentrale. Die Assistentin wurde durch den Arkoniden informiert und begann einige Schaltungen vorzunehmen. Plötzlich schnellte die Oxtornerin nach vorne. In ihrer Hand lag der schwere Impulsstrahler.

»Wag es nicht dich zu rühren, Süße. Und halte deine Hände so, dass ich sie sehen kann.«

Die Arkonidin hinter dem Terminal erstarrte. Langsam hob sie die Hände in Brusthöhe.

»Los, beweg dich, aber ganz langsam und vorsichtig.«

Mit dem Lauf des Impulsstrahlers trieb sie die Arkonidin nach vorne.

Meyers nahm hinter dem Terminal Platz. Nach einigen Rückfragen, die durch den Strahler der Oxtornerin unterstrichen wurden, hatte er eine Verbindung zum Studio des lokalen Trivid-Senders hergestellt. Mit einigen kurzen Sätzen wies er den Chefredakteur ein. Dieser erhob keine Einwände, sondern war im Gegenteil äußerst zuvorkommend.

Und hier machte Meyers einen entscheidenden Fehler, der zur Eskalation der Ereignisse führen sollte. Aber davon später.

4. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt …

18. Dezember 1305 NGZ, Lingus später Nachmittag

Das große Ereignis stand bevor. Der planetare Tivid-Nachrichtendienst hatte im Rekordtempo die nötige Infrastruktur geschaffen. Montagetrupps hatten auf dem zentralen Versammlungsfeld große Holoprojektoren aufgestellt, die die Rede Joharrs übertragen sollten.

In der Sendezentrale des kleinen Lokalsenders war alles vorbereitet. Zwei Einsatzgruppen der FLASH OF GLORY sicherten das Gebäude und auch auf dem Versammlungsfeld hatten sich drei Gruppen unter den Demonstranten verteilt. Wenig später war Pace Joharr im Studio eingetroffen. Und dann begann die denkwürdigste Trivid-Sendung in der Geschichte des Quarteriums.

Nach einigen einführenden Sätzen des lokalen Vertreters des Quarteriums trat der Friedensstifter vor das Feldmikrophon. Eron da Repul hatte darauf bestanden, dass nur er als Vertreter des Emperadors auf Lingus das Quarterium repräsentieren konnte. Also begann er, die verkannte Friedenspolitik des Quarteriums darzulegen. Kurz gesagt, er lieferte eine Propagandalüge allererster Güte ab. Joharr verzog bei diesen Ausführungen schmerzhaft das Gesicht, vertraute aber auf die Macht seiner Worte.

Und dann schwenkte die Variooptik der Kamera auf den Linguiden. Auf allen Bildschirmen war der Friedensstifter in Großaufnahme zu sehen. Und was in diesem Moment niemand wusste, die Übertragung dieser Rede beschränkte sich nicht auf die Welt der Linguiden. Der Chefredakteur des lokalen Senders sah seine Chance gekommen: Dies konnte zu einer Sternstunde des Journalismus werden. Er sah sich schon als leitender Redakteur von INSELNET auf Paxus. Das war seine Chance.

Und so hatte er es in den vergangenen Stunden geschafft, dass die Rede Joharrs als Exklusivsendung in den Nachrichtenkanal von INSELNET und die Networks der Milchstraße eingespeist wurde. Weder Meyers, Joharr oder da Repul waren darüber informiert. Und so wurden Milliarden Bewohner der Insel Zeuge der Rede Joharrs.

Die Wirkung war überwältigend. Auf vielen Welten, vor allem jenen, die von Terranern und ihren Abkömmlingen bewohnt wurden, kam es zu spontanen Friedensdemonstrationen. Nur die Welten der Pelewon und Moogh schienen gegenüber den Worten des Friedensstifters immun zu sein. Die Sicherheitsbehörden des Quarteriums wurden von dieser Entwicklung völlig überrascht. In den Einsatzplänen der CIP war dieser Fall nicht vorgesehen.

Zur gleichen Zeit auf Paxus

Der Chef der CIP saß in seinem Büro und brütete über den Plänen der ABR. Seine Aufgabe erforderte die volle Arbeitskraft. Er und nur er war der Fels in der Brandung, der zwischen den Horden der Unterwesen und der Zivilisation stand. Er musste mit eisernem Besen dafür sorgen, dass die Menschheit endlich ihre wahre Bestimmung erfüllen konnte. Es war seine Aufgabe, für die er von der Vorsehung bestimmt war, alle Galaxien zu säubern.

Der Emperador oder dieser undurchsichtige Despair kümmerten sich nicht im Geringsten um die Einzelheiten. Es hieß einfach, Niesewitz, machen Sie mal. Diese Aufgabe erforderte den ganzen Mann, die ganze Willenskraft.

Niemand wusste, dass er nachts in seinen Träumen durch ein Meer von Blut waten musste. Ungezählte Wesen starrten ihn anklagend an. Manchmal erwachte er, gepeinigt von seinen eigenen Alpträumen. Niemand konnte ihm helfen, die Bürde seiner Berufung zu tragen. Er musste mit einem Federstrich über das Lebensrecht ganzer Völker entscheiden.

Und dazu kam noch, dass die hohen Mächte seine Aufgabe anscheinend nicht ausreichend würdigten. Wie sonst war es zu erklären, dass nicht er, sondern dieser arrogante Spanier das Geschenk des ewigen Lebens erhielt? Dieser Spanier, der sich aus allem heraushielt, der sich nie die Hände schmutzig machte. Nein, das überließ er ihm.

Und plötzlich entstand ein Gedanke. Dass er bisher daran nicht gedacht hatte! Er wusste, dass die Vorsehung nur dem ein Recht auf Leben zubilligte, der in der Lage war, sich dieses Recht zu nehmen und gegen alle Konkurrenten zu verteidigen. Die Vorsehung hatte ihm eine Prüfung auferlegt. Sie verschenkte nichts, nein, man musste sich die Gabe erkämpfen. Plötzlich riss ihn das Signal des Interkoms aus seinen Gedanken.

Das Gesicht Helgas erschien auf dem Bildschirm.

»Herr Niesewitz, könnten Sie bitte kommen. Das müssen Sie sich unbedingt ansehen.«

Verwundert verließ er sein Büro. Helga wies stumm auf den Holoschirm, der das Programm des Nachrichtenkanals von INSELNET zeigte. Was er darauf sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Das konnte doch nicht wahr sein! Auf dem Bildschirm war dieser linguidische Unruhestifter Joharr zu sehen. Es war nicht zu glauben, aber der offizielle Nachrichtendienst übertrug das pazifistische Gefasel dieses Individuums in voller Länge. Das war Wahnsinn! Er wusste, dass sie in Kürze Probleme bekommen würden. Jetzt hieß es, äußerst vorsichtig zu sein. Das konnte sich leicht zu einer allgemeinen Rebellion ausweiten.

»Helga, alles aufzeichnen!«

»Schon längst geschehen, Herr Niesewitz.«

Nachdem sie die Übertragung zu Ende verfolgt hatten, ließ Niesewitz sich mit INSELNET verbinden. Er verlangte, dass ihm sofort die Aufzeichnung der Sendung überspielt wurde.

Zusammen verfolgten sie die Wiedergabe. Als die Rede des Arkoniden abgespielt wurde, bekam Niesewitz einen Tobsuchtsanfall.

»Dieser degenerierte Narr! Das soll er mir büßen!«

Innerlich war der allmächtige CIP-Chef total verunsichert. Was war nur auf Lingus geschehen. Und vor allem, was war mit Meyers los? Er verstand nichts mehr. Auf einigen Aufnahmen einer völlig ausgeflippten Menge war eindeutig zu erkennen, dass sich Mitglieder seiner Einsatzgruppen, seiner Elitetruppen, mit diesem Pack verbrüderten. Und so langsam bekam er das Gefühl, dass er einen gewaltigen Fehler begangen hatte. Er hätte auf seine Vorahnung hören sollen.

*

Inzwischen liefen die Kommunikationskanäle heiß. Von vielen Planeten erhielt er Berichte über spontane Friedensdemonstrationen. Genau das hatte er befürchtet. Nur die Planeten der Bestienvölker schienen immun zu sein. Jedenfalls erhielt er von dort keinerlei beunruhigende Meldungen. Es schien, als ob der Virus des Pazifismus die Lemurerabkömmlinge befallen hatte. Zum Glück wurde die Reportage nicht in die Flottenbasen übertragen.

Er wandte sich an Helga.

»Können Sie bitte diesen ganzen Mist in die Simulations-Syntronik eingeben und eine Extrapolation erstellen unter der Prämisse, dass wir diesen Joharr zu seinen Vorfahren schicken?«

Sofort kam die Antwort: »Aber gerne, Herr Niesewitz!«

Gespannt wartete er, während im Hintergrund diese Maschine arbeitete, deren Funktionsweise er nicht verstand. Und schließlich hielt er das Ergebnis in den Händen. Mit einem Fluch warf er die Datenfolie auf den Tisch. Genau, wie er befürchtet hatte. Diese Maschine kam zu den gleichen Schlüssen wie er. Wenn Joharr jetzt starb, dann hatten sie einen Volksaufstand, eine Revolution am Hals. Jetzt musste er vorsichtig agieren. Tarnen und täuschen war die Devise. Und langsam begann in seinem Hinterkopf eine Strategie Gestalt anzunehmen.

»Helga, sofort eine abhörsichere Verbindung mit dem Emperador.«

Diesmal dauerte es wesentlich länger. Helga musste sich mit diversen Hofschranzen, Adjutanten, persönlichen Referenten herumschlagen. Schließlich wurde es Niesewitz zu viel. Kurzerhand nahm er Helga das Mikro aus der Hand und bellte: »Wenn ich nicht innerhalb der nächsten sechzig Sekunden eine Verbindung mit dem Emperador habe, werde ich dafür sorgen, dass ihr unnützen Schmarotzer den Rest eures Lebens auf Objursha verbringt.«

Das wirkte. Innerhalb weniger Augenblicke erschien das Gesicht des Souveräns. Dieser schien äußerst ungehalten. Bevor er eine seiner üblichen, weit schweifenden Tiraden loswerden konnte, konfrontierte Niesewitz ihn mit der aktuellen Entwicklung. Er einigte sich mit dem Spanier darauf, dass die aktuelle Lage es erforderlich machte, so schnell wie möglich eine Sitzung der Quarteriumsfürsten unter Hinzuziehung der wichtigsten Ministerien und der militärischen Führung einzuberufen.

*

Paxus-Tower, kurz nach Mitternacht

Nach und nach trafen die führenden Männer des Quarteriums ein. Einige kamen verzögert, weil man eine Konferenz der Quarteriumsfürsten nicht an die große Glocke hängen wollte. Über Seiteneingänge, geheime Transmitterstrecken trafen die mächtigsten Herrscher Cartwheels im Regierungspalast ein. Sie versammelten sich im Moncloa-Saal des Paxus-Towers – alle, bis auf den Initiator dieses geheimen Treffens, den Chef der CIP, und den Emperador.

Der Moncloa-Saal war prunkvoll eingerichtet. In Anlehnung an den alten Sitz des spanischen Premierministers, dem Moncloa-Palast, war auch das Design des Saals entsprechend dem Vorbild.

Der große Saal war in einem schlichten beige gehalten. In der Mitte befand sich ein blank polierter Tisch aus Speekholz, welches in den Wäldern von Siniestro gefunden wurde. Zwischen den großen Fenstern hingen dreidimensionale Holographien von dem Emperador höchstpersönlich, der EL CID und den Planeten Paxus, Mankind, Bostich und Pelewon.

Wilde Gerüchte waren im Umlauf: Man sprach von einer bevorstehenden Invasion der LFT, vom plötzlichen Auftauchen ESTARTUs. Kurz, die allmächtigen Herrscher der Insel glichen einem aufgescheuchten Bienenschwarm. Schließlich wurde es Cauthon Despair zu viel. Mit einem Schlag donnerte er sein Schwert auf den schweren eichenen Tisch in der Mitte des Moncloa-Saales.

»Seid ihr ängstliche Betschwestern oder die Herrscher des Quarteriums? Erst wenn Niesewitz erscheint, wissen wir, um was es geht. Also nehmt endlich Platz und wartet auf ihn.«

Wenig später betrat der Emperador mit Niesewitz im Schlepptau das Machtzentrum, das er nach dem alten Regierungssitz der spanischen Könige in Madrid benannt hatte. Wortlos nahm er an der Stirnseite des Tisches Platz. Niesewitz setzte sich neben ihn. Nervös blätterte er in einigen Ausdrucken, die er aus einer mitgeführten Mappe nahm. Schließlich ergriff der Herrscher des Quarteriums das Wort.

»Ich habe Sie alle zu dieser ungewöhnlichen Stunde hierher gerufen, weil eine beängstigende Entwicklung unsere Macht bedroht. Haben Sie noch einen Augenblick Geduld: Oberst-Kommandeur Pragoran, der Chef des Planungsstabes der CIP, muss noch einige Vorbereitungen treffen. Sobald er diese abgeschlossen hat, können wir beginnen.«

So vergingen einige Minuten, bis ein vierschrötiger Überschwerer den Raum betrat. Nach kurzem Gruß an die Anwesenden setzte er sich an das zentrale Holo-Terminal. Auf ein Zeichen des Emperadors hin ließ er kommentarlos die mitgeschnittene Ansprache Joharrs ablaufen.

Zwischenrufe unterbrachen die Vorführung. Besonders der Gos’Shekur schäumte vor Wut. Wieder war es Despair, der für Ruhe sorgte. Am Ende der Aufnahme ergriff der Emperador das Wort.

»INSELNET-Intendant Guy Pallance hat in Zusammenarbeit mit meiner Tochter Stephanie sofort reagiert. Die Übertragung wurde aus den öffentlichen Medien entfernt, unsere Kontrollsyntroniken durchforsten sämtliche Onlineangebote nach Aufzeichnungen. Allerdings werden wir sie wohl kaum galaxisweit ausmerzen können. Der Fluch der modernen Technologie. Zu meiner Zeit war das einfacher. Nun denn, nun stellt sich uns die Frage: Wie sollen wir auf diese unerwartete Bedrohung reagieren? Ich erwarte Ihre Vorschläge.«

Sogleich redeten alle wild durcheinander. Der Gos’Shekur schlug vor, ein Exempel zu statuieren und die ganze Brut nach Objursha zu verfrachten. Torsor wollte einige Kohorten Bestien auf Lingus landen lassen. Den Vogel schoss Peter ab, der Sohn des Emperadors, der allen Ernstes vorschlug, mit einer Arkonbombe das Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Nur Stephanie und Despair schwiegen, wobei der Silberne Ritter gelegentlich ungläubig mit dem Kopf schüttelte. Es war ersichtlich, was er von diesen Vorschlägen hielt: Nichts.

Schließlich ergriff Niesewitz das Wort. »Edle Fürsten, meine Herren«, und mit einem Seitenblick auf Stephanie, »und Damen, ich möchte Sie auf einige Aspekte hinweisen, die ein sehr vorsichtiges Handeln unsererseits geraten erscheinen lassen. Wir haben alle von Ihnen vorgeschlagenen Möglichkeiten durch unsere Simulations-Syntronik durchspielen lassen. Das Ergebnis war immer gleich: Massenaufstände, Unabhängigkeitsbewegungen, Meutereien, kurz gesagt: Revolution!«

Niesewitz machte eine Pause. Wieder hatte sich der Saal in ein Tollhaus verwandelt. Alle schrien durcheinander. Lediglich Stephanie und Despair blieben ruhig. Über Stephs Gesicht zog sogar ein belustigtes Grinsen. Schließlich hielt es Despair wieder für geboten, für Ruhe zu sorgen. Niesewitz fuhr fort.

»Sie werden natürlich verstehen, dass ich mit diesem Ergebnis nicht zufrieden war. Ich habe meinen Planungsstab beauftragt, eine Alternative auszuarbeiten. Oberst-Kommandeur Pragoran kam später, weil er die Auswertung der Simulation abwarten wollte. Und ich kann Ihnen sagen, dass wir erfolgreich waren.«

20. Dezember 1305 NGZ, New Terrania, Mankind

Der Chronist saß über seine Unterlagen gebeugt. Lustlos blätterte Jaaron Jargon in den Blättern, die vor ihm auf dem Tisch verteilt waren. Nicht viel besser erging es seiner Nichte Nataly, die in den offiziellen Datenbanken recherchierte. Beide waren nicht bei der Sache. Den Chronisten beschäftigte die aktuelle Entwicklung auf Lingus, während Nataly im Gedanken bei ihrem Ehemann Jonathan in Siom Som war. Es war jetzt schon über fünf Monate her, seit sie die letzte Nachricht von ihm erhalten hatte. Was mochte Jonathan gerade machen? Ging es ihm gut? Diese Ungewissheit zehrte an ihren Nerven. Ihr Mann war so weit weg. Es war einfach ungerecht: Sie waren verheiratet, aber ihre gemeinsamen Stunden konnte man an zwei Händen abzählen.

Plötzlich meldete sich das Interkom. Beide schreckten aus ihren Grübeleien. Mit einem schnellen Griff aktivierte Jaaron das Kommunikationsgerät. Ein graphisches Symbol erschien. Auf dem Bildschirm kündigte eine kurze Mitteilung an, dass eine interplanetare Verbindung aufgebaut wurde. Kurz darauf wurden die Gesichtszüge eines jungen Linguiden sichtbar. Dieses Gesicht gehörte unverkennbar Pace Joharr.

»Sind Sie es wirklich? Wie kommt es, dass Sie öffentlich Kontakt mit mir aufnehmen können?«

»Verehrter Chronist, in den letzten Stunden hat sich einiges geändert. Und ich glaube, zum Guten. Ich hatte ein Gespräch mit dem Emperador, in dem mir seine Exzellenz erklärte, dass ihn meine Rede an unser Volk tief beeindruckt hätte. Meine Appelle an die Menschlichkeit, an die Achtung vor dem Leben, scheinen bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Kurz gesagt, er hat mich eingeladen, an der Silvesterfeier auf Paxus teilzunehmen, damit allen Bürgern des Quarteriums die Einheit zwischen der politischen Führung und dem Ruf nach Frieden zwischen den Galaxien sichtbar wird.

Der Emperador bat mich nun, Sie darum zu bitten, dass auch die Vertreter der Opposition, also Saggittor, Akon und die USO, in diesen Prozess einbezogen werden. Zu diesem Zweck bittet er Sie, verehrter Chronist, Vertreter dieser Nationen zu einem Gipfeltreffen am 24. Dezember nach Lingus einzuladen. Als seine persönliche Vertreterin wird er seine Tochter Stephanie zu diesem Treffen entsenden. Diese hat alle Vollmachten, einen vorläufigen Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien auszuhandeln.

Ziel des Emperadors ist es, während der Silvesterfeier einen ewigen, heiligen Vertrag abzuschließen, indem alle Völker der Insel für immer auf die Anwendung von Gewalt zwischen den Völkern verzichten. Dieser Vertrag soll durch Sie und mich am Morgen des 1. Januar 1306 den Völkern der Insel während eines feierlichen Gottesdienstes bekannt gegeben werden.«

Der alte Linguide war wie vor den Kopf geschlagen. Sollte das wirklich möglich sein? Ewiger Friede in Cartwheel! Ende des Krieges in Siom Som? Er warf seiner Nichte einen Seitenblick zu. Nataly schien genauso sprachlos wie er. Ihr Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Er riss sich zusammen. Er musste nähere Einzelheiten kennen, bevor er seine Freunde von dieser Entwicklung unterrichtete.

»Könnten Sie mir noch nähere Einzelheiten berichten, wie es zu dieser Änderung der Politik des Emperadors gekommen sein soll?«

»Der Emperador hat mir gegenüber einige Andeutungen gemacht. Es scheint, dass es in der Führung des Quarteriums zu Auseinandersetzungen gekommen ist. So wie der Emperador mir mitgeteilt hat, stehen auf der einen Seite er, Cauthon Despair und seine Kinder, während Jenmuhs, Torsor und Leticron den Weg des Krieges, der zu Satan führt, weitergehen wollen.

Der Emperador legt höchsten Wert darauf, dass dieser Prozess möglichst rasch zu Ende gebracht wird, denn es besteht die Gefahr, dass die Vertreter Satans ihre Niederlage nicht hinnehmen werden. Wir müssen vollendete Tatsachen schaffen, bevor sie sich zu Gegenmaßnahmen zusammenschließen. Und deshalb möchte der Emperador, dass der heilige Vertrag, dass PAX Cartwheel, am 1. Januar des neuen Jahres verkündet wird.

Anschließend strebt er ein enges Verteidigungsbündnis mit der LFT an. Dieses Bündnis wird dafür sorgen, dass sich der Friede zwischen uns Terranern auf alle Völker ausdehnt, denn die neue Heilige Allianz wird stark genug sein, jeden Aggressor in seine Schranken zu weisen.«

Die Worte des jungen Linguiden strahlten eine magische Anziehungskraft aus. Da wusste ich, dass unserem Volk, hier in der Fremde, wieder ein Friedensstifter geschenkt wurde. Er hatte mich endgültig überzeugt. Doch bevor ich antworten konnte, mischte sich Nataly ein.

»Ihr fallt doch hoffentlich nicht auf diesen Schwachsinn herein? Das Quarterium steht am Wendepunkt, auf allen Welten erhebt sich die Bevölkerung. Der Ruf nach Frieden, nach Demokratie hat die Abkömmlinge der Terraner erfasst. Selbst auf den arkonidischen Welten werden zunehmend Unruhen gemeldet. Und da glaubt ihr, dass dieser Despot, der sich selbst zum Emperador gekrönt hat, dass dieses Relikt aus den finstersten Zeiten Terras plötzlich zum Friedensengel, zum großen Staatsmann geworden ist? Das kann nur eine perfide Falle sein!«

Bevor ich antworten konnte, tat dies Joharr:

»Meine Tochter, du irrst. Der Emperador ist von der Idee des universellen Friedens überzeugt. Er ist auf unserer Seite.«

Ich ergänzte: »Nataly, ich weiß nicht genau, inwieweit du über die Fähigkeiten unseres Volkes informiert bist. Der Allvater hat den besten von uns die Fähigkeit geschenkt, allein durch die Macht ihrer Worte, allein durch die Überzeugungskraft der Rede, Friede zwischen den Wesen des Allvaters zu stiften. Seit jenen unrühmlichen Ereignissen im Jahre 1171 NGZ, die für immer unsere Schande bleiben werden, trat diese Gabe nicht mehr auf. Pace Joharr ist nun zweifelsfrei ein neuer Friedensstifter. Er kann allein durch die Macht seiner Worte das Gute, das Positive in jedem Wesen zum Vorschein bringen. Und genau dies ist bei dem Emperador und bei Despair geschehen.«

Nataly war halb überzeugt. Die Argumente ihres Onkels klangen überzeugend. Wenn die beiden Linguiden Recht behielten, würde dies das Ende des Krieges bedeuten. Und im Stillen setzte sie hinzu, und das Ende ihrer Trennung von Jonathan. Dies gab den Ausschlag. Sie wollte an die Wandlung der Despoten glauben.

Aber warum bekam sie diesen Gedanken nicht aus dem Kopf: Was ist, wenn in einem Wesen überhaupt nichts Positives mehr vorhanden ist?

Widerwillig nahm sie Kontakt zu Kathy Scolar auf und informierte sie über die aktuelle Entwicklung. Diese war sogleich Feuer und Flamme, denn ein Ende des Krieges würde auch für sie das Ende der Trennung von Aurec bedeuten. Unverzüglich gab sie ihre Informationen an Rosan Orbanashol-Nordment weiter, die Akon und Saggittor informierte. Alle sagten zu, sich am 24. Dezember mit Joharr auf Lingus zu treffen.

Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Die Zufriedenheit der Schlächter

Der kleine Terraner rieb sich die Hände. Das lief ja bestens. Diese leichtgläubigen Narren! Es war ja so leicht, Menschen zu manipulieren, wenn man mit ihren Ängsten, mit ihren Wünschen und Gefühlen spielen konnte. Und dieses Spiel verstand er wie kein zweiter. Nochmals ließ er die Aufzeichnung des Gespräches zwischen Joharr und Jargon abspielen.

Mit flinken Fingern stellte er die Verbindung her. Der Bildschirm zeigte den Emperador, während Despair im Hintergrund sichtbar war.

»Alles läuft zu unserer Zufriedenheit. Sie haben angebissen.«

Mit diesen Worten trennte er die Verbindung. Im Unterbewusstsein registrierte er noch das diabolische Grinsen des pockennarbigen Spaniers.

Dieser aktivierte kurz darauf eine Interkomverbindung. Auf dem Bildschirm war das Gesicht seiner Tochter sichtbar. »Es ist soweit, Stephanie. Du kannst anfangen.«

Nur der Silberne Ritter war nicht zufrieden. Er fragte sich zum wiederholten Male, ob er auf der richtigen Seite stand. Doch eine Stimme, tief aus dem Innern seines Wesens, meldete sich: Es ist die einzige Möglichkeit. Die Alternative lautet völlige Vernichtung.

Mit einem Blick des Abscheus verließ er das pompöse Arbeitszimmer des alten Spaniers.

*

Der 24. Dezember des Jahres 1305 NGZ versprach zur Wende im Leben der Völker Cartwheels zu werden. Aus allen Welten waren die Pilger in den vergangenen Tagen nach Lingus geströmt. Die Welt der Linguiden war zum Zentrum der Insel geworden. Der Emperador unterstützte die Mission des Friedensstifters öffentlich. Joharr bekam Zugang zu den Medien des Quarteriums. Man konnte die Öffentlichkeitswirkung mit einem Satz zusammenfassen: Joharr auf allen Kanälen. Nichts deutete auf ein falsches Spiel der imperialen Führung hin.

Und so strömten die Millionen nach Lingus. Am Morgen des Heiligen Abends war es dann soweit: Das Triumvirat musste den Zustrom der Pilger stoppen. Man konnte einfach nicht mehr Wesen aufnehmen. Doch auch hier half der Emperador. Er erklärte sich bereit, die lokalen Verwaltungsämter anzuweisen, überall die Übertragung der Rede Joharrs zu ermöglichen. Und so entstanden auf allen Planeten im Bereich des ehemaligen Terrablocks große Festplätze mit riesigen Holowänden, die zur Übertragung der Weihnachtsansprache Joharrs und der Neujahrsfeier auf Siniestro dienen sollten. Und diese Unterstützung zerstreute die letzten Zweifel an der Kursänderung des Emperadors.

Doch dann kam es gegen Mittag im festlich geschmückten Ratssaal von Lingorstadt zu einer denkwürdigen Auseinandersetzung. Die gesamte Führung der freien Welten hatte sich bereits eingefunden. Alle waren dem Ruf des Friedensstifters gefolgt. Saggittor wurde durch Vizekanzler Rauoch vertreten, an der Spitze der akonischen Delegation stand Präsident Mirus Traban und für die USO war Rosan Orbanashol-Nordment anwesend.

5. Die Zeit der Schlangen

Aus Mündungen kommt die Macht ja, und nur aus den Mündern nicht …

Die Leiterin der USO in Cartwheel, Rosan Orbanashol-Nordment stand in einer Gruppe mit Jaaron Jargon, Nataly Andrews und Kathy Scolar zusammen, als der Friedensstifter den Saal betrat. In ihrer Nähe hatte sich Frank de Boor postiert, der die Funktionen von Sam Tyler innerhalb der USO in Cartwheel übernommen hatte. Auch de Boor war, wie Tyler, ein ehemaliger LFT-Agent, der sich der USO angeschlossen hatte. Der alte Terraner holländischer Abstammung hatte sich in den vergangenen Wochen als unersetzliche Hilfe erwiesen. Zwar war er eigentlich für Kampfeinsätze zu alt, aber dies glich er durch seine Erfahrung mehr als aus.

Die Stimmung im Saal war feierlich: Über der gesamten Versammlung lag eine Atmosphäre aus Friedfertigkeit, Harmonie und religiöser Toleranz. Joharr hob die Arme und die Gespräche verstummten.

»Meine Freunde, meine Brüder und Schwestern, ich möchte euch nun einen Mann vorstellen, ohne den ich heute nicht vor euch stehen könnte. Genau genommen, hat nur er es ermöglicht, dass wir uns hier versammeln können, dass für Millionen geknechteter Wesen wieder Hoffnung besteht. Meine Freunde, ich freue mich, Gruppen-Kommandeur Roland Meyers in unserer Mitte zu begrüßen.«

Mit diesen Worten trat er zur Seite, doch was folgte, sollten die Anwesenden nicht so schnell vergessen. Denn Meyers betrat den Saal und er kam nicht allein. Sein Auftritt beendete die friedliche, weihnachtliche Stimmung mit einem Schlag: Er glich einer Demonstration militärischer Stärke und Unversöhnlichkeit.

Rosan glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können. Das gab es doch gar nicht! Denn Meyers und seine Begleitung erschienen in voller Kampfausrüstung. Während die gesamte Versammlung festlich gekleidet war, wirkte schon die schwarze CIP-Uniform, als eine einzige Provokation. Und erst seine Begleiter! Noch nie hatte sie eine solche Truppe gesehen. Unter militärischen Gesichtspunkten verstießen sie zwar gegen sämtliche Vorschriften, aber die Atmosphäre, die sie um sich verbreiteten, war Gewalt, Macht und Tod.

In Rosans Augen sahen diese Typen wie ein Haufen unzivilisierter Barbaren aus, die nicht bis drei zählen konnten. Mit Ausnahme von Meyers. Er wirkte adrett in seiner Uniform. Wie ein typisches Vorzeigemodell eines Terraners. Aber diese perfekte Ausstrahlung machte ihn nicht sympathischer. Im Gegenteil. Insbesondere durch die Uniform wirkte er bedrohlich, ebenso wie seine Bande, die teilweise gekleidet war, als wäre Fasching.

Voran ging ein Arkonide in einem kuttenähnlichen Kleidungsstück, das sie als den Gi eines Dagor-Meisters erkannte. Als einzige sichtbare Waffe trug er den traditionellen Katsugo auf dem Rücken. Rechts und links und nur einen Schritt weit hinter ihm versetzt schritten zwei Kämpferinnen, die beide mindestens genauso aus dem Rahmen fielen wie der arkonidische Ritter. Rechts bewegte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit eine Terranerin, deren Uniform sämtlichen Kleidungsordnungen aller bekannten Flotten Hohn sprach. Die bis zum Bauchnabel geöffnete Kombi war eine einzige Provokation. Unwillkürlich fragte Rosan sich, welche Rolle diese Person innerhalb dieses Gespanns wahrnahm. Wahrscheinlich eine Animationsdame – trotzdem … Rosans Sinne erfassten die grenzenlose Überheblichkeit, die ihr ganzes Wesen ausströmte.

Die andere Flanke dieses seltsamen Gespanns bildete eine hünenhafte Oxtornerin, deren haarlosen Kopf ein blutroter Drache zierte. Beide zusammen verbreiteten den Hauch eisiger Gefahr. Und zwischen ihnen, sichtlich gut behütet und beschützt, befand sich ein junger, groß gewachsener Terraner, der auf seine Weise noch beeindruckender war als seine Begleiter.

Das war Meyers. Trotz der eigenen Unauffälligkeit inmitten der Gefährlichkeit seiner Beschützer strahlte er etwas aus: Ein gewisses Charisma umgab ihn, von dem man nicht wusste, ob es zum Guten oder zum Schlechten war.

Hinter den vieren betraten noch zwei Ertruser den Saal. Und plötzlich ertönte neben Rosan ein Schrei. Sie schnellte herum. Frank de Boor war aufgesprungen.

»Maya, Kindchen, bist du das wirklich?«

Der alte Terraner lief unsicher einige Schritte nach vorne. Die Reaktion der Amazone war sehenswert. Ihr Blick schnellte zur Seite, und dann ein Jubelschrei:

»Frank, Väterchen Frank, wie kommst du hierher?«

Mit diesen Worten stürzte sie sich auf den Holländer. Mit beiden Händen umfasste sie ihn unter den Armen und dann hob sie den bestimmt nicht leichten Mann hoch und schwenkte ihn übermütig im Kreis herum.

»Bitte lass mich los, Kindchen. Ich bin nicht mehr der Jüngste, und von deinem Geschunkel wird mir ganz schwindelig.«

Rosan wurde wieder von der Wiedersehensszene abgelenkt. Durch den Freudenausbruch der Terranerin war die rechte Seite dieses seltsamen Dreiecks ungedeckt. Einer der Ertruser machte einige Schritte nach vorn und schloss das Dreieck wieder. Sie fühlte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Dies war eine Kampfeinheit, die ihresgleichen suchte. Ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich wieder auf das ungleiche Paar. Frank hatte die aufreizend gekleidete Frau bei der Hand genommen und zog sie in ihre Richtung.

Mit gespannter Aufmerksamkeit musterte sie die Neue. Sie empfand starke Abneigung. Diese offen zur Schau getragene Sinnlichkeit eines GoGo-Girls gepaart mit dieser Ausstrahlung reiner Aggressivität stieß sie ab.

Dieses Empfinden war so stark, es verschlang sie. Mit aller Willenskraft riss sie sich aus ihrem Bann und zwang sich, das Gefühl zu ignorieren. Und plötzlich fühlte sie hinter dieser Fassade, tief im Wesen dieser Frau noch etwas Anderes verborgen; etwas, das sie nicht einordnen konnte. Alle ihre Sinne schalteten auf Ablehnung, auf Vorsicht. Irgendetwas stimmte nicht. Diese Frau war fremd, unsagbar fremd. Und dann war alles vorbei: Frank hatte sie, mit der Unbekannten im Schlepptau, erreicht und stellte sie vor:

»Rosan, darf ich dich mit Maya, meinem Schützling aus alten Tagen bei der Abteilung Null, bekannt machen?«

Rosan schluckte. Die war bei der Abteilung Null? In der selben Riege wie Monkey und Frank de Boor? Frank redete weiter: »Kindchen, warum bist du damals so plötzlich verschwunden? Alle glaubten an deinen Tod. Was ist geschehen?«

»Ich war auch schon so gut wie tot. Man hatte mich mit einem speziellen Auftrag auf eine arkonidische Rüstungswelt geschickt. Nachdem ich diesen erledigt hatte, bekam die Tu-Ra-Cel einen Tipp, ich flog auf, konnte aber mit knapper Not entkommen. Danach hatte ich die Nase voll vom TLD und bin hierher.«

»Zur CIP, welch exzellente Wahl«, meinte Rosan sarkastisch.

Maya sah mich herausfordernd an. Was würde nun kommen? Stand ein Kräftemessen an? Doch die Fremde blieb ruhig, schien sogar etwas verunsichert zu sein. Dann lächelte sie: »Wird das jetzt ein Abwerbegespräch?«

Rosan hatte nicht erwartet, dass sie oberhalb der Gürtellinie so schlagfertig war. Abschätzende musterte sie Maya. Frank schien ihre Antipathie zu bemerken und mischte sich ein.

»Du wärst herzlich willkommen bei der USO. Wenn ein Wunder einträte und der Emperador seine Politik ändern würde, wäre die USO in Cartwheel auch wieder anerkannt.«

Die Fremde blickte auf. Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse aus Abscheu und Ablehnung.

»Wunder? Frank, hast du tatsächlich Wunder gesagt? Wunder in Bezug auf das Quarterium? Wunder in Bezug auf diesen Despoten Siniestro, Wunder in Bezug auf das sadistische Scheusal Niesewitz? Seid ihr hier von allen guten Geistern verlassen? In welcher Welt lebt hier eigentlich?«

Die letzten Worte hatte sie regelrecht hinausgeschrien. Überall verstummten die Gespräche. Alle Augen waren auf die Terranerin gerichtet, in den Gesichtern der Umstehenden war Unverständnis zu lesen. Aus einigen Ecken war sogar drohendes Gemurmel zu hören. Und plötzlich war die gesamte Gruppe da und bildete einen schützenden Kreis um die vor Erregung bebende Maya. Die Mienen waren eisern, die Hände lagen auf den Griffstücken der Waffen. Und wieder war Rosan wider ihren Willen von dieser Präzision fasziniert. Sie zweifelte nicht im Geringsten daran, dass diese Truppe es leicht mit einer zehnfachen Übermacht aufnehmen konnte.

Rosan musste jetzt eingreifen! Es bestand die Gefahr, dass sich aus einem Missverständnis eine verhängnisvolle Konfrontation entwickelte.

»Nicht Freunde, besinnt euch. Wir sind hier unter Gleichgesinnten.«

Meyers war vorgetreten. Seine ganze Haltung drückte Ablehnung und verhaltene Wut aus.

»Gleichgesinnte? Ich glaube eher, dass wir hier unter Schafen sind. Was wollen Sie tun, den Kopf in den Sand stecken? Die Macht des Quarteriums wankt, jetzt haben Sie die Chance, es zu Fall zu bringen. Die Völker sind zum Aufstand bereit, sie warten nur noch auf das Signal zum Aufbruch. In der Flotte gärt es, niemand will für Dorgon sterben. Warum glauben Sie, macht der Emperador Ihnen dieses Angebot? Weil er am Ende ist! Ergreifen wir die Chance gemeinsam. Sie wird nicht wiederkommen. Wenn wir diese Stunde untätig verstreichen lassen, geben wir den Unterdrückern die Möglichkeit, ihre Macht wieder zu stabilisieren. Wir müssen handeln und zwar jetzt!«

Betretenes Schweigen war die Folge. Dann wurden einzelne Rufe laut: Ihr seid ja selbst CIP-Mörder, Henkersknechte, Niesewitz‘ Abschaum. Die Stimmung der Versammlung drohte zu kippen. Doch dann griff der Friedensstifter ein.

»Haltet ein! Der Kommandeur ist über jeden Verdacht erhaben! Nur unsere Wege sind verschieden. Ich muss den Weg gehen, den mir der Allvater weist. Es ist sein Wille, dass die Fehlgeleiteten eine letzte Chance erhalten. Dieser Weg ist nicht sein Weg. Er ist dazu bestimmt, den Weg der Rache, den Weg der Vergeltung zu gehen. Besinnt euch! Wenn mein Weg falsch ist, müsst ihr daraus lernen. Geht, meine Brüder und Schwestern, geht!«

Meyers schüttelte den Kopf und wandte sich dem Ausgang zu. Doch Maya unternahm noch einen letzten Versuch. Sie fasste de Boor an beiden Schultern.

»Frank, komm zu dir. Du kennst das Spiel. Du weißt, Schlangen können sich immer wieder häuten, aber sie bleiben Schlangen. Frank, komm wenigstens du mit mir. Ich will dich nicht wieder verlieren.«

Doch der alte Holländer schüttelte ebenfalls den Kopf.

»Kindchen, du magst Recht behalten. Aber mein Platz ist an Rosans Seite. Sie braucht mich. Geh jetzt, Kindchen. Heute war mein schönster Tag. Dich nach so langer Zeit wiedergesehen zu haben und zu wissen, dass du lebst und es dir gut geht, hat mich für vieles entschädigt. Und Kindchen: Du hast gute Freunde, achte auf sie. Haltet zusammen.«

»Ihr seid doch alle verrückt, ihr rennt offenen Auges in euer Verderben.«

Mit diesen Worten folgte sie den anderen.

Rosan sah ihr nachdenklich nach. Vieles klang plausibel, aber auf der anderen Seite durfte sie nicht das Leben von Tausenden oder gar Millionen Menschen riskieren, wenn tatsächlich die Chance einer friedlichen Einigung mit dem Emperador bestand. Auf jeden Fall hatte sie einige neue Erkenntnisse gewonnen.

Wenig später an Bord der FLASH OF GLORY

Die vier saßen in der Offiziersmesse und diskutierten. Es war ihnen allen unbegreiflich, weshalb man nicht die Chance ergriff, die die momentane Destabilisierung des Quarteriums bot und lieber den Versprechungen des Emperadors vertraute. Sie waren sich einig, dass sie sich in Sicherheit bringen mussten, denn eines war klar: Selbst wenn die Wandlung des Emperadors echt war, Niesewitz würde sie nicht vergessen. Und so bereiteten sie das Schiff auf einen Alarmstart vor.

Dabei ergaben sich jedoch ungeahnte Probleme, denn der überwiegende Teil der Besatzung hatte die Gelegenheit genutzt, sich auf Lingus der freizügig angebotenen Zerstreuungsmöglichkeiten zu bedienen. Kurz gesagt, das Schiff war nicht einsatzfähig.

Die Ankunft der Schlange

Am frühen Nachmittag erreichte Stephanie de la Siniestro den Planeten. Sie blickte auf die Projektion des Holoschirms, der den Planeten in voller Größe zeigte. Sie zoomte einige Details heran und überlegte.

Dies war eigentlich ein viel zu schöner Planet, um ihn diesem aufständischen Gesindel zu überlassen. Sie machte eine Notiz: Möglichkeit der Umsiedlung der Linguiden prüfen, Planet bietet sich an, eine Freizeitwelt für verdiente Mitglieder des Quarteriums einzurichten.

Danach begab sie sich in ihre Privatkabine, um ihre Garderobe zusammenzustellen. Prüfend betrachtete sie die Auswahl an Kleidungsstücken, die im Stasisfeld des Einbauschrankes hingen. Was sollte sie nehmen, welcher Stil war ihrer Aufgabe angemessen?

Dann wusste sie es. Innerlich amüsierte sie sich köstlich. Es war eine ihrer wertvollsten Gaben, dass sie sich genau den gegebenen Situationen anpassen konnte. Je nach Bedarf konnte sie eine Heilige, eine dynamische Managerin oder aber, und hier musste sie nochmals grinsen, eine Femme Fatal darstellen, die jeden Mann um den Verstand brachte. Nun, eines war sicher, das Letztere war heute wohl total fehl am Platze. Mit leichtem Bedauern schob sie die entsprechenden Kleidungsstücke zur Seite, denn diese Rolle mochte sie am liebsten. Sie genoss es, wenn die Männer ihr zu Füßen lagen und um ihre Gunst bettelten, ihr die Füße leckten.

Rasch suchte sie die nötigen Kleidungsstücke zusammen, legte sie an und prüfte ihr Aussehen im Spiegelfeld. Ja, das war es! Mit untrüglichem Instinkt hatte sie genau die richtige Auswahl getroffen, eine Mischung aus allen drei Stilen. Nochmals ließ sie die eigene Erscheinung auf sich wirken.

Ihre heutige Mission war die vielleicht wichtigste, die sie bisher zu erfüllen hatte. Vor ihr stand eine Persönlichkeit, die gewohnt war, Entscheidungen zu treffen, die gewohnt war zu führen. Doch gleichzeitig sah sie eine Frau, die in jedem Mann den Wunsch erwecken musste, sie zu erobern. Das Ganze war mit einer gewissen konservativen Linie verknüpft, die Seriosität vermittelte. Ja, das war genau richtig! Nachdem sie noch ein dezentes Make-up aufgelegt hatte, das vor allem ihre Augen betonte, verließ sie zufrieden ihre Kabine. Sie war perfekt.

Ihre Privatjacht setzte zur Landung an. Die Raumkontrolle hatte sie eingewiesen. Sie schüttelte sich. Auf dem Planeten schienen Anarchie und Chaos ausgebrochen zu sein. Selbst der Raumhafen war von einem wilden Pöbel aus unmöglichen Gestalten umgeben, die sogar in aller Öffentlichkeit kopulierten. Sie schüttelte sich vor Abscheu. Und wieder war sie sich sicher, dass die Menschen nicht reif dafür waren, sich selbst zu regieren. Hier hatte sie den Beweis. Sie brauchten eine starke Hand, die sie führte. Die Hand ihres Vaters. Und diese Hand musste auch notfalls die Knute schwingen, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Es wurde Zeit, dass Spuk wie dieser hier ein für alle Mal beendet wurde.

Am anderen Ende des Raumhafens fiel ihr ein seltsames Raumschiff auf, ein Typ, den sie noch nie gesehen hatte. Wahrscheinlich gehörte es irgendwelchen Außenweltlern, die hierher zu ihrem Propheten gekrochen kamen. Was für ein Affront! Anstatt ihrem Vater, dem Emperador, zu huldigen, kroch der undankbare Pöbel zu diesem linguidischen Abschaum.

Nochmals betrachtete sie das Schiff. Und dann vergaß sie es. Es gab wichtigere Dinge, als sich über ein Stück Technik den Kopf zu zerbrechen. Technik war etwas für Sklaven. Wenn sich ihre Herrschaft endgültig gefestigt hatte, würde dieses alte, gute System wieder eingeführt werden: Eine klare Trennung zwischen Oben und Unten. Damit jeder wusste, wohin er gehörte.

Sie verließ ihre Jacht. Mit Bedacht hatte sie auf jeden militärischen Schutz verzichtet. Die Wirkung ihrer Persönlichkeit sollte nicht durch irgendwelche militärisch wirkende Primitivlinge zunichte gemacht werden.

Vor ihrer Jacht hatte sich inzwischen ein kleines Begrüßungskomitee versammelt. Innerlich schüttelte es sie, als sie die Gruppe betrachtete. Hier war alles versammelt, was ihrem von Gott gegebenen Machtanspruch im Wege stand. Sie erkannte diesen arkonidischen Bastard, diese Orbanashol, dieses Produkt eines Fehlgriffs der Natur, die sich erdreistete, die gleichen Ansprüche wie die Männer und Frauen von Adel geltend zu machen. Wenn das vorbei ist, werde ich mich persönlich um das Miststück kümmern, dachte sie. Meine Leibwache verdient schon lange eine entsprechende Belohnung.

Daneben wartete der Verräter an seinem eigenen Stand, dieser Mirus Traban, der sogar seinen akonischen Adelstitel abgelegt und seinen Namen geändert hatte, um seine Verbundenheit mit dem Pöbel zu demonstrieren. Auch du stehst auf unserer Liste ganz oben. Du sehnst dich nach der Verbundenheit mit dem Pöbel, Verräter! Auf Objursha wirst du den Rest deines Lebens Gelegenheit haben, dich ihnen nahe zu fühlen.

Und dann fiel ihr Blick auf den Friedensstifter. Diesen musterte sie eingehend. Der war ihr Ziel, den musste sie überzeugen. Und plötzlich spürte sie die Aura von Friedfertigkeit, von positiver Energie, die von diesem Wesen ausging. Einen Moment lang drohte diese Aura, sie zu verschlingen. Doch dann war es vorbei. Und nun verstand sie die Gefährlichkeit dieses Menschen. Doch ein wenig war sie von ihm fasziniert. Und spontan änderte sie ihre Pläne. Nein, der war viel zu schade dafür, zu seinen Göttern geschickt zu werden. Der war eine echte Herausforderung!

Mit untrüglichem Instinkt erkannte sie die Chance, die sich hier bot. Wenn sie diesen Linguiden unter ihre Kontrolle bekam, wenn er ihr aus der Hand fraß, eröffneten sich phantastische propagandistische Möglichkeiten. Das war nun endlich eine Aufgabe, die ihren Fähigkeiten angemessen schien. Und sie zweifelte keinen Augenblick, dass sie damit Erfolg haben würde. Joharr war auch nur ein Mann und selbstgefällig sagte sie zu sich selbst: Der Mann muss erst noch geboren werden, der mir widerstehen kann.

Zu Frieden und Herrlichkeit

Nataly Andrews

Ich blickte zu der gelandeten Raumjacht hinüber. Über eine ausgefahrene Rampe des unteren Schleusenschotts verließ eine weibliche Gestalt das Fahrzeug.

Da war sie nun also, die persönliche Abgesandte des Emperadors. Mit gewohnter Eleganz betrat sie den Boden von Lingus. Darüber hinaus strahlte ihr ganzes Wesen eine unnahbare Arroganz aus. Doch gerade diese Überheblichkeit schien auf Männer eine geradezu magische Anziehungskraft auszuüben. Ihre Jagdstrecke war schon geradezu legendär. Mir, Nataly Andrews, reichte der eine.

Nataly Andrews

Langsam kam sie auf uns zu. Ihre kalten Augen musterten uns abschätzend. Die Männer um mich waren hingerissen. Na, was hatte ich erwartet? Sie war der Fleisch gewordene Traum jedes Testosteronträgers und ich glaubte, dass viele Raumfahrer der quarterialen Flotte ein Holo von ihr in ihrem Spind angebracht hatten. Ich war schon lange genug unter Menschen, dass mich in dieser Hinsicht nichts mehr überraschen konnte. Eigentlich war ich ja selbst ein Mensch, obwohl ich mich in letzter Zeit mehr zu meinem anderen Teilvolk, den Linguiden, hingezogen fühlte.

Ich fragte mich, ob alle Menschen so blind waren. Ich betrachtete meine Begleiter: Alle starrten sie nahezu verzückt an. Das war doch nicht möglich! Sollte ich die Einzige sein, die hinter diese Maske schauen konnte? Ihrem Gesichtsausdruck nach schienen ihr sogar mein Onkel Jaaron und der Friedensstifter zu erliegen. Unwillkürlich musste ich sie mit dieser halb nackten Maya vergleichen. Beide strahlten eine Sinnlichkeit aus, die selbst ich als Frau fühlen konnte. Doch während Mayas Sinnlichkeit auf mich aggressiv wirkte, hatte ich bei der Tochter des Spaniers den Eindruck eiskalter Berechnung. Ich war mir sicher: Nichts, aber auch gar nichts war bei der echt! Innerlich überlief mich ein kalter Schauer. Was würde zum Vorschein kommen, wenn ihr jemand diese Maske von ihrem engelsgleichen Gesicht reißen würde? Eine Teufelsfratze?

Inzwischen hatte sie uns erreicht. Es war bezeichnend, dass die Ehre eines Händedrucks nur den in ihren Augen wichtigen Personen zuteil wurde, also Joharr, dem akonischen Präsidenten Mirus Traban, meinem Onkel und dem saggittonischen Vizekanzler Rauoch. Während sie Rosan wenigstens eines Seitenblickes würdigte, waren wir für sie praktisch nicht vorhanden. Und doch schienen auch Rosan und diese dumme Pute Kathy völlig ihrem Bann zu erliegen.

War ich denn mit meinen Befürchtungen allein? Ich schaute mich nochmals um. Und dann erblickte ich diesen alten Terraner, der seit dem Einsatz von Jonathan und den anderen in den estartischen Galaxien Rosan ständig begleitete. Der hatte sich einige Meter vom Stephanie-Fanclub abgesetzt und beobachtete das Schauspiel mit geringschätzigem Grinsen. Ja, es war kein Zweifel möglich: Ich hatte einen potentiellen Bündnisgenossen.

Kathy Scolar

Das große Ereignis war vorbei. Pace Joharr hatte vor Millionen von Pilgern eine beeindruckende Rede von Frieden, von Menschlichkeit, von Gleichheit der Rassen und vom universellen Miteinander gehalten. Es war wunderschön gewesen. Und dann hatte auch noch de la Siniestros Tochter Stephanie eine ebenso beeindruckende Rede gehalten.

Sie sprach von Missverständnissen, von korrupten Untergebenen, kurz und gut, sie erklärte im Namen ihres Vaters, dem Emperador, dass alles vorbei sei. Ihr Vater sei bereit, an der Spitze einer konstitutionellen Monarchie das Quarterium zu repräsentieren. Bereits im März des nächsten Jahres sollen Parlamentswahlen stattfinden und ein nur dem Parlament verantwortlicher Ministerpräsident gewählt werden, der die Regierungsgeschäfte führen sollte. Alle Schuldigen, die im Namen des Quarteriums Terror verbreitet hatten, sollten bestraft werden. Es würde jeder zur Rechenschaft gezogen werden, auch die Schuldigen an höchster Stelle.

Ein wahrer Sturm der Begeisterung war die Folge. Und dann – Unglaublich war das! – endete die ganze Kundgebung mit einem Ruf, der von Millionen Menschen wiederholt wurde, immer wieder:

Es lebe der Emperador!

Sollte endlich das ganze Elend, die ganzen Kämpfe, sollte das alles zu Ende sein? Es war zu schön, um wahr zu sein. Tief in meinem Inneren regte sich Misstrauen. Ich dachte an mein Martyrium, an die Verfolgung durch die CIP, an das Schicksal Joak Cascals. Sollte all das ohne Wissen des Emperadors geschehen sein? Doch der Wunsch nach einem friedlichen, demokratischen Cartwheel verdrängte meine Bedenken.

Danach fand in der ehemaligen Residenz dieses lokalen CIP-Verbrechers ein Empfang statt. Hierfür war ein Schiff gelandet, das der Emperador geschickt hatte. An Bord waren die besten Köche aus dem Palast auf Siniestro. Der spanische Feinschmecker ließ sich nicht lumpen und spendierte ausgesuchte Delikatessen und die besten Weine. Es war ein feierliches Dinner, zu dem nur die wichtigsten Personen eingeladen wurden.

Zuvor kamen vier hünenhafte Raumsoldaten und verhafteten diesen arkonidischen CIP-Verbrecher da Repul samt seiner vulgären Mätresse. Doch das interessierte mich nicht besonders. Ich bekam von Stephanie, der zukünftigen First Lady von Saggittor, persönlich die Einladung überreicht. Sie sah richtig vornehm aus in ihrer weißen Robe und dem mit einem Diadem geschmückten, hochgesteckten Haar. Die Männer lagen ihr natürlich zu Füßen und jeder, auch die anwesenden Damen, himmelten sie an. Unwillkürlich war ich fasziniert und ignorierte meine unterschwellig lauernden Zweifel. Es musste einfach wahr sein. So niederträchtig, so hinterhältig konnte diese schöne, beeindruckende Frau nicht sein, uns hier in eine solche Falle zu locken.

Doch dann hatte Nataly ihren großen Auftritt. Sie blamierte sich! Sie beschuldigte Stephanie, uns alle zu belügen, um die Macht des Emperadors wieder zu stabilisieren. Doch niemand glaubte ihr. Natürlich war es von Nataly nicht sehr diplomatisch, Stephanie so offen zu konfrontieren. Aber sie besaß noch nie großes Geschick in Diplomatie.

Ihr Onkel hat ihr dann gehörig die Meinung gesagt.

Danach habe ich Stephanie um eine persönliche Unterredung gebeten. Ich musste mir selbst einen Eindruck von ihrer Aufrichtigkeit verschaffen, um ganz sicher zu sein, die nagenden Zweifel abzulegen. Ich musste an Serakan denken, dem eine Beziehung mit Stephanie nachgesagt wurde. Hatte diese etwa doch etwas mit seinem Verrat und seinem Selbstmord zu tun?

Stephanie war richtig zuvorkommend. Lud mich sofort in ihre Privaträume ein und bewirtete mich persönlich mit Kaffee und Gebäck. Danach entschuldigt sie sich für einen Moment und kam wenig später in einem atemberaubenden Hausanzug wieder. Das Stück war ein Traum und sie gab mir auch bereitwillig die Adresse des Modedesigners, von dem sie es nach ihren Maßen hatte fertigen lassen.

Wir unterhielten uns über die neueste Mode und den neuesten Tratsch auf Paxus. Ich nutzte die Gelegenheit und erzählte ihr meine Geschichte. Sie war ganz empört und gab offen Niesewitz die Schuld für meine Behandlung. Die Tochter des Emperadors erklärte mir, dass die CIP ihre Befugnisse oftmals überschritten habe und sie jetzt die Konsequenzen daraus ziehen würden.

Danach fragte sie mich, wie es Aurec gehe und was er gerade mache. Fast war ich versucht, ihr von seinem heldenhaften Kampf in Siom Som und meinen Sorgen bezüglich dieser geheimnisvollen Elyn, unserer neuen Verbündeten, zu erzählen, doch ein Gefühl tief aus meinem Inneren hielt mich gerade noch zurück. Ich erzählte ihr nur, dass ich unter der Trennung und der Ungewissheit litt und auf das Angebot des Emperadors hoffte, damit endlich Frieden und Sicherheit in Cartwheel einkehrte und auch der Krieg in Siom Som beendet werden könnte.

Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass meine Antwort sie nicht befriedigte, denn kurze Zeit später musste ich gehen, da sie angeblich noch andere Verpflichtungen hatte. Aber sie versprach mir, dass sie sich, sobald die Lage unter Kontrolle wäre, wieder bei mir melden würde. Bei allem, was an ihr schön und gut wirkte – so ganz konnte sie mich nicht überzeugen. Irgendetwas an ihr gefiel mir nicht.

Danach gesellte ich mich wieder zu den anderen. Alle waren bester Laune, nur Nataly nervte jeden mit ihrem Misstrauen. Langsam begann ich sie zu verstehen.

Stephanie de la Siniestro

Diese Kathy war wirklich zu viel. Nachdem der Bauerntrampel endlich gegangen war, konnte ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Ich lachte, wie ich noch nie in meinem Leben gelacht hatte. Das war zu schön, um wahr zu sein! Wie konnte so viel Blödheit, so viel Naivität nur in einem einzigen Menschen konzentriert sein?

Und doch amüsierte mich diese Frau. Sie war so herrlich naiv, so richtig unverdorben. Und wieder strich ich eine Person von meiner Liste. Auch die war zu schade, um beim großen Aufräumen auf der Strecke zu bleiben. Nein, für die gab es eine wesentlich bessere Verwendung. Ich hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, mir eine Leibsklavin zuzulegen. Und hier hatte ich eine erstklassige Kandidatin.

Wie dem auch sei, die ganze Angelegenheit entwickelte sich weitaus besser, als ich zu hoffen gewagt hatte. Eines war sicher: Auf dem Neujahrsempfang würde dieser Pöbel sein blaues Wunder erleben!

Nataly Andrews

Ich hatte es endlich hinter mir. Ich fühlte mich, als ob ich im nächsten Moment kotzen müsste. Dieses Miststück! Ich hatte ja befürchtet, dass sie die Männer, die selbst ernannte Krone der Schöpfung, um den Finger wickeln würde, aber dass sich deren Verstand einzig auf das betreffende Körperteil beschränken würde, damit hatte selbst ich nicht gerechnet.

Es war unwürdig und beschämend: Die gesamte Führung unserer glorreichen Allianz rannte dieser … dieser … Person hinterher, als wenn sie die Offenbarung der Weiblichkeit darstellte. Was hatte dieses Weibsstück nur an sich, dass bei allen Männern der Verstand und noch einiges andere aussetzte, wenn sie nur mit dem kleinen Finger schnippte? Ach, ich war so wütend, ich hätte diese bornierten Ochsen in der Luft zerreißen können.

Wie konnte man nur so blöd, so leichtgläubig sein! Konstitutionelle Monarchie, Parlament, Ministerpräsident, dass ich nicht lache! Sogar das haben sie dieser Giftschlange, dieser Schlampe abgenommen! Wo blieb der Verstand unserer Helden? Fehlanzeige!

Und niemand hörte auf mich. Selbst mein Onkel, sonst die Sanftmut in Person, verteidigte dieses Miststück, als ob sie seine eigene Tochter wäre. Was er mir an den Kopf warf, kann ich hier gar nicht wiederholen. Es ist so beschämend, so erniedrigend, dass ich mich frage, ob ich hier sowieso auf verlorenem Posten stehe!

Und dann noch die hoheitliche Einladung zu dieser bescheuerten Kundgebung nach Siniestro. Das darf doch nicht wahr sein! Natürlich war die ganze Lämmerherde höchst beglückt durch die Ehre, von diesem Spanier, diesem imperialen Despoten, auf seinen Herrschaftssitz eingeladen zu werden. Seine Hoheit lassen bitten, und die Schafe laufen zu ihrem Schlächter!

Ich glaube immer noch, dass dies ein böser Traum ist, aus dem ich gleich erwachen werde. Das kann doch nicht die Realität sein. Aber es ist kein Traum. Und dieser großspurige Meyers, dieser Supersoldat war auch weg – natürlich, wenn man mal einen dieser todesmutigen Supermänner bräuchte, sind sie nicht da. Es ist zum Verzweifeln.

Ich habe mich in eine Ecke verdrückt. Ich halte die Gesellschaft dieser blöden Schafe einfach nicht mehr aus. Von einem Tablett schnappe ich mir eine Flasche Vurguzz. Das brauche ich jetzt. Wider Willen und angewidert beobachte ich diese hochnäsige Schlampe mit ihrem männlichen Harem. Und plötzlich fällt mir ein uraltes terranisches Lied ein, das mir mein Onkel einmal vorgespielt hat.

Männer umschwirren mich,
wie Motten das Licht
und wenn sie verbrennen,
ja dafür kann ich nichts.

*

Plötzlich bemerkte ich, dass der Fanclub anscheinend Verstärkung bekam. Wer fehlte noch? Natürlich Kathy! Diese nähert sich der Gruppe. Aber warum bleibt diese Kuh wohl hinter einer Säule stehen? Ich nehme einen tiefen Schluck aus der Flasche. Ein Glas ist überflüssig. Das tut jetzt richtig gut. Wieder fällt mein Blick auf die Gruppe. Kathy steht immer noch hinter der Säule. Warum gesellt sie sich nicht in den Kreis der Speichellecker? Getraut sie sich nicht, die Gesellschaft ihrer Angebeteten zu suchen? Das würde genau zu ihr passen. Wieder nehme ich einen Schluck. Fast wider meinen Willen löse ich mich dann aus meiner Ecke und schlendere auf sie zu. In meiner Lage ist mir jetzt jede Gesellschaft recht, die nicht zum Harem dieser zwielichtigen Prinzessin gehört.

Kathy Scolar

Das war ungeheuerlich. Ich stand hinter einer Säule in der Nähe der erlauchten Versammlung und hörte genau, welche unglaublichen Vorschläge dieses aristokratische Miststück Mirus Traban und Rauoch unterbreitete. Sie bot tatsächlich ein enges Bündnis zwischen Mankind, New Sphinx und Saggitton an und Aurec, jawohl Aurec!, sollte Ministerpräsident unter ihrem Vater werden. Dafür sollten wir sofort die Unterstützung der Rebellen in Siom Som einstellen. Aurec müsste natürlich seinen Regierungssitz nach Paxus verlegen.

Und dann kam es, ich konnte meinen eigenen Ohren nicht trauen: Diese falsche Schlange, diese Schlampe bot praktisch an, dass sie als Zeichen der neuen Freundschaft zwischen uns bereit wäre, in Aurecs Bett zu steigen. Natürlich nur im Interesse der Staatsräson. Sie formuliert es natürlich viel vornehmer, aber genau darauf lief es hinaus.

Ich sollte also abserviert werden. Und als Gipfel der Niedertracht fügte sie hinzu, dass ein Bauerntrampel wie ich wohl kaum die geeignete Person wäre, um an Aurecs Seite das Quarterium zu repräsentieren. Und was mich am meisten empörte: Weder Mirus Traban noch Rauoch stießen dieser impertinenten Person, dieser Intrigantin, Bescheid. Beide flüchteten sich in diplomatische Höflichkeitsfloskeln wie »Das will gut überlegt sein.« oder »Das ist wirklich ein sehr interessanter Vorschlag.«

Ich hatte genug gehört, es reichte! Ich wollte gerade hinter der Säule hervorstürmen, um diesem aristokratischen Flittchen die Gefühle eines Bauerntrampels ins Gesicht zu schreiben, als mich zwei Hände an den Schultern zurückhielten. Wütend drehte ich mich um, um zu sehen, wer mich festhielt. Natürlich Nataly! Die hatte mir gerade noch gefehlt. Wenn die mir jetzt auch noch Vorwürfe machte, würde ich ausrasten. Aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, ihre Hände, ihre Anwesenheit übten einen beruhigenden Einfluss auf mich aus.

»Nicht, Kathy, tu es nicht. Das ist genau, worauf sie wartet. Warum hat sie wohl so laut gesprochen, dass du alles verstehen konntest? Komm mit, wir gehen an einen Ort, wo wir ungestört reden können.«

Widerstrebend ließ ich mich mitziehen. Warum hatte sie mich zurückgehalten? Ich wusste doch, dass sie mich nicht leiden konnte, dass sie mir immer noch misstraute.

Nataly Andrews

Na, da war ich gerade noch zur rechten Zeit gekommen. Ich hatte die vor Zorn bebende Kathy am Handgelenk ergriffen und zog sie regelrecht hinter mir her. Ich hatte zwar nicht alles verstanden, was diese Schlange an Gift verspritzt hatte, aber das wenige reichte völlig. Aurec als der neue Gespiele der ungekrönten Königin Cartwheels! Wenn sie das nicht todernst gemeint hätte, wäre es der Witz des Jahrhunderts.

Schließlich erreichten wir eine kleine Sitzgruppe außerhalb dieses Narrentheaters. Ich schob die widerstrebende Kathy auf einen Stuhl neben mich und reichte ihr meine Flasche. Geradezu gierig riss sie mir den Alkohol aus der Hand. Sie musste wohl einen zu großen Schluck genommen haben, denn sie verschluckte sich und musste fürchterlich husten. Unter anderen Umständen hätte mich das köstlich amüsiert, aber jetzt klopfte ich ihr auf den Rücken und redete beruhigend auf sie ein.

»Nimm es nicht so schwer, das da drin sind alles Gehirnamputierte. Bei denen bestimmt gerade der Testosteronspiegel das Denken. Aber ich fürchte, dass das Erwachen umso furchtbarer wird. Wenn ich bisher noch die geringsten Zweifel gehabt hätte, dass das alles nur eine Falle, eine Hinterlist ohnegleichen ist, dann hätte Fräulein Hochwohlgeboren diese soeben vollständig beseitigt. Und nun müssen wenigstens wir einen klaren Kopf behalten und überlegen, wie wir die Pläne dieser Schlange durchkreuzen können.«

In diesem Augenblick verließ der alte Terraner, der inzwischen zu Rosans Stellvertreter geworden war, ebenfalls die Versammlung der Schafe. Er schien mit einem Blick unsere Stimmung zu erkennen und setzte sich, ohne zu zögern, zu uns. Es schien, als ob wir einen Verbündeten gefunden hätten.

Kathy Scolar

Warum haben Nataly und ich uns eigentlich bisher nicht verstanden? Sicher, die besten Freundinnen sind wir noch immer nicht, aber irgendwie hatte ich den Eindruck, dass das, was in diesem Narrenhaus gerade abgelaufen war, die Distanz, die Abneigung zwischen uns verringert hatte. Ich konnte es sogar fühlen: Statt eisiger Kälte und Misstrauen umfing mich ein warmes Gefühl der Anteilnahme. Nataly unterhielt sich angeregt mit dem alten Terraner, der, soweit ich mich erinnerte, Frank de Boor hieß. Auch dieser war der Meinung, dass alles nichts weiter als eine groß angelegte Falle, ein geniales Komplott des Emperadors und der CIP sein würde.

»Rosan muss sich auch sehr zusammen reißen, aber man merkt es ihr nicht an, sie ist eben eine gute Diplomatin«, sagte de Boor.

»Naja«, meinte Nataly. »Ihr Gesicht ist sehr starr …«

»Sonst würde sie es zu einer angewiderten Grimasse verziehen«, entgegnete der Holländer und lächelte.

Am liebsten hätte ich die beiden gefragt, was wir tun konnten, aber ich war im Moment viel zu verunsichert, um mich in das Gespräch einzumischen. Gespannt hörte ich zu. Nataly sagte gerade, dass wir drei zusammen versuchen müssten, die Pläne dieser hochnäsigen Schlange zu durchkreuzen. Sie sagte tatsächlich »wir drei«, bezog also mich in die Pläne ein. Frank wollte versuchen, Rosan zu überzeugen, dass wir wenigstens bewaffnet auf diesen Staatsempfang gehen würden. Verlegen warf ich ein, dass ich wohl absolut ungeeignet wäre, um an irgendwelchen Kämpfen teilzunehmen. Die wenigen Male hatte ich nicht unbedingt geglänzt, abgesehen vom Kampf gegen diese Schwester Lok aus dem Heim. Aber ehrlich gesagt, musste ich so was nicht jeden Tag haben und ich war mir nicht sicher, ob ich noch einmal siegreich wäre.

Der alte Terraner blickte bei diesen Worten auf und musterte mich durchdringend. Ich hatte das Gefühl, dass er mir bis in meine Seele blickte. Dann meinte er: »Ich weiß genau, was dir fehlt. Du traust dir nichts zu, du wurdest aus deinem bisherigen Leben gerissen und in Dinge verwickelt, die weit über deine bisherigen Erfahrungen gingen.«

Ich musste schlucken. Oh, wie recht er hatte! Dann fuhr er fort: »Schau dich einmal genau an, Mädchen. Eigentlich hast du überhaupt keinen Grund, dich minderwertig zu fühlen. Dein Körper ist sportlich durchtrainiert und, nebenbei bemerkt, äußerst attraktiv. Du bist die Verlobte von Aurec, dem größten Helden Cartwheels.

Auch sonst scheinst du nicht gerade auf den Kopf gefallen zu sein. Was du brauchst, ist Selbstvertrauen und nochmals Selbstvertrauen. Alles andere findet sich von alleine.«

Danach gingen wir an Bord des USO-Schiffes. Und dann hatte ich ein Erlebnis, das meine ganzen bisherigen Vorstellungen außer Kraft setzte: Frank und Nataly trainierten zusammen in Franks Kabine. Ich fühlte mich so allein und fragte die beiden, ob ich zusehen dürfte. Lachend nickten sie. Und plötzlich, ich weiß auch nicht, was mich dazu getrieben hatte, fragte ich, ob ich es auch einmal probieren könnte.

Nataly nickte und meinte im Spaß, dass sie mich schon immer mal ordentlich verprügeln wollte. Und dann fingen wir an. Zuerst war es furchtbar. Nataly machte ihre Ankündigung buchstäblich wahr. Doch irgendwann wurde es mir zu viel. War ich wirklich zu nichts zu gebrauchen? Ich dachte an gar nichts mehr, ich wollte das Ergebnis dieser Schnapsidee einfach hinter mich bringen.

Und plötzlich ging alles wie von allein. Ich wusste selbst nicht, wie es geschah, plötzlich flog Nataly durch die Luft und prallte schwer auf den Boden. Ich blickte völlig verdattert auf sie. Stöhnend richtete sie sich auf und begann, ihren Körper abzutasten. Selbst Frank sah mich etwas ungläubig an.

Dann meinte er, dass das Leben voller Überraschungen wäre. Es wäre wohl zu gefährlich, wenn ich weiter mit Nataly trainieren würde. Er hätte da etwas viel Besseres aus alten Tagen. Danach öffnete er eine Wandnische und holte so was Ähnliches wie eine Puppe heraus. Das hier, erklärte er, sei ein Nahkampftrainingsandroide, wie wir ihn früher beim Ligadienst der LFT benutzt haben. Er hatte in etwa das Gewicht eines normalen Terraners und auch seine ganze Beschaffenheit wäre dem menschlichen Körperbau nachempfunden. Über ein spezielles Programm konnten verschiedene Kampfstärken eingegeben werden. Und nun, so meinte er, begannen wir einmal mit der Anfängerstufe.

Ich wusste zwar nicht, was das bringen sollte, aber machte gute Miene zum bösen Spiel. Doch irgendwann begann das Spiel mir Spaß zu machen. Und dann vergaß ich alles um mich herum. Nur noch dieser verdammte Androide existierte. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren, als ich bemerkte, dass ich am Ende war. Ich wollte aufstehen, aber meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Mit einem Stöhnen fiel ich wieder auf die Übungsmatte. Ich war fertig, fix und fertig, wie noch nie in meinem Leben.

Mit müden Augen blickte ich zu Nataly und Frank hinüber, die mich ungläubig ansahen. Ich bemerkte, das Frank immer nur den Kopf schüttelte und ständig »Das gibt es doch nicht!« vor sich hin murmelte. Nachdem ich mich einigermaßen erholt hatte, fragte ich Frank, was eigentlich los sei. Dieser antwortete, dass er so etwas noch nicht erlebt habe, dass ich eine Naturbegabung sein müsse. Wenn er ein halbes Jahr Zeit haben würde, um mich auszubilden, dann könnte ich es mit jedem ausgebildeten Nahkampfspezialisten aufnehmen, sofern der nicht ein Ertruser oder Oxtorner wäre. Ungläubig schüttelte ich den Kopf.

»Ihr verarscht mich doch! Ich hab doch vom Kämpfen überhaupt keine Ahnung.«

Frank nahm mich bei den Schultern, blickte mir tief in die Augen und entgegnete:

»Kathy, glaube mir, niemand will dich hier verarschen. Was wir gerade gesehen haben, ist unglaublich. Du musst nur deine Zweifel, deine Komplexe ablegen und dich auf deine Reflexe, dein Unterbewusstsein verlassen, dann geht es fast von alleine. Finde zu dir selbst, Kathy, und du wirst völlig unbekannte Fähigkeiten entdecken. Dass glaube ich für meinen Teil jedenfalls.«

Abflug

Es war vorbei. Alles war genau so gelaufen, wie sie es geplant hatte. Wenn alles gut ging, dann bedeutete Silvester 1305 NGZ das Ende jeder Opposition in Cartwheel. Sie hatte Recht behalten: Männer blieben Männer und waren wie Wachs in ihren Händen.

Im Nachhinein amüsierte Stephanie de la Siniestro sich köstlich über diese sabbernden Idioten, die selbst den größten Blödsinn für bare Münze genommen hatten. Die Idee zu dieser Geschichte mit Aurec war ihr während des Gespräches mit dem akonischen Verräter gekommen. Sie hatte eine willkommene Gelegenheit gesehen, noch etwas Misstrauen und Zwietracht in der Allianz ihrer Feinde zu säen.

Die Reaktion auf ihren Versuchsballon hatte selbst sie überrascht, eigentlich hatte sie erwartet, dass Traban und Rauoch ihren Vorschlag eindeutig ablehnen würden. Es wäre äußerst interessant gewesen, diese Möglichkeit weiterzuverfolgen, aber dazu war es leider zu spät. Warum nur war sie nicht früher auf diesen Gedanken gekommen? Es stand für sie eindeutig fest, dass sie, wenn sie es nur wollte, selbst Aurec um ihren kleinen Finger wickeln konnte. Aber wie gesagt, dazu war es jetzt zu spät. Die Weichen waren bereits in eine andere Richtung gestellt.

ENDE

Die Friedensbewegung in Cartwheel scheint von trügerischer Natur. Mehr dazu schreibt Jürgen Freier in Band 82:

KAMPF DER USO

DORGON-Kommentar

Frieden in Cartwheel? Das scheint ein Wunschtraum zu sein. Vielmehr sieht es danach aus, als würde das Quarterium zuerst beschwichtigen, um dann zuzuschlagen. Pace Joharrs Ansprache hat zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, um komplett ignoriert zu werden. Schon heute ist es schwer, etwas aus dem Internet komplett zu verbannen. Wie schwer ist es dann erst in der Zukunft?

Natürlich ist das Quarterium kein Amateur in Sachen Zensur. Auch in unserer heutigen, freien Gesellschaft gibt es freiwillige Selbstkontrolle. Aus ideologischen Gründen, aber auch aus Angst um den Arbeitsplatz. Es bedarf keines totalitären Regimes, um Nachrichten zu ignorieren oder umzuschreiben.

Reicht dies nicht aus, kommen technische Raffinessen hinzu, um ungeliebte Meldungen und Beiträge aus der Öffentlichkeit zu löschen. Allerdings ist und bleibt es schwer, Milliarden Menschen zu kontrollieren – oder in Cartwheel eben Billiarden Wesen. Denn jedes Regime möchte seinen Bürgern ja auch Freiheit vorgaukeln. Je tiefer die Einschnitte und die Zensur im Bewusstsein der Bürger ist, desto schwieriger wird ihr Geist zu kontrollieren sein.

So hat das Quarterium aus dessen eigener Sicht das wohl Sinnvollste gemacht: Sich zuerst mit dem Feind anfreunden, um später das wahre Gesicht zu zeigen. Eines dürfte jedem klar sein – natürlich wird das Quarterium keinen permanenten Frieden eingehen, eher dürstet es seiner Führung, ganz Cartwheel unter seine Kontrolle zu bringen.

Noch stehen die Republiken Saggittor und Akon sowie die United Stars Organisation – USO – im Weg. Doch wie lange noch?

Nils Hirseland

GLOSSAR

Pace Joharr

Linguide

Alter ca. 24 Jahre

Pace Joharr ist ein Vertreter der zornigen jungen Generation auf Lingus. Er ist nicht mehr bereit, sich weiter der Isolationspolitik des linguistischen Triumvirats unterzuordnen. Sein Ziel ist der aktive Einsatz für die Gewinnung des Friedens. Zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin Martana Kuutor versucht er die Ursache zu finden, warum im Volk der Linguiden seit den Ereignissen um den »Ruf der Unsterblichkeit« keine Friedensstifter mehr aufgetreten sind.

Im Laufe dieser Studien kommt es zum Bruch mit Martana. Er entwickelt sich zum Friedensstifter, während seine ehemalige Gefährtin zunehmend den Weg der Gewalt vertritt. Gegen Ende des Jahres 1305 NGZ kommt es zum endgültigen Bruch. Pace Joharr versucht seine Gabe als Friedensstifter einzusetzen, um Krieg und Gewalt im Quarterium zu beenden, während Martana Kuutor eine terroristische Guerillabewegung gegen das Quarterium aufbauen will. Der Jahreswechsel 1305/06 NGZ entscheidet für beide über ihr Schicksal.

Eron da Repul

Bezirks-Kommandeur der CIP auf Lingus. Da Repul ist ein reinrassiger Arkonide, fast zwei Meter groß, und selbst für einen Arkoniden äußerst hager. Er stammt aus einer der vornehmsten Familien Arkons und gilt als Protegé von Bostich und Jenmuhs. Die Tür zu den höchsten Rängen Arkons blieb ihm jedoch verschlossen, da bei ihm, genau wie bei Bostich, die Aktivierung des Extrasinns teilweise fehlschlug. Daraufhin verstieß ihn seine Familie, die ihn als minderwertig erachtete. Die fehlerhafte Aktivierung bewirkt, dass der Extrasinn gelegentlich die Kontrolle über den Körper übernimmt und die Persönlichkeit da Repuls komplett verdrängt. In diesem Zustand ist der Arkonide absolut unberechenbar. So hat er einmal versucht, als Kommandant eines ganzen Flottenverbandes, diesen in eine Sonne zu lenken. Zwischen da Repul und Bostich muss jedoch eine Verbindung bestehen, denn der arkonidische Imperator hat persönlich dafür gesorgt, dass Jenmuhs sich dafür einsetzt, da Repul ein Kommando bei der CIP zu verschaffen.

Roland Meyers

Terraner

Geboren 1282 NGZ in Neu-Stuttgart, Region Deutschland

Außergewöhnliche Jugend. Seine Eltern sind TLD-Agenten, die im Einsatz umkommen, als er zwei Jahre alt ist. Roland wächst in einer Öko-Kommune bei der Schwester seiner Mutter auf. Bereits seit frühester Jugend Ausbildung in den alten Kampfkünsten Asiens. Wird von seinem Lehrer, einem uralten Chinesen, auch in den Weg des Upanishad eingeführt. In der Pubertät beginnt er gegen seine antiautoritäre Erziehung und die pazifistischen Ideale seiner Tante zu rebellieren. Er ist vom Militär und Militarismus, Macht und Stärke fasziniert.

Als Dorgon für das Projekt Cartwheel wirbt, ist er einer der Ersten, die sich freiwillig melden. Er tritt dann sofort in eine militärische Ausbildung ein und wechselt nach der Gründung des Quarteriums zur CIP. Dort macht er rasch Karriere, er gilt als äußerst fähig. Innerhalb der CIP ist er der jüngste Gruppen-Kommandeur. Da er gleichzeitig die Redhorse-Akademie absolviert und die Flotte als Major verlassen hat, wird ihm das Kommando über den neu entwickelten Träger-Kreuzer FLASH OF GLORY übertragen. Er gilt als absolut loyal, da der Militarismus des Quarteriums seiner augenblicklichen Grundeinstellung entspricht.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Gruppen-Kommandeuren beruht seine Autorität jedoch nicht auf der autoritären Befehlshierarchie, sondern seiner persönlichen Integrität und seinen fachlichen Qualifikationen.

Maya ki Toushi

wahrscheinlich Terranerin

Geburtsort und -datum unbekannt (angeblich weiß sie es selbst nicht)

Umfang Fähigkeiten unbekannt (äußerst flexibel, gilt als Allroundgenie, Nahkampfspezialistin)

Ist charakterlich absolut unbeherrscht und reagiert oft rein instinktiv. In sexueller Hinsicht äußerst freizügig, jedoch nur, wenn die Initiative von ihr ausgeht. Auf jede Art von Machogehabe und Zwang reagiert sie äußerst aggressiv.

Kommandeurin Gruppe Zero

Feline »Dragon« Mowac

Oxtornerin

Geboren 1276 NGZ (genaues Datum unbekannt) auf der oxtornischen Kolonie Taulus (nicht verifiziert), dem 9. Planeten der Sonne Catherine-Whell.

Über ihre Eltern liegen keine Informationen vor. Findelkind, wurde von Rovina Mowac, der Kanzlerin von Taulus und Shan Mogul, ihrem Lebensgefährten, als Kind angenommen.

Gilt als eiskalt, kompromisslos und unnahbar. Über irgendwelche Beziehungen liegen keine Informationen vor.

Kommandeurin Gruppe Zero.

Shan Mogul

Oxtorner

78 Jahre alt

Gezeichnet von Narben unzähliger Kämpfe, Veteran der USO und der LFT, Ausbilder am Redhorse Point, Lehrer Meyers, Stabsfunktion Gruppe Zero

Corph de Trajn

Arkonide

Geburtstag und -ort nicht bekannt

Dagor-Tai-Laktrote (Groß-Meister), Waffensystemanalytiker, gefürchtet wegen seines Zynismus.

(Weitere Informationen liegen im Augenblick nicht vor)

Kommandeur Gruppe Zero


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 81, veröffentlicht am 14.11.2016 —

Titelillustration: Lothar Bauer • Innenillustration: Roland Kopp

Lektorat: Alexandra Trinley und Nils Hirseland • Digitale Formate: René Spreer